29.06.05 – Das Stendhal Syndrom, Italien 1996
(Nachts um 2:00 auf einer Parkbank…)
Argento ist einer meiner Lieblingsregisseure, auch wenn er es einem in den letzten Jahren nicht unbedingt mehr so einfach macht. "Stendhal Syndrom" war von mir schon eine Ewigkeit nicht mehr gewürdigt worden und ich hatte ihn eigentlich nicht als sonderlich gut in Erinnerung. Ähnlich wie bei "Trauma" konnte ich mich seinerzeit mit dem Argento der 90er wohl nicht auf Anhieb anfreunden. In den letzten Jahren wuchs aber das Interesse an gerade diesem Streifen erneut, denn das Titel-stiftende Phänomen ist schon eines, das meine erogene Zone für alles Unheimliche besonders stimuliert (hab’s ja mit Gemälden in Filmen). Nur leider fehlte es lange an einer anständigen Veröffentlichung in bequemer Reichweite. Dem leistete SPLENDID nun Abhilfe, was sehr löblich ist.
Ja, ich bin wahrlich froh mal wieder euphorisch verkünden zu können, dass die lang vermisste Magie doch noch einmal Wirklichkeit werden konnte. Ein argentoesques Zufriedenheitsgefühl machte sich breit, wie schon ewig nicht mehr. Behilflich mag da vor allem sein, dass ich mittlerweile kein orthodoxer Gläubiger mehr bin, der nichts anderes akzeptieren mag, als immer nur das Altbekannte. Dieser Argento ist ein deutlich anderer, verglichen mit den Werken davor. Kaum bunte Lichterspiele, kein Metal-Geplärre, kein treibender Horror-Soundtrack. Nicht einmal schwarze Lederhandschuhe, die den nächsten Mord heraufbeschwören. Sogar die Handlung ist diesmal ziemlich ausgewogen und wird von den dezenter eingesetzten Stilmitteln gut getragen und nicht von ihnen überflügelt. Dies ist sicherlich einer der rundesten Filme des Meisters. Das soll aber nun nicht heißen, dass mir seine alte Handschrift plötzlich missfiele. Doch davon gibt es ja bereits so einiges, also warum nicht auch mal etwas anderes?
Lustig fand ich, dass einige Stellen, die ich erst für typische Schwächen hielt, am Ende mal keine waren. Ich war schlussendlich richtig froh um eine geglückte Auflösung.
Das Ende erahnte ich ja schon im Voraus und als es nahte, betete ich regelrecht, dass ich mich nicht irrte. Noch Mal ein kurzer Moment des Bangens, als da diese Leiche aus dem Fluss gezogen wird…, jedoch ich hatte Glück. Nach einigen halbgaren Pleiten der letzten Zeit brachte mich das richtig zum Mitfiebern.
Besonders gefiel mir dieser deutliche Bruch in der Tonart, den der Killer mit seinem Gang über die Klippen einläutet, was zunächst gewaltiges Stirnrunzeln bereiten dürfte. Normalerweise ist so ein Abgang das Ende eines solchen Filmes und auch, wenn das wenig befriedigend wäre, einem Giallo trägt man das ja nicht unbedingt nach. Dieses Mal aber beginnt hier erst der wirklich interessante Teil von „Stendhal Syndrom“. Ein Wechselbad der Gefühle. Das alles ist unserem Dario gut gelungen, bis hin zur letzten Einstellung, die einen seltsam entrückt aus dem Werk entlässt. Morricone sei Dank funktioniert das alles prima.
Auch Tochter Argento macht ihren Job ziemlich überzeugend, das muss hier mal gesagt werden. Man wirft ihr ja manchmal vor nicht schauspielern zu können und vielleicht kam sie da tatsächlich etwas langsam in die Schlappen, aber in diesem Film passt meiner Meinung nach das, was sie zum Besten gibt, ausgezeichnet in das Gesamtkonzept des Werks. Und sie sieht gut aus. Nicht langweilig gut, sondern eben gut!
Ein Film, den ich mal in eine Reihe mit Lieblingen der etwas anderen Gangart stelle, die es besonders verstehen, mich zu verführen, wie zum Beispiel „La Casa dalle Finestre che Ridono“. Die leiseren Töne sind eben doch die lautesten, wenn es um feinen Horror geht…
So, es beginnt wieder zu regnen, was für meinen kleinen Palm nicht gut ist, und es wird Zeit, ins Bettchen zu fallen und noch ein wenig der schönen unheimlichen Melodie in meinem Kopf zu lauschen...
Bearbeitet von FakeShemp, 11. Oktober 2008, 07:42.