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Cinéma Quebécois - Filmforen.de - Seite 7

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Cinéma Quebécois


261 Antworten in diesem Thema

#181 Praxisphilosoph

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Geschrieben 04. März 2009, 11:30

Jerichow
Deutschland | 2008 | Christian Petzold

JERICHOW bietet – wie von Christian Petzold gewohnt – eine subtile Spannungsdramaturgie in klaren Bildern, eine reduzierte Inszenierung der Gestiken und Mimiken und liefert damit die konzentrierte, schnörkellose Verdichtung filmischen Erzählens. Leider kann bei diesem Film der Plot nicht überzeugen. Heruntergebrochen auf seine Figurenkonstellation und die folgenden Entwicklungen der Charaktere, ist JERICHOW eine ziemlich klischeehafte und unoriginelle Dreiecksgeschichte, die bei gewissen Details zudem unglaubwürdig ist. Die hochgelobte Nina Hoss empfinde ich in der Rolle der Laura als völlig fehlbesetzt.
YELLA ist im Vergleich der wesentlich tiefere und rundere Film.

#182 Praxisphilosoph

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Geschrieben 04. März 2009, 17:36

Csillagosok, katonák/The Red and the White
Ungarn/Sowjetunion | 1967 | Miklós Jancsó

In den Nachwehen der Russischen Revolution 1919 kämpften auch einige internationale Freiwilligenverbände gegen „die Weißen“, wie die zaristischen Konterrevolutionäre bezeichnet wurden. Der Film spielt im Wolga-Delta an der Grenze zwischen Russland und Ungarn und erzählt hauptsächlich von den Kampfhandlungen der verfeindeten Gruppen. Deutlich wird dabei der unbedingte Vernichtungswillen der reaktionären Kräfte, die alle Bolschewisten umbringen, denen sie habhaft werden, während das Bild „der Roten“ differenzierter gezeichnet ist. Dort werden auch schon mal Gefangene einfach verjagt. Dennoch verweigert sich der Film einer heroischen Feier der Revolutionäre und macht deutlich, welche Spuren dieser Bürgerkrieg auch bei den Bolschewisten hinterließ.
Miklós Jancsó inszeniert sein Portrait der Freiwilligen und der Roten Armee meist mit langen, kunstvoll komponierten Plansequenzen, die in der Verbindung mit den schwarz-weißen Cinemascopebildern eine durchaus soghafte Wirkung entfalten. Auffallend angenehm ist die zurückhaltende Musik, die lediglich aus Trompetenfanfaren besteht.

#183 Praxisphilosoph

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Geschrieben 07. März 2009, 23:36

Tropa de Elite
Brasilien/Niederlande/USA | 2007 | José Padilha

Nachdem José Padilha mit BUS 174 den urbanen Krieg in Brasilien noch aus der Perspektive der Kriminellen verhandelte, wechselt er nun auf die gegenüberliegende Seite und erzählt von einer Eliteeinheit der Polizei, die – im Gegensatz zu einem Swat-Team, die die Errettung von Menschen trainieren– durchaus als Exekutionskommando bezeichnet werden können. Ursprünglich ebenfalls als Dokumentarfilm konzipiert, recherchierte Padilha drei Jahre, interviewte unzählige Cops und Drogendealer und schrieb schließlich mit einem ehemaligen BOPE-Mitglied das Drehbuch.

TROPA DE ELITE ist ein rauer Cop-Thriller, der genauso von Korruption, Gewalt und Burn-out innerhalb des Polizeiapparates handelt, wie von den brutalen, die eigene Bevölkerung drangsalierenden Drogendealern. Die Thematisierung der gedankenlos Drogen konsumierende Mittel- und Oberschicht führt dem eine weitere Ebene zu, das zu einem differenzierten Gesellschaftsportrait führt, ohne Partei zu ergreifen.
Die unruhige, Unübersichtlichkeit herstellende Handkamera und die schnelle Montage unterstreichen den dokumentarischen Charakter des Films und erzeugen ein schockierend-mitreißende Atmosphäre. Ein großartiger Film, der es einem trotz einiger Schauwerte nicht einfach macht.

#184 Praxisphilosoph

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Geschrieben 09. März 2009, 15:36

Tsotsi
Südafrika/Großbritannien | 2005 | Gavin Hood

Der Film benutzt die tiefen Widersprüche der südafrikanischen Gesellschaft als hübsch ausstaffierten Hintergrund, um einmal mehr eine „Vom-Saulus-zum-Paulus“-Geschichte zu erzählen, die psychologisch reichlich unglaubwürdig und konstruiert wirkt. Auch TSOTSI individualisiert die gesellschaftlichen Probleme wie Armut und Kriminalität und verstellt so den Blick auf tatsächliche Ursachen und deren mögliche Beseitigung. Man müsse sich – das legt der Film deutlich nahe – trotz kleiner Widerstände lediglich für ein anderes Leben, für das Gute entscheiden und schon ist Licht im Tunnel zu sehen. Diese bestenfalls naive Perspektive trübt erheblich den Gesamteindruck des Films, der durchaus mit stimmigen Bildern zu gefallen weiß. Das rührselige Ende überrascht dann nicht mehr wirklich.
Auffällig wird zudem, wie phantasielos sämtliche gängigen Schemata und Modelle des Drehbuchschreibens durchbuchstabiert werden. So ist filmisches Erzählen im höchsten Maße redundant und damit langweilig.

#185 Praxisphilosoph

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Geschrieben 11. März 2009, 14:54

Der Hahn ist tot
Deutschland | 2000 | Hermine Huntgeburth

Eine mittelalte Versicherungsangestellte mit freudlosem Dasein verliebt sich in einen Schmonzetten-Schriftsteller und geht buchstäblich über Leichen, um ihrem Liebsten nahe zu sein.
Nette, leichte Krimikomödie auf gehobeneren TV-Niveau, die keinem weh tut, ein bisschen subversiv sein darf und sich durch das spielfreudige Schauspielensemble auszeichnet.


Die Häupter meiner Lieben
Deutschland/Italien | 1999 | Hans-Günther Bücking

Wie DER HAHN IST TOT basiert auch DIE HÄUPTER MEINER LIEBEN auf den gleichnamigen Roman von Ingrid Noll. Offensichtlich variiert diese bloß ihre Themen, denn beide Filme haben eine verblüffend ähnliche Geschichte. Hier tötet ein Frauentrio (u.a. Heike Makatsch und Christiane Paul) diverse Liebhaber oder Ehemänner, um das ruhige Leben in der Toskana sicher zu stellen. Das ist leider dermaßen langweilig und hölzern inszeniert, dass der Film beinahe im „Wir-haben-abgebrochen“-Thread gelandet wäre. Höhepunkt des schlechten Geschmacks ist die wirklich gruselige Musikauswahl.


Eine Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein: Aus welchem Grund fanden die beiden Filme Eingang in meinen VHS-Bestand? Ich bin ratlos.

#186 Praxisphilosoph

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Geschrieben 12. März 2009, 14:45

Ghosts... of the Civil Dead
Australien | 1988 | John Hillcoat

Mitten in der australischen Wüste, eingegraben in den staubigen Sand, befindet sich der „Central Industrial Prison“-Komplex, in dem Strafgefangene in unterschiedlichen Trakten verwahrt werden. Aufgrund tatsächlicher und vermeintlicher Regelverstöße werden durch die Gefängnisleitung die Haftbedingungen immer weiter heruntergeschraubt, bis schließlich auch das letzte Hab und Gut der Gefangenen konfisziert ist. Durch die Aufnahme eines Psychopathen spitzt sich die Lage zu, bis es zur scheinbar unvermeidlichen Eruption der Gewalt kommt.
John Hillcoats Debutfilm ist auch nach mehrmaliger Sichtung immer noch ein wirklich verstörender Film über die Mechanismen und Funktionsweisen eines Gefängnisses, der von struktureller Gewalt und Gegengewalt ebenso handelt, wie von systematischer Erniedrigung und dem Zusammenhang des Mikrokosmos Gefängnis zum Makrokosmos Gesellschaft. Bisweilen in Thematik und Inszenierung an Alan Clarke erinnernd findet GHOSTS ...OF THE CIVIL DEAD beeindruckende Szenen, die durch das glaubwürdige Schauspiel und die Musik von Nick Cave getragen werden. Zudem ist die Verknüpfung der Handlung mit den der Story zugrunde liegenden wahren Begebenheiten durch Zitate des Untersuchungsprotokolls besonders erwähnenswert.

Die australische DVD dieses bemerkenswerten Films möchte ich euch ausdrücklich ans Herz legen, die neben dem gut aufbereiteten Bild und Ton über zwei Stunden Interviews, Bilder der Plakate, Auszüge aus Nick Caves Drehbuch, Storyboards, ein Audioessay, Briefe u.v.m. beinhaltet.

#187 Praxisphilosoph

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Geschrieben 13. März 2009, 07:48

The Chant of Jimmie Blacksmith
Australien | 1978 | Fred Schepisi

New South Wales, 1901: Jimmie Blacksmith, ein so genannter „half-caste“ wächst zwischen den Riten und Gebräuchen der Indigenas und der strengen religiösen Erziehung eines Methodistenpfarrers auf. Zunächst gelingt der Spagat zwischen diesen beiden antagonistischen Milieus unter großer Anstrengung. So sehr sich Jimmie bemüht, sei es bei der Arbeit oder in der sozialen Interaktion mit der weißen Gemeinde, letztendlich bleibt er für alle nur ein „black bastard“. Auch die Heirat mit einer weißen Farmerstochter bringt nicht die erwünschte Akzeptanz. Als ihm der gerechte Lohn verweigert wird und die Familie in Hungersnot gerät, tötet Jimmie die Frauen und Kinder eines Farmers und erklärt den Weißen den Krieg.

THE CHANT OF JIMMIE BLACKSMITH ist das erschütternde Portrait des Versuchs einer zwanghaften Assimilation und einer zutiefst rassistischen Gesellschaft, deren Übermenschentum – das ist die bittere Erkenntnis des Films – durch die gewaltsame Auflehnung und Rache eines Einzelnen jedoch nur verstärkt wird. Am Ende ist die Ordnung wiederhergestellt, nichts hat sich geändert. Australien als Konföderation und Nation ist geboren, geboren aus dem Blut von ca. 200.000 Indigenas, die in dieser Zeit ermordet wurden - so könnte die These des Films lauten.
Fred Shepisi findet ebenso Bilder von ausgesuchter Schönheit wie expliziter Grausamkeit und verzichtet dabei auf jede Form von Pathos und moralischer Überhöhung. Der Mord an der Farmersfamilie – ein virtuoses Ballett des Todes – ist schlichtweg brillant inszeniert.

Kurzes Zwischenfazit: mit GHOSTS ...OF THE CIVIL DEAD der bisherige Höhepunkt meiner kleinen filmischen Australien-Reise.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 13. März 2009, 07:51.


#188 Praxisphilosoph

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Geschrieben 14. März 2009, 14:22

Jack Ketchums THE GIRL NEXT DOOR (dt. EVIL) gilt heute zurecht als ein Klassiker der modernen Horrorliteratur. Brach in seinem Debüt OFF SEASON (dt. BEUTEZEIT) noch eine ländliche, archaische Destruktion in das Leben von Großstädtern ein, verlegt Ketchum in seinem zweiten Roman das Grauen in eine durchschnittliche, amerikanische Kleinstadt in den 1950er Jahren – eine Zeit der rigiden (Sexual)Moral, der Repression und der Reaktion.
In seiner ganz eigenen, präzisen und schnörkellosen Sprache erzählt Ketchum von der psychischen und physischen Folterung, Vergewaltigung und Ermordung einer Teenagerin durch die zum Teil erheblich jüngeren Nachbarskinder, angeleitet und unterstützt von der sadistisch veranlagten Tante des Opfers. Verstörend ist vor allem die Perspektive des Buches, das aus der Sicht eines der beteiligten Nachbarsjungen – David – erzählt wird. Ähnlich Juan José Plans' Novelle EL JUEGO DE LOS NINOS und deren Verfilmung mit dem Titel QUIÉN PUEDE MATAR A UN NINO verneint der Roman die romantische Vorstellung von der prinzipiellen Unschuld des Kindes und zeigt, welch inhumanes Verhalten in einem sozialen Raum ohne zivilisatorische Werte und Regeln auch durch Kinder möglich ist; wenn ihnen von einer Autorität die Erlaubnis und Legitimation für ihre Taten erteilt wird.


The Girl Next Door
USA | 2007 | Gregory Wilson

Gregory M. Wilsons Verfilmung hält sich weitestgehend an die Vorlage und zeichnet sich in erster Linie durch die langsame Entfaltung der Geschichte und ihres Settings aus. Auch in den grausamen Szenen wird der Film niemals explotativ oder reduziert seine Bilder auf bloße Schauwerte. Formal eher unspektakulär gelingt es dem Film, die innere Zerrissenheit Davids und die Schuld, nicht genug getan zu haben, glaubhaft darzustellen. Lediglich die hinzugefügte Exposition vereinfacht die Geschichte und behauptet eine Gut-Böse-Dichotomie. Die Wendung, dass ein Mensch wie David die erlebten Grausamkeiten zwar nie vollständig verarbeiten kann, dennoch aber ein guter Mensch werden kann, der auch einem verunglückten Obdachlosen mit schlechten Zähnen eine Mund-zu-Mund-Beatmung spendet ist völlig unnötig und wird der Ambivalenz der Vorlage nicht gerecht.


An American Crime
USA | 2007 | Tommy O'Haver

Tommy O'Havers Variante des Stoffes entfernt sich von Ketchums Vorlage und rückt den wahren Fall der Gertrude Baniszewski und ihren Kindern in den Mittelpunkt des Films. Anhand den Gerichtsakten und den Aussagen der Angeklagten rekonstruiert der Film das Verbrechen und zeigt das Geschehen als „offenes Geheimnis“, das jeder wusste, jedoch niemand etwas tat.
AN AMERICAN CRIME ist im Vergleich mit THE GIRL NEXT DOOR der harmlosere Film, der der Geschichte durch die im Schluss eingeführte übernatürliche Ebene etwas Versöhnliches gibt und sich gegen Ende zu sehr an gängigen Genremustern abarbeitet. Durch die melodramatische Aufladung verliert die Story ihren verstörenden Schrecken und ist letztendlich das superb gespielte, aber konventionell inszenierte Psychogramm einer kranken Frau.

#189 Praxisphilosoph

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Geschrieben 15. März 2009, 14:40

The Lost
USA | 2005 | Chris Sivertson

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Jack Ketchum handelt THE LOST von Ray Pye, einem machtbesessenen und narzisstischen Soziopath, dessen Frauenhass in einem grausamen Amoklauf mündet.
Zunächst beginnt der Film als klassischer Backwood-Thriller, entwickelt sich infolge zu einem drogengeschwängerten Teenie-Drama mit durchaus satirischen Untertönen und schließt als Horrorthriller mit einem schwer zu ertragenden Finale, ohne eine ironische oder pathetische Distanz als Sedativa anzubieten. Marc Senter liefert eine erschreckende Performance als „human pig“, der die Rolle zwischen gnadenloser Überheblichkeit und totalem Wahnsinn anlegt. Die formalen Ideen bedienen passend das Sujet und erinnern stellenweise an die Filme von Harmony Korine. Ein unangenehmer Hybrid, der voller Überraschungen und intelligenten Genre-Variationen steckt.

#190 Praxisphilosoph

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Geschrieben 16. März 2009, 07:38

Vampiros en La Habana
Kuba/Spanien/Bundesrepublik Deutschland | 1985 | Juan Padrón

Ein Nachfahre des berühmten Graf Dracula wird verstoßen, als sein Experiment missglückt, eine Tinktur zu entwickeln, die Vampire vor der Sonne schützen soll. Er emigriert nach Havanna, Kuba und braut weiter an seiner Erfindung. Als ihm der Durchbruch gelingt, flößt er seinem kleinen Neffen namens Joseph Amadeus unwissentlich das Mittel ein, der fortan als „normaler Mensch“ aufwächst. Zwei konkurrierende Gruppen – eine europäische und eine amerikanische – bekommen Wind von der Sache und wittern das große Geschäft mit „Vampirsol“, wie das zukünftige Produkt heißen soll. Ein turbulenter Wettlauf um die Formel beginnt, während sich in Kuba die revolutionären Kräfte erheben und General Machado stürzen. Joseph Amadeus gelingt es, die Formel vor den kapitalistischen Kräften zu retten, um sie kostenlos für alle zur Verfügung zu stellen. Nebenbei gewinnt er zudem seine große Liebe und leistet seinen Beitrag zur Kubanischen Revolution.
VAMPIROS EN LA HABANA ist ein überdrehter, im besten Sinne altmodischer Zeichentrickfilm, der bestens unterhält und einen herrlich naiven, aber fröhlichen Charme versprüht. Da lässt sich auch die arg stereotype Zeichnung der reaktionären Kräfte verschmerzen. Ein wirklich kurzweiliger Spaß!

#191 Praxisphilosoph

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Geschrieben 19. März 2009, 15:32

Reise in die Polarnacht
Frankreich | 2002 | Bruno Nuytten

Ein afrikanisches Mädchen – die einzige Überlebende eines Massakers – wächst behütet in einer französischen Pflegefamilie auf. Während der schwierigen Phase der Pubertät entwickelt sie zudem eine lebensbedrohende Magersucht, die in einer Spezialklinik geheilt werden soll. Dort flüchtet sich das Mädchen in Tagträume und phantasiert sich nach Island, zu Polarbären und der Popsängerin Björk.
Ein von Arte produzierter TV-Film, der die Spuren eines Genozids in Afrika bis nach Frankreich verfolgt und die psychischen Trauma der Überlebenden thematisiert. Mit der Imagination nach Island wird der Nord-Süd-Konflikt ironisch gebrochen. Interessant ist die Unmöglichkeit der formalen Unterscheidung zwischen filmischer Realität und der Phantasie der Protagonistin. Ein eher durchschnittlicher Film mir einigen interessanten Aspekten.

#192 Praxisphilosoph

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Geschrieben 20. März 2009, 16:53

Ich werde reich und glücklich
Deutschland | 2002 | Doris Metz

„Armut kommt von arm an Mut.“ (Jürgen Höller)

ICH WERDE REICH UND GLÜCKLICH beschäftigt sich mit dem Motivationstrainer Jürgen Höller und eine handvoll seiner Jünger und reflektiert dabei die gesamte Branche des „Persönlichkeitsmanagements“. In ruhig komponierten Einstellungen und einer Tonmontage, die den gnadenlosen Egoismus („Ich, ich, ich!“) der beteiligten offenlegt, präsentiert der Film Bilder der quasi-religiösen Happenings, die nur auf ein Ziel ausgerichtet sind: Erfolg, besser sein als andere, Umsatzsteigerung, sich durchsetzen, Kostenreduzierung. Wenn es hilft dürfen die lernwilligen Businessmänner und -frauen in Sakko und Kostüm zu schlechtem Euro-Dance-Trash herum hampeln und sich angeblich motivierende Slogan eintrichtern. In den Interviews wird deutlich, wie sehr sie sich dabei unter Druck setzten und zum Teil heftige „survival of the fittest“-Gedanken zum Ausdruck bringen. „Ich belaste mich nicht mit dem Leid der Anderen“, sagt zum Beispiel eine Nageldesignerin, die von den Laufstegen der Modewelt träumt.
Doris Metz' Dokumentarfilm demaskiert auf erstaunliche Weise die Mechanismen der unerbittlichen Konkurrenzgesellschaft am Rande der Gehirnwäsche und zeigt vom Kapitalismus deformierte menschliche Zombies. Die Verbreitung von biologistischen Erklärungen für den Erfolg (Der Hartz-IV-Empfänger will nicht nur, er kann auch nicht) ist dann auch nicht mehr sonderlich überraschend.
Dass Jürgen Höller gegen Ende mit seiner „Inline AG“ selbst in die Krise gerät und wegen Insolvenzverschleppung in Untersuchungshaft genommen wird, ist ein feiner dramaturgischer Kniff des Lebens. Ein beunruhigender Film über den alltäglichen Horror mitten unter uns.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 20. März 2009, 16:54.


#193 Praxisphilosoph

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Geschrieben 23. März 2009, 17:28

Thomas Pynchon: A Journey Into the Mind of P.
Deutschland/Schweiz | 2001 | Donatello Dubini, Fosco Dubini

Materialreiche Reise durch die Geheimnisse des berühmten amerikanischen Schriftstellers, der bis heute unerkannt in den USA lebt. Der Film versucht sich an einer Verknüpfung verschiedenster historischer Ereignisse, fügt etwas Spekulation und Vermutung hinzu und nähert so dem literarischen Schaffen von Pynchon an. Ein kurzweiliger Film, der sich selbst im Gestrüpp aus Verschwörung, Verknüpfung und Vermutung zu verlieren scheint und damit wunderbar das postmoderne Verhältnis von Historie und ihrer medialen Repräsentation wenn auch unfreiwillig auf den Punkt bringt. Der Film erinnert zudem verblüffend in Inhalt und Form an DAS NETZ von Lutz Dammbeck.

#194 Praxisphilosoph

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Geschrieben 25. März 2009, 12:57

Hit Man
USA | 1972 | George Armitage

Ein Anwalt kehrt zur Beerdigung seines ermordeten Bruders in seine Heimatstadt zurück und gerät in einen Strudel aus Kriminalität und Gewalt in der Pornobranche.
HIT MAN hat alles, was die Blaxploitation-Filme dieser Zeit ausmachten: pulsierender Soul-Jazz, coole Sprüche und eine gute Portion Sex. Leider erfüllen die Figuren nahezu jedes Stereotyp und zwischendurch entwickelt sich die Story doch arg gemächlich.

#195 Praxisphilosoph

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Geschrieben 25. März 2009, 14:40

Das Trio
Deutschland | 1998 | Hermine Huntgeburth

Das alternde Liebespaar Zobel (Götz George) und Karl (Christian Redl) leben zusammen mit Zobels Tochter – entstanden aus einem „heterosexuellen Unglück“ – in einem Wohnwagen und verdingen sich als Taschendiebe ihren Unterhalt. Als Karl stirbt sehen sich alle Beteiligten mit einer dramatischen Wende ihres Lebens konfrontiert.
Oberflächliche und dahinplätschernde Tragikomödie um Liebeswirren – wenigstens toll gespielt.

#196 Praxisphilosoph

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Geschrieben 27. März 2009, 11:10

The Dark Room/Dunkle Kammern - Dark Room
Großbritannien | 1999 | Graham Theakston

Eine Fotografin erwacht nach einem beinahe tödlich verlaufenden Autounfall in einer Privatklinik und kämpft fortan gegen massive Erinnerungslücken. Als ihr Ex-Verlobter und seine neue Freundin ermordet aufgefunden werden, gerät sie unter Mordverdacht. Die Lösung des Falls ist jedoch tief in den „dunklen Kammern“ ihrer Psyche verborgen.

Extrem spannender und zum Teil grandios inszenierter zweiteiliger TV-Krimi nach dem gleichnamigen Buch von Minette Walters, der seine Überkonstruktion und die holprige psychologische Motivation der Figuren mit einer virtuosen Streuung von clues – von Hinweisen, Fährten und Finten – mehr als aufwiegen kann. Sobald man zu glauben weiß, wie sich die Geschichte entwickeln wird, verblüfft eine weitere Wendung und generiert weitere Aufmerksamkeit. Das schwülstige, maßlos aufgesetzte Ende mindert leider den zuvor aufgebauten Eindruck, denn gerade die finale Auflösung des Puzzles macht wirklich Laune. Dervla Kirwan meistert die schwierige Hauptrolle eindrucksvoll und spielt eine junge Frau zwischen purem Trauma und nagender Schuld glaubwürdig und nie überzogen. Weniger gelungen sind die effekthascherische Musik und die unnötige Abarbeitung an Frauen- und Männerklischees.

#197 Praxisphilosoph

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Geschrieben 27. März 2009, 14:53

Die Rote Kapelle
Deutschland/USA | 2003 | Stefan Roloff

Die sogenannte „Rote Kapelle“ war eine lose verbundene, unorganisierte Widerstandsgruppe in Berlin während des Nationalsozialismus, die 1942 zerschlagen wurde. Die Mehrzahl der MitgliederInnen wurden binnen eines Jahres hingerichtet. Im Kalten Krieg begann schließlich die unterschiedliche Aufarbeitung und Einschätzung der Gruppe in Ost und West.

DIE ROTE KAPELLE ist eines der typischen hiesigen NS-Dokudramas, die dem komplexen Thema weder formal noch inhaltlich gerecht werden. Die Aktivitäten des politischen Widerstands werden einmal mehr als individuelle Abenteuergeschichten nacherzählt unter Zuhilfenahme der üblichen dramatisierenden Anordnung von Talking Heads, Fotos, und Archivaufnahmen. Von dem unerträglich emotionalisierenden Musikkonzept über die stolpernde, auf reine Affekte zielende Montage bis zu den stilistisch völlig inkohärenten und unpassenden Spielszenen ist der Film der Prototyp der öffentlich-rechtlichen Geschichtsentsorgung, in der strukturelle Bedingungen, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Zusammenhänge von überhöhten Einzelschicksalen zugekleistert und somit verschleiert werden. Dass es vor allem inhaltlich allerdings noch schlimmer geht, zeigt Guido Knopp.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 27. März 2009, 15:00.


#198 Praxisphilosoph

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Geschrieben 28. März 2009, 15:57

L'ennemi intime/Intimate Enemies
Frankreich | 2007 | Florent Emilio Siri

INTIMATE ENEMIES ist ein glatter, von Ballerei zu Ballerei taumelnder Kriegsfilm, der trotz eingestreuter Kritik am eigenen Militärapparat ideologische Fragmente der französischen Kolonialherrschaft propagiert und die „Feinde“ – die KämpferInnen der FLN – als gesichtslose Bestien darstellt. Der Film nutzt den historischen Konflikt zwischen Algerien und Frankreich als augenschmeichelnden, hübsch ausstaffierten Schauplatz für belanglose, aber mit allen kinetischen Mitteln aufgeblasene Kriegshandlungen, bei denen der gute Soldat auch mal böse sein darf (und umgekehrt). Die Kriegsgegner und ihre Motive, selbst das Kriegsgebiet und seine vermeintlich politischen Implikationen erscheinen aufgrund der nicht vorhandenen Figurenzeichnung und der fehlenden Einordnung in größere gesellschaftliche Zusammenhänge völlig austauschbar und beliebig. Exemplarisch für die nur behauptete Tiefe des Films sei hier die Weihnachtsszene erwähnt, die in ihrer unfreiwilligen Komik, in ihrem triefenden Pathos und Schwülstigkeit nur Abscheu hervorzubringen vermag.

Bearbeitet von Praxisphilosoph, 28. März 2009, 15:58.


#199 Praxisphilosoph

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Geschrieben 02. April 2009, 15:27

Hearts and Minds
USA | 1974 | Peter Davis

Aus über 200 Stunden Rohmaterial (Newsreels, Interviews, Found Footage, Spielfilmszenen und selbst gedrehtes Material) montierte Peter Davis eine 112 Minuten lange kritische Reflexion über den Vietnamkrieg, seine persönlichen und politischen Konsequenzen und den Widerstand dagegen von Teilen der amerikanischen Bevölkerung. Ohne Off-Kommentar und mit einer beeindruckenden Montage, die tiefe Widersprüche und höchst unterschiedliche Wahrnehmungsebenen aufzeigt, gelingt zudem eine Studie über Ideologie und ihrer gesellschaftlichen Verfasstheit. Mit Emile de Antonois IN THE YEAR OF THE PIG und der Kollektivarbeit WINTER SOLDIER der komplexeste, erkenntnisgewinnbringendste und formal anspruchsvollste Dokumentarfilm über den Vietnamkrieg, den ich bisher gesehen habe.

#200 Praxisphilosoph

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Geschrieben 04. April 2009, 06:07

Hongkong Love Affair
Hongkong | 1996 | Peter Chang

Ein Landei aus dem Norden Chinas verlässt die Familie samt Verlobte, um in Hongkong sein (Arbeits)Glück zu suchen. Halt und Trost in der hektischen, befremdlichen Großstadt findet er bei der Verkäuferin Qiao Li (Maggie Cheung). Beide verlieben sich und beginnen eine Affäre, die zwischen Freundschaft, Liebe und sexueller Anziehung pendelt.
Über einen Zeitraum von 10 Jahren erzählt HONGKONG LOVE AFFAIR auf wunderschöne Weise von einer vorherbestimmten Liebe voller Hindernisse, Missverständnisse und Ängste und schrammt nur gelegentlich haarscharf am Kitsch vorbei. Beeindruckend ist das inszenatorische Gespür für Details und kleinen Andeutungen, die mit phantasievollen, visuellen Einfällen dargeboten werden. Eine ausdrückliche Empfehlung für diese poetisch-sinnliche Liebeskomödie, die zeigt, dass die Inszenierung von großen Gefühlen nicht pathetisch, sondern warmherzig und geistreich sein kann.


Bambule
Bundesrepublik Deutschland | 1970 | Eberhard Itzenplitz

Der auf dem Drehbuch von Ulrike Meinhof basierende Film spielt in einem Heim für kriminelle oder anders „auffällige“ junge Frauen und zeichnet das Bild einer repressiven Institution und ihrer autoritären Erziehungsmethoden, die die vermeintlichen Abweichlerinnen wieder zurück in die Gesellschaft eingliedern will. „Man muss lernen, sich zu fügen“ - so lautet die Doktrin der Konkurrenzgesellschaft. Wer sich der Anpassung verweigert, wird bestraft, gedrillt, geformt und geschliffen, bis die aufbegehrenden Subjekte ihren Widerstand aufgeben. Am Ende steht jedoch die „Bambule“ der Frauen, die gewaltsame Revolte gegen ihre Unterdrücker, die zwar scheitert, den Insassen aber zur Erkenntnis verhilft, nicht strategisch und organisiert gehandelt zu haben.
Trotz der deutlichen Allegorie auf die zeitgenössische Gesellschaft der BRD und ihrem politischen Impetus ist BAMBULE niemals phrasenhaft oder moralisch-verklärend, sondern versteht es durch den Charme der Berliner Laienschauspielerinnen und durch die von Hand geführte Kamera eine Authentizität zu erschaffen, die stellenweise einen dokumentarischen Charakter erlangt.

#201 Praxisphilosoph

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Geschrieben 05. April 2009, 05:48

Le Frisson des vampires
Frankreich | 1971 | Jean Rollin

Schleppender und hölzerner Gothic-Horror mir unfreiwilliger Komik, der zumindest einige atmosphärische Szenen zwischen Schauerikonografie und surrealem Setdekor zu bieten hat. Die darin zelebrierte morbide Erotik dient jedoch lediglich als Motivation, junge Frauen beim Ausziehen zu zeigen und erscheint letztlich als schwülstige Altherrenphantasie.


Eierdiebe
Deutschland | 2003 | Robert Schwentke

Schwarzhumorige Tragikomödie mit obligatorischer Liebesgeschichte, die erfrischend und ohne falsche Scham über die schweren Themen Krebserkrankung, Schmerz und Tod erzählt. Insgesamt aber harmlos und glatt.

#202 Praxisphilosoph

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Geschrieben 06. April 2009, 06:07

In This World
Großbritannien | 2002 | Michael Winterbottom

Der 16-jährige Jamal und sein älterer Cousin fliehen aus dem afghanisch-pakistanischem Grenzgebiet und begeben sich auf die beschwerliche und gefährliche Reise über den Iran und die Türkei nach Italien und Frankreich bis nach London.
Winterbottoms mit Laiendarsteller realisiertes Dokudrama rekonstruiert die Migrationsroute aus dem Kriegsgebiet Afghanistans bis nach Europa, die jährlich über eine Million Menschen zu einem besseren Leben verhelfen soll. Dabei streift der Film thematisch ebenso den Versuch der staatlichen Eindämmung der Flüchtlingsströme wie das florierende Geschäft mit dem Schmuggel von Menschen. Die redundante Dramaturgie wirkt auf Dauer ermüdend, dennoch präsentiert IN THIS WORLD einige eindrucksvolle Szenen, die nur gelegentlich ins Melodramatische abgleiten. Nicht anders zu erwarten ist das Fehlen jeglicher Gründe für Migration jenseits der Erwähnung des Krieges. Ökonomische oder politische Hintergründe sucht man hier vergebens, zu sehr interessiert sich der Film für die Leidensgeschichte und die Entbehrlichkeiten der Flüchtlinge.


Heugsuseon/Der letzte Gefangene
Südkorea | 2001 | Chang-ho Bae

Der Mord an einem ehemaligen Polizeichefs führt Inspektor Oh zu einem Rachefeldzug, dessen Gründe bis in den Koreakrieg in den 1950er Jahren zurückreichen.
Stylischer Noir-Krimi mit einem guten Schuss rührseliger Melodramatik, der verblüffend in Inhalt und Form an SHIRI (1999) erinnert. Das im südkoreanischen Mainstreamkino weitverbreitete Motiv des Antikommunismus wird ebenfalls genüsslich zelebriert, hier in Person eines Partisanen, der als gefühl- und skrupellose, menschliche Bestie eingeführt wird. Dem entgegen setzt auch DER LETZTE GEFANGENE die „guten“ südkoreanischen Werte wie Familie, Nation und Volk, Selbstaufopferung und heroischer Tod und feiert damit erzkonservative, rechte Ideologiefragmente, die klebrig-süß von der Leinwand resp. vom Bildschirm tropfen.

#203 Praxisphilosoph

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Geschrieben 07. April 2009, 05:54

Tolle Lage
Deutschland | 2000 | Sören Voigt

Der Campingplatz „Tolle Lage“ irgendwo in der ostdeutschen Provinz: eine handvoll Camper verbringen einen Tag mit großen und kleinen Katastrophen.
Was sich öde anhört, ist es auch. Die vermeintlich skurrilen Figuren und ihre Erlebnisse sind weder witzig noch tiefgründig, die unmotivierte Wackelhandkamera nervt und die kleinen Geschichtchen sind dermaßen unspannend wie der gesamte Film. Warum produziert man so was?
Und: mittlerweile denke ich, Julia Hummer kann überhaupt nicht schauspielern, die Rollen und ihr Spiel sind völlig austauschbar. Wer sie schon mal live musizieren gesehen und gehört hat, ahnt: Sie spielt sich selbst.

#204 Praxisphilosoph

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Geschrieben 09. April 2009, 16:10

Traffic
USA | 2000 | Steven Soderbergh

TRAFFIC erzählt sein Thema konsequent multiperspektivisch und versucht so Zusammenhänge – Ursachen und Wirkungen des Drogenhandels – aufzuzeigen. Dabei werden politische Faktoren wie Korruption oder Aspekte einer Antidrogenpolitik ebenso thematisiert wie die unterschiedlichen individuellen Motive für Sucht, die auf der Makro- und Mikroebene gestreift werden.
Formal gefällt vor allem die unaufdringliche Inszenierung und die passenden, schwebenden Ambientcollagen von Cliff Martinez. Lediglich die Blaukolorierung einiger Szenen wirkt wie der abgenutzte Versuch einer Farbdramaturgie der sozialen Kälte. Der allzu versöhnlichen Schluss schließlich schmälert das Filmvergnügen deutlich, der als naives, sentimentales Zugeständnis an ein Mainstreampublikum gelesenen werden kann.

#205 Praxisphilosoph

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Geschrieben 11. April 2009, 08:57

Seven Pounds/Sieben Leben
USA | 2008 | Gabriele Muccino

Ein Mann (Will Smith) verursacht einen verheerenden Autounfall, bei dem seine Frau und sechs weitere Personen sterben. Als Wiedergutmachung will er nun fortan sieben todkranken Menschen das Leben schenken, indem der seinen gesunden Körper als Transplantationsbank zur Verfügung stellt.
Rührseliges Moralstück über „gute“ Menschen, die „Gutes“ tun, bzw. über solche, die es „verdient“ haben, dass ihnen „Gutes“ widerfährt, über Liebe und Tod, das kitschig-romantisch und ausgesprochen langweilig erzählt wird.

#206 Praxisphilosoph

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Geschrieben 13. April 2009, 10:51

Mr. Magorium's Wonder Emporium/Mr. Magoriums Wunderladen
USA | 2007 | Zach Helm

Visuell überbordender, aber meist zäher Kinderfilm, der kindliches Glück und Phantasie ausschließlich in materiellen Spielzeug verortet und so schon den Kleinen klar macht, welche gesellschaftliche Rolle sie zu spielen haben: konsumieren und Klappe halten. Das Glück kommt dann schon – irgendwann. Wirklich dreist, aber passend zur Ausrichtung des Films, ist das aggressive product placement, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht.


Valkyrie/Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat
USA/Deutschland | 2008 | Bryan Singer

Ist nicht alles eitler Sonnenschein: Jetzt hilft sogar das verhasste Hollywood und der Hubbard-Jünger Tom Cruise mit, die deutsche Geschichte gefällig zu entsorgen. Pirat Stauffenberg wird zum opferbereiten Widerstandskämpfer gegen „die Nazis“ (der aufmerksame Kinogänger fragt sich, wer das eigentlich noch wirklich gewesen ist. Nun, Hitler wohl, aber bei Göring und Göbbels können da schon mal Zweifel aufkommen, sie haben dem Führer ein- oder auch zweimal widersprochen, als es um die Wahl des Mittagsessens ging. Widerstand! Widerstand!) und auch sonst reitet der Film genüsslich auf dem Mythos der sauberen, deutschen Wehrmacht herum. „Alles fürs Heilige Deutschland“ - ich glaube, mir wird schlecht.

#207 Praxisphilosoph

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Geschrieben 14. April 2009, 12:59

Als kleiner Vorgeschmack auf das nächste Woche beginnende GoEast-Filmfestival:

Grbavica/Esmas Geheimnis
Österreich/Bosnien-Herzegowina/Deutschland/Kroatien | 2006 | Jasmila Zbanic

Grbavica – ein Stadtteil in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina: Esma und ihre Tochter Sara hangeln sich mehr recht als schlecht durchs Leben, das von Armut, schwerer Arbeit und der Pubertät der jungen Frau gekennzeichnet ist. Zudem belastet „Esmas Geheimnis“ die Beziehung zwischen Tochter und Mutter.
Formal eher konventionell und bieder erzählt der Film packend von den Spuren der „Balkankriege“ und spürt den verdrängten Grausamkeiten nach, die sich tief in die Menschen und die Stadt eingeschrieben haben. Subtil, feinsinnig und detailreich behandelt der Film das schwierige Thema der Vergewaltigungskinder, in dem die Opfer zunächst lernen müssen, über die Taten und die daraus folgenden physischen und psychischen Narben zu sprechen. Mit dem Ausdrücken des Leides keimt Hoffnung auf – die angesichts der verzweifelten wirtschaftlichen und sozialpolitischen Lage jedoch nur eine individuelle sein kann.

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Geschrieben 15. April 2009, 21:49

Golemata voda/Der Tag, als Stalins Hose verschwand
Mazedonien/Tschechien/USA/Deutschland | 2004 | Ivo Trajkov

Der mazedonische Politiker Lem Nikodinoski wird mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Im Sterbebett erinnert er sich in Rückblenden an seine Kindheit in einem jugoslawischen Umerziehungslager, indem Waisen von feindlichen Soldaten und Kollaborateuren mit zum Teil grausamen Methoden auf stalinistischen Kurs gebracht werden. Lediglich Lem und der mysteriöse Isak verweigern sich der ideologischen Indoktrinierung.
Ivo Trajkov und Kameramann Suki Medencevic erschaffen wunderbar morbide, atmosphärisch dichte Bilder und erzählen die bittere Geschichte mit poetischen, märchenhaften und grotesk-verzerrten Szenen ohne Pathos und Diffamierung. Neben der grandiosen Bildgestaltung ist das virtuose Sounddesign und die ausgefeilte Farbdramturgie herausragend.
DER TAG, ALS STALINS HOSE VERSCHWAND ist trotz des dämlichen deutschen Titels eine eindrucksvolle und bildgewaltige Auseinandersetzung mit der dunklen Seite der stalinistischen Geschichte - märchenhaft überhöht mitsamt metaphysischer Spekulation.

#209 Praxisphilosoph

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Geschrieben 17. April 2009, 13:22

Nappun yeonghwa/Timeless Bottomless Bad Movie
Südkorea | 1998 | Jang Sun-Woo

Seoul, Ende der 1990er: der fiktive Dokumentarfilm begleitet episodisch eine Reihe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, deren Alltag von Obdachlosigkeit, Gewalt, Prostitution, Armut, Kriminalität, Sex, Drogen und heimeliger Popkultur geprägt ist. Ihre Existenz am Rande der südkoreanischen Gesellschaft verstört umso mehr, weil die jungen Leute auf die tabuisierte soziale Ungleichheit mit radikalem Konsum, Fatalismus und sinnloser Reizüberflutung antworten.
Jang Sun-Woos Film, der mit Unterstürzung der Jugendlichen von der Straße und ohne Drehbuch oder sonstige künstlerisch-formalen Vorgaben entstand, ist ein raues, leider zu langes Konglomerat aus Kuriositäten, (Selbst)Ironie und harter sozialer Realität und zeichnet so ein ganz anderes Bild der südkoreanischen Gesellschaft als die geleckte heile (Familien)Welt der hegemoniellen Filmkultur. Für mich immer wieder unangenehm überraschend ist die freiwillige Unterwerfung unter die brutalen Praktiken der autoritären, patriarchalen Machtverhältnisse, wobei der Film einen Hauch von Revolte und Auflehnung gegen die restriktiven sozialen Gesetze versprüht. TIMELESS BOTTOMLESS BAD MOVIE ist auch in seiner formalen Ausgestaltung aufregend anders, da der Film Texttafeln, Offkommentar, Dokumentar- und Spielszenen ebenso mixt wie Zeichentrick- und Tanzsequenzen, schneller ablaufende Kurzfilme und Videospielausschnitte. Der Film scheint nur eine Regel zu kennen: keine Regel.
Ein schräger, kompromissloser, aber auch wirrer Trip!

#210 Praxisphilosoph

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Geschrieben 18. April 2009, 10:32

Frontière(s)/Frontier(s)
Frankreich/Schweiz | 2007 | Xavier Gens

Der Anfang des Films versprach einiges: Die Verquickung von sozialen Riots mit der Banlieu-Problematik und faschistoiden Cops, dazu Protagonisten aus der Unterschicht. Als jedoch die Flucht aus Paris gelingt und der Film seine zum Gähnen langweilige, zigmal erzählte Backwood-Story samt degenerierter Schlachterfamilie ausbreitet, wird es mehr als albern. Jedes dramaturgische, formale und inhaltliche Klischee wird bedient, auf eine pfiffige Genrevariation wartet man vergebens und wenn der Obernazi seine SS-Sprüche nuschelt, wird es hochgradig peinlich und unfreiwillig komisch. Der dabei etablierte gesellschaftliche Rahmen dient nur dazu, immer brutalere und geschmacklosere Tötungsszenen aneinanderzureihen.

Ich hoffe, MARTYRS geht intelligenter zu Werke – À L'INTÉRIEUR scheint ja eine ähnliche Aneinanderreihung von Klischees zu sein.





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