Exkurs
Ryan Larkin/Chris Landreth
Als eine der Möglichkeiten, sich der, so wahrgenommenen, "Übermacht" des us-amerikanischen Erzählkinos zu widersetzten, förderte das staatliche, kanadische
National Film Borad/
Office national du film (NFB/ONF) ab den 1960er Jahren verstärkt den Dokumentar- und Animationsfilm. Die Folge ist eine langjährige Tradition in der Produktion dieser Filmgattungen mit zum Teil herausragenden Werken. Teil der Blütezeit der kanadischen Animationsfilmproduktion ist
Ryan Larkin.
Sein Debut als Animator ist der Kurzfilm
Syrinx
CAN | 1965 | Ryan Larkin
Der 3-minüter beruht auf dem gleichnahmigen Flötensolo des Impressionisten Claude Debussy und erzählt ein Teil der Pan-Mythologie.
(+) wunderbar gezeichnete, atmospärisch sehr dichte Fantasylandschaft; die Interpretation des Musikstücks in Bildern gelingt eindrucksvoll
En marchant/Walking
CAN | 1969 | Rayn Larkin
(+) Walking ist eine Bewegungsstudie, die mit unterschiedlichen Techniken und Materialen arbeit; ohne die Hilfe der Rotoskopie, zeichnete Larkin menschliche Bewegungsabläufe so präzise, als seien sie gefilmt; Walking zeigt eindruvcksvoll auch das herausragende technische Können Larkins
Street Musique
CAN | 1972 | Ryan Larkin
Street Musique kombiniert Realfilm mit Animationsfilm; psychedelische Farben und Symbole; Form- und Farbspielereien
Der Animator
Chris Landreth stammt ebenfalls aus der vom NBF geförderten Szene, obgleich er sich ausschließlich auf Computer-Animationen spezialisiert hat.
The End
CAN | 1995 | Chris Landreth
The End nimmt die fragmentierte Personenanimation von
Ryan vorweg. Laut Aussage von Landreth entstand der Film als Versuch, sich in die neuste Software einzuarbeiten.
(+) perfekte Animation von Gesichtern und Körpern inkl. Falten, Haare u.ä.; Frage nach filmischer "Wirklichkeit" durch eine Animation-in-der-Animations-Story;
Bingo
CAN | 1998 | Chris Landreth
Ein weiteren Baustein auf dem Weg zu
Ryan. Landreth versucht sich an einem "psycholocical realism", also der Animation von inneren Zuständen, die sich auf den Körper auswirken. In
Bingo wird ein junger Mann so lange indoktiniert, er sei Bingo der Clown, bis er schließlich seinen Widerstand aufgibt und die Identität bejaht.
(+) irritierende Geschichte; perfekte Animationstechnik
Ryan
CAN | 2004 | Chris Landreth
Der erfolgreiche Kurzfilm lief auf unzähligen Festivals und bekam dort eine Reihe von Preisen.
(+) großartige Hommage an Ryan Larkin mit einer einzigartigen Ästhetik; die Idee einer "animated documentary";
Der Entstehungsprozess von
Ryan wird in dem sehenswerten Dokumentarfilm
Alter Egos
CAN | 2004 | Laurence Greene
reflektiert und ist eine behutsame annäherung an die Animationstechnik und an die Leidenschaft des künstlerischen Schaffens.
(+) traurige Geschichte des Scheiterns eines begadeten Künstlers; auch ein Film über Abhängigkeit und ihre Verleugnung; die bewegendste Szene ist der Moment, als Ryan Larkin den Film
Ryan zum ersten Mal zu sehen bekommt: diese Sprachlosigkeit angesichts der Visualiserung seines seelischen resp. körperlichen Zustands ist beklemmend
Alle die hier besprochenen Filme sind auf der Special Edition von
Ryan zu finden, die vom NBF herausgegeben wurde.