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Cinéma Quebécois - Filmforen.de - Seite 4

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Cinéma Quebécois


261 Antworten in diesem Thema

#91 Praxisphilosoph

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Geschrieben 04. September 2008, 15:27

Aufrecht gehen, Rudi Dutschke - Spuren
BRD | 1988 | Helga Reidemeister

AUFRECHT GEHEN versucht sich an einem filmischen Portrait von einem der profiliertesten Wortführern der deutschen Studentenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren. Im klassischen Stil wechseln sich zeitgenössische Interviews mit historischen Bildern und Aufnahmen ab und es kommen zahlreiche Protagonisten jener Zeit zu Wort, darunter Erich Fried, Helmut Gollwitzer, Helke Sander, Klaus Wagenbach und Bernd Rabehl. Eine Stärke des Films liegt sicher in der Nachzeichnung des politischen und gesellschaftlichen Klimas und ermöglicht vor allem durch die Archivaufnahmen und die Interviews eine Auseinandersetzung mit dem damahligen „Zeitgeist“ und ihren ideologischen Gegnern. Auffällig ist jedoch die unkritische Distanzlosigkeit der Filmemacherin zum Gegenstand ihrer Arbeit. So fehlt völlig eine kritische Reflexion gerade der problematischen Aspekte von Rudi Dutschke oder auch Bernd Rabehl und ihren politischen Überzeugungen. Der Antisemitismus und Antizionismus jener Gruppen und die Bejahung des deutschen Nationalismuses gegen die vermeintlichen fremden Mächte durch die sich andeutende Ablehnung des Internationalismus werden beispielsweise überhaupt nicht thematisiert. So bleibt es ein zwiespältiger Film, der jedoch mit einer gewissen kritischen Distanz erhellende Einblicke in die politischen und gesellschaftlichen Kämpfe dieser Zeit liefern kann. Erschreckend, aber bezeichnend sind die Vox props, in denen sich die faschistische Vergangenheit der jungen BRD allzu deutlich widerspiegelt.

#92 Praxisphilosoph

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Geschrieben 05. September 2008, 13:41

Alexander
D/USA/NL/F | 2004 | Oliver Stone

Albernes „Männer-machen-Geschichte“-Epos mit pathetischem Geschwafel, ermüdenden Schlachtszenen, unangenehmen Ethno-Kitsch; dazu die Stonesche Holzhammer-Pseudo-Intellektualität und die wirklich aufdringlich klebrige Musik von Vangelis. ALEXANDER ist lediglich auf knapp drei Stunden ausgewalzte Leere.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 05. September 2008, 13:42.


#93 Praxisphilosoph

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Geschrieben 06. September 2008, 06:35

Die beiden folgenden Filme sind Bestandteil der DVD-Box „Parallelwelt: Film - Ein Einblick in die DEFA“, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung und wurden unter dem Thema „Kinder und Jugendliche“ subsumiert.


Sieben Sommersprossen
DDR | 1978 | Herrmann Zschoche

SIEBEN SOMMERSPROSSEN erzählt mit Poesie und Humor von den Problemen und Wünschen während der Adolszenz, vor allem aber von der Entdeckung der Liebe und Sexualität. Das Sommerlager und die dort herrschende Kontrolle und Ordnung fungiert dabei als Allegorie auf die gesellschaftliche Realität der DDR. Die Aufführung des Klassikers „Romeo und Julia“ spiegelt einerseits die aufkeimende, jedoch nicht unmögliche Liebe der Protagonisten und wird darüber hinaus zur Metapher für Kultur im Allgemeinen. Gegen Ende entwickelt der Film das Bild einer utopischen (sozialistischen?) Gesellschaft, in der die Strenge der dogmatischen Regeln und die soziale Rigorosität durch leidenschaftliche Liebe und Kultur beseitigt werden können. Erfrischend ist die ungezwungene und nicht prüde Inszenierung der erwachenden Sexualität der Jugendlichen.


Sabine Kleist, 7 Jahre
DDR | 1982 | Helmut Dziuba

Die siebenjährige Sabine lebt seit dem Unfalltod ihrer Eltern in einem Heim und hat ein inniges Verhältnis zu ihrer Erzieherin Edith. Als diese aufgrund ihrer Schwangerschaft den Arbeitsplatz für längere Zeit verlässt, flieht Sabine und treibt einsam und verlassen durch Ost-Berlin. Durch verschiedene Begegnungen mit anderen Menschen, Erwachsenen wie Kindern, beginnt sie ihren Hass auf das ungeborene Kind ihrer einzigen Bezugsperson zu hinterfragen und kehrt schließlich freiwillig ins Heim zurück. SABINE KLEIST, 7 JAHRE ist eine warmherzige und humorvolle, von dem fantastischen Schauspiel der kleinen Petra Lämmel getragene Tragikomödie, die sich behutsam und ehrlich dem schwierigen Thema Verlust, Trauer und Tod im Kindesalter nähert. Eine raue Perle des DEFA-Kinos.

#94 Praxisphilosoph

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Geschrieben 07. September 2008, 06:32

Ebenfalls aus der oben erwähnten Box sind die beiden folgenden Filme, die unter dem Titel „Frauen und Emanzipation zusammengefasst wurden.


Der Dritte
DDR | 1972 | Egon Günther

Eine junge Wissenschaftlerin und Mutter zweier unehelicher Kinder von verschiedenen Männern macht sich aktiv auf die Suche nach dem titelgebenden Dritten, um endlich die ersehnte Liebe und Zweisamkeit zu erleben. Dabei thematisiert der Film das gesellschaftliche Tabu der sexuell aktiven Frau und die Schwierigkeit einen geeigneten Lebenspartner zu finden. Die Frau in der DDR war zwar im Berufsleben weitestgehend gleichberechtigt und emanzipiert, in Liebesangelegenheiten sollte sie jedoch, so die gesellschaftliche Konvention zu jener Zeit, warten, bis sie von einem Mann beachtet und auserwählt wird. Trotz der Verwendung verschiedener Stilmittel wie beispielsweise das Aufgreifen der Ästhetik des „direct cinema“ in der Exposition oder die Einführung von Schrifttafeln zur Unterfütterung der Rückblenden erscheint DER DRITTE bieder und lustfeindlich inszeniert. Die Suche der Protagonistin führt schließlich zum Erfolg und der Film schließt mit einem zutiefst bürgerlichen Ende, das Liebe und Heirat gleichsetzt. Darüber hinaus erzählt der Film in einem Nebenstrang von der christlichen Sozialisation in der weitestgehend säkularisierten DDR.
Der damalige „Skandal“ entbrannte sich um eine kurze Szene, in der sich die Hauptfigur und ihre Freundin küssen, was die Zensoren auf den Plan rief, die darin eine Beleidigung der DDR-Frauen für gegeben hielten. Die Skandalschreier übersahen dabei in ihrem Eifer schlichtweg die reaktionäre, aber damals sicherlich politisch opportune Wendung, dass zwar eine gleichgeschlechtliche Liebe als Möglichkeit angedeutet, diese jedoch verworfen wird.


Die Beunruhigung
DDR | 1982 | Lothar Warneke

DIE BEUNRUHIGUNG ist ein sensibles, in grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern fotografiertes Drama über eine junge Frau, die mit einer Krebserkrankung und der notwendigen Brustamputation konfrontiert wird. Am Tag und in der Nacht vor der OP hinterfragt sie alle bisherigen Beziehungen auf ihre Sinnhaftigkeit und stellt sich ihrer Angst vor dem Tod. Trotz einiger kleiner Längen entwickelt der Film eine innere Spannung, die dramatischen Ereignisse werden durch humorvolle Szenen und sympathische Charaktere konterkariert. An Originalschauplätzen gedreht und die zum Teil mit Laienschauspielern entwickelten Dialoge improvisiert, versteht sich der Film in der Tradition des italienischen Neorealismus und lehnt sich zudem an die Arbeiten des polnischen Regisseurs Krzysztof Zanussi (Family Life/Illumination) an. Die größtenteils aus der Hand gedrehten Einstellungen erzeugen ein Gefühl der Authentizität und fungieren dabei auch als architektonische Studie über Ost-Berlin zu dieser Zeit. Sehenswert!

#95 Praxisphilosoph

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Geschrieben 08. September 2008, 16:01

Der dritte Teil meiner kleinen DEFA-Retrospektive trägt die Überschrift „Anfang und Ende“.


Die Mörder sind unter uns
D | 1946 | Wolfgang Staudte

Der mit seiner pazifistischen Grundhaltung sicher gut gemeinte, erste Nachkriegsfilm Deutschlands entpuppt sich als äußerst zwiespältige Angelegenheit. Wie heißt es doch so treffend in dem Kettcar-Song: gut gemeint ist nicht gut genug. DIE MÖRDER SIND UNTER UNS lässt noch deutlich eine NS-Ästhetik erkennen, die sich vor allem anhand der dramatisierenden Musik und den stereotypen Charakterzeichnungen ablesen lässt. Wie in den zahlreichen aktuellen (Fernseh)Filmen, die eine radikale Umdeutung der historischen Begebenheiten inszenieren, in dem das Gros der Deutschen zu Opfern stilisiert werden, steht auch in diesem frühen Film das eigene Leid, das Leid der Täter im Vordergrund. Ebenso wenig wird auf den obligatorischen Mythos des „guten Wehrmachtssoldaten“ verzichtet, der zunächst innerhalb des NS-Regimes opponierend schließlich als Metapher für das neue, demokratische, andere Deutschland fungiert. Der aus meiner Sicht völlig naive Pazifismus von Staudtes Film nivelliert die Ursachen und die Verantwortlichkeit für die konkreten historischen Begebenheiten und für Krieg im Allgemeinen. Die Buchenwalder Losung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ impliziert ja gerade auch die Auseinandersetzung mit strukturellen, ideologischen, politischen und ökonomischen Gründen, die DIE MÖRDER SIND UNTER UNS zu keiner Zeit einzulösen vermag.


Die Architekten
DDR | 1990 | Peter Kahane

Einer der letzten DEFA-Filme handelt von einer Gruppe von Architekten unter Leitung eines hochbegabten jungen Mannes, die beauftragt werden, einen ganzen Gebäudekomplex zu entwerfen. Anfangs von Euphorie und kreativem Veränderungswillen beflügelt, breitet sich angesichts zäher Verhandlungen, bürokratischem Starrsinn und den daraus folgenden Kompromissen sukzessive Ernüchterung und Lähmung aus. Ästhetisch eher unspektakulär erzählt der Film von Desillusionierung, Selbstmitleid und Resignation angesichts der scheinbar übermächtigen gesellschaftlichen Verhältnisse, die stärker und ausdauernder sind als das Individuum und thematisiert eindrucksvoll das Verschwinden sämtlicher utopischen Hoffnungen un den Umgang damit. Die eintönige Gleichförmigkeit der DDR-Architektur spiegelt sich in der psychischen Konstitutionen der Figuren und ihrer Sehnsucht nach Vielfältigkeit und Veränderung. DIE ARCHITEKTEN funktioniert dabei einerseits als Allegorie auf die erstarre Gesellschaft der DDR, in der Veränderungen wenn überhaupt nur in Jahrzehnteschritten möglich schien und anderseits als Gleichnis auf die Bedingungen des filmischen Schaffens innerhalb der DEFA. Darüber hinaus lässt sich der Film noch exponierter als DIE BEUNRUHIGUNG als eindrucksvolle architektonische Studie einer nicht mehr existierenden Gesellschaft lesen. Die Tatsache, dass der Film während seiner Entstehung von der Realität und ihren historischen Veränderungen förmlich überrollt wurde, trägt zur Komplexität des Werkes bei und erweitert die Rezeption um eine melancholisch-absurde Note. Absolut sehenswert!

#96 Praxisphilosoph

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Geschrieben 10. September 2008, 14:02

Intimni osvetleni/Intime Beleuchtung
CSSR | 1965 | Ivan Passer

Einer der bekanntesten Filme der so genannten „Czech New Wave“ ist Ivan Passers INTIME BELEUCHTUNG, der subtil und mit leisem Humor über den Aufeinanderprall von Tradition und Moderne erzählt und mit einigen tragikomischen Momenten zu gefallen weiß. Alles in allem bleibt der Film jedoch eine Aneinanderreihung von einzelnen, mal mehr mal weniger gelungenen Szenen, ohne im Gesamten wirklich zu beeindrucken. Auch die Schwaz-Weiß-Fotografie ist eher durchschnittlich. Das gibt es wahrlich besseres aus dieser Epoche.

#97 Praxisphilosoph

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Geschrieben 14. September 2008, 14:11

Katze im Sack
D | 2005 | Florian Schwarz

Das überkonstruierte Drama kreist einmal mehr um die Themen Sehnsucht, Einsamkeit und verzweifelte Sexualität und bietet lediglich die Ahnung einer handvoll bewegender Momente. Was poetisch hätte sein können, wirkt jedoch zugekleistert; wo auch mal der ruhige Moment, das Aushalten einer Situation, angebracht wäre, wird die Handlung weiter getrieben. Die Figuren bleiben dabei am Reißbrett entworfene Abziehbilder mit behaupteten, letztendlich belanglosen Konflikten. Das Musikkonzept (Slut, 2Raumwohnung) wirkt aufdringlich, offensichtlich und überdeutlich in seiner angestrebten Funktion. Die Kamera ist mit Abstrichen das gelungenere an dem Film, da sie sich wohltuend von der sonst anzutreffenden Fernseh-Ästhetik abhebt. KATZE IM SACK behauptet eine Tiefe und Poesie, die nicht vorhanden ist.


Raigyo
JP | 1997 | Takahisa Zeze

Der Erotik-Thriller oder besser "Pinku Eiga" handelt von einer unheilbar kranken Frau, die stellvertretend für die psychischen Verletzungen, die sie durch ihren Mann und Liebhaber erlitten hat, einen ihr fremden Mann nach dem Sex tötet – Die Wesensverwandtschaft von Eros und Thanatos ist bekanntlich ein beliebtes Thema des japanischen Genre-Kinos. Auch dieser rätselhafte, behutsam erzählte Film nähert sich dem Zusammenspiel von Liebe und Tod. Herausragend sind die düster-morbiden und symbolträchtigen Bilder, die RAIGYO eine beklemmende Intensität verleihen. Sehenswert.

Warum der Film unter dem seltsamen Titel "Raigyo - Die Frau in schwarzer Unterwäsche" in der ARTE-Trash-Nacht lief, bleibt mir verschlossen. Trash ist das definitiv nicht!


Démanty noci/Diamanten der Nacht
CSSR | 1964 | Jan Nemec

DIAMANTEN DER NACHT beginnt mit der Flucht zweier Jugendlicher während des II. Weltkrieges, die einem Gefangenentransport entkommen können, der sie ins KZ bringen soll. Der anschließende Versuch in den dichten Wäldern ihren Verfolgern zu entgehen, wird immer wieder von Erinnerungsfragmenten an die Vergangenheit unterbrochen. Mit seiner achronologischen, meisterhaft montierten Struktur ist der Film die beklemmende Beschreibung des Geistes- und Seelenzustandes zweier Verzweifelter, die von elementarsten Bedürfnissen getrieben um ihr Leben laufen. Vergangenes, Gegenwärtiges, Eingebildetes und sich Wiederholendes überlappen sich auf Bild- und Tonebene und erzeugen so das Bild einer in ihren Grundmauern erschütterten Welt. Das Ende des Films ist schließlich genauso grotesk wie rätselhaft und hinterlässt einen atemlosen Zuschauer. Definitiv ein Meisterwerk der „Czech New Wave“!

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 14. September 2008, 14:16.


#98 Praxisphilosoph

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Geschrieben 16. September 2008, 16:41

Rabbit-Proof Fence/Long Walk Home
AU | 2002 | Phillip Noyce

Erst im Februar 2008 rang sich die australische Regierung durch, ein „Sorry“ an die Aborigines zu richten, um sich damit erstmals offiziell für das begangene Unrecht an der so genannten stolen generation zu entschuldigen. Zwischen 1900 und 1970 waren ca. 70.000 Aborigine-Kinder ihren Eltern, meist aber ihren Müttern, weggenommen und in weiße Familien und/oder christliche Heime gesteckt worden. Da es sich um eine aussterbende Rasse handle, so die Überzeugung, sei die Zwangsassimilation die einzige Möglichkeit, die Kinder in die australische Gesellschaft einzugliedern. Viele der gestohlenen Kinder wurden Opfer von Ausbeutung, Gewalt und sexuellem Missbrauch.

RABBIT-PROOF FENCE erzählt die fiktionalisierte „wahre“ Geschichte dreier dieser verschleppten Kinder und ihrer Flucht aus der kirchlichen Umerziehungsstätte, während der sie über 1000 Meilen zu Fuß an dem titelgebenden Zaun entlang nach Hause laufen. Die meisterhaft komponierten Bilder (Kamera: Christopher Doyle) schwelgen in den warmen Erdtönen der kargen Landschaft und liefern nebenbei atemberaubende Naturaufnahmen. Insgesamt schlingert der Film in ein paar Szenen handfest am Kitsch vorbei, zu aufdringlich wird hier auf den gezielten Effekt inszeniert. Das melodramatische Musikkonzept von Peter Gabriel unterstreicht dies deutlich. Auch die allzu oft anzutreffende Reduzierung der Aborigines auf ihre Mythologien und ihrer angeblichen Sehnsucht nach dem einfachen Leben ist dominierend. Ich würde gerne mal einen Film sehen, der sich mit den „modernen“ Problemen und Lebensweisen der natives beschäftigt, ohne die mythische Verwurzelung zu verklären. Dennoch ist Phillip Noyces Film ein mitreißendes und packendes Drama über ein tabuisiertes Thema, das, von den symphatischen Kinderdarsteller getragen, einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte Australiens darstellt. Die letzte Szene des Films – Videoaufnahmen der Frauen, die das erzählte Schicksal selbst erlitten haben, werden in den Spielfilm integriert – halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für höchst problematisch, da dadurch versucht wird, eine medial präsentierte Lebensgeschichte, die fiktionalisiert und filmischen Konventionen unterworfen wurde, nachträglich als Wahrheit darzustellen und somit unantastbar zu machen. Nicht erst seit SCHINDLER’S LISTE eine fragwürdige Strategie.

#99 Praxisphilosoph

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Geschrieben 16. September 2008, 22:21

Der neunte Tag
D/LU/CZ | 2004 | Volker Schlöndorff

Ganz generell interessieren mich weder theologische Fragen, noch innerkirchliches Positionsgerangel und das überstrapazierte, filmisch aufbereitete Thema von Schuld und Sühne während der NS-Zeit in Form eines überflüssigen, melodramatischen TV-Kammerspiels ist auch zum Gähnen, besonders dann wenn es Volker Schlöndorff inszeniert. Wenn ich zweifelnde Glaubende sehen will, dann schaue ich doch lieber Filme von Ingmar Bergman.

#100 Praxisphilosoph

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Geschrieben 17. September 2008, 17:04

The Deadly Tower/Turm des Schreckens
USA | 1975 | Jerry Jameson

Der TV-Thriller handelt von Charles Whitmans Amoklauf, der 1966 in Austin, Texas von einem Turm aus 17 Menschen erschoss und weitere 66 zum Teil schwer verletzte. Der Film hält sich weitestgehend an die Fakten, nur Details wurden zugunsten einer effektvolleren Dramaturgie verändert. Alles in allem spannende Genre-Unterhaltung ohne Tiefgang, in den zahlreichen Schießszenen redundant und langatmig.

#101 Praxisphilosoph

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Geschrieben 30. September 2008, 08:42

The Black Dahlia
USA/D | 2006 | Brian de Palma

Die brillante Ausstattung und die erdbraunen Farbtöne der, wie häufig in de Palma Filmen, herausragenden Kameraarbeit erschaffen eine wunderbare Atmosphäre des Los Angeles’ der 1940er Jahre; das Bild einer längst verlorenen Epoche, ihrem Glanz und Glamour, aber auch ihrem tiefen Abgrund hinter der Fassade. Der Krimiplot, am Anfang nur am Rande thematisiert, drängt sich gegen Ende des Films mehr und mehr in den Vordergrund. Ab da wird der Film verworren, konstruiert und verliert den Fluss der ersten Stunde. Auch in THE BLACK DAHLIA vollführt de Palma seine üblichen technischen Kamerasperenzchen (Subjektive mit Steadycam inkl. Blick in die Kamera), die vor allem eins sind: unmotiviert, störend und völlig unnötig. Alles in allem ein Film der atmosphärisch besticht, dramaturgisch aber arg holpert.


Tillsammans/Zusammen
DK/SE/IT | 2000 | Lukas Moodysson

Kurzweilige Tragikomödie, die ihre Figuren und die linken Dogmatismen jener Zeit ordentlich überzeichnet und dadurch karikiert, ohne denunziatorisch oder zynisch zu werden. Auf der Bildebene bedient sich Moodysson ebenfalls satirisch der 1970er Jahre-Ästhetik durch den damals äußerst beliebten Zoom, der an der Grenze des Erträglichen eingesetzt wird. Das versöhnliche Ende lebt einen Hauch der Utopie der Figuren, ohne diese jedoch auf politische Überzeugungen zurückzuführen. Überhaupt wird in dem Film verhältnismäßig viel über Politik geredet, ohne sich ernsthaft mit den zum Teil sonderlichen Phrasen auseinander zusetzten – ein satirischer Blick auf Gefühlslinke, wie sie auch heute noch anzutreffen sind.

#102 Praxisphilosoph

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Geschrieben 01. Oktober 2008, 09:06

Pingpong
D | 2006 | Matthias Luthardt

Ein unkonventioneller und traumatisierter Jugendlicher verbringt die Sommerferien seinem Cousin und seiner Familie und verliebt sich in seine Tante. Der daraus resultierende Fick bleibt nicht unentdeckt, das scheinbar intakte Familienfundament beginnt zu bröckeln und am Ende muss es der Hund mit dem Namen „Schuhmann“ ausbaden. Ein typischer Abschlussfilm bundesdeutscher Filmhochschulen in Kooperation mit den finanzierenden Fernsehsendern, der die sowieso schon unspannende Geschichte zum 1000-mal aufwärmt und versucht, die Ästhetik der „Berliner Schule“ zu imitieren, ohne deren Kern verstanden zu haben. Somit bleibt PINGPONG ein wenig überzeugender Film, der aufgrund seines Sujets und der biederen Inszenierung schnell langweilt.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 01. Oktober 2008, 09:29.


#103 Praxisphilosoph

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Geschrieben 02. Oktober 2008, 13:51

Transamerica
USA | 2005 | Duncan Tucker

Unterhaltsames Road-Movie, das ganz von dem brillanten Spiel seiner Hauptdarstellerin lebt, der dem Thema der Transsexualität jedoch keine Tiefe und erinnerungswürdige Bilder oder Szenen zu verleihen vermag. Der Film kommt dabei über die sicher gut gemeinte Forderung nach Respekt gegenüber Minderheiten nicht hinaus, zumal dies bisweilen recht naiv und vereinfachend geschieht.

#104 Praxisphilosoph

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Geschrieben 03. Oktober 2008, 16:41

Route One USA
FR/UK/IT | 1989 | Robert Kramer

1988 kehren der Filmemacher Robert Kramer und der befreundete Arzt Paul McIsaac nach mehrjährigen Auslandsaufenthalten – Kramer lebte in Paris, McIsaac in Afrika – in die USA zurück und bereisten fünf Monate lang die legendäre Route One, die sich auf 3.846 Kilometer von Kanada bis Florida erstreckt. Das Ergebnis dieser fragmentarischen Spurensuche ist ein über vierstündiger Essayfilm, der sicher als eines der Meisterwerke des Genres anzusehen ist. Kramers Kamera dokumentiert, hinterfragt, analysiert oder inszeniert in grobkörnigen Bildern die Ausprägungen und Verhältnisse der us-amerikanischen Gesellschaft mit unvergleichlicher Präzision und wundervollem Blick für Details und Gesten. Gesellschaftliche Institutionen und das öffentliche Leben dominierenden die meisten Szenen, in denen religiöse Indoktrination und radikale Abtreibungsgegner ebenso ihren Platz finden wie altruistische Sozialarbeiterinnen oder Bilder von industriellen Produktionsstrassen. Mit dem Fortgang des Films entsteht nach und nach ein komplexes Bild gesellschaftlicher Bedingungen, ihren Widersprüchen und ihren Ausprägungen in Form sozialer Ungleichheit, während zur gleichen Zeit die beiden Filmemacher ihre Utopien, ihre Träume und Enttäuschungen reflektieren. Ein wundervoller Film, der lange nachwirkt und die künstlerische Möglichkeit aufzeigt, wie Gesellschaftsanalyse und persönliche Erinnerungen und Gedanken filmisch (re)präsentiert werden können.

Die einzige verfügbare digitale Fassung des Films ist die leider sehr teure DVD der Éditions Montparnasse.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 03. Oktober 2008, 16:44.


#105 Praxisphilosoph

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Geschrieben 03. Oktober 2008, 19:02

Sabbath in Paradise
D | 1998 | Claudia Heuermann

Dramaturgisch holpernde Dokumentation über die New Yorker „Radical Jewish Culture“-Szene mit illustren Protagonisten wie John Zorn, Marc Ribot, Anthony Coleman oder Frank London. Die Interviewpassagen und die famosen Live-Aufnahmen werden dabei in grobkörnige Schwarz-Weiß-Bilder der Urbanität New Yorks montiert. Auch aufgrund dieses Konzeptes erinnert SABBATH IN PARADISE an den wunderbaren Essayfilm STEP ACROSS THE BOARDER, ohne dessen Dichte zu erreichen. Dennoch bietet der Film einen interessanten Einblick in die jüdische Musikavantgarde der Millionenmetropole, der Themen wie Identität, Tradition und Religiosität bzw. deren Abstinenz streift, ohne dabei tiefere Fragestellungen aufzuwerfen.

#106 Praxisphilosoph

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Geschrieben 06. Oktober 2008, 16:10

El Cielito
ARG/F | 2004 | María Victoria Menis

Ein junger Mann begibt sich, nach dem seine Großmutter – der einzige Bezugspunkt in seinem Leben – verstorben ist, auf die Suche nach Arbeit im ländlichen Argentinien. Er findet schließlich eine Anstellung als Erntehelfer bei einem patriarchalen Schwein, der die ehelichen Pflichten auch gerne mal gewaltsam vollzieht, seiner total verängstigten Frau und deren gemeinsamen Kleinkind. Als die zu jedweder Aktion oder Reaktion unfähige Frau nur den Suizid als Ausweg sieht, nimmt der junge Mann das Kind an sich und flieht nach Buenos Aires. Dort kämpft er verzweifelt ums Überleben und findet letztendlich ein tragisches Ende. EL CIELITO ist ein weiteres Beispiel des aktuellen argentinischen Kinos, der es meisterhaft versteht, mit wenigen Worten und Gesten eine faszinierende innere Spannung aufzubauen, zu der die Ästhetik des Minimalismus (keine Filmmusik, meistens starre Einstellungen, reduzierte Dialoge, handlungsarmer Plot, meditative Atmosphäre) wesentlich beiträgt. Ein ruhiger, im besten Sinne unspektakulärer und am Ende zutiefst bitterer Film: sehenswert!

#107 Praxisphilosoph

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Geschrieben 07. Oktober 2008, 18:19

Whisky
Uruguay/Argentinien/Deutschland/Spanien | 2004 | Juan Pablo Rebella, Pablo Stoll

Ein griesgrämiger, einsamer Sockenfabrikant bittet seine Vorarbeiterin seine Ehefrau zu spielen, so lange er Besuch von seinem wesentlich erfolgreicheren Bruder hat. Auch eine Reise zu Dritt ans Meer fördert keine Intensivierung der Beziehungen, zu sehr sind die Beteiligten in ihrem Alltagstrott und ihrer zum Teil selbstverschuldeten Einsamkeit gefangen. Ein subtiler und poetischer Film mit leisem Humor, der zu keiner Zeit ins Klischee abgleitet und dem es gelingt, die wirklich knochigen und wortkargen Protagonisten von ihrer warmen Seite zu zeigen.

#108 Praxisphilosoph

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Geschrieben 10. Oktober 2008, 09:17

Futschicato
D | 2006 | Olav F. Wehling

FUTSCHICATO karikiert ähnlich wie ZUSAMMEN! den dogmatischen, nach längst obsoleten Regeln gelebten Lebensentwurf einer linken Berliner WG und verheddert sich ebenso wie Moodyssons Film in amourösen Verwicklungen. Politik findet zudem meist parolenhaft statt, zu einer wirklichen diskursiven Auseinandersetzung sind die Figuren (oder die Macher) nicht in der Lage. Als visuell durchaus ansprechende „Noir-Satire“ beginnend, entwickelt sich der Film mit dem Auflösen eingefahrener Beziehungsstrukturen zu einer romantischen Komödie und gipfelt - wie sollte es anders sein - in der Rettung der bürgerlichen Kleinfamilie als Ausweg aus der politischen Utopie. Ein Film mit guten Ansätzen, die durch den reaktionären Kitsch am Ende vehement in Frage gestellt werden.

#109 Praxisphilosoph

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Geschrieben 10. Oktober 2008, 19:22

The Omen/Das Omen
UK/USA | 1976 | Richard Donner

Der effektvolle und packende Horror-Klassiker versteht es gekonnt durch Kamera, Montage und die eindrucksvolle Musik von Jerry Goldsmith eine unheilvolle Atmosphäre zu erschaffen, in der hinter jeder vermeintlich alltäglichen Situation das bedrohliche Grauen lauert. An einigen Stellen werden deutliche Parallelen zu dem drei Jahre vorher entstandenen THE EXORZIST auffällig, was einer kurzweiligen – zum Teil erfreulich expliziten – Genre-Unterhaltung nicht im Wege steht. Am Ende verzichtet der Film entgegen der Zuschauererwartung auf ein Happy End und verstärkt damit seine beklemmende Atmosphäre.

#110 Praxisphilosoph

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Geschrieben 14. Oktober 2008, 09:10

Damien: Omen II
USA | 1978 | Don Taylor

Schwacher und vorhersehbarer Aufguss des ersten Teils, ohne dessen inhaltliche, dramaturgische und audiovisuelle Dichte zu erreichen.


Livvakterna/Protection
Schweden | 2001 | Anders Nilsson

Spannender und überzeugend gespielter Action-Thriller, der nebenbei Fragen über organisierte High-Tech-Kriminalität, überarbeitete Polizeibeamte, Bürgerwehren und private Sicherheitsdienste anreißt. Leider trägt die einfallslose TV-Ästhetik mit durchgängig scharfem Videobild und wenig innovativem Lichtkonzept nicht gerade zur Atmosphäre bei; ergo: gelungene Fernseh-Unterhaltung.

#111 Praxisphilosoph

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Geschrieben 18. Oktober 2008, 14:35

Dead & Buried/Tot & begraben
USA | 1981 | Gary Sherman

In Setting und Atmosphäre stellenweise an John Carpenters THE FOG erinnernder unterhaltsamer und spannender Horrorfilm, der einen ansprechenden Mittelweg zwischen expliziten Goreszenen und Gruselstimmung findet. Die Story ist wie häufig in dem Genre haarsträubend und voller Ungereimtheiten, der THE SIXTH SENSE’sche Plottwist ist zwar ab den cue vorhersehbar, aber dennoch überraschend.

#112 Praxisphilosoph

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Geschrieben 18. Oktober 2008, 23:09

House of Sand and Fog/Haus aus Sand und Nebel
USA | 2003 | Vadim Perelman

Außer dem Schauspiel von Jennifer Connelly und Ben Kingsley und der tollen Kameraarbeit von Roger Deakins hat der Film keine Attraktionen zu bieten, zu sehr verlieren sich Story und Inszenierung im melodramatischen Kitsch, zudem zugekleistert von der aufdringlichen Musik.

#113 Praxisphilosoph

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Geschrieben 21. Oktober 2008, 08:54

Los lunes al sol/Montags in der Sonne
Spanien/Frankreich/Italien | 2002 | Fernando León de Aranoa

Vigo, spanische Hafenstadt mit großer Schiffsbautradition: trotz eines verzweifelten Arbeitskampfes von Teilen der Belegschaft, wird die größte Werft der Stadt geschlossen und Santa (Javier Bardem) und seine Freunde verlieren ihre Jobs. Fortan treffen sie sich ein einer kleinen Bar, diskutieren ihre Lage und versuchen mehr oder weniger der Arbeitslosigkeit zu entkommen.

Lakonische und warmherzige Tragikomödie in der Tradition britischen Arbeiterfilme, die ebenso den erfolglosen (militanten) Arbeitskampf gegen industrielle Standortverlagerungen thematisiert, wie auch den Sexismus des Machismo und die Kränkung der Männer, die sich selbst und von außen ohne Arbeit als minderwertig ansehen und nicht zuletzt den Zustand der Solidarität der Ex-Arbeiter untereinander. Die kurzen Szenen, in denen die Zusammenhänge zwischen dem globalen Kapitalismus und ihrer Situation angerissen werden, kommen über parolenhafte Schuldzuweisungen nicht hinaus, die aber durchaus aufgrund der Charakterzeichnung der Protagonisten glaubhaft sind. Alles in allem versucht der Film der noch unerträglichsten Situation ein Lächeln abzugewinnen; eine ambivalente Strategie, die Hoffnung ebenso birgt wie Verklärung.

#114 Praxisphilosoph

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Geschrieben 21. Oktober 2008, 20:27

Cinéma Vérité - Defining the Moment
Kanada | 1999 | Peter Wintonick

Strukturell eher schwacher Dokumentarfilm über die Protagonisten der “Dokumentarfilm-Revolution” und ihre Arbeitsweisen und ethischen Einstellungen und die vorausgegangenen technischen Entwicklungen, der jedoch vor allem aufgrund der Interviews mit (fast) allen wichtigen Figuren des Genres höchst interessant und informativ ist. So kluge Filmemacher wie Frederick Wiseman, Richard Leacock oder Albert Maysles reflektieren dabei beiläufig die Unmöglichkeit der Aufzeichnung der Wirklichkeit und die Möglichkeit der filmischen Rekonstruktion von Realität mittels Inszenierung. Gefreut hat mich, dass die sonst eher vernachlässigten Michel Brault und Barbara Kopple relativ ausgiebig zu Wort kommen. Trotz einiger Mängel ein sehenswerter Film.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 21. Oktober 2008, 20:28.


#115 Praxisphilosoph

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Geschrieben 25. Oktober 2008, 09:38

Birth
USA/Deutschland | 2004 | Jonathan Glazer

Schwarzbild: eine Stimme aus dem Off definiert sich als Wissenschaftler, der nicht an Übersinnliches glaubt. Schnitt. Jener Wissenschaftler, Sean, joggt durch den verschneiten Central Park, die Kamera folgt ihm minutenlang schwebend, fast aufsichtig. Dazu erklingt heitere Musik von Richard Wagner. Zur gelösten Stimmung mischen sich unruhige, laute Töne. Die Kamera zeigt in einer Totalen eine Brücke. Der Mann kommt darunter zum Stehen, schnauft schwer. Die Schwärze umhüllt ihn fast gänzlich, nur eine Silhouette lässt ihn noch als Mensch erscheinen. Er bricht zusammen und stirbt.

Schon die ersten Minuten von BIRTH weisen den Weg, den Jonathan Glazer mit seinem zweiten Spielfilm gehen wird. Seine meisterhafte Inszenierung mit den einfachsten Mitteln erzeugt größtmögliche Affekte. Die beeindruckendste Szene finde ich in diesem Zusammenhang, als Anne und ihr zukünftiger Mann ins Konzert gehen, nachdem der kleine Junge zusammengebrochen ist. Die Kamera verharrt minutenlang auf dem Gesicht von Nicole Kidman, das die komplexe Situation der Gefühlzustände Angst, Verwirrung, Hoffnung und Sehnsucht spiegelt, während Wagners Musik aus dem Off diesen Eindruck verstärkt. Einer der herausragendsten Szenen, die ich in der letzen Zeit gesehen habe.

BIRTH beginnt als Mystery-Thriller, entpuppt sich aber nach und nach als psychologisches Kammerspiel über die den unverarbeiteten Tod eines geliebten Menschen und dessen Brüche und Geheimnisse. „Nichts ist so wie es scheint“ meint hier nicht Wahrnehmungs- oder Realitätsebenen, sondern Gefühle und Beziehungen. Eine wahrlich tragische, zutiefst menschliche Geschichte. Nebenbei dekonstruiert Glazer ein ganzes Genre, da sämtliche Zuschauererwartungen nicht erfüllt oder entgegen der Konvention aufgelöst werden. Ein großartiger Film, dem ich ganz bestimmt eine Zweit- und Drittsichtung widmen möchte.

#116 Praxisphilosoph

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Geschrieben 25. Oktober 2008, 15:54

The Bedroom
Japan | 1992 | Hisayasu Sato

In einem bizarren Tokioer Etablissement werden Frauen mittels Medikamenten in eine Art Schlaf-Trance gebracht, um der männlichen Kundschaft und ihren sexuellen Wünschen zur Verfügung zu stehen. Kyoko, eine Kundin des Clubs, wird dabei in eine Reihe von Morden verwickelt.

THE BEDROOM ist ein dramaturgisch ziemlich verworrener Pink-Film, der zunächst vieles andeutet und grotesk verzerrt, jedoch am Ende zum großen Erklärungsmonolog ansetzt. Letztendlich weiß der Film aber vor allem formal zu gefallen; psychedelische Lichtspiele, Farbfilter und verkantete Einstellungen lassen eine surreale, klaustrophobische Stimmung entstehen, ohne jedoch die atmosphärische Dichte anderer Highlights des Genres wie bsp. RAIGYO zu erreichen.

#117 Praxisphilosoph

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Geschrieben 28. Oktober 2008, 13:00

Eiskalt
Italien/Frankreich | 2006 | Michele Soavi

Nicht ganz so tiefgründig wie DELLAMORTE DELLAMORE, dafür von ähnlicher inszenatorischer Klasse kommt Michele Soavis bis dato vorletzter Spielfilm daher. Die Story ist schnell erzählt: ein Ex-Mitglied der Brigate Rosse lässt sämtliche politischen Ideale hinter sich, beginnt zusammen mit einem korrupten Bullen eine kriminelle Karriere, um schließlich ein vollwertiges Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu werden; dass dafür der Tod seiner naiven Frau nötig erscheint, ist nur eine zynische Wendung im Film.
EISKALT ist höchst unterhaltsam, vor allem in der Variation von spannenden und satirischen Momenten, die sich zum Teil an der Grenze zur Groteske bewegen. Die Szene mit der Fliege im Gerichtssaal beispielsweise ist so herrlich unnötig und doch passt sie perfekt ins Gesamtgefüge. Sehenswert!

#118 Praxisphilosoph

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Geschrieben 28. Oktober 2008, 22:52

Don't Come Knocking
Frankreich/Deutschland/USA | 2005 | Wim Wenders

Ein weiterer Baustein in der Auseinandersetzung von Wim Wenders mit us-amerikanischen ideologischen und (pop)kulturellen Mythen. Zunächst dekonstruiert DON’T COME KNOCKING den Westerner, Glücksspiel und Trunkenheit, nur um im zweiten Teil des Films Heimat und Familie zu feiern. Dies passiert vor der immer wieder atemberaubenden landschaftlichen Kulisse in den Farben Edward Hoppers, während die charakteristische Musik des ländlichen, weißen Amerikas stilvoll den letztendlich naiven uralten „american dream“ untermalt.

Trotz der unbestreitbaren Schönheit und inszenatorischen Finesse verharrt der Film wie seine zitierten Vorbilder an der Oberfläche, in deren Spiegelbild Dialoge wie parolenhafte Phrasen und Emotionen wie kulturindustrielle Affekte erscheinen. Der Film behauptet ständig mehr zu sein, als er tatsächlich ist; ein typischer Wenders eben.

#119 Praxisphilosoph

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Geschrieben 29. Oktober 2008, 17:41

Insensitive
Deutschland | 2008 | Mathilde Bonnefoy

Mathilde Bonnefoy ist vor allem als Cutterin der Filme Tom Tykwers (u.a. LOLA RENNT) bekannt; der Grund, warum ich auf ihr Kurzspielfilmdebut INSENSITIVE aufmerksam wurde. Der mit Esther Schweins und John Keogh prominent besetzte Film ist jedoch ein völliger Reinfall. Zwei hippe, schöne Menschen aus Berlin-Mitte gehen schick aus, quasseln über ihre (verpassten) Liebesbeziehungen, er will, sie nicht, aufgesetzte Konflikte, Probleme, die kein Mensch interessieren etc. Die Dialoge sind dabei zum Teil haarsträubend (Er zu einem seelenlosen Electro-Pop-Stück: „Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich geweint.“) und überhaupt habe ich mich furchtbar gelangweilt. Zum Glück ist der Film nur knapp 30 Minuten lang.

#120 Praxisphilosoph

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Geschrieben 01. November 2008, 10:33

8 Mile
USA/Deutschland | 2002 | Curtis Hanson

Überraschend unpathetischer und ungemein authentisch wirkender Hip-Hop-Film, der auch die mögliche „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte weitestgehend vermeidet und leise Glaube an eigene Fähigkeiten und Akzeptanz der (sozialen) Herkunft propagiert. Die Battles sind spannend inszeniert und geben dem Hip-Hop-Laien, zu denen ich mich zähle, einen mitreißenden Einblick in die Kunst der rhythmischen Worte und ihrer benötigten Fertigkeiten. Eminem agiert zu meiner Überraschung außerordentlich glaubwürdig und findet eine gute Balance zwischen Schüchtern- und Verlegenheit und brodelnder Aggression. Ein unterhaltsamer Film mit einem spannenden Einblick in eine mir relativ fremde Subkultur.





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