“I wasn’t looking, but somehow you found me.”
Lost in Translation
(6.1.2004 / 8.1.2004 Atlantis)
Das sind sie! – Ganz genau das sind sie! Um ein wenig präziser zu werde: In meinem Eintrag zu Herr der Ringe habe ich geschrieben: „Mir fehlen die Momente, in denen ich im Kinosessel erstarre, Tränen in den Augen, mit der Gewissheit großes zu erleben. (…) Für mich sind die Großen Momente des Kinos eher die unscheinbaren. Die wenigen Worte, die kurzen Blicke, die Szenen, bei denen sich die Nackenhaare aufstellen, und man eine Gänsehaut bekommt.“ – Wovon ich damals gesprochen habe, ganz genau das durfte ich nun wieder erleben. Ganz genau diese Momente gibt es nämlich in „Lost in Translation“, und zwar mehr als nur einmal. Doch der Reihe nach.
Bob Harris – Alternder Hollywood-Star in den besten Jahren, seine Karriere ist längst vorbei. Doch ein gutes hat es: Jetzt kann er sich sein Geld leichter verdienen. Mit einträgigen Werbespots zum Beispiel. Und so verschlägt es Bob nach Tokio, wo er einen Spot für Whiskey drehen soll.
Charlotte – Bei der Frage, was sie in Tokio macht, zögert sie. Denn sie weiß es selbst nicht so recht: “My husband's a photographer, so he's here working. I wasn't doing anything so I came along.”
Beide scheinen zuerst einmal verloren in dieser fremden Stadt, verloren in den fremden Sitten, überfordert mit der Sprache – in gewisser Weise „Lost in Translation” („Is that everything? It seems like he said quite a bit more than that” fragt Bob verwundert die Übersetzerin, als diese den Redeschwall des Regisseurs lapidar in der Aufforderung zusammenfasst, er solle doch bitte nach rechts schauen, aber mit „intensity“). Doch es ist mehr, als nur das: Weitaus einfacher, als in der glitzernden, bunten, rasanten Neon-Welt Tokios verliert man sich nämlich in seinem eigenen Leben: Ob es der „Weg zur Bestimmung“ ist, den man nicht findet. Die „Was soll aus mir werden Depression“ oder die Lethargie, die von einem 25-jährigen unerfüllten Eheleben ausgeht. - „I’m stuck“, diese drei kurzen Worte bringen das Gefühl der Protagonisten auf den Punkt. Ein im Leben gestrandeter Mid-fünfziger, der mit der Midlife-Crisis zu kämpfen hat. Ein Twen, der schon ihr kurzes Leben nichts mehr zu bieten hat. Zwei verlorene Seelen, denen ihr eigenes Leben fremd geworden ist. Beide isoliert, alleine. Alleine inmitten einer Millionen-Metropole, verloren in der urbanen Anonymität. Und wenn Charlotte am Fenster ihrer Suite sitzt, ihre Blicke über die nächtliche Skyline schweifen, dann spürt man diese Einsamkeit regelrecht.
Diese Strauchelnden, deren erste Begegnung von einem scheuen Blick, einem sanften Lächeln bestimmt ist, kommen sich langsam näher, ziehen gemeinsam durch das nächtliche Tokio. Sie versinken gemeinsam in der fremdartigen Welt der Widersprüche. Zwei Taumelnde, die sich treffen und einander Halt geben. „Die Fremdheit der Umgebung, die Einsamkeit bringt beide Figuren immer stärker dazu, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen. Charlotte mit der Zukunft ihrer junge Ehe, Bob mit den Trümmern der seinen.“ Doch ist der geplante „Gefängnisausbruch“ wirklich so einfach, wie Bob ironisch scherzt: „Aus der Bar, aus der Stadt, aus dem Land“? – Man meint man würde ihn leise sagen hören: „Aus dem bisherigen Leben.“
Ein wunderbarer Film über die vielen flüchtigen Begegnungen im Leben, die sich unauslöschlich in unsere Erinnerung graben. Ein Film auch, der ohne viele Dialoge auskommt. Die Bilder sprechen für sich. Einzig durch den beeindruckenden Soundtrack werden sie unaufdringlich unterstützt, wird das Geschehen wundervoll kommentiert. Ob nun „Alone in Kyoto“ von Air, den langsamen Spaziergang durch eben solche Ortschaft untermalt, „Fuck the Pain away“ im Strip-Club läuft, oder „So into you“ alles Unausgesprochene benennt. An wenigen Stellen sogar, leiht die Musik den Protagonisten direkt ihre Stimme. Beim Karaoke können sie frei ihre Gefühle artikulieren - „The music translates.“
Was jedoch immer wichtiger erscheint als Dialoge oder Musik, das sind die Blicke, die Gesten, ein Lächeln. - Liebe braucht eben nicht viele Worte. Und so bleiben auch die letzen Sätze, die Bob leise in Charlottes Ohr flüstert ungehört. Genauso wie die Protagonisten selbst, gehen sie unter im Strom der Menschen, verlieren sie sich in den Massen. Der Zuschauer wird alleine mit seinen Gedanken zurückgelassen - „lost in translation“. Und doch sagt, wie bereits zu Anfang, das simpelste Lächeln mehr aus als tausend Worte. Liebe kann man nun einmal nicht übersetzen…