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Kitanos Regenschirme - Filmforen.de - Seite 9

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Kitanos Regenschirme


503 Antworten in diesem Thema

#241 Bastro

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Geschrieben 08. Juni 2008, 22:37

(James Wans) Saw vs Die Farbe der Lüge (Claude Chabrol)

Gestern hatte ich zu später Stunde noch ein schönes Double-Bill. Scheinen die Filme auf den ersten Blick überhaupt nicht zueinander zu passen, so relativiert sich das bei genauerer Betrachtung. Denn, zunächst einmal ergänzen sie sich sehr gut als die beiden sich gegenseitig abstoßende Seiten des ‚Magneten Film’, denn verständlicherweise mußte ich nach der Art von modernstem Horror (?)-oder Serienkiller-Film à la SAW noch mit französischem Autorenkino, dabei rücksichtnehmend auf mein psycho-somatisches System, reagieren. Und habe mit der Wahl eigentlich nicht das erreicht, was ich wollte. Denn auf den ersten, scheinbar hyperrealistischen und dabei experimentellen Nervenzerrer SAW folgte ein naturalistisch-realistisches, dabei hochspannendes bürgerliches Mißbrauchsdrama. Dessen Ausgangssituation hat wiederum viel mit der von SAW gemein: in beiden Filmen befinden wir uns wie in einer Art künstlichen Versuchsanordnung, in der Menschen in eine Extremsituation geworfen werden. Wir schauen ihnen nun zu, wie sie sich verhalten, wie sie mit dieser völlig unvermittelt auftauchenden Situation fertig werden, wie sie in beiden Filmen um ihre Existenz, um ihr Leben kämpfen müssen. Im Film SAW wird das meta-poetisch thematisiert: wir sehen in der Höhle des Schurken, die uns an ein krankes Genie erinnern soll, daß der Raum, in dem sich die beiden Protagonisten der Haupthandlung befinden, vorher als Modell entworfen wurde. Dieses Abenteuer, das Katz und Maus-Adventurespiel, das Archaik mit dem Erfahrungshorizont einer modernen Computergeneration kurzschließt ist eine fleischgewordene, sadistische Simulation auf Leben und Tod. Geplant am Reißbrett, gefilmt zur Überwachung und Dokumentation für die Nachwelt (?), gestützt durch ein moralisches Korsett, das uns am Ende des Filmes die Handlungen des Schurken erklären. In seiner Tragik und dem einkalkulierten Verstehen, das sofort bereit ist, die krankhaften Auswüchse des Sadisten durch ein Mitleid abzufedern, das einem ja immerhin einen spannenden Film beschert hat, ist man als Zuschauer nur allzu leicht dazu zu bewegen, Nachsichtigkeit walten zu lassen. Dabei werden die verübten Grausamkeiten auf irgendeine andere Gehirnhälfte umgelagert, damit man sie nicht mit der geschundenen Existenz zusammendenken muß, und so die furchtbare spießige Rechtfertigung und somit auch: furchtbar einfältige Grundlage, Prämisse, auf der der Film fußt, verdrängen kann. Und zu seinem Genuß als Zuschauer kommt.
Die Gewalt im Film, die ist stets offstage (ja, man denkt an eine ausgestellte Bühnensituation); die Grausamkeit ergibt sich aus den Versuchsanordnungen, die nur aus unseren Alpträumen stammen können. Zugleich aber scheinen sie so jenseits einer tatsächlichen Realität zu stehen, in die wir nicht gelangen werden. Ähnlich dem Horror, den Freddy Krüger auslöst, der unvermittelt eindringt und gegen den man sich nicht wehren kann. Da dieses aber vermutlich nicht passieren wird, ist nach dem Film eben wieder vor dem nächsten Film.
Nicht so bei DIE FARBE DER LÜGE. Hier ist nach dem Film immer noch Film, denn die Extremsituation der Protagonisten ist nicht zu Ende, wenn der Film aufhört. Da sind wir gerade mal im Hier und Jetzt angekommen. Die seelischen Verletzungen sind da, werden nicht verschwinden, und das geschickt konstruierte Drehbuch hat uns das Verhalten von Menschen gezeigt, das uns morgen früh, oder am Nachmittag, oder spätestens am Arbeitsplatz wieder mit dem Film konfrontieren wird. Denn es geht um das Lügen (wie bei SAW), das Sehen (wie bei SAW) und vor allem das Nicht-Sehen, das Vermuten und die zwischenmenschliche Kommunikation. Und was sie mit uns anstellt. Ein Mädchen ist tot und vergewaltigt im Wald gefunden worden. Ihr letzter menschlicher Kontakt scheint ihr Zeichenlehrer gewesen zu sein, der nun von der Kommissarin zum ersten Verdächtigen erklärt wird. Der idyllische Küstenort Saint-Malo in der Bretagne bietet uns den Schauplatz. Doch hier im Film wird an diesem schönen Fleckchen nicht Urlaub gemacht, sondern viel gelitten; trotz Meerblick. Die psychische Traglast des erfolglosen und frustrierten, aber dennoch sympathischen Zeichenlehrers steht auf dem Prüfstand, ebenso seine Ehe, seine sozialen Kontakte und Freundschaften. Er behauptet zu Unrecht belastet zu werden, doch wer glaubt ihm noch, da einmal der Verdacht in der Luft hängt. Angeheizt wird der Konflikt noch durch das Eintreffen eines erfolgreichen Schriftstellers und Journalisten, der sich auch blendend auf das Verführen der Frauenwelt versteht. Wessen Ehefrau möchte da mal nicht einmal ein Abenteuer riskieren? Die Welt des Malers, der auf das richtige Licht wartet, auf die Gunst des Galeristen, auf das Nachhausekommen seiner Frau ist am Auseinanderbrechen. Und wie in SAW setzt er Dinge in Bewegung, muß erst diesen und dann jenen Knopf drücken, um sein (Ehe-)Leben zu retten. Und wie in SAW stehen die Chancen verdammt schlecht.
Und am Ende kann man überleben, auch wenn man schuldig ist. Und wie der eine Überlebende in SAW seinen Fuß absägen muß, und fortan nur noch wird humpeln können, so humpelt auch der Zeichenlehrer die ganze Zeit durchs Bild, denn auch er kann wegen einer früheren Verletzung nicht richtig gehen, taumelt immerzu auf seinem Weg. Vielleicht treffen sich die beiden mal auf einen petit noir in einem kleinen Café und sprechen über ihre Frauen und was die Liebe ausmacht. Wie man sich fühlt, wenn man aufwacht und plötzlich alles anders ist. Und was die Kunst mit dem Leben zu tun hat.

Bearbeitet von Bastro, 08. Juni 2008, 22:40.


#242 Bastro

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Geschrieben 11. Juni 2008, 08:34

Fura gâru / Hula Girls Lee Sang-Il, Japan 2006

Regisseur Lee (SCRAP HEAVEN) springt auf den in Japan populären Zug der "gemeinsam können wir es schaffen"-Komödie auf, und kreiert eine weitere erfolgreich unterhaltende und nicht unintelligente Variation dieses Themas, das ihren Ursprung im hochgelobten SWING GIRLS hatte und einen Nachfolger in WATERBOYS fand. Hier spielt die Handlung in einer Minenstadt im Nordosten Japans, die langsam dem Bankrott entgegengeht. Um den Prozeß aufzuhalten muß Tourismus her: die Minengesellschaft beschließt, ein Hawaii-Zentrum zu errichten und benötigt dafür eine Hula-Tanzgruppe. Da regt sich im Kohle-konservativen Dörfchen natürlich massig Widerstand, und nicht nur ein verspießtes Generationenproblem wird virulent, sondern auch erste Pflänzchen der Emanzipation werden bombardiert; denn die Töchter der Arbeiter dürfen eigentlich gar nichts, schon gar nicht Spaß haben. Und wenn das Jöppchen die Arme frei läßt, da ist das Nuttenwort nicht weit. Als dann auch noch zu allem Übel eine hübsche Tanzlehrerin aus Tokyo angeheuert wird kommt es zum offenen Eklat. Daß hier die hübsche Yû Aoi mitspielt, die man aus LILY CHOU-CHOU und HANA AND ALICE, MUSHISHI oder MEMORIES OF MATSUKO kennt, macht die Sache nicht weniger interessant. Leichtfüßig und gelungen mit ernsthafteren sozialkritischen Untertönen. Fein.

#243 Bastro

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Geschrieben 13. Juni 2008, 12:09

Der Verlorene von Peter Lorre ist ein wunderbares Amalgam aus Serienkillerfilm und Post-War-Gesellschaftskritik, das dem Expressionismus huldigt und Elemente des Film Noir fruchtbar macht. Das wollte damals keiner sehen, liest man, und ich vermute mal, daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Abgedrängt in den Bereich Filmkunst fristet der Film sein Dasein als historisches Museumsrelikt im Arthaus.

Die Zeitmaschine von George Pal nach H. G. Wells Roman ist mir in seiner traditionellen Art sehr unterhaltsam erschienen, vor allem die grünen Zottelmonster sind lustig, die in dem bedürfnisfreien Paradies auf Erden ein Kannibalen-Horrorszenario in der Unterwelt errichtet haben. Ja, das Glück ist temporär, und dann geht’s in den Topf. Die Liebe ist auch eine starke Kraft, erfährt man in diesem Film mal wieder. Aber auch damit hat er ja recht. Angenehm zu sehen.

Backwoods von Koldo Serra ist ein hervorragend gespielter Backwood-Genrefilm, und Gary Oldman ist da nur das Tüpfelchen auf dem i. Diese kleine Perle will nicht mehr, als sie ist, und das genügt voll auf. Keine nervigen Superlative im Schlitzerbereich oder in der Figurenzeichnung, eine scheinbar bis auf das Nötigste heruntergekochte Story und eine tolle, dabei äußerst reduzierte Filmmusik machen aus diesen paar Menschen und dieser spanischen Berglandschaft einen sehr feinen Film, der, ja, sehr glaubhaft rüberkommt. Vielleicht braucht man auch deshalb keine Extreme. Für nachts, für alleine anzugucken.

#244 Bastro

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Geschrieben 14. Juni 2008, 19:29

Dracula von Terence Fisher ist seit früher Jugend eine :love: :love: angelegenheit. Alles. Diesmal ist mir die lustige Beleuchtung aufgefallen. Als Van Helsing aus dem Schloß kommt fällt sein Schatten nach links, ein paar Schritte weiter auf der Brücke fällt er aber nach rechts auf die Steinbrüstung. :) Mein ultimatives scary-movie, seit ich ihn als Bub mal im Skiurlaub in einem dunklen Hotel gesehen hab.

#245 Bastro

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Geschrieben 17. Juni 2008, 16:01

Prince of the City Sidney Lumet, USA 1981

Der New Yorker Cop Danny Ciello kommt in die Zwickmühle als ein unabhängiges Ermittlungsgremium die Korruption innerhalb des Polizeiapparats aufzudecken beginnt. Ciello und seine Kollegen sind innerhalb der Rauschgiftfahndung keine unbeschriebenen Blätter, sind sie doch dank ihrer dubioser Ermittlungsmethoden sehr erfolgreich und auch zu Wohlstand gelangt. Ciellos schlechtes Gewissen läßt ihn schließlich dem Druck nachgeben, ohne zu ahnen, mit wem er da gemeinsame Sache macht. Die ihm zunächst zugestandene Immunität und die seiner Kollegen, deren Männerbande unantastbar scheint, ist nicht mehr viel wert, als es zu den ersten Prozessen kommt. Ciellos Schuldgefühle wachsen ins Unermeßliche als sich zwei seiner Freunde die Kugel geben. Zudem isoliert er sich immer mehr, da er als Nestbeschmutzer von allen gemieden und gehasst wird.
Lumet, der Meister des Copfilms, weiß hier den Niedergang eines Polizisten in eindrückliche Bilder zu fangen, einen Menschen in der Isolation darzustellen, in der Entfremdung von seinen Wurzeln und dessen, woran er glaubt; der schließlich niemandem mehr trauen kann und der in permanenter Angst um sein Leben und das seiner Familie fast den Kopf verliert. Sehr eindrücklich, ein langer Film von fast 3 Stunden, der aber jede Minute glücklich macht.

#246 Bastro

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Geschrieben 06. Juli 2008, 09:29

Blue Velvet David Lynch, USA 1986

Am Anfang ein blauer Vorhang. Alles findet statt auf einer Bühne, wir sitzen im Theater. Ein leichter Luftzug bewegt die Falten und wir wissen, gleich wird er sich öffnen, und das Spiel wird beginnen. Daß im Laufe des Films der Vorhang sich als das Kleid, den Bademantel der verführerischen Frau offenbart, ist eine nachträglich genossene sexuelle Offenbarung. Im Öffnen des Vorhangs wird nicht nur die Welt der Bühne, des Spiels, sichtbar, sondern auch der nackte Körper der Frau, die mit ihren Obsessionen unsere Welt der Zärtlichkeit aushebelt, die aus jedem beispringenden Beschützer, wie der naive Detektiv Jeffrey einer ist, zu einem Täter macht: jeder Liebhaber ist auch der nächste Prügelnde, und die üblichen moralischen Verhältnisse und bürgerlichen Parameter von Nächstenliebe und Schuld, Geben und Erpressung, Liebe und sexueller Gewalt werden ausgehebelt. Irgendwann wird der Fetisch, der blaue Samt, der nicht nur den nackten Körper schützt und gleichzeitig verführerisch macht, der auch als Knebel dient -und hier bezeichnenderweise der Gürtel des Mantels-, obsolet: Dorothy steht nackt und geprügelt vor Jeffrey und ist das kleine Kind, das mißbraucht dringend seine Hilfe braucht. Sandy, die Reinheit in Person, steht abseits und sieht ihre frisch gefundene Liebe zerstört vor dieser Übermacht an sexueller Kraft. Denn selbst in den Momenten größter Verletzlichkeit ist Dorothy die Frau für die männliche Lust. Denn Sandy weiß genau, sie selbst ist die Frau, die man vielleicht heiratet, aber Dorothy ist diejenige, von der der Gatte nachts träumt, und die der eigene Mann als Spiegel der Begierde neben der Ehefrau im Ehebette imaginiert und an der sie gemessen werden wird, und daß sie ihm dieses eine nicht wird geben können. Der Mantel in Sandys Zuhause, der der mißbrauchten Kreatur gereicht wird um ihre Blöße zu bedecken, ist dann auch ein stinknormaler "Staubmantel", so hieß das früher, glaube ich. Häßlich und funktional, der alles einebnet und als Zeichen spießiger Bürgerlichkeit fungiert. Dieser ist nicht lange am Leib der "Sängerin/Künstlerin", was hier noch als eindeutig nuttiges Attribut der vergangener Jahrzente gehandelt wird, denn schnell kommt der Krankenwagen und bettet sie in weiße Laken auf einer Bahre. Dort wird sie aber wie eine Irre angeschnallt, eine, der nicht mehr zu trauen ist. Als Dorothy weggebracht wird, abgeführt beinahe, ist wieder Platz für die Rotkelchen auf dem Fenstersims, die Lynch'schen Symbole der Liebe. Und diesmal hat der Vogel eine Schabe im Schnabel, dieselben Insekten, die wir am Beginn gesehen haben, als Jeffrey das Ohr im Gras gefunden und die Kamera uns mitgenommen hatte in den Untergrund, dort wo es dunkel ist, unten im schatten zwischen den Gräsern. "Now it's dark", sagt Frank, der derangierte Gewalttätige. Aber nicht nur in der Welt der Verbrecher, sondern in jedes Welt gleichermaßen. Besonders in der von Jeffrey.

In einer anderen Szene kommt er die Treppe seines Elternhauses herab. Er öffnet die Tür seines vermutlich ehemaligen Kinderzimmers, aus der es hell leuchtet, aus der goldenen Vergangenheit der unschuldigen Kindheit. Jeffrey jedoch sieht man nur als Schattenriß. Und er steigt die dunklen Stufen herab wie ein Mann, der nichts mehr mit dem Kind gemein hat. Dieses ein bedrohliches Bild, das gerne symbolisch als dasjenige verwendet wird, in dem der Vater als Vergewaltiger in den Keller kommt. Lynch schaltet so mehrere Bedeutungsebenen gleich, um die Disparatheit des Jeffreyschen Charakters anzuzeigen; nun schreitet er herab, alles wird immer dunkler, man wähnt ihn in die Hölle absteigen. Doch: er kommt im Esszimmer an, seine Mutter und die Tante sitzen da im hellerleuchteten, durchsonnten Raum und lächeln ihn an. Doch wir haben kurz die andere Seite von Jeffrey gesehn, diejenige, die Dorothy beim sexuellen Akt ins Gesicht schlägt. Diejenige, die bei Frank ins Auto steigt zur Reise in die Dunkelheit der Nacht, und vielleicht des Herzens. Man sieht den Mittelstreifen das das jagende Auto mit den Scheinwerfern der Dunkelheit entreißt - ganz wie in LOST HIGHWAY. Und gelangen zu einer anderen Bühne der Darstellung, zum "candy colored clown". Kein Clown für Kinder, klar, sondern einer, der Kinder gefangenhält. Und später steigt die debile Geliebte Brad Dourifs aufs Autodach und tanzt in pinkem Mini zur Vermöbelung Jeffreys. Dieser bezahlt für seine Neugierde. Der Stier Frank will sein Fuckpüppchen nicht teilen. So ist es im Land der Nutzholzgewinnung Lumberton. Manche Charaktere sind aus hartem Holz geschnitzt. Und man würde sich nicht wundern, wenn die Log-Lady vorbei käme.

Und am Ende sehen wir den Vorspann, wie wir ihn als Etablierung des Plots bereits in TWIN PEAKS gesehen haben, in umgekehrter Reihenfolge: Die Rotkelchen, der weiße Gartenzaun mit den Blumen, das Feuerwehrauto, die Mutter, und wieder den Theatervorhang aus blauer Seide, der sich schließt. Die Bühne ist wieder verhüllt, der Ort unserer Begierden und Sehnsüchte, der Fernsehapparat und die Kinoleinwand, auf der wir unsere Sehnsüchte gespiegelt finden. Das, was tief in uns drinnen ist und immerzu klein gehalten wird. Bis zum nächsten Film.

Bearbeitet von Bastro, 06. Juli 2008, 09:32.


#247 Bastro

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Geschrieben 08. Juli 2008, 09:06

Pick-Up Bennie Hirschenson, USA 1975

Zwei hübsche Dinger, die eines Tags so in einer Wiese im hohen Gras herumsitzen, werden von einem lockigen Jüngling in seinem Wohnmobil, welches er nach soundso überführen soll, mitgenommen. Wir haben die ausgehende Hippie-Zeit, die Musik ist gut, die Stimmung auch. Die Mädels drehen auf, zumindest die jüngere und legt auf der Fahrt erst mal einen heißen Tanz hin, sodaß vorbeifahrende Rowdies fast aus ihren Hosen platzen vor Geilheit. Aufgrund eines Unwetters verfährt man sich in den Everglades und bleibt schließlich stecken, nur aber um ein Paradies zu entdecken, in dem die Beteiligten der freien Liebe frönen dürfen.
Der Film zeichnet sich weniger durch seine meilensteinige Handlung, als vor allem durch seine tollen hypnotischen Bilder und die gelungene, zugleich weiche und funkige Musik aus. Der Urwald ist in seinen tollsten Momenten photogrphiert und die Montage läßt den Rhythmus von Tag und Nacht zu einem subjektiven Seelentrip zerfließen. Zwischen den Charakteren herrscht eine wunderbare Magie, und die ausgelebten Gefühle scheienen in diesem durchästhetisierten Film sehr authentisch.
Daß nicht alles zum Besten steht wird durch hart dazwischengeschnittene Flashbacks deutlich: sexueller Mißbrauch in der Kindheit verhindert zunächst bei der einen eine Öffnung, wobei die jüngere mit einer unnatürlichen Nymphomanie reagiert. Auch wird mit Tarot-Karten orakelt, und man begegnet wenigen, dafür seltsamen Gestalten wie einem Politiker als Wahlkämpfer und einem Clown (?), die der Stimmung eine teilweise unheilvolle Färbung verleihen.
Der Film erzählt so durchaus von einer Art "Erweckungstrip" und der Reifung der sexuellen Freiheit und spart nicht mit paradisieschen Anspielungen, die aber im exotischen Ambiente überhaupt nicht stören, sondern zur Besonderheit des Filmes beitragen.
Daß der Film in den letzten zehn Minuten umkippt zu einem schrecklichen Finale, trifft einen wie einen Schlag. Es wird nichts verraten, aber die Vorahnungen der älteren der beiden Mädels waren nicht unbegründet.
Mein erster "echter" Grindhouse-Flick einer solchen Double-Bill-DVD scheint mir direkt eine seltene Blume dieses Konzeptes zu sein. Der Film ist eher ein Hippie-Psychotrip als sleazige Exploitation, auch wenn es viel nackte und schöne Haut zu bestaunen gibt. Die tolle Kamera und die ansprechende Musik geben dem Film die Note des Besonderen und so hat man es hier mit einer echten Perle zu tun. Nichts weniger.

Bearbeitet von Bastro, 08. Juli 2008, 09:07.


#248 Bastro

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Geschrieben 09. Juli 2008, 09:56

Days of Being Wild / A Fei jing juen Wong Kar-Wai, HK 1991

Ein meisterliches Frühwerk des allerorten gehypten Regisseurs. Ein Film über Einsamkeit und Unbehaustheit, Ortlosigkeit und gleichzeitiger Suche nach Sinn, Herkunft und Nähe. Leslie Cheung in einer tollen Rolle als verantwortungsloser Herumbumser, Maggie Cheung ist in ihrer Traurigkeit unglaublich beeindruckend und Andy Lau, der die positiven Akzente setzt in einem Film, in dem es wenig Tageslicht gibt, bleibt stecken in seiner Schüchternheit und Zurückhaltung. Das Leben im Transitzustand, bevor irgendetwas passiert, etwas von Belang, Liebe vielleicht. Aber es kann auch immer so weitergehen.

#249 Bastro

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Geschrieben 11. Juli 2008, 09:53

Ugetsu monogatari / Erzählungen unter dem Regenmond Kenji Mizoguchi, Japan 1953

Im Japan des 16 Jahrhunderts herrscht Bügerkrieg: marodierende Söldner ziehen über das Land, verwüsten Dörfer, plündern, entführen die Männer und vergewaltigen die Frauen. In den Kriegswirren gelingt es dem Dörfler Genjuro, einem Töpfer, in der entfernten Stadt seine Tonwaren zu einem guten Preis zu verkaufen, wobei er sich jedoch immerzu auf die gefährliche Reise machen muß, und so auch seine Frau und seinen noch sehr jungen Sohn zurücklassen muß. Sein Schwager Tobei hilft ihm im Familienunternehmen; auch er möchte Geld verdienen um sich eine Samurairüstung kaufen zu können, um endlich ein angesehener und stattlicher Herr werden zu können. Genjuro verliert über seinen wirtschaftlichen Erfolg immer mehr den Überblick und entwickelt sich zu einem habgierigen Geschäftemacher, der lieber sein Leben auf's Spiel setzt, als den Ofen ausgehen zu lassen, was den Brennvorgang seiner Waren unterbrechen und ruinieren würde. Auch Tobei verliert den Blick für das wesentliche, was soviel heißt wie ein kleines, aber glückliches Leben mit seiner Frau. Den beiden Frauen sind ihre etwas ärmeren, aber dafür lebendigen Männer lieber, als reiche und dafür tote.

Als die beiden wieder einmal in der Stadt sind, kommt das Unheil mit Riesenschritten auf sie zu: die adlige Lady Wakasa verdreht Genjuro den Kopf, und Tobei schließt sich einem Samurai-clan an. Ihre Frauen hätten sie diesmal besser nicht zurückgelassen, denn ihnen wird übel mitgespielt...

Im Folgenden wandelt sich der Film zu einem Schauplatz aus realistischer Gewalt (Miyagi und Ohama, die Ehefrauen), Geistererzählung (Genjuro und Wakasa), Besessenheit (Genjuro) und Groteske (Tobei). Und was für mich westlichen Filmgucker ungewöhnlich ist, nämlich die Disparatheit und die Vermischung der Genres und Topoi, das ist für den Japaner wohl ganz normal; vor allem liegt das vermutlich daran, daß "Geister" für sie nicht wie für uns in westlichen Kulturen übernatürliche und vor allem irreale, ins Reich der Fiktion und Illusion gehörige Wesen sind, die in Opposition zu so etwas wie "Realität" stehen; im asiatischen Kulturkreis ist der Geist an sich ja kulturell verankert, und tritt in unterschiedlichsten Formen bis hin zum Dämonen auf. Dieser hat auch eine starke Wirkung bis in unsere 'tatsächliche' Realität hinein: das geht weit über das angesichtig werden der Geister hinaus, es wird mit ihnen geredet, geschlafen, gestritten, und sie können den lebenden Menschen sogar töten. Und das wird akzeptiert, ohne ein Dr. Watson oder Van Helsing-Fundament aufbauen zu müssen. Und so entpuppt sich auch Wakasa als Geist einer einst unglücklichen Frau, besser: ein Dämon, der in seiner Trauer einen Bräutigam sucht. Also weniger mononoke als vielmehr yûki.
Das hat Konsequenzen für das filmische Erzählen und die daraus folgende "realistische als-ob" Bildgestaltung. Deshalb auch die Verstörung beim westlichen Rezipienten, der die Geisterszenen nicht gekennzeichnet findet, wie in unserem Kulturkreis üblich. Nicht einmal eine dämliche unheilvolle Begleitmusik als Hinweis. Und zum Schluß kommt alles zusammen als Erzählung über menschliche Verirrung und die abschließende Frage, was denn die Realität ausmacht, wenn man die Augen aufmacht und Dinge sieht. Dinge, die andere vielleicht nicht sehen können. Die sie aber akzeptieren würden, könnten sie das.

#250 Bastro

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Geschrieben 13. Juli 2008, 20:57

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Das japanische Kino erlebte in den Fünfzigern und Sechzigern seine Blütezeit – mit den weltweit bekannten Regisseuren Akira Kurosawa, Kenji Mizoguchi, Yasujiro Ozu, Kon Ichikawa, Mikio Naruse oder auch Kaneto Shindô, die in diesen 20 Jahren einige ihrer wichtigsten Filme drehten. Die nachfolgende Generation, die häufig bei diesen Herren als Regieassistenten tätig war, sollte den Weg frei machen zu einer neuen Form des Kinos: radikaler in Inhalt und Form, gesellschaftliche Standards hinterfragend und kritisierend, und die sozialen Konventionen torpedierend: die japanische New Wave (Nuberu bagu). Masumura ist nun solch ein Mann der Schnittstelle, hat er doch den Weg bereitet für Leute wie Nagisa Oshima, Hiroshi Teshigahara, Masahiro Shinoda und Shohei Imamura, und später in den Siebzigern eindrücklich zum Exploitation-Kino beigetragen.
Masumura jedoch läßt sich schwer klassifizieren, denn sein Oeuvre umfaßt beinah 60 Filme -jährlich drehte er drei bis vier (!)- und er war in vielen Genres zuhause. Da er innerhalb der kommerziellen Filmindustrie verankert war, erlang er nie den Kultstatus eines Underdogs wie etwa Oshima, der einige seiner Filme bei der unabhängigen Art Theatre Guild realisieren konnte, nachdem Shochiku seinen NGHT AND FOG IN JAPAN (1960) verstauben ließ. Dennoch schaffte es Masumura immer sein wichtigstes Thema, den oft gewalttätigen Kampf des Individuums gegen die unterdrückende Gesellschaft, gepaart mit einer Faszination für extreme Leidenschaften bis hin zum Wahnsinn und zu sexuellen Abartigkeiten, darzustellen.

"My goal is to create an exaggerated depiction featuring only the ideas and passions of living human beings. [...] In Japanese society, which is essentially regimented, freedom and the individual do not exist. The theme of Japanese film is the emotions of the Japanese people, who have no choice but to live according to the norms of that society .”

Angefangen jedoch hat er als Abbrecher: 1924 geboren in Kofu auf Honshu, brach er sein Jurastudium an der Tokioter Universität ab, und begann als assistant director bei Daiei. Er war fasziniert von Filmen, denn als Jugendlicher bereits war er häufig im Kino gewesen. Dies hatte ihm ein Freund aus Kindergartentagen ermöglicht, dessen Vater ein Kino besessen hatte. Als Kurosawas SANSHIRO SUGATA anlief, sah er ihn sich dreimal in Folge an.
Später dann, 1949, beendete er ein Philosophiestudium, das ihm ein Stipendium einbrachte. Dieses ermöglichte ihm nach Italien zu gehen und bei drei sehr großen italienischen Regisseuren in Rom am Centro Sperimentale Cinematografico zu studieren. 1953 kehrte er nach Japan zu Daiei in Kyoto zurück, und war ab 55 second-unit director erst bei Mizoguchi und anschließend bei Ichikawa. 1957 erhielt er die Chance seinen ersten eigenen Langfilm zu drehen: KISSES.

#251 Bastro

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Geschrieben 14. Juli 2008, 18:56

Eingefügtes Bild


Kuchizuke / Kisses Yasuzo Masumura, Japan 1957


Masumuras Debut markiert ein Wende im japanischen Kino: das Portrait eines jungen Paares, das zunächst noch zusammenfinden muß, zeichnet sich durch einen engagierten s/w-Stil aus, der lange Einstellungen mit harten Schnitten paart, häufig unter Verwendung einer Handkamera und dadurch sehr dicht dran ist am hungrigen Leben zweier junger Menschen, die gegen die repressive Gesellschaft, die soziale Ordnung rebellieren –er, weil er wild ist, und sie, weil sie versucht, selbstbewußt zu sein: sie ist romantisch und arbeitet zugleich als Acktmodell für Kunststudenten und Maler. Nagisa Oshima ließ sich zu der bekannt gewordenen Aussage hinreißen: „[a] powerful, irresistible force has arrived in Japanese cinema.“

Ein Junge und ein Mädchen lernen sich kennen und verbringen einen Tag miteinander: Es geht um den jungen Kinichi (Hiroshi Kawaguchi), der seinen Vater im Gefängnis besucht. Dieser ist ein Politiker und sitzt wegen Wahlbetrugs ein. Der Vater wird nun nicht gerade als emotionales Zentrum der Familie gezeichnet, ist sehr barsch und bestimmend. Gleichzeitig allerdings gibt er seinem Sohn die kaum lösbare Aufgabe, die 100 000 Yen Kaution zu besorgen, wozu Kinichi in seinem Tatendrang natürlich sofort bereit ist. Der Vater allerdings unterstützt ihn nicht, liest lieber die Zeitung. So muß er sich allein mit dem Staatsanwalt herumschlagen, der von dem jungen Bilderstürmer naturgemäß überhaupt nichts hält.
Im Gefängnis lernt er die hübsche Akiko (Hitomi Nozoe) kennen, die ebenfalls ihren Vater besucht, der wie Kinichis Vater 100 000 Yen benötigt. Beider Familien sind zerrüttet. Die Väter im Gefängnis, und die Mütter abwesend – Akikos liegt krank im Spital, das nicht mehr bezahlt werden kann, und Kinichis hat sich vom Vater getrennt und vom Sohn losgesagt.

Interessant sind gleich die ersten drei Szenenkomplexe zu Beginn:
In der Eröffnungssequenz läuft Kenichi die staubige Straße am Gefängnis entlang, auf dem Weg zum Vater und wischt sich den Schweiß ab. Dann streckt er sich gelangweilt. Das kennt er bereits alles, er hat das scheinbar schon oft erlebt. Ein Polizeiwagen fährt vorbei und wirbelt Staub auf. Kenichi spuckt wütend aus. Hier hat einer kaum noch Respekt vor den Autoritäten, der Obrigkeit. Er wirkt wie ein noch sehr junger Yakuza aus einem Fukasaku-Film. Nach 30 Sekunden ist also das Hauptthema des Filmes klar: das Aufbegehren der Jugend gegen die Autoritäten.
In der zweiten Sequenz ist Kenichi im Wartesaal angekommen und muß sich anmelden; die Beamten sind unfreundlich und barsch. Kenichi wirft verächtlich seinen Studentenausweis auf den Schreibtisch. Großaufnahme. Dadurch wird zweierlei erreicht: die Einführung der Person und eine weitere Deutungsebene: der Intellektuelle vs. die Bürokratie.
In der dritten Sequenz wird Kenichi selbst als Gefangener gezeigt, im Gang zwischen den Beamten stehend, die in ihren verglasten Büros die Anmeldung abfertigen. Das Bild wird von horizontalen und vor allem: vertikalen Linien dominiert, in denen Kenichi selbst nun als Gefangener erscheint.
Im Folgenden werden alle Bilder sehr stark durch Linien strukturiert, die eine starke Ordnung und Einengung verdeutlichen. Das wird durch die Art und Weise erreicht, wie die Architektur ins Bild gesetzt wird, oder der Lichteinfall und daraus resultierende Schatten.
Dann kommt der Ausbruch: als Kenichi im Flur vor den Besuchsräumen steht, platzt Akiko aus dem ihrigen heraus und rennt ihn fast über den Haufen. Ein stürmisches Kennenlernen im Schmerz, sie heult und rennt davon, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen. Kenichi hat angebissen.

Im Laufe des Tages werden sie gemeinsam Motorradfahren, auf der Radrennbahn eine Wette gewinnen, im Meer baden, Rollerskates laufen usw. Bis sie wieder zurück müssen in ihr Leben voller Verantwortung und Verpflichtungen. Die Jugendlichen scheinen in diesem Film oft erwachsener als die Eltern.
Die gemeinsamen Tage sind also auch ein Ausbruch aus der ausweglosen und die Jugendlichen überfordernden Situation. Eine gefühlte Nähe zu Godards AUßER ATEM stellt sich ein, die wilden Fahrten auf dem Motorrad, das sich kennenlernende Paar, die jump-cuts, sind einige Parallelen, ohne jedoch formal wie inhaltlich die Radikalität des französischen Filmes zu erreichen. Aber das war wohl auch nicht Masumuras Anliegen. Wir haben es hier mit einer Romanze zu tun, und der Kuß am Ende, die nackte Haut Akikos am Strand und die langen Beine beim Skaten dürfte einige Kinobesucher Ende der 50er schon ausreichend zugesetzt haben.

Und so ist der Film offenkundig beides: einerseits noch einem relativ traditionellen Erzählstil verpflichtet (und zahmer als einige seiner späteren Filme), andererseits aber durchaus deutlich auf Mißstände der Gesellschaft hinweisend, eine Gesellschaft, die ihre Kinder verstößt und kein zuhause mehr bietet.

#252 Bastro

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Geschrieben 18. Juli 2008, 08:56

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Giants & Toys / Kyojin to gangu Yasuzo Masumura, Japan 1958


Als die Umsätze des Süßigkeitenherstellers “World Caramel” einbrechen und die alljährige Werbeoffensive ansteht, geht es um nichts weniger, als die Konkurrenten „Giant“ und „Apollo“ zu verdrängen. Die Marketingabteilung ist da gefragt, und es wird nach dem ultimativen Konzept gesucht. Ein neues Gesicht muß her, und wenig später auch in der einfachen, aber charmanten Automechanikerin Kyoko (Hitomi Nozoe) gefunden. Ihre Besonderheit: sie hat abstehende, kariöse Zähne. Doch Goda und sein Partner Nishi (Hiroshi Kawagushi) glauben an das ungewöhnliche Konzept, und tatsächlich: eine lancierte Fotostrecke mit Kyoko wird zum Erfolg.

Masumuras Film ist eine äußerst mutige und gesellschaftskritische Wirtschaftssatire, und das zu einem Zeitpunkt, als Japans Wirtschaft nach dem Weltkrieg ‚endlich wieder’ florierte. Auch Akira Kurosawa nahm sich des Themas an, allerdings in Form eines Wirtschafts-Thrillers: THE BAD SLEEP WELL, in dem es um korrupte Machenschaften in einer Konzernführungsschicht geht. Masumura jedoch hält der Gesellschaft den Spiegel auf sehr unterhaltsame Weise vor, ohne dabei auf sehr deutliche Kritik zu verzichten. War der wunderbare KISSES noch in rasanten s/w-Bildern gefilmt, so ist dieser schnell, laut und knallbunt in Daiei-Scope gefilmt. Die üblichen Tanzeinlagen dürfen nicht fehlen und die beiden Liebenden aus KISSES scheinen auch hier zunächst zusammenzufinden. Aber nur solange, bis Nishi die erfolgreiche Marketingexpertin der Konkurrenz kennenlernt, welche ihn gekonnt zu verführen weiß; gut möglich aber, daß sie es nur auf interne Informationen abgesehen hat. Das Bläsercrescendo erinnert dabei durchaus an den Kollegen 007.

Die japanische Wirtschaftselite wir als seelenlose und machtbesessene Bande vorgeführt, die ausschließlich an der Maximierung der Gewinne interessiert ist – und sei es um den Preis, daß die eigene Ressourcen, sprich: die kreativen Köpfe, verschlissen werden. Die Verkaufszahlen sind absolute Priorität im Turbokapitalismus, der Mensch zählt nichts („Sales are everything.“); der Angestellte opfert sich für das Wohl der Firma. In einer zunächst rührenden und romantischen Szene, sagt Nishi der fröhlichen Kyoko sehr deutlich, wo der Hammer hängt: Sie sei gar nichts (wert), man habe sie morgen wieder vergessen: „You are salable goods.“
Doch der harte Kampf um Gewinnmaximierung und die eigene Karriere setzt den Leuten zu: der ehemalige kreative Kopf der Abteilung ist von Goda hinausgedrängt worden, er sei zu alt, er würde nicht mehr verstehen, was heutzutage los sei. Dieser kommt mit dem Samurai-Ehrenkodex an, mit dem Bushido, „What about dignity? We are not thieves!“ Doch da wird er vor versammelter Mannschaft nur ausgelacht. Daraufhin bekommt er einen Hustenkrampf, bei dem sich sein ganzer Körper schüttelt: er spuckt Blut.

Das Geschwür des Kapitalismus ist ganz in den Menschen vorgedrungen.

Auch Goda, der sich selbst schindet bis zum Umfallen, der mehrere Nächte nicht mehr geschlafen hat, für den der berufliche Erfolg vom Gelingen der Kampagne abhängt, wird am Ende des Filmes seine Beförderung in den Händen halten. In einem Hustenkrampf bespuckt er sie mit Blut. Auch er hat seine Gesundheit im Kampf um den Erfolg ruiniert.

#253 Bastro

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Geschrieben 22. Juli 2008, 09:22

Leben und Sterben in L. A. William Friedkin, USA 1985

Die Hölle, das ist nach wenigen Bildern klar, die ist kein Ort des Glaubens. Sie ist hier, dieses L. A. in den Achtzigern, wenn wieder einmal die Sonne blutrot untergeht im Smog des Molochs. Fantastische Stimmungen werden evoziert, eine Mixtur aus Faszination, Gewalt und Einsamkeit. Und in einer Stadt, die mit Autos durchjagt wird, in der die Cops und die Gangster nicht lange zögern, wenn es um das Schießen geht, da gibt es auch -wieder wie in FRENCH CONNECTION- kein zuhause mehr. Der Polizist lebt auf der Straße, die Geliebte ist die Informantin, die er durch Erpressung an sich bindet. Gefühle gibt es nur für den Partner, archaische allerdings, in der die Währung ebenfalls Gewalt ist.
Friedkin holt den Polizeifilm in die Achtziger und bläst alles weg, was sonst so dasteht an Relikten. Einzig MANHUNTER wirkt ähnlich verstörend, intensiv. Doch Friedkin wählt nicht das Spektakel als Aufhänger (den Serienkiller Manns), sondern ganz und gar alltägliche Polizeiarbeit, die dann, natürlich entgleist und ausbricht, schlingert und in einem unglaublichen Finale explodiert. Oder besser: implodiert; denn die Zuschauererwartungen werden deutlich unterlaufen. Und das ist gut so.
Ein toller und wichtiger Film, teilweise sehr hart und auch spröde, und gar nicht so einfach zu sehen.

#254 Bastro

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Geschrieben 22. Juli 2008, 23:32

Django - die Geier stehen Schlange / Sette dollari sul rosso Alberto Cardone, Italien/Spanien 1966

Hier kommt mal alles rein in den großen Kochtopf was in einen Italo-Western gehört, ein paar mal wird umgerührt, und schon haben wir eine zusammenhanglose und uninteressante Handlung, die mit einer faulen Kamera garniert wird. Eine langweilige Einstellung reiht sich an die andere, Django reitet von rechts ins Bild und links wieder raus, und so immer wieder, bis er richtig weit geritten ist. Die Schlägereien sind ebenso total dröge geschnitten, sodaß ein hastig geöffnetes Bier und herausquellender Schaum mehr action verspricht und deutlich vom Film abzulenken weiß. Der Schlußkampf entschädigt etwas, aber auch hier alles Schema altbekannt. Ich konnte keine einzige schöne Idee ausmachen, zudem schien mir alles sehr brav, bieder und mutlos. Insgesamt also eine echte Qual. Das DVD-Cover versprach einen Klassiker des Genres, nun, vielleicht habe ich das auch alles nicht verstanden.

Die Doku zum Filmkomponisten Francesco de Masi schien erst interessant, doch artet alles in eine gewaltige Lobhudelei aus, und Lamberto Bava entblödet sich nicht zu erläutern, woher sein eigenes Genie käme: aus seinen Genen. Es habe sich ja (mit ihm) erwiesen, daß große Väter ihr Talent vererben würden, und so habe er viele gelungene Filme realisieren können. Armes Italien.

#255 Bastro

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Geschrieben 25. Juli 2008, 17:57

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Afraid to Die / Karakkaze yarô Yasuzo Masumura, Japan 1960


Auch dieser Film beginnt - wie schon bereits KISSES - mit einer Ankunft am Gefängnis; der Wagen fährt langsam die graue Wand entlang, bis er das Tor erreicht. Der Besucher ist diesmal aber nicht der Sohn, sondern ein angeheuerter Killer, der im Auftrag einer Yakuza-Bande Takeo (Yukio Mishima) umlegen soll. Dieser ist aber gerade bei einem Ballspiel und schickt einen befreundeten Insassen an seiner statt. Und kommt so nochmal davon. Später allerdings, als er wieder draußen ist, wird er der Gejagte sein.

Das Gejagt-sein ist auch das zentrale Motiv des Filmes - denn Yukio findet keine Ruhe. Dies liegt aber nicht nur an den äußeren Umständen, etwa daß ihm der Gangsterboss Sagara (Jun Negami) einen weiteren Killer auf den Hals hetzt. Es liegt auch an Takeos sprunghaftem Charakter, an seiner Art, sich nicht für etwas entscheiden zu können. Als ihm sein Onkel und Boss Gohei Hirayama (Takashi Shimura (!) mit fantastischem Ganzkörpertattoo) die Pistole auf die Brust setzt, warum er seine Gegner nicht auslösche, kann er keine Antwort liefern und druckst herum. Auf die Frage seines Freundes, warum er sich nicht für ein Leben entscheide - das des Gangsters oder das des Geschäftsmanns - weiß er nichts zu erwidern. Er scheint von allem etwas abhaben zu wollen, und nirgends die Verantwortung zu übernehmen. Nie ist er mit dem Herzen bei der Sache. So auch gegenüber den Frauen: seine eigene Braut läßt er sitzen, nachdem er sie nochmals durchgenudelt hat, als er aus dem Knast kam. Die süße und unschuldige Kartenabreißerin des Kinos, Yoshie (Ayako Wakao), vergewaltigt und schwängert er. Sie nimmt dieses Schicksal, auch das Kind, mit einer merkwürdigen Mischung aus Nächstenliebe und Masochismus an, und muß ihn zur Annahme der Konsequenzen zwingen. Auch sie handelt aus egoistischen Motiven, und nimmt es auf sich, wiederholt von Takeo geschlagen zu werden.
Der kometenhafte Aufstieg Mishimas als Schriftsteller zu Beginn der 50er Jahre hat der Publicity des Filmes sicher gut getan, ebenso das Mitwirken Ayako Wakaos, die der Star des Studios war und auch mit Mizoguchi, Ichikawa und Ozu gedreht hat. Masumura zeigt uns auch in diesem Film wieder Charaktere, die sich in einem gewalttätigen System der Abhängigkeiten beweisen müssen. Doch anders als in KISSES oder in GIANTS AND TOYS scheint in AFRAID TO DIE das Dunkle und Brutale, das Andere, vielleicht 'Abartige' nun aus den Menschen selbst zu kommen. In diesem Film gibt es eigentlich keine Sympathiefiguren, ganz sicher nicht die Protagonisten. Allenfalls der alte Boss, von Shimura mit Menschlichkeit gespielt, erscheint noch mit postiver Ausstrahlung (auch wenn er selbst den Gesetzen der Banden gehorcht); er gehört aber bereits deutlich auf's Abstellgleis. Takeos Unentschiedenheit ist auch gleichzeitig eine Unkontrollierbarkeit - man weiß nie, was man von diesem Heißsporn in Lederjacke halten soll. In einem Moment küßt er die Angebetete wild, im nächsten verdrischt er sie, weil sie ihm widerspricht.
AFRAID TO DIE ist ein Film, der in Masumuras Werk einen neuen Ton anschlägt: die Verlagerung des Grausamen in den Menschen hinein. Daß aus dem relativ action-armen Film, gepaart mit dem von nicht unbedingt grenzenlosem Talent gesegneten Schauspieler Mishima, dennoch ein unterhaltsamer geworden ist, dürfte dem Geschick und dem Können Masumuras anzurechnen zu sein. Ob der fehlenden Sympathiefigur ist dieser allerdings ein spröder Film geworden, und scheint bereits die harten und unerbittlichen, die harschen Yakuza-Dramen Kinji Fukasakus vorweg zu nehmen.

Bearbeitet von Bastro, 25. Juli 2008, 18:06.


#256 Bastro

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Geschrieben 27. Juli 2008, 09:16

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A Lustful Man / Koshoku ichidai otoko Yasuzo Masumura, Japan 1961


Japan im 17. Jahrhundert: Ein Mann, der die Frauen liebt - aber auf besondere Art: er möchte sie glücklich machen. Das bedeutet nicht, daß er sie nicht bei jeder Gelegenheit auf die Tatami werfen möchte! Doch scheut er auch finanziell keine Ausgaben, die Angebetete zu beglücken. Ein Lächeln auf ihrem Gesicht... und er hat seine Mission erfüllt.
So bekommt der Casanova relativ schnell Probleme mit dem strengen und enorm geizigen Vater, dessen Geld er nur allzu willig zum Fenster hinauswirft. Ein Reise nach Edo soll den Kopf des Heißsporns kühlen und eine Stelle als einfacher Angestellter in einer Filliale des väterlichen Geschäfts Vernunft in ihn hineinzwingen. Dieser weiß natürlich, was da gespielt wird, und entfleucht auf eine mehrjährige Reise durch die Städte und Provinzen des Landes - ein Taugenichts mit edlem Ansinnen.
Denn abgesehen von sexuellen Vergnügungen versteht sich Yonosuke (glänzend burlesk gespielt von Raizo Ichikawa) tatsächlich als Glücksbringer der unglücklichen, oft mißhandelten Frauen. Dies ist eben die zweite Ebene des Films, die bittere reale. Ist ein guter Teil des Filmes in buntem Komödienton gehalten, so ist die andere eine der Gewalt und der Armut. Arm und Reich, das sind zwei strikt voneinander getrennte Welten, und daß die Armen unten bleiben, darum kümmern sich die Reichen mit großer Leidenschaft: Frauen werden vergewaltigt, in die Gosse getreten. Sie kommen in diesem Film sowieso fast nur als Prostituierte vor - oder als geprügelte Hausfrauen verarmter Samurai oder eben geiziger Händler. Wenn sich in den ärmeren Schichten Widerstand regt, dann wird der blutig niedergeschlagen. Und auch das zeigt Masumura in drastischen Bildern, etwa wenn Bauern von einer Überzahl an Schlägern totgeprügelt, oder wenn Emporkömmlinge enthauptet werden. Da sieht man die Köpfe sauber aufgereiht zur Abschreckung der unteren Stände.
Diese Bilder kontrastieren stark mit den bunten, heiteren, burlesken Kapriolen des Frauenbeglückers; und verbürgen gleichzeitig seine Mission. Yonosuke leidet tatsächlich unter den Ungerechtigkeiten, die den Schwächsten und Wehrlosen angetan werden. Dafür nimmt er auch gerne den eigenen Ruin in Kauf. Doch die Bezahlung in sexueller Währung, die ist ihm mehr als recht.
A LUSTFUL MAN ist ein skuriler Film, voller Esprit und dynamischer Szenen - eine sehr unterhaltsame Komödie und ein erschreckendes Gesellschaftsportrait zugleich. Raizo Ichikawa brilliert in dieser extravaganten und picaresken Rolle, und ihm gelingt es, die komplexen Anforderungen an seinen Charakter nicht nur glaubhaft, sondern wie federleicht darzustellen. Ganz toll.

#257 Bastro

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Geschrieben 27. Juli 2008, 21:53

Jiang Hu: The Triad Zone / Kong Woo Giu Gap Dante Lam, HK 2000

Jimmy (Tony Leung) ist der mächtigste Boss innerhalb der Welt der Triaden; nun kommen neue und vor allem: jüngere Aspiranten, um sich den Platz unter den Nagel zu reißen. Da erfährt er durch einen Informanten, daß ein Anschlag auf ihn geplant ist.
Der zunächst standardmäßig daherkommende Triadenthriller löst sich sehr früh in eine verschachtelte Erzählweise auf, da die Konfrontation mit dem Tod Jimmy zur Reflektion über das Leben bringt. So läßt er seinen eigenen Werdegang Revue passieren, erinnert sich an das romantische Kennenlernen mit seiner Frau, an die Kämpfe, das erfahrene Glück, seine Geliebte, und sucht nach einer Rettung aus der allzu gewalttätigen realen Welt: etwa durch den Buddhismus.
Fantastisch gestylte Bilder werden mit einem tollen 80er Jahre Score begleitet, und immer wieder bricht der Film mit den eigenen Strukturen: er gönnt sich einige Ausflüge in die Komödie. Dies nun aber angenehmer Weise nicht hysterisch und albern, sonden furztrocken. Da wird keine Miene verzogen. Und so erscheint der Film - über die sich vom eigentlichen Geschehen distanzierenden Schauspieler - bisweilen wie ein Film über Film. Die Metaebene, die sich durch den Film zieht, ermöglicht den Figuren stets, ihr Handeln zu überdenken und gegenüber einer fiktiven Standardsituation abzugleichen, und so neue Freiräume zu erhalten.
Der sehr unterhaltsame Film bolzt aber dennoch in steter Folge seine Gewalt auf den Bildschirm. Die muß man auch hier nicht missen. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem JIANG HU von 2004 mit Andy Lau oder dem BLOOD BROTHERS von 2007. Da muß man aufpassen.

#258 Bastro

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Geschrieben 04. August 2008, 09:34

Die unbesiegbaren Fünf / The Five Venoms / Wu Du Chang Cheh, HK 1978

Yang Te, jüngster Schüler der berüchtigten Five Venom-Schule, bekommt von seinem Meister die Aufgabe, fünf ehemalige Schüler ausfindig und unschädlich zu machen, da sich diese dem Verbrechen zugewandt haben. Jeder der Fünf ist dummerweise in einem besonderen Kampfstil zum Experten ausgebildet worden, was die Aufgabe nicht gerade vereinfacht. Als unnötiger Subplot spielt noch ein geheimer Schatz eine Rolle, der es erlaubt, noch mehr Kampfszenen zu integrieren und eine korrupte Elite vorzuführen, denen besonders haarsträubende Foltermethoden ans Herz gewachsen sind.

Der Film hat mich wenig überzeugt. Gute Kampfszenen, sicherlich, und sadistische Folterungen - keine Frage. Die Konstruiertheit der Handlung bindet das alles aber mehr schlecht als recht zusammen. Zudem spielt der Film überwiegend in Inneräumen, was die beklemmende Atmosphäre zwar steigert, mich aber umso mehr von den chinesischen Berwelten träumen läßt, während eine wundervolle Braut auf einem Schimmel hügelan reitet....Nun ja, das kann man dem Film nun wahrlich nicht vorwerfen, daß ich eine Ader für's Epische und Kitschige habe. Dieser Klopper hier ist sicherlich mehr als solide, und - richtig, der Schlußkampf ist erste Sahne.

#259 Bastro

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Geschrieben 07. August 2008, 09:11

Getaway Sam Peckinpah, USA 1972

Daß Peckinpah aus dem Heist-Movie in der zweiten Hälfte eigentlich einen Liebesfilm macht, hat mich zunächst sehr überrascht, aber eigentlich ungemein angesprochen. Man kommt so wahnsinnig dicht an die Figuren ran. Im ersten Drittel des Films wußte ich manchmal nicht mehr, wo ich eigentlich bin auf der Zeitachse; wie er das macht, ist mir schleierhaft - muß wohl an den Übergängen liegen. Insgesamt interessant und spannend, aber eine Distanz bleibt.

#260 Bastro

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Geschrieben 11. August 2008, 19:30

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Black Test Car / Kuro no tesuto kaa Yasuzo Masumura, Japan 1962


Das junge aufstrebende Automobilunternehmen “Tiger” steht kurz davor, den neuen, schnellen und schnittigen Sportwagen „Pioneer“ auf dem japanischen Markt zu platzieren. Die Testphase geht in die letzte Runde. Doch bei einer Hochgeschwindigkeitsfahrt fliegt die mit einem schwarzen Tuch verhüllte Kiste aus der Kurve, zerschellt, explodiert und geht anschließend in Flammen auf. Eine Katastrophe, sollte das bekannt werden. Doch die Spione der Konkurrenz sind nicht tatenlos: mit Mikrophon und Fotoapparat versteckt man sich in den Büschen und Bäumen, um einen Blick auf das neue Modell zu erhaschen. Denn „Yamato“, die bereits etablierte Konkurrenz, will mit ihrem „Mypet“ Sportwagen ein ähnliches Modell auf den Markt lancieren, und sich nicht von ebendiesem verdrängen lassen. Ein erbitterter Wettkampf beginnt…

Im vier Jahre zuvor gedrehten GIANTS & TOYS hatte Masumura schon einmal eine Wirtschaftssatire auf die japanische Nachkriegsgesellschaft gedreht; da allerdings in poppigen Farben, hysterischen Bildern und rasant-jazzigem Score. Nun ist alles anders: hier regiert der Tod. Alles ist schwarz/weiß, hartkontrastig, Film Noir brutal. Der Score, ja, ist jazzig, aber von verstörender Disharmonie geprägt, der sich bis in industriellen Lärm hineinsteigern kann. Und so beginnt der Film: mit dem Unfall und dem brennenden Wagen. Die Testfahrer, über die niemand ein Wort verliert, sind natürlich im Wagen umgekommen. Während die Anfangscredits laufen, sieht man minutenlang das brennende Auto. Die im ersten Drittel noch vernehmbaren leichten Anflüge von Humor, Satire und Ironie werden später völlig aufgegeben im völlig unlustigen Spiel um Macht, Informationen und den Vorsprung vor der Konkurrenz. Der sehr dialoglastige Film, der fast vollständig ohne herkömmliche Action auskommt, bezieht seinen ganzen Impact aus den Verstrickungen der Charaktere, die sich in einem tatsächlich auch tödlichen System verfangen haben, dessen Netz sie selbst weiter stricken. Da wird dann auch über Leichen gegangen, wenn das Wasser bis zum Hals steht.
Die Frauen sind auch in diesem Film zunächst der Wärmepol im Beziehungsgefüge. Doch auch sie werden rücksichtslos benutzt und mißbraucht, in die Prostitution gezwungen, wenn es um die Informationsgewinnung geht - wenn es das "höhere Ziel", an dem der Erfolg der Firma hängt, fordert.

Masumuras moralischer Ansatz ist natürlich überdeutlich. Doch versteht er diese Moral auf sehr unaufdringliche Art zu vermitteln, in Dialogen, die wie ein Pausenzeichen wirken im reißenden Strom des Films. Asahina fragt konsterniert, verzweifelt: „Do we have to kill to protect the company?“ Und Onoda (Hideo Takamatsu) mit dem Totenschädelgesicht, dessen Kind der “Pioneer” ist, antwortet: “Grow up. As long as we win...”
Das Ende am Strand - fern der städtischen Zivilisation (!) -, das Wieder-Zusammenfinden der freiwilligen Outcasts ist ein positives Zeichen. Man kann, wenn man will. Doch ist das keineswegs pathetisch zu verstehen. Die völlig unkitschige Szene funktioniert, denn sie ist Rebellion. Hier finden zwei wieder zusammen, die nun außerhalb stehen und alles verloren haben. Ihre moralische Integrität allerdings haben sie wiedergefunden.

#261 Bastro

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Geschrieben 12. August 2008, 21:39

The Betrayal / Daisatsujin orochi Tokuzo Tanaka, Japan 1966

Herr Tanaka soll ja auch einen ungemeinen Trash fabriziert haben; etwa mit THE GIRL WITH THE BAMBOO LEAVES (1969), in dem die Heldin gestandene Samurai mit entgegengepeitschten, scharfkantigen Bambusblättern zerschneidet.
Nun denn, THE BETRAYAL ist Chambara auf ernst, und jedenfalls: enorm gelungen. Raizo Ishikawa spielt einen noch jungen Samurai kurz vor der Heirat, der dummerweise die Schuld einer Tötung auf sich nimmt um die Ehre des Clans zu retten. Er geht als Stellvertreter ins Exil - der wahre Schurke ist der Sohn des Clanbosses - mit der Aussicht, in einem Jahr zurückkehren zu können, und seine Geliebte zu trauen. Da hat er sich ordentlich geschnitten (!..ja ja), denn letztendlich wird er gejagt und für immer ein Gejagter bleiben; die Turns und Twists werde ich nicht verraten, aber sie sind ungeheuerlich. Zur tragischen Handlung gesellen sich famose Bilder in s/w und ein sehr langsamer, andächtiger Schnitt. Selbst in den Kampfszenen hat man eine verblüffend statische Kamera. Doch gibt sie nur der kongenialen Choreographie und dem Bildarrangement den gebührenden Raum. Der sehr zurückhaltende Score von Akira Ifukube weiß in seiner Eleganz zu begeistern - das ist wirklich meisterlich, wie er sich auf den Film einläßt und ihn gleichzeitig auf ein höheres Level hebt.
Kurz gesagt: für Liebhaber des Genres absoluteste Pflicht. Ach: Tanaka war assistant director bei RASHOMON und UGETSU MONOGATARI. Eine gute Ausbildung ist manchmal vielleicht doch nicht schlecht. Ach ich vergaß das Finale! Das, ja das ist ein Schlachthaus, wie es selten gesehen ward. Ein umwerfender Film.

Bearbeitet von Bastro, 12. August 2008, 21:40.


#262 Bastro

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Geschrieben 14. August 2008, 09:00

Punishment Park Peter Watkins, USA 1971

Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und seiner gesellschaftlichen Folgen, sowie der allseitigen amerikanischen Kommunistenparanoia, entwirft Watkins in quasi-dokumentarischer Art eine mutige Filmvision über den Machtmißbrauch eines Staates. "Andersdenkende", "Linke", "Poets", politische Aktivisten oder sich schlicht der Einberufung Entziehende werden vor einem provisorischen Standgericht in einem Wüstenzelt zu hohen Haftstrafen verurteilt; die Alternative: der Punishment Park. Ein Marsch durch die Wüste, ohne Wasser oder Verpflegung unter der sengenden Sonne Kaliforniens mit zwei Stunden Vorsprung, bevor sich die verfolgenden Nationalgardisten und Soldaten u. ä. auf den Weg machen. Ziel der Hetzjagd ist eine in über 30 Meilen gepflanzte amerikanische Flagge, die bei Erreichen die Freiheit verspricht. Unnötig zu erwähnen, daß alle Angeklagten angesichts 10-20 jähriger Haftsrafen den Marsch riskieren. Da eskaliert natürlich die Situation...
Der Film ist in seinen Standpunkten oft sehr deutlich, allerdings ist nicht klar, wieviel da auch von den Laiendarstellern improvisiert wird.
Vor dem Hintergrund der Folgen von 9/11, Guantanamo und den Folterexporten ist PUNISHMENT PARK ein aufwühlender Film, dessen visionäre Kraft nicht genug zu würdigen ist.

Bearbeitet von Bastro, 14. August 2008, 09:00.


#263 Bastro

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Geschrieben 16. August 2008, 09:44

..........Stummfilmfestival Bonn...............


Die Spinnen 1: Der goldene See Fritz Lang, Deutschland 1919
[Länge: 1657 Meter, 80 min, 18 B/s, Zwischentitel tschechisch mit deutscher Übersetzung, Musik: Aljoscha Zimmemann (Flügel) und Sabrina Hausmann Violine)]

Der erste Film dieser auf einen Zyklus angelegten Reihe, von der dann nur noch der 2. Teil realisiert wurde (Das Brillantenschiff), ist ein beinah unglaublicher Abenteuermischmasch. In den Tempelruinen von Yucatán leben die Nachfahren der Incas und sitzen viel auf Steinen herum. Sie haben einen amerikanischen Weltenumsegler und Pioniersportsfreund gefangen genommen, welcher, die Sonne tritt wieder in die den 52. Irgendwas, ebendieser geopfert werden soll. Er erkennt die Gefahr und büchst aus. Am Meer ergreift er eine Flasche und friemelt ein Zelltelchen hinein, um mit einer Flaschenpost von seinem Unheil zu künden, während hinter ihm der Inca den Pfeil auf den Bogen legt. Im letzten Sekundenbruchteil gelingt es ihm, die Flasche ins Meer zu werfen, bevor ihn der Pfeil hinterrücks in der Schulter erwischt.
Die Flasche wird vom Sportseglerhelden Kay Hoog (Carl de Vogt) in San Francisco aus der Bucht gefischt. Neben dem schrecklichen Schicksal des Landsmannes kündet die Flaschenpost aber noch von unermeßlichen Goldschätzen innerhalb eines Höhlensystems unterhalb des Goldenen Sees. Hoog rüstet sich zur Rettung und zur Hebung des Schatzes. Genau die richtige Expedition für so einen schnittigen Sportsfreund wie ihn. Schwer machen sollen es ihm aber nicht nur die Incas, sondern auch die "Spinnen", eine dubiose Geheimorganisation aus aristokratisch wirkenden Herren und -ja- Chinesen. Die Chefin ist eine intrigante Frau mit riesigen Augäpfeln. Da muß sich Kay Hoog mächtig ins Zeug legen...

Der Film wirkt wie eine frühe Variante von Indiana Jones und James Bond, wenn das Abenteuer in die exotischen Gefilde führt. Durchaus unterhaltsam und bisweilen unfreiwillig komisch aufgrund des stummfilmtypischen Overactings, war doch erstaunlich, wie sehr gewisse Standards des Abenteuer- und Actionfilms sich von frühester Filmemacherei ableiten lassen. Um dann doch wieder ein ganz anders Timingverständnis zu haben: wenn Hoog etwa die Flaschenpost öffnen will um den Brief zu lesen, da wird nicht einfach die Flasche zerschlagen, sondern etliche Sekunden mit einem Stäbchen danach gefummelt. Das dauert sicher 30 Sekunden, bis daß er endlich an das Briefchen kommt. Dafür gäbe es heute sicher keine Zeit mehr. Ansonsten haben natürlich so einige Einstellungen gefallen - generell ist er in seiner Anlage aber sicher ein Unterhaltungsfilm, der auf ein großes Publikum schielt. Ganz wunderbar natürlich, daß der Film gerettet werden konnte. Er stammt wohl aus einem tschechischen Filmarchiv und ist in zehnjähriger Arbeit restauriert worden, inklusive originaler Viragierungen.

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Die ganze Veranstaltung ist wieder äußerst sympathisch. Der Arkadeninnenhof der Universität gibt das schöne Ambiente für das OpenAir-Festival ab, es gibt ein Bierzelt und Herr Ruß von der Kinemathek/Brotfabrik braucht mal eben noch 15 Helfer um den Flügel aus dem Konzertsaal herunterzutragen. Außerdem gibt es eine riesige Leinwand und tollen Sound. Im Foyer werden DVDs verkauft, und die einzige Person, die an so einem Abend schlecht gelaunt ist, ist die Dame vom Film-Dienst, die ihre Abos an Mann und Frau zu bringen sucht.

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Die Spinnen 2: Das Brillantenschiff (Fritz Lang, Deutschland 1920) habe ich nur etwa bis zur Hälfte gesehen, da ich enormst gefroren hab, sehr müde war, und die vertrackte actionreiche Handlung einfach nicht mehr kapiert habe. Teil 2 jedenfalls spielt in San Francisco, ist also ein Großstadtfilm, und somit viel mehr ein Fritz-Lang-Film und erinnert schon an Metropolis, Dr. Mabuse und Spione. Die Übeltäter sind natürlich die Chinesen, äh, Spinnen, die in einer geheimen zweiten, unterirdischen Stadt leben. Hier gibt es viele Gänge, Falltüren, Hetzjagden, Tunnel, Verfolgungen und Schießereien. Sehr atemberaubend und einschläfernd zugleich.

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Noch ein kleines Zitat aus dem Programmheft zu Teil 1:

"Überflüssig zu sagen, daß Sensationen von fabelhafter Spannung mit einer unerhörten Ausstattung wetteifern. Sind doch die alten Mayabauten, die Sitten und Kostüme jener Zeit unter Mithilfe hervorragender Gelehrter mit einer Echtheit rekonstruiert worden, wie sie nur deutscher Gründlichkeit möglich ist." (Der Film, 12. 10. 1919)

#264 Bastro

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Geschrieben 17. August 2008, 11:11

......Stummfilmfestival Bonn......


Träume jeder Nacht / Yogoto no Yume
Mikio Naruse, Japan 1933

[Länge: 1754 Meter, 64 min, 24 B/s, Zwischentitel japanisch mit engl. UT, Musik: Aljoscha Zimmermann (Flügel)]

Omitsu (Sumiko Kurishima) arbeitet als Hostess in einer Bar und schafft es gerade so, sich und ihren kleinen Sohn zu ernähren. Als sie aus dem Gefängnis entlassen wird, in dem sie wegen eines Prostitutionsvorwurfs einsaß, ist die Freude übergroß, endlich wieder ihren Sohn umarmen zu können. Doch auch der Vater des Kindes, von dem sie sich vor geraumer Zeit getrennt hatte, stellt sich ein. Er ist zwar nicht unsympathisch, aber ein Herumtreiber und arbeitsfaul. Als sie aber sieht, wie liebevoll er sich um seinen Sohn kümmert wird ihr Herz weich, und sie läßt ihn wieder in die Familie hinein; mit der Folge, nun noch einen Esser mehr mitfinanzieren zu müssen. Als Der Junge vom Auto angefahren wird, spitzt sich die Lage zu...

Wir befinden uns im Naruse-Kosmos. Shomingeki. Die kleine Welt von nebenan. Starke Frauen, schwache Männer. Naruse ist ein Meister der Darstellung von Alltagstragödien, die über das Zeigen im Film ihrer Alltäglichkeit enthoben werden und sich zur menschlichen Parabel verdichten. Die Tragödie der Frau, die kämpft und mit wenigem zufrieden ist kann wohl nur von ganz wenigen Regisseuren so wunderbar dargestellt werden, frei von allem kitsch und Pathos. Und dabei scheinbar überhaupt nicht auf die Gefühle beim Zuschauer abzielend! Szenen größter Privatheit und Vertrautheit, ohne diese auszustellen - man fragt sich, wie Naruse das macht. Warum ist dieses Lächeln so anders, als bei allen anderen? Warum rührt das zutiefst, wenn diese Frau ihre Wange an die ihres Kindes hält? Oder der Vater einen Blick auf seinen Sohn wirft? Und immer wieder bei Naruse: der Humor, hier: ein Lausbubenhumor. Denn die Kinder tollen herum, spielen Baseball -naja, sowas ähnliches- egal. Im Hintergrund die japanische Schwerindustrie und ein Hafen.
Und wieder einmal überzeugen diese Schauspieler so sehr, daß man denkt, man habe noch nie bessere gesehen. Dabei machen sie so wenig. Interessant ist auch die fein abgestimmte Lichtarbeit, die wie ein Kommentar zur Seelenlage der Charaktere funktioniert. Anzumerken ist noch, daß dieser Film wohl nur geschnitten erhalten ist, denn die Anfangsszene, in der Omitsu aus dem Gefängnis kommt, ist der Zensur zum Opfer gefallen.
Überwältigt bin ich von diesem wunderbaren Film.

#265 Bastro

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Geschrieben 17. August 2008, 20:31

.....Stummfilmfestival Bonn......


Ausgerechnet Wolkenkratzer / Safety Last! Fred C. Newmeyer/Sam Taylor, USA 1923

[Länge: 1852 Meter, 73 min, 22 B/s, engl. Zwischentitel, Musik: J. Bärenz (Flügel) und C. Roderburg (Percussion)]

Harold Lloyd macht sich auf in die Großstadt um endlich richtig Geld zu verdienen und Karriere zu machen. Sein Mädel zuhause in der Provinz wünscht es sich doch so sehr! Nach langen Wirren bekommt er endlich eine Stelle in einem Kaufhaus als Textilverkäufer und muß sich mit den extravaganten Wünschen der unentschlossenen Kundschaft herumschlagen. Seiner Geliebten jedoch flunkert er irgendwas vor, er sei ein erfolgreicher Manager usw. Als diese ihn überraschend besucht, muß er alle Hebel in Bewegung setzten, damit das Lügengebäude nicht einstürzt. Dazu muß er aber auch noch ein zwölfstöckiges Gebäude erklimmen, was ihn fast den Kopf kostet. Sozusagen der CLIFFHANGER der Stummfilmzeit.
Ein wunderbar einfallsreicher Film mit unzähligen Gags und Kettenreaktionswitzen. Hier wird auf äußerst unterhaltsame Weise Gesellschaftskritik formuliert und modernste Großstadtsportarten wie Buildering und Parcours-Running werden vorweg genommen. Hehe. Werde ich in meiner verbleibenden Lebenszeit vielleicht noch 20 mal ansehen. Nicht vergessen sollte man die äußerst gelungene musikalische Begleitung, die sich sehr stark auf die Bilder einließ. Sozusagen ein Festivalkracher.

Bearbeitet von Bastro, 17. August 2008, 20:36.


#266 Bastro

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Geschrieben 19. August 2008, 09:35

.....Stummfilmfestival Bonn.....


Die grosse Parade / The Big Parade King Vidor, USA 1925

[Länge: 3423 meter, 149 Minuten, 20 B/s, engl. Zwischentitel, Musik: Neil Brand (Flügel)]

Jim Apperson, ein sympathisches aber dandyhaftes Industriellensöhnchen, läßt sich von der allseits aufkommenden Kriegseuphorie anstecken und meldet sich freiwillig. Der 1. Weltkrieg steht bevor. Nun ist der Vater stolz auf seinen Tunichtgut, und seine Verlobte findet das sehr romantisch. Die Mutter allerdings, und das sieht man ihren Augen an - da muß sie gar nichts sagen - ist schockiert und scheint um die Schrecken des Krieges zu wissen. In Frankreich angekommen erleben die jungen Männer eine fast unbeschwerte Zeit ihrer Ausbildung, schlafen im Heuschober eines Bauernhofes und unser Jim verliebt sich in die Bauerstochter Melisande.

Dieser erste Akt des fast 3stündigen Films ist vor allem in Frankreich sehr berührend. Wundervoll in Szene gesetzt und toll fotographiert kulminiert er in einem über eine Dauer von etwa 25 min vorbereiteten Kuß zwischen den beiden Liebenden. Hier hat man es noch mit einer formidablen Romanze zu tun, wobei der Ton des Films, wie sollte es anders sein, im 2. Akt vollständig kippt.

Der Ruf zur Front. Die drei Freunde Jim, Slim und Bull lassen die unbeschwerten Tage auf dem Hof hinter sich, und Jim und Melisande können sich kaum voneinander losreißen. An der Front angekommen wird aus dem fast gleißend hellen, sommerlichen Film ein Film der Dunkelheit, der Nacht und des Todes. Man marschiert durch einen Wald und hat es erst mit Scharfschützen, dann mit MG-Nestern zu tun. Die ersten Kameraden werden umgemäht. An vorderster Front angekommen spielt der Film nur noch in den Schützengräben und handelt von vereinzelten Stürmungsversuchen der mittlerweile völlig Verzweifelten. Als Slim angeschossen wird drehen Bull und Jim durch.

Der 2. Akt ist ein Schock, steht er doch in krassem Kontrast zum ersten. Stimmung, Licht, Atmosphäre, ja: Genre, haben komplett gewechselt. Neil Brands musikalische Begleitung hat sich von perlenden Melodiekaskaden zu einem disharmonischem, tiefdumpfen, beinah gewalttätigem Gewummer entwickelt, das die Bilder kongenial begleitet. Hier hätte ich sehr gerne eine Aufnahme von. Die Szenen in den "Trenches" haben mich sehr an Paths of Glory erinnert, oder auch an Sam Fullers The Red One.

Jim überlebt und kehrt mit amputiertem Bein nach Hause zurück: desillusioniert, voll Haß auf den Vater und Bruder, der mitttlerweile mit seiner Verlobten ein Verhältnis begonnen hat. Die Mutter nimmt ihn auf als Sohn, und sie ist die einzige, die ihm tatsächlich Geborgenheit geben kann; doch seine Sehnsucht nach Melisande läßt ihn nicht zur Ruhe kommen, und er bricht wieder auf nach Frankreich, um sie zu suchen.

Der wohl zweiterfolgreichste Stummfilm nach der Geburt einer Nation ist ein umwerfendes Kinoerlebnis. Die gezeigte Kopie war ausgezeichnet und laut Ansage der Veranstalter die jüngst erst fertiggestellte, bestrestaurierte Fassung. Der Londoner Neil Brand am Flügel ist wohl so etwas wie eine Institution, wenn es um diesen Film geht. Wahnsinn. Auch der ab Filmmitte einsetzende Regen konnte niemanden vertreiben. Selten habe ich so ein gebanntes Publikum erlebt.

#267 Bastro

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Geschrieben 21. August 2008, 09:21

.....Stummfilmfestival Bonn.....


Der Einwanderer / The Immigrant Charles Chaplin, USA 1917

[Länge 617 Meter, 30 min, 18 B/s, engl. Zwischentitel mit dt. Übersetzung, Musik: G. A. Buchwald (Flügel, Violine, Bratsche)]

Ein virtuoser Film mit enorm hoher Gagdichte. Beinahe scheint, hier habe man eine Geschichte um die zentralen Gagszenen herum gedichtet. In Erinnerung bleibt vor allem die Mahlzeit auf dem Einwandererschiff, das allen Passagieren ganz schön zusetzt (Übelkeit, herumrutschende Gegenstände). Auch die ernsten Töne werden hier angedeutet: die Armut der Einwanderer, die soziale Isolation, oder die neue Welt als letzte Rettung. Die zweite zentrale Szene spielt in einem Restaurant mit einem üblen Schläger-Wirt und Chaplin plötzlich bemerkt, daß ihm die Münze durch das Loch in der Hosentasche verloren gegangen ist. Dummerweise kann er also die Rechnung nicht mehr bezahlen. Als auch noch seine Angebetete auftaucht, lädt er sie zum Essen ein, da er Kavalier sein will und die Zeit bis zur Bezahlung hinauszuzögern sucht - er muß ja nebenbei noch irgendwie das fehlende Geld auftreiben. Ein typischer Chaplin, würde ich meinen, der trotz seines Unterhaltungswerts und offenkundigen Witzes nicht die Sozialkritik vergißt, und dabei zutiefst menschlich bleibt.

#268 Bastro

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Geschrieben 22. August 2008, 14:46

....Stummfilmfestival Bonn....


Der Troll-Elch / Troll-Elgen Walter Fyrst, Norwegen 1927

[Länge 2020 Meter, 98 min, 18 B/s, norw. Zwischentitel mit dt. Übersetzung, Musik: G. A. Buchwald]

Hans, ein Häuslersohn, ist in Ingrid, die Tochter des reichsten Bauerns der Gegend verliebt. Gut, daß sie dasselbe für ihn empfindet, doof daß der Papa das natürlich ablehnt - und für die Tochter den reichen, aber häßlichen und brutalen Pferdehändler ausgesucht hat. Bevor Hans um Ingrids Hand anhalten darf, muß er erst den mythischen Troll-Elch erlegen, der der Überlieferung nach die Inkarnation eines Toten ist. Das paßt natürlich wunderbar in das wilde Natursetting Norwegens, mitsamt den rauhen Männern und ihren Bärten, die der Natur ein Leben abzutrotzen versuchen. Die Handlung schlägt einige Haken und webt mehrere Subplots ein, sodaß es die Liebenden bis in die Stadt verschlägt, in der sich Ingrid gegen die Avancen eines Lüstlings wehren und Hans sowohl dem Alkohol als auch dem Weibe widerstehen muß. Letztenendes erwartet uns ein Happy End, das sich auch mit der Aufgabe konfrontiert sieht, in den finalen zehn Minuten alle Handlungsstränge zu vereinen - was doch etwas konstruiert wirkt. Sehr geschlossen, aber bemüht. Auch die Melodramatik hat mir auf Dauer etwas zugesetzt - aber wann sieht man schon mal einen Stummfilm aus Norwegen!

#269 Bastro

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Geschrieben 23. August 2008, 10:28

....Stummfilmfestival extended, privat und digital.....


Blinde Ehemänner / Blind Husbands (Die Rache der Berge) Erich von Stroheim, USA 1919

Lieutnant von Steuben (Stroheim), k.u. k. Offizier und Lebemann, Frauenheld und Aufschneider, verbringt seinen Urlaub in einem tiroler Berghotel, in welchem auch der amerikanische Arzt Dr. Armstrong (Sam de Grasse) samt Gattin absteigt. Nachdem von Steuben mit einigem Schneid das Dienstmädchen des Hotels verführt hat, die ihm im Verlauf des Films aus der Demütigung das Leben schwer machen wird, hat er sich die moralisch gefestigte, aber durch die permanente Vernächlässigung durch ihren Mann enttäuschte, Miss Armstrong als Opfer ausgesucht. Nach und nach scheinen seine Avancen zu fruchten - alles mehr oder weniger unter den Augen des Gatten, der aber keinen Blick für seine Frau übrig hat, und lieber seine Splatting Image Fachliteratur und Zeitung liest, oder sich mit anderen Herren unterhält. Die angespannte Situation entlädt sich auf einer Bergfahrt, denn Armstrong möchte die Nordwand des 'Pinnacle' besteigen, und von Steuben begleitet ihn. Und wie Sepp, der Almkauz, schon antwortet auf die Frage, ob ihnen denn nichts zustoße: "Wenn sie ihre weltlichen Probleme zurückgelassen haben, geschieht ihnen nichts...", so wissen wir, daß gerade dies nicht der Fall ist.

So erleben wir einen Film, der wie ein Reigen beginnt, und dann zum tödlichen Drama wird. Vor dem Hintergrund der Dolomiten findet Stroheim eindrucksvolle Bilder, aber besonders auch in den 'normalen' Szenen der Gespräche, auf dem Dorfplatz oder im Lokal wirkt alles sehr komponiert - sieht man doch immer ausdrucksstarke Charaktere und Männer, die durch ihren Habitus repräsentieren. Eindrucksvoll und spannend, und selbst im moralischen Ende erträglich, da Stroheim durchaus den Ehemann kritisch zeigt: ist doch seine Vernachlässigung der Frau erst der Auslöser für das Drama.

Bearbeitet von Bastro, 23. August 2008, 10:29.


#270 Bastro

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Geschrieben 24. August 2008, 10:04

....Stummfilmfestival extended, privat und digital.....


Panzerkreuzer Potemkin Sergei M. Eisenstein, Sowjetunion 1925

Über diesen Film ist schon soviel geschrieben worden, daß ich nicht mehr weiß, ob irgendein Satz, den ich dazu schreiben könnte, überhaupt von mir stammt oder nur ein gefilterer, angelesener eines Anderen ist. Deswegen äußere ich hier einfach völlig subjektiv meine Begeisterung, und die Begründung dafür ist ~die Dynamik ~die Menschlichkeit ~die individuellen, fast ikonografischen Gesichter, die aus den Bildern der Menschenmassen herausgestellt werden ~die Schönheit der häßlichen Menschen ~die Grausamkeit, die sich nicht nur auf die Treppenszene beschränkt, sondern in allen Szenen zu finden ist ~die Kürze des Films ~die Archaik ~das hohe Spannungslevel. Das reicht, denke ich, um sich diesen Film ein paar mal öfter anzusehen.





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