Cruising William Friedkin, USA 1980
Al Pacino spielt einen Cop (Steve Burns), der aus Karrieregründen einen Undercover-Auftrag in der schwulen Sado-Maso- und Bondage-Szene von New York annimmt. Es gilt einen Serienkiller ausfindig zu machen, der sich seine Opfer bevorzugt aus dieser Szene zu suchen scheint.
Burns versinkt jedoch im Laufe seiner Nachforschungen immer tiefer in dieser neuen Welt - verlangt sie ihm doch einiges ab: denn die Tarnung kann nur im Mittun bestehen. Das beginnt bei der Kleidung, setzt sich fort über die Umstellung des Tagesrhythmus (in der Szene ist man zumeist nachts unterwegs) und macht auch vor der Gestaltung des Körpers nicht halt. Wie der Film überhaupt ein sehr körperlicher ist: Burns beginnt zu trainieren, steigert seinen Marktwert, trägt Muskeln zur Schau. Auch mental scheint er nach einigen Wochen im neuen Leben angekommen. Dies belegen die wenigen kontrastierenden Szenen bei seiner Freundin, die er nur sehr selten sehen kann, und von deren Treffen uns Friedkin nur den schnellen, immer intensiver und gewalttätiger werdenden Sex zeigt. Burns scheint sich über diesen letzten Strohhalm eine letzte Verbindung zum alten Leben erhalten zu wollen. Dabei erscheint dann der Liebesakt während des Kurzbesuchs eruptiv und ledigliche einer Selbstvergewisserung zu dienen, was sich auch prompt an den unerfüllten Bedürfnissen der Freundin zeigt. Sie kann ihren Freund nicht mehr verstehen, er nichts erklären. Die Mauer steht bereits. Burns, ein bleicher Muskelmann, der sich in seiner eigenen Welt aufhält: in einer
Subkultur, die mit der Sonne nicht viel gemein hat. So liegen die Clubs der Szene vornehmlich tatsächlich im Souterrain verlassener Gebäude, gekennzeichnet nur durch ein kleines Schild oder einen Pfeil an der Wand. In den Clubs selbst herrscht ein durch und durch männliches Inferno der Leidenschaften: es wird getrunken, getanzt, geküßt, geblasen, gebumst, gefesselt und gefistet.
Fern von der Erdoberfläche sind diese Bilder in ein dunkles blau getaucht. Dazu schwarz, häufig in den Klamotten, grauer Rauch der Zigaretten, das weiß der Punktstrahler und der Unterhemden, die die Muskeln besonders zur Schau stellen. Hier stellt Friedkin ein gänzlich andere Bildästhetik vor als etwa in FRENCH CONNECTION, der vornehmlich in dreckigen gelb-, braun- und Rottönen gehalten ist, ein Film, der vornehmlich am Tage und auf Höhe des Straßenniveau spielt. In CRUISING wird uns nur ein bleicher, ausgewaschener Tag gezeigt, ein Großstadttag mit Smog und verbrauchtem Grün. Die Parkszenen bei Nacht sehen hingegen frisch wie nach einem Regenguß aus und erinnern frappierend an ähnliche Szenen aus Walter Hills THE WARRIORS.
Das für mich markanteste Element des Filmes ist aber die Tonspur. Wird für gewöhnlich mit zwei Ebenen gearbeitet, einer für Dialoge und Umweltgeräusche, sowie einer zweiten mit zugespielter Musik, macht Friedkin hier etwas Außergewöhnliches. Sehr häufig, vor allem in Streßsituationen für Burns, also etwa in den Clubs, mischt Friedkin noch eine zusätzliche Tonspur mit Filmmusik zu den beiden bestehenden hinzu -der neue Track, der den alten ablöst-, sodaß ein scheinbar chaotisches Durcheinander der Überlagerungen entsteht. Dies ist aber kein willkürliches Chaos, sondern überlegt gestaltet. Gerade in den so geschaffenen Dissonanzen offenbart sich ein unheimliche Intensität des Filmes, und der Zuschauer scheint den Druck, der auf Burns lastet, spüren zu können. Friedkin geht aber so weit, daß er das Verhältnis des Mischens immer weiter treibt, ganz wie ein Elektronik-DJ, der aus dem Zusammenmischen zweier Platten ein neues Drittes erschafft. Die Songs lösen sich also nicht mehr ab mit einer absehbaren Zeit des Übergangs, sondern -gerade gegen Ende- laufen lange Zeit parallel, sodaß sich der Höreindruck deutlich intensiviert. Als ob das nicht genügte, fügt Friedkin, etwa in den Clubs, noch eine vierte Spur hinzu, z. B. die momentan laufende Diskomusik. Ein gestaltetes Chaos.
Als sich gegen Ende des Filmes Ermittlungsergebnisse einstellen, findet auch Burns zurück zu seinem Leben, nämlich dadurch, da er wieder in seine
Rolle als Polizist schlüpfen kann - und Dinge tun kann, die ein Polizist tut. Etwa heimlich eine Wohnung durchsuchen. Stellt sich die Frage, was passiert wäre, hätten die Ermittlungen keine Ergebnisse gezeitigt. Das wäre durchaus auch ein sehr spannendes Ende geworden.
Bearbeitet von Bastro, 02. April 2009, 20:06.