Bastro sagte am 27.05.2009, 18:07:
Grundsätzlich bin ich gerne bereit, einem Film sehr weit zu folgen; und irgendwelche "harten" Ansprüche an "realistische" Handlung sind für mich i.d.R. kein ("Qualitäts"-)Kriterium. In diesem Film geschehen aber viele lustige Dinge, bei denen man den Eindruck hat (!), sie geschähen eben so, weil eben nicht mehr Zeit ist, sorgfältig zu sein. Das beginnt damit, das Norris seine Scrambled Eggs einfach auf dem Küchentisch stehen läßt und das Licht in der Bude anläßt, weil der Einsatz ruft. Klar, anderes ist wichtiger - aber dennoch. Oder die ständige Verfügbarkeit von Gefährten (zu Land, Wasser und in der Luft), von Waffen (wo kommen plötzlich die beiden Panzerfäuste her, mit denen die beiden Helden in Cowboy-Pose die heranfahrenden Schurken in die Luft jagen); weshalb sprengt man zuerst einen Jeep mit einer (1) Person in die Luft, wenn dahinter ein LKW voller Feinde (20 Personen) daher fährt und man es sich aussuchen kann; weshalb trifft Norris alles punktgenau, selbst mit seinem rückseitigen Raketenwerfer; weshalb wissen die drei Delta-Teams so genau Bescheid wo sie hin müssen in dieser verwinkelten Metropole Beirut, usw usf. - ich finde so etwas nicht schlecht, sondern schaue es mir amüsiert an.
Wie du das bewertest, kannst du mir ja mitteilen.
OK, das sind für mich alles mehr Aspekte, die mit Unwahrscheinlichkeit, denn mit Unlogik zu tun haben. Das plötzliche Verlassen seiner Farm ist natürlich einem Dynamisierungseffekt geschuldet. Außerdem wissen wir auch nicht, wer sich da noch befindet. Die riesige Stallung im Hintergrund wird bestimmt nicht von ihm allein bewirtschaftet und da kann er seinem Pedro ja noch gesagt haben, dass er bitte das Licht im Stall ausmachen soll. Die Verfügbarkeit von militärischem Gerät aller Art (sie landen mit einem Schiff am Strand von Beirut, das mit Waffen bestückt ist, die Panzerfäuste stammen also entweder daher, oder sie haben sie den Palästinensern abgenommen, da diese reichhaltig mit den Panzerfäusten um sich ballern und wir sogar sehen, wie Norris/McCoy einem Palästinenser die Panzerfaust abnimmt) entspricht gut der Anbindung der DELTA FORCE an alle militärischen Organisationen (Heer, Marine etc.), da diese mobile Eingreiftruppe offiziell gar nicht existiert, aber aus jedem Bereich mitgewirkt werden kann (wobei sie wohl vorrangig der Army entstammt). Das McCoy erst auf den Jeep mit einer Person schießt ist für mich mehr eine personalisierte Hassreaktion, um sich erst mal Luft zu machen. In solch einer Extremsituation, zumindest kann man das Actionkino generell so interpretieren, stehen strategische Überlegungen von besseren Zielen wohl erst mal hinten an. Das McCoy alles trifft und die Schurken nicht ist das Element des griechischen Heros, das fester Bestandteil durch die Heroisierung im Kino vom Western an ist (der Held trifft immer, weil er besser ist, der Schurke muss zu unlauteren Methoden greifen etc.). Für mich also keine Unlogik, sondern schlicht: Kunst!
Bastro sagte am 27.05.2009, 18:07:
Ich wollte die Selektions-Szene auch nicht prinzipiell abgewertet wissen, ebenso wie die Befreiungs-Szene, sondern auf deren besondere Qualität hinweisen. Ein äußerst interessante geschichtliche Parallele, die aber m. E. in der Spiegelung in einem Actionfilm mit amerikanischen Superhelden in einem ästhetischen Mißverhältnis zur zweiten Filmhälfte steht.
Der Versuch einer komplexeren Figurenzeichnung (der Terrorist und Entführer, der der Schwangeren dann schließlich doch noch ein Kissen gibt und sich hinliegen läßt) scheint mir ebenfalls unbeholfen.
Die Tötung des Tauchers, insbesondere das Erschießen und Hinauswerfen aus dem bereits rollenden Flugzeug habe ich auch im Film als enorm harte Szene empfunden; vielleicht, da sie gerade den superlativistischen Explosionensexzessen entgegen steht.
Das ist die eigentliche Widersprüchlichkeit des ganzen Genres, auf die Funk und ich auch immer wieder in unserem Blog hinweisen. An DELTA FORCE lässt sich die so grandios exemplifizieren, weil er mit seiner Länge von 2 Stunden in genau 2 Hälften zu zerfallen scheint. Die perfekte Wiedergabe, wenn archaisch gesteuerte Vorstellungen von Gerechtigkeit (ein Antrieb unserer Gene) auf ein komplexes System aus Politik und Gesellschaft trifft (die von Menschen geschaffene Kultur). Deswegen ist die Zerstörung der einen Person im Jeep, die McCoy sehen kann, psychologisch auch glaubwürdiger als auf die 20 nicht-sehbaren und somit abstrakten Feinde dahinter zu ballern. Oder in einer Phrase: Mann gegen Mann!
Bastro sagte am 27.05.2009, 18:07:
Daß der Film auf wahren Begebenheiten beruht, macht ihn meiner Ansicht nach nicht "besser". Er kreiert ja einen eigenen stilistischen Kosmos, eine Atmosphäre. Dazu trägt auch die reißerische Filmmusik bei oder solche Bilder wie Norris auf dem Motorrad vor der aufgehenden Sonne im Gegenlicht. Das paßt (bzw. schien mir eben noch) nicht mit dem politisch brisanten Material, das der Film eben auch verhandelt, zu harmonieren.
Ich habe übrigens den Himmelhunde-Text zum Film absichtlich noch nicht gelesen um mich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen.
Wie oben schon erwähnt. Um eine Kategorie wie besser geht es hier natürlich nicht, sondern um eine dezidierte Analyse. Hier mal ein Link aus politischer Sicht zum Film:
http://www.kritische-stimme.de/Vermischtes...typennoweck.htm
Unser Text zum Film ist noch sehr dürftig. War ja unser erster.
Bastro sagte am 27.05.2009, 18:07:
Wie bewertest du denn persönlich die Verwendung historischer Fakten in diesem Film, oder generell in Filmen? Ich vermute mal, du wolltest (mir) auch sagen, daß Golan keinen frei erfundenen reaktionären Quatsch abliefern wollte.
Ja, aber darüber gehe ich sowieso hinaus. Wer einen Film, oder irgendein anderes Kunstwerk, abwertet, weil er darin reaktionären Quatsch sieht, der kommt über einen bestimmten Punkt nicht hinaus.
Zu Deiner Frage kann ich nur nochmal auf das weiter oben verweisen. Mein ganzes Theoriengeflecht dafür offen zu legen wäre mir jetzt zu viel. Natürlich ist es problematisch sich auf historisch-komplexe Fakten zu stützen und dem ganzen dann eine Aufräum-Ideologie entgegenzustellen. Ich persönlich finde das sehr wichtig, weil es genau den Zündstoff bietet, der die Kluft des Menschen an sich aufeinanderprallen lässt, nämlich das er dem Urschlamm entstammt, aber zu den Sternen greifen möchte. Aber wie gesagt, das führt zu weit.