Hoolio's Inn
#1
Geschrieben 06. August 2008, 13:34
Dann werde ich es mal versuchen mit dem urdemokratischen Supermedium Filmtagebuch. Hätte nämlich das eine oder andere zu berichten. Als Filmfan, als Redakteur, als Mensch. Muß aber erst mal checken, wie das alles geht. Und zwar per Selbstversuch. Kann also nen Moment dauern, bis es richtig los geht. Dann mehr.
#2
Geschrieben 06. August 2008, 19:12
Ich bin Jahrgang 64 und filmverrückt, seit ich denken kann. War gar nicht so einfach, damals in den 70ern im Kohlenpott, mit autoritärem Papi (Jahrgang 20, Heil!), stets besorgter Mami und drei TV-Programmen, auf denen ich alleine die für Kinder hundertprozentig geeigneten Sachen sehen durfte (Pan Tau, Schweinchen "Splatter" Dick). Geholfen hat mir dann das zuständige Vorortkino mit seinen Kindermatineen Sonntags um Zwei. Dort lief in den 70ern eine gesunde Mischung aus pädagogisch wertvollen Kinderspielfilmen (Pippi L. & Co.), Toller-Käfer-Klamauk, japanischen Monsterfilmen und älteren Sandalenepen a la "Herkules gegen Vampire", die zwar nicht für Kinder gemacht waren, inzwischen aber selbst von meinen Eltern als kindgerecht eingestuft wurden. Diese Mischung trug dazu bei, mich früh mit asiatischer und mediterraner Filmsprache vertraut zu machen, weshalb es auch später zum Glück nicht immer Hollywood sein mußte.
Besuchte man solche Kindervorstellungen, passierte man automatisch ein Spalier von Filmplakaten und Aushangphotos, die für Vorstellungen warben, welche ganz und gar nicht an Kinder adressierten. Von irgendwelchen Reporten oder geschändeten Hexen war da die Rede und noch mehr das drastische Bild, Italowestern, Reitende Leichen und Dirty Harry warfen ihre Schatten voraus und kündeten von dunklen Geheimnissen, die man lieber heute statt morgen ergründet hätte. Doch ach, mit dem Zerberus an der Kartenabreisse war als Dreikäsehoch nicht zu reden.
Also malte man sich die Geheimnisse in der Fantasie aus (schlimmer) und behalf sich mit Sekundärliteratur aus der Stadtbücherei. Bei Büchern nämlich gab es keinen Jugendschutz. Kein Schwein interessierte sich dafür, ob man in der Leihbücherei Pumuckl, das Westernlexikon von Joe Hembus oder etwa Sf-Stories von Harlan Ellision auslieh. Oder im Stadion Knallfrösche warf. Allein Filme waren gefährlich. Also kannte ich alle Djangos dem Inhalt nach, lange bevor ich, ebenfalls in einer Jugendvorstellung mit Dutzenden anderer kreischender Kinder, meinen ersten Italowestern sah in Gestalt von "Lasst und Töten, Companeros". Mit elf war ich dann in Lina Romay verliebt, allein dank der Aushangphotos von "Frauengefängnis", übrigens dem dritterfolgreichsten Film des Jahres 1975.
Anfang der 80er dann öffneten sich alle Tore. Der Zerberus am Einlaß war inzwischen ein guter Kumpel, von dem man man auch Plakate bekommen konnte ("The Warriors"!), die Kartentante hielt einen des besseren Geschäftes wegen für 18, und im Kino und dem frisch gekeimten, noch rundum anarchistischen Videomarkt rollte eine Hardcore-Horrorwelle ersten Ranges. Uns interessierte eigentlich alles, ob "Eis am Stiel", James Bond, "Exterminator" oder "Lili Marleen". Verantortungsbewußte Deutsch- und Lateinlehrer schickten einen zudem der humanistischen Bildung wegen in Fellinis "Satyricon" und Polanskis "Macbeth", was ebenfalls seine Furchen auf unseren jungen Seelen hinterließ. Das war die Zeit, in der man sich in großem Stile Namen auch von hinter der Kamera zu merken begann. Und die Absicht reifte, das alles irgendwann mal zu einem Beruf zu machen.
Bei mir dauerte das zwar etwas länger als bei anderen, aber dafür war ich in den 80ern nicht nur ein astreiner Aso und Fußballrowdy, sondern auch Mitglied in x jugendlichen Videocliquen mit allem, was das an Engagement und Gelegenheitskriminalität mit sich brachte. Über befreundete Punker geriet ich irgendwann an die Fanzines (Howl), und von den Fanzines zur Mainstream-Presse war es dann auch kein weiter Weg mehr. Trotz fehlendem Schulabschluß (ich bin der Antilehrer). Seit 92 schreibe ich für die beiden führenden deutschen Branchenmagazine (Video/DVD und Kino), was bis heute wenig an Reiz verloren hat. Deshalb liegen meinen Reviews auch zuweilen Presse-Screener zugrunde.
So here we are. Endlich kann ich wieder umsonst schreiben. Über Filme und Verwandtes. Ohne Schranke und Schere. Einfach nur locker drauflos reflektieren und mich mit anderen Kulturbürgern austauschen. Mit sogenannten Spoilern muß dabei jederzeit gerechnet werden, ich komme aus der Joe-Hembus-Schule und will (manchmal) komplexere Betrachtungen anstellen. Keine Ahnung, wie viele das hier lesen, aber ich war schon immer eher für Qualität als Quantität. Außerdem bringe ich vielleicht ein paar neue Leser und Aktive mit, mal sehen, wie meine heutige, recht umfangreiche Film-, Kollegen- und Freundesgemeinde das hier so aufnimmt.
Grüße erstmal unbekannterweise an Cjamango. Dich lese ich seit Jahren mit dem größten Vergnügen und schätze deinen Stil. Du bist quasi Schuld daran, daß ich jetzt auch so ein Tagebuch anfange. Hatten übrigens Ende der 90er mal für ein paar Jahre dieselbe Plattform (S.I.). Beste Grüße auch an alle anderen, hoffe ihr habt mit meinem Shit some Fun (um mal wie eine Medienmuschi zu denglisieren).
#3
Geschrieben 07. August 2008, 03:57
Zwei tolle Hechte auf dem Weg zum Himmel
(I 74 / Premiere Nostalgie)
gibt. Für so etwas habe ich Premiere schließlich abonniert. Und nicht für "Dreckschwein Rudi Rüssel" oder "Ein Duck kommt selten allein", die zur selben Zeit laufen. Premiere hat seine Vorteile, wenn man Filmfreund und Fussballfan ist. Und vielleicht noch auf Serien steht wie "Die Sopranos", "Rom", "Deadwood" oder "Seinfeld". Zwar muß man zuweilen schlimm gekürzte Fassungen ertragen (so wie "Zwei Hechte") und einen pathetisch raunzenden Sabbelheinz von Programmsprecher, Unterföhrings Antwort auf ein Knalltrauma, der einen nach einem ordentlich Werbebreak lechzen läßt. Aber dafür gibt es tagsüber alte Filme, und das kann einem als daheim arbeitender Cineast schon etwas wert sein. Und, mit Verlaub, ich habe kein Presse-Abo, sondern zahle selbst.
"Zwei Hechte" ist ein Film von Giuseppe Colizzi. Der ist zwar nicht so berühmt wie Vittorio de Sica oder Umberto Lenzi, leistete aber in den späten 60ern und frühen 70ern mit Sachen wie "Vier für ein Ave Maria" oder "Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle" einen recht gewichtigen Beitrag zu einem berühmten evolutionären Prozess im italienischen Genrekino, der Verwandlung des Italowestern in den Prügelklamauk. Auch der bemerkenswerte und unkonventionelle "Hügel der blutigen Stiefel" ist von ihm, aber davon merkt man bei "Zwei Hechte" nichts. Dafür spielen hier mal nicht Bud Spencer und Terence Hill das prügelnde, sprücheklopfende Duo, sondern Tom Skeritt und Keith Carradine!
Joe (Carradine) kommt aus Amerika nach Sizilien, um einen Mafiaboss heimzuführen ins Reich des Guten, bevor ihm einheimische Unterweltler an den Kragen können. Unter wüsten Beschimpfungen, die schweren Rainer-Brandt-Verdacht nahelegen ("Keine falsche Bemerkung, oder ich drück dir 'ne Locke in die Fontanelle!"), hängt man in einer wilden Verfolgungsjagd die hemmungslos herumballernden Verfolger ab und rettet sich auf ein Segelboot, das Joe allerdings nicht steuern kann. Also wird flugs mit vorgehaltener Wumme der nächste Tintenfischer engagiert, und der entpuppt sich als "Alien"-Kapitän Tom Skeritt.
Wie die beiden Amis in diese durchgeknallte Schote geraten sind, ist mir schleierhaft. Zwar war es in den 60ern und 70ern für viele amerikanische Schauspieler üblich, "zur Erholung nach Italien" zu fahren. Doch meistens mußten diese vorher einen entsprechenen Hit in Europa gelandet haben oder vom Ruhm einer goldenen Vergangenheit zehren. Skeritt und Carradine taten nichts von beidem, und waren meines Wissens weder davor noch danach in anderen Italo-Genrefilmen zu entdecken. Als Spencer/Hill-Vertreter dürften sie für das damalige Publikum eine Enttäuschung gewesen sein, und als Schauspieler sind sie schlicht zu gut für diesen Rahmen. Trotzdem scheinen sie ihren Spaß zu haben, selbst dann noch, wenn Colizzi sie in Frauenfummel steckt oder mit vollem Ornat ins Mittelmeer wirft. Vielleicht liegt's ja an Sybille Danninger, die als Gretchen mit Brille und neckischen Zöpfchen mit auf große Fahrt geht und dabei wenig mehr zu tun hat als den von zeittypischen Hot Pants mehr schlecht als recht verhüllten Popo in die Kamera zu recken.
Beinahe ein Roadmovie, wenn man so wollte. Und es nicht zur Hälfte auf dem Wasser spielte. Collizi hat danach nicht mehr viel getan und starb 1978 quasi in seinen Stiefeln bei den Dreharbeiten zur unvollendeten TV-Satire "Switch". "Zwei Hechte", der in D auch auf den schönen Namen "Dynamit in der Schnauze" hörte, ist sicher kein guter Film, aber ein interessanter. Vielleicht veröffentlicht man ihn ja mal in seiner Originallänge auf DVD. Und nun flugs den DVD-Player aktiviert, denn die Arbeit ruft.
Shiver
(E 08 / Legend/UFA)
Schön, wenn man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann: "Shiver" läuft in diesem Jahr auf dem Fantasy Filmfest. Zehn Moppen gespart. Ein spanischer Horrorfilm. Und wo spanischer Horror drauf steht, da sind Werwölfe oft nicht weit. Keine Ahnung, woher dieser Mythos stammt. Bei Dracula und Frankenstein kann man es ja literarisch festmachen. Aber bei Lycantrophen? Auf jeden Fall hatten die Spanier mal einen echten, im vorigen Jahrhundert. Manuel Romasanta. Julian Sands hat ihn gespielt für Brian Yuzna, aber das ist eine andere Geschichte.
Hier jedoch sieht zunächst mal alles nach Vampiren aus. Und nach der wohlbekannten Geschichte vom Teenager-Sonderling, den alle mobben. Bis das der Wurm zurück schlägt. Ein Jüngling namens Santi verträgt das Sonnenlicht nicht. So schlimm ist es, daß die Ärzte den baldigen Exitus durch Hautkrebs prognostizieren, wenn Santi nicht mit seiner als Übersetzerin tätigen Mama alsbald aus der Sonne Kataloniens in die nebligen Berge der iberischen Nordküste umsiedelt. Da ihn ohnehin die ganze Schule als "Vampir" mobbt, fällt die Entscheidung leicht.
Doch auf dem Land ist es nicht viel besser. Zwar kommt Santi mit dem Wetter besser zurecht, doch auch hier betrachtet man den Kapuzenträger mit Misstrauen. Zumal es just mit Santis Ankunft zu einigen unschönen Todesfällen kommt, bei denen den Opfern die Kehle praktisch weggerissen wurde. Um besser an ihr Blut zu kommen, wie der Dorfbulle goldrichtig folgert. Und weil Santi dabei öfter mal in der Nähe weilt, macht ihn das höchst verdächtig.
"Shiver" ist kein Film der krachigen Effekte. Sein Schrecken ist der von der schleichenden Sorte, und manches kommt anders, als man denkt. Ein deutsches Mädchen spielt eine Rolle, es geht um wilde Kinder und um vertuschte Geheimnisse. Hinterwaldhorror, Werwolfhorror, Familienhorror, von allem ein bißchen, und nichts wirkt sonderlich übertrieben. Im Gegenteil. Fast für jeden Vorgang werden rationale Erklärungen bemüht. Und doch trifft der Horror auf den Punkt. Es gibt Momente, die sind glattweg zum Fürchten. Nur eine effekthascherische Nachtwanderung im "Blair Witch"-Stil fällt aus dem Rahmen und unangenehm auf. Aber das ist ein läßliches Vergehen in diesem ansonsten fesselnden, gut gespielten Film mit wunderschönen Bildern. Kann man gucken, sollte im Kino noch eindrucksvoller wirken.
Und noch mal Fantasy Filmfest 2008. Ein Film, auf den viele warten.
Mother of Tears
(I 07 / Koch Media)
"Mother of Tears" ist ein Film der krachigen Effekte. Sein Schrecken ist der von der brachialen Sorte, und alles kommt genau so, wie man denkt. Leider. Und doch: Hoffnung keimt.
Es gilt seit langem als ausgemachte Sache, daß mit Dario Argento nichts mehr los ist. Puristen ärgerten sich bereits über das Heavy-Metal-Gefiedel von "Phenomena", auch wenn da im Vergleich zu heute die World of Horror noch voll in Ordnung schien. Auch "Opera" lief noch unter geht noch, lief auf dem Howl Weekend of Fear 89 gar "TCM 2" und "A Better Tomorrow 2" den Rang ab, was nicht so leicht war. Aber spätestens mit "Trauma", "Stendhal-Syndrom" und dem "Phantom der Oper" war die Geduld auch der größten Fans erschöpft, und zuletzt sah man den Maestro vom Ruhm alter Tage in mittelprächtigen TV-Produktionen zehren. Nun aber: La Terza Madre. Back to the roots, Fortsetzung der Heiligtümer "Suspiria" und "Inferno", Mater Lacrimarum sieht rot. Und wer weiß, vielleicht geht ja wieder was.
Ein Artefakt wird ausgebuddelt auf einem süditalienischen Friedhof, randvoll mit okkultem Nippes unheilschwangerster Bedeutung. Ab damit nach Roma, wo Archäologin Asia Argento gar nicht so schnell Kreisch sagen kann, wie ihre Kollegin massakriert totfällt. Zum Glück wacht eine gute Macht über Asia, auf daß sie nachforschen, Leute wie Udo Kier treffen und nackt duschen kann. Ja, wie denn sonst duschen. Aber ein komisches Gefühl beschleicht einen doch immer wieder, wenn Papa Dario seine Tochter auszieht. Ein Gefühl wie, nun ja, Grusel eben. So gesehen Zweck erfüllt. Ist schließlich ein Gruselfilm.
Es sind noch mehr Moepse zu entdecken im blutigen Treiben, was manchen Rezensenten bes. aus der Horrorfankurve übel aufzustoßen scheint. Das wird mir immer ein Rätsel sein, die Sexfeindlichkeit typischer Horrornerds and -dorks. Sollen doch froh sein, daß sie mal eine nackte Frau zu sehen kriegen. Auch wenn's einer Hexe eigentlich unwürdige Plastiktitten sind. Kann die sich keine Echten zaubern? Egal. Mama Lacrimarum macht nicht lange rum um den heißen Brei, Mord und Totschlag stehen auf ihrem Panier. In ganz Rom geht es plötzlich los. Vormals friedvolle Vespa-Fahrer gehen einander auf offener Piazza in hellem Tageslicht an die Gurgel. Dahinter gehen Leute einkaufen, ohne was dabei zu finden. Ganz schön gruselig, das auch. Aber wieder nicht in dem Sinne, den Gruselfreunde sich wünschen.
Asia derweil stellt fest, daß sie wohl so etwas wie die Geheimwaffe gegen die böse Hexe ist. Eine gute Hexe vielleicht, weiß und rein wie Schnee. Und als solche muß sie natürlich besonders theatralisch sterben, findet Mater Lacrimarum. Es gibt Leute, die glauben zu wissen, daß Argento mit mehr Geld vielleicht etwas besseres angezettelt hätte als den Anticlimax am Schluß. Etwas Bosch-mäßiges vielleicht (Hieronymus, nicht die Waschmaschine). Beim nächsten Film, programmatisch "Giallo" betitelt und mit Starbesetzung, sollen es immerhin 14 Mio. sein. Hier war es deutlich weniger. Doch wenn der Film nicht funktioniert, liegt's nicht nur am Geld.
Der Stil fehlt. Leider. Immer noch. Wo sind die perlenden Klangkaskaden zu schwindelerregenden Kamerafahrten im Art-Deco-Vollrausch. Statt dessen Spacken, die sich auf der Straße kloppen. Und schlechte Schauspieler, die hölzern in fremden Zungen reden (englisch). Wenn man nicht wüßte, daß Asia es besser kann, müßte man vermuten, daß sie allein wegen Papi spielen darf. Und ist vielleicht auch Claudio Simonetti längst neben der Spur? Dessen Musikteppich so oft eine Bank war. Hier bleibt davon wenig in Erinnerung. Doch blutig, oh meine Freunde, wird es in der Tat. Splatterfreaks dürfen sich die Hände reiben, nie zuvor wurde in einem Argentofilm soviel graphisches Gemetzel angerichtet. Fulci wäre neidisch. Ist es das, worauf man sich freuen kann?
Argentofans, seht selbst. Ich sage: Es lohnt sich. Trotz aller Schwächen. Man mag die Augen nicht abwenden, es ist wie bei einem bizarren Unfall. In manchen Szenen schimmert etwas durch, das an alte Klasse erinnert. Doch vielleicht wünsche ich mir das ja auch nur. Bin befangen. Liebe den Kerl.
Bearbeitet von hoolio21, 07. August 2008, 04:45.
#4
Geschrieben 09. August 2008, 03:16
Philosophy of a Knife
(Rus 08 / Import)
fabrizierten.
Freitags ist bei mir geselliger Abend. Manch Fachmann, Freund, Kollege, Femme fatale schaut da regelmäßig vorbei, je nachdem, was auf dem Spielplan steht. Heute waren wir zu dritt, was trotz Sommerferien nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist für den Film des Abends. Nur Roland und Thorsten (sorry für das nur, Jungs), normalerweise sind wir von Fünfen aufwärts. Liegt wohl am etwas schwierigen Thema. "Philosophy of a Knife" handelt von einem medizinischen Versuchslager der Japaner im II. Weltkrieg. Und der berühmten Einheit 731, von der ja auch der Superschocker "Men Behind the Sun" reportiert.
Ein bizarrer Ruf eilt "Philosophy" voraus. Über vier Stunden lang, schwarzweiß, Stummfilm, historisch akurat, künstlerisch ambitioniert, nichts auslassend, hyperheftig. Glaubt man den (zumindest im Augenblick noch) durchweg euphorischen User Comments in der imdb, so öffnet sich hier nichts weniger als das Siebte Tor zur Splatterhölle. Von atemberaubenden Gore-Szenen ist da die Rede, "Men Behind the Sun" sei "The Sound of Music" in Gegensatz zu diesem. Nun, bezogen auf die handwerkliche Qualität stimmt zumindest letzteres.
War "Men Behind the Sun" eine ernsthafte Geschichte, die mit professionellen Darstellern, versierten Handwerkern hinter der Kamera und einigen ihrer Zeit um Langnasenlängen voraus eilenden Spezialeffekte eine den Chinesen am Herzen liegende und den Japanern ungemein peinliche Horrorepisode der jüngeren gemeinsamen Geschichte mit für solche Verhältnisse erstaunlich differenzierter Charakterzeichnung so photorealistisch wie möglich vortrug, so ist, um nun zum zweiten Teil meines fetten Riesensatzes zu kommen (fuck you, Schlußredaktion), "Philosophy of a Knife" bloß eine Aneinanderreihung dokumentarischer Kriegsgreuelbilder obskurer Herkunft, unterbrochen von einem Wust an billigst operiertem Splattergewühle in leeren, tranig exekutierten und artsyfartsy montierten Spielszenen, bevölkert von allenfalls einem Dutzend selbst unter schwerster Folter emotionslos dreinglotzenden Laienschauspielern. Bzw. Nachbarn, die, vermutlich für den Gegenwert einer Wodkabottle mit in den Keller gingen, um Innereien zu halten. Und es weder für nötig halten, Klamotten, Frisuren oder MakeUp der anvisierten Ära auch nur im geringsten anzupassen.
Wie schlecht? Kennt einer die Filme von Andreas Schnaas, frühe vielleicht noch? Eine Frage, die anderswo gewiß Kopfschütteln hervor riefe, wird hierorts, so dünkt mir, sicher von manchem mit ja beantwortet. In dessen Stile etwa. Für alle anderen: Schnaas nachsitzen, Heimatkunde Leistungskurs. Auf plumpste Weise werden so u.a. Föten gerippt, Unterleiber ausgeschabt, sämtliche Zähne gezogen, Köpfe separiert, gespalten, geschält und gegahrt. Den Schöngeistern auf der imdb reicht das offenbar aus, um Höchstwertungen zu zücken.
Versteht mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen trashige Interpretationen historischer Tragödien, so sie auf ihre Art Haltung wahren und einen gewissen Unterhaltungswert besitzen. Bin der erste, der "Apocalypse Now" oder "Gestapo's Last Orgy" vor Gericht verteidigt. Aber das hier ist einfach nur peinlicher, anmaßender, unfaßbar langweiliger Amateurquark bar jeder Interpretationswürdigkeit. Der gespielte Teil des Ganzen jedenfalls.
Der andere, und das sind bei gestoppten 260 Minuten Spieldauer(!) immerhin gut deren mal geschätzte 120, verdient eine gesonderte Betrachtung. Als einer, der im Profil bei Interessen Geschichte einträgt, bin ich für jeden seltenen historischen Dokumentarfilmfetzen dankbar. In welchem Rahmen auch immer. Obwohl: Bei Guido Knopp streike ich (der Punkt geht an "Philosophy"). Je älter, unkommentierter und roher, desto lieber. Und davon gab mir "Philosophy" reich. Keine Ahnung, ehrlich gesagt, wieviel davon wirklich im Zusammenhang mit der hier thematisierten historischen Episode stand. Aber es vermittelte einen Eindruck aus aufregenden Zeiten aus einer anderen Perspektive als der unseren. Noch ne Punkt.
Und dann ist da dieser Überlebende. Ein älterer Herr, Russe aus Harbin, der angeblich damals in der Mandschurei Dolmetscherdienste für die Japaner leistete. Im Gegensatz zu den hiesigen Schlächtern wollten die wirklichen Weißkittel von der 731. ja wirklich etwas von ihren Versuchen und damit auch den Opfern erfahren. Und dieser Tat- und Augenzeuge nun bekommt bestimmt eine Dreiviertelstunde Sprechzeit und hat tatsächlich Auschlußreiches zu berichten. Über die Beschaffenheit des Lagers, das Wesen der Japaner, die ja auch nur Menschen waren, über die ungestörte Abreise der Hauptverantwortlichen und ihren gewichtigen Beitrag zur modernen Medizin, über die Farce eines späteren Prozesses und Wohltaten von Väterchen Stalin.
Wer nicht angesichts der Spielszenen ins Wachkoma fiel und sich für die wahre Geschichte interessiert, kann hier etwas erfahren. Wenn auch ungeprüft aus dem Munde eines Mannes, der ja auch Dr. Francis B. Gröss sein könnte. In diesem Rahmen. Doch im Gegensatz zu den restlichen Figuren trägt er seine Story ziemlich überzeugend vor. Hoffen wir also mal, daß er nie erfährt, in welchen Zusammenhang Regisseur Andrey Iskanov seinen Bericht gestellt hat. Sonst holt er vielleicht sein altes Sturmgewehr aus dem Schrank und verpaßt dem Kerl eine Kugel zwischen die Augen. Und muß dann von Putin begnadigt werden ("Aspekte": Regimekritiker mundtot gemacht!). Meine höchst spekulative Theorie: Der Autorenfilmer Iskanov, dessen "Nails" laut Thorsten wohl schon eine ähnliche Zumutung war (warum warnst du uns dann nicht früher?!), hat einen Dokumentarfilm vom russischen Fernsehen gekauft. Oder einfach einen kopiert, merkt doch keiner. Und dann seinen Quark da rein gerührt.
Der Industrial-Soundtrack, von manchen Rezensenten als zentrale Stärke betrachtet dieses in seiner Wortkargheit und artifiziellen Schlichtheit mitunter Musikvideo-artigen Filmes, ging tatsächlich nicht allzu sehr auf den Wecker. Eine digitale Nachbearbeitung der Hintergründe(!) verleiht den Spielzenen mitunter mehr irreale Atmosphäre, als sie verdienen. Die am Ende beider Teile abrollende Schauspielerliste kann nur als Witz betrachtet werden, in Wahrheit werden sämtliche der zahlreichen Spielszenen von den selben fünf, sechs Hanseln und Greteln bestritten (darunter ein unfaßbar stoischer Mongole mit Vokuhila). Die Opfer im Film sind durchweg sogenannte Kaukasier, wohingegen im wahren Konzentrationslager der Einheit 731 zu 99 % (lokale) Chinesen ein böses Ende fanden. Um den Eierreis-Boten für einen Gastauftritt zu gewinnen, hat das Budget wohl nicht gerreicht (danke für diese schöne Pointe, Roland). Es sind Schamlippen zu sehen. Mit einer ungekürzten Ausstrahlung im deutschen Fernsehen ist daher nicht zu rechnen.
Don't believe the hype.
Bearbeitet von hoolio21, 09. August 2008, 03:51.
#5
Geschrieben 12. August 2008, 01:23
JCVD
(B/F/Lux / 08)
Eine Pressevorführung von Fantasy Filmfest und Koch Media. Also Mittags drei Reihen im City alleine für mich und den Thorsten (der das Ding für Splatting Image besprechen wird), mit angenehmer Beinfreiheit, Fachsimpelei unter Gleichgesinnten und Käffchen inbegriffen, wenn's doch nur immer so wäre. Da kann der Film auch mal scheiße sein. Was er dann aber gar nicht war.
JCVD, das dürfte sich herum gesprochen haben, steht für Jean-Claude Van Damme. Oder Jean-Claude Van Varenberg, wie der Schauspieler richtig heißt und hier auch mal gerufen wird. Denn "JCVD" handelt nicht von einem Charakter, den Van Damme spielt, sondern von Van Damme selbst. Und es ist keine Dokumentation.
Van Damme kommt heim nach Belgien, weil es die restliche Welt nicht mehr bringt. Seine Schlampe von x-ter Frau zieht ihn vor dem Familiengericht durch den Dreck, die Steuer will an sein letztes Geld, und die kleine Tochter wohnt auch lieber bei der Mutti anstatt bei diesem Typen, wegen dessen Filmen die Schulkameraden sie auslachen. Vernünftige Studiorollen gibt es nicht für ihn, statt dessen verscherbelt der faule, gierige Manager seinen immer noch knackigen Arsch an drittklassige Heizungskellerfilme, in denen er auf bulgarischen Industriebrachen immer nach dem selben Muster anonyme Knochen in Serie bricht. Und das, obwohl er eigentlich die Menschen mag. Und John Woo ohne ihn immer noch Tauben in Hongkong filmen würde.
Jetzt will er nur mal eben daheim in Brüssel sein letztes Geld abheben, als er auch schon mittendrin steckt in einem justament abrollenden Banküberfall mit Geiselnahme. Und weil jeder gesehen hat, wie er in das Geldinstitut hinein ging und kurz darauf Schüsse fielen, bezweifeln weder Cops noch Medienmenschen, ja, nicht einmal seine treuen Fans aus der Videothek gegenüber oder die eigenen Eltern(!), daß er, der drogenkranke Pleitegeier und existenzbedrohte Actionhampel, im besten Begriffe ist, eine spektakuläre Verzweiflungstat zu begehen.
"JCVD" ist nicht die Komödie, die mancher erwartet. Natürlich gibt es Momente zum Schmunzeln, einige sogar, besonders für Kenner der Materie und des Lebenswerkes von Van Damme. Aber im großen und ganzen handelt es sich hier weder um eine Persiflage noch um eine Parodie, sondern um einen astreinen Geiselnahmethriller, in dem es alle handelnden Personen todernst meinen und alltäglicher Realismus die erlesen triste Kulisse bildet. Die Räuber sind keine Superbösewichte, sondern arme Schweine von geringem Verstand. Die Polizisten tun, was Polizisten eben so tun müssen. Die Bank ist kein Palast aus Marmor, Glas und Chrom, sondern gleicht einer deutschen Kleinstadt-Postfiliale der 70er Jahre (Belgien ist ja nicht so weit weg). Die Leute auf der Straße sehen aus wie die Leute auf der Straße. Und viele kennen Van Damme vom Fernsehen. Belgiens Mann in Hollywood. Auch die Gangster, Polizisten und Geiseln sind davon nicht ausgeschlossen. Was die Sache nicht einfacher macht für Muscels from Brussels.
Der hat seine besten Zeiten hinter sich, befindet sich quasi im Kater seiner Karriere. Die großen Träume sind ausgeträumt, die besten Zeiten liegen locker 15 Jahre zurück. Für einen Neubeginn, egal unter welchen Vorzeichen, ist der Ruf zu ramponiert. Abgehalfterter Karateklopper. Kann nicht mal für seine Tochter sorgen. Peinlich. Von einem wie dem erwarten weder die Gangster noch die Geiseln eine Heldentat. Der Zuschauer irgendwann auch nicht mehr. Und das ist neu, interessant, spannend. In seinen C-Actionfilmen wüßte man, was als nächstes passiert. Hier nicht.
Natürlich ist Van Damme nicht über Nacht zum großen Charakterdarsteller gereift. Weil er aber etwas spielt, was ihm offenbar nicht fremd ist, überzeugt er wie selten zuvor. Keine Ahnung, wie viel hier an echter eigener Verzweiflung einfließt, doch wenn ihm während eines denkwürdigen Monologs in der zweiten Filmhälfte tatsächlich die Tränen kommen, braucht er dafür keine Computereffekte. Von Seagal, der ihm in "JCVD" eben eine Hauptrolle wegschnappte, braucht man das nicht zu befürchten. Alleine, sich Seagal in denselben Szenen wie Van Damme vorzustellen, ist schon das Eintrittsgeld wert. Fragt sich bloß noch, ob seine Fans das sehen wollen. Die, die ich kenne (einige), beneiden mich schwer um diese Vorführung. Und wie man hörte, verkaufen sich die Karten für "JCVD" zumindest in Berlin schon fast so gut wie die für den Eröffnungsfilm. Eile ist also geboten, will man ihn auf französisch und nicht sein Synchrondouble schluchzen hören. Und versprochen, er schluchzt auch nicht dauernd.
Großes Drama ist nicht zu befürchten. Großes Kino auch nicht. Und schon gar keine spektakulären Stunts. Dafür ein kleiner origineller Thriller. Der seine Schwächen hat. Ein bißchen viel Kommissar Zufall, ein paar läßliche Unglaubwürdigkeiten in der Handlung, unnötige Zeitsprünge in Halbzeit 1, eine vielleicht etwas zu euphorische Schaulustigenmenge draußen vor der Tür. Und diese schreckliche Modetorheit der monochromen Tönung. Auf der einen Seite will man so realistisch wie möglich sein, auf der anderen gibt es keine richtigen Farben, liegt über allem dieses künstliche Schummerlicht. Aber damit sollte ein Fan leben können. Sowohl einer, der auf Van Damme steht, als auch einer, der ihn immer schon für einen Deppen hielt. Für beide gibt's hier Neues zu entdecken. Und obendrein erfährt man etwas über das B-Movie-Business. Wenn auch aus sehr subjektiver Perspektive. Zartbittere Selbstironie. Wer hätte gedacht, daß man das mal mit einem Van-Damme-Vehikel assoziieren würde. Gibt Schlimmeres.
Bearbeitet von hoolio21, 12. August 2008, 01:25.
#6
Geschrieben 13. August 2008, 02:53
The Substitute
(DK 07)
heißt im Original "Vikaren" und auf gut deutsch (achtung: spoiler) "Alien Teacher". Ein Kinderfilm. Dem man nicht unbedingt anmerkt, daß er ein Kinderfilm ist. Obwohl Kinder die Hauptrollen spielen, und es um typische Ängste von Kindern geht. Lehrer, Eltern, Monster. Man fragt sich hier oft, was schlimmer ist. Der Däne Ole Bornedal hat ihn inszeniert. Das ist der Regisseur des glänzenden Angstmachers "Nachtwache", der dann der eigenen Karriere ein Beinchen stellte mit einem nicht mehr ganz so glänzenden US-Remake. Mit "The Substitute" macht er das wieder gut. Bornedal ist wieder da, und 2008 wird (auch) sein Jahr.
Der zwölfjährige Carl hat seine Mutter verloren. Und zwar in einem heftigen Autounfall, bei dem er selbst daneben saß. Für seine Art, mit dem Verlust umzugehen, hat nicht jeder Verständnis. Am wenigsten der Schulpsychologe. Die neue Vertretungslehrerin Ulla, blond, burschikos, eiskalt, versteht ihn dagegen sofort. Und zwar gleich so gut, daß Carl auf der Stelle merkt, daß mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung ist. Auch sonst hat Fräulein Ulla seltsame Marotten. Sie demütigt die Kinder, weil sie solche Schwächlinge sind. Sie lacht sie offen aus, wenn sie etwas falsch machen oder nicht wissen. Sie findet jede Achillesferse, um gnadenlos hinein zu stoßen. Und sie beißt lebenden Hühnern die Köpfe ab.
"The Substitute" ist einer jener Horrorfilme, in denen nur das Kind weiß, daß jemand Bestimmtes ein Monster ist, und natürlich glaubt dem Kind kein Schwein. Hier wissen es irgendwann sogar mehrere Kinder, und das hilft auch nichts. Denn die Eltern und Lehrer in "The Substitute" sind im günstigen Falle unsensible Stoffel und im ungünstigen gemeingefährliche Idioten. Also müssen die Kinder selber ran, um das Schlimmste zu verhindern.
Natürlich kann man Bornedal vorwerfen, daß er es sich etwas einfach macht, indem er die Erwachsenen überzeichnet. Aber so ist das eben bei Märchens. Die Grimms schreiben der bösen Stiefmutter ja auch keine schwere Kindheit oder feinen Nuancen ins Stammbuch. Am vielschichtigsten ist noch die außerirdische Lehrerin. Die ist gar nicht mal so böse. Nicht wie der Schulpsychologe, der es sich aussuchen kann. Sie will nur Liebe und Mitgefühl lernen, weil es das ist, was den Menschen von allen anderen Rassen unterscheidet, seinen Siegeszug begründet. Auf ihrem Planeten kennt man weder das eine noch das andere. Sie ist neugierig, eine Entdeckerin. Dabei geht sie ungefähr so sensibel vor wie die Normannen bei Asterix, wenn sie lernen wollen, was Angst ist. Aber ihr Ziel ist ein gutes.
Bornedal glänzt mal wieder in der Disziplin, Spannung und beunruhigende Stimmung zu erzeugen. Der Zuschauer, der geneigte wenigstens, hängt sofort am Haken, und daran ändert sich nichts bis zum großen Finale. Tatsächlich könnte man seine Kinder mitbringen, wenn das Fantasy Filmfest nicht die in diesem Fall störende Eigenschaft hätte, Originalversionen mit englischen Untertiteln zu zeigen. Bei der FSK ist eine Freigabe ab 6 beantragt, und wenn das jetzt jemanden abschreckt, dann hat er seine Berufung als Filmfan verfehlt. "The Substitute" ist gruselig und lustig wie der wesensverwandte "Faculty", und Kinder haben Unterhaltung in dieser Qualität verdient. Erwachsene, die sich ein Herz behalten haben, übrigens auch.
Die Schauspieler verrichten ihre Arbeit durch die Bank hervorragend, selbst wenn sie eine Karikatur darstellen müssen. Die Effekte sind erste Wahl und erdrücken die Handlung nicht. Der Film hat eine soziale Botschaft, schwarzen Humor, trockene Situationskomik, und handwerkliche Klasse. In Amerika ist er mit einem R-Rating bedacht worden. Wegen der Dialoge. Oh, ihr Kulturbanausen. Ihr xenophoben, bigotten, peinlichen Kulturbanausen. Ihr seid wie das Alien, das alles weiß und nichts kapiert. Ich hoffe, die Schwarzen und Latinos übernehmen euren Saftladen. Oder die Außerirdischen. Das habt ihr verdient. Wir aber vernehmen die pädagogisch wertvolle Botschaft. Gegen Liebe und Solidarität ist im Universum kein Kraut gewachsen.
Bearbeitet von hoolio21, 13. August 2008, 03:12.
#7
Geschrieben 14. August 2008, 03:28
Die Mafia eignet sich schlecht für spektakuläre Actionszenen oder knatternde Autoverfolgungsjagden durch Innenstädte. Sie geht dezenter vor, und fürs sinistre Strippenziehen im Hintergrund fehlt den Lenzis und Castellaris die Geduld. Die Mafia ist etwas für die besseren Regisseure, die mutigeren Autoren, und die ideologischen Überzeugungstäter. So gesehen ist Pasquale Squitieri, ein Ex-Kommunist und ehemaliger Mitstreiter von Francesco Rosi, der 1994 für Gianfranco Finis rechtsnationale „Alleanza Nazionale“ in den Senat zog, genau der richtige für
Die Rache bin ich
(I 77)
Der Film handelt vom Kampf des sogenannten Eisernen Präfekten Cesare Mori (O-Titel „Il Prefetto di ferro“) gegen die Mafia auf Sizilien in den späten 20er Jahren. Zuvor hatte sich dieser Mori bereits als Präfekt in Bologna in großem Stile mit den Schwarzhemden des Benito Mussolini angelegt. Das musste den Duce wohl beeindruckt haben, denn anstatt ihn nach seiner Machtergreifung einzukerkern, wie es einem Hitler wohl eingefallen wäre, schickte er den unerschrockenen Sheriff mit allen Vollmachten auf die von Räubern, Geheimbündlern und Halsabschneidern nur so wimmelnde Insel, um der seit dem 19. Jahrhunderts virulenten Mafia den Garaus zu bereiten. Innerhalb von vier Jahren gelang es Mori mit Methoden, wie sie nur einem mit Carte Blanche ausgestatteten Statthalter einer totalitären Macht zur Verfügung stehen, den „Staat im Staate“ in die (leider nur vorübergehende) Bedeutungslosigkeit zurück zu werfen.
So weit die historischen Tatsachen, und so weit der Inhalt des Films. Dem eisernen Besen, hier von dem höchst attraktiven Schauspieler Giuliano Gemma dargestellt, in den ersten beiden Filmdritteln beim Arschtreten zuzusehen, bereitet großes Vergnügen. Wie da einer kommt und sich die Leute greift, die vorher vor Gesetz, Polizei oder Staatsanwalt so viel Respekt hatten wie die Hell’s Angels vor irgendwelchen Hippietunten. Sie rauszieht aus ihren Löchern, ihnen das große Maul stopft, bis sie winseln und sich wie Würmer winden. Dabei lässt sich Mori jedoch weder von der im deutschen Titel bemühten Rache leiten, noch kostet er seine Triumphe süffisant aus. Im Gegenteil. Er beweist Geduld, verhält sich unter den gegebenen Umständen stets so korrekt wie möglich, und tritt seinen Feinden mit Höflichkeit und Respekt gegenüber. Nicht einmal sieht man ihn lachen, nie im Triumph die Faust ballen, nicht die Säge machen wie ein Fußballer nach dem Siegtor. Was ihn nicht daran hindert, Frauen und Kinder als Geiseln zu nehmen, ganze Dörfer von der Wasserversorgung abzuschneiden, oder renitenten Granden höchstpersönlich mit der Schrotflinte das Gehirn auf der Veranda zu verteilen. Wenn’s denn sein muß.
Schon erstaunlich, das so einer Jahre später friedlich im Bett entschlief. Er muß die Mafia wirklich auf dem sehr falschen Fuß erwischt haben. Doch was Mori wirklich will, gelingt ihm nicht. Weder verändert er die gesellschaftlichen Verhältnisse auf der Insel (der Hydra wachsen einfach neue Köpfe), noch gewinnt er letztlich das Vertrauen der einfachen Leute, zu deren Befreiung er gekommen ist. Und schließlich muß selbst er sich den politischen Beziehungen der Mafia beugen, hat doch die ehrenwerte Gesellschaft längst auch Teile des faschistischen Apparates unterwandert. Von den mehr als zweitausend Verbrechern, die Mori hinter Gitter bringt, wird ein Teil noch zu seinen Lebzeiten vorzeitig entlassen. Den Rest begnadigen die Amerikaner bei ihrer Besetzung Siziliens im Jahr 1943, ein Jahr nach Moris Tod. Schließlich handelt es sich bei den Mafiosi ja um astreine Antifaschisten, oft sogar mit Verwandtschaft in Amerika.
Stellvertretend für die entrechtete und missbrauchte Landbevölkerung macht Claudia Cardinale schöne Augen, ihre für die Handlung weitgehend bedeutungslose Rolle verdankt die Heldin von „Spiel mir das Lied vom Tod“ höchstwahrscheinlich ihrem Lebensgefährten Pasquale Squitieri, dem Vater zweier ihrer Kinder. „Die Rache des Paten“ ragt ein gutes Stück heraus aus den Crime Movies seiner Zeit, vielleicht auch deshalb, weil es sich in Wahrheit nicht um einen Thriller, sondern um ein historisches Drama in edelster Ausstattung mit beeindruckenden Massenszenen nach einer anerkannten Literaturvorlage (von Arrigo Petacco, auch Drehbuch) handelt. Ein guter Film, um zu sehen, wo die Mafia herkommt. Sozusagen als Unterbau für die anderen. Im selben Jahr (77) drehte Squitieri noch einen weiteren Mafiafilm, wieder mit Gemma und der Cardinale: „Corleone“ aka. „Der Aufstieg des Paten“. Um den kümmern wir uns demnächst mal.
Bearbeitet von hoolio21, 14. August 2008, 03:32.
#8
Geschrieben 15. August 2008, 17:13
Waffelbruch 001
Und starten mit einem guten alten Bekannten, nämlich Bruno Mattei. Der ist ja nun leider auch schon tot, segnete das Zeitliche am 21. Mai 2007 im zarten Alter von 77 Jahren in Roma, und kann sich jetzt im Himmel mit Orson Welles und Ed Wood darüber unterhalten, ob es denn wirklich nötig war, den schönen Eindruck seines Lebenswerkes in den letzten Jahren mit so einem perversen Digicam-Format zu trüben. Island of the Living Dead (I 06) sieht nämlich aus wie eine jener Spielszenen aus einer ZDF-Historiendokumentation, wo zwei, drei Laiendarsteller im Theater-Outfit vor ein paar Strohballen den Dreißigjährigen Krieg nachstellen. Eine Gruppe von modernen Schatzsuchern erleidet Schiffbruch an einer auf keiner Karte verzeichneten, geheimnisvollen Insel, wo irgendwelche zombifizierten Conquistadoren und Indianer ihr Unwesen treiben. Zwei, drei Einstellungen hätten auf dem richtigen Filmformat vielleicht sogar funktioniert, ansonsten erschreckst du mit diesem peinlichen Mummenschanz nicht einmal deine sechsjährige Schwester. Denn die hat sicher schon Härteres gesehen, nachmittags zwischen Kika und RTL II. Schade um die Liebesmüh mit Yacht, all den neckischen Kostümen und scheinbar auch echten Tropen. So hatte man sich die Wiederkehr des Italozombies nicht gewünscht.
Schon auf dem letztjährigen Fantasy Filmfest lief End Of Line (Can 06), doch erst jetzt wird er in D veröffentlicht. In der nächtlichen U-Bahn verlieren sich frömmelnde Sektierer bei der Heimkehr vom Götzendienst sowie ein paar normale Leute, die von der Arbeit oder der Disco kommen. Irgendwann klingelt bei den schlechten Christen allen gleichzeitig das Handy, der Startschuß zum Armageddon. Es gilt, in kürzester Zeit so viele Ungläubige wie möglich zu opfern, um deren Seelen zu retten. Die meisten aber würden gerne lieber nicht gerettet werden und wehren sich nach Kräften. Es entsteht so eine Art Zombie-Situation sans Zombies, wo wir mit einem bunt zusammen gewürfelten Grüppchen Nichtinfizierter ein von üblen Gefahren wimmelndes Höhlengewirr erkunden. Gute Charakterzeichnung in beunruhigender Atmosphäre, auf den Punkt choreographierte Schockmomente und ein originelles Ende.
In Opapatika (Thai 07), einem diesjährigen Fantasy-Filmfest-Teilnehmer, erfahren wird, daß Suizid nicht nur bei Katholiken, sondern auch unter Buddhisten als schwere Sünde gilt. Er kann einen allerdings auch in einen unsterblichen Supermann verwandeln. Ein Detektiv bringt sich selbst um, um solchen "Opapatika" auf die Schliche zu kommen. Das Ergebnis ist ein verworrener "X-Men" in ultrablutig, mit guten Spezialeffekten, mieser Story, blassen Darstellern und schier endlosem pseudophilosophischen Schwurbel. Gewiß kein Pflichtfilm.
Wesentlich besser ist da schon The Rebel (Viet 06), auch vom FFF 2008. Epische Martial-Arts-Dramen aus Vietnam hat’s bisher ja nicht so geregnet, doch seit Zhang Yimou mit "Hero" einen Lieblingsfilm der KP von Peking abgeliefert hat, will wohl auch das erzkommunistische Musterländle im Süden nicht länger abseits stehen. In traumschönen Bildern bevölkert von ebensolchen Menschen berichtet "Rebel" von einem Geheimagenten der Regierung, der zur Zeit der französischen Besatzung in den 20er Jahren Jagd macht auf eigene Landsleute, welche die fremden Langnasen lieber heute als morgen los wären. Natürlich verliebt er sich in eine schöne Attentäterin, noch dazu eine Tochter des Rebellenführers, und geht mit ihr auf abenteuerliche Flucht durchs ganze Land, dicht gefolgt von den eigenen Ex-Kollegen, die die Angelegenheit höchst persönlich nehmen. Vietnamesische Kampfkunst sieht tatsächlich noch mal eine Nummer anders aus als andere fernöstliche Techniken, der gesamte Körper wird häufiger eingesetzt, selten so elegantes Rempeln wie hier gesehen. Erstaunlichweise haben auch noch ein paar schöne alte Gebäude die Bombardements von Onkel Sam überstanden, das Jugendstildekor bildet eine bezaubernde Kulisse für das dramaturgisch recht vorhersehbare und eher unoriginelle Treiben. Erstaunlich immerhin: Der französische Gegner wird durchaus differenziert gezeichnet, der technologische Forschritt durch die Kolonialmacht nicht geleugnet („Weißt du noch, wie’s früher hier gestunken hat?“). Aber Selbstbestimmung ist nun einmal erste Patriotenpflicht. Kann im Kino wohl genossen werden, Asia-Gourmets riskieren einen Blick.
Unter dem schönen Titel Die Todesfaust des kleinen Drachen (HK 82) kommt mit leichter Verspätung The Prodigal Son von Sammo Hung auf den deutschen Markt. Für die Handvoll Uneingeweihter: Sammo Hung ist der komische Dicke aus x Kung-Fu-Filmen der 80er Jahre und zudem der wohl begabteste Regisseur unter den zu Superstars gewordenen Absolventen der Peking-Opera-School. Wozu neben Sammo z.B. auch Chin-ying Lam, Yuen Biao und Jackie Chan zählen. Die beiden erstgenannten spielen denn auch weitere Hauptrollen in diesem hochamüsanten Stück um einen jungen Mann aus gutem Hause (Yuen Biao), der sich für einen Superkämpfer hält und keine Ahnung davon hat, dass er nur deshalb jeden Kampf gewinnt, weil sein reicher Vater stets die Gegner besticht. Als er eines Tages auf einen Wanderschauspieler in Frauenfummel (Chin-ying Lam) trifft und Papi nicht schnell genug ist, bezieht er prompt die Prügel seines Lebens. Traumatisiert, aber nunmehr aufgeklärt, läuft er dem Schauspieler hinterher, um sein Schüler zu werden. Der aber weigert sich aus gutem Grunde beharrlich und lenkt erst ein, als andernfalls sein missratener Bruder (Sammo) die Ausbildung des Jünglings zu übernehmen droht. Wer sich durch den Grimassenklamauk der ersten zwanzig Minuten hindurch arbeitet wie durch die Haferbreimauer des Schlaraffenlandes, wird mit einer der reizendsten Kung-Fu-Komödien der Geschichte belohnt.
Von einem englischen Kommunisten, der mit der wenig begeisterten Familie in den späten 60er Jahren in die DDR zieht, erzählt die vermeintliche Komödie Mrs. Ratcliffe's Revolution (GB 07). Als mir klar wurde, worum es gehen würde, habe ich mich gefreut, aber nach 45 Minuten habe ich mich geärgert und am Ende habe ich gegähnt. Diese peinlichen Horrorklischees hat selbst die DDR nicht verdient. Und wenn, dann nur in Verbindung mit Pointen oder trockenem britischen Humor, doch von beidem fehlt hier trotz britischer Teilhabe jede Spur. Dafür gibt’s Heike Makatsch und ein nerviges Kind. Allein die heiße Hausfrau und ihre Schlampentochter machten Spaß. Jenseits der Schmerzgrenze: Das Fesselballonfluchtfinale. Was ist denn mit denen los? Das könnte ja glatt ein deutscher Film sein.
Richtig Spaß macht dagegen The Colour of Magic (GB 08). In dieser epischen TV-Adaption eines modernen Klassikers der britischen Märchenliteratur (Buch und Drehbuch: Terry Pratchet) verbindet sich schwarzer Humor mit extravaganter Optik und dazumeist sehr gelungenen Spezialeffekten zu einem Fantasy-Vergnügen für die ganze Familie. Ein dicker Tourist (Sean Astin), der erste seiner Art, erkundet das phantastische Reich Ankh-Morpork und findet in einem allseits in Ungnade gefallenen, tölpelhaften Zauberer (David Jason) einen mehr oder weniger treuen Reiseführer. Unheimliche Begegnungen, skurrile Typen und jede Menge ironische Kulturzitate so recht nach dem Geschmack der Leser dieser Seiten. Mit Tim Curry, Brian Cox, Jeremy Irons und der Stimme von Christopher Lee (als Grim Reaper). Wer an dem stilistisch recht ähnlichen und leider nie in Serie gegangenen „Lemony Snicket“ Spaß hatte, liegt auch hier richtig.
So, und nun geht’s los, das Feld der Ehre ruft. Wenn ich danach noch Lust habe, gibt’s heute Nacht noch einen Nachschlag. Spiel live auf der ARD, viel Spaß uns allen.
Bearbeitet von hoolio21, 15. August 2008, 17:15.
#9
Geschrieben 17. August 2008, 02:39
Waffelbruch 002 – The Bloody Pits of Horror
In Dirty Love (US 05) wälzt sich Jenny McCarthy kreischend im Dreck des Sunset Boulevard. Als irgend ein Penner vorbei geht, streckt sie ihm den Hintern entgegen und bettelt „Fick mich“. Der Kerl lehnt dankend ab. Später reihert ihr ein Typ in den Ausschnitt. Sie verteilt das Erbrochene schreiend auf ihren Möpsen inmitten einer peinlich berührten Menschenmenge. Noch später blutet sie mit ihrer Regel den Fußboden im Supermarkt voll, bis die anderen Kunden drauf ausgleiten und auf die Fresse fliegen. Es handelt sich bei Dirty Love wohlgemerkt nicht um einen Fäkalporno, sondern um eine romantische Komödie. Deren Drehbuch Jenny persönlich dichtete. Selbst, wer auf stereotype Plastikblondinen stehen sollte, wird angesichts dieses spektakulären Desasters die Hände über dem Schritt zusammen schlagen. Die Torte kann nichts, und schreit es laut in alle Welt, malt es mit Scheiße an jede Wand. Nicht eine gelungene Pointe. Ach doch, halt: Lochlyn Munro (der Typ mit dem Baby Dick aus "Scary Movie") mit Wehrmachtshelm auf einer Vespa. Ein Schmunzler immerhin, soviel Gerechtigkeit muß sein.
Danach Revolver (GB 05) von Guy Ritchie, auch nicht viel besser. In irgendeiner Fantasy World ohne Cops, physikalische Gesetze und Tageslicht. Jason Statham, der aussieht wie Peter Stormare nach einem Autounfall, kommt nach sieben Jahren aus dem Knast, erfährt, dass er unheilbar krank ist (noch 3 Tage zu leben!), und möchte sich vorher schnell an Casino-Tycoon Ray Liotta rächen. Dabei helfen ihm zwei suspekte Typen (Big Pussy von den Sopranos und Andre Benjamin von Outkast). Kein weil und warum, einfach nur sinnloses Gebrabbel und Szenen nach dem Lustprinzip. Zeitsprünge, Wiederholungen, leere, endlose Monologe im monochromen Häkselschnitt. Dazwischen Zitate aus dem Nähkästchen. Von Julius Caesar über Machiavelli bis zum großen Wischiwaschi (be the ball). Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, genau wie jede einzelne Einstellung. Aber bierernst gemeint, natürlich. Daß kein Mensch mehr chronologische Geschichten erzählt, geschenkt. Hier aber ist die Verwirrung oberstes Prinzip. Du sollst es gar nicht verstehen. Die Schauspieler verstehen es auch nicht. Das kommt davon, wenn man seine wahnsinnig gewordene Domina heiratet und halbgaren Modereligionen hinterher eiert. Wenigstens die Schießereien sind hübsch anzuschauen. Im Ernst, die und der entfesselte Liotta lohnen es.
Doch damit nicht genug der Prüfungen in der langen Nacht des kaputten Films. Es folgte Nails (Rus 03). Das Debüt von Andrey Iskanov. Dem Kunstfreund, der uns "Philosophy of a Knife" (siehe 9.8.) bescherte. Ein Profikiller kommt von der Arbeit heim und kriegt wahnsinnige Kopfschmerzen. Weil er in einer zufällig herum liegenden Illustrierten liest, dass es das bringen soll, hämmert er sich einen Nagel ins Haupt. Klar, ein Anwalt, Bäckergeselle oder Filmredakteur hätte es dafür nicht getan. Es muß ein Killer sein. Der in der ersten Szene gleich einen umlegt, natürlich mit zwei Knarren gleichzeitig. Und dann der Freundin von dem Typen, die gelangweilt daneben sitzt, mit einem Brotmesser den Kopf abschneidet. So geht es eben zu bei Killers. Doch zurück zur eigentlichen Story. Das mit dem Nagel ist nämlich eine Superidee gewesen. Plötzlich wird die Welt bunt. Und der Film, der vorher schwarzweiß war, auch. Da muß noch ein Nagel her. Und noch einer. So, wie es aussieht, hält sich Iskanov für einen Surrealisten. Beruft sich auf Jodorowsky, der ja auch schon keine Ahnung von Surrealismus hatte (ja, schreit nur). Aber Jodorowsky hat wenigstens unterhaltsame Filme gemacht, Circus Sarasani quasi (U. Hoeneß). Mit einem Budget, originellen Ideen, professionellen Darstellern, glossy Look, großen Bildern, freiwilligem Humor, Sex, und Fußtritten für die Institutionen. All das geht Iskanov komplett ab. Er ist ein zwölfjähriger Splatternerd, der schocken will. Für seine russische Mutti reicht das vielleicht (das mit dem schocken). Mir aber ist die einstündige Spieldauer schon erheblich zu lang. Was wohl die Nachbarn denken, wenn sie mich mitten in der Nacht schreien hören: „Stirb endlich! Kratz ab!!“ Dieser Film ist eine Stunde lang, "Philosophy" viereinhalb Stunden. Gehört wohl zum Konzept, dass es hauptsache nicht normal lang wird. Was für ein unkonventioneller Freigeist.
Bearbeitet von hoolio21, 17. August 2008, 03:28.
#10
Geschrieben 18. August 2008, 20:33
Waffelbruch 003
Habt ihr alle schön This Is England (GB 06) von Shane Meadows gesehen? Wo sie mal wieder so tun, als seien Skinheads eigentlich eine unpolitische Jugendbewegung. Bis dann der Obernazi aus dem Knast kommt und alle negativ beeinflußt. Als einer, der sich mit der Subkultur der Raufbolde in Theorie wie Praxis beschäftigt hat, stelle ich mal die Behauptung auf: Schönes Märchen. Das waren, seit ihrer Geburt im Schuppen von Chelsea, immer Ausländerfeinde. Und werden immer welche sein. Schon, weil ihre Gegner ständig Ausländer waren und sind. Mit wem prügeln sich denn die weißen Asozialen? Doch nicht mit Hippies und Punks. Das sind Opfer und keine Gegner. Also prügelt man sich mit anderen Asos um die Vorherrschaft im Stadion und auf Konzerten, und mit jugendlichen Ausländergangs um die Vorherrschaft auf den heimischen Straßen und im Jugendzentrum. Und um die Weiber. Und um den Autoscooter. Nichts davon in "This Is England". Das ist nicht England, das ist bloß ein Dorf, in dem nichts los ist.
Genau wie das verregnete Kaff in Dead Man’s Shoes (GB 04), deutsch "Blutrache". Ein früheres Werk von Shane Meadows, das aber erst nach "This Is England" in Deutschland erscheint. Genauer gesagt, Anfang September. Keine halben Sachen macht der beunruhigende Antiheld dieses kalten, in ultratriste Szene gesetzten Low-Budget-Thrillers um den Rachefeldzug eines Ex-Soldaten. Seine Ziele (im Sinne von target) aber sind keine kaltblütigen Gangster, sondern bloß dummes Pack, die örtliche Kifferclique, kleine Gauner, gedankenlose Arschlöcher, die seinem behinderten Bruder übel mitspielten bei einem Scherz, der aus dem Ruder lief. Das entschuldigt nicht ihre Tat, lässt den mitleidlosen Vernichtungsfeldzug des Militärstiefels aber nur um so drastischer erscheinen. Intensive Milieustudie, gut gespielte Typen und der nackte Hass von Held wie Macher bleiben im Gedächtnis. Doch der Gesamteindruck ist ein zwiespältiger.
Apropos Kiffer. Arthouse-Fundie Gregg Araki hat für seine Verhältnisse einen mal recht konventionellen Film gedreht. Eine Teenagerkomödie mit einem Star: Smiley Face (US 07) mit Anna Faris. Die Heldin der "Scary Movie"-Serie spielt eine Dame, die den Popo nicht vom Sofa kriegt, weil sie den lieben langen Tag den Zauberdrachen reitet. Nun aber muß sie, weil akuter Geldnotstand, raus auf die Straße, und das bekommt ihr gar nicht. Keine Ahnung, was sie in Amerika ins Gras packen, aber hilflos wie eine auf den Rücken gedrehte Schildkröte auf dem Boden eines Linienbusses gelegen habe ich wegen einem Tütchen nie. Besoffen, ja, zweifellos. Aber bekifft? Die ach so komischen Begegnungen mit irgendwelchen schrägen Vögeln erinnern stark an "Ey Mann, wo is mein Auto", braucht’s aber eigentlich weder da noch hier. Was Araki und die Faris jedoch sehr gut rüberbringen, ist die berühmte Paranoia. Bekommt jemand mit, wie breit ich bin? Bestimmt merken es alle. Und das Abgelenktsein. Gerade unterhalte mich mit jemand Wichtigem über etwas Wichtiges. Aber hey, sieh mal, der Vogel da. Erinnert mich an Tweety. Läuft eigentlich noch irgendwo "Schweinchen Dick"? Schade, dass sie das abgesetzt haben. Mein erstes Zensur-Trauma. Ob sie jetzt auch "High Tension" verbieten? Wie lange Ribery wohl noch verletzt ist. Ich hätte Appetit auf einen Croissant. Worum ging es gleich noch mal.
Ah, Kiffen, klar. Am Anfang fand ich bei "Friends" Rachel attraktiv und Joey lustig. Mit der Zeit aber nutzte sich Jennifer Anistons Schönheit ab, bekam etwas steriles. Statt dessen stellte man fest: Eigentlich ist diese verrückte Phoebe ja ziemlich sexy. Aniston verspricht Plastiknase, Blümchensex und Zickerei. Kudrow verspricht natürliche Weiblichkeit, Originalität, SM-Spielchen, Catfights im Frauenknast. Your choice. Und eigentlich ist dieser Matthew Perry der originellste Typ und beste Schauspieler von dem Haufen. In späteren Folgen stiehlt er beinahe jede Show. Daran liegt es wohl auch, daß man ihn noch hier und da entdeckt, während von den anderen Kerlen jede Spur fehlt. Weder nimmt er sich zu ernst, noch möchte er mit aller Gewalt sein Image ändern.
In Numb (US 07) nimmt Matthew Perry einen Zug zuviel aus dem Cannabis-Kanonenrohr und steht von einem Moment auf den anderen ganz fürchterlich neben sich. Und es will partout nicht mehr weggehen. Fast jeder kennt solche Gruselgeschichten aus dem nahen oder entfernteren Bekanntenkreisen. Von Typen, die von dem Trip nicht mehr runterkamen, von irreversiblen Persönlichkeitsstörungen, hervorgerufen scheinbar durch den Hit aus der Bong. In den seltensten Fällen liegt die Ursache bei der Droge selbst, sonst würden wiederum andere das Zeug nicht so gut vertragen. Aber der Stoff kann eben etwas auslösen, was bereits schlummerte, und anderweitig vielleicht weitergepennt hätte. Fürwahr kein Thema zum Kaputtlachen, doch ein mal ganz origineller Aufhänger für eine stille, gut beobachtete Beziehungsdramödie. Perry rennt von Spezialist zu Spezialist, konsultiert Ärzte, Pharmazeuten, Eltern, doch weder Pille noch Meditation noch Empfehlung, sich doch einfach mal zusammenzureißen (Mutti), hilft. Nicht einmal noch eine Dröhnung. Vielleicht ist das Problem ja ein Zwischenmenschliches (Mutti!). Vielleicht hilft gute alte Liebe (nicht Mutti). Aber das wäre ja wohl ein bisschen zu einfach für einen tiefer schürfenden Film wie diesen. Nicht auszudenken, was Araki aus dieser Story gemacht hätte. Aber der sitzt ja zum Glück mit Faris auf der Comedy-Couch. War ein bißchen beeindruckt.
Bei der Internet-Plattform Pokerstars kann sich jeder Spieler ein kleines Bildchen einrichten, unter dem er dann auf dem Bildschirm am Spieltisch erscheint. Ich zum Beispiel trete unter einem Bild des britischen Busenstars Linsey Dawn McKenzie auf, was man als weiteres Beispiel aus der Rubrik Psychologische Kriegsführung werten möge. Wenn ich aber für jeden Tony Montana, den ich an einem Tisch treffe, einen Euro bekäme, könnte ich zwei- bis dreimal im Monat schön dafür Essen gehen. Wer mal sehen möchte, wo der Mythos des beliebtesten Kinogangsters der Moderne seine wahren Wurzeln hat, und was Drogen für eine Volkswirtschaft bedeuten können, der genehmige sich in der Videotheke seiner Wahl die ebenso aufschlussreiche wie unterhaltsame Dokumentation Cocaine Cowboys (US 06) von Billy Corben.
In den frühen 70er Jahren erkennen einige findige Motorboot- und Kleinflugzeugkapitäne aus Südflorida, daß sich leichtes Geld verdienen läßt, in dem man mal hinüber nach Mittelamerika schippert und mit Kajüten voller Gras oder Koks zurück kehrt. Die Grenzpolizei ist auf diese Art von Schmuggel (und den Drogenkrieg überhaupt) noch nicht vorbereitet, und als sie es ist, ist sie bestechlich. Bald darauf schwimmt Miami in Geld, leidet als einzige Großstadt der USA in den 70ern nicht unter der Rezession, und brave Bürger müssen Geldscheinbündel paketeweise im Sumpf entsorgen, weil sie einfach zuviel davon haben. Natürlich errichten auch alle drogenproduzierenden Länder in der Disco-Ära Residenzen in der schönen Stadt am Meer. Als Fidel Castro schließlich seine Klapsmühlen und Arbeitslager öffnet und zigtausende verrückte Kriminelle und kriminelle Verrückte nach Florida schickt, explodiert die Gewalt vollends. Die Mordrate versechsfacht sich innerhalb von wenigen Jahren, Banden ballern einander auf offener Einkaufsmeile über den Haufen, und hier und da wird auch mal jemand zur Abschreckung mit der Kettensäge zur Ader gelassen. Corben läßt Beteiligte zu Wort kommen, wuchert mit eindrucksvollen Fakten, und schneidet im flotten Technorythmus Szenen aneinander, auf die zu sehen man lange gewartet hat. Kapitalismus in seiner reinsten Form zeigt sein makelloses Antlitz, und wir erfahren, wo De Palma und "Miami Vice" ihre Inspirationen bezogen.
Um zu sehen, wie die Bullen den Saustall dann wieder in den Griff gekriegt haben, zieht man sich am besten Reno 911 - Miami (US 07) rein, den ich als Videothekar unbedingt direkt daneben stellen würde. In dieser abendfüllenden Spielfilmversion der gleichnamigen Polizeidienst-Dokumentation von Comedy Central erleben wir, wie heldenhafte Provinzpolizisten aus Nevada beim Ausflug zur Police Convention nach Miami als letzte Verteidigungslinie zwischen Gesetz und totaler krimineller Anarchie u.a. eine Huhn von der Straße holen, einen gestrandeten Wal retten, sowie die Rentnermetropole vor der Machtübernahme durch einen angemessen krakeelenden Tony-Montana-Verschnitt (Paul Rudd) bewahren. "King of Queens"-Gartenzwerg Patton Oswald ist der Acting Mayor, Dwayne "The Rock" Johnson hält einen kurze, aber bemerkenswerte Ansprache als SWAT-Leader "The Condor", und auch so manches Beziehungsproblem findet in für amerikanische TV-Verhältnisse ungewöhnlich freizügiger Bebilderung (auch dafür ist Miami bekannt) eine gerechte und für alle Seiten befriedigende Lösung. Der erste amerikanische Cop-Thriller von Format im neuen Jahrtausend.
#11
Geschrieben 21. August 2008, 04:02
Für ein hoffentlich irgendwann einmal real werdendes Buchprojekt über die schönsten Film- und Zensurskandale der Geschichte schaue ich mir gerade die wichtigsten Kandidaten alle noch einmal an. Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, und hiesige Reflektionen als Grundstock für die späteren Bucheinträge verwenden. Heute sah ich aus diesem Anlaß
Africa Addio
(I 66)
Als Ende der 50er Jahre das Fernsehen die Privathaushalte eroberte, verlor der zuvor wirtschaftlich bedeutsame Kinodokumentarfilm dramatisch an Marktanteilen und wandelte sich partiell geldnotgedrungen in den berüchtigten Mondo-Film. Zu Wegbereitern, frühen Vollendern und Namensgebern (Hundewelt) der heute vielleicht verrufensten Subgenre-Schublade von allen avancierte das italienische Produzentenduo Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi. Diese Pioniere aller modernen TV-Boulevard-Magazine legten den Schwerpunkt auf Sachen, mit denen das Fernsehen jener Tage hinter dem Berg hielt - Farbe, Sex und Violenz, kurz gefaßt. Wo die Wirklichkeit nicht farbig genug war, half man mit frecher Manipulation in Wort und Bild nach. Das hatte zwar mit Dokumentationen im traditionellen Sinne wenig zu tun, doch erstens haben das Guido Knopp oder Michael Moore auch nicht, zweitens erfüllte es den anvisierten Zweck, lüstern-gegruselten Abendländlern im schattigen Kino den Pelz zu sträuben.
Genre-Urknall "Mondo Cane" wirkt heute harmlos im Vergleich zu den "Death Scenes"-Shockumentaries, die da folgen sollte, doch ist das Tits & Terror-Prinzip bereits so ausgereift wie die Strategien der Publikumsmanipulation. Tiere am Abgrund, Menschen ohne Tischsitten, Frauen in knappem Zwirn. Auf Neuguinea säugt man Ferkel. In Japan kriegen Rinder Bier zu trinken. Auf den Malediven töten sie Haie nur so aus Rache. In Portugal riskieren Stierkämpfer noch die Cojones. In der Südsee sterben Schildkröten an radioaktiver Strahlung (wer sie dazu auf den Rücken dreht, bleibt unklar). In Amerika begraben sie Hunde. Auf St. Pauli steht 'ne Reeperbahn. Lauter solche Neuigkeiten. Das alles ist hübsch martialisch arrangiert, überraschend eloquent und ironisch kommentiert (besonders in Deutschland), schwelgerisch untermalt mit der für einen Oscar nominierten Musik von Riz Ortolani, und alles in allem gewiß nicht ohne Schauwert. Kein Blutbad jedenfalls, und auch nicht allzu bösartig in der Absicht. Eher eine Art Rummelplatz-Sensationsshow. Drei Minuten mit dem Vorabend-Sudelmagazin beim Silikonschlächter sind schlimmer. In den folgenden Jahren schufen Jacopetti und Prosperi ein weniger spektakuläres "Mondo Cane"-Sequel sowie die etwas zähe Damenbeschau "Alle Frauen dieser Welt", um dann den kreativen Zenith zu beschreiten mit "Africa Addio" und "Addio Onkel Tom", zwei Filmen, die so oder ähnlich heute und in Zukunft keiner mehr dreht / drehen kann / darf.
„Das ungebärdige schwarze Kind, von Europa in dem Moment verlassen, als man es am dringendsten braucht.“
Afrika in den frühen 60ern. Nach Jahren der Kolonialherrschaft gehen große Teile des Kontinents mal mehr, mal minder geordnet in die Unabhängigkeit. Von Sansibar bis Angola stehen die Farmen der weißen Unterdrücker in Flammen oder zum Notverkauf. Harte Urteile gegen schwarze Mörder weißer Menschen werden zwar noch mit allem Brimborium ausgesprochen, doch spätestens in ein paar Wochen werden alle Verurteilten freie Helden sein. Die edle Farmerfamilie, wie aus einer Hollywood-Inszenierung der 50er Jahre gefallen, sieht fassungslos mit an, wie der auf politischen Veranstaltungen gern albern grimmassierende und zum Reiten nicht befähigte schwarze Mann (oder sein Kind) die Badewanne als Urinal und den Kamin als Kochstelle gebraucht. Wo es vermutlich gerade frisches Pferd gibt. Oder ein Nilpferd.
„Auch wenn Europa insgesamt mehr gegeben als genommen hat.“
Ehedem umhegte Wildvierbeiner sind zum Abschuß für den nationalen Kochtopf freigegeben, von einst blühenden Nationalparks bleiben rauchende Ruinen. Demokratie und Wahlkampf werden erst geübt, Realpolitik obliegt dem phantasievollsten Aufwiegler. Wo man einander verbal nicht einigt, sprechen die (zum Teil recht rustikalen) Waffen. Geraten Belgier, Brite oder Franzos zwischen die Fronten, kommt im günstigen Fall ein Söldnerkommando (multikulti) und haut sie raus. Sind Araber, Inder oder Schwarzer vom falschen Stamm der Sündenbock der Woche, haben sie eben Pech. Schwarz gegen Weiß. Christ gegen Moslem. Tutsi gegen Hutu. Nonnen auf der Flucht. Dazwischen: Abgeknallte Elefanten, Nilpferdbabies, im Fliehen tranchiert, gemähte Herden. Tierleichen bis zum Horizont. Menschenleichen bis zum Horizont. Schwenk auf startenden Flamingoschwarm. Musik schwillt zum Orkan.
„Africa Addio is a brutal, dishonest, racist film. It slanders a continent and at the same time diminishes the human spirit. And it does so to entertain us.” (Roger Ebert)
Nichts geringeres als die Neunte Sinfonie des Mondo-Films kredenzen Jacopetti und Prosperi dem staunenden internationalen Massenpublikum. Brave Wirtschaftswunder-Mittelständler wie meine Eltern strömten in Scharen, die einen ergriffen, die anderen schockiert, manche noch Wochen später von Albträumen geplagt angesichts des fanfarenumkränzten Bilderrausches direkt aus der Hölle des afrikanischen Unabhängigkeitskampfes. Ein Ereignis, das Europäern näher ging als Amerikanern. Viele hatten Verwandtschaft dort, außerdem kehrten scharenweise Kolonialbürger als Vertriebene in ihre Heimatländer zurück. Um dort nicht selten auf frische Einwandererwellen von Farbigen zu prallen.
Ein knappes Jahr, bevor der von mir hochverehrte Roger Ebert in Chicago seine zero-stars-Kritik verfasste und natürlich, wie so häufig, mit jeder einzelnen Silbe der zitierten Sätze auf ganzer Linie recht hat, war es in Chicago zu schweren Übergriffen weißer Anwohner gegen schwarze Protestmarschierer gekommen. Martin Luther King selbst war dabei von einem Ziegelstein am Kopf getroffen worden. Ganz sicher sympathisierte Ebert mit der Bürgerrechtsbewegung, und vermutlich hat er "Africa Addio" als vergleichbare Art Stein empfunden. Es zeigt aber auch, in welcher Zeit und welchem Klima der Film entstand (J&P arbeiteten seit 1962 an dem Film). Vielleicht verblüfft beim heutigen Betrachten von "Africa Addio" dann auch am meisten der Kontrast: Wie wenig sich seither in Afrika geändert hat, und wie viel bei uns. Heute sehen es alle so wie Ebert. Ich auch. Ich finde bloß das, was er resümiert, nicht so schlimm.
"Africa Addio" vertritt Standpunkte, die Ebert nicht teilt. Nach denen die Kolonialzeit ihre Vorteile für Afrika hatte und Schwarze beim ungeübten Imitieren der Sitten des Weißbrotes mitunter komisch wirken. Ansichtssache, geschenkt. Und, dass Dokumentarfilmer Inszenieren dürfen, wenn es sich um eine Szene handelt, die so oder ähnlich nach Meinung der Macher sowieso andauernd passiert. Selbst wenn dabei ein Elefant auf rohe Weise das Zeitliche segnet. Da ratet mal, wie oft so etwas heutzutage in so called Nachrichten- oder Wissenschaftsmagazinen geschieht. Ebert regt sich mächtig darüber auf. Über den Elefanten, weniger über den Betrug. Als wären die besten Western der Hollywoodgeschichte nicht voller Pferde, die man mitleidlos onscreen dem Altar des Stunteffektes opferte. Als hätte man nicht einen "Flipper" und einen "Lassie" nach dem anderen verheizt, Cheetah sediert und in Disneys lustiger Welt der Tiere den Luchs auf den Kaktus gescheucht. Mit der Message: How funny. Aber der arme Fant. Mit der Message: Hier geht eine Welt unter. Die Büffelherden Nordamerikas starben unter Ausschluß der Öffentlichkeit, hier aber sieht man dem Faunozid zu. Soll ich den Überbringer der unschönen Botschaft deswegen verurteilen, weil er das in unvergeßliche Bilder gießt? Und glaubt einer, John Ford hätte im Krieg seine Kampfszenen alle im richtigen Gefecht gedreht.
Als Gegner der immer noch erstaunlich verbreiteten Praxis, alle Filme undifferenziert an den Meisterwerken der Filmgeschichte zu messen, messe ich sie lieber an ihrem individuellen Anspruch. Auch lege ich meinen modernen westlichen Moralmaßstab ungern bei Leuten anderer Epochen und Kulturkreise an. "Africa Addio" will kein politisches Statement abgeben, nicht indoktrinieren, und macht auch keine Vorschläge, Probleme zu lösen. Vielmehr spielt man den Reporter und distanzierten Beobachter, tapeziert ein monumentales Schlachtengemälde und singt durchaus pathetisch (nicht zu Verwechseln mit: pathetic) das traurig-schaurige Lied einer untergehenden Epoche. Der alten Kolonialwelt, der Ära der weißen Entdecker, des klassischen Abenteurertums, Knarre, Kerl, Löwe, Kilimandscharo, die Welt der Karen Blixen. Die wird vor deinen Augen in die Luft gesprengt, und an Stelle der Ära der Herrenhäuser und Citys mit Springbrunnen tritt die Ära der Wellblechhütten (um mir mal vorübergehend die Sichtweise von AA zu eigen zu machen).
Der selbst ganz schön mythenumrankte "Cannibal Holocaust" hebt in seiner Erzählung um amoklaufende Mondo-Filmer direkt auf "Africa Addio" ab, trifft dessen Stil und Haltung sowohl in Haupt- als auch Subtext bestechend präzis. Zur weiteren Verstärkung des authentischen Eindrucks gewann man dort auch "Africa Addio"-Cutter Mario Morra und J&P-Hofkomponisten Riz Ortolani. Überhaupt ist der Kannibalenfilm vom Mondo-Kino tief durchtränkt (Tiertötungen). Morra seinerseits drehte später mit AA-Kameramann Antonio Climati eine Reihe eigener Mondo-Filme, darunter den bemerkenswerten "Mondo Diavolo", und lieferte sich einen heißen Konkurrenzkampf um die fiesesten Sensationen mit den Castilglioni-Brothers ("Africa Ama"). In "Africa Addio" wütet der Sensenmann vorwiegend in der Fauna, sensible Tierfreunde benötigen unter Umständen ein Valium. Tötungen von Menschen vor laufender Kamera sind entgegen anderslautender Gerüchte in Mondo-Filmen bekanntlich eher selten*, aber J&P führen auch das im Programm. Wegen "Africa Addio" wurden Prozesse geführt, hartnäckige Bestellmord-Vorwürfe betreffend Hinrichtungsszenen halten sich zäh bis in die Gegenwart. Mehrfach, so suggeriert der Film mit Gusto, seien die Filmemacher bei der Arbeit selbst in Lebensgefahr geraten, was angesichts diverser Episoden auch nicht verwundern würde.
Vier Sterne von mir (von vier). Gemessen am vergleichsweise bescheidenen Anspruch einer der bewegensten, formal makellosesten und ungewöhnlichsten Filme seines Jahrhunderts. Mögen dunkle Hintergründe mancher Szenen, aggressive Zuschauermanipulation und latenter, im zeitgenössischen Rahmen gleichwohl salonfähiger Rassismus (Lübke!) den politisch korrekten Filmfreund der Gegenwart irritieren, so liefern doch objektiv betrachtet und dazu noch unterhaltsam (hast nur recht, Ebert) sämtliche J&P-Filme - und dieser im besonderen - unvergleichliche Eindrücke auf höchstem handwerklichen Niveau. Für reife Gemüter und analytische Betrachter, nicht ohne Grund läuft derlei niemals nirgends im TV (oder?). Nicht einmal der harmlose "Mondo Cane". Mal drüber nachdenken.
Meiner Betrachtung zugrunde lag die herrlich kommentierte und immer noch in bestem Schuß befindliche VPS-Videocassette aus Deutscheland. Ebenfalls eine deutsche Videofassung wird der kommenden "Addio Onkel Tom"-Betrachtung zugrunde liegen. Irgendwann ziehe ich mir bestimmt auch mal die Box von Blue Underground rein, sollte sich danach meine Bewertung dramatisch ändern, wird’s Erwähnung finden. An dieser Stelle sei noch eben dem Bedauern darüber Luft gemacht, wie mit dem Siegeszug der Import-DVD der schleichende Tod der deutsche Synchronfassung bei Asia- und Italofilmen einher geht. Weil jeder den verständlichen Wunsch hat, ungeschnittene Filme zu sehen, hören manche sich sogar diese grauenvoll uninspirierten Englandsynchros an. Rettet Rainer Brandt und Blut, Töten, Zombie. „Da muß doch mal einer was unternehmen.“ (Harold Lee)
* Informationen auf wissenschaftlichem Niveau (also nicht so wie das hier...) zum Themenkomplex Mondofilme, Snuffmythen und Tod vor laufender Kamera für den Interessierten im Sachbuch "Killing for Culture" von David Kerekes und David Slater
* * Wer was über den historischen Hintergrund erfahren will, ohne dass es vor Betroffenheit trieft, macht meiner Meinung nach mit Peter Scholl-Latours "Mord am großen Fluß" einen guten Griff. Und mit (hihi) Söldnerfilmen wie "Die Wildgänse kommen" oder "Katanga". Die ihrerseits selbst recht deutlich von den hiesigen Söldnerportraits beeinflusst sind.
Bearbeitet von hoolio21, 21. August 2008, 04:59.
#12
Geschrieben 22. August 2008, 02:50
Nebenbei gesichtet:
Hot Fuzz
(GB 07)
Schon mal im Kino gesehen, OF vor ’nem Jahr. Nicht so begeistert gewesen, vielleicht zu hohe Erwartungen gehabt nach dem doch sehr angenehmen "Shaun of the Dead". Jetzt zweite Sichtung, auf deutsch und Premiere. Ein Londoner Superbulle wird von genervten Kollegen ins Postkartendorf abgeschoben, wo wider Erwarten doch nicht nur Eierdiebe und Schäfchenbeschäler, sondern richtig Mord und Totschlag auf ihn warten. Angenehm altmodischer britischer Humor, kaum sonderlich eilig (obwohl man sich manchmal müht), und im Zentrum so eine Art "Wicker Man"-Situation. Denn das Dorf ist natürlich kein Dorf wie alle anderen.
Wie in jedem guten Buddy Movie schlägt auch das Herz von "Hot Fuzz" im Zusammenspiel der grundverschiedenen Partner wieder Willen. Was in diesem Fall wenig überraschend bedeutet, daß ein trinkfestes großes Kind vom Lande ein Stück verantwortungsbewußter und der brettsteife Ordnungswichtel aus der Stadt ein wenig lockerer wird. Schlafwandlerisch sicheres Zusammenspiel des "Shaun"-Duos Pegg und Frost in ähnlicher Rollenverteilung bürgt für weitgehendes Gelingen dieses Teils. Viele Filmzitate und -Anspielungen sind damit verbunden, was ja mancher von uns Filmvielsehern ganz gerne hat.
Mir erheblich zu operettenhaft dagegen die diversen Dorfkäuze und plumpen Verschwörer. Aber irgendwelche Superbösewichte mußten halt her, soll ja eine Persiflage auf gängige Genreformeln sein. Stunts, Kämpfe und Geballer bei minimalst möglichem Blutzoll hölzern, aufgesetzt und schlimm montiert, irgendwie auch rührend hausgemacht und zuweilen geradeheraus albern. Ergebnis: "Shaun" funktionierte als Horrorfilm, "Hot Fuzz" aber nicht als Actionthriller. Dazu angesichts der dünnen Story insgesamt wohl zwanzig Minuten zu lang. Will ein augenzwinkernder Actionfilm sein, ist jedoch eher ein moderner Agatha-Christie-Krimi. Und was bitte ist ein "abgewichster Profi"?
Bearbeitet von hoolio21, 22. August 2008, 03:08.
#13
Geschrieben 23. August 2008, 14:36
Man Eater
(I 80)
habe ich sicher schon drei- bis viermal gesehen, das erste mal gar in einem gutbesuchten Mainstream-Kino, aber zu meinem eigenen Erstaunen noch nie besprochen. Vor ein paar Wochen kam es zum Wiedersehen, diesmal mit zwei Freunden, der eine Regisseur, der andere Produzent, die ihn im Falle von R) noch gar nicht und P) nur von einer räudigen, quasi schwarzweißen 6.-Generation-Raubkopie aus den 80ern kannten. DVD mit dankenswerter deutscher Tonspur auf gutem Beamer, also gewissermaßen in Werkstattkinoqualität. Da der Film auch gut in den Rahmen der Kinoskandale und berühmten Zensurfälle paßt, hier ein paar Anmerkungen zu einem übel beleumundeten Blockbuster seiner Zeit.
Sechs junge Leute reisen durch die Ägäis, drei Damen und drei Herren. Unter ihnen befinden sich die amerikanische Rucksacktouristin Julie (Mia Schwester Tisa Farrow), die sich spontan dem fröhlichen Haufen anschloß, und die hochschwangere Maggie (der spätere Sexfilm- und Tinto-Brass-Star Serena Grandi unter ihrem Pseudonym Vanessa Steiger), der die Tarot-Karten von Carol (Zora Kerova aus "Cannibal Ferox") wenig Gutes prophezeien. Nach einer Überfahrt mit der Segelyacht legt man auf einer Insel an, wo entgegen aller Erwartung aber keine Freunde auf sie warten, sondern vielmehr ein komplettes Fischerdorf wie ausgestorben da liegt. Nach einer Weile stellen die Ausflügler fest, dass sie so alleine nicht sind, wie sie dachten, ohne sich ihrer Entdeckung aber recht freuen zu können.
Ein auf Menschenfleisch erpichter, vermutlich geisteskranker und zwischenzeitlich auch äußerst heruntergekommener Herr jagt arglose junge Menschen durch kühle Jugendstilvillen mit verborgenen Türen und Eichenhaine in amerikanischer Gewitternacht. Aus der Dunkelheit greifen Hände, stechen Messer, beobachtet dich der namenlose Schrecken. Das Tempo des Filmes ist wie das seines Helden ein gemächliches. Andere Horrorfilme rempeln dich an mit abrupten Schockmomenten oder setzen einen auf die Achterbahn. "Man Eater" aber überrollt den Betrachter wie eine Dampfwalze. Lavaartig langsam, doch unaufhaltsam fließt das Grauen im schwülen Fiebertraum, während der selten virtuos perlende, dafür aber ziemlich gespenstische Musikteppich von Marcello Giombini ahnungsvoll klagt und das Mittelmeer um die kahlen, schroffen Felsinseln unbewegt da liegt wie eine dunkle, unheilverheißende Spiegelscheibe. Es vergeht eine gute Stunde, bis man den schwer keuchenden Menschenfresser das erstemal in ganzer Pracht zu Gesicht bekommt, und wenn man nichts Besseres erwartet, ist es auch nach 30 Jahren ein immer noch recht bestürzender Anblick.
Trotz des Kannibalismusmotivs und obwohl er nur zu gerne auf der Welle ritt, ist "Man Eater" oder "Antropophagus", wie der Film bei sich zuhause heißt, weder ein Kannibalen- noch ein Zombiefilm, sondern, genau wie Aristide Massaccesis zweiter notorischer Horrorhit jener Jahre, die hysterisch perverse Hitchcock-Hommage "Buio Omega", im Herzen ein Giallo. Sein Ruhm als Gewaltschocker basiert denn auch im wesentlichen auf hysterischem Aktionismus der Zensoren zur Mitte der 80er bzw. zwei zu recht berüchtigten Szenen, in denen der Übelwicht erst frischen Fötus und dann die eigenen Innereien schnabuliert. Später las ich mal ein Interview mit Tisa Farrow, in dem diese erklärte, sie leide immer noch unter Schlafstörungen wegen der Verfolgungsjagden mit dem Menschenfresser. Tatsächlich zählt ihr finaler Überlebenskampf im Brunnen vor dem Tore zu jenen Horrorszenen, die dem vielzitierten Albtraum gleichen, in dem man auf der Flucht vor etwas unsagbar Schlimmen partout nicht von der Stelle kommt.
Oft gehörter Vorwurf, gern von Leuten, die "Man Eater" das letzte mal auf jugendlichen Videoabenden sahen: Der Film sei langweilig bis zur Tortur. Dieses Urteil kann man einem jugendlichen Splatterfreak kaum verübeln. Im Vergleich zu zeitgenössischen Direktkonkurrenten wie "Woodoo" oder "Zombie" bzw. Schaustücken von heute (Parallelen zu "Inside" liegen auf der Hand) wartet man sich tatsächlich einen Wolf, bis etwas passiert. Doch der Weg ist hier das Ziel, das hypnotische Tempo kein Makel, sondern bewußtes Stilmittel. Die Killaktionen sind dann auch nicht unbedingt als Schenkelklopfer inszeniert (außer der letzten), dafür oft wie der Rest des Films von gleichmütiger Langsamkeit, ohne dass sich das zugleich etwa in gesteigertem Sadismus niederschlüge. "Man Eater" ist bestimmt nicht der "Hostel"-Fraktion auf den Leib geschneidert, und schon gar kein Tip für Leute, die die Qualität eines Filmes nach der Höhe der Schnittfrequenz bemessen.
"Man Eater" ist nicht flashy noch trendy oder flott, sondern düster, schlicht und erwachsen. Das kann eine ziemliche Erholung sein, zwischen all den hektischen Kinderfilmen heutzutage. Titelheld Luigi Montefiori alias George Eastman, übrigens der Minotaurus aus Fellinis "Satyricon", schrieb das Drehbuch und co-produzierte. Das erinnert irgendwie an den praktisch zur selben Zeit sechs Zeitzonen weiter westlich entstandenen "Maniac", in dem sich ebenfalls ein prädestinierter Fieslingdarsteller als Autor in einem Low-Budget-Horrorfilm verwirklichte, einen talentierten Pornofilmer als Regisseur gewann und sowohl einen veritablen Albtraum als auch eine Zensorenzielscheibe von zeitloser Wirkung und hoher Kassenzugkraft erschuf. War wohl die Zeit für so was.
Ich glaube, es hat geholfen, meine Mitzuschauer im Vorhinein vor der Langsamkeit zu warnen. Die in der Regel vernichtende Bewertungen in weiten Teilen der Filmliteratur (und nicht nur bei Spießers wie Hahn/Jansen) taten ein übriges. So gingen sie mit gedämpften Erwartungen an die Sache heran, um diesen unbestreitbaren Klassiker einfach nur einmal gesehen zu haben. Und waren schließlich mehr als angetan. Viele Horrorfilme der frühen 80er haben beim Wiedersehen ganz schön verloren. Nicht so "Man Eater". Denn in der Ruhe liegt die Kraft. Und die Schönheit.
Bearbeitet von hoolio21, 23. August 2008, 14:37.
#14
Geschrieben 26. August 2008, 13:01
Waffelbruch 004 - Incredibly Strange Films
Nicht wirklich verstanden hat der Chronist Nuit Noire, ein surreal anmutendes Arthouse-Drama aus Belgien (05). Aber das muß ja nicht unbedingt etwas Negatives über den Film sagen. Paßt irgendwie entfernt hinter Africa Addio, weil Regisseur Olivier Smolders hier auch (und nicht zu knapp) die koloniale Vergangenheit beschwört. Ein Blick in die imdb bestätigt: Geboren 1956 in Leopoldville, dem heutigen Kinshasa. Es gehört nicht allzu viel Spekulation dazu, Smolders eine Affinität zu Kafka und Lynch zu unterstellen. Ein Typ, der entfernt wie Kyle MacLachlan aussieht, archiviert Käfer fürs Museum in einer seltsam autistischen, klaustrophobischen Phantasiewelt, in der jeweils nur für zehn Sekunden am Tag die Sonne scheint. Daheim in seinem Bett liegt seit neustem eine Negerin, wie sie da rein kam, kann er sich nicht erklären. Die spinnt dann einen Kokon um sich, und aus der Puppe schlüpft - trara: Die weiße Frau. Wtf, schreibt man am Pokertisch. Es gibt noch uniformierte Schulklassen, mit deren Mädchen der Held flirtet, Filme aus der Kindheit, die auf ein Trauma in der Vergangenheit hindeuten (Kongo), und einen großen, bösen Wolf, der draußen im Park die kleinen Mädchen holt. Das ganze ist für wenig Geld mit Könnerhand inszeniert, liefert hübsch gestylte, vielfältig interpretierbare Albtraumbilder und hält mit Sex wie Gewalt nicht hinter dem Berg.
Blood and water round and round - Beneath my skin and underground
Neu in ihrem Mäusekino: Der Puppentrickfilm Blood Tea and Red String (US 06). Die weißen Albinomäuse beauftragen die Kreaturen unter der Eiche, nach dem Vorbild eines Frauenportraits eine Plastik für sie zu gestalten. Die weißen Albinomäuse sind scheinbar Royals mit roten Roben und weißen Spitzenkragen. Sie speisen Kuchen, schlürfen Blut aus Teetassen und spielen ausdauernd Karten (schluck). Die Kreaturen unter der Eiche sind Ratten mit Schnäbeln, oder flugunfähige Vögel mit Ohren, und kommen dem Begehr gern nach. Dann aber gefällt ihnen ihre Schöpfung so gut, dass sie sie nicht wieder hergeben wollen. Blumen mit Gesichtern, Vögel mit Totenschädeln, Spinnen mit Frauenköpfen, hypnotische Schlingpflanzen und drogenkundige Froschkönige bevölkern einen ohne gesprochenes Wort auskommenden Puppenfilmreigen, wie noch keiner war. Badet trotz aller gebotenen Produktionsökonomie in reichen Details, läßt sich Zeit, spart sich gängige Düsterästhetik und kümmert sich erfreulicherweise einen Dreck um Popkulturreferenzen oder das, was andere machen (Quays, Burton). Angeblich volle 13 Lenze werkelte die Künstlerin Christiane Cegavske praktisch im Alleingang an diesem spektakulär schönen, zärtlichen und rauschhaft seltsamen Stop-Motion-Märchenfilm nicht nur (oder vielleicht auch gar nicht) für Kinder. Keine Ahnung, wer das Kaufen wird (von 100 Videotheken eine, arte), aber ich fühlte mich 70 Minuten lang beglückt. Sollte auch anderen hier gefallen.
Zum Davonlaufen dagegen Saint Francis (US 08). Aber ich darf ja nicht. Die drei erwachsenen Kinder des dämonischen TV-Predigers (Zalman King) sind ein perverser Krimineller, eine eiskalte Zuhälterin und ein versponnener Drogenkonsument. Als das eine Geschwist das andere killt, versucht letzterer zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Bleierne Dia- und Monologe, von der deutschen Synchro um den Rest von Würde gebracht, hallen leer durch unzureichend ausgeleuchtete Designerwohnungen. Ein paar karge Zimmer und ein Autoinneres sind die einzigen Sets, dazwischen kryptische Flashbacks, aseptische Plastiktitten, unsinnige Anwürfe und pseudoreligiöser Schwurbel. Gerade mal eine Stunde lang, Zugnummer Dita von Teese rettet nichts.
Knapp hinter Leuten wie Elvis, Sinatra oder den Beatles und weit vor überbewerteten Flachzangen wie „den Stones“ steht Madonna Louise Veronica Ciccone aus Bay City, Michigan, in den Top 10 der bedeutsamen Popkultur-Phänomene des 20. Jahrhunderts. Ihr emanzipatorischer Einfluß auf die Gesellschaft und ihre überragende Stellung in der Entertainment-Industrie prädestinieren sie zur amtierenden Mutter der Nationen. Jederzeit würde ich in ihren fünfzigjährigen Arsch beißen (Granny Smith). Ihre artistischen Visionen im Reiche des Kinos dagegen waren bislang von überschaubarem Erfolg gekrönt. Was daran liegen könnte, daß Louise sich lieber auf ihre Erscheinung vor der Kamera als die dahinter kaprizierte. In Filth and Wisdom (GB 08) beschränkt sie sich erstmals auf die Regie und erzählt vom ukrainischen Rockmusiker A.K. (Eugene Hutz, Frontmann der Polka-Punks von Gogol Bordello), wie er sich in London mangels Erfolg als Dominus über Wasser hält (as if) und seine auch nicht restlos glücklichen Mitbewohnerinnen zuweilen in seine Tätigkeit mit einbezieht, bzw. zum Stangentanz im Britney-Spears-Outfit animiert. Der Film enthält so ziemlich alles, was Madonna Spaß macht, ist also aufschlußreich für ihre Fans und trotzdem noch unterhaltsam für die meisten anderen. Dazu chronologisch erzählt, lichtdurchflutet, von sympathischen Leuten charmant vorgetragen, überraschend mätzchenfrei, zuweilen komisch, mit einem entspannten Happy End. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was Lebensabschnittspartner Guy Ritchie gerade macht. Mehr von der.
Fuck You, You Fucking Fuck
Gerade einmal acht Jahre alt sind Terror Firmer (US 99) und Citizen Toxie (US 00), da fliegen sie auch schon in Deutschland heran. Keine Ahnung, wieso das so lange gedauert hat, aber vielleicht waren die Käufer in Cannes ja bloß irritiert von diesen fiesen Anzugfressen, die einem dort unter dem Firmennamen Troma anstatt der erwarteten Atomkannibalen begegnen. Egal. Lloyd Kaufman ist auf jeden Fall ein knorke Typ, das beweist juristisch unanfechtbar der offenbar auf Tatsachen bzw. autobiographischen Erfahrungen basierende und besonders für B-Movie-Enthusiasten reizvolle "Terror Firmer". Der (achtung: Selbstironie) blinde Low-Budget-Regisseur Larry Benjamin (Kaufman) dreht in New York eine neue Splattergroteske, als ein geheimnisvoller Killer ein Crewmitglied nach dem anderen auf zum Teil filmreife Weise ins Jenseits befördert. Praktisch dieselben Typen, die in Troma-Filmen vor der Kamera stehen, stehen also auch dahinter, belehrt uns der Film, und die oberste Maxime bei Troma-Dreharbeiten lautet Sicherheit für Mensch und Material. Vor einigen Jahren schrieb Kaufman den Nonfiction-Bestseller "All I know about filmmaking I learned from The Toxic Avenger", ein Buch, das jeder Leser dieser Zeilen lieben wird. Dieses liegt angeblich "Terror Firmer" zugrunde, aber das ist natürlich eine freche Lüge. In Wahrheit sieht es so aus, als hätten sich Kaufman und seine Freaks einfach abseits irgendwelcher Dreharbeiten beim Abhängen gefilmt. Kaputte Typen lecken sich gegenseitig ab, schreien sich an, ficken sich, stechen sich an und ab, nehmen Drogen, haben Sex miteinander, rennen nackt über den Times Square. Alle greifbaren Tabus und noch ein paar mehr werden hemmungslos durch den Kakao gestiefelt, manche Stunts sind spektakulär (das fliegende Auto, Lloyds Abgang), einige Bilder bleiben lange im Gedächtnis haften. Kurzum: Ein großer Spaß, vieldeutig zuweilen, ohne jede störende, bei Troma zumeist ohnehin nur aufgesetzte Handlung (oder eine Entschuldigung dafür). Trotz Überlänge sehr kurzweilig.
Kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als sei "Terror Firmer" einfach back-to-back als Abfallprodukt von "Citizen Toxie" entstanden, einiges spräche dafür (zum Beispiel Lloyds Sparsamkeit). Auf jeden Fall ist "Terror Firmer" der bessere Film von beiden. Was nicht heißt, dass der offiziell ein Jahr später entstandene Toxie 4 etwa enttäuschen würde. Im Gegenteil. Terroristen besetzen die Behindertenschule von Tromaville, doch der Toxic Avenger sorgt dafür, daß sie sich buchstäblich einscheißen. Danach schleudert ihn ein Wurmloch in ein Paralleluniversum, wo Toxie und sein Kumpel Kabukiman normalerweise die Bösen sind. Pech für die dortigen Gangster. Tromaville unterdessen bekommt den bösen Avenger zu spüren (Noxie!). Am Anfang entschuldigt sich Kaufman ganz offiziell für Toxie 2 und 3, was schon mal ein guter Start ist. Weder an Blut, Gewalt, Schmodder, Fäkalien, rohen Zoten, freiwilligem wie unfreiwilligem Humor herrscht in einem der beiden Filme irgendwelcher Mangel. Gastauftritte gibt’s unter anderem von Pornostar Ron Jeremy, Eli Roth, Nick Zedd, Corey Feldman, Lemmy von Motorhaupt und den Machern von "South Park". Lloyds wunderhübsche Tochter Charlotte, dortselbst mal höchstens geschätzte 12 Jahre alt, chargiert in „Terror Firmer“ mit offensichtlicher Begeisterung des blinden Künstlers spastische Tochter und spielt auch in "Citizen Toxie" mit. Bin schon ziemlich gespannt, wie die inzwischen aussieht. "Poultrygeist" dürfte ja höchstens noch sieben Jahre auf sich warten lassen.
Bearbeitet von hoolio21, 26. August 2008, 13:40.
#15
Geschrieben 27. August 2008, 02:09
Alvarez Kelly
(US 66)
Alvarez Kelly, Rancher mit irisch-mexikanischen Wurzeln, möchte eigentlich nur in aller Unschuld am Amerikanischen Bürgerkrieg mitgewinnlern und gedenkt, seine Rinder an die hungrige Armee des Nordens zu veräußern. Dann aber entpuppt sich der Frontverlauf als zu optimistisch eingeschätzt, und plötzlich befinden sich der smarte Kelly und seine Viehherde in der Gewalt des einäugigen Südstaatenobristen Rossiter und seinem verwegenen Rebellenhaufen. Rossiter würde die wandelnden Steaks gern der belagerten Südstaatenmetropole Richmond zuführen, doch dafür braucht er einen Cowboy, der seine Leute in Cowboys verwandelt. Nach etwas Überzeugungsarbeit nimmt Kelly den Job an.
Der Süden hat praktisch jede wichtige Schlacht im Bürgerkrieg gewonnen. Genutzt hat es ihm nichts. Der Norden gewann den Krieg, weil er für die gerechte Sache kämpfte. ’Tschuldigung, beliebte zu scherzen. Der Norden gewann, weil er fünfmal mehr Einwohner hatte, eine Flotte besaß, die dem Süden die Häfen dichtmachte, und weil die Rohstoffvorkommen und stahlverarbeitenden Betriebe im Norden lagen, während der Süden seine Baumwolle nicht mehr los bekam. Und, wenn man genauer hinschaut, weil die Union ungehemmt Krieg gegen die Zivilbevölkerung führte (Sherman) sowie komplette Einwandererschiffe aus Boston und New York noch vor Erlernung der englischen Sprache in ihren Schützengräben verheizte ( "Gangs of New York" erzählt davon in einem Nebensatz). Auch deswegen sympathisiere ich mit den Konföderierten. Und mit Filmen, die mit Konföderierten sympathisieren. Schon "Ride With the Devil" gesehen?
In "Alvarez Kelly" sind alle halbwegs erträglich gezeichneten Leute entweder Südstaatler, Mexikaner oder Schotten. Und Rinder sind genau wie Frauen. Alvarez Kelly: „Manchmal muß man sie hart ran nehmen. Manchmal muß man nachsichtig mit ihnen sein. Und manchmal muß man ihnen ein paar hintendrauf geben.“ Die in die besten Jahre gekommenen Hollywoodveteranen William Holden und Richard Widmark spielen sich die Bälle lässig zu als Buddyteam aus Geschäftsmann und Militärstiefel in dieser Westernkomödie mit eingestreuten Grobheiten für den entsprechend veränderten Zeitgeschmack. So schießt Widmark dem zaudernden Holden einen Finger weg und verspricht ihm, jeden folgenden Tag einen weiteren zu kupieren, bis dieser in das Himmelfahrtskommando einwilligt, 3000 Rinder mit Laienhirten durch die feindlichen Linien zu treiben. Der Sturm der Herde auf die Front ist der actiongeladene Höhepunkt, doch vieles, was an Hahnenkämpfen, Austricksen und Weiberausspannen zuvor geschieht, macht mehr Spaß. Ein Spätwerk von Schwarze-Serie-Meister Edward Dmytryk ("Murder, My Sweet", "Obsession").
In Colorado ist der Teufel los
(US 58 "The Sheepman")
Wenige waren im Wilden Westen weniger beliebt als Schäfer. Jakob Lieblich (Glenn Ford) hat trotzdem keine Hemmungen, mit Eisenbahnwaggons voller Bählämmchen mitten hinein zu platzen ins quasi gesetzlose Heimatterritorium von Rinderbaron und Oberst Stephen Bedford (Leslie Nielsen). Schließlich kennt er Bedford noch aus gemeinsamer Vergangenheit und weiß, daß in dessen Uniform nicht mehr steckt als ein ausgeschlafener Hochstapler und eiskalter Killer. Bedford antizipiert messerscharf, daß ihm der Neuankömmling Ärger machen könnte, und schickt, als dieser sich weder korrumpieren noch einschüchtern läßt, erst Schläger, dann Schafschlächter und schließlich Meuchelmörder. Doch das beeindruckt Lieblich überhaupt nicht. Vielmehr schnappt er sich auch noch Bedfords Mädchen.
Unbedingter Gute-Laune-Film für verregnete Depri-Tage. Glenn Ford , der Lehrer aus "Blackboard Jungle", liefert eine der besten Leistungen seiner Karriere als günstigerweise auch noch mit praktischer Intelligenz gesegneter, staubtrockener Ironiker in einer Welt voll feiger Spießer, dumpfer Kuhbuben und rücksichtsloser Verbrecher. Joe Hembus vergleicht das nicht von ungefähr mit Terence Hill, und auch der später so angenehm zurückgenommen von James Garner verkörperte Titelheld aus "Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe" wirft hier seinen Schatten voraus. Shirley MacLaine hat in ihrer langen Laufbahn nur zwei Western gedreht, doch in beiden stiehlt sie praktisch jede Szene. Als sogenannter Tomboy, also Mädel, an dem ein Junge verloren ging, verdreht sie Ford den Kopf und beteiligt sie sich eifrig an den gewaltsamen Ausschreitungen. Überraschend ausgiebig wird gekillt.
Bearbeitet von hoolio21, 27. August 2008, 02:42.
#16
Geschrieben 27. August 2008, 22:59
Es gibt nicht viele Tiere, die, wenn sie einen sehen, riechen oder hören, schnurstracks auf dich zusteuern, um dich zu spachteln. Die meisten, selbst die gefährlichen, fliehen lange, bevor du sie siehst. Einige würden vielleicht beißen, wenn du ihnen zu nahe kommst, um sich zu wehren oder ihr Revier zu verteidigen. Andere würden es unter Umständen in Erwägung zu ziehen, dich zu probieren, wären dabei aber scheißvorsichtig und jederzeit fluchtbereit (Haie). Doch kaum ein wildes Tier latscht schon von weitem auf den Menschen zu, in der Hoffnung, daß es ihn erwischen und ein großes Stück von ihm abbeißen kann. Das tun eigentlich nur Krokodile. Und der gute Knut. Wo bleibe Eisbäre-Tierhorror.
Australische Salzwasser- oder Leistenkrokodile leben, wie der Name bereits verrät, auch im Salzwasser. Dabei können sie schwimmend große Strecken zurück legen, um zum Beispiel irgendwelche Inseln zu erreichen. Stell dir das mal vor. Du liegst am Badestrand in der Sonne, auf sagen wir, Java, und plötzlich marschiert ein sechs Meter langes Ungetüm aus dem Wasser und hat nach so vielen Tagen auf See erst einmal Hunger. Die meisten aber lungern lieber in Nordaustralien am Billabong oder in Süßwasserflüssen herum, wo man sie bei Tage auch vom Boot aus besichtigen und anfüttern kann. Genau so einen Ausflug unternimmt der Held in
Rogue
(Aus 07)
Was wäre eine Reisereportage für ein Männermagazin ohne ein gefährliches Abenteuer. Also schwingt sich Amerikaner Pete (Michael Vartan aus "Alias") nach der üblichen herzlichen Begrüßung durch die Hinterwäldler aus der Gegend mit anderen Tagestouristen ins hinreichend verkehrssicher wirkende Expeditionsboot, um das Nützliche (Arbeit) mit dem Angenehmen (Moepse) zu verbinden. Denn natürlich fliegt sofort der eine oder andere Funken zwischen ihm und dem sexy Tourguide, der einheimischen Kate (Radha Mitchell aus "Silent Hill").
Die entspannte Kahnpartie führt durch verheißungsvoll funkelnde Mangrovensümpfe und dramatisch zerklüftete Canyons, links und rechts davon erstrecken sich meilenweit nur Wüste, Ozean und wieder Wüste. Keiner da, der dich schreien hören oder dir einen Döner verkaufen würde. Irgendwann vermeint die Tourmaid Spiegelreflexe in der Ferne wahrzunehmen, und weil man einander in solchen Gegenden tunlichst hilft, steuert sie das Schiff in einen Flußarm jenseits üblicher Routen. Ohne zu ahnen, daß nur ein paar Buchten weiter ein wahres Monster von einem Leistenkrokodil wohnt und fest entschlossen ist, sein Revier gegen den lauten Eindringling zu verteidigen.
Vordergründig betrachtet ist das, was der australische Regisseur und Autor Greg McLean da treibt, nicht eben Imagewerbung für sein Heimatland. In "Wolf Creek" ließ er einen grimmigen Serienmörder-Redneck mit Rucksacktouristen eine Runde Schnitzeljagd spielen. Und nun das. Allerdings leben wir in einer Welt, in der große Haie mit weit aufgerissenen Mäulern jedes zweite Cover von Tauchermagazinen zieren. Da weckt McLean wohl eher den Appetit darauf, von einem gemeinsamen Photo mit dem Biest zu winken. Oder die Tatorte des Rucksacktouristenmörders, den es ja wirklich gab, nacheinander per Autostop zu bereisen. Ob Schweine, wenn sie lesen könnten, Illustrierte kaufen würden, auf deren Titelblättern riesige, fette Metzger mit dem Vorschlaghammer ausholen oder mit dem Messer nach dem Betrachter stechen? Würden sie Filme über Wurst gucken?
In „Rogue“ geht es nicht nur um einen Wettlauf gegen das Tier, sondern auch gegen die Zeit. Die Versprengten landen schließlich auf einer schmalen Landzunge unterhalb der steilen Canyonwand mit der sicheren Perspektive, in Bälde nasse Füße zu kriegen (Gezeitenzone, kein Trinkwasser). Jetzt zeigt sich, welcher Teilnehmer der Expedition aus welchem Holz geschnitzt ist. Die Balance und der Einfallsreichtum der Gruppe ist die Königsdisziplin des Katastrophenfilms (dessen Kind der Tierhorror ist), und McLean gelingt sie hier bei weitem nicht so gut wie zuvor das Wecken hoher Erwartungen.
Die sonnige erste Halbzeit mit der Vorstellung der Beteiligten und dem Aufbau einer erlesen prachtvollen Natur(droh)kulisse ist die starke Halbzeit, die zweite mit ihrer trotz aller Effekthascherei vorhersehbaren und einfältigen Dauerverfolgungsjagd in der obligaten B-Movie-Nacht allenfalls Durchschnitt. Und keineswegs so wendungsreich, mitreißend und glaubhaft wie der Überlebenskampf der Kids in „Wolf Creek“. Auch wenn’s in genau in die gleiche Kerbe schlägt. Doch klappt, was mit einem Killer funktioniert, nicht automatisch mit einem Tier. Nicht ohne das Tier zum Trashmonster zu überzeichnen. Das wollte McLean anscheinend ursprünglich nicht, doch irgendwann saß er in der Falle.
John Jarrat, der Killer aus "Wolf Creek" und ein Darsteller von intensiver Präsenz, wirkt in der Nebenrolle des wortkargen Witwers weitgehend verschenkt. Das Krokodil greift ein, wenn es dramaturgisch Sinn macht, verhält sich für keine fünf Heller artgerecht und ist im Dunkeln oft schwer zu identifizieren. Seine Attacken bei Tageslicht gleichen Explosionen, wie sie beim Dynamitfischen entstehen (die werden doch nicht ...). Was Krokodilhorror betrifft, gefiel mir der thematisch und konzeptionell sehr ähnlich gelagerte, aber wesentlich realistischere und spannendere "Black Water" besser. Und ja, ich sehe gerne Filme über Wurst. Sie geben einem das feile Privileg, den Alptraum zu betrachten, ohne ihn erleben zu müssen. Ich glaube, wenn Tiere reflektieren könnten, wären wir wirklich auf dem Cover. Und daran ist nichts pervers.
Bearbeitet von hoolio21, 27. August 2008, 23:09.
#17
Geschrieben 29. August 2008, 18:26
The Black Dahlia
(US 07)
Immer noch ganz der Alte ist offenbar Brian De Palma. Der komponiert in dieser Interpretation eines Meilensteins der modernen amerikanischen Kriminalliteratur mal wieder große Bilder, läßt Storystränge ins Kraut schießen und den Voyeur raushängen, torpediert die Atmosphäre mit handwerklichen Stilblüten und vermasselt das Ende. Zum vollkommenen Glück braucht er einen (besser mehrere) Schauspieler von massiver Präsenz, Scene Stealing Performances wie Sean Penn in "Carlito's Way", De Niro in "The Untouchables", oder John Lithgow in eigentlich allem. Sonst gleitet das ganze schnell in Trash ab. "Carrie" und "Scarface" hatten Darsteller mit Charisma. "Body Double" oder "The Black Dahlia" leider nicht. Doch "Body Double" hatte wenigstens einen guten Sexfilm im Film.
In Los Angeles entwickeln zwei eigenwillige Polizisten und eine schöne blonde Dame ein freundschaftliches, berufliches und erotisches Dreiecksverhältnis. Die fragile Beziehungskiste wird schließlich destabilisiert von diversen individuellen Traumata sowie einem bizarren Mordfall, der die ganze Stadt in Aufregung versetzt, und den die Freunde in Teamarbeit zu klären haben. Auf einem Abrißgrundstück liegt der nackte und halbierte Körper eines Starlets, säuberlich befreit von Blut und Innereien, ins Gesicht ein gespenstisches Grinsen geschnitzt.
Blassbursche Josh Hartnett im hunderprozentig zeitgenössischen Indiana-Jones-Design (40er!) überzeugt so wenig als harter Cop wie Hilary Swank als Vamp. Die Szenen zwischen ihm und seiner damaligen Real-life-Geliebten Scarlett Johansson (nette Titten) summen leise vor hypnotischer Langweile. Es gilt, oscarreife 120 Minuten zu füllen, zur Not mit langen leeren Blicken. Die monochromen Bilder beleidigen die liebevollen Kulissenbauer und verstärken nicht den Film-Noir-Eindruck, sondern die Langweile. Wünscht sich jemand einen "Chinatown" in ockerbraun? Und warum dann nicht konsequenterweise ein Schwarzweißfilm. Doch ob De Palma das überhaupt könnte? Der hiesige Sexfilm im Film will ein Retroporno sein und verneint diese Frage zum Gelächter der Hühner deutlich vernehmbar. Weitere Szenen unfreiwilliger Komik folgen. "L.A. Confidential" hat es vorgemacht, wie man sich einer James-Ellroy-Vorlage erfolgreich nähert, und von dessen Intensität, handwerklicher Klasse und allgemeiner Eleganz trennt das hier Welten.
Paparazzi
(US 04)
In der Vorankündigung alle Kennzeichen eines typischen Alan-Smithee-Films tragend, begegnen Teile des Hollywood-Establishments auf die übliche lässig-entspannte Weise dem Phänomen der penetranten Klatschphotographie. Anspielend auf die Umstände beim Tod von Lady Diana, produziert vom armen Yellow-Press-Opfer Mel Gibson und inszeniert von dessen Friseur. Mit entsprechend hoher Vorfreude pflanzte ich mich vor die Flimmerkiste.
Filmstar Bo Laramie (Cole Hauser, Papa Wings wie aus dem Gesicht geschnitten) haut dem Paparazzo Harper (Tom Sizemore) eins auf die Nase, als dieser trotz Ermahnung einfach fortfährt, Bos Privatfamilie abzulichten. Daraus entsteht erst ein Rechtsstreit und alsbald eine höchstpersönliche Züge tragende Fehde, in welcher vier Presselümmel mit hoher krimineller Energie den Filmstar komplex zu diskreditieren suchen. Der schlägt, als sein Sohn bei einem Unfall mit verfolgenden Regenbogenreportern ums Haar das Zeitliche segnet (das Di-Segment), auf denkbar nachhaltige Weise zurück (um dieses schlimme Modewort auch einmal zu verwenden).
Um es kurz zu machen: "Paparazzi" ist trotz mancher Ansätze nicht das erwartete Festival des unfreiwilligen Humors und der Geschmacklosigkeiten, sondern ein zwar vorhersehbares und etwas steifes, doch handwerklich solides und zuweilen nicht unoriginelles Rächerthriller-B-Movie beinahe im Stile der Charles-Bronson-Filme. Ein Mann, dem übel mitgespielt wurde und dem das Gesetz nicht hilft, sieht rot. Die Paparazzi sind dementsprechend entbehrliche Gestalten, die ausgewiesenen Skandalnudeln Tom Sizemore und Daniel Baldwin hatten bestimmt ihre helle Freude daran, den feigen Feind wie die letzte Schabe zu portraitieren. Da drückt sogar das Auge des Gesetzes (Dennis Farina) mal ein Auge zu. Apropos: Gastauftritte im Blink-and-you'll-miss-it-Verfahren gibt's von Chris Rock, Vince Vaughn und Mel Gibson.
Bearbeitet von hoolio21, 29. August 2008, 18:47.
#18
Geschrieben 02. September 2008, 02:01
Ansonsten aber gab’s am Wochenende viele neue Filme, und dementsprechend folgt hier jetzt der
Waffelbruch 006
Im Jahre 2008 bricht in Schottland die Seuche aus. England zieht darauf entlang des Hadrianwall eine Mauer mit Selbstschußanlagen hoch und macht die Schotten quasi dicht. Dreißig Jahre danach droht London von der Seuche überrollt zu werden, während auf der anderen Seite des Todesstreifen trotz denkbar widriger Sitten eine Generation von immunen Menschen heranreifte. Von der man allerdings nicht viel mehr weiß, als daß es sie gibt. Spezialagentin Eden Sinclair (Rhona Mitra aus "Highwaymen") bekommt den Auftrag, mit einem ausgewählten Team nach Glasgow zu gehen und gefälligst nicht ohne ein Mittel gegen die Seuche zurück zu kehren. Eine Prise "Aliens", eine Situation wie in "Die Klapperschlange", eine Seuche wie in "28 Days Later", von "Mad Max 2" die Verfolgungsjagd, eine Computerspieltussi als Heldin - an Doomsday (GB 08) ist nichts originell, und es gibt kaum eine einzelne Szene, die nicht direkt auf irgendein Vorbild aus der jüngeren Genrefilmgeschichte zurückgreifen würde. Ein kompaktes Vergnügen für Leute, die gerne Zitate raten, ein von Freaks bevölkertes Rennen gegen die Zeit für anspruchslose Actionfans, und ein Therapievehikel für Typen, die als Dreikäsehochs mit Endzeithorrortrips sozialisiert wurden wie Neil Marshall, der Regisseur von "Dog Soldiers", "The Descent" und jetzt eben dem hier.
Wer einen Film mit einem Song von David Hess aus dem "Last House on the Left"-Soundtrack beginnen läßt, hat bei mir erst mal einen Stein im Brett. Manhunt (Norwegen 08), im Original "Rovdyr", nimmt sich auch sonst die bösen Filme der frühen 70er zum Vorbild, wenn zwei Pärchen auf der Fahrt übers Land im vielzitierten Hinterwald ein paar begeisterten Menschenjägern vor die Schrotflinte stolpern. Vorhersehbare Verfolgungsjagd mit vielen graphischen Grobheiten, von denen nur wenige die Intensität der allerersten erreichen. Das sirenenhafte Geheule der heißen Leading Lady nervt, doch als Überlebenskünstlerin macht sie ihre Sache gut. Die Killerrednecks sind keine sabbernden Freakmutanten, sondern harte, böse Bauernsteine. Auch das gefiel: Helle, klare, ruhige Bilder, wieder in Schmutzfarben, aber diesmal in einem eher angenehmen sepia-Schimmer, passend zur modrigen Nasskälte der umgebenden Waldkulisse. Sicher besser als manches, was zur Zeit auf dem FFF tourt.
Moderne Teenager und ihre Sorgen: Warum haben immer alle ein Videohandy, nur ich nicht? Doch nicht nur das. Mandy (Ashley Tisdale) wohnt auch noch im voll uncoolsten Viertel, muß eine Brille tragen, und ihr Vater ist schlimmer als Hitler, weil er pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag und einem Party Date (US 08) mit der Schule heißestem Hengst Hausarrest auf den Stundenplan schreibt. Was ist eigentlich aus dem guten alten Arschvoll geworden. Guckstu Czechfilm. Auf jeden Fall erfordert die Situation allerhand plumpe Verrenkungen, die den Betrachter vermutlich entfernt an Ferris Bueller erinnern sollen. Bis vor wenigen Jahren gab’s in seelenloser Teenagerverblödung wenigstens sexistische Zoten, subversive Destruktion und Anflüge von Ironie. Das hier ist einfach ein Schlag Zuckerwatte auf die Zwölf, die Saat von Sleeper-Phänomen "High School Musical", ein glattgebügelter, kommunikationsindustriefinanzierter Unterhaltungspampf / Kaufbefehl aus einem "Brazil"-Albtraum. Kommerziell aussichtsreich und handwerklich sauber, whatsover.
Auch Chances Highschool Abenteuer (US 06 "The Curiosity of Chance") hat John-Hughes-Filme gesehen und im Gegensatz zu "Party Date" sogar eine Haltung. Sowie eine Story, die man so im Reiche der High-School-Komödie bisher nicht hatte. Jedenfalls nicht unter professionellen Bedingungen. Der Neue an der Schule ist nämlich nicht nur der Coole, sondern auch der Schwule. Offen schwule, mit Hang zum tuntigen Gehabe gar. Bevor ihm aber die hasserfüllten Muskelprotze vom Fußballclub die Hammelbeine lang ziehen, hat er auch schon einen von ihnen in sein Lotterbett gezogen. Der Hauptdarsteller spielte mal in einem "American Pie"-Videosequel den Matt Stifler, verrichtet seine Sache überzeugend überdreht und findet eine sehr entspannte, angenehme Ergänzung in dem Love Interest von der Jock-Fraktion. Bin gespannt, wie die extrem homophobe Teeniegemeinde auf diesen netten Versuch reagiert. Im Metier des Gay Movies, so es überhaupt noch ein solcher ist, weit überm Durchschnitt.
In diesem Zusammenhang sei Socket (US 07) nicht unterschlagen, in dessen Verlauf sich schwule Kerle mit Stromschlägen zu neuen Höchstleistungen in der Disco aufputschen und irgendwann für ihren Kick auch zu Töten bereit sind. Eine Subkultur von Elektrofreaks lebt unter uns, Typen, die mal der Blitz oder Starkstrom getroffen hat, und die in ihren Selbsthilfegruppen nun darauf gekommen sind, daß der Körper unter Strom regeneriert, ja, auf Strom regelrecht abfährt. Der Held ist Mediziner, neugierig, und übertreibt es etwas. Erinnert inklusive der subkutanen Metallimplantate alles sehr an David Cronenberg und ist gewiß ein dem Meister würdiges Zitat. Absolut Low Budget und voll mit schwulen Fickszenen, doch auf jeden Fall auch ein Horrorfilm mit allem, was dazu gehört.
Da es hier Leute gibt, die lesen und sich gewiß auch für Literatur insgesamt interessieren, sei auf My Boy Jack (GB 07) hingewiesen. Das Ding wird zwar in Deutschland als der neue Daniel-Radcliffe-Film vermarktet, weil eben Harry Potter den Titelhelden spielt, doch weder handelt es sich hierbei um einen Teenagerfilm, noch geht es in der Geschichte zentral um die Radcliffe-Figur. Vielmehr beschäftigt sich der Film mit einem historischen Gewissenskonflikt des Schriftstellers Rudyard Kipling, der als Jubelpatriot den I. Weltkriegs lauthals begrüßt und herbeiruft. Seine Haltung ändert sich jedoch rasch, als sein eigentlich kriegsuntauglicher Sohn (Radcliffe), für dessen Einberufung und Offizierwerdung Kipling wie ein Löwe kämpfte, gleich in der ersten Schlacht auf französischem Boden fällt. Die Hauptrolle des Kipling spielt Drehbuchautor David Haig, auf dessen gleichnamigem Theaterstück der Film basiert. Überzeugungstat von Format, in der üblichen guten BBC-Qualität.
Und wenn wir schon dabei sind: Miss Potter (GB 06) erzählt vom Leben der britischen Kinderbuchautorin (Peter Rabbit) und Naturillustratorin Beatrix Potter, die zum Ende des 19. Jahrhunderts auf ganz eigene Weise gegen Konventionen rebellierte und sich spät tragisch verliebt. Hübsche Ausstattung, ein paar originelle Optical Effects (die Tierzeichnungen kommunizieren mit der einsamen Beatrix). Ewan McGregor und die mittlerweile auf Londoner Mauerblümchen abonnierte Renee Zellweger spielen die Hauptrollen in einem süßen Rührstück für die ganze weibliche Familie, dem ersten Film von "Babe"-Regisseur Chris Noonan seit einem Jahrzehnt.
Als Kind stand ich zwar schon auf Filme, wollte aber noch kein Filmredakteur werden, sondern Tierforscher. Einer wie Sielmann oder Grimzeck, die ich aus der magischen Röhre kannte, und die vermutlich mit Tiger und Hyänenhund auf du und du das ganze Jahr über in fernen Ländern Abenteuer erlebten. Meine Begeisterung für den Vierbeiner verringerte sich dann sukzessive in dem gleichen Umfang, in dem das Interesse für Damen, Alkohol und den Gitarrenkrach des weißen Mannes wuchs. Doch noch immer habe ich viel Verständnis für jenen jungen Mann, der in Strange Wilderness (US 08) in die Fußstapfen seines Erzeugers, eines TV-Tierfilmers, tritt. Zumal es sich um eine Persönlichkeit handelt, die den Beruf des Tierfilmers offensichtlich mit dem Interesse an Damen, Alkohol und Gitarrenkrach unter einen Hut bringt.
Tierfilmer Peter (Steve Zahn) und sein Team wirken denn auch weniger wie Forscher als wie die Bierbrüder aus dem "Animal House". Ihr einstmals beliebtes TV-Format haben sie heruntergewirtschaftet, indem sie zum Beispiel langweilige Bilder mit sensationsheischenden Unsinnskommentaren untermalten oder gleich direkt ganze Segmente aus "Gesichter des Todes" stahlen ("Da lag doch irgend so ein Jesus-Song drunter. War der auf der Demo zu hören, oder ist der von euch?"). Jetzt wäre die Rettung zum Greifen nah, denn ein Freund der Familie hat den Bigfoot entdeckt, doch fehlt es zwar nicht an willigen Volontären, wohl aber an Bargeld, um den Trip über den Rio Grande zu finanzieren. Zahn und seine Kumpel sind rund um die Uhr bedröhnt. Wenn eine schöne Frau ihnen anbietet, umsonst für sie zu arbeiten, glotzen sie ihr auf die Brüste und stammeln dummes Zeug. Der Kameramann malt sich hyperrealistische Augen auf die Lider, um bei den Redaktionskonferenzen pennen zu können, es gibt einen kleinen Wettlauf mit einem Yuppie-Team wie in "Twister", und wenn nötig wird die Expedition mit Geld aus dem Drogenhandel finanziert. Für plumpen Klamauk und die alberne Geschichte entschädigen trockene Situationskomik, das harmonische Zusammenspiel des Teams und Momente klarer Wahrheit im Zwischenmenschlichen. Und Joe Don Baker und Ernest Borgnine in dankbaren Nebenrollen. Kleine Entdeckung in ihrer Videothek.
Bearbeitet von hoolio21, 02. September 2008, 02:30.
#19
Geschrieben 03. September 2008, 02:26
(Kinderabzählreim, ca. 1969)
Mörder GmbH
(GB 69 "The Assassination Bureau")
Im London des frühen 20. Jahrhunderts recherchiert die junge Reporterin Sonya Winter (Diana Rigg) einer mysteriösen Geheimloge hinterher. Reiche Großbürger aus aller Herren Abendländer haben sich den Mord an prominenten Mitgliedern der Gesellschaft, um die es nicht schade ist, zur vornehmen Geschäftsaufgabe gemacht. Sonya, die das unmoralisch findet, gibt kurzerhand die Ermordung des Clubpräsidenten Dragomiloff (Oliver Reed) in Auftrag. Dragomiloff hat auch gar nichts dagegen. Auf der nächsten Ratsversammlung fordert er die Clubmitglieder auf, ihn zu töten, andernfalls er sie töten werde. Und eilt durch ganz Europa, um die geschätzten Kollegen in ihrem jeweiligen natürlichen Biotop möglichst überraschend zur Strecke zu bringen. Also den Wiener im Caféhaus, den Schweizer in der Bank, den Pariser im Bordell, etc.
Diana Rigg war ein Popstar Ende der 60er, als Agentin Emma Peel in der TV-Serie "Mit Schirm, Charme und Melone" jedem Kind ein Begriff. Eine selbstbewußte Karatelady mit frecher Klappe, vielleicht der erste weibliche Actionheld. Sie auf der Leinwand mit Oliver Reed zu verkuppeln, dem Musterbild des sportiven Beat-Ära-Playboy in all seinem alkoholgetränkten Machismo, ist schon mal eine solide Basis für ein rundes Vergnügen. Rigg ist hier zwar bei weitem nicht so tough wie als Emma, doch immerhin übt sie als frühe Feministin einen Männerberuf aus und bringt Reed beinahe zur Strecke (wenn auch nur als ahnungsloses Werkzeug einer dritten Kraft).
Reed dagegen ist voll in seinem Element als eiskalter Charmeur mit undurchsichtiger Agenda. Ein Windhund zu Verlieben, und Mörder, der für das Gute killt. Gegen Attentate hat er nichts, so lange es bloß Schädlinge trifft. Auch für einen Spaß oder ein Kräftemessen ist er jederzeit zu haben. Als seine Kollegen aber den Ersten Weltkrieg befeuern wollen mit einem Anschlag auf eine Gipfelkonferenz, streikt er. Denn: „Wie können wir unsere hohen Preise halten, wenn die sich massenhaft für einen Schilling am Tag totschießen.“ Die Literaturvorlage erinnert in ihrem fantastischen Kulissenreichtum und der Begeisterung für Jugendstilära-Hightech an Jules Verne, stammt aber von Wildwestpoet Jack London und spielte wohl ursprünglich auch mal in Amerika.
"Mörder GmbH" verbindet klassische britische Kriminalkomödie nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip mit dem entfesselten Sixties-Abenteuerkitsch der tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten. Wer sich ein Herz für wenigstens eines von beidem behalten hat, kommt hier auf seine Kosten. Es gibt kreative Tode nach bewährtem Bodycount-Prinzip, unblutig, aber pointiert und voll schwarzem Humor. Und Klischees mit der groben Kelle. Philippe Noiret gibt den Franz, Telly Savalas zieht sinister seine Böser-Glatzkopf-Strippen, und anstelle des sonst üblichen Gerd Fröbe bellt der auch nicht schlechte Curd Jürgens als hackenschlagender Pickelhaubenpreuße glücksstrahlend seine Mordbefehle. Das Finale im Zeppelininnern gereicht einem Bondfilm zur Ehre, und auch sonst ist es - gerade angesichts des unterbelichteten Schnittsalates aus dem gegenwärtigen Hollywood - direkt eine Wonne, das prachtvoll ausgeleuchtete Dekor und die Detailfreude dieses stinknormalen Unterhaltungsfilms seiner Zeit zu betrachten. Und ja, sie wäscht ihn.
Bearbeitet von hoolio21, 03. September 2008, 02:46.
#20
Geschrieben 09. September 2008, 02:33
Martyrs
(F 08)
zu schreiben, ohne wesentliche Überraschungen zu verraten, ist kein rechtes Vergnügen. Also ausnahmsweise hier die Warnung, auch wenn viele ihn inzwischen kennen dürften.
Der Schwarzweissfilm ist auf dem Vormarsch. Er kommt verkleidet im verchromten Metallicdesign des Hightech-Actionfilms, im braunen Ton der Nostalgie, im Goldglanz des fernöstlichen Historienlichtspiels, oder im kalten, verwaschenen, alle Hoffnung auf den ersten Blick begrabenden Blaugrau des modernen Horrorthrillers (oder der Autowerbung). "Sieben" sei Dank. Und was tut euer ergebener Chronist? Er beugt sich vornüber und lässt sich rammeln vom Schwarzweißfilm. Erstens, weil ihm gar nichts anderes übrig bleibt. Kann ja nicht den ganzen Tag Burlesken der 60er gucken. Und zweitens, weil es Sachen wie "Martyrs" dann auch wieder sehr gut machen.
Eine Familie sitzt am Frühstückstisch. Scherzt, lacht. Vielleicht ist Wochenende, man hat es nicht eilig. Vater, Mutter, Teenagersohn, Teenagertochter, Honigtoast. Es klingelt an der Tür. Davor steht eine junge Frau mit einer Schrotflinte Marke Elefantenpatsche. Sie schießt den Vater nieder, dann die Mutter. Unbeirrbar wie der Terminator folgt sie den kopflos fliehenden Kindern durch das Haus, überhört deren Flehen, tötet auch diese beide. Ohne Kommentar, ohne Regung, ohne Fragen zu stellen. Beinahe, ohne Fragen zu stellen. Aber die Kinder haben keine Ahnung, was ihre Eltern getan haben. Und nun ist es für Verhöre ohnehin ein wenig spät.
Ein Auftakt nach Maß. Beileibe nicht die erste Szene des Films, aber noch ziemlich am Anfang. Gerade, als uns das Mädchen mit dem Gewehr so richtig leid tut. Hatte nämlich eine schwere Kindheit, die Arme. Saß lange bei irgendwelchen Unholden im Folterkeller. Amstetten fällt einem ein, und dieses Kinderheim auf der englischen Kanalinsel. Doch mit welchem Ziel. Sexuellen Missbrauch gab es keinen, persönliche Kontakte zwischen Täter und Opfer auch nicht. Ein Kasper-Hauser-Experiment vielleicht? Das Mädchen mit dem Gewehr kam nicht alleine. Ein weiteres folgt ihr, und dann noch eines. Zwei sind Teil eines sehr geheimen Projektes, die dritte wird es werden.
Bewußtseinserweiterung durch Schmerz heißt der Weg, und Erkenntnis das noble Ziel. Speist der Mensch von deren Baume, kann es schon mal rascheln im Karton. Spricht die Bibel. Und die hat Märtyrer produziert wie wenig anderes. "Martyrs" ist nicht der übliche Folterporno. Er handelt von Leuten, die foltern wie andere meditieren. Oder Kung Fu üben. Gebildeten Leuten, Kulturbürgerzirkeln, die sich mit Philosophie beschäftigen, Dinge hinterfragen, Sinn suchen und Grenzen ausloten. Menschen wie uns. Und von der Fassungslosigkeit der Opfer (in diesem Moment auch unserer), das zu erkennen. Zerstört worden zu sein für eine fixe Idee von Typen, die lesen, lachend mit ihren Kindern Kakao schlürfen und sich für Avantgarde halten. Die eine antwortet mit einem erschütternden Wutausbruch, die andere mit komplexer Selbstaufgabe. Halbzeit eins gehört der einen, die zweite der anderen Dame. Beide Hälften schenken sich nichts.
"Martyrs" ist inhaltlich clever und formal ein Triumph. Kälte und nackte Beklemmung verbreitend, Knöpfe drückend, wie es das braucht, den Betrachter nie in Ruhe lassend. Ungleich reifer als der fiese kleine Schwangerschaftsschocker "Inside" oder der peinlich prätentiöse TCM-Klon "Frontiers", doch zu derselben, mutmaßlich von "Irreversible" initiierten Welle französischer Horrorschocker zählend (von Wild Bunch wie jener), vermittelt der Film dem Betrachter jederzeit überzeugend das Gefühl, Tiefgang, Subtext, gar morbider Poesie beizuwohnen. Der eine oder andere Gedanke wurde vorher schon von "Die Geschichte der O", "Poltergeist" oder "Hellraiser" gesponnen, zu denen sich zum Teil amüsante Parallelen finden lassen. Die Darstellung von Gewalt geschieht anderswo krasser, doch dank der wasserdichten Inszenierung und mitleidlosen Konsequenz der Geschichte sitzen die Treffer von "Martyrs" allesamt da, wo's weh tut.
Freimütig bestätigt der Film die Theorie der Unholde. Die junge Frau gerät in den angestrebten Zustand des Martyriums, empfängt eine Botschaft aus dem Jenseits im Diesseits, und gibt diese als letzten Dienst an der Menschheit an die Päpstin weiter. Der scheint die Message wohl zu gefallen, kann sie es doch kaum abwarten, selbst das Zeitliche zu segnen im Angesicht ihrer mit offenem Mund der Offenbarung harrenden Schäfchenschar. Offen bleibt nicht nur der Inhalt der letzten Worte, sondern auch die Frage, in wie weit die Leidensfrau ihre Rolle annahm und - schreck laß nach - den Moment der Ekstase womöglich genoß. Allein für diese Kontroverse schönen Dank. Existenzialismus? Buddhismus? Apfelmus? So vielseitig deutbar wie in "Martyrs" ist im Horrorfilm lange nicht mehr gelitten und gestorben worden. Und Frankreich schlüpft auf wundersame Weise in die einstige Rolle der komatösen Filmnation Italien. Seht her, da liegt die Latte.
Like a Dragon
(Jap 07)
Miike mal wieder. Wie so ein alter Kumpel seit immer dabei auf dem Fantasy Filmfest. Diesmal geht's zurück mit Siebenmeilenstiefeln zum Stil von "DOA" und ins bewährte Vergnügungsviertel Shinjuku. Dort herrscht zur späten Nachtstunde noch eine Rekordhitze, was nicht ohne Folgen für die Gemüter labiler Gauner und nervöser Ordnungshüter bleibt. Ein bedröhntes Jungpärchen steigert sich auf dem Diebeszug in einen Machtrausch. Zwei tölpelhafte Bankräuber stehen mit zig Geiseln vor leeren Tresoren, während draußen Polizei in Kompaniestärke aufmarschiert. Die fehlt dann anderswo, wenn der Superpsychopath, Gangsterboß und begeisterte Baseballspieler Goro mit seinen Schlägern wahllos prügelnd durch die Stadt zieht, weil irgendjemand die Clubkasse plünderte. Keiner weiß, was der frisch aus dem Knast entlassene Yakuza Kazuma vor hat, und warum ihm ein kleines, höchstens elfjähriges Mädchen nicht von der Seite weicht. Der toughe Detective Date wird ihn einfach mal fragen.
Trotz einem immer noch rekordverdächtigem Film-Output pro Jahr weiß Takashi Miike offenbar nicht, wohin mit den ganzen Ideen, und erzählt deshalb gleich mehrere Geschichten parallel zueinander, bis sich irgendwann die losen Enden treffen und in teils epische Showdowns münden. Ergebnis ist eine leichtfüßige Genrefingerübung ohne höheren Anspruch, ein kunterbuntes Kaleidoskop von zum Teil redlich überdrehten Slapstick-, Action- und Actionslapstickszenen. Wie in Hollywood, wo man ja auch gerne die subtilere Anspielung mit dem Vollbad in Dung paart, ist für jeden Humorgeschmack etwas dabei, allein vom harten Miike mit seinen rektalen Vergewaltigungen und humanoiden Nadelkissen fehlt heute mal jede Spur. Basierend auf dem mir nicht näher bekannten SEGA-Game "Yakuza", aber besonders computerspielartig kommt das Gezeigte nicht rüber.
Bearbeitet von hoolio21, 09. September 2008, 02:57.
#21
Geschrieben 10. September 2008, 22:03
Midnight Meat Train
(US 08)
Was war der Clive Barker in den 80ern eine große Nummer. Als die alte Horrorwelle unter dem Geschützdonner der Zensoren versickerte und noch keine Fanzines über Hintergründe und Bezugsquellen informierten. Als eine gelegentliche Fangoria oder Psychotronic die einzigen Informationsquellen waren und ein "Nightmare 2" aus der dreißig Titel umfassenden Originalfassungsnische oder ein "La Dea Cannibale" aus der Italienervideothek als große Entdeckungen gefeiert wurden. Da war "Hellraiser" die aufgehende Sonne. Manche kamen dann mit dem "Buch des Blutes" daher, Kurzgeschichten mit eingestreuten Illustrationen, wild, brutal, unberechenbar, fast wie Punk. Noch eine Sternstunde. Barker war also mehr als ein Filmemacher. Ein Autor, Graphiker, Dramatiker, Theatermann, bildender Künstler womöglich. Einer, der Splatter Movies kulturelle Akzeptanz verleihen konnte. Als dann noch Stephen Kings Aussage kolportiert wurde, nach der Clive Barker nicht weniger als die Zukunft des Horrors repräsentierte, mußten Enttäuschung, Kater und Absturz zwangsläufig ihren Lauf nehmen.
Die folgenden Regiearbeiten reichten nicht annähernd an "Hellraiser" heran, nach nur zwei Versuchen und seit "Lord of Illusions" von 1995 wurden alle weiteren Versuche Barkers, selbst Filme zu machen, eingestellt oder nicht über die Planungsphase hinaus verfolgt. Aber die frühen Bücher des Blutes liegen ja noch herum. Und könnten von Typen, die damals bei "Hellraiser" in der ersten Reihe saßen, adaptiert werden. Herr Barker ist sicher mit einem Produzentencredit und einem kleinen Scheck einverstanden. Lionsgate, übernehmen sie. Bühne frei für Barkers Jünger Ryuhei Kitamura und seine Inszenierung von "Midnight Meat Train".
Photograf Leon träumt von Ausstellungen in den besten Galerien der Stadt. Galeristin Susan meint, sein ungeschminkter Großstadtrealismus sei noch ausbaufähig, sie fühle sich nicht berührt. Also geht Leon den Dingen auf den Grund. Und den besonderen Motiven hinterher. Zum Beispiel dem Metzger, der im Anzug zur Arbeit geht. Und es überhaupt nicht mag, photografiert zu werden. Leon hat ihn bald im Verdacht, ein Serienkiller zu sein. Verantwortlich für das Verschwinden unzähliger Menschen seit vielen Jahren. Ganz falsch liegt er damit nicht, doch hat gewissermaßen die Medaille zwei Seiten.
Bei "Versus" wäre ich um ein Haar seekrank geworden. Bei "Midnight Meat Train" war ich angenehm überrascht von der ruhigen Kameraführung. Klassische japanische Bildgestaltung. Schöne Totalen zum genießen, wie etwa der weite Aufgang in der U-Bahnstation, das Tor zwischen Unter- und Oberwelt. Spielereien mit dem Photoformat, die in guten Momenten an "Blow Up" gemahnen. War da was auf dem Bild? Interessante Personen werden eingeführt, aber sofort wieder links liegen gelassen. Ungebührlichen Raum erhält die weinerliche Gattin, erheblich zu wenig der komische beste Kumpel. Dazwischen selbstironische Diskurse über Vegetarismus und flashy montierte Killaktionen eines Unbekannten, der bald ein Gesicht erhält. Nach zehn Minuten brandet der erste Beifall im Kino auf. Der Schlächter hämmert einem Opfer das Haupt weg. Wir bekommen sowohl die objektive als auch die subjektive Perspektive (wenn ich mich recht entsinne, sogar die des Hammers). Dennoch gingen mir Kitamuras Manierismen nicht so auf den Wecker wie sonst. Lediglich bei der Führung des Hauptdarstellerpärchens beweist er Defizite.
Blaß bleibt Bradley Cooper aus "Alias" in der Rolle des getriebenen Gutewichts. Sogar richtig auf die Nerven geht Ehefrau-Darstellerin Leslie Bibb, die mit ihrem unmotivierten Geflenne offene Unmutsbekundungen beim ansonsten geduldigen und dem Film wohlgesonnenen Publikum provozierte. Da hilft auch nicht ein makelloses Antlitz. Nicht mehr ganz makellos sieht Brooke Shields aus, und eine wirkliche Schauspielerin wird aus ihr in diesem Leben auch nicht mehr. Trotzdem schön. Die Frau, und sie wiederzusehen. Besonders in so etwas.
Die Show stiehlt natürlich niemand außer Jones. Seinem Spitznamen als Spieler entsprechend wie eine Axt schneidet er quer durch den Film, wirkt mit seiner Körpergröße, dem ungewohnten Anzug, seinem Pokerface und dem Eierschädel (fang mich doch) wie eine Mischung aus dem Tall Man in "Phantasm" und Zippys gemeingefährlichem Schlägerbruder. Tatsächlich sieht es so aus, als habe Jones für seine beinahe autistisch anmutende Deadpan-Performance bei "Forrest Gump" Maß genommen, und in einem der herrlichsten kleinen hellen Momente des Films wird dieser auch prompt zitiert. Japaner mögen die harten Fußballtypen. Die überlebensgroßen, fleischgewordenen Klischees. Vielleicht holen sie ja demnächst Ollie Kahn.
Es bleiben ein paar lose Enden und offenen Fragen, doch so unzufrieden mit der Story wie meine Begleiter war ich nicht. Auch lege ich die Logik bei Filmen über jenseitige Menschenmetzger in der New Yorker U-Bahn nicht auf die Goldwaage. Wenn es archaische Ungeheuer gibt, die wir mittels Menschenopfern friedfertig stimmen müssen, bitte sehr. Moloch-Metapher, simpel zwar, doch immerhin. Mich hätte mehr interessiert: Wo blieb die Streetgang vom Anfang? Wollten die den Helden nicht irgendwie kalt machen? Rieche unterschlagene Pointe. Und warum kann der Fleischfachverhauer nicht einfach eine Frau haben (Frau Weihnachtsmanns Schwester). Die könnte doch nachher den Boden wischen (mit Bref, das Zeug ist die Macht). Herrliche Ausglitschszenen! Motive von "Hellraiser" und "Candyman" sind erkennbar. War Barker vielleicht schon früher limitierter als wir dachten? Gespannt darf man sein, wie sie Jones wiederbeleben werden. Denn ohne den guckt das Sequel kein Schwein. Am Schluß prasselte weithin Beifall. Ich ließ den Sound von One Hand Clapping erklingen. Zum einen, weil mir das eine angemessene Geste schien, zum anderen, weil ich einen Colabecher in der Hand hielt.
Bearbeitet von hoolio21, 10. September 2008, 22:31.
#22
Geschrieben 12. September 2008, 04:07
Hölle vor dem Tod
(I 68 "Comandamenti per un gangster")
Soll ich mal die Credits vorlesen? Mucke: Morricone. Schnitt: Mario Morra. Produktion: Claudio Argento. Drehbuch: Dario Argento. Jauchzender Chor zum Vorspann im blaugoldenen Relief-Design, dazu dieser Titel. Da patscht man als großes Kind vor Entzücken in die Hände, wenn man eigentlich mit gar nichts rechnet. Denn: Keine einzige Review in der imdb, nicht ein user comment. Was der Film wohl getan hat, um mit solchen Namen so obskur zu sein. Sehen wir doch mal nach. Die grobe Handlung: Ein Safeknacker mit persönlicher Rache-Agenda birgt mit zwei Brüdern einen Goldschatz aus einem versenkten Boot in Kanada. An dem Mammon ist auch ein Gangsterboß interessiert, doch beißt er bei dem Trio auf Granit.
Das Drehbuch stammt nicht allein von Argento. Auch der profilierte Schauspieler Alfio Caltabiano alias Al Northen, Co-Star und Regisseur des Films, wird als Autor geführt. Durchaus möglich, daß er sich als Regisseur selbst die Geschichte auf den athletischen Leib schneiderte, und Claudio den Dario nur zum Ausbessern schickte, oder, um ein paar brutale Szenen mehr reinzuschreiben. Eine lustige Vorstellung: Argento ein Buch verbessern. Womöglich noch gegen den Willen des Kreativleiters.
Zwei einfache Story-Merkmale sprechen jedoch für einen größeren, ursprünglichen Einfluß Argentos. Zum einen heißt der Superbösewicht Dario (sein Gegenpart, obwohl nicht von Caltabiano gespielt, heißt Northen). Zum anderen gibt es eine Schlüsselszene, in der eben dieser Northen den Mörder eines alten Mannes, von Beruf Papageienzüchter, überführt. Er findet eine im Tumult verlorne Feder, hält sie dem zuständigen Ara unter den Schnabel, und der Vogel, von Beruf schließlich Papagei, trägt vor, was er im Moment des Verlustes der Feder so an Menschenlauten vernahm. Also die Todesschreie des Alten, und den Namen des Täters. Wenn das nicht hundert Prozent solides Silber ist. Wo bleibt so etwas in "Mother of Tears".
Überhaupt. Caltabiano. Seine Figur heißt Five Cents. Trägt immer eine schwarze Lederjacke, erinnert an Marlon Brando in "The Wild One", poliert Fressen mit einer im schwarzen Handschuh integrierten Eisennietenmanschette (Dario, ick hör dir trapsen). Er und sein Filmbruder namens Maschinengewehr sind Nitro und Glyzerin, mischen die Kohorten des Unterweltzaren gleich im Dutzend auf, wenn es sein muß mit Mistgabel, Fahrradkette oder Schneepflug. Ihr Gegner ist aber auch nicht zimperlich. Ein echter Psychopath, an Joe Pantoliano erinnernd, der religiöse Phrasen drischt und Verräter wie Hummer lebendig in den überdimensionalen Kochtopf wirft. Noch verzichtet man auf die wieder auftauchenden roten Körper. Aber der Italohorror marschiert.
Wäre noch Ljuba Tadic zu erwähnen, der Darsteller des Northen. Ich kannte den vorher nicht. Ein düsterer, streng blickender, großgewachsener Herr mit dicken, schwarzen Rändern unter den Augen, der immer gleich stoisch drein schaut, egal, ob er beim Frühstück sitzt, von Feinden als Sandsack mißbraucht wird oder der serbischen Schlagertorte in der einzigen Damenrolle die verdienten Feigen reicht. Der jugoslawische Superstar spielte laut imdb in 176 Filmen und Fernsehproduktionen mit, Serien jeweils nur einmal gerechnet. John Wayne, der wirklich sehr fleißig war, bringt es auf 171 Einträge, Klaus Kinski auf bescheidene 135. Hat man den auch mal gesehen. Obwohl er total verblaßt, gegen Nitro und Glyzerin.
Karge, ruhige weite Aufnahmen adeln jedes Genre-B-Movie. "Hölle vor dem Tod" hat ein paar davon. Zynisch, sadistisch, doch nur selten explizit durchtränkt Gewalt eine banale Kriminalgeschichte, besonders beliebt sind Erschießungen mit Schnellfeuergewehren aus allen Lagen. Die Unterwasseraufnahmen wären vielleicht spektakulärer geraten, wenn man sie wie bei "Inferno" Mario Bava überlassen hätte. Zaghafte Versuche dürftiger Späßchen seitens der Berliner Synchron irritieren eher. Insgesamt ein passables kleines Räuberpistölchen. Kein guter Film, aber ein interessanter.
Bearbeitet von hoolio21, 12. September 2008, 05:05.
#23
Geschrieben 14. September 2008, 02:31
Bettgeflüster
(US 59 „Pillow Talk“)
In den 60er Jahren gab es drei offizielle Hollywood Role Models für junge Damen. Audrey Hepburn für die lesende Rebellin. Doris Day für die brave Hausfrau. Und Liz Taylor für die betrunkene Hausfrau, die fremd geht. Zu welcher Gruppe man gehörte, äußerte sich über die Frisur. Meine Mutter z.B. war eine Audrey und wählte das schlechte "Frühstück bei Tiffany's"-Ende, also heiratete die zwanzig Jahre ältere, spießige Brieftasche. Gut für meine Ausbildung zum Rebellen, schlecht für meinen Arsch. Aber unter den Milfs meiner Peer Group gab es auch Goldhelmträgerinnen. Patent, putzend, ständig gut aufgelegt. Die fingen dann irgendwann auch an zu trinken. Sie gingen nur nicht fremd.
Der attraktive Broadway-Komponist Brad Allen (Rock Hudson) teilt mit der schön blonden Innendekorateurin Jan Morrow (Doris Day) dieselbe Telefonleitung. Während sie den Fernsprecher für die Arbeit braucht, blockiert er den ganzen Tag die Leitung, in dem er irgendwelche Flittchen klarmacht und ihnen seine neuesten Kompositionen vorträgt. Morrow muß das nicht alles mitanhören, aber sie kann. Prompt kommt es zu fernmündlichen Ausschreitungen samt Rechtsmittelandrohung zwischen der prüden Unternehmerin und dem kreativen Playboy. Als Allen durch einen gemeinsamen Bekannten, den seinerseits selbst in Morrow verschossenen Multimillionär und Musicalproduzenten Forbes (Tony Randall), von Morrows beträchtlicher äußerlichen Anmut erfährt, ist sein Jagdinstinkt geweckt. Wie gut, daß sie nicht weiß, wie er aussieht.
So verklemmt, wie alle tun, ist "Bettgeflüster" keineswegs. Im Gegenteil geht es nur um das Eine. Verklemmt ist allein der Charakter, den Doris Day spielt. Aber die wird natürlich kuriert, und zwar von dem ruchlosen Womanizer. Man trickst mit allen Mitteln. Hudson beim Überwältigen der Widerspenstigen, und die Filmemacher beim Schneiden. Selten so einen harmonischen, niemals störenden und doch so häufigen Einsatz der Split Screen gesehen wie bei den gern von Bett oder Badewanne aus geführten Telefonaten der Turteltauben / Streithähne.
Day zeigt in solchen Momenten, was geht, geizt nicht mit Reizen (gegenüber dem Zuschauer), und wirkt nicht so viel prüder als die meisten Frauen der Prä-Pille-Ära. Ihre Paradefigur ist nicht nur das Rührmichnichtan, sondern auch die kleine Frau, die sich wehrt. Die Blue-Collar-Dame, die sich mit den Reichen und Mächtigen anlegt, und protzigen Anmachern, die eine neue Kerbe im Bettpfosten wollen, nicht ohne weiteres nachgibt. Sie ist berufstätig, gebildet, selbständig. Eine Feministin, die sich gegen Sexismus wehrt. Im Gegensatz übrigens zu Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany's". Soviel zur Rolle, und was von ihr hängen bleibt.
Projiziert man Gregory Peck und Cary Grant übereinander, kommt ein Rock Hudson dabei heraus. Schauspielerisch ungleich limitierter als jene beiden, doch groß, blendend aussehend und überzeugend ironische Distanz vermittelnd. Man nimmt ihm den Typ ab, der nichts und niemanden ernst nimmt. Frauen sind in seinen Augen komplexere (Einweg-)Spielzeuge, günstigstenfalls, wie D.D., eine reizvolle Herausforderung. Eigentlich kein sympathischer Typ, aber Hudson bringt ihn menschlich rüber, und das ist schon eine Leistung.
Der Humor des Films reicht von größtenteils recht pointiertem Verwechslungsklamauk bis zu milder Gesellschafts- und New-York-Satire. Ernstere Momente und Tiefgang werden im Keim erstickt. Für jeden der beiden Hauptdarsteller versieht ein komischer Sidekick nützliche Dienste und trägt erheblich zu Kurzweil bei. Auf weiblicher Seite die unverwüstliche Thelma Ritter in ihrer Standardrolle der alkoholgetränkten Haushälterin (s.a. "Boeing Boeing" u.v.m.), auf männlicher der auf neurotische Schnösel abonnierte Tony Randall, ein integraler Bestandteil der meisten Day/Hudson-Komödien. Letzterer entfacht etwas Klassenkampf im Geschehen und nimmt selbstverständlich schon wie jeder New Yorker von Welt die Dienste eines Psychoanalytikers in Anspruch. Für die eine oder andere angestaubte Pointen (die meisten zünden noch) entschädigen die lustigen Klamotten, in denen sich Doris aufzutakeln pflegt. Die prächtige, taghelle Farbphotografie ist ein Genuß für sich. Empfohlen für verregnete Herbsttage.
Bearbeitet von hoolio21, 14. September 2008, 02:52.
#24
Geschrieben 16. September 2008, 17:15
Die Eisprinzen
(US 07 "Blades of Glory")
Endlich einmal CGI, wo CGI hingehört. Bisher wird die Computergraphik ja häufig nur verwendet, um Sachen nachzustellen, die früher Stuntleute, Pyrotechniker, Kosmetiker, Kulissenbauer oder Statistenheere erledigten. Also, um Aufwand, Zeit und Geld zu sparen. Bei "Die Eisprinzen" wird die Technik hingegen zu etwas genutzt, was ohne die Technik unmöglich darzustellen wäre. Zum Beispiel für physikalisch diffizile, ja, lebensgefährliche Eislauffiguren unter Beteiligung eines oder mehrerer übergewichtiger, unsportlicher Waschlappen. Kann man sich zwei geeignetere Leistungssportler vorstellen als Supernerd Jon Heder oder das fette Kifferidol Will Ferrell? Das ist zwar noch nicht per se lustig, aber schon mal ein Anfang. Und Anlaß genug für Produzent Ben Stiller, die Kameras rollen zu lassen.
Die Weltklasse-Eiskunstläufer Chazz Michael Michaels (Ferrell) und Jimmy McElroy (Heder) sind Rivalen auf Kufen und unterschiedlich wie Feuer und Eis. Der eine ist ein großer, grobschlächtiger Frauenheld mit Bikermanieren und Cowboyhut, der andere ein schmächtiges, introvertiertes Bürschchen und feinfühliges Naturtalent. Als sie sich bei einer feierlichen Olympiazeremonie vor TV-Kameras prügeln und das Maskottchen in Brand setzen, werden beide lebenslang für alle Einzelwettbewerbe gesperrt. McElroys findiger Stalker („Du hast so eine schöne Haut. Ich möchte sie abziehen und zu meinem Geburtstag tragen. Der ist übrigens bald.“) empfiehlt den Wechsel zum Paarlauf. Und weil zur Anmeldung für die neue Saison nur mehr zwei Tage Zeit bleiben, bilden die beiden Erzfeinde notgedrungen das erste all-Male-Eislauftraumpaar der Sportgeschichte.
Die Motive sind erprobt. Zwei heterosexuelle Kerle werfen sich in tuntigen Fummel und schwule Posen a la "Zoolander", und ausrangierte Betreiber eines zuweilen leicht albern anmutenden Sports kämpfen sich unter der Anleitung eines mit allen Wassern gewaschenen Coaches gegen alle Intrigen und Widerstände zurück ins Rampenlicht. Wie in "Kingpin", "Dodgeball", oder X anderen. Als Gegenparts dient ein passenderweise teutonisch radebrechendes Zwillingsgeschwisterpaar, das vor keiner Sauerei zurück schreckt, um die Gegner auf unsportliche Weise aus dem Feld zu schlagen. Pech, daß sich ihre Geheimwaffe (die jüngere Schwester) in Heder verliebt. Also auch noch ein Romeo & Julia-Motiv.
Zwei, drei Lacher, einige komische Momente, zuweilen ein ganz netter Musikeinsatz, aber kaum das erhoffte Spaßfest. Es sei denn, du beömmelst dich bereits, wenn sich heterosexuelle Herren mit verbissenen Gesichtern wechselseitig im Schritt anheben. Dann ist dies dein Film. Insgesamt aber ein eher biederes Vergnügen. Ferrell, der einen starken Regisseur braucht, doch hier nicht hat, im beinahe lustlosen Autopilot. Heder zuweilen verloren wirkend, breitgetretene Gags, plumpe Klischees, kaum Struktur, schlappes Hab-mich-lieb-Finale. Mir gefielen die kleinen Gastauftritte am besten. William Fichtner als Heders hundsgemein ehrgeiziger Adoptivvater, Luke Wilson in der Sexsucht-Therapie oder, best of all, Actionbösewicht Craig T. Nelson als ondulierter Eiskunstlauf-Coach mit nordkoreanischem Geheimrezept. Überhaupt, der Eiserne Lotus. Was soll man von einer romantischen Eislaufkomödie halten, in der die Enthauptungsszene (onscreen!) am besten funktioniert. Muß immer noch kichern, wenn ich nur dran denke.
Bearbeitet von hoolio21, 16. September 2008, 17:22.
#25
Geschrieben 18. September 2008, 01:29
The Chaser
(Kor 08 "Chugyeogja")
sehe ich im Monat zwei bis drei. Keine Ahnung, wieso ausgerechnet dieser es geschafft hat, Abschlußfilm vom Fantasy Filmfest zu werden.
Jung-ho, ein Zuhälter, Ex-Cop und mürrisches Arschloch, ist sauer. Die Nutte will nicht arbeiten, bloß weil sie 40 Grad Fieber und ein kleines Kind hat. Außerdem macht ihm irgendein Krimineller die Damen abspenstig, zehn sind allein in den letzten paar Monaten verschwunden. Und jetzt, wo er den Typ gefangen hat, der dafür verantwortlich zu sein scheint, interessieren sich die ehemaligen Kollegen mehr für ein Scheiße-Attentat auf den Bürgermeister. Anstatt den Kerl so lange zu foltern, bis er endlich auspackt, was Jung-ho hören will. Jung-ho wüßte schon, wie man so einen anpackt. Aber ach.
"The Chaser" ist weder originell noch clever ersonnen. Er ist hübsch anzuschauen, aber das macht ihn noch nicht zu etwas besonderem. Denn handwerklich sauber sind koreanische Filme IMMER, da macht dieser keine Ausnahme. Für meine Begriffe bemüht die Geschichte von "The Chaser" ein wenig zu häufig Kommissar Zufall. Und das, was Roger Ebert einen Idiot Plot nennt. Also eine Story, die es ohne besonders dumme Handlungen eines oder mehrerer Beteiligter nicht gäbe.
Schwer zu sagen, wer hier der größere Dummkopf ist, alle geben sich redlich Mühe. Der Held glaubt selbst dann noch fest daran, daß seine Huren bloß entführt und weiterverkauft wurden, als der Serienkiller ihm und der Polizei bereits die Wahrheit auf dem Silbertablett liefert. Weder erkennen die Cops zunächst die Brisanz des Falles, noch verhalten sie sich, als sie es tun, professionell. Garniert wird das ganze mit einer saubrutalen Attacke auf eine wehrlose Frau und einem flammenden Plädoyer für Selbstjustiz (angesichts derlei Greuel und Inkompetenz!).
Für einen Film, der Verzweiflung und Vernichtung a la "Oldboy" transportieren will, geht einem keine Figur nahe genug. Der Held ist ein degeneriertes Schwein, der Cop ein Holzklotz, der Bösewicht ein schleimiger Creep, die Politesse ein Mäuschen, das kleine Mädchen eine Transuse. Verschenkt auch das nette Buddy-Motiv mit dem Zuhälter und dem Dreikäsehoch-Schulmädchen auf gemeinsamer Mission. Hätte gern gesehen, was Takashi Miike dazu eingefallen wäre. Koreaner kommen ja gerne mit einem Messer oder Knüppel zu einer Schießerei. Hier tragen sie obendrein noch die Verfolgungsjagden per pedes aus. Und zwar gleich mehrfach. Das geht nicht nur unheimlich auf die Raucherlunge, sondern dauert auch ziemlich lange. Spannend ist der Film zum Zeitpunkt der zweiten oder dritten Verfolgungsjagd nur mehr für Leute, die ihn unbedingt ernstnehmen wollen. Ich gehörte nicht dazu.
Seneseless
(GB 08)
Junger Mann (Jason Behr aus "Roswell") landet im Kerker einer Terrorgruppe mit sehr speziellem Publicity-Plan. Für sogenannte Mindfucks fehlt mir ein wenig der Sinn. Ich erhoffe von einem Film Unterhaltung oder Erkenntnisgewinn, im günstigen Falle wäre beides schön. Doch möchte ich nicht ohne Not verarscht werden, jedenfalls nicht nur um der Verarschung willen. Filme, die von verwirrten Menschen in Menschenversuchssituationen erzählen, haben bisweilen die Tendenz, das zu tun. Besonders, wenn es sich um praktisch auf einen Raum beschränkte, britische Low-Budget-Horrordramen mit kritischem Anspruch handelt. "Senseless" sei in dieser Hinsicht gelobt, denn er tat nichts, um mich unnötig zu verwirren. Sondern rollte einfach nur gleichmäßig langweilig von einer fiesen Sinnesamputation nur nächsten. Schwer filmstudentenverdächtiges Garn, weit hergeholt, um Subversion bemüht, big brother is watching you, doch in Wahrheit wenig subtil oder originell. Sondern bloß ein weiteres billiges Folterschockerchen im Garagendesign.
Awake
(US 07)
Junger Mann (Hayden Christensen aus "Star Wars") landet auf dem Operationstisch, und die Narkose funktioniert nicht. Doch das ist nicht sein einziges Problem. Clevere Meditation über Wachen und Erwachen. Auf höchst ökonomischer Lauflänge werden eine Vielzahl falscher Fährten gelegt und Überraschungen präsentiert. Obwohl man doch nach wenigen Minuten zu wissen glaubt, worum es geht. Sexy: Der generationenübergreifende Catfight zwischen Lena Olin als überprotektiver Hitchcock-Mutti und Jessica Alba als kühlem heißen Bambi.
Bearbeitet von hoolio21, 18. September 2008, 01:43.
#26
Geschrieben 20. September 2008, 02:01
Ich aber stehe extra früh auf, gebe mir die in Boutiquenlederhosen gezwängten Prachtpopös der weiblichen Haute volee ("Amarcord", anybody?), kaufe meinem Strolch ein Lebkuchenherz und ziehe streng nach Fisch duftende Hansestädter auf, von denen sich heute gewiß ein paar in die Hauptstadt der Verlustierung verliefen, um aller Wahrscheinlichkeit nach eine brutale Demütigung zu beweinen. Riberyyy. Für euch aber, die ihr heute nur schlechtes Wetter (oder Schalke) habt, diese Vorschau auf kommende Verleihattraktionen.
Waffelbruch 007
Es gibt nicht viele Filme, die es wagen, onscreen Kinder zu killen, und nicht viele Kinder, die das gut spielen. Im Glaskäfig (E 87) ist ein poetischer Horrorfilm, der als Arthouse-Drama durchgeht. Er handelt von einem alten Mann, der mit seiner Frau, der kleinen Tochter und einer Haushälterin in einer Villa wohnt und in einer eisernen Lunge liegt. Eines Tages klopft ein junger Herr an die Pforten. Er will den Alten pflegen und stellt alles auf den Kopf. Der alte Mann war früher ein KZ-Arzt und betrieb schräge Versuche mit kleinen Buben. Ein schwuler, pädophiler Serienkiller. Der junge Mann aber will alles von ihm lernen, dem Meister. Kontroverse möglich, doch wahrscheinlich geht das Ding unter wie ein Stein in der Regentonne. Keinesfalls ein Schwulenfilm (da waren die Schwulen zu recht sauer, als der auf ihren Festivals auftauchte). Kennt ihr Johann Heinrich Füsslis Gemälde "Der Nachtmahr", wo der Dämon auf der Brust der Frau hockt. Solche Bilder. Nicht ohne, das. Als wenn Michael Haneke Stephen Kings Musterschüler verfilmte (und zuvor auf LSD "Absurd" sah).
Mit Vorgänger "Broken" hat mich der britische Regisseur Adam Mason zwar etwas vergrätzt, aber immerhin berührt. The Devil's Chair (GB 06) geht vordergründig ähnlich schlicht los, um dann ein paar Falltüren aufzuklappen und zu hoffen, das da einer hinein purzelt. Ein grober Klotz treibt sich mit seiner Freundin auf einem stillgelegten Institutsgelände herum. Sie fällt einem blutgierigen Hocker zum Opfer (!), ihm glaubt die Polizei natürlich kein Wort. In der forensischen Psychiatrie interessiert sich ein Mad Scientist für den Fall und hält eine zweite Konfrontation von Täter und Tatort für geboten. In Begleitung von MedizinstudentInnen, die natürlich alle schon eine Zahl auf der Stirn haben, geht’s zurück zum Chair. Dimensionen, Zeitebenen und Realitäten purzeln durcheinander, ein Monster hellraisert herum, und irgendwann fängt der Erzähler sogar an, den Zuschauer wüst zu beschimpfen („du blöder Splatternerd“), worüber ich schon sehr lachen mußte. Natürlich ein ziemliches Blutbad, obwohl sich wesentliche Schandtaten im dezenten Off abspielen.
Im Koreaner der Woche namens Darktown (07, OF "Uri Dongne") drapiert ein wahnsinniger Freak Damenleichen auf Kinderspielplätzen, um die öffentliche Wirkung seiner Morde zu maximieren und jene Typen aus der Reserve zu locken, mit denen er seit einem Kindheitstrauma ein Hühnchen zu rupfen hat. Ein Kriminalliterat, der zu praktischen Übungen neigt, trägt dem befreundeten Fahnder seine Unterstützung an und gerät selbst in Verdacht. Alles, was man aus Korea schätzt oder fürchtet. Düsterer Horrorthriller, bierernste Rachegeschichte, knietief durch Blut und Klischees watend, ansprechend arrangierte Bilder, handwerklich absolut souverän und von Debütant Gil-yeong Jeong auf den Punkt inszeniert.
Scream King
Fort vom Horror und hin zur reinen, wahren Liebe. The Hottie and the Nottie (US 08) handelt von einem Jüngling, der einen Lebensgefährten für die schockierend unattraktive beste Freundin seiner Traumfrau sucht, und erzielte einen Fabelminuswert (1,6) bei Rekordbeteiligung auf der imdb, weil Paris Hilton mitspielt. In dieser romantischen Komödie für die ganze Familie gibt es eine Szene, in der ein selbst nicht übermäßig schöner Herr unter Hypnose gesetzt wurde, damit er sich in der Lage sieht, besagtes hässliche Entlein zu küssen. Mitten auf einer belebten Strandpromenade und in dem Moment, in dem sich seine Lippen den ihren nähern, erklingt dann, wie könnte es anders sein, aus unschuldigem Kindermund jenes Codewort, das ihn Erwachen läßt. Und er schreit, und rennt. Und rennt, und schreit. Jede Tussi bei "Freitag der 13." ist ein Dreck dagegen. Bis er als Punkt am Horizont verschwunden ist.
Inhuman ist gar kein Ausdruck für diese scheiße gespielte Explosion der Geschmacklosigkeit, deren einzige Message „Äußerlichkeiten sind alles“ lautet. Aber hat sie (die Explosion) damit nicht recht in dieser unserer Zauberwelt ? Okay, man könnte der frohen Botschaft noch ein „Geld und“ zuvorstellen, ohne daß sie falscher würde. Aber wie wir alle wissen, kommen mit dem attraktiven Äußeren das Geld, das Ansehen und die guten Jobs sowieso von selbst. Bei weitem nicht das stümperhafte Festival der Peinlichkeiten, als das es allenthalben gepriesen wird. So gesehen eine Enttäuschung, aber auch wieder nicht. Habe gelacht.
Filme der Regisseurin Amy Heckerling sind eigentlich immer ihr Geld wert, und Hauptsache verliebt (US 07), im OF "I Could Never Be Your Woman", macht da keine Ausnahme. Ein junger Mann (gut beschäftigt: Paul Rudd) verliebt sich in eine Dame jenseits der 40 (gut erhalten: Michelle Pfeiffer) und sie sich günstigerweise auch in ihn. Sie arbeitet als Drehbuchtante für eine High-School-Sitcom in Hollywood, er heuert dort als neuer Hauptdarsteller an. Das gibt Heckerling und Pfeiffer, die nur vier Jahre Altersunterschied trennt, reiche Gelegenheit, ironisch ihre Erfahrungen mit der Traumfabrik zu verarbeiten. Und Leuten, die gerne hinter Entertainmentkulissen blicken, viel tiefen Einblick. Eigentlich hätte das Ding mal groß im Kino laufen sollen, Trailer waren schon gefertigt, und angesichts der offensichtlichen Qualitäten und guten Namen fragt man sich tatsächlich, warum das nicht geklappt hat. Meiner neuen Mitbewohnerin hat's genau so viel Spaß gemacht wie mir, und die schert sich einen Dreck um Entertainmentkulissen. Also für den Filmabend mit Frau / Freundin bestens geeignet.
Vermutlich weniger geeignet für letzteren ist Full Clip (US 04), in dem bekannte Rapper eine moderat unterhaltsame Low-Budget-Variante der Fremder-ohne-Namen-Geschichte zum besten geben. Green Beret Busta Rhymes eilt zur Beerdigung von sein Papi und muß feststellen, daß der ganze Ort in den Klauen einer Cop-Mafia bibbert. Also pfeift er Xzibit und andere Kameraden aus seiner alten Einheit herbei. Die eine oder andere gute Szene, aber insgesamt doch ein sehr billiger Look. Lionsgate produzierte, Wyclef Jean moderiert. Da gefiel mir Linewatch (US 08) besser, wo Cuba Gooding jr. als ehemaliges L.A.-Gangmitglied im Stand eines Border Patrol Agenten Besuch von alten Kumpels erhält, die ein wenig Jejo über den Rio Grande zu transportieren haben. Cuba macht gute Miene zu bösem Spiel, weil ein alter Freund seiner Kleinfamilie die Wumme ans Haupt hält. Intensive und spannende Momente, wenn die Gangbanger sich im Vorortheim der ahnungslosen Familie bedrohlich breitmachen, oder der kriminelle Kampftrupp z.B. auf örtliche Selbsthilfe-Bürgerwehrler beim Wetbackjagen trifft.
Keinen Kinostart in Deutschland erhält das Irakkriegsdrama Battle for Haditha (GB 07), obwohl das Spielfilmdebüt des Skandaldokuspezialisten Nick Broomfield ("Kurt & Courtney") vermutlich einen verdient hätte. Wir begleiten einen Trupp Marines bei der Essensausgabe, die sich heute hindernisreich gestaltet, weil irgendwelche von Amerika unbegeisterten Locals eine Bombe neben der Straße verbuddelt haben. Aus irgend einem Grund fliegt das anschließende Massaker an völlig unbeteiligten Beschneidungsfestgästen auf, es gibt eine Untersuchung, unerquickliche Nachrichten, die Schuldigen (räusper) werden bestraft. Broomfield zeigt beide Seiten und gibt einer beinahe ganz alltäglichen Episode ein Gesicht. Bzw. gleich mehrere davon. Verdienstvoll und fesselnd. Meine Gästin fragte mich, ob es ein Dokumentarfilm gewesen sei. Gelernt ist eben gelernt.
So, und nun schulZ für heute. Irgendwann Anfang der kommenden Woche gibt’s dann den zweiten Teil des aktuellen Waffelbruchs. Dann mit interessanten Klopperfilmen, englischen Gangstern, chinesischen Cops, Nicolas Roeg und wenigstens vier neuen Zombiefilmen (davon mindestens zwei ernsthaft okayen). Nachtinacht.
Bearbeitet von hoolio21, 20. September 2008, 02:48.
#27
Geschrieben 25. September 2008, 02:21
Waffelbruch 007 b
(kommende DVD-Neuerscheinungen)
Gangsterfilme aus England erleben wieder einmal eine Blüte, was auch daran liegen mag, daß jede Menge britische Gangster launige Biografien schreiben in der neuen Literaturtrendnische Hardmen Nonfiction. ICF-Leutnant Carlton Leach und der höchst empfehlenswerte (und saubrutale) "Rise of the Footsoldier" waren dafür zuletzt ein gutes Beispiel. Auch in Liverpool Gangster (GB 00), im Original "Going Off Big Time", gründen sie eine Firma, die wenig zum Bruttosozialprodukt beiträgt. Das besondere: Der Typ, der hier vom kleinen Gauner zum Unterweltthronanwärter avanciert, wollte eigentlich bloß etwas Gutes tun. Der eine begeht die größten Sauereien am Meter und kommt immer davon, der andere landet nur wegen Pech auf Jahre hinter Gittern. Und dabei bleibt es ja nicht. Im Gefängnis wird man brutalisiert, gepoppt unter Umständen, lernt Verbrecher kennen, erfährt Lehrreiches für die Straße, auf der man klatschend landet, wenn man wieder rauskommt. Jobs sind schon ohne Vorstrafen schwer genug zu bekommen in Liverpool.
Der Film hat alles, was ein unterhaltsamer Gangsterfilm braucht. Eine solide, nicht zu überdrehte Regie, ein paar interessante Typen in den Hauptrollen, lustige Coups, einen dummen, zerstörerischen besten Freund, zwei um den Helden ringende heiße Bräute (Sarah Alexander, Englands Antwort auf Anke Engelke, als toughe Anwältin) und, wo geboten, zwei bis drei heftige Gewalteinsätze. Bei weitem nicht ein so krasses Blutbad wie der quasi-monchrome "Footsoldier", eher ein Film von heiterer Tonlage mit vollem Farbprogramm und vielen Szenen wie jenen, in denen unsere Helden ein paar Zivilfahnder unbemerkt mit Drogen abfüllen oder der Knacki die Politikerin mit seinem Pimmelchen erschreckt.
Quasi eine Art modernes Märchen ist London to Brighton (GB 06), den einige von euch vermutlich schon vom FFF 2007 kennen. Obschon ein typischer britischer Gangsterfilm, handelt das Ding von den Geschicken zweier auf Gedeih und vor allem Verderb aneinander gebundenen Frauen, von denen die ältere eine hartgesottene Straßenhure und die jüngere eine vielleicht zwölfjährige Ausreißerin ist. Ein Unterweltzar wünscht eine Lolita für seine Bondage-Spiele, die Hure und ihr Zuhälter sollen sie ihm beschaffen. Beide tun wie ihnen geheißen, doch schon beim Abendessen beim Pommesbäcker vor der Fahrt zum Unhold wird klar, daß diese Hure dieses Greuel nicht wie geplant geschehen lassen kann. Pech für alle Beteiligten (besonders aber für den Zuhälter), daß der bald darauf den Teppich vollblutende Gangsterboss einen Sohn hat, der ihm in Psychopathie nicht nachsteht. Und nichts unversucht läßt, die kleine und die große Dame in seine blutbesudelten Hände zu bekommen. Noch besser. Dichte Milieuzeichnung trifft pointierte gezeichnete Gangsterhölle im Coen/Lynch-Zuschnitt. Sagenhaft die Darstellung des kleinen Mädchens, und ich bin eher einer, dem sich angesichts filmschauspielender Kinder automatisch die Nackenhaare aufstellen. Übertroffen nur noch von der Darstellung der älteren Hure. Und Caligula. Was für ein exquisites Schauspiel, habe innerlich jubiliert.
Fist of Beauty
Während meiner Tätigkeit als Betreuer in einer Heilpädagogischen Tagesstätte für behinderte Kinder und Jugendliche im oberbayrischen Hausham in den 80ern (erstaunlich, was man ohne Schulabschluß und jede soziale Kompetenz so alles werden kann) flirtete ich dort mit einer äußerlich eher zierlichen, spastisch gelähmten Mittzwanzigerin, deren Muskeln und Sehnen so verspannt waren, daß sie nicht nur mich (ich bin kein Hänfling), sondern überhaupt jeden Mann in ihrer Umgebung niederringen oder im Armdrücken besiegen konnte (sie bewies das mit dem gröbsten Vergnügen). Diese (überaus liebenswerte) Frau hätte mir problemlos jederzeit das Genick brechen können, was unseren (platonischen) Annäherungen, zumindest in meinen Augen, stets einen gewissen Horrorfilm-Charakter verlieh (schwarze lange Haare auch noch). Das war allerdings die einzige Frau, auf die ich je traf, die unbewaffnet einem gesunden, aufmerksamen, normal starken Mann hätte gefährlich werden können. Ansonsten habe ich bei geschätzten hundert ernsthaften Schlägereien, an denen ich teilnahm oder denen ich aus unmittelbarer Nähe zusah, nicht eine einzige Frau mehr tun sehen als vielleicht die teure Chevignon-Jacke ihres Partners zu halten. Im echten Kampf hätte eine Frau keine Chance gegen einen Mann. Wenn jemand je etwas anderes erlebt oder beobachtet hat (auch in Filmdokumentationen), würde mich die Geschichte brennend interessieren. Boxweltmeisterinnen gegen Stefan Raab zählen nicht. Wenn das nicht nach Boxkampfregeln, sondern unter Gefechtsbedingungen liefe und der 100-Kilo-Kerl gleich mit angewinkelten Knien und Ellbogen oder dem Schädel voran in die Tussi reinsteigen würde (was in einer ernsthaften Auseinandersetzung so ziemlich als erstes geschieht), wäre der Kampf in fünf Sekunden zu Ende. Für Ladies hat der liebe Gott das Pfefferspray, die Trillerpfeife und das Strickzeug erfunden.
Trotzdem gibt es immer mal wieder abendfüllende Spielfilme, die von Damen handeln, die gegen Männer kämpfen. In Fight Night (US 08) geht es sogar um eine schlanke, hübsche Frau, die systematisch gegen Preisgeld Türstehertypen in illegalen Freefight-Kellerarenen vermöbelt. Also offenbar Eisenplatten im Kopf, Bleibolzen statt Fingerknöcheln und Sprungfedern statt Gelenken hat. Jedenfalls fallen die Typen oft so schnell, wie eine Frau es in Wirklichkeit täte. Kann so ein Film noch irgendeine Qualität über den totalen Trashfaktor hinaus entwickeln? Nun, "Fight Night" zeichnet dreidimensionale und nachvollziehbare Charaktere, entwickelt eine düstere kleine Kriminalgeschichte um seine ausnehmend ansprechend inszenierten Kloppereien, und badet in dichter White-Trash-Milieuatmosphäre. Die wirklich sehr schöne Frau ist praktisch nie ohne Hämatome zu sehen, was schon fast wieder realistisch anmutet (vielleicht hat sie ja bloß keine Schmerzgefühl und Stoßdämpfer im Gehirn). Warum aber sollte ausgerechnet ein Prügelfilm realistisch sein. Wir gucken ja auch Filme über Tote, die wieder aufstehen.
Poor Boy’s Game (Can 07) ist kein Klopperfilm, sondern ein Drama mit einer Botschaft, in dem es um Gewalt und ihre Folgen geht. Angesiedelt im weniger glamourösen Bezirk der kanadischen Hafenstadt Halifax, handelt es von dem jungen Iren Donnie (Rossif Sutherland, ein weiterer begabter Sohn von Donald), der einen jungen Farbigen zum Pflegefall prügelt und dafür in den Knast wandert. Als er wieder heraus kommt, warten einige schwarze Mitbürger nur darauf, mit ihm abzurechnen, während die Jungs aus dem Irenviertel ihm zu Ehren am liebsten eine Konfettiparade veranstalten würden. Weil Donnie aber im Knast ein guter Boxer geworden ist, fordert ihn jetzt publikumswirksam der amtierende Boxchampion (schwarz & wütend) zum fairen Duell, natürlich mit der Absicht, ihn nicht ohne bleibende Schäden aus dem Ring zu entlassen. Danny Glover, Vater des zum Krüppel geschlagenen Knaben und selbst ein ehemaliges Schwergewicht, wird Donnie für diesen Kampf trainieren. Wer das jetzt nicht versteht, dem geht es ähnlich wie Donnie, Donnies manisch aggressivem Bruder, Donnies Gegner, Donnies Familie, allen Schwarzen im Viertel und allen Weißen. Aber dafür ist Film ja auch einmal da. Um einen zu überraschen. In diesem Falle durchaus positiv. Der finale Boxkampf noch das schlechteste, alles andere first rate.
Schnucki
Aus Asia und kurz angerissen: In Siyama (Thai 08) fällt ein Auto mit Teenagern aus allen Wolken und der Gegenwart geradewegs ins 18. Jahrhundert, wo gerade mal wieder die bösen Burmesen den Siamesen Stress machen. Also quasi "Bang Rajan" trifft "Vorwärts in die Vergangenheit". Mit Heldenpathos, inbrünstigem Nationalstolz und recht aufwendigen Schlachtszenen. Typisch Thai eben. Doch viel zu wenig heraus geholt aus dem Culture-Clash-Element. Bad Boys Hongkong (HK 08; OF "Fa fa ying king" oder "Playboy Cops") ist ein typisches Buddy Movie mit einem steinreichen Hongkong-Cop und einem Ex-Polizisten aus Peking. Beide jagen denselben Kerl und lieben dieselbe Frau. Jingle Ma inszenierte das gelackte, geistlose Miststück ganz im Stile seines modernen HK-Klassikers "Tokyo Raiders". Wem der gefiel, der muß hier auch nicht brechen. Ganz etwas seltsames ist Uncle’s Paradise (Jap 06). Ein Typ, der schlecht träumt und gerne vögelt, besucht seinen Neffen, den passionierten Tintenfischangler, an der Küste, um dessen Freundin und dann die Vermieterin zu nudeln und schließlich geradewegs zur Hölle zu fahren, wo ihm Sukkubi den lieben langen Tag zu oralen Diensten sind, bis es echt nicht mehr lustig ist. Haruo und seine Freundin, die den Onkel so nicht stehen lassen wollen, steigen ihm nach in die Unterwelt und fordern den Fürsten der Finsternis zu einer Partie Schnick Schnack Schnuck. Das alles für zwei rote Heller vor einer Digicam inszeniert, mit steamy Sex Scenes, Bildern für die Ewigkeit und Attacken tödlicher Riesenspinnen. Sehen und staunen.
Zum Horror. Lieber empfehle ich, anstatt zu verreißen. Irgend einen, dem’s gefallen könnte, gibt es immer. Die anderen werden die Warnungen schon heraus lesen. Slayer (US 06) könnte Leuten gefallen, die nicht davon genug kriegen können, den Kinderschokoladebub, äh, Casper Van Dien, auf irgend etwas ballern zu sehen. Einmal mehr führt der Starship Trooper den Anführer einer Eliteeinheit auf und bekommt es diesmal im Dschungel Lateinamerikas mit tagwandelnden Vampiren zu tun. Geballer, Geschrei, computergenerierte Feuerstöße, eine Ex-Frau in den Händen der Übelwichte, eine Ex-Freund an deren Spitze. Alles wie gehabt im Reich der Actionvideopremiere. Besser da schon Evil Inside (Can 08, OF "Scourge"), der passable kleine Abklatsch von "The Hidden". Ein Parasit saust von Wirtskörper zu Wirtskörper, um sich mit allem den Bauch vollzuschlagen, was der humanoide (Mainstream-)Lebensmittelmarkt hergibt. Also Popcorn, Hamburger, Ahornsirup, Abfall aus der Tonne. Bis zum Abwinken, bzw. -nippeln. Ein junges Pärchen kommt ihm auf den Schlicht, doch der Dorfbulle, ihr Onkel und sein Erzfeind, glaubt kein Wort und sorgt für den offenbar solcherorts zwingend gebotenen Idiot Plot. Ganz hübsche Spezialeffekte fürs hiesige Low Budget, und ein paar wirklich lustige Momente.
Eine Überraschung aus dem Halbfeld. Nicolas Roeg, Schöpfer unsterblicher Kultfilme (ich verwende das verbrannte Wort selten und wenn möglich nur, wenn es angebracht ist) wie "Performance", "Wenn die Gondeln Trauer tragen" oder "Walkabout", und seit 1996 von der kommerziellen Bildfläche verschwunden, kehrt zurück mit einem Schwangerschaftshorrorfilm im "Straw Dogs"-Ambiente. Klingt vielversprechender, als es dann wird, aber ein für Filmfans und Cineasten hochinteressantes Selbstzitat ist die schräge Chose auf jeden Fall. Ein Puffball (GB 07) ist der deutsche Bovist, also ein bizarrer Sporenpilz, der wie ein weißer Ball im Wald liegt und zuweilen glattweg Fötengröße erreichen kann. Druiden wissen damit so ihre Rezepte. Ob Liffeys Nachbarin eine Druidin ist? So mancher Keltenartefakt oder Voodoofetisch in den näheren Umgebung spräche dafür. Innenarchitektin Liffey sitzt allein in der schlammverkrusteten, regennassen irischen Provinz und baut mit Hilfskräften aus der Umgebung ein verfallenes College zum coolen Landhaus um für sich und den in New York weilenden Vater ihres ungeborenen Kindes. Die Schwangerschaft weckt die Aufmerksamkeit einer wunderlichen All-Ladies-Großfamilie aus der Nachbarschaft, wo man doch so gerne mal einen Jungen hätte. Andeutungen, Stimmungen, Metaphern und heiße Sexszenen. Gute Schauspieler sind sich ebenso unsicher wie der Zuschauer, wohin die Reise geht, selbst Roeg scheint es zuweilen nicht zu wissen. Interessant, doch kein Genuß im engeren Sinne.
Zombies, Zombies, Zombies. Von [Rec] (E 07) und seinen bemerkenswerten Qualitäten haben die meisten sicher schon gehört, schließlich gab’s das gute Stück schon auf den Fantasy Filmfest Nights zu sehen. Eine Reality-TV-Crew prallt auf die ausbrechende Zombiekatastrophe in einem innerstädtischen Mietshaus und fällt mit der kompletten Anwohnerschaft unter Militärquarantäne. Das läßt Raum sowohl für klaustrophobischen Horror mit rasanten Attacken und gut plazierten Schreckmomenten als auch für ein Quentchen Mediensatire und das derzeit so beliebte Fake-Documentary-Outfit. Besser als Romeros "Diary", wie schwer oder leicht das auch gewesen sein mag. Eher in der fortgeschrittenen Phase der Zombiekatastrophe (Tote stehen auf und speisen Dich) spielt The Vanguard (GB 08). Die Welt wurde mal wieder überrannt und entmenschlicht, übrig blieben Zombies, die sich nun stückweise zum Affen machen. Im Ernst: Zombies kreischen, klopfen auf den Boden, bewegen sich wie aufgeregte Schimpansen, hüpfen seitlich wie diese großen Meerkatzen aus Madagaskar, und lernen, in grober Gestik miteinander zu streiten. Mittendrin: Der Überlebende mit dem Plan. Der tausend Zombiekämpfe gewann und die Angreifer mittlerweile so gut im Griff hatte, daß er sie erforschen und sich näher mit ihnen beschäftigen kann. Ist er vielleicht sogar immun gegen ihre Bisse? Kommuniziert er schon mit ihnen? Ein versprengter Soldat eines Suchkommandos würde das gerne heraus finden. Doch mit dem Waldmann ist schwer auszukommen. Wie oft wünscht man sich, daß jemand mal das Romero-Konzept fortspinnen oder verwerfen würde, anstatt es immer wieder nur zu reiten. Wo steht denn in Stein gemeißelt, das Zombies Blödmänner sein müssen und man mit ihnen nicht reden darf. Motorisch belebter, geistig stark eingeschränkter Kadaver, keiner weiß so recht, woher und wieso, unkommunikativ, speist frischen Mensch, infiziert Gebissenen, ausdauernder Belagerer, Kopf sollte günstigstenfalls zertrümmert werden. Bei Vampiren ist man inzwischen flexibler. Dabei gibt es Zombies wirklich, und sie sind so anders (Holiday in Haiti?). "The Vanguard" hält sich an alle wesentlichen Romero-Regeln und macht trotzdem manches neu wie der liebe Mai. Für lächerlich wenig Geld in absolut überzeugender Manier, ja, zuweilen hinreißenden Bildern Vielleicht mein Zombie des Jahres.
Mal wieder indiskutabili: Zombi: The Beginning (I 07, OF „Zombi: La Creazione“), der Schwanengesang von Italiens nunmehr in Frieden ruhenden Schnellkopierer numero uno Bruno Mattei. Die asiatische Tante, die auch schon in "Island of the Living Dead" mittat (Waffelbruch 001), führt als einzige Überlebende ein Platoon Marines zurück auf die Insel des Verderbens. Dort herrscht ewige, verregnete Finsternis, und die Tante muß im Battletruck am Bildschirm mitansehen, wie die Elitesoldaten allesamt von aus dem Boden schießenden, spitzzahnigen Zombies erledigt werden. Also heißt es, selbst anzutreten gegen die böse Urmutter aller Zombies und ihre, ächz, Kindlein. Okay. Mattei scheißt tatsächlich mal aufs Romero-Konzept. So gesehen, ein origineller Film. Aber muß man deshalb eins zu eins "Aliens" nachspielen, in einer unterbelichteten Baracke mit keinem einzigen Typen, der einem näher ginge als, sagen wir, ein Häufchen am Wegesrand. Wenn man Mattei ist, wahrscheinlich schon. Immerhin die Effektabteilung war gut gelaunt. Und er klaut bei den größten. Tatsächlich nicht die einzigen Zombiefilme dieser Runde. Es gibt auch noch ein redlich unwichtiges Gürkchen namens Zombies of the Lake (06 US), in dem zwei Pärchen in einer Blockhütte nachts von Zombies aus dem See vermutlich von einer Zimmerecke in die andere geschoben werden, und vor dem ihr hiermit jetzt gewarnt seid. Die besten Sachen da sind der Originaltitel "Dead in the Water" und der Name des Regisseurs, Marc Buhmann. Ansonsten: Kein Splatter, kein Fun, kein Licht. Und Infekt (08) aus der Filmnation Deutschland. Die Saufclique aus dem Stadtpark ist an echt aussehende Knarren und eine Digicam gekommen. Besser als der frühe Schnaas, aber was hilft’s.
Mein persönlicher Favorit von Runde 7 war aber nicht "London to Brighton" oder "Vanguard", sondern die Musikdoku Global Metal (US 08). Der eine oder andere wird vielleicht die Kinodoku "Metal - A Headbanger’s Journey" gesehen haben, wo der junge Anthropologe Sam Dunn seine Metallerwerdung erläutert, über die Entstehung des Heavy Metal und seiner Schubladen referiert, Mechanismen analysiert und die diversen Kontroversen ausleuchtet. Sehr informativ, randvoll mit O-Tönen aller zentralen Genregrößen und ausgesprochen unterhaltsam. Daraufhin hat Dunn eine Menge Post aus aller Welt erhalten und festgestellt, daß es Metaller nicht bloß in Amerika und Europa gibt. Wieder hat er seine Kamera gepackt und ist losgefahren, um nachzusehen, was außerhalb unseres Radars abgeht. Daß Brasilien und Japan mächtige Metal-Szenen haben, wissen die meisten. Neu war mir allerdings, welch bunte Blüten diese Leidenschaft unter japanischen Mittfünfzigern treibt, die damals bei Deep Purple und Kiss im Budokan saßen. Oder wie spektakulär bei sogenannten Visual Kei Konzerten die Kuh fliegen kann. Macht das nach, Tokyo Hotel, und ihr werdet Götter. In Indonesien gehen Metaller brav in die Moschee und singen die Vernichtung des Judentums herbei, während in Israels Szene diskutiert wird, ob man Slayers Auschwitz-Ode "Angel of Death" auf Hochzeiten oder Beschneidungen erklingen lassen sollte. Arabische Metaller versammeln sich zu Zehntausenden in der Wüste der Arabischen Emirate, wo es sogar Mädels zum Headbangen in die erste Reihe schaffen, und in China, wo noch nie eine Metal Band aus dem Westen auftreten durfte, wird gerade der krasseste und düsterste Death Metal überhaupt gespielt. Wenn am Schluß 30.000 Inder bei Iron Maiden jede Zeile mitsingen und der Hauch von geistiger Befreiung durch den Muff von tausend Jahren weht, dann fühlt sich euer Chronist genauso angerührt wie offensichtlich auch Sänger Bruce Dickinson, der hier wie schon "A Headbanger's Journey" mal wieder als ausgesprochen angenehmer Zeitgenosse rüberkommt. Das Internet hat diese Länder geknackt wie eine Nuss, selbst im Iran ist es nun kein Problem mehr, jedes Lied von Venom oder Rammstein zu kennen. Was das für ein Fortschritt ist und wie das die Welt verändert, werden wir noch staunend erleben.
Bearbeitet von hoolio21, 25. September 2008, 02:45.
#28
Geschrieben 28. September 2008, 02:12
Far Cry
(D/Can 08)
Mit dem Dr. Uwe Boll ist das so eine Sache. Ein deutscher Regisseur, der B Movies für ein internationales Publikum dreht. Ein paar davon basieren auf populären Games. Und keiner weiß so richtig, woher er das Geld nimmt, jedesmal, denn nennenswerte Summen spielen seine Filme selten ein. Fleißig wie Miike dreht Boll trotzdem einen Film nach dem anderen, vier allein in 2007. Gewinnt internationale Stars dafür, dreht im Ausland, ließ Olaf Ittenbach in einem Vorspann mit Ben Kingsley erscheinen. Eine scheinbar ziemlich große Zahl von Leuten auf der ganzen Welt, Filmfans angeblich, doch wohl auch Spieler der Filmvorlagen, wollen ihm das Handwerk legen, geifern im Internet, zeichnen rohe Karikaturen. Ein Totengräber der Kultur, schlechtester Regisseur der Welt, Arschloch gar sei er, der vorsätzlich Körperverletzung begangen habe an Menschen, die sich bloß mal mit ihm boxen wollten (in der Hoffnung wahrscheinlich, er würde nicht zurück schlagen). Meistgehasster lebender Filmschöpfer. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber einerseits weckt das bei mir ganz automatisch den Reflex, mich mit so jemandem zu solidarisieren. Andererseits kenne ich die meisten seiner Filme.
Boll aber taucht dreist bei Game Conventions auf und engagiert für seine neue Game-Adaption Til Schweiger. Den einzigen nationalen Superstar. Dessen letzter Film überschritt gerade die magische 6-Milionen-Kinobesuchergrenze. Jetzt also Kier und Killermutanten statt Tschirner und Kindergarten. Nichts darin, was neu, originell oder von Boll nicht schon mehrmals gemacht worden wäre. Ein Spiel als Vorlage, viel Geballer und Geschrei, eine rasende Bedrohung aus dem dunklen Tann, ein Kapitän mit Vergangenheit und sein Mietkutter. Sogar die beeindruckend schöne Küstenlandschaft British-Columbias kennt man schon aus einem dieser "Alone in the Dark"-Klamauke.
Presse im Gabriel. Fox. Fox! Der Chronist sitzt neben einem netten älteren Kollegen. Der noch keinen Boll gesehen hat. Meint, er sei unvoreingenommen, habe aber schon das eine oder andere über Boll gehört. Ich sage, er solle sich keine Sorgen machen, es werde gewiss supi. Er sagt, daß er bei Action ohnehin kein Problem habe, sich reinzufinden. Ich denke: Wart’s nur ab, du arme Muschi. Und dann geht’s los. Schweiger ist der Superhorst aus Germany. Ex-Elitesoldat, Einzelkämpe, Special Forces für Onkel Sam. Jetzt unrasierter, maulfauler Kapitän auf einem abgewrackten Ausflugskutter am Fjord vor Kanada und von morgens bis abends am Saufen, am liebsten aber im Dienst und in Gegenwart irgendwelcher entgeisterter Soccer Moms, die Wale sehen wollen. Ein rauher Bursche, mit allen Wassern gewaschen und fragwürdiger Vergangenheit, aber ein Herz aus Gold. Schweiger spielt dieses abgedroschene Klischee nicht nur in allen Facetten, er verkörpert es mit heller, spürbarer Begeisterung. Endlich mal kein Romcom-Sülz für Weiber, sondern ein Actionfilm für Jungs wie ihn. Wo er der Bruce Willis ist, und nicht der Bad Nazi Guy.
Udo Kier schlafwandelt maliziös lächelnd durch den Mad Scientist, den er rückwärts im Schlaf deklinierte schon zu "Flesh for Frankenstein"-Zeiten. Aber er macht es gut gelaunt, nicht so wie viele der Amis bei Boll, die ihren Part absitzen wie eine Strafarbeit. Der Abenteurer und der Evil German Scientist. Zwei Prachtklischees, die einander kindlich begeistert umtanzen. Dazu ein Ex-Kumpel vom Helden, der jetzt ein Mutant ist (der Möller Ralph) und eine heiße Journalette, die mit Schweiger dem Übel auf den Grund ging. Fehlen eigentlich bloß noch zwei komische Sidekicks, wie früher in Hollywood, für Held und Superbösewicht je einen. Eine kerleklatschende, todbringende, supersüße Killeramazone für Kier; und ein dicker, sprücheklopfender, grobmotorischer Tunichgut für Schweiger etwa. Auch wäre es schön, wenn das Sonnenlicht anbliebe beim turbulenten Dauerfinale im Sägewerk mit angebauten Doktor-Evil-Labor und integrierter Motorbootrennstrecke. Dann könnte man erkennen, wenn Köpfe getroffen (schieß der Auge und die Mund), Leiber wie Keulen geschwungen und kybernetische Organismen mit der Kreissäge gespalten werden.
Was soll ich sagen. Ich fand ja schon bei "Seed", der so viel Wut vermittelte, einige Fortschritte. Das hier, nun ja, vermittelt Vergnügen. Ist das unterhaltsamste, was ich je von Boll gesehen habe. Nett, kurzweilig, hübsch anzuschauen. An anderer Statt habe ich dem Ding gar Charme attestiert. Einem Boll-Film!!! Wegen Schweiger, aber immerhin. Wegen Schweiger!!! Wenn sie nur nicht die besten Gewaltszenen für die deutsche Kinofassung rausgesäbelt hätten. Beim Rausgehen die arme Pressetante angepfiffen. Anstatt etwas Freundliches zu sagen wie „Schöne große Titten da unter deinem engen Pullover“ rausgestürmt und „Ab wann ist der freigegeben?“ (BLAFF). Ab 16. So so. „Wieder mal gierig gewesen, was?! Aber das geht nach hinten los. Blablabla ...“ Häschen. Kannst ja nicht dafür. War nicht bös gemeint. Aber da macht der Boll einmal etwas richtig und hat sogar den Schweiger. Und dann treten sie ihm hinterrücks so in die Eier.
Bearbeitet von hoolio21, 28. September 2008, 02:33.
#29
Geschrieben 01. Oktober 2008, 23:47
Waffelbruch Extra : Gay Cinema Spezial
Waters hat es sicher nicht böse gemeint, schließlich ist er selbst ein Homosexueller. Ob er seine zahlreichen Karikaturen der Gay Community allerdings sexy fand, wage ich zu bezweifeln, dazu war er wohl zu sehr der Schockprovokateur. Und will das auf rührende Weise immer noch sein, obwohl ihn die Gesellschaft längst so rasant rechts überholt hat, daß er irgendwann geglaubt haben muß, er sei stehen geblieben. Also begannen andere Schwule andere Filme zu drehen, in denen homosexuelles Leben so gezeigt werden sollte, wie es wirklich ist. Oder sich selber sieht. Schwule Sexfilme, schwule Beziehungsdramen, schwuler Teenagerfilm. Hauptsächlich.
Daß Schwule zu guten Filmemachern, Schauspielern, Kreativen taugen, muß man Filmfans nicht erzählen. Wozu also ein Schwulenkino? Klingt das nicht wie Behindertenolympiade? Oder Frauenfußball? Also etwas per se Zweitrangiges, eine Verballhornung des Sports / des Films. Und was macht ein gutes Gay Movie aus? Muß man da andere Kriterien anlegen als bei normalen Filmen, so wie bei Pornos (Handlung und Technik unbefriedigend, aber cooles Fisting)? Seit einiger Zeit drängt schwules Kino aus dem Ghetto in die Mediatheken und Kaufhausauslagen, Anbieter wie Salzgeber oder Pro Fun beackern gezielt den Home Entertainment Sektor, den man früher zugunsten von Programmkinos vernachlässigte, weil kein geistig gesunder Videothekar Schwulenkram auch nur in die Nähe von Chuck Norris gelassen hätte. Die Zeiten aber sind am verändern, und in der Videothek kann es nicht schaden, auch bei straighten Leuten anzukommen. Ein Mittel dazu ist der schwule Genre- oder Formelfilm.
Und der gleicht selten so nahtlos perfekt dem Hetero-Original als wie das erste Gay Slasher Movie der Weltkulturgeschichte, HellBent (US 04). In West Hollywood hinterläßt der Halloween-Faschingstrubel seine Spuren im adretten Stadtbild. Der blutjunge Eddie ist eigentlich weniger ein dortiger Polizist als ein Maskottchen der dortigen Polizei und außerdem einer von der Sorte schöner Jüngling, die den Heterorezensenten im Kämmerlein ein „Ja wenn sie alle so aussähen“ denken läßt. Unverschämt hübsch, und noch dazu kein schlechter Schauspieler: Dylan Fergus. So einer wird natürlich von keinem ernst genommen. Weder von den älteren Kollegen, noch von seiner schwulen Gang, in der die exaltierteren, erfahrenen Typen den Ton angeben, am wenigsten aber vom Killer im Satanskostüm, der nicht viel von Homosexualität zu halten scheint und eben einen Koitus unterbrach, in dem er dem unten liegenden die Rübe absäbelte, was dem anderen auch nicht bekam. Also rennt Eddie den ganzen Nachmittag durch die Hitze, um so spärlich bekleidet, wie als Cop gerade noch statthaft, Warnzettel zu verkleben vor dem unheimlichen Schwulenschlitzer, was die Schwulen natürlich auch ganz ungemein aufregend finden.
Es kommt, wie es auch im heterosexuellen Halloween-Slasher kommen würde. Keiner läßt sich von irgendwelchen Waldmeistern was sagen oder liest die blutigen Zeichen an der Wand, alles strebt scherzend und bis zum Stehkragen bedröhnt zur Schlachtbank (le fete), wo bereits Satan mit der Sichel und Joe Blasco mit seinen Spezialeffekten warten. Ja, genau, derselbe Joe Blasco, der für "Ilsa, She-Wolf of the SS" und Cronenbergs "Shivers" einige der unkomfortableren Fleischfetzen der Vorcomputer-Ära besorgte. War ebenso überrascht, den hier zu finden, wie von der Nachricht, daß vier der vier Hauptdarsteller Heten seien. Dafür küsst sie sich hier recht flott auf den Mund, die durchweg professionellen Anforderungen genügende Belegschaft. Tadelloses Späßeken, alles in allem, an dem nur ausgewiesene Schwulenhasser ein verhaltenes „Iiiih“ als Kritikpunkt finden dürften. Es sei denn, man erwartet mehr als ein pointiertes, witziges, schön brutales B-Horrormovie für deinen Halloween-Videoabend. Vielleicht erschrickt sogar einer. Mit smashy Thrash-Metal von der Pansy Division!
Das Gay Horror Movie scheint so etwas wie das Ding der Stunde zu sein. Jedenfalls gab es vor ein paar Wochen schon den Cronenberg-haften "Socket" (Waffelbruch 006), und letzte Woche stieß zu dem international nicht mehr ganz taufrischen "HellBent" auch noch You Belong To Me (US 07). Vom Titel hört sich das zwar eher nach einer typischen Beziehungskiste an, und es ist auch eine, doch gewiß keine typische. Jungdreißiger Jeffrey mag die Abfuhr seines Sexpartners nicht hinnehmen und sieht mal nach, ob im Hause seines Ex-Freundes noch eine Bude frei ist. Klarer Fall von Stalkerismus, zu dem sich allerdings ein weiterer, weit bedrohlicher gesellt. Ein Hauch von Lynch und Polanski weht durch diesen kompetent gemachten Low-Budget-Thriller, der wie ein unspektakuläres Drama losrollt, mit einem eher unsympathischen Helden den Betrachter aufs Glatteis führt, irgendwann so einen Verdacht bei Protagonist und Zuschauer weckt, und ab der Mitte holterdipolter und recht effektvoll zu einem klaustrophobischen Horrortrip mutiert. Frauen kommen da nicht gut weg, aber es gibt ohnehin nur zwei, und an beiden hätte Hitchcock seine Freude.
Mehr aus dem traditionellen Schwulenfilmholz geschnitzt und vor wackeliger Handkamera in nicht besonders stilisierten Bildern geht der Houseboy (US 07) auf Männerjagd. Besser gesagt, Knabenjagd, denn weil er gerade mal ein Jungzwanziger ist, sind auch seine ständig wechselnden Sexualpartner, von denen er ansonsten wenig mehr als die bevorzugte Drogenmarke erfährt, allesamt Teenager und frühe Twentysomethings. Auch der Houseboy mußte gerade eine Zurückweisung ertragen, konnte er doch einem zufällig mitangehörten Gespräch seiner älteren Freunde, dem wohlhabenden Yuppie-Paar, zu seiner Überraschung entnehmen, daß diese ihn bloß als besseres Sexspielzeug betrachten. Jetzt sucht er Selbstbestätigung oder einen festen Partner oder was weiß ich in einer endlosen Kette von Flirts und Sexakten, die vom Regisseur freizügig und ausführlich, aber nicht explizit in Szene gesetzt werden. Vielleicht werden hier ja Mechanismen der Szene einer kritischen Wertung unterzogen. Aber auf mich wirkte es mehr wie eine Ausrede, um serienweise heiße junge Typen bei Leibesübungen zu zeigen.
Ältere Typen machen scheinbar nicht mehr so viele Leibesübungen, sondern schwenken lieber das Weinglas auf der Terrasse in der Provence. In Der Mann meines Lebens (F 06) muß Frederique erleben, wie ihr Frederic auf seine alten Tage dem schwulen, nacktbadenden Lebemann und gerngesehenen Familienfestgast aus der Ferienvilla gegenüber verfällt. Mal eine ganz originelle Variante der Eifersucht-/Fremdganggeschichte, in der auch nicht ansatzweise etwas drastisches geschieht sondern die meiste Zeit normalen Leuten beim normal leben zugesehen wird. Ein festtagsfernsehtauglicher Film, der Zeit hat und eine interessante Geschichte in prachtvolle Landschaftsaufnahmen voll warmer Bronzetöne bettet. In Saturno Contro (I 07) wird während eines Festes relativ überraschend gestorben, was in Fällen von schwulen Beziehungen oft dazu führt, daß mehr Freunde als Familienmitglieder von den Toten Abschied nehmen. Eltern reagieren ja manchmal etwas pikiert auf die Nachricht, keine Enkel zu bekommen. Ein beträchtlicher Teil von Schwulendramen behandelt deshalb verkrustete familiäre Verbitterung und späte Versöhnung, was nicht in jedem Fall so heiter, taktvoll und klug geschieht wie in diesem gut gespielten mediterranen Ensembledrama, in dem sogar etwas türkisches Produktionsgeld steckt.
Ein schönes Beispiel für die Faustregel, nach der die am schlimmsten entgleisten und die eigene Ambition rektal penetrierenden Filme mitunter die unterhaltsamsten sind, liefert Der Trip (US 02), an dem sogar richtige Schauspieler wie Art Hindle oder Alexis Arquette teilnahmen. Der Film erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei höchst ungleichen jungen Männern, von denen der eine ein freigeistiger Schwulenrechtsaktivist und der andere ein verklemmter Jungrepublikaner ist, der im Auftrag der Konterrevolution eine Studie über Homosexualität verfasst. Wenn in diesem Film einer in den 70er Jahren beim Abendessen sitzt, dann trägt er eine vom Stirnband gebändigte Matte zu grüner Hose an gelbem Hemd und qualmt natürlich einen fetten Joint. Schreiben wir die späten Siebziger, sind Disco-Klamotten und hohe Scheitel angesagt, und wenn die Yuppie-Ära dräut, schreit uns ein zugekokstes Frisurengebirge im Cindy-Lauper-Design Punkeransichten um die Ohren. Zwischenmenschliche Tragödien werden wie in einem Studentenklamauk abgehandelt, kein Charakter bewegt sich je über das roheste Klischee hinaus, und die Absicht, die Geschichte der Schwulenbewegung am Beispiel einer unmöglichen Liebe zu referieren, gerät zu einer Serie taktloser Gags, lachhafter Allgemeinplätze und der schönsten Toupet-Parade seit "Kingpin". Da findet dann auch keiner mehr irgend etwas traurig, wenn in Halbzeit 2 der Aids-Hammer fällt (80er!) und die Stunde der späten Wahrheit schlägt (habe dich immer geliebt). Mit sehenswerten Doku-Schnippseln über den Befreiungskampf der Hupen.
Bearbeitet von hoolio21, 02. Oktober 2008, 00:34.
#30
Geschrieben 04. Oktober 2008, 00:23
Heute dagegen: Dreißig Prozent Weiber, geschätzte 50 Prozent davon mit Kindern. Letztere sind angezogen wie kleine Spielzeugversionen von Die-Hard-Fans, im Trikot vorzugsweise der 30-Mio.-Neuerwerbung, komplett mit Schal, Mütze und dem blasierten Gesichtsausdruck ihrer gutsituierten Erzeuger, die sich für Südkurvler halten, weil sie das Gesäß vom 50-Öre-Sitz liften, wenn du ein Bayer bist, und so aussehen, als ob sie sich 1980 in Vereinsfarben nicht einmal in die Innenstadt geschweige denn die Nähe eines Stadions getraut hätten / hätten trauen dürfen. In der Fankurve direkt hinter dem Tor, wo im Olympiastadion zwischen Drei- und Fünftausend Rabatz machten und heute dieses herrlich bescheuerte „Gegen den modernen Fussball“-Tüchlein hängt, tanzen eingerahmt von Sicherheitszäunen, Ordnern und Polizisten hochgeschätzt fünfhundert politisch korrekte Studenten und Hochschüler zur Titelmelodie von Pippi Langstrumpf das, was sie für Pogo halten. Vorher am Einlaß haben sie irritierten Altkutten und anderem CSU-Stammklientel Flugblätter in die Handwerkerpranken gedrückt, auf denen zur Solidarität mit einer von der Abschiebung bedrohten Kurdenfamilie im Kirchenasyl aufgerufen wird. Später werden sie verbotenerweise ein Transparenz entrollen, das an vierhundert der ihren erinnert, die ein mehrjähriges Stadionverbot absitzen, weil ein Mitglied der Ultra-Vereinigung Schickeria eine (Plastikcola-)Flasche warf. Und versehentlich eine Nürnberger Busfahrerin im Gesicht verletzte, weil der originäre Adressat sich klugerweise rechtzeitig duckte. Wegen so eines Vorfalls wären manche Cops in den Siebzigern nicht einmal ausgestiegen.
Egal. Heute, wo alles total friedlich ist, wirst du gefilzt, als wenn du die Sicherheitskonferenz der NATO besuchen wolltest. Du könntest ja ein Klappmesser dabei haben, oder eine Banane, oder einen spitzen Stock. Offensichtlich gewaltbereiten oder angetrunkenen Menschen wird der Eintritt gar von vornherein verwehrt, da nutzt weder Karte noch amtliche Lederhose (nach dieser Regelung hättest du vor 1990 in Schalke, Köln oder Düsseldorf gar keinen reinlassen dürfen). Und wenn die Champions League gastiert, darf nicht einmal Bier im Stadion ausgeschenkt werden. In Bayern! Zur Wiesn!! Gegen Lyon!!! Kein Wunder, das gegen Lyon 6000 Plätze leer blieben (sonst selbst gegen Bielefeld im DFB-Pokal ein Ding höchster Ungewöhnlichkeit). Denen dauerte einfach die Saufpause zu lang.
Auf der anderen Seite: Die Wiesn. 1,5 km weiter südlich. Eine halbe Million Leute auf engstem Raum zusammengepfercht (Allianz Arena = 69.000). Jede Menge gewaltbereite Männer. Biker, Schwörer, junge Ausländergangs, Saufbanden aus Ländern mit fremden Wertesystemen (Texas), von denen im Stadion jede Spur fehlt. Und doch sind hier offenbare Trunkenheit bei maximaler Enthemmung kein Grund für einen Platzverweis, sondern quasi erste Bürgerpflicht. Und als würde das nicht genügen, drückt man noch jedem Neuankömmling die denkbar krasseste Mordwaffe für den Nahkampf in die Hand: Einen schweren Glaskrug mit Henkel. Erst ist das Ding ein prima Hammer, mit dem man weit geschwungen jeden Preisboxer auf die Bretter schicken kann, dann, zerbrochen, eine hundsgemeine Stichwaffe, die besser nur der Arzt wieder aus dem Hals rausklaubt, es sei denn, man will ausbluten wie dieser Schatzmeister in "Death Scenes". Auch hervorragend als unplatziertes Wurfgeschoß geeignet, dank des Henkels. Nach Verbrauch steht in unmittelbarer Nähe Nachschub in beinahe unbegrenzter Menge zur Verfügung. Bis sich die Polizei durch das Zelt zu dir durchgekämpft hat, kannst du entweder deinen Feind nach allen Regeln der Kunst panieren oder auf Nimmerwiedersehen in die benebelte Menschenwand entschwinden. Es wird ja nicht jeder Zentimeter mit der Kamera überwacht, wie im Stadion. Und wenn, dann mehr so zur Unterhaltung (Wiesn Nights auf BR, mein TV-Tip der Woche).
Früher hatte man diese glasierten Tonkrüge, die dir zwar auch eine Platzwunde besorgten, ansonsten aber brav am Schädelknochen zerbarsten (statt umgekehrt) und in stumpfe Scherben geschlagen kaum noch Schaden anrichteten. Die mußten dem Glase weichen, weil nur so dem betrügerischen Einschenken Einhalt geboten werden konnte. So gesehen erstaunlich, wie wenig trotzdem passiert. Immer wieder. Eigentlich sind wir doch alle recht reif und zivilisiert. Darauf einen Toast aus meiner Meerschaumpfeife, und ein Prosit der Gemütlichkeit.
Beerfest
(US 06)
Eine Zweitsichtung. Anlaßbezogen, erstmals konzentriert und im englischen Original. Zweimal "Bierfest"? Ich muß verrückt sein. Doch damit kann man mich ködern: Mit den Klischees, die über uns Deutsche so unterwegs sind. Und wenn wir in der Welt für irgend etwas Positives bekannt sind, dann sind das ja wohl Bier, Wurst und Autos. Ja, ich würde auch lieber Bach, Goethe und Fußball schreiben, aber es gibt Schlimmeres (evtl. die Wahrheit: Rammstein, Neuschwanstein und Nadine Jansen).
"Beerfest" ist kein Film über das Oktoberfest. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine typische amerikanische Sportkomödie, in der ein unkonventionell trainiertes, aus kompletten Losern rekrutiertes Außenseiterteam eine arrogante, als unschlagbar eingestufte Favoritentruppe heraus fordert. Klassischer David gegen Goliath. Bloß, daß der Sport nicht Fußball, Völkerball oder Tischtennis heißt, sondern Wettsaufen. Bzw. fantastische Saufspiele aller Art. Jan und Todd Wolfhouse sind Enkel eines vor Jahren unter Mitnahme eines Geheimrezeptes von Bayern in die USA exilierten teutonischen Adeligen. Der ist unlängst tragisch verblichen (kurze, aber prägnante Glanzrolle für Donald Sutherland), Todd und Jan sollen ihn nun in die Heimat überführen und seine Asche dem letzten Wunsch entsprechend auf der Wiesn verstreuen. Durch Zufall stoßen sie in München auf das supergeheime und parallel zum Oktoberfest ausgetragene Bierfest, eine illegale Olympiade bizarrer Trinkspiele, bei der ausgerechnet eine Gruppe entfernter Cousins unter Leitung des Baron Wolfgang von Wolfhausen (der böse Bruder vom Opi) die Lokalmatadoren und Seriensieger sind. Natürlich wird die US-Delegation von ihren Verwandten brutal gedemütigt, ihre Familienlinie durch den Schmutz gezogen. Das schreit nach Rache im nächsten Jahr, und die will vorbereitet sein.
Die Leute, die dies bewerkstelligten, sind das aus einer vermutlich trinkfesten Studentenverbindung hervorgegangene, at least nominell von Monty Python beeinflußte Comedy-Theater Broken Lizard. Deren Debütstreich "Supertroopers" avancierte zum Kultfilm aller Verkehrspolizisten und jonglierte bereits erfolgreich mit dem einen oder anderen Deutschenklischees (das immergeile Swingerpärchen im Porsche). Vom Oktoberfest oder europäischen Saufspielen haben die Vögel zwar keine Ahnung, aber wie man zwei quiekende Stunden mit berserkerhaftem Bad-Taste-Klamauk und erlesenen Stereotypen pointiert totschlägt, das wissen sie. Das Team der Guten rekrutiert sich neben den beiden Brüdern aus einem dicken Redneck-Party-Animal, einem jüdischen Wissenschaftler-Nerd und einem traumatisierten, heruntergekommenen indischen Ex-Wettsaufchampion, den man zunächst vom Schwulenstrich loseisen muß (Regisseur und Co-Autor Jay Chandrasekhar). Dieser traurige Haufen überwindet in steinhartem Training (der breite Mittelteil des Filmes) letztlich alle Ängste und Schwächen, um nach Münich zu reisen und den germanischen Biermonstern die Stirn zu bieten. Die werden ins Feld geführt von Jürgen Prochnow und Ralph Möller, eine Bande blonder, muskelbepackter Hassfressen, die allein in geschrieenen Befehlen und verächtlichem Gelächter kommuniziert und ihre Feinde zuweilen direkt im Off einer beliebigen Szene per sofortiger Erschießung aus dem Weg räumen läßt. Die optisch wenig furchterregenden Amis scheinen für sie ein gefundenes Fressen zu sein, doch haben die Loser heimlich in die Trickkiste gegriffen und sich von Oma Wolfhouse (Cloris Leachman treibt’s als Krönung von 225 Film- und TV-Produktionen mit dicken Würsten) mit Ziegenurin dopen lassen (nein, nicht mit einer Zigeunerin).
Ein mildes Späßchen, auf dessen (diskreten) Charme man sich einlassen muß, damit sich der Humor voll entfalten kann. Trinken als nationale Heldentat, totale Volldoofchen als glorreiche Helden. Man sieht die Herren Studenten förmlich kichernd den Plan aushecken, bei einem marihuanageschwängerten Besäufnis auf der Couch in der Villa, die man sich seit "Supertroopers" leisten kann. Leicht beleidigt sein darf der deutsche Zuschauer nicht, denn besonders liebenswerte Karikaturen geben wir nicht. Krasse sehr wohl. Liegt in der Natur der Sache, kann man nicht mehr ändern. Also das beste daraus machen und nationale Eigenheiten mit Stil / Würde tragen. Und nicht verdrängen, wie’s sicher mancher gerne wieder täte.
Wer beim Bund war, weiß, wie Saufspiele richtig gehen, und kennt auch den Trick, mit dem „das Boot“ bewältigt wird (... wenn du schon den Prochnow hast). Mit dieser perfidesten aller deutschen Drinkdisziplinen wollen die Bösen den Guten am Schluß den Todesstoß versetzen, denn noch nie gelang es einem Ami, das große Glas in der Form eines Stiefels in einem einzigen Zuge leerzutrinken, ohne daß ihm der Schwall aus der Stiefelspitze am Schluß über das Antlitz geschlabbert wäre. Gott, mußte ich Saupreiß bei den Gebirgsjägern oft Stiefel trinken. Man dreht ihn zur Seite, so daß die Spitze nicht nach oben oder unten, sondern nach links oder rechts zeigt. Da mußte der Juden-Nerd Physik studieren, um da nicht drauf zu kommen. Apropos. Die Szene, in der ihm die Lederhosen die Kippa vom Kopf reißen, drauf treten und über das Schamhaar auf seinem Haupt lachen, mußte in der deutschen Version mal wieder weichen. Kein bißchen gelernt, die Krauts, seit Peter Sellers als Hitler aus "Casino Royale" verschwinden mußte.
Bearbeitet von hoolio21, 04. Oktober 2008, 00:41.
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