Kitanos Regenschirme
#1
Geschrieben 19. April 2007, 12:17
Lange hab ich überlegt, ob ich hier mitmachen soll,... aber wenn man zuhause sowieso schon eine Filmdatenbank führt, dann kann man sie ja auch öffentlich machen, und über die Diskussion mit Anderen vielleicht ein wenig vom Austausch profitieren. Das hat nix mit Eitelkeit zu tun, eher mit Vereinsamung... je älter man wird, jaja.... und die Freunde ziehen alle nach TakkaTukka-Land.
Außerdem ist mein Geschmack auch nicht jedermans, gelle. Mit wem kann man schon über The Wayward Cloud labern, oder die Frage stellen, warum der Vengeance of Mine von Imamura eigentlich ein Klassiker ist... Naja.
Oder eine Frage, die mich schon lange beschäftigt: Wiese tauchen in Takeshis Filmen immer (durchsichtige) Regenschirme auf?
Zur Bewertung vergebe ich 10 Punkte, wobei Durchschnitt auch Durchschnitt meint, also 5 Punkte für einen gefälligen Film mit Schwächen. Der gute Genre-Film bekommt etwa 7 oder 8, und nur absolute Klassiker bekommen 10 Punkte. Die Bewertung in den Foren finde ich häufig zu lasch.
Hier also mein Senf: -..und ich starte mit einem meiner Liebsten:
#2
Geschrieben 19. April 2007, 12:26
er war einer der Ersten, als ich vor etwa 3 Jahren anfing, intensiver Japan-kino zu gucken, und hat mich damals sehr begeistert. Tolle rasante Machart, sehr schnucklige Hauptdarstellerin, und ein Augenaufschlag, für den du sofort nach Japan reisen würdest.
Dazu eine fremde Welt voller Regeln, die mir damals unbekannt war. Das politische Thema des in Japan aufwachsenden Koreaners hat mich jetzt bei der 2. Sichtung schon mehr interessiert, und gleichzeitig auch etwas enttäuscht, denn alles bleibt doch etwas eindimensional an der Liebesgeschichte aufgezogen. Der Film bleibt sehr dicht an seine Figuren, was natürlich Empathie begünstigt, aber doch etwas den Blick auf die Liebesgeschichte reduziert.
Die rasante Schnitt-Technik trägt dann zum Hippness-Faktor bei, ist für die Love-story aber nicht nötig, wo der Film dann ja auch ruhig wird und längere Einstellungen dominieren.
Im Endeffekt ist mir der Film jetzt etwas zu jugendlich-aufgebauscht, dewegen gibt's nur
7/10.
#3
Geschrieben 20. April 2007, 22:47
BABEL
weil tatsächlich das Kino ausverkauft war.
...und weil ich so unflexibel bin, gings wieder nach hause....
#4
Geschrieben 21. April 2007, 00:25
Lain ist eine junge und sehr einsame Schülerin, deren Klassenkameradin eine Woche zuvor Selbstmord beging. Nun erhält sie plötzlich eine e-mail von ihrer toten Mitschülerin...
Diese Außenseitergeschichte scheint ein feines japanisches Anime zu sein, das das Hauptaugenmerk auf eine komplexe Story und ein innovatives Gestaltungskonzept legt. Brüche, Halluzinationen, unvermittelt eingeblendete (auktoriale) philosophische Fragen und Überblendungen, die Realitätsebenen hinter sich lassen, scheinen die "Handlung" zu bestimmen. Spielt sich das nun im Kopf ab, oder was für eine Realität wird uns da geboten? Aber was ist "Realität" denn überhaupt?
Auch gesellschaftskritische Aspekte sind deutlich, etwa der Vater, der sich hinter einer Wand aus Computermonitoren verschanzt, und dabei gleichzeitig Kommunikation predigt - seine Tochter aber nicht einmal anschaut, während sie mit ihm spricht. Lain zieht sich in ihr Zimmer zurück und trägt plötzlich dieses tolle Bärenkostüm....
Sehr schön. Ich freu mich schon auf Episode 2.
7/10
#5
Geschrieben 21. April 2007, 23:24
Japan 1998, Ryutaro Nakamura
Im zweiten Teil bekommt Lain einen neuen leistungsstarken Rechner, und wird von den Mitschülerinnen zum Besuch des Cyberia-Clubs genötigt. Dort erschießt sich der Schüler, der eben noch die Beschleunigungspille eingeworfen hatte.
Toll gemacht ist die Erschießungsszene mit dem Rotlicht-Punktstrahler, der erst auf Lain gerichtet ist und dann in seine Mundhöhle wandert.
Stilistisch wie Episode 1, die eingefügten Fragen sind aber weniger philosophisch, sondern öfter auch Gedanken bzw. Kommentare der handelnden Personen. Das scheint sich hier etwas zu vermischen. Komisch, dachte ich doch daß diese Ebene außerhalb der Erzählung stehen würde, und übergeordnete Fragen zur Sprache bringt. Hm. Scheint mir etwa inkonsequent zu sein....
Insgesamt geht es inhaltlich also etwas weiter, allerdings ist nicht viel Strecke gemacht worden. Auch ist sie etwa 5 min kürzer, als die erste.
Insgesamt schwächer.
6/10
#6
Geschrieben 22. April 2007, 22:55
Herr Miike verfilmt ein Utopie, die zudem eine Idylle ist. Das muß man sich mal vorstellen. Und findet dabei noch das Gespür für schöne Bilder und feinen Humor. Grandiose Landschaften und folkloristische Elemente (vgl. den späteren Izo) machen den Film zu etwas sehr eigenem, das satte Grün der fruchtbaren Landschaft bestimmt die Farbgebung (wie in Dead or Alive Final). Hier kann man also schon Kontinuitäten beobachten. Auch das Thema des Exilanten wird angesprochen, was ja auch in sehr vielen seiner Filme thematisiert wird.
Geschaut habe ich die AsienFilmNetwork-DVD, die mit einem leicht verwaschenen Bild daherkommt, und schön ruckelt bei den Kameraschwenks. Auch ein 10minütiges Einhacken auf die Fernbedienung konnte die Untertitel nicht einschalten, sodaß ich dann die deutsche Synchro schauen mußte, was ich schon lange überhaupt nicht mehr ab kann. Da könnte ich echt kotzen. Vor allem wenn die Chinesen dann auch noch so piepsen, dann fragt man sich schon, in was für einem Zeitalter man lebt, und ob das nicht eigentlich ganz schön rassistisch ist. AFN, ich will mein Geld zurück!
Aber dafür kann ja Herr Miike nix. Allerdings für die Moralkeule, für die kann er schon was, und das ist auch das einzig Negative des Films: da wäre man als Rezipient schon selbst drauf gekommen, was er sagen will. Das hätte nicht nochmal einer der Schauspieler extra in einem Monolog sagen müssen. Da klaut der mir meine Eigenleistung.
Insgesamt sehr zu empfehlen,
8/10
#7
Geschrieben 25. April 2007, 19:28
Eigentlich hatte ich schon gar keine Lust mehr, den Film zu sehen. Soviele schlechte Kritiken hat er ja bekommen!...
Und dann habe ich diesen berührenden Film gesehen, über eine tumorkranke Frau, deren Mann versucht, rechtzeitig ein Heilmittel zu finden. Die Tragik liegt jedoch darin, daß er voller Panik sucht, und sie sich schon auf den bevorstehenden Tod eingestellt hat. Hier gibt es viele Szenen großer Zärtlichkeit und das sind dann auch sehr eindrückliche Momente, die natürlich durch die hervorragenden Schauspieler so richtig funktionieren -Sorte Magengrube/Tränendrüse.
Verknüpft wird das mit einem von ihr geschrieben Roman (The Fountain), den er -Achtung: Symbol- nach ihrem Tod fertig schreiben muß.
Die Szenen des Buches spielen im mittelalterlichen Spanien und handeln auch von einem Mann, der auf archaische Weise ein Heilmittel suchen muß. Ebenso auf Ebene 3, der Zukunft (?), geht es um Tod, ewiges Leben, und das Aufgehen im Kosmos. Das ist dann bisweilen auch etwas esoterisch und kitschig, und wahrscheinlich vielen kritischen Realisten zu viel Soße auf dem Teller. Das ist kein Faßbinder-Film, meine Herren! Hier zählt wohl der symbolische Gehalt. Aber es ist schon a bissle viel, das gebe ich gerne zu.
Dennoch, für mich zählt: starke Schauspielerleistung, tolle Story, große Empfindsamkeit, liebevolle Komplexität, und dahinter, und das sieht man in jedem Moment: ein Wahnsinniger im Regisseursgewand, der hier sein ureigenstes, persönliches Autorenprojekt durchzieht. Und das mit viel Kreativität. Hut ab.
9/10
#8
Geschrieben 25. April 2007, 23:24
Ein Kleinod, so nennt man wohl so einen schönen, alten und angestaubten Film, der eine moralische Geschichte erzählt und durch seine Menschlichkeit besticht:
der häßliche und strenge Lehrer mit den Fischaugen, der von den Schülern Merlusse gerufen wird, zu dt: Dorsch, muß am Weinachtsabend in der Schule den Aufpasser für all die Waisen und Dagebliebenen spielen, für all diejenigen, die von den Eltern nicht mehr gewollt werden, oder weil die Mutter in einem Nachtlokal auftritt, usw. Aber aus dieser zunächst schrecklichen Nacht entsteht etwas besonderes...
Völlig unkitschig erzählt, ohne Platitüden oder billigen Witzchen, mit toller Ökonomie (Laufzeit 72 min), mit Charakterköpfen und Lausbuben, hat mir der Film den Abend versüßt. Schwarz/weiß natürlich, in herrlichem Französisch mit teilweise zerstörten Untertiteln hatte ich mir den Film vor etwa 2 Jahren bei arte auf vhs aufgenommen. Die Qualität läßt sehr zu wünschen übrig, doch wahrscheinlich muß man sich glücklich schätzen, diesen tollen Film überhaupt mal sehen zu können. So ein Kino gibt es heute gar nicht mehr.
8/10
#9
Geschrieben 27. April 2007, 12:04
Der Puppenfilm war von mir sträflich vernachlässigt worden. Irgendwie dachte ich, daß mir das nicht gefallen würde... Falsch gedacht!
Dieser Film sprudelt über von Ideen, liebevollen Details und aufwendigem Set-Design. Man sieht, wieviel Arbeit da drin stecken muß. Und wieviel Leidenschaft. Die Geschichte um die verhinderte Heirat von Victoria und Victor im viktorianischen England mag nicht die originellste sein, der Konfliktauslöser ist es aber ziemlich der Hammer. Und dann wird die Realitätsebene verlassen, um ins Totenreich einzutauchen, in dem.... ja alles gar nicht so schlimm ist. Eine liebevolle Reflektion über das triste Leben stürzt sich in einen wortwörtlichen Totentanz, bei dem ganz schön die Party abgeht.
Manchmal gerät das etwas lang und die Spielereien mit den Genre(übergreifenden)standards bis hin zur Gothic Novel, Horrormovie und Tanzrevue gestalten sich etwas bemüht, da man das dann auch so erwartet hat, wenn man verstanden hat, wie der Film funktioniert. Von postmoderner Sicht wird mir dann auch das U im Verhältnis zum E zu sehr strapaziert. Auch der eine oder andere Kalauer schleicht sich ein, aber das schmälert den Filmgenuß nur marginal, wie auch die sich einschleichende Moral. Obwohl ich sagen muß, jetzt sind's schon 3 Kleinigkeiten, die negativ auffallen. Perfekt ist er also nicht, aber definitiv sehenswert. Und wer sich in Film und Literatur ein wenig auskennt, der findet auch einige Lacher mehr, als so manch unbedarfter Konsument.
7/10
#10
Geschrieben 02. Mai 2007, 05:57
Die 3. Sichtung. Das erste mal war's toll, das 2. mal schon weniger, und jetzt finde ich ihn ziemlich mißlungen.
Vor allem kenne ich mittlerweile das Buch, und dann ist es schon frech, hier von Bram Stoker's Dracula zu sprechen. Hat das doch hier so viele neue Elemente, ich nenne stellvertretend 1: Die Liebesgeschichte zwischen Mina und Dracul, daß der Roman als Vorlage wohl diente und als Rastergerüst, innerhalb dessen aber frei hinzugedichtet wurde. (oder: die Sexszene/Vergewaltigung durch den Werwolf/Dracula, oder auch die Erotisierung/Sexualisierung allen Geschehens).
Dazu gesellt sich eine überdeutliche Bildsprache, die nur platt zu nennen ist. Etwa die beobachtenden Augen im Himmel, die Künstlichkeit des Set-Designs, usw. Interessante Elemente sind die rückbezüglichen Elemente, wie die Sache mit dem Kinematographen, wo das Medium auf sich selbst verweist.
Auch der eine odere One-Liner rutscht den Schauspielern von den Lippen, und die Darstellerleistung ist teilweise sehr hölzern. Vor allem Keanu Reeves scheint mir, hinter seinen Möglichkeiten zurückzubleiben (weil er's muß?).
Naja, ich fand's doof. Und Schluß. Da schau ich lieber Genre-Kost a la Blut für Dracula oder diesen anderen sexualisierten Hammer, äääh...., die sind wenigstens stimmig.
4/10
...The Vamipe Lovers.... genau! Der ist geil!
#11
Geschrieben 02. Mai 2007, 21:57
Sehr spröde, herb, und ohne Sonnenschein. Das wäre mal einer für die Esoteriker-Fraktion vom Allerweltskino. Hier gibt's nur Grau, mal heller, mal dunkler, dann wieder graues Grün, dann graues Blau, graues Meer, und graue Menschen. Kurz Sonnenschein, aaah, vielleicht wars auch nur ein Fehler im digitalen Bild. Schon alles wieder grau. Und zwischendurch mal ein bißchen Tristesse zur Abwechslung. Ja, schau da kommt ein Freier, schön.
Das Ende ist auch mal wieder sehr diskussionswürdig, ähnlich wie in Bad Guy, den sich mal die Gender-Fraktion anschauen sollte, vielleicht zusammen mit den Esos, und den Allerweltskinomenschen. Immerhin sprechen hier die Figuren manchmal, vereinzelt und selten zwar, naja, aber wer redet schon gern, wenn alles grau ist um einen herum.
Gesehen von einer herrlich schlechten chinesischen VCD mit heftig schlechtem Bild, sieht aus wie ein mit meiner Photo-Digitalkamera abgefilmter VHS-Streifen auf einem Videogerät mit zwei Köpfen, von dem der eine wackelt, und der andere den wackelnden stützt. Vielleicht war's deshalb alles so grau. ....Ha! Da war kurz die Sonne wieder da! Schade, schon vorbei,...
8/10
#12
Geschrieben 04. Mai 2007, 17:53
Sehr schön gefilmter Entführungs-Roadtrip, der neben dem "warum" auch die Frage nach Fiktion und Realität stellt. Einziges Manko scheint mir ein nicht ganz unwichtiges Logikloch zu sein, das aber den asiatischen Filmfreund, der Logiklöcher gewohnt ist, nicht weiter stört - befeuert es doch einen wichtigen Konflikt.
Pseudo-dokumentarisch, elegisch, grobkörnig und mit gutem Pathos scheint der Film sich stilistisch sehr bei Jim Jarmusch zu bedienen -auch in der Musik-, und dabei doch einen eigenen Weg zu gehen. Eine kleine (Independent-?)Perle mit dem Mut zu einer eigenwilligen Filmsprache. Der Autorenfilm zeigt den Regisseur auch in der Hauptrolle des Anführers, der ebenso am Schnitt beteiligt war, als auch das Drehbuch schon geschrieben hatte.
Eine gelungene deutsche DVD-Version mit ausgezeichneten Untertiteln von good movies.
8/10
#13
Geschrieben 05. Mai 2007, 08:29
28 Days Later ging ja optisch neue Wege, und war allein deswegen schon ein toller Film - auch wenn das Ende so grauenhaft war. Hier ist es nun ähnlich: Die Optik ist schlichtweg unglaublich, die close-ups des Helden von einer großen Zärtlichkeit, und Michelle Yeoh,... was muß man da noch sagen.
Plotwise allerdings geht's gegen Ende ein wenig in den Gemüsegarten, da wird dann auch mal kurz das Genre gewechselt, was ich doch sehr ärgerlich fand. Da wird Action zum tragenden Element und macht kaputt, was der Film 1 1/2 h lang aufgebaut hat. Die Schlußbilder wären auch nicht unbedingt nötig gewesen, das ist mir dann zu deutlich.
Wichtig ist noch die Musik: Underworld sind für den Score verantwortlich, und ihre elegischen Sounds passen sehr gut zu den tollen Einstellungen der Kamera. Hier würde ich den Vergleich zu Code 46 ziehen.
Der Mensch vor der totalen Weite, Bilder großer Einsamkeit und das helle Licht, das im Gleißen zur Bedrohung wird (Aufklärung ade!) fügen sich hier zu einem tollen Kinoerlebnis, und wer diesen Film sehen will, der gehe ins Kino. Dieser Film braucht das Großformat. Das erratische Drehbuch zum Schluß muß man ihm halt dann verzeihen.
8/10
#14
Geschrieben 06. Mai 2007, 20:19
Dieses Drama um den Faschismus in Spanien vermischt einen realistischen Plot mit einem Fantasymärchen, und treibt die Parameter, die er mit The Devil's Backbone gesetzt hat, noch ein bißchen weiter. Überhaupt gibt es viele Ähnlichkeiten, angefangen beim Kind als Helden, dem entlegenen Setting, der faschistischen Bedrohung und dem daraus resultierenden Widerstand, undundund. Doch war der frühere Film noch eine Gesitergeschicht, so treten wir hier zeitweise in ein Fantasymärchen ein, das sich auf den ersten Blick mit dem harten Realismus der normalweltlichen Handlung nicht vertagen dürfte. Doch del Toros Kunst ist so erhaben, daß diese Ebene -von mir jedenfalls- anstandslos akzeptiert wird.
Das wird natürlich auch durch den märchenhaften Charakter vieler Erzählpassagen vorbereitet, etwa durch die mythische Aufladung der Natur, und durch den unkorrumpierten, und deswegen unschuldigen Blick des Mädchens, das eben noch dazu fähig ist, die Dinge mit anderen Augen zu betrachten. Da glaubt man gerne, daß sie eigentlich eine Prinzessin ist. Daß das alles nie kitschig wird, ist eigentlich erstaunlich. Es liegt aber sicher auch an den ganz hervorragenden Schauspielern.
Für mich stimmt hier eigentlich alles, und jeder Versuch, diesen Film adäquat zu beschreiben, scheitert. Ich brech mir hier voll einen ab. Einen kleinen Abzug gibt's für den hohen Gewaltlevel.
Ach ja, und der Schluß ist natürlich auch großartig. Das muß man sich mal trauen...
9/10
#15
Geschrieben 08. Mai 2007, 14:12
Alte Wände mit abgerissenen Tapetenstücken, abbröckelnder Putz, immer wieder neu Bilder des Verbrauchten, Vergangenen, Verwohnten, der Überrest einer Vergangenheit. Hier geht es um das, was einmal war und nicht mehr ist. Und dann kommt die Szene auf dem Bahnsteig. Der Zug hält, Menschen steigen aus, die Kamera ist auf Höhe eines auf die Ankunft des Reisenden Wartenden. Und die Menschen strömen vorbei, kein Gesicht bleibt haften, alle sind weg. Dann "geht" die Kamera am Zug entlang, und da schleicht er sich zerbrechlich die Stufen herab: Spider. Er ist es, auf den wir gewartet haben.
Spider, gefangen im Netz seiner Gedanken, die eine Erinnerung sind an seine Kindheit. Jetzt, als psychisch Gestörter (?), besitzt er nichts mehr, sammelt Weggeworfenes vom Straßenrand, verbrauchte Fragmente eines/irgendeines fremden Lebens.
Dann die Szenen der Erinnerung, die auf ein Trauma zusteuern, Gewalt in der Familie, Schuld und Schuldzuweisung. Doch sind diese Erinnerungen verläßlich? Es entsteht ein Netz aus Erinnerungen, bruchstückhaften (Un-)Wahrheiten, die vor allem eines zeigen: die Erinnerung muß keine Wahrheit abbilden. Der Begriff "Realität" greift hier nicht mehr, denn was in Spiders Kopf vorgeht bietet nichts Verlässliches.
Und doch steuert alles auf ein schreckliches Ereignis hin...
Diese 2. Sichtung war phantastisch. Ich liebe diesen spröden Film.
10/10
#16
Geschrieben 09. Mai 2007, 09:42
Die erste Sichtung vor Jahren hatte mich etwas enttäuscht, der Film war mir damals zu langsam und zu spröde. Nun gibt es im Japanischen Kulturinstitut in Köln eine Kitano-Retrospektive, bei der Boiling Point auf Großleinwand zu sehen war. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen...
Und war begeistert. Ungefähr wußte ich ja, was auf mich zukommt, aber in diesen Dimensionen ist das kontemplative Versinken in die schönen Bilder erst so richtig erfahrbar. Die langen Einstellungen wirken so natürlich anders, als zu Hause auf dem TV-Gerät. (Beamer kaufen?) Überhaupt lebt der Film vom schnellen Wechsel episch-ruhigen Erzählens zu schnell darauf geschnittenen brutal-gewalttätigen Szenen. Oft fühlte ich mich an Bergsons Das Lachen erinnert, finden sich hier Paradebeispiele für diese (Komödien-)Theorie.
Besonders gefallen hat mir die Szene, in der die 3 Eagles ACHTUNG SPOILER in das Büro der Yakuza stürmen, man weiß, das wird sowieso nix, und einer im Handgemenge mit drei Gangstern in Panik irgendwohin greift, und dann mit einer Ananas auf die Gegner einschlägt. Wahnsinn. SPOILER ENDE
Dieser frühe Film Kitanos birgt stilistisch schon die ganzen Elemente, die er dann in Hana-Bi voll ausreizt. Diese Vielfalt erlaubt es ihm auch, sowohl Filme wie Brother zu machen, als auch scheinbar Entgegengesetztes wie Dolls oder Kids Return; und dabei immer, entschuldigt das altmodische Wort - es trifft's aber ganz gut - wahrhaftig zu bleiben.
10/10
#17
Geschrieben 10. Mai 2007, 00:36
Das Erfolgsduo von Infernal Affairs versucht hier an den bisherigen Erfolg anzuknüpfen. Und mit Tony Leung, Takeshi Kaneshiro, Shu Qi und Xu Jinglei kann da auch nix schiefgehen. Auch wenn man nach der Hälfte schon weiß, wer's war, ist das nicht so schlimm. Es ist ja auch beabsichtigt: will man doch wissen warum. Was dann auch ganz gut funktioniert.
Fantastische Bilder HongKongs, düster, im Zwielicht, nachts, geben den Schauplatz für dieses Rachedrama. Allerdings ist mir vieles auch wieder zu steril, zu modern. Selbst die dreckigste Gasse sieht noch geil aus. Und auch die teilweise sehr brutalen Szenen sind dermaßen durchästhetisiert, daß ich da kaum einen einen emotionalen Zugang bekomme. Leider. Stilisierung schafft Distanz.
Die tollen Aktricen werden in diesem Film leider auch eher zur Ausschmückung der Helden mißbraucht. Ihre Rollen sind viel zu klein für ihr Können. Leider, again.
Es bleibt also: viel style und Spannung auf der Haben-Seite. Aber mit Infernal Affairs kann dieser Megalopolis-Thriller nicht mithalten. Außerdem fehlt ihm, wie ich finde, der emotionale Kern.
6/10
#18
Geschrieben 10. Mai 2007, 23:39
Jetzt konnte ich ihn endlich sehen, und er war auch genau das beglückende Kinoerlebnis, wie ich mir das erhofft hatte. Das Thema der Sprache bzw. Sprachverwirrung und zentral: des Nicht-Sprechen/Kommunizieren-könnens bindet hier auch sehr gut die einzelnen Episoden, ganz unabhängig von inhaltlichen Verknüpfungen.
Überrascht war ich, daß der Film doch viel ruhiger war, als der Trailer erwarten ließ. Und da ist auch gut so. Als Abschluß seiner Trilogie nicht mit Bombast und Tragik sondern mit leiseren und versöhnlicheren Momenten zu schließen, macht die Sache doch erträglicher (ich Weichei). Sehr gute Schauspieler allenthalben, besonder daß Koji Yakusho mitspielt, hat mich sehr gefreut. Überhaupt ist die ganze Tokyo-Story auch sehr gelungen. Fantastisch. Jetzt fehlt noch so ein Marathon-Abend mit allen 3 Teilen nacheinander: amores perros, 21 Gramm und Babel.
Ich gebe 9 Punkte.
#19
Geschrieben 13. Mai 2007, 01:26
Eigentlich wollte ich ja in Inland Empire, aber find mal jemand, der da mitkommt! So beugte ich mich dem Willen meines Freundes und wir genossen diesen No-Brainer.
Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen (nachdem ich in letzter Zeit soviel Glück hatte mit Filmen, mußte sich das Blatt ja irgendwann wenden): in diesem Machwerk reiht sich eine Platitüde an die nächste, jeder Dialog ist so hohl und vorhersehbar, daß es beginnt, körperlich schmerzlich zu werden. Echtes Körperkino. Es wurde einem beim Zugucken peinlich, man windet sich im Sessel.
Leos Leistung war jetzt auch nicht die beste, aber vielleicht lag das am Drehbuch. Montiert wird in diesem Film wie folgt: der schwarze Familienvater, dessen Familie in den Kriegswirren zerrissen wurde, muß jetzt knietief im Schlamm stehen und Diamanten auswaschen, wie die guten alten Goldgräber. Das ist anstrengend, und sein Herz ist nicht bei der Sache, sondern bei seinen Kindern. Man sieht das Leid sehr deutlich, außerdem schwitzt er, weil es so heiß ist. Der Wachmann ist ein scharfer Hund. Jetzt sehnt er sich ganz doll. SCHNITT auf einen Adler, der über die Schlucht fliegt SCHNITT auf den Mann, der sich jetzt noch doller sehnt.
Auf diesem Niveau bewegen wir uns, meine Lieben!
Mein Freund wollte nach etwa 35 Minuten gehen, und ich eigentlich auch; aber zur Strafe - wg. Inland Empire - habe ich mich geweigert, und wir haben also 2,5 Stunden lang diesem Time-Waster zugesehen. Die blonde Ische nebenan schrie dann auch einmal, völlig empathisiert: "Scheiß Weiße!" Mann, war das geil. So ein heikles Thema, so schön kritisch verpackt. Auch der Abspann mahnt dann an, keine kritischen Diamanten zu kaufen! Also, wenn ihr das nächste mal Diamanten kauft, gebt acht!
Die Action ist dann etwa so wie bei Black Hawk Down. Gewitter und CGI. Aber ordentlich.
Ach,was ich ganz vergaß: Natürlich beutet der Film sein Thema aus: die Kriegssituationen in Afrika, die Kindersoldaten und die Entwurzelungen ganzer Bevölkerungsgruppen werden natürlich nur dazu mißbraucht, hier dieses dubiose Actionfeuerwerk abzufackeln. Um Moral geht es hier nur, weil es gut aussieht.
Ein dummer Film. Aber es war knallvoll. "Scheiß Weiße!"
3/10
#20
Geschrieben 13. Mai 2007, 23:05
Herr Trede, Haben Sie eine Freundin?
Tja, ne,also, wenn man eine Freundin hat, da hat die Frau ja auch was von, ne, dann wird die geschont.
Lustige Doku, die hauptsächlich die Wackener porträtiert, weniger das Festival an sich.
Man setzt auf Selbstentlarvung.
6/10
#21
Geschrieben 16. Mai 2007, 18:48
Bei diesem Film, der noch vor kurzem im Kino lief, liegt einiges im argen. Einige Figurenmotivationen sind nicht immer plausibel, manche Plottwist wirken bemüht. Der Haupterzählstrang allerdings, der Miriams Verhalten angeht, ist sehr schön komplex dargestellt. Überhaupt lebt der Film von seinen Darstellern, und hier kommt Martina Gedecks Kunst - die in Das Leben der Anderen eine zu kleine Rolle hatte - voll zur Geltung.
Leider hat der Film auch ein bißchen ne Optik wie ein Fernsehfilm.
Kann man sich aber trotzdem noch gut angucken.
5/10
#22
Geschrieben 16. Mai 2007, 22:43
Hab mich mal vom Hype anstecken lassen und den 1. Teil nachgeholt, und das, obwohl ich Comic-Verfilmungen nicht leiden kann! Hulk fand ich schrecklich!
Und siehe da: die erste Hälfte finde ich sogar richtig gelungen, mit dem schüchternen Bub, den Fernenliebe, den lustigen Szenen und den filmischen Leckerbissen.
Aber als dann das grüne Monster auftauchte und die action dominierte, gab es dann so dermaßen viele Stellen die mir auf die Nerven giengen,... wenn dann schon ständig so ein wuchtiger Soundtrack ballert krieg ich zuviel. Und alles stürzt ein, fliegt in die Luft, hängt am letzten Faden,...gähn.
Da hätte ich mir lieber so eine Liebesgeschichte weiter angeschaut als so ein aufgeblasenes Actionheldenkino.
Naja, aber was will man erwarten.
Für den guten Anfang: 5/10
#23
Geschrieben 18. Mai 2007, 14:33
Politisch engagierter Samurai-Streifen, der sich mehrerer Themen gleichzeitig annimmt, aber keines so richtig zufriedenstellend ausleuchtet.
Zunächst gibt es eine politisch verworrene Situation: Japan im Jahr 1600: mehrere Clans lauern auf die Vorherrschaft im Land, und nach einer Phase relativen Friedens werden Spione ausgesandt, die die Neuigkeiten zu den jeweiligen Anführern bringen. Sasuke, der Held, ist einer davon. Der Frieden treibt aber auch so einige Ronin durchs Land, arbeitslose Söldner, die sich so durchschlagen müssen (siehe Sword of Doom). Einer der Samurai sagt dann auch, was es schon Sinnvolles im Leben gebe, außer Women and Sake. Sasuke sieht das natürlich anders.
Nun gesellen sich hierzu noch eine Vielzahl an Personen, die nicht nur Spys, sondern Doppelagenten sind, Personen die entweder zur Regierung oder zu einem Schrein, zu einem Dorf oder sonstwo dazu gehören. Das geht dann teilweise noch in die Väter- und Vorvätergeneration hinein, sodaß innerhalb weniger Minuten ein Dostojewskischer Figurenkosmos ausgebreitet wird. (Auf der DVD befindet sich auch ein Figurenindex, der alle wichtigen Personen (etwa 12) näher beschreibt, was ich aber leider erst nach der Sichtung gesehen habe.) Man sieht schon, es wird einem nicht leicht gemacht.
Mit dieser Vielzahl an Personen verliert sich in kürzester Zeit der Überblick, und man läßt sich ganz auf die Geschichte ein, denkt man.
Doch leider ist das Drehbuch nicht auf’s Erzählen hin konzipiert. Shinoda geht folgendermaßen vor: Gespräch (verschiedener Personen über versch. Personen, deren Machtpositionen und Loyalitäten usw.), Kampfszene, Gespräch, Kampfszene,… usw usf. Dadurch wird fast schon eine Anti-Dramaturgie aufgebaut, da man ständig verfolgen muß, wer mit wem, und warum dann gleich wieder gekämpft wird. Eine richtige Handlung im herkömmlichen Sinne wird also nicht entwickelt.
Man denkt: OK, schau ich mir die Kämpfe. Jedoch will Shinoda die Entpersönlichung der Samurai zeigen, und legt diese dann als Ninja an. Also schwarz gewandete Fassadenhüpfer vor schwarzem Hintergrund. Man sieht also nichts, und plötzlich ist einer tot. Wurfstern in die Stirn, oder ähnlich doofe Tricks. Es gibt also wenig Schwertkämpfe. Dazu kommt permanenter Nebel in Situationen, wo man etwas sehen könnte; also bei Tag. Shinoda macht das, da dies die politische Situation symbolisieren soll. Nun gut, aber vom Kampf sieht man halt dann wenig. Und plötzlich ist wieder einer tot.
Auf Dauer ist das unbefriedigend.
Verquickt wird das noch mit experimentellen Kamerapositionen, die sich häufig sehr weit vom Geschehen befinden. Cinemascope-Totale, und plötzlich ist wieder einer tot.
Nun gut. Dazu gibt’s noch eine Liebesgeschichte, in der man die emotionalen Verwicklungen aber nicht so recht nachvollziehen kann, man hat inzwischen vollkommen den Überblick über die Figuren verloren, und plötzlich gibt es also neben der Ehre noch die Liebe.
Letztenendes ist der Film aber doch noch ganz interessant. Es gibt viele schöne Bilder, Großaufnahmen von blutbespritzten Gesichtern und hartkontrastigen film noir Schwarz/Weißaufnahmen a la Sword of Doom. Und nach 1 1/2 Stunden ist der Spaß vorbei.
Vielleicht hilft eine Zweitsichtung….
4/10
#24
Geschrieben 18. Mai 2007, 17:54
Daß im Sub-Genre des Backwood-Horrors nochmal was Interessantes während meines Lebens passieren würde, hätte ich -offen gestanden- nicht gedacht. Hier kommt ein kleiner Fiesling aus dem Land, in dem es immer regnet. Immer. So sind dort auch die Menschen, wie mir dieser Film bestätigt.
Die Ausgangssituation ist altbekannt (s.o.), jedoch wird schon nach wenigen Minuten klar, daß hier der Hase ein anderer ist. Es gibt (fast) KEINEN SCORE! Und das ist sehr verstörend. Hätte ich nicht gedacht, daß ich schon so konditioniert bin, aber das macht wirklich ein sehr ungutes Gefühl. Und dann gibt es auch keine gorigen Höhepunkte! Sondern: Atmosphäre und dichte Stimmung. Und einen fantastischen O-Ton. Unbedingt! Die Synchro verfälscht sehr! Gegen Ende dreht die Schraube am Wahnsinn, und es wird richtig ungemütlich.
Sehr schöne Optik, tolle Bilder, ausgezeichnete Schauspieler. Und nicht zu lang!!!!
Kurz: Calvaire macht alles das richtig, was Haute Tension falsch gemacht hat. Und das ist viel.
8/10
#25
Geschrieben 18. Mai 2007, 22:17
Furioses Mafia/Buddy-Movie mit Sean Penn und Gary Oldman. (Ed Harris ist auch nicht schlecht.) Die beiden spielen, als ob es um ihr Leben ginge, und die Inszenierung ist vom Tempo sehr gelungen. Es wird viel Gelegenheit zur Charakterzeichnung gegeben, und gleichzeitig ein verworrenes Verwirrspiel um Loyalitäten und Freundschaften aufgebaut. Die obligatorische Liebesgeschichte darf auch nicht fehlen, und wer leidet am meisten? Jawoll, die Frauen (it's a man's world!).
Oldman gibt hier wirklich alles, und spielt den akoholabhängigen, agressiven, völlig vor der Hyperventilierung Stehenden mit größter Überzeugung. Seine Kunst ist dabei, auch für leisere Zwischentöne Platz zu lassen, und nicht nur wie ein Maniac rüberzukommen, sondern durchaus sympathische Seiten zeigt. Diese Vielfalt macht ihn sehr faszinierend.
Hell's Kitchen, als der Mob noch der Mob war.
8/10
#26
Geschrieben 21. Mai 2007, 21:49
Liebevoll gemachte Tragi-Komödie, die bei sich bei sehr vielen Genres bedient und unendlich viele Filme zitiert. Dadurch entsteht eine beinah märchenhafte, auf jeden Fall aber poetische Stimmung, die dem Film eine ganz eigene Note gibt und ihn über vergleichbare Massenware hinaushebt.
Würde man beschreiben wollen, was alles in diesem Film passiert, dann bekäme man –glaube ich- einen falschen Eindruck, und würde denken, daß das over the top ist. Ist es aber nicht. Der Film ist trotz seiner Abgedrehtheit immer im grünen Bereich, und vielleicht liegt das auch daran, daß er seine Figuren nicht ausstellt und preisgibt, sondern liebevoll mit ihnen umgeht.
Da hätte er es gar nicht nötig, daß er auf dem DVD-Cover mit Amélie und The Big Lebowski verglichen wird. Man stelle sich einfach vor, der Killer aus Mann beißt Hund spielt einen verrückten Karateka und läuft mit Truckerbart im Unterhemd herum. Und dann kommt Van Damme vorbei…
7/10
#27
Geschrieben 23. Mai 2007, 22:50
Zwei Freunde treffen sich Jahre nachdem sie sich nicht gesehen hatten -und der eine im Kittchen saß- wieder, der eine (James Cagney) ist nun ein Gangster, der andere (Pat O'Brien) Priester. Der Mann mit dem feuchten Lippen (Humphrey Bogart) darf den Anwalt spielen, und es entwickelt sich eine furiose Geschichte um Freundschaft, Loyalität, Verbrechen, Moral und Liebe in der modernen Großstadt.
Dieser Film ist großartig in seiner Figurenzeichnung, und Cagneys Spiel ist äußerst ambivalent: er ist nicht nur der böse Gangster, der über Leichen geht, sondern auch Sympathieträger des Films: wenn er mit den Damen flirtet, oder sich um die Straßenkinder kümmert, die in ihm ein Vorbild sehen. Ganz toll die letzte Szene, SPOILER wenn er von der Todeszelle zum elektrischen Stuhl geführt wird.
Überhaupt ist der ganze Film toll inszeniert, und die vielen inhaltlichen Ebenen tragen zur Komplexität bei. Ein Film der sein Genre sprengt, und gleichzeitig auf metapoetisch-ästhetische Art Selbstreflexion übt (moderne Medien: Zeitung/Wahrheit/Kino) und damit über sich selbst hinausweist.
8/10
#28
Geschrieben 24. Mai 2007, 23:42
Wenn Truffaut ihn gut fand, dann schließe ich mich an...
Das mordende Betrügerpaar jenseits aller Glorifizierung, interessant gefilmt und auf DVD mit einer eingefügten Szene im O-Ton: das Töten eines Opfers wird in quälenden Details gezeigt.
Mißfallen hat mir nur der superdramatische Score (Gustav Mahler). Frage mich auch, ob damit nicht das Gegenteil davon erreicht wird, worauf der Film eigentlich aus ist, nämlich Authentizität.
Sehr herb. Aber auch sehr schön.
8/10
#29
Geschrieben 29. Mai 2007, 21:46
In diesem zunächst desillusionierenden Western gibt James Stewart den Anti-Helden: den Westerner, der nur nach sich selbst schaut und dem seine Mitmenschen reichlich egal sind. Unbehaust, ohne Heimat, ein Misanthrop und aus auf Gewinn. Man erahnt, daß die Misanthropie nicht auf Feindlichkeit beruht, sondern auf Desillusionierung. Bei aller Schärfe und Hilfsverweigerung: er ist kein agressiver Typ, der kurz mal jemanden über den Haufen ballert. Geld ist das, was für ihn zählt.
Dieser Härte Stewarts entspricht die unerbittliche Natur, die Felsen, der Schnee, die Lawinen, der Regen, der Schlamm, durch den alle waten. Nun darf man sich aber keinen Nihilismus à la Corbucci vorstellen, sondern eher eine abgefederte Schärfe durch Gegenpole: und die sind natürlich die Frauen. Sie stehen für eine Alternative, durchaus stark und selbstbestimmt und verdeutlichen die Beschränktheit und Engstirnigkeit des männlichen Weltbildes. Auch der Humor fehlt nicht: die Kauzigkeit des Gefährten erinnert etwas an Fuzzy.
So ist es auch genau diese Abmilderung, die mich stört. Dadurch wird der Film sehr konsumierbar. Und der Schluß ist ein versöhnlicher, hm.
Darauf geht z.B. Michael Althen in seinem Artikel in Reclams Filmgenres Western leider nicht ein. Schade. Das Ende ist doch ziemlich wichtig, meiner Meinung nach, was die Bewertung angeht.
Zuletzt bleibt doch ein fader Geschmack in der Mundhöhle.
6/10
#30
Geschrieben 29. Mai 2007, 21:52
Boris Karloff spielt in dieser Frankenstein-Adaption ganz hervorragend. Auch die Kameraarbeit ist toll, und einige Stellen scheinen dann im späteren Angels with dirty Faces (s.o.) direkt wiederverwertet worden zu sein –etwa die Szenen im Gefängnis.
Boris, deine Augen sind die schönsten.
Ein toller melancholischer Film, der sich sowohl beim Gangster-, als auch beim Horrorfilm bedient.
8/10
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