20.11.05 – The Descent, England 2005
Argh…!
Das ist mal wieder typisch…! Zu viele Filme können einem die Sinne verkleben, so wie Kaugummi angeblich den Magen, was aber nur eine Legende ist. Man kann Kaugummi ruhig hinunterschlucken. Glaube ich zumindest….
Schlucken jedoch kann ich meinen alten Tagebucheintrag zu „Descent“ nicht mehr. Losgelöst vom FFF’05 war meine Erfahrung diesmal eine ganz andere. Ein paar kleinere Schönheitsfehler bleiben, doch nun meine ich einen der besten und schneidigsten Horrorfilme der letzten Jahre gesehen zu haben. So viele schöne verstörende Ideen und Bilder, bis auf ein wenig missglückte CGI-Kacke, aber na schön. Dass die erste Hälfte schon sehr stark ist, das empfand ich ja damals beim FFF’05 bereits so. Das von mir so betitelte und damit herabgewürdigte “Monsterschlammcatchen“ im zweiten Abschnitt hatte sich in meiner Erinnerung allerdings nur zu einem solchen aufgebläht, als ich den ersten Eintag verfasste. Jetzt empfand ich das alles nämlich gar nicht mehr so, sondern als sehr ansehnlich und vor allem, es machte Sinn. Im Prinzip, so meine einfache Sichtweise von sicherlich unzähligen Interpretationsmöglichkeiten, begeben sich die “Tunnelforscherinnen“ im Film natürlich nicht nur hinab in die Dunkelheit eines unbekannten Höhlensystems, um eine Dosis Horror von der Stange zu erleben, sondern selbstverständlich steht das alles auch für eine Konfrontation mit dem vorzivilisatorischen Selbst, das da tief verschüttet in ihnen schlummert. Oder so in der Art.
Um so tiefer sie “schürfen“, desto mehr schauen sie letztendlich in einen Spiegel, und was ihnen entgegenblickt, roh und blind, sieht gar nicht mehr so ansehnlich aus. Der Blick geht sozusagen nach innen. Aber es wäre ja langweilig, wenn man dazu nur einen zähen Vortrag von der Kanzel hören würde. Viel besser ist es doch da, dass es den Horrorfilm gibt. Da hat man einfach mehr davon!
Im Prinzip ist „Descent“ eine sehr rohe und düstere Variante von Boormans „Deliverance“. Doch trotz seiner Rohheit ist es Marshall geglückt, den rechten poetischen Ton anzuschlagen, der auch Filme wie „Texas Chainsaw Massacre“ oder eben „Deliverance“ zu mehr machte, als bloßes Angstkino. Ein wildes und irgendwie anregendes, grausiges Kinoerlebnis. Genial!
Sein größter Horror ist und bleibt allerdings das Spiel mit der Klaustrophobie zu Beginn. Ich konnte es wieder kaum ertragen und entwickelte geradezu einen Wahn, mich geistig in eine solche Situation zu versetzen. Das ist so unaussprechlich monströs grauenhaft, dass ich mich jetzt richtiggehend vor entsprechenden Albträumen fürchte…
Den Schluss fand ich diesmal auch sehr schön. Tja, so kann’s gehen.
Der Aufrichtigkeit halber aber unten noch der veraltete Tagebucheintrag. Da hatte ich nicht alle beisammen…
09.08.05 – The Descent, England 2005 - gesehen auf dem FFF'05
Argh...!
Das ist mal wieder typisch! Ein in Sachen Horror guter Anfang wird dem geopfert, was guter Horror nicht ist: Action. Action und zugegebenermaßen deftige Splattereinlagen. Aus dem Motiv Platzangst zum Beispiel hätte man sehr viel mehr herausholen können. Einen Film, den man wirklich kaum noch ertragen kann. Und auf dieser Grundlage dann aufbauend eine lange Zeit ungewisse Bedrohung der monströsen Art, als ultimativer Verstärker des klaustrophobischen Horrors, aber letztendlich auch Antrieb, plötzlich doch dem einen oder anderen Engpass zu entschlüpfen. Jedoch nein, nach anfänglichem Gang in die exakt richtige Richtung - das Steckenbleiben der einen Dame in dem engen Felsendurchgang brachte mich beinahe an den Rand eines autosuggestiven Erstickungsanfalls - geht das altbekannte Haudrauf-Schema wieder los. Aus ist's mit dem echten Horror, willkommen beim Monsterschlammcatchen. Und das selten dämliche Ende rundet den Absturz in die Belanglosigkeit noch perfekt ab. Da bin ich ja richtig froh, dass Tolstoy nicht mit ist, weil sonst hätte ich mir dessen triumphverzerrte Visage auch noch zumuten müssen und -
das - ist der König allen Horrors…!
Ein Happening der vertanen Chancen. Ich will mal ein wenig träumen:
Endlose Kriechereien durch engste Passagen; Atemnöte; Panikanfälle; Verzweiflung; Resignation und immer mal wieder das drohende Feststecken in irgendwelchen winzigen Spalten. Man hätte sich da wunderbar ausspinnen können. Erlösende Bewusstlosigkeit am Rande des Wahnsinns mit einem Traum von großer Freiheit, der jäh wieder zurück in die Hölle “morpht“. Tausend Sachen fielen mir da ein…
Aber kaum tauchen die Gollum-Kreuzungen auf, werden aus den Mädels abgebrühte Lara Crofts mit Superkräften, die noch lange im Heim der kahlen Monstren aus der Tiefe für Albträume sorgen dürften. Dann gibt es auch keine engen Passagen mehr, oder auch nur irgendetwas, das fühlbar beängstigend wäre. Natürlich aber darf sich einmal mehr der Genre-Neuling auf einiges gefasst machen. Fortgeschrittene Zuschauer sollten nach der viel versprechenden ersten Hälfte aber besser gehen.
Trotzdem: Solider Monsterreißer, mit unglaublich kruden Effekten, der nur gemessen an dem, was er wirklich hätte sein können, armselig wirkt.