Kitanos Regenschirme
#421
Geschrieben 30. April 2009, 21:39
"We wanna be free!
We wanna be free to do what we wanna do!
We wanna be free to ride. We wanna be free to ride our machines without being hassled by the men!"
So bewegend dieser Protest erst noch wirkt, so schnell zeigt sich, wie schon alles vorbei ist. Blues (Fonda) hat seinen Traum von der Freiheit mit dem Tod des Freundes, für den er sich verantwortlich fühlt, erstmal ausgeträumt.
Cormans Film wirkt in seiner Dynamik ansteckend, bleibt gleichwohl aber konservativ in der Kernaussage: er gesteht den Rebellen keinen Funken tiefergehende gesellschaftskritische Auseinandersetzung zu; im Film geht alles im immergleichen Randalieren, Besaufen und Vergewaltigen unter. Ein aufrichtiges, wahrhaftiges Filmerlebnis beschert wohl erst wieder EASY RIDER.
#422
Geschrieben 01. Mai 2009, 14:11
Großartiges Film Noir-Gangsterdrama mit Tatsuya Nakadai in der Hauptrolle des Oida. Dieser kommt aus dem Gefängnis und meldet sich bei der Frau seines Mitinsassen wegen eines Auftrags. Die Tötung dreier Ganoven soll ihn reich machen, doch recht bald wird ihm klar, daß er nur der Handlanger in einem üblen Komplott ist.
Mit harten s/w-Kontrasten arbeitet der hauptsächlich bei Nacht, im Regen und im beginnenden Schneefall spielende Film Goshas und überzeugt permanent durch originelle Kamerapositionen und Arrangements. Jazzige Musik und minimalistische Percussion liefern die Akkustik. Der melancholisch blickende Nakadai brilliert in einer für ihn sehr mitmenschlich angelegten Rolle. Schweigen ist natürlich trotzdem sein Ding.
Bearbeitet von Bastro, 01. Mai 2009, 14:27.
#423
Geschrieben 01. Mai 2009, 21:31
Drei Mofarocker terrorisieren auf ihrem Weg nach Las Vegas die Gegend, kloppen sich mit den Männern und vergewaltigen die Frauen. Erst der Tierarzt Maddock macht sich auf, die Bösewichter zur Strecke zu bringen - denn auch seine Frau wurde von den dreien mißbraucht.
Ruppiger Film voller sleaziger Bilder und grooviger Loungemucke, der trotz seiner Kürze auch mal durchhängt. Das dürfte wohl an der minimalistischen Handlung liegen, die aber dennoch zwei echte Höhepunkte bereithält: Maddock wird von einer Schlange gebissen, darauf zwingt er die vollbusige Haji zum Aussaugen des Bisses, wobei er wiederholt, "Suck it!, suck it!" schreit. Der andere ist das Finale mit dem durchgeknallten Rocker, der mit seinem Gewehr auf der Anhöhe sitzt, und der aufgrund der enormen Besonnung durchgedreht ist, sich wieder in Vietnam wähnt und wie irre durch die Gegend ballert. Guter, kurzer und knackiger Film.
#424
Geschrieben 17. Mai 2009, 08:42
Backwood-Slasher mag ich prinzipiell sehr gerne. Diese Variation ist aber so dermaßen klischeebeladen, daß mir tatsächlich die Lust verging - zumal er dann in den gezeigten Grausamkeiten unfreiwillig komisch wurde. Da war dann die Zeit für ein Eis aus der Tiefkühle angebrochen. Das interessanteste Sujet des Films dürfte wohl dessen Umgang mit "Sprache" sein. Nur für den Fall, daß man sich eine Zweitsichtung tatsächlich antun möchte. Ich möchte, glaube ich, lieber nicht.
#425
Geschrieben 20. Mai 2009, 07:30
Wenn ein Film ganz groß ist, dann ist es textlich oft schwer einen Zugang zu bekommen. Geht mir so bei diesem Film, der mir vor Jahren zufällig in die Hände fiel und der mich dann nachhaltig beeindruckte. Klar, damals war das das Banjo-Duell und das unerwartete Kippen in die Backwood-Thematik. Von der Wichtigkeit des Films habe ich dann erst später mitbekommen. Diesmal also - biographisch bekommt man doch ein paar Sätze hin - waren es mit Kenntnis der Handlung vor allem die ganzen Vorausdeutungen, die dem Film bereits früh seine unheilvolle Stimmung verleihen; beinah jeder Satz, jedes Agieren in der Gruppe, auch die Anordnungen der Figuren im Raum scheinen bedeutungsgeladen und verweisen auf Konstellationen der Macht, der Gefahr, oder der Bedrängnis. Dadurch wirkt der Film sehr tight, schnörkellos, aber auch (subtil) durchkonstruiert (welcher ist das nicht?!). Ich fühlte mich von der Zielstrebigkeit her an den jüngst gesehenen MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR erinnert, welcher sich in seiner schlanken Ausrichtung ganz auf die Bewegung, die Dynamik zu konzentrieren scheint. Bei Boorman, wie bei Millers Film, zeigt sich zudem ein fantastisches Gespür für wirkmagische Bilder; in DELIVERANCE sogar bis an die Grenze einer psychotrippenden Unwirklichkeit - etwa in der Szene, in der Jon Voight mogens nach seiner Kletteraktion auf dem Felsen erwacht und den Redneck erspäht. Dieser Ausflugstrip der Großstädter wird eben auch zu einem inneren Trip - logisch, doch eben auch auf der Bildebene als solcher dargestellt. Daß der Film über die verschiedenen charakterlichen Dispositionen seiner Helden Gegensätze formuliert, auch was philosophischere Lebensansätze angeht, wird mir teilweise etwas überformuliert und auch die ungleichen Balancen zwischen den Charakteren rückt ein wenig zu sehr die Stars in den Blick. Aber das sind sogenannte "minor points of criticism" an einem sehr sehenswerten, auch überwältigenden Film, den ich nicht zum letzten Mal gesehen habe.
#426
Geschrieben 20. Mai 2009, 17:53
Als der bumsfidele Collegeboy Tyler seinen besten Freund Chase in den Ferien mit nach Hause bringt ist die Katastrophe nicht weit: denn unter dem Druck ständig mit irgendwelchen Chicks verbandelt zu werden, outet sich Chase schließlich und riskiert die Ablehnung seines besten Freunds. Doch nicht nur das: Tylers Vater Nathan ist die Ehe mit seiner perfekten Frau schon lange schal geworden und merkt nun, daß auch er seine wahren Gefühle immer schon unterdrückt hatte. Als dieser Chase bedrängt und sie eine Nacht miteinander verbringen ist die Katastrophe perfekt.
Nicht daß der Film komplett missraten wäre, krankt er doch an seinen Stereotypen und der vorhersehbaren Handlung. Die Kamera ist ideenlos, der Look auf Hochglanz poliert. Hier wird Golf gespielt und Porsche gefahren. Die fremde Sexualität wird folglich als ultimative Bedrohung empfunden. Letztlich vermag der Film in einigen Szenen dennoch zu ergreifen, weshalb er emotional gerade noch OK geht - nüchtern betrachtet ist das aber eher nix.
Bearbeitet von Bastro, 20. Mai 2009, 17:54.
#427
Geschrieben 21. Mai 2009, 19:53
PHOBIA ist ein zu jeder Zeit extrem gut aussehender Horrorfilm geworden, der aus vier fast vollständig voneinander unabhängigen Episoden besteht. So unterschiedlich die Episoden, so verschieden die Qualität.
Herausragend aus dem üblichen asiatischen, an den J-Horror angelehnten Sumpf, ist (neben der dritten Episode) eigentlich nur der mäßig originelle Opener, in dem die Heldin mit Gipsbein an die Wohnung ihres Liebsten gekettet, plötzlich mehrere SMS eines Unbekannten bekommt, und sie sich nach kurzem Zögern auf einen Flirt einläßt, den sie besser unterlassen hätte. Ein erklärendes Ende, das einem Twist gleichkommt, hellt zwar das Dunkel auf, wirkt aber wie der übliche schale Nachklapp. Zuschauer sei dir sicher, hier mußt du nicht mitdenken!
Im dritten Teil, dem Höhepunkt des Films, wähnen sich 3 Freunde vom verunglückten vierten verfolgt. Da die drei Horrorfilmnerds sind, ist die Phantasie sehr ausgeprägt, und lange Zeit ist man unsicher, ob das nun tatsächlich ein Untoter ist, mit dem sie es zu tun haben, oder nur ihre sprühende Phantasie. Mit tollem Ende. Sehenswert.
Weniger gut allerdings sind Teil 2 (Jugendgewalt und viel Hackbrei), sowie der Finalist um eine Angestellte einer Fluglienie, deren einziger Fluggast eine Tote Prinzessin ist, die eben, nun ja, wohl wieder erwacht ist. Leider beginnt der Film ausgesprochen schön, um dann mit platten Schocks und vorhersehbarer Handlung zu langweilen.
Alles in allem also handelsübliche Horrorkost mit einem ganz guten ersten und gelungenen dritten Teil. Das geht schon mal zwischendurch.
#428
Geschrieben 22. Mai 2009, 22:05
In s/w-eingefangene Dokubilder über eine Leprakolonie. Jump-Cuts und Off-Narrator zu einem völlig von Religiosität durchdrungenen Leben, das hier in all seinen Facetten und Alltäglichkeiten angerissen dargestellt wird. Erschütternd auch, da man all die verstümmelten Kranken Gott für ihr Leben auf Erden danken sieht. Lediglich der aufklärerische Impetus der Filmemacherin kann aufstoßen, doch die ungewöhnliche ästhetische Umsetzung gleicht dies nicht nur aus, sondern hebt den Film selbst auf eine höhere Stufe der Bewußtheit, die aus ihm ein Kunstwerk macht. Oder ein Gebet.
#429
Geschrieben 24. Mai 2009, 08:54
Als geheilt aus der Entzugsklinik entlassen, rechnet der gutaussehende Trinker und Melancholiker Alain (Maurice Ronet) mit seinem Leben ab, und entdeckt, daß es für ihn als Nüchternen keinen Grund mehr zu Leben gibt. Je ne peux pas toucher les choses - ich kann die Dinge nicht mehr berühren ist dabei der oft wiederholte Satz, der sein (Un-)Verhältnis zur Welt, eine komplette emotionale Entfremdung, beschreibt. Der ruhige Film begleitet den Antihelden bei seinen letzten Rundgängen durch Paris, noch einmal Abschied nehmend von seinen Freunden, mit der minimalistischen, traurigen Musik von Erik Satie. Jump-Cuts, Off-Erzähler, eine minimale Handlung, die nicht erzählt wird, sondern die sich aus dem ausgebreiteten Netzwerk der Bilder ergibt, schließen die Geschichte nach und nach auf ohne sich dem Diktat eines Spannungsbogens oder eines unterhaltenden Aufbaus unterzuordnen. Der zermürbende, niederschmetternde und zugleich ergreifende Film läßt dabei keinen Zweifel über seinen Ausgang, der ihm von vornherein eine konsequente Ernsthaftigkeit mitgibt, die jeden Sensationalismus ausschließt. Ein Mann hat abgeschlossen, das ist traurig, aber eine würdevolle Entscheidung. Ganz großer Film.
#430
Geschrieben 25. Mai 2009, 07:18
Ein in allerfeinste Bilder gesetztes Heist-Movie, das die französischen Superstars Jean Gabin und Alain Delon vereint. Der alte, aus dem Knast entlassene Hase will -wie immer- noch einmal das große Ding drehen, bevor er sich zur Ruhe setzt. Sein Komplize wird der Sonnyboy und Draufgänger Francis und gemeinsam planen sie, das Spielcasino von Cannes auszunehmen. Besonders stark sind die Bildkompositionen und der jazzige Score, sowie der Beginn, in dem Gabin durch die Wolkenkratzersiedlung Sarcelles marschiert und sein Haus nicht mehr findet.
#431
Geschrieben 27. Mai 2009, 15:38
Zwei palästinensische Terroristen kidnappen ein amerikanisches Flugzeug und haben dabei nicht bedacht, daß man ihnen eine Eliteeinheit namens Delta Force mit den beiden Häuptlingen Chuck Norris und Lee Marvin nachschickt.
Der Film ist tatsächlich ziemlich gut, wenn man gewisse Dinge ausblenden kann: Logiklöcher, Figurenzeichnung, Handlungsabläufe, schauspielerische Finesse. Denn die Action ist sehr ordentlich, manchmal skurril, hat aber dafür immer ordentlich Dampf.
Wirklich negativ fällt nur die Selektionsszene mit Hanna Schygulla auf, die ein hochpolitisches ethisches Problem anreißt und mißbraucht um die Dumpfbackigkeit der Palästinenser darzustellen. Aber Menahem Golan, der auch für das Drehbuch verantwortlich ist, ist eben kein Boris Groys wie mir scheint. Denn auch mit der zweiten inhaltlich spannenden Szene mit dem sekundenkurzen Dialog über den geplanten Selbstmord-Anschlag auf das Weisse Haus wird ein Themengebiet angerissen, das aus westlicher Sicht nur fassungsloses Entsetzen hervorruft. Der Tod ist etwas, das unbedingt vermieden werden muß. Deshalb auch (nachdem man etwa 80 Palästinenser in die Luft gesprengt hat) die Tragödie mit dem Toten Pete - welcher bisher im Film eigentlich keine Rolle gespielt hat - dies ein feiger Terroristenmord. Die Amerikaner, klar, stehen auf der moralisch richtigen Seite: America The Beautiful.
Als Actionfilm klasse, als politischer Film grauenhaft. Das allerdings, war vorher schon klar.
Bearbeitet von Bastro, 27. Mai 2009, 15:39.
#432
Geschrieben 31. Mai 2009, 08:54
Flash zurück in die Vergangenheit... Ich weiß noch genau, wann und wo ich diesen Film gesehen habe. Zuhause nämlich. Zwei Jahre zuvor war ich ausgezogen, man kann auch sagen: geflüchtet. Meine Schwester hat es noch länger ausgehalten, kiffend auf der Couch, eine Expertin in Sachen Film, die jeden Schauspieler und jede Schauspielerin kannte, schon immer alles gesehen hatte. Die für mein Kommen die Filme ausgesucht hat. Immer dasselbe Ritual: Pizza und Bier kaufen gehen, dann ins Industriegebiet in die Videothek. Zwei nahmen wir mindestens mit, meistens drei. Und sehr oft wußte ich nicht, was da auf mich zukam. Glückliche Zeiten, die lange vorbei sind...
TRUE ROMANCE habe ich bei so einer Gelegenheit gesehen. Das Centerpiece dreier heißer Jahre: 1992 RESERVOIR DOGS, 1993 TRUE ROMANCE, 1994 PULP FICTION. Damals allerdings, wußte ich noch nicht so recht wer denn dieser Tarantino ist, auch nicht, wer Tony Scott ist - trotz TOP GUN. Außerdem vermute ich, meine Schwester stand auf Christian Slater.
Das Filmerlebnis damals war eines der schönsten: ich war total geflasht von dieser romantischen Ausreißer- und Liebesgeschichte, die sich da behaupten muß. Und von Gary Oldmans exzessiven Spiel war ich begeistert - haha, da kannte ich auch IM VORHOF DER HÖLLE (1990) noch nicht. Die Romanze hatte mein Herz erobert und war voll aufgegangen.
Heute sieht das alles etwas anders aus: Älter geworden, etwas mehr gesehen, resistenter gegen Verführungsangebote, die einen so anspringen. Jedoch: es hat wieder funktioniert; aber ein wenig auf anderen Ebenen.
Zunächst: Überhaupt ein wahnsinnig hochkarätiger Cast: Hopper, Walken, Pitt, Kilmer, Jackson, Gandolfini usw. Slater und Arquette passen super zusammen, da ist Magie und Feuer im Blick, Verführung und ja, die ultimative Romanze, wie wir sie uns wünschen - sie funktioniert immer noch: der schüchterne Film- und Comic-Nerd wird von der heißen Braut aus seiner Isolation geholt, die auch noch mit seinen Leidenschaften was anfangen kann. Davon träumt ein jeder Inmich.
Auch die ganzen "coolen" Szenen haben mich wieder gefangen genommen: der Kinobesuch, die Mafia-Szene mit Hopper, die Schlägerei mit Oldman in der Unterhose, usw...
Jedoch: der Einfluß Quentin Tarantinos (Drehbuch) ist so überdeutlich, daß mir dieser Film viel mehr als dessen Film erscheint, denn der eines Regisseurs von DOMINO und DÉjÀ VU. Wir sind hier völlig im tarantinoesken Universum aufgesogen: Popkulturreferenzen en masse, Comicladen, Asienkino, STREET FIGHTER-Filme mit Sonny Chiba (den er in KILL BILL VOL. 1 besetzen wird) inklusive deren Einblendung, Episodenstruktur, die comichaft starke Überzeichnung der Szenen und Personen, die Soziolekte der Randgruppen (etwa das Argot der Mafia), schnelle Dialoge, die Inszenierung der Autos, die Struktur des gesamten Films, die sich als Genremischung aus Liebesgeschichte, Roadmovie, Slacker-Film, Gangster-Movie, Film-Noir Erzählung, Caper-Movie, usw. usf. darbietet. Eine gelungene Kooperation ist dieser Film zumindest!
Eines ist auch heute noch klar: wenn du mit deiner Liebsten auf die Straße trittst, dann gelangst du in eine Welt, die völlig irre geworden ist. Man nimmt sich an der Hand, steigt in den Wagen, und haut besser ganz schnell ab...
#433
Geschrieben 31. Mai 2009, 19:19
In einer fernen Zukunft hat die Menschheit eine gesellschaftlich hybride Megalopolis auf dem Mars erschaffen. Der Terrorist Vincent versucht mit Hilfe eines Krankheiterregers die Menschheit auszurotten. Ein Grüppchen Kopfgeldjäger um den Helden Spike macht sich daran, ihn zu fangen um die Belohnung zu kassieren.
Ein utopischer Anime als Großstadtwestern, so vielleicht eine Kurzcharakterisierung. Ich mußte natürlich auch an EIN TRIO MIT VIER FÄUSTEN denken, das Team hier aufgepeppt mit einer großbusigen, schnellfeuernden Schönheit. Der Film bietet liebevolle Charakterzeichnungen und Actionsequenzen, dazu ein funkiger Score: sehr toll das alles. Im Vergleich aber zu dem was heute graphisch möglich ist, etwa bei TEKKONKINKREET, etwas passé, aber das stört ja nicht.
Im Anschluß an meine Diskussion mit dem Außenseiter war mir der Westernkontext verstärkt aufgefallen, hier in einer zeitlichen Grätsche von hunderten Jahren mit gebrochenen Helden, die Gutes nur um des Geldes willen tun. Die Opposition Gut-Böse hat sich in COWBOY (!) aufgelöst, jedoch nicht die klassische konfrontative Standardsituation per se: das Duell, Mann gegen Mann. Im Film gibt es also mehrere solcher Szenen. Die Verweise und komplexen Schichtungen der Bedeutungsebenen des Films kulminieren immer wieder in prächtigen Szenen, etwa wenn einer der Bösen beim Videospiel gefasst wird, und die Heldin ihn in die Realität zurückholen muß, indem sie ihm den Bildschirm zerschießt.
In einer weiteren Szene sitzt einer des Teams mit einem Polizisten im Auto und tauscht Informationen aus. Man hat sich in einem Drive-In Kino getroffen, es läuft, tadaaa, ein klassischer Western.
Hier ein Screenshot der Duellszene (inkl. Kratzer und Verschmutzungen des Filmmaterials), im Vordergrund unscharf der Kaffeebecher auf der Armatur des Wagens:
Nachdem der Böse erschossen wurde und zu Boden stürzte, gibt es einen Schnitt, die Kameraposition ist jetzt auf dem Rücksitz des Wagens, da sehen wir den lonesome cowboy in den Sonnenuntergang reiten. Eine Vorausdeutung?
Bearbeitet von Bastro, 31. Mai 2009, 19:21.
#434
Geschrieben 02. Juni 2009, 07:59
Der 9 Jahre alte Cheung wächst in der Gegend um die Portland Street im Hongkonger Stadtteil Mongkok auf: Arbeiterklasse, Armut, extreme Enge, Triaden. Das sind die lebensweltlichen Koordinaten. Als Deliveryboy hilft er seinem Vater im Schnellrestaurant aus und verkuckt sich ein wenig - wenn man das so nennen kann in diesem Alter - in seine Nachbarin Fan, Tochter illegaler Einwanderer aus den Philippinen. Sein Vater muß sich zudem gegen die Schutzgelderpressungen der lokalen Gang erwehren, und die Tage der Großmutter gehen dem Ende zu.
Der nicht im herkömmlichen Sinne existierende Plot handelt lose von diesen Erzählfäden, die immer wieder aufgenommen werden und doch auch alle zugleich stets präsent sind. Als Erzählerin dient eben jene Fan, die wie in einem Rückblick über Little Cheungs Kindheitsjahre, und so auch über die eigenen, erzählt. Dies kontrastiert stark mit Chans bekannnten stilistischen Mitteln des Authentischen: Handkamera, keine Ausleuchtung, dichte, vollgestopfte Bilder der Enge, lange Einstellungen, ein aus dem Bild gleiten lassen der Personen bei hektischen Situationen (die Kamera kommt nicht mehr hinterher), (zu) schnelle Dialoge in verschiedenen Sprachen, allerminimalster und nur sehr sporadischer extradiegetischer Musikeinsatz, eine Handlungsführung ohne scheinbares Ziel. Dass Chan auch das Drehbuch geschrieben und geschnitten hat, muß man kaum mehr erwähnen.
LITTLE CHEUNG gehört zu Fruit Chans HK-Trilogie (MADE IN HONGKONG, THE LONGEST SUMMER), die sich mit den Ereignissen der Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik China beschäftigt und dabei große einschneidende politische Ereignisse in der Realität der kleinen Leute wiederspiegelt. Zudem dient LC als Vorläufer zu DURIAN DURIAN (2000), die Grenzen sind also auch hier fließend. Brillantes Kino.
Bearbeitet von Bastro, 02. Juni 2009, 08:39.
#435
Geschrieben 05. Juni 2009, 07:35
Die Suche nach dem schönsten Moment im Leben wird bei Kore-eda zunächst in einen sehr konstruierten Plot gepreßt, der reichlich Platz für Kitsch und Pathos geboten hätte. Das wird glücklicherweise durch die nüchterne Realisation eines quasi-dokumentarischen Stils vermieden, der in seiner zurückhaltenden Art den "Banalitäten" des Alltags ihren Platz einräumt. Es ist nicht die "große Liebe", die wir als Erinnerung mit ins Jenseits nehmen, sondern der sommerlichen Luftzug in einem Bus auf dem Weg zur Schule. Auch das nüchterne Ambiente des beinah verkommenen Gebäudes, in dem die Toten untergbracht sind, entbehrt jeder Verklärung und ätherischer Magie. Sehr schöner Film mit einer Pointe am Ende, die es nicht gebraucht hätte.
#436
Geschrieben 07. Juni 2009, 07:19
Als Shuns Bruder beim Fange-Spielen und durch-die-Gassen-Rennen plötzlich verschwindet bricht der Ernst in den Film ein. Außerdem will das bevorstehende Basara-Fest organisiert werden, in dessen Komitee Shuns Vater den Vorsitz inne hat. Die hübsche Nachbarstochter hat es auf Shun abgesehen und versucht diesen aus seiner Schüchternheit herauszulocken.
Soweit die nüchternen Fakten. Gefilmt wir dieser Alltag in Nara mit extrem langen Einstellungen. Die Vermeidung des Schnitts ist Stilmittel der Autorin Kawase: minutenlang begleitet die Kamera die Protagonisten oder fängt auch mal klassisch anmutende japanische Petitessen ein - eine schöne Blume am Wegesrand, schwenken wir mal hin! Das Fehlen von Filmmusik und Beleuchtung ist obligatorisch, und am Ende sehen wir die Regisseurin selbst in der Rolle der Hochschwangeren, die ein Kind zur Welt bringen wird. So vermengen sich dokumentarisch anmutende Aufnahmen mit einem extrem künstlichen, besser: künstlerischen Stil, der uns scheinbar "ungefiltert" am Leben der Personen Teil haben läßt und zugleich sein ästhetisches Programm, das sicherlich manche als zäh und langweilig bezeichnen würden, immerzu deutlich formuliert. Prägendstes Mittel ist sicherlich die lange Einstellung, die uns nicht aus der Filmwelt erlöst in eine Unterhaltung hinein: eine 7minütige, repetetive Tanzszene wird so ein rauschendes, beinah magisches Filmerlebnis, da man sich als Teilhabender wähnt. Ebenso die Annäherungsszenen der Nachbarstochter: schüchtern sitzen die beiden minutenlang nebeneinander, bevor sich einer getraut, was zu sagen oder gar zu machen! Wenn dann etwas passiert, das ist klar, haut einen auch die Kleinigkeit um wie ein Ereignis.
#437
Geschrieben 10. Juni 2009, 08:15
Grauenhaftester Film seit langem; das einzig Gute ist am Ende die Frage, die wie ein großes Fragezeichen über dem Kopf des Zuschauers aufleuchtet, warum man sich Filme anschaut - also: überhaupt.
Der sehr "traditionsbewußte" Unterton des Films rückt dabei alles noch ins moralische rechte Licht. Das alles erträgt man nur wegen der Kämpfe. Die sind furios, brutal, neu. Unerträglich. Die Anlage der Kämpfe allerdings ist dabei schon wieder so alt wie der kaputte Hut von meim Vadder. Der Film hat außer Tony Jaas Kampfkünsten nichts zu bieten. CHOCOLATE ist der klar bessere Film.
#438
Geschrieben 11. Juni 2009, 14:48
Leider konnte sich der Regisseur nicht entscheiden, ob er nun ein Homosexuellendrama oder einen Horrorfilm (nach Lovecraft) drehen wollte. Dummerweise funktioniert die Mixtur überhaupt nicht, und wenn der Film dann in der zweiten Hälfte in ein apokalyptisches Weltuntergangsszenario kippt, kommt man schon längst nicht mehr aus dem Kopfschütteln raus. Selbst das minimal offene Ende bringt da wenig Sympathiepunkte, wie auch die partielle Verwendung des The Sea and the Bells-Albums einer meiner Lieblingsbands, den Rachel's, als Soundtrack.
#439
Geschrieben 12. Juni 2009, 20:53
Der Erzähler kündet von einer Geschichte von Unterdrückung, Wahnsinn und Mord: denn einst sei das Wandeln unter blühenden Kirschbäumen keine frühlingshafte Erquickung gewesen, sondern ein gefährliches Unterfangen, das die Dämonen wachrufe und den Flanierenden in den Wahnsinn treibe. Als ein Mörder und Dieb (Tomisabura Wakayama) einen vorüberziehenden Edelmann überfällt und meuchelt, ist er von der Schönheit der Ehefrau so in den Bann gezogen, daß er sie mit in sein Haus im Wald führt, und ihr unter ihrem autoritärem Regime völlig verfällt. Zuerst einmal bringt sie ihn dazu, seine neun Ehefrauen abzuschlachten. Aber das ist erst der Anfang...
Shinoda, einer der Autorenfilmer der japanischen Nouvelle Vague, erzählt seine grausame Geschichte in wunderbaren Bildern, welche in ihrer Schönheit in groteskem Gegensatz zur Irren- und Geistergeschichte stehen. Dass die entführte Schöne bald die Herrin markiert und mit immer debileren Einfällen ihren Gatten in den Untergang treibt, erinnert ein wenig an UGETSU MONOGATARI, um dann in ein fulminantes, beinah surreales Ende zu münden. Die fantastische Filmmusik von Toru Takemitsu darf nicht unterschlagen werden.
Bearbeitet von Bastro, 12. Juni 2009, 20:55.
#440
Geschrieben 14. Juni 2009, 12:56
Erwartet hatte ich einen kleinen harten Kracher, gesehen habe ich einen wunderbar photographierten und jetzt in der Langfassung inhaltlich komplexen, spannenden Film über Menschen am Rande der Gesellschaft. Tomas Milian als Gegenpart zum steifen Lee Van Cleef - der ein Gesetz der Gesellschaft verteidigt, die eben dieses mit Füßen tritt - heimst mit seinem verrückten, quicklebendigen Spiel als der mexikanische Gauner Chuchillo die Sympathiepunkte ein, ohne dabei die gesellschaftskritisch angelegten Aspekte seiner Filmfigur zu vernachlässigen; beeindruckende Männer und dazu ein toller Score von Morricone: der Schluß ist tränenergreifend.
#441
Geschrieben 16. Juni 2009, 11:44
Der 12jährige Iwan riskiert sein Leben als Späher an der russisch-deutschen Front; nachts gilt es unbemerkt den Fluss zu überqueren um feindliche Positionen ausfindig zu machen. Nach einer solchen Aktion gelangt er nur halbtot zu seiner Einheit zurück.
Tarkowskij eröffnet den Film mit einer Erinnerung an die glückliche Kindheit des Jungen: die Wälder, Wiesen, das Meer, seine Mutter und das Mädchen. Als sich dissonante Töne im Score häufen, verzerrt sich das Bild in einen Fiebertraum des kaum überlebenden Iwan. Tarkowskij erzählt die Geschichte des Jungen durch Rückblicke und Träume, die nicht selten surrealistische Züge annehmen, während sich zugleich die Filmhandlung auf einen bevorstehenden Angriff zuspitzt. Fantastische, aber auch immer bedeutungsgeladene Bildkompositionen und Szenenarrangements lassen einen mehr als eindringlichen Blick auf diese Biographie zu. Ein er- und bedrückender Film, der verstört, schockiert und zudem noch spannend ist. Ich bin wirklich begeistert.
#442
Geschrieben 19. Juni 2009, 08:10
Der etwa dreistündige Film führt in einer episodisch und thematisch gegliederten Darstellung das Leben des russischen Ikonenmalers Rubljow (1360-1430) vor. Es entsteht der Eindruck eines Bilderbogens des russischen Mttelalters, das sich vor allem durch Herrschaft und Unterdrückung, Glaubenskämpfe, Armut, Kälte und Entbehrung auszeichent. Besonders eindrücklich ist die Episode mit dem Einfall der Tartaren in eine Stadt, die recht detailgenau den grausamen Beuteraub portraitiert.
Erschwert wird die Rezeption jenseits der Filmlänge von der Tatsache, dass Rubljow nicht in jeder Episode im Zentrum steht, sondern oft nur als Beobachter am Rande, sodaß man es mit einer Vielzahl an unterschiedlichen, aber wiederkehrenden Figuren zu tun hat. Auch das bedeutungsschwangere, religiöse Fundament, da letztlich Rubljow durch die miterlebten Tragödien in der Standhaftigkeit seines Glaubens geprüft wird, schichtet Bedeutung oben auf. Man denkt direkt an Hiob.
Wie schon in IWANS KINDHEIT ist auch in diesem Film die beeindruckende Kamera hervorzuheben, sowie die wirkmächtigen Bildkompositionen. Mein nüchterner Schreibstil verweist allerdings darauf, dass mich dieser tolle Film überfordert hat, und ich ihn eigentlich noch überhaupt nicht richtig einzuschätzen vermag.
#443
Geschrieben 24. Juni 2009, 08:16
Der Psychologe uns Solarist Kris Kelvin wird auf eine Raumstation nahe des Planeten Solaris beordert, um die dort mysteriösen Vorgänge aufzuklären. Dort angekommen ist die Besatzung fast vollständig ausgelöscht. Die beiden verbleibenden Wissenschaftler hausen auf dem verwahrlosten Schiff und setzen manisch ihre Forschung fort und scheinen doch bereits mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Die Atmosphäre des Planeten Solaris hat eine seltsame Oberflächenstruktur mit der Fähigkeit zur Materialisierung von Gedanken. De Facto bedeutet das, daß die Erinnerungen der Menschen der Station konkret Gestalt annehmen in Form von lebendigen Lebewesen. So kehrt zu Kelvin seine verstorbene Ehefrau Hari zurück - ein Ereignis, das seine Mission zum Scheitern bringt.
SOLARIS ist ein hartes Brot. Einerseits lockt eine verführerisch interessante Story und wundervolle Kameraaufnahmen; man denke beispielsweise nur mal an den poetischen Anfang! Andererseits ist da die Spielfilmlänge von knapp drei Stunden. Und man muß sagen: von drei ruhigen Stunden. Und obwohl doch sehr viel "passiert" im klassischen Sinne, liegt doch ein meditativer Ton über allem. So mancher wird da einfach irgendwann aussteigen. Dazu gesellt sich eine permanent vorhandene allegorische und metaphorische Schwermütigkeit, die zur ständigen Interpretation aufruft; nicht zuletzt in den Diskussionen der Wissenschaftlern - denn auch die Bilder sind oftmals sehr bedeutungsschwanger aufgeladen.
Polaris habe ich letztlich mehr als bebildertes Thesenkino wahrgenommen, denn als Spielfilm. Dafür spricht neben den o. g. Punkten auch ein Hang zur Auflösung von klarlogischen Erzählstrukturen - viele Ereignisse finden einfach statt, ohne dass sie erklärt würden; oft wird einfach hart von einer Szene zur nächsten geschnitten, so entfällt beispielsweise komplett die Rückreise Kelvins (man weiß eigentlich nicht, wie er wieder auf die "Erde" kommt"); oder eine merkwürdige Auflösung von Ort und Zeit; befindet man sich noch in der/unserer "Realität", in der Erinnerung/Vorstellung Kelvins oder einem undefinierten Schwebezustand?; usw usf. Daß Tarkowskij einen Roman Lems verfilmt ist da ein relatives Argument, scheint er sich doch große Freiheiten genommen zu haben.
Aber auch an einen anderen Roman erinnert dieser Film: an Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, in dem der Erzähler über das exzessive Erinnern der eigenen Vergangenheit sein Selbst / sein Ich wieder zu finden sucht (was de facto ein episches Wiederauferstehen des Erinnerten für den Leser bedeutet), das er verloren gegangen glaubt. Was sich bei Proust allerdings gargantuesk zu einem Gesellschaftsportrait der Haute-Volée des Fin de Siècle auswächst, ist bei Tarkowskij ein mysteriöses Einsinken in die Person und Gedankenwelt Kelvins, der sich als kaum greifbarer Möglichkeitsraum zu Fragen nach Identität - wer bin ich/was läßt mich zu mir werden?- und Gesellschaft - wer sind wir? - weitet.
Bearbeitet von Bastro, 24. Juni 2009, 08:21.
#444
Geschrieben 25. Juni 2009, 07:35
Hier bekommt man einen recht debilen C - Italowestern geboten, in dem sich zwei Banden von Gesetzlosen gegenseitig die Beute streitig machen. Höhepunkt ist klar das bei Shakespeares Macbeth geklaute Motiv des sich bewegenden Waldes, welches hier so umgesetzt wurde, daß sich die heranschleichenden Banditen hinter dürren tragbaren Ästchen dem Gehöft nähern. Immer drei nebeneinander über ein ansonsten völlig braches Matschfeld. Alles natürlich völlig ironiefrei und bitterernst. Kinskis Auftritt als Prediger ist eine reine Alibirolle, die mit dem Filmhergang nicht das geringste zu tun hat. Allerdings sieht er gut aus mit seinem blonden Haar und kaut auf einem Apfel rum, wie man es von einem Psychopathen erwartet.
#445
Geschrieben 27. Juni 2009, 13:49
Todd Anderson ist Callcenter-Manager einer Firma von amerikanischen Kitschprodukten. Doch er hat nix zu lachen: da wird von einem auf den andren Tag seine komplette Abteilung nach Indien outgesourced. Da bleibt ihm keine große Wahl: entweder Arbeitslosigkeit oder als Management-Trainer der neuen Abteilung nach Bombay. Todd ist sich nicht bewußt, auf was für einen Job er sich da eingelassen hat...
Sehr lustige culture-clash Komödie, die allzu dämliche Witze und Vorhersehbarkeiten meidet, und recht frisch daherkommt. Der Zuschauer lernt sozusagen mit Todd, den alle dank Akzents "Mr. Toad" nennen, das fremde Land kennen. Als sich die hübsche Asha auch noch durch besondere Leistungen hervortut und Todds Akklimatisation an die fremde Kultur zu fruchten beginnt, sollte einer Liebesbeziehung nichts mehr im Wege stehen. Aber das ist in einem Land der arrangierten Ehen nicht so einfach. Ein mitreißender Soundtrack tut das übrige um aus dieser Komödie mit ernsten Untertönen einen sehenswerten Film zu machen.
#446
Geschrieben 28. Juni 2009, 17:24
Abgesehen von dem etwas langweiligen Einstieg bin ich doch in der zweiten Hälfte ordentlich grotesk unterhalten worden. Da gibt es schöne Verfolgungsjagden durch irrgartige Gemäuer, Nebel en masse, Schatten, Folterwerkzeug und Gekreisch. Elke Sommer ist nicht Barbara Steele, aber immerhin! Ich finde, sie macht ihre Sache ziemlich gut. Der angefaulte Wiederauferstandene ist zwar ein wenig lächerlich, aber schöne Momente mit Fritz dem Hausmeister oder dem ehemaligen Schloßherren Darmstadt, Düsseldorf, Dortmundt oder so entschädigen (die italienische Sprachversion schien mir am erträglichsten). Die Hexenbeschwörung ist natürlich großartig, wie eine ganze Reihe atmosphärischer Bilder, insbesondere die im turmartigen Studierzimmer des ehemaligen Barons. Sicher ist der Blutbaron kein weltbewegendes Meisterwerk, aber doch sehr ansehnlich.
#447
Geschrieben 29. Juni 2009, 07:01
Fünf Jahre nach einer Vergewaltigung in ihrem Heimatdorf wird die mittlerweile in Tokyo lebende Protagonistin von den einstigen Peinigern erneut heimgesucht.
Wieviel kann ein Mensch ertragen?, scheint Ishii hier zu fragen. Die besondere Leistung besteht sicher darin, daß er aus einem Rape- & Revengemovie, deren es unzählige in der japanischen Filmhistorie gibt, einen behutsamen und beinah "leisen" Film zu machen versteht. Verstörend ist dabei nicht nur das ausgezeichnete, feinstziselierte Spiel der Harumi Inoue zwischen Erinnerung, Verzweiflung, Wut und Aufbegehren, sondern auch die Gestaltung der Peiniger, dreier extrem gewalttätiger Individuen mit ihren Ticks und Abgünden. Die mehrfach wiederholte, enorm zynische Prämisse, mal wieder ihre "alte Freundin Chihiro in Tokyo zu besuchen" gibt davon Zeugnis. Ein aufwühlender und faszinierender Film, der allzu einfache schwarz/weiß-Zeichnungen vermeidet und in seiner Komplexität umso stärker wirkt. Mit Exploitationkino hat das überhaupt nichts zu tun.
#448
Geschrieben 02. Juli 2009, 07:08
Das ist ja immer so eine Sache mit der Fremde: man fährt in den Urlaub und das x-Sterne-Hotel entpuppt sich als Bruchbude, die Flughafennähe stellt sich als Nachbarschaft zur Landebahn dar und das Exotische ist von schwarzen Männern gemacht. Heute dreht man dann Filme wie HOSTEL, wenn es besonders schlimm war, früher hatte man noch etwas mehr Style und machte zwischen paar Joints halluzinatorische Filmtrips à la LISA UND DER TEUFEL. Dass man auf die Handlung bedenkenlos verzichten kann ist allerdings ein Trugschluß. Da außerdem Telly Savalas zu wenig Screentime hat und Elke Sommer zwar mehr, hier aber permanent wie ein zerrupftes Hühnchen herumrennt, kann der Cast den Schlamassel auch nicht mehr retten - die paar Brustszenen haben mir nicht gerreicht! Da bietet der irre Sohn Maximilian noch mehr für's Auge; zumindest schwitzt er ordentlich, man sieht: er strengt sich an. Aber andrerseits gab es dann doch die bavaesken Arrangements, Blicke und Beleuchtungen, sodaß man den Film mit etwas Goodwill doch ganz gut überstehen kann; etwas, das man von HOSTEL nicht unbedingt sagen möchte.
Bearbeitet von Bastro, 02. Juli 2009, 08:13.
#449
Geschrieben 03. Juli 2009, 07:58
[The Girls Rebel Force of Competitive Swimmers / Attack Girls' Swim Team Versus the Undead]
Nach einer Impfung beim Schularzt bricht an einer japanischen Mädchenschule ein Zombievirus aus. Nur die Mitglieder des Schwimmteams scheinen resistent zu sein und kämpfen bald um ihr Leben...
Kreisch! Ein wunderbarer Video-Trash-Film voll erlesener Splatterszenen und Softporno-Erotik, der auch in handwerklicher Hinsicht ziemlich überzeugt. Sicher, die große Vision hat noch gefehlt, aber variierende Schnittrhythmen und ein äußerst abwechslungsreicher Soundtrack lassen keine Langeweile aufkommen. Die Überdrehtheit erfährt gegen Ende einen miikeschen Höhepunkt, wenn aus Twist und Gegentwist des Doppelgängermotivs und einer alptraumhaften Gewalteruption aus dem Leben der Sexsklavinnen das Finale in Szene gesetzt wird. Die Blutdusche der inmitten von Leichenteilen nackt am Boden liegenden Protagonistin ist ein wunderbar eindrückliches Bild. Jetzt aber ab in den Pool, Schatz!
#450
Geschrieben 04. Juli 2009, 09:16
Dieser frühere Bava ist ein zunächst scheinbar klassischer Gothic-Horror, bis sich dann doch die bizarren Spezereien häufen. Die in der ehemaligen deutschen Fassung herausgeschnittenen Auspeitschungen der Daliah Lavi sind da beispielsweise zu nennen, die ein charmanter und sinistrer Christopher Lee durchführt. Heftiges Stöhnen ist ja weithin interpretierbar. Als der Unhold seine "gerechte" Strafe erhält und mit dem Dolch der ehemals Misshandelten ins Jenseits geschickt wird, kehrt er als Wiedergänger zurück, und spätestens hier haben wir dann endgültig klassisch-britisches Bonté- und Austen-Territorium verlassen und befinden uns deutlich näher an den Gewaltwelten mitsamt Satanspakten eines Matthew Lewis.
Ansonsten muß man erneut die famosen Bilder hervorheben, die kräftige Farbdramaturgie betonen und spannende Kamerawinkel attestieren. Die visuellen Qualitäten sind es einmal mehr, die mich den Film gut finden lassen, da doch auch in diesem so manch dröger Moment überbrückt werden will.
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