This is an adventure.
#31
Geschrieben 12. Januar 2009, 18:39
Mit dem neuen Film von Petzold offenbart sich die Idee von YELLA - die Übersetzung US-amerikanischer Kinoklassiker in die Berliner Republik - als Teil eines größer angelegten Konzeptes. War es im Vorgänger noch Herk Harveys Geisterfilm CARNIVAL OF SOULS, der als Folie für Petzolds Expeditionen ins Herz des verfallenden Ostdeutschland diente, so ist es hier James M. Cains Roman und dessen diverse Adaptionen THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE - an die Stelle des jenseitigen Immer-Schon-Zu-Spät tritt also hier Leidenschaft, Trieb - und die ewige Dynamik des Zu-Früh Vs. Zu-Spät. Auf den Punkt besetzt und auf den Punkt inszeniert, fügt Petzold seinem Werk eine neue Facette hinzu, die mir in filmischer Hinsicht überzeugender erscheint als der eher in seinem Konzept aufgehende YELLA. Weiterhin thront GESPENSTER als Petzolds großes Meisterwerk über allem, doch hat JERICHOW eine ganze Reihe wirklich großer Kinomomente zu bieten und gehört somit vermutlich zum Unverzichtbaren des jungen Kinojahres.
#32
Geschrieben 13. Januar 2009, 10:16
Ein sehr dichter, komprimierter Bond-Film, und deshalb auch besser als CASINO ROYALE. Schon der Anfang setzt die Signale, wenn man zunächst in eine hektisch montierte, erstmals in der Reihe direkt an den Vorgänger anknüpfende Verfolgungsjagd durch die Gassen von Siena und dann in die im klassischen Stil zelebrierten Credits geworfen wird - die freilich diesmal mit dem wohl komplexesten Titelsong unterlegt sind, den die altehrwürdige Filmserie je verkraften musste. Jack White hat da ein vor Kraft berstendes, dissonantes, immer wieder die eigene Rhythmik aufbrechendes Monstrum komponiert, das mindestens ebenso muskelspielerisch daherkommt wie Marc Forsters Film. Der nämlich macht ebenfalls keine Gefangenen, sondern schnappt sich das traditionell Bond'sche Konzept der Ferienpostkartendramaturgie und führt es ad extremo. Somit schüttelt er auch das Altbackene ab, das etwa den sklavisch traditionsverhafteten Brosnan-Bonds so unübersehbar anhaftete (und, wo ein Aufbrechen versucht wurde, in eine halbgare MISSION-IMPOSSIBLE-Farbkopie wie DIE ANOTHER DAY mündete).Schade eigentlich, dass man sich damit offensichtlich zwischen alle Stühle gesetzt hat. Im Fall von CASINO ROYALE war ja das Zuschauerfischen noch hervorragend gelungen per Mischung aus semirevolutionärer Neuerfindung und dem Festhalten an alten Erzählformen der Bond-Reihe. Vermutlich ist das wohl eher der Weg, den die Craig-Bonds künftig erfolgreich gehen werden - das Ende von QUANTUM OF SOLACE bietet sich hier freilich durchaus als Zäsur und Übergang/Rückkehr zu einer traditionelleren Erzählweise an. Schade im Grunde, ich hätte gern mehr von diesem neuen, zynischen, und einen kleinen Hauch radikaleren Bond gesehen.
#33
Geschrieben 13. Januar 2009, 12:24
"So we don't know what anybody wants?" - Der neueste Coen-Film, nach dem jedenfalls etwas interessanteren NO COUNTRY FOR OLD MEN wohl eher ein Schnellschuss, hat exakt zwei Sequenzen, die ihn aufwerten und zum Kommentar auf die Überwachungsgesellschaft der heutigen USA machen. Diese beiden - im CIA-Hauptquartier in Langley verorteten - Sequenzen scheinen schier genialisch und knüpfen an die großen Momente der Coens an: Alles wird beobachtet, aber keiner kapiert irgendwas. Ganz große Komik. Leider wirkt der Rest von BURN AFTER READING eher etwas abgestanden und irgendwie unwichtig. Das mag ein Stück weit auch an mir liegen - ich kann mir durchaus vorstellen, dass mich dieser Film wie fast alle der frühen Coens vor ein paar Jahren noch sehr amüsiert hätte. Aber aus heutiger Perspektive wirken die Brüder so ein bisschen wie tragische Figuren à la Kevin Smith: auf ewig in den 90ern verhaftet. Wenn da nicht diese zwei kurzen Sequenzen wären...
#34
Geschrieben 13. Januar 2009, 12:32
Das hier hätte durchaus die beste Videospielverfilmung aller (bisherigen) Zeiten werden können, denn John Moore macht durchaus so einiges richtig: Zum Beispiel zuallererst auf Atmosphäre zu setzen. Andererseits tat dies Christophe Gans in seinem hochambitionierten SILENT HILL auch, und der krepierte letztendlich dann doch daran, dass er mit viel zu viel Aufwand seine Story heruntererzählte, ohne dabei in Betracht zu ziehen, dass sie eben aus 100.000 B-Movies zusammengeklaubt war. Was halt im Spiel, Dank der interaktiven Rolle des Spielers, nicht ins Gewicht fällt, aber nach der Übertragung in ein neues (altes) Medium, die ja eher eine Rückübertragung ist, erschlagend einschläfernd wirkt. Irgendwie geht auch MAX PAYNE in diese Falle, denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im Grunde das Einzige, was ihm fehlt, zwei bis drei Actionsequenzen sind. So aber schleppt sich die auch kaum hochoriginelle oder irgendwie relevante Erzählung zwar sehr schick, aber eben auch träge durch die anderthalb Kinostunden. Und darüber hinaus wirkt sie dann auch noch in Detailfragen schlampig, legt wenig Wert auf (innere) Logik und wirft mit irrelevanten Nebenfiguren, die dann nie bedeutsam werden, freigiebig um sich. Schade, diesen Film hätte ich gern mehr gemocht.
#35
Geschrieben 13. Januar 2009, 12:59
Mit der TATORT-Reihe bin ich nicht so sehr vertraut, das hier ist insgesamt der (vielleicht) dritte TATORT meines Lebens. (Petersens REIFEZEUGNIS, plus vermuteterweise irgendein Schimanski in den frühen 90ern!) Zur Sichtung von SCHWARZES WOCHENENDE, ebenfalls eine Schimanski-Episode, führte mich dann auch im Grunde nur die Regie von Dominik Graf, dessen TV-Filme ich über alle Maßen schätze. Auch dies war kein Fehlgriff, wenngleich Graf hier nicht ganz das Niveau späterer, höchst origineller Arbeiten erreichte. Offenkundig sträubt er sich aber auch hier durchaus gegen das vorgegebene Format (dies bestätigte mir jedenfalls meine TATORT-erfahrenere Mitschauerin) und legt somit eine recht unkonventionelle Arbeit vor. Beeindruckend jedenfalls, wie dicht er den zum großen Teil aus variierten Verhörsituationen bestehenden, durchaus verwickelten Plot in Szene setzt - und, wie fiebrig er Schimanski in einer Art stetigem Borderline-Zustand, zwischen Rausch und Nüchternheit, Schlaf und Wachzustand, porträtiert. Von einem Fall in den nächsten gerissen - das Trauma des letzten, gescheiterten Einsatzes steht hier noch am Anfang, und nach unruhiger Nacht erwacht der Ermittler, schwer verkatert, bereits am nächsten Mordschauplatz. Für diese Atemlosigkeit, so legt Graf bereits in den ersten Minuten nahe, gibt es wohl niemals ein Ende...
#36
Geschrieben 13. Januar 2009, 13:11
45 Filme in 36 Jahren! Die TORA-SAN-Reihe, vom dritten und vierten Film abgesehen im Alleingang von Yoji Yamada inszeniert, ist zweifelsohne ein Fixstern des japanischen Kinos! Im Rahmen der Retrospektive japanischer Filmklassiker im Berliner Arsenal wird nun Yamada auch - endlich! - als ein Großmeister des Kinos gewürdigt, und so bot sich für mich die Gelegenheit zur Erstbegegnung mit einem Beitrag zur Reihe. Genauer gesagt: dem 17. Teil TORA SAN'S SUNSET & SUNRISE. Dieser ließ mich einmal mehr voller Verwunderung über die japanische Komödie zurück: der Humor ist im Grunde oft hochgradig albern, von wilden Grimassen bis zu Furzwitzen ist alles dabei, aber dennoch riss TORA-SAN einen Kinosaal voller Autorenfilmpublikum immer wieder zu ganz reinen Freudenausbrüchen hin! Die Besonderheit des japanischen Humors entfaltete sich immer wieder zu voller Blüte: Kindlichste Gags werden derart nonchalant und entspannt dargeboten, dass sich allein aus dieser Kombination eine unwiderstehliche Komik ergibt. Ein großer Spaß, und 44 weitere Filme gibt es ja noch zu schauen...!
#37
Geschrieben 20. Februar 2009, 14:28
Das wirklich Besondere am Werk des Guillermo del Toro besteht noch nicht einmal darin, dass er zwischen aufwendigem Blockbusterkino im Rahmen der Filmreihen BLADE und HELLBOY immer wieder persönliche Projekte wie EL ESPINAZO DEL DIABLO oder jüngst EL LABERINTO DEL FAUNO - m.E. einer der besten, ergreifendsten, klügsten und kompromisslosesten Mainstreamfilme des Jahrzehnts - realisiert. Das wirkliche Alleinstellungsmerkmal del Toros ist eher in dem Umstand zu verorten, dass er auch den Größtproduktionen stets eine ganz individuelle Handschrift einprägt. So ist es letztlich bei näherem Hinschauen unverkennbar, dass etwa BLADE II und EL LABERINTO DEL FAUNO Werke des gleichen Auteurs sind - selbst wenn sich hinter ersterem die einzige Regiearbeit del Toros verbirgt, bei der er eben nicht im buchstäblichen Sinne als Autorenfilmer gelten kann. Im Fall von HELLBOY II: THE GOLDEN ARMY ist der Regisseur hingegen auch der Drehbuchautor, wenngleich er die Story gemeinsam mit Mike Mignola, Autor der Comicvorlage, entwickelt hat. Mignolas Zusammenarbeit kann hierbei als Rückversicherung begriffen werden, sich dem Tonfall der Vorlage noch ein Stück weiter anzunähern als im ein wenig zu glatten, wenngleich gelungenen Erstling - und del Toros eigene Autorenschaft sorgt dafür, dass THE GOLDEN ARMY sich nahtlos in das Werk des Filmemachers einfügt. Dessen besondere Qualität machen hier nicht einmal die eindrucksvollen Schauwerte und phantasievollen Creature Designs aus, die hier und da gar etwas zu sehr den pompös aufgeblasenen LORD OF THE RINGS oder STAR WARS Trilogien nacheifern. Tatsächlich ist sie eher in der besonders trockenen Lakonie der Dialoge und in der grandiosen Spleenigkeit von kurzen Vignetten wie der jetzt schon klassischen Barry-Manilow-Sequenz zu finden. THE GOLDEN ARMY ist besser als der erste Film, auch weil er als Sequel befreit ist vom generellen Expositionszwang von Comicadaptionen und daher mehr Raum zum freien Fabulieren - eindeutig eine Stärke del Toros - findet. Man wird hier keine Avantgarde finden, aber dafür Mainstream von einer Qualität, wie es sie im Weltkino nicht mehr oft gibt. Ein wunderbarer Film - nun bleibt abzuwarten, ob del Toro seine Handschrift auch in die zweigeteilte THE HOBBIT Adaption hinüberretten kann, oder ob er doch gegenüber diesem gigantischen Hollywood-Flaggschiff kapituliert und in die megalomanische Fanboy-Leere von Jacksons gescheitertem LORD OF THE RINGS abstürzt.
#38
Geschrieben 22. Februar 2009, 15:20
Dieser Film des großen John Ford ist retrospektiv vor allem deswegen berühmt, da er im Jahr 1942 - dem Jahr von CITIZEN KANE, und somit einem Wendepunkt der amerikanischen Kinogeschichte - den Oscar als bester Film gewann. Somit umweht den eigentlichen Triumph (damals hatte der Oscar ja vielleicht noch ein bisschen mehr mit einem Kunstpreis zu tun als dieser Tage, wie sicherlich die heutige Nacht wieder beweisen wird) ein nicht ganz ungerechtfertigter Hauch des Fehls. Selbstverständlich ist CITIZEN KANE wichtiger, visionärer und schlicht besser, ebenso selbstverständlich handelt es sich um ein eher minderes Werk von Ford. Gleichwohl: es hat viel schlechtere Oscargewinner gegeben als eben diesen hier, zumindest wenn man sich auf die alles prägende Sentimentalität des Grundtons von HOW GREEN WAS MY VALLEY einlassen mag. Dann nämlich hat Fords Film eine ganze Menge zu bieten - so etwa recht unverblümte Schilderungen der Verelendung der Arbeiterklasse infolge der Industrialisierung, eine wunderbare Schwarzweißfotografie und eine Inszenierung, die alle melodramatischen Register zieht und diese in einen fließenden Rhythmus hineinschmiegt, der von filmischem Handwerk auf der Höhe seiner Schaffenskraft zeugt. Klassisches Hollywood, wie es im Buche steht und ein, wenn dieser Ausdruck in diesem Kontext erlaubt sein sollte, extrem süffiger Film.
#39
Geschrieben 22. Februar 2009, 15:35
Man fühlt sich beim Betreten von PEYTON PLACE ein wenig wie auf David-Lynch-Territorium, und das nicht ganz zu Unrecht: gibt doch der Meister diesen Film als eine der bedeutenden Inspirationsquellen seiner kleinstädtischen Höllenvisionen etwa in BLUE VELVET an. Tatsächlich aber beschreitet Mark Robsons ein wenig in Vergessenheit geratener Klassiker ähnliches Terrain wie die Meisterwerke Douglas Sirks - vor allem IMITATION OF LIFE, ebenfalls mit Lana Turner, kommt in den Sinn. Und dabei tritt dann vor allem klar hervor, welch Meister der Verdichtung Sirk war. PEYTON PLACE nämlich verfügt durchaus über das gleiche sozialkritische Potenzial wie Sirks kristallklar und messerscharf durchgeführte Stoffe, nur dass es im Lauf der langen 150 Minuten, die sich Robson dafür Zeit nimmt, reichlich verwässert. So erscheint sein Zerrbild der Enge der 50er-Jahre-USA über weitere Strecken harmloser und gewissermaßen "entzerrter" als nötig, bis hin zum zu harmonieseligen (und gar nicht, wie so oft bei Sirk, doppelbödigen) Happy End. Andererseits wäre natürlich die Frage zu stellen, ob dieser Verzicht auf Verdichtung zugunsten einer eher plätschernden Zeit nicht, in der Darstellung eines Ortes, wo das Leben im wesentlichen von jenem Plätschern geprägt erscheint, gar angemessener und - wenn man so will - wahrhaftiger ist? Aber letzten Endes ist es im Fall von PEYTON PLACE gar nicht einmal so wichtig, wo man dessen filmische Bewertung ansetzen möchte. Tatsächlich hat David Lynch natürlich ganz Recht damit, dass man hier, in diesem vermutlich sehr unreflektierten Film, sehr viel über die amerikanische Gesellschaft erfahren kann.
#40
Geschrieben 23. Februar 2009, 13:09
Durchaus als ein prototypischer Film Noir zu verstehen, spielt der Film von Beginn an in einem unentrinnbaren Danach: Johnny Morrison kehrt aus dem Krieg in eine Heimat zurück, die keine mehr ist. Sein Kind ist tot, seine Frau Helen ist, von Schuldgefühlen zerfressen, zur unberechenbaren Lebedame geworden. Morrison geht - und muss alsbald erfahren, dass er zur Vernehmung im Mordfall seiner Frau gesucht wird. Auch um sich selbst zu entlasten macht sich Johnny auf die Suche nach dem wahren Mörder - doch der Kreis der Verdächtigen ist nicht eben klein: der etwas schmierige Lover Helens, Eddie Harwood. Johnnys durch eine Kriegsverwundung unberechenbarer Kamerad Buzz? Und welche Rolle spielt Harwoods abtrünnige Frau Joyce, die Johnny zu helfen scheint? THE BLUE DAHLIA, mit Alan Ladd und Veronica Lake ikonisch besetzt, trägt eindeutig die Handschrift des Skriptautoren Raymond Chandler - seine Figuren lassen sich in keine Schwarzweißzeichnung einpassen, sondern schillern stattdessen in allen Facetten von Grau. Jeder hat irgendwie Dreck am Stecken, und die meisten Protagonisten sind auch in ihren Verbrechen eher Getriebene, während sich unaufhaltsam der Knoten der Schicksalhaftigkeit zuzieht... Dazu passt dann die sehr nüchterne Inszenierung Marshalls sehr gut, wenngleich sie dem Film hier und da etwas Wucht entzieht. Aber in Verbindung mit den lakonischen Dialogen entsteht ein angemessen unterkühlter Gesamteindruck. Und am Ende schlägt der Plot dann auch noch mal ein paar Haken, und die Fährte, auf der man als Zuschauer vielleicht etwas zu lange folgte, ist dann doch eine falsche, und in Wirklichkeit war alles ganz anders...
#41
Geschrieben 23. Februar 2009, 13:38
Zwei Jahre zuvor hatte Raoul Walsh mit Humphrey Bogart - neben den seinerzeit viel größeren James Cagney - THE ROARING TWENTIES gedreht, der wie eine zusammenfassende Anthologie sämtlicher Motive des Gangsterfilms der Großen Depression wirkte. Und der somit auch schon etwas von einem Schlusspunkt hatte. Kurz darauf sollte die allumfassende Düsternis des Film Noir die Oberhand gewinnen über die in letzter Konsequenz meist doch moralischen Erzählungen um den Gangster als Kapitalismusgewinnler in den 30ern. HIGH SIERRA ist eine Art Werk des Übergangs: Deutlich erkennbar sind seine Strategien des Rückzugs - aus dem Gefängnis, aus dem Gangsterleben, aus der Großstadt. Unverkennbar auch Roy Earles Jagd nach einem richtigen, "anständigen" Leben - eine Sehnsucht gar, der Walsh hier noch nicht jede Hoffnung auf Erfüllung verweigert. Zwar findet Earle es nicht dort, wo er und der Zuschauer es zunächst vermuten (in den Armen der aus einfachen Verhältnissen stammenden Velma). Die ebenso ruhelose, mit den Härten des Daseins bekannte und zumindest semikriminelle Ex-Tänzerin Marie jedoch lässt Earle für eine kurze Weile eine wahre Erfüllung in der Liebe spüren - bevor dann am Ende doch unweigerlich das Schicksal seinen Lauf nimmt. Eindrucksvoll ist dabei vor allem die offene Zerrissenheit, die HIGH SIERRA seinem Helden gestattet: Roy Earle ist professioneller Dieb, Mörder gar - und tritt doch im Film als ein durchaus sensibler, gutherziger Mann auf der Suche nach einem richtigen Leben im Falschen in Erscheinung. Walsh (resp. Drehbuchautor John Huston) gibt sich kaum Mühe, diese Widersprüchlichkeit zu überbrücken, sondern lässt sie im Zentrum des Films als eine klaffende Leerstelle stehen. Des weiteren fällt auf, wie glatt und gewissermaßen reibungslos HIGH SIERRA um dieses Grundthema herum inszeniert ist. Somit bleibt er im Gedächtnis als ein zwar letzten Endes tragischer, aber doch seltsam sanfter, lichtdurchfluteter Film - wie ein letztes Atemholen vor dem langen Abtauchen in die Abgründe des Film Noir. Wunderschön!
#42
Geschrieben 23. Februar 2009, 22:07
Tja, was soll man über Michael Curtiz' Überklassiker noch schreiben? Vielleicht, dass es vorher wie später in der Kinogeschichte wohl niemals einen derart eleganten Propagandafilm gegeben hat? Dass die Artifizialität der Studiokulissen die seltsame Zwischenwelt des neutralen Casablanca erst so richtig glaubhaft macht? Dass die catchiness der extrem dichten Dialoge bis heute ungebrochen ist, und zahlreiche Sequenzen völlig zu Recht unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis des Kinopublikums eingebrannt sind?
Ich möchte an diesem Punkt vor allem betonen, welch qualitativen Sprung im Film selbst noch einmal die berechtigterweise legendäre Finalsequenz am nebelverhüllten Flughafen darstellt: Wie Curtiz hier (Welt-)Geschichte in eine Reihe von Close-ups auflöst, das ist ganz, ganz große Kunst.
#43
Geschrieben 24. Februar 2009, 00:24
... und gleich noch ein weiterer Klassiker von Michael Curtiz hinterher. Der hierzulande, wie mir scheint, viel zu wenig beachtete MILDRED PIERCE gibt sich zunächst einmal den Rahmen eines noirhaften murder mystery, dessen Auftakt Curtiz als eindrucksvolles set piece in einer expressionistisch anmutenden leeren Villa voller dunkler Ecken, schräger Winkel und langer Schatten inszeniert. Die Geschichte der Titelheldin Mildred Pierce, die sich aus der Ermittlungssituation heraus in raumgreifenden Rückblenden entfaltet, ist dann aber vor allem als das Drama einer starken Frau zu begreifen - deren große Schwäche, mithin auch der Schlüssel zum verhandelten Kriminalfall, jedoch in der bedingungslosen Liebe zu ihrer verwöhnten und immer skrupelloseren Tochter besteht. In dieser Zeichnung einer unabhängigen Frau, insbesondere im Kontrast zu den oft schwachen, schmierigen oder zumindest - im Gegensatz zur patenten Geschäftsfrau Mildred - beruflich erfolglosen männlichen Protagonisten, liegt wohl ein Teil der Sprengkraft von MILDRED PIERCE begründet. Einen weiteren Anteil daran nimmt die dichte und sehr visuelle Inszenierung, die mir auch für Curtiz durchaus ungewöhnlich scheint. Dem fast träumerischen Schwelgen von CASABLANCA tritt hier eine äußerst konzentrierte Atmosphäre entgegen, die eine Zwangsläufigkeit und Dringlichkeit zwischen die Bilder von MILDRED PIERCE trägt, die dem Geist des Film Noir wohl näher kommt als zahlreiche auf den ersten Blick genrekonformere Stoffe.
#44
Geschrieben 27. Februar 2009, 11:59
Sagen wir's mal so: Wer bei ZODIAC eingeschlafen ist, der wird bei BENJAMIN BUTTON nicht unbedingt wieder aufwachen... Irgendwann muss es einmal einen Punkt gegeben haben, an dem dem einstmals hervorragenden Stilisten und Genrefilmemacher David Fincher eingeredet wurde, er sei ein Intellektueller. Die Folge besteht darin, dass er nun bereits zum zweiten Mal einen sehr langen und sehr weiligen Film vorlegt, der banalste Thesen auf unfassbar breiter Ebene plattwalzt. Hatte ZODIAC aber zumindest für jenen sicher nicht unbeträchtlichen Teil des Publikums ein paar neue Gedanken zu bieten, der noch niemals eine Grundlagenvorlesung in Kommunikationswissenschaften gehört hat, ist BENJAMIN BUTTON schon beleidigend flach geraten.
Einen Moment gibt es im Film, in dem Fincher den Kern seiner Weisheit offen darlegt: "I was just thinkin' ... how nothin' ever lasts", gibt Brad Pitts Benjamin da zum Besten, und um zu dieser bahnbrechenden Erkenntnis zu gelangen, hat er, resp. Fincher, allen Ernstes über zwei Stunden Erzählzeit benötigt! Um Ähnliches mitgeteilt zu bekommen, reichen fürgewöhnlich auch die 5 Sekunden, die morgens das Abreißen des Blattes auf dem Küchenkalender in Anspruch nehmen. Aber, ein bisschen zurückgerudert: Das wäre ja noch nicht einmal so katastrophal, wenn diese Binsenweisheit den Kern eines funktionierenden Films ausmachen würde. BENJAMIN BUTTON aber schleppt sich träge dahin, wirkt ziellos und episodisch. Ein paar kurze Episoden stechen dann durchaus hervor - Tilda Swinton ist hier eindeutig showstealer, und ein prächtiger Monteur ist Fincher natürlich ohnedies, was er auch in 2-3 Kabinettstückchen nachweist, die aber wie aus einem anderen Film gefallen wirken. Das alles hilft aber nichts, weil das große Ganze hier so dermaßen uninteressant und aufgeblasen wirkt, dass es schon ans Absurde grenzt. Weder für Weltgeschichte noch für persönliche Biographien seiner Helden scheint sich der Film wirklich zu interessieren. Die Rahmenerzählung mit ihrer Rückblendenstruktur erdet das Ganze dann auch noch in einer zutiefst konventionellen Erzählweise, die BENJAMIN BUTTON endgültig zwischen den Stühlen plaziert. Das experimentelle Potenzial, das der eigenwillige Stoff hergibt, interessiert Fincher - von einem kurzen, eindrucksvollen "Rahmen im Rahmen" abgesehen - gar nicht, und für einen großen Hollywoodfilm im klassischen Stil ist er ein bei weitem zu schlechter Erzähler. Fincher sollte wieder Genrefilme machen.
#45
Geschrieben 27. Februar 2009, 14:56
Der Plot ist ganz und gar gradlinig: Tochter von Ex-Irgendwas mit mächtig viel Routine im Töten wird entführt. Ex-Irgendwas wird stinksauer und foltert und mordet gar prächtig zahlreich, bis er am Ende das Töchterchen wieder in die Arme schließen kann. Diese klassisch minimalistische Story setzt der Film schnörkellos, lakonisch und angemessen kaltschnäuzig um. Nun könnte man, wie andernorts schon geschehen, sich Gedanken machen, ob es sich hier um ein ideologisch verbrämtes Machwerk handelt, das den good American Liam Neeson mit der Vollmacht zur Folter ausstattet und im europäischen (und osteuropäisch unterwanderten) Sündenpfuhl mal so richtig aufräumen lässt. Ich meine: Nein. Man müsste sich dann zumindest auch Gedanken darüber machen, inwiefern es dem Actiongenre legitim ist, sich ein Bild des Fremden aufzubauen, das als Antagonist unverzichtbar ist - und weiter in Betracht ziehen, dass eine Pointe von TAKEN eben in der Verschlingung des Eigenen (des Polizeiapparats, dem "ehrenwerten" Geschäftsmann) mit dem Anderen (dem albanischen Menschenhandelsring) besteht. Weiter müsste man beachten, dass der Held hier - der Perspektive des Films zum Trotz - selbst ein Fremder ist (TAKEN ist ein rein französisch produzierter Film!) und mit der Attacke gegen das korrupte französische Polizeisystem somit der eigene Machtapparat attackiert wird. Zudem wäre der Einwand zu äußern, dass gerade ein so streng reglementiertes Genre wie der Actionfilm - und hier noch einmal im Speziellen der Selbstjustizfilm - von Grund auf auf das Spiel mit sehr subtilen Verschiebungen in der eigenen Stellungnahme zum Gezeigten angewiesen ist. Auch ein Held, mit dem der Zuschauer bis in den Showdown fiebert, muss nicht unbedingt einer sein, dessen Handeln man bedingungslos gutheißt. Und spätestens, wenn Neesons Bryan der nun wirklich vollkommen unbeteiligten Ehefrau eines korrupten Polizisten eine Kugel in den Arm schießt und mit dem Mord an ihr droht, dann gerät hier offen die Verhältnismäßigkeit aus den Fugen und der Rachefeldzug erhält auch den Hauch eines Amoklaufs... Die Probleme in der Rezeption von TAKEN scheinen mir vielmehr die Probleme des Actionkinos in der Gegenwart zu reflektieren: Die ideologischen Fronten sind mittlerweile derart ineinander verschlungen, dass die Genreerzählung bis zum Zerreißen mit Ambivalenz geladen wird, begibt es sich in dieses Spinnennetz. Das Attackieren korrupter Machtapparate im Genrekino ist einerseits ja durchaus als subversive Aktion zu bewerten - andererseits muss sich etwa ein Tom Tykwer für THE INTERNATIONAL (ganz unabhängig von der Qualität des von mir noch ungesichteten Films) in der Rezeption vorwerfen lassen, er rede damit nur dem "Mann auf der Straße" nach dem Mund... Kurz gesagt: Implizit wird nicht selten die Forderung ans Genrekino gestellt, zu einer "sauberen", machtstabilisierenden Perspektive zurückzukehren, statt herrschende Systeme, so etwa das Ideal des hier auch durchaus gespiegelten Verschwörungsthrillers der 70er Jahre, zumindest anzukratzen. Begründet wird diese Kritik an der Kritik, nicht stichhaltig, aber auch nicht völlig substanzlos, darin, dass eben die Gegenposition selbst auch schon zum Stereotyp geronnen ist. Das ist letzten Endes Baudrillard'sches Territorium und als Problem vielleicht gar unlösbar. Andererseits birgt es etliche Chancen: Die Reibung zwischen beiden Blöcken erzeugt eine derartige Hitze, dass vielleicht der eine oder andere Film darin verglühen mag - insgesamt ist aber vielleicht ebendiese Hitze ein Grund für das Aufblühen des Actionkinos, gerade auch auf B-Niveau, in dieser Dekade? TAKEN jedenfalls macht fast alles richtig, und Pierre Morel setzt nach dem in meiner Erinnerung ebenfalls recht gelungenen Carpenter-Update BANLIEUE 13 ein weiteres Glanzlicht im neuen französischen Actionkino.
#46
Geschrieben 27. Februar 2009, 16:44
Die amerikanische Nerdkomödie funktioniert ja schon seit einigen Jahren ganz hervorragend, vor allem in den Filmen aus der extrem produktiven Schmiede von Judd Apatow. Dies hier ist keiner davon, aber natürlich weist auch ROLE MODELS Schnittpunkte damit auf, vor allem in Person des begnadeten Paul Rudd, Dauer-Nebendarsteller bei Apatow. Dieser spielt hier nicht nur die Hauptrolle neben Seann William Scott, sondern hat auch am Skript mitgeschrieben - und dieses deutlich in die Nähe von KNOCKED UP, SUPERBAD & Co. manövriert. Das funktioniert auch alles ganz hervorragend, und ROLE MODELS ist tatsächlich ein sehr lustiger Film mit hin und wieder sogar einer originellen Pointe geworden. (Der Coffeeshop-Dialog allein ist Gold wert!) Das Geheimnis der neuen Nerdkomödie liegt wohl vor allem darin, dass sie gewissermaßen aus dem Herzen des Nerdtums heraus erzählt ist. Ihre Figuren, zwischen X-Box und Live-Rollenspiel, werden nicht denunziert, sondern in ihrer Verschrobenheit geradezu zärtlich behandelt. Das ist liebevoller Mainstream voller Herz und Humor, im besten vorstellbaren Sinne.
#47
Geschrieben 01. März 2009, 22:39
Eigentlich schlüssig: Einer der großen, esoterischen Stilisten des US-Kinos will, inclusive der aus "Le fils" der Dardenne-Brüder geborgten, extensiv eingesetzten over-the-shoulder Shots, Sozialrealismus machen - und muss sich dafür einer der obskursten, weltfernsten und buchstäblich aus der Zeit gefallenen Subkulturen des eigenen Landes zuwenden. Das Ergebnis ist nur oberflächlich manchmal hybrid - die im neonbunten 80er-Look gehaltenen Credits und der Schweinerock-Soundtrack tun da ihr Übriges -, bleibt sich aber im Grunde und im Herzen stets treu. Damit hat Aronofsky, im Gegensatz zu früheren Filmen, die Sprache des Kinos eher nicht vorangebracht, aber einen grundsoliden, schönen und durchdachten Film vorgelegt, in dem sich zwischen dem Realismus der Erzählweise und der Irrealität des Sujets durchweg Harmonie ergibt. "Wo kein Kitsch ist, da ist auch keine Wahrheit." (Georg Seeßlen)
#48
Geschrieben 04. März 2009, 14:55
Die Zweitsichtung hat mich in meiner Begeisterung vollauf bestätigt: Der russische Regisseur Timur Bekmambetov legt in seinem Hollywooddebüt ein Paradestück eines intellektuellen Actionkinos vor, das nicht nur tadellos spektakulär und affektiv inszeniert ist, sondern auch bis ins Detail durchdacht. Dabei greift er auf den Grunddiskurs des Actionkinos überhaupt - Gewalt und Gegengewalt - zurück, was ja heute auch stets, implizit oder explizit, bedeutet: Terrorismus und Contraterrorismus. Im Zentrum von WANTED steht eine Art paramilitärische Einheit, die ganz buchstäblich - Bekmambetov wählt hier bewusst Bilder aus der Mythologie - im Dienste des Schicksals steht. Diese vielkritisierte Setzung einer Macht des Schicksals, in deren Dienst seine Helden/Mörder stehen, braucht WANTED, denn nur auf dieser Grundlage kann er sein Gedankenspiel durchspielen. Dieses geht, im Tonfall eines "Selbst-Wenn", von der Existenz einer historischen Wahrheit aus, einer Macht des Schicksals oder der Gerechtigkeit, wenn man so will, in deren Dienst so etwas wie ein "gerechtes Töten" denkbar ist. Übereinstimmungen mit gewissen Angriffskriegen und ihren Rechtfertigungsversuchen in jüngerer Zeit sicher nicht zufällig. Dies freilich ist nur die Ausgangsposition von WANTED, der in seiner Narration den zwangsläufigen Übergang von Wahrheit zu Politik demonstriert, wenn der Faktor Macht ins Spiel kommt. Und wenn am Ende das überfällige Finish vollzogen wurde, die Revolution ihre Kinder gefressen hat, dann deutet sich an, dass sich nichts wirklich verändert hat. Toll und beeindruckend und klug.
#49
Geschrieben 08. März 2009, 01:51
Mal wieder ein Serienkillerfilm. Scheint jedenfalls am Anfang so, die Auflösung ist dann doch ein bisschen anders, aber fast ebenso langweilig. Wir folgen hier Dennis Quaid als alleinerziehendem (nicht eben vorbildhaften) Vater und ermittelndem Cop am Rande der Ausgebranntheit im Fall einer mysteriösen Mordserie. Opfer/Täter-Hybrid ist zunächst mal die eigentlich atemberaubende Zhang Ziyi, die sich das mit der Hollywoodkarriere wohl auch anders vorgestellt hat. Sie ist hier eindeutig die Unterfordertste mit Fremdschampotenzial in einem Cast voller verbranntem Talent. Hinter der Kamera steht Jonas Åkerlund, der mit SPUN ein formal fabelhaftes Debüt hingelegt hatte und hier ab und zu einmal ein hübsch gebautes Bild einstreut. Leider hat er vergessen, uns mitzuteilen, warum wir uns für das Geschehen auf der Leinwand überhaupt interessieren sollen. Halbgare, konfuse, biblisch verbrämte Serienkillergeschichten haben wir im Jahr 14 nach SE7EN nun wirklich genug gesehen. Und im Jahr 10 nach, Himmel hilf, THE BONE COLLECTOR... kurz gesagt, auf den letzten Metern schafft es HORSEMEN, sogar derlei Langweiler zu unterbieten, und es gibt wirklich nicht einen einzigen Grund, sich diesen jämmerlich zusammengeklauten Retortenstreifen anzutun.
#50
Geschrieben 08. März 2009, 12:03
Feierwillige Medizinstudenten versus Nazizombies. Der norwegische DØD SNØ (ich liebe diesen Titel! ) ist erstmal einer von jenen semiprofessionell inszenierten Funsplatterstreifen, wie sie in jedem, wirklich jedem Jahr im Programm des Fantasy Filmfest mehr oder weniger abgefeiert werden. Nach Zombieschafen, Zombiekühen, Hillbillyzombies und diversen Spezies "Evil Aliens" in diesem Jahr also: Nazizombies. Da ich derlei im Jahr 17 nach BRAINDEAD eigentlich nicht mehr so interessant finde, waren die Erwartungen eher - dem Ambiente angemessen - um den Gefrierpunkt angesetzt, dafür hat's dann doch erstaunlich viel Spaß gemacht. Der Humor ist ein bisschen - bisschen! - weniger albern als sonst im Genre, vor allem aber sind Atmosphäre und Dramaturgie keine Fremdworte für Regisseur Wirkola. Das wohlfeile Zitieren von Genreklassikern wird zwar nicht ausgespart, aber auch nicht so breitgetreten wie üblich. Stattdessen wird dann, statt blindwütig "Hommages" zu verteilen, zünftig und ehrlich geklaut. Die Schocks sind somit eher schlicht geraten, ein paar Gags dafür wirklich gut, und den recht klassisch erzählten Film kann man sich durchaus anschauen. (Etwas mehr als einen guten Oneliner hätte man aus dem Nazitopos freilich schon herausholen können - so wirkt es etwas beliebig.)
#51
Geschrieben 08. März 2009, 12:17
Willkommen in Meanwhile City! Zunächst scheint FRANKLYN in zwei Welten zu spielen: im gegenwärtigen London, wo er verschiedene im Grundton realistische Erzählstränge spinnt, und in der neogothischen Science-Fiction-Stadt Meanwhile City. Die Erzählzeit ist zunächst recht gleichmäßig verteilt, und in diesen Phasen kann man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass der Film ohne den phantastischen Part im Grunde besser wäre. In der zweiten Hälfte verschiebt sich dann auch, im Zuge der Klärung der Verhältnisse zwischen den Erzählsträngen, der Fokus deutlich. Im Grunde ist FRANKLYN eine eher kleine, sehr unaufgeregt erzählte und traurige Geschichte - oder doch: mehrere ineinanderlaufende Geschichten. In verschiedenen Variationen werden hier Traumata, Verlustängste und Realitätsfluchten durchgespielt, und auch Irakkrieg und religiöser Diskurs werden, je nach Wahrnehmung, eingeflochten oder abgearbeitet. Man könnte hierin sicher eine Überladung dieses kleinen Films sehen - man könnte sich freilich auch, so wie ich, an dessen Melancholie und fließender Grundstruktur erfreuen.
#52
Geschrieben 08. März 2009, 12:26
Ein sehr zielgruppenbewusster Film: Keine 5 Minuten ist das Werk alt, da ragt bereits ein auf einer Spitzhacke aufgespießtes Auge in den Zuschauerraum - naja, zumindest theoretisch, wurde doch in Berlin nur die "flache" Version des dreidimensionalen Streifens gescreent. Das wäre dann auch der Hauptkritikpunkt, denn so verliert dieser eindeutig als Gimmick-Movie konzipierte Film eben sein Gimmick. Was bleibt, das ist eine mit viel Blut und Brüsten aufgehübschte und, soweit ich mich erinnere, ziemlich vorlagengetreue Variation auf George Mihalkas klassischen Slasher von 1981. Und da dieser ja bereits eine ziemliche Schlaftablette war, ist auch dies hier zu einer dramaturgisch eher zähen Angelegenheit geraten. Was freilich vom 3D-Effekt mutmaßlich einigermaßen übertüncht werden dürfte. Die Begutachtung der 2D-Fassung führt also relativ zwangsläufig zum Schluss, dass es 20 Minuten weniger wohl auch getan hätten - die 3D-Fassung werde ich mir dennoch bei Gelegenheit noch einmal anschauen. Als Achterbahnfahrt und Partyspektakel ist diese wahrscheinlich tadellos.
#53
Geschrieben 09. März 2009, 13:59
Am Anfang stehen leere Räume: verlassene Klassenzimmer, eine leere Turnhalle. Ein Basketball. Stilleben. Überhaupt entwickelt DEADGIRL einen Fetisch für die Örtlichkeiten, an denen er sich ereignet. Fußbodenbeläge, steinerne Oberflächen, Rohrstrukturen. Detailaufnahmen, immer wieder, Körper abgeschnitten von der Kadrierung, eher geometrisch in den Raum eingepasst, gewaltsam, denn sich darin bewegend.
Von diesen ersten Bildern an ist auch klar, dass DEADGIRL im Grunde nicht wirklich eine Charakterstudie ist. Obgleich er Anderes vorgibt: Eine Initiationsgeschichte will er sein, ist er auch, aber anders: Geschichte einer Selbstsuche, ja. Aber nicht: Selbstfindung; vielmehr: Auflösung, Verstreuung. Vergeblich gefochtener Kampf, schließlich: "sexuelle Marktwirtschaft" (Houellebecq), Verwertungslogik. "We can make more."
Achja, es geht in DEADGIRL um eine nackte Untote, von einer Freundesclique als ständig verfügbare Sexsklavin verwendet. Sein absurdes, tiefschwarz-grausigkomisches Potenzial liegt vielleicht darin, wie naheliegend diese Übertragung in der Logik des Films wird. DEADGIRL ist nichtmal annähernd eine Komödie, aber erschreckend komisch.
"She's some kind of monster. But she's our monster."
Großartig.
#54
Geschrieben 09. März 2009, 15:03
Mittlerweile hat so ziemlich jede größere asiatische Nationalkinematographie "ihren" Western bekommen. Kim Jee-Woons THE GOOD THE BAD THE WEIRD ist, wie der Titel bereits verrät, eine Variation auf Sergio Leones Überklassiker IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO geworden und platziert sich weiter im Mainstream als seine Vorläufer. Weniger experimentell als Takashi Miikes SUKIYAKI WESTERN DJANGO, weniger artifiziell als Wisit Sasanatiengs TEARS OF THE BLACK TIGER, weniger tragisch als Johnnie Tos EXILED. Wo die tatsächliche Bezugsgröße liegt, offenbart sich allerspätestens im (sehr eindrucksvollen) Showdown, der mit den Klängen ebenjener Version von "Don't Let Me Be Misunderstood" unterlegt ist, die Tarantino zuvor in KILL BILL an ähnlich exponierter Stelle verwandte. Dieser Abgleich deutet nun auf eine Plumpheit in der Epigonalität von Kims Film hin, die ihm freilich nicht ganz gerecht wird. THE GOOD THE BAD THE WEIRD ist nämlich nicht nur problemlos mit dem Mainstream vermittelbar, er weist auch - am deutlichsten unter den genannten Referenzfilmen - klassisch epische Züge auf. Das heißt: Er verliert in all dem postmodernen Getrickse seine Erzählung nicht aus den Augen und macht, in erster Linie, ganz klassisch "großes Kino". Tarantino selbst wird sich strecken müssen, mit seiner nächsten Arbeit INGLORIOUS BASTERDS - nach dem mit Anlauf gegen die Wand gefahrenen GRINDHOUSE, der durchaus schon Sargnagel für die filmhistorische Epoche Tarantino sein könnte - an das Spektakelniveau heranzureichen, das Kim hier vorgelegt hat.
Das ändert freilich wenig daran, dass THE GOOD THE BAD THE WEIRD im Grunde eher überflüssig ist und das Gegenwartskino eher noch einmal in einer zu überwindenden Ästhetik festtackert als es auch nur um einen Millimeter weiterzuentwickeln. Aber zumindest ist er auf eine ungemein unterhaltsame Art überflüssig.
#55
Geschrieben 12. März 2009, 14:18
Dieser Film war ja im Grunde schon abgehakt, bevor er abgedreht war. Eine ermüdende und einigermaßen lächerliche Debatte regte das versammelte Feuilleton auf, und nicht nur deren Langweiligkeit tötete wohl beim Großteil des Kinopublikums jede Lust ab, das entstehende Werk dann auch wirklich zu goutieren. Wie sich jetzt herausstellt: ein Fehler, und wohl ein absehbarer. Verhält sich doch Bryan Singer zu vergleichbaren Hollywood-Auftragsregisseuren wie ... nun ja, wie X-MEN 2 zu X-MEN 3. Und obgleich allen im Vorfeld schon klar schien, dass Pop-Scientologe Cruise sich hier eine Art "Mission Impossible im Dritten Reich" auf den Leib schneidern würde, sieht der fertige Film nun völlig anders aus. Dem strahlend heroischen Gestus, den Cruise sonst so häufig verkörpert und der so oft dann, wenn er explizit konterkariert wurde - so wie in Michael Manns Meisterwerk COLLATERAL - zu richtig guten Filmen führte, setzt Singer einen betont nüchternen, an klassischem Suspensekino geschulten Erzählstil entgegen und lässt seine Erzählung vergleichsweise ruhig und doch mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufen. Im Gegensatz zu den notorischen Historiensoaps jüngeren Datums zwischen Degeto und Eichinger wirkt VALKYRIE niemals wie ein aufgeblasener TV-Film, in dem Zweiplus-Prominenz in musealem Gestus Zeitgeschichte nachspielt, sondern tatsächlich wie (mittel-)großes, klassisches Spannungskino. Zu meiner großen Überraschung habe ich nicht viel auszusetzen
#56
Geschrieben 12. März 2009, 17:27
Auf den auf der Berlinale mit viel Tamtam uraufgeführten und einigermaßen positiv aufgenommenen neuen Film von Tom Tykwer habe ich mich durchaus gefreut. Schließlich ist Tykwer, manch einem eher zweifelhaften früheren Werk zum Trotz, ein unstrittig begabter Regisseur, und eine Reanimation des subversiven Verschwörungsthrillers im urban-gegenwärtigen Glas&Metall-Look schien auch nicht die schlechteste Idee. Misslungen ist THE INTERNATIONAL nun auch nicht unbedingt, aber die Freude bleibt doch sehr lauwarm. Letzten Endes nämlich handelt es hier um einen etwas zu uneigenständigen Film, um wirklich zu überzeugen. Zwar ist das Thema der außer Kontrolle geratenen Banken tatsächlich topaktuell - und hier gilt das Miesmachen des Feuilletons einmal nicht: Eine "Stammtischthese" ist diese Idee hier & da, sinngemäß, genannt worden, etwas, das eh grad jeder kleine Mann auf der Straße denkt. Was Tykwer zum Populisten stempeln würde. Ebensolche destruktiven Argumentationsstrategien sind es aber, die jenen Neoliberalismus so sehr in der Gesellschaftsordnung festzurren, dass wir ihn auch nun, nach seinem unübersehbaren und vollständigen Scheitern, noch nicht wieder loswerden. - Aber zurück zu THE INTERNATIONAL: Zwar topaktuell, aber in seinem konventionellen Erzählaufbau dann doch ermüdend ist der geraten. Andererseits wieder aufgewertet durch den tatsächlich sehr gegenwärtig anmutenden Look, den Tykwer dem Film verpasst - und durch ein eindrucksvolles set piece in Gestalt jener schon vielgelobten Schießerei im Guggenheim Museum. Hier geht allerlei Videokunst zu Bruch, und Tykwer gibt nebenher zu erkennen, dass er die Actionchoreographie als Kunstform für sich selbst versteht, statt bloß als handlungstreibendes oder -motiviertes Moment. Das ist klug gedacht, wie so vieles an THE INTERNATIONAL klug gedacht ist. Zum wirklich tollen Film fehlt dann aber doch noch etwas, wohl jeweils nur ein Funken: Nicht ganz so glatte, klischeetreue Figuren. Ein Quantum mehr Rasanz. Ein etwas labyrinthischerer Plot. Oder auch, nach dem Jason-Bourne-Story-Egal-Aber-Großartige-Action-Prinzip: Einfach ein bisschen mehr Remmidemmi. So bleibt's bloß, immerhin, aber knapp: überdurchschnittlich.
#57
Geschrieben 13. März 2009, 12:26
Hmmm - nun muss ich mich, nachdem ich ihn einen Tag lang habe einsickern lassen, wohl doch zu diesem "Film der Stunde" äußern. - Dies vorweg: Zack Snyder ist ein Idiot. Wohl über keinen Filmemacher des Gegenwartskinos habe ich mich so geärgert wie über ihn, schuld daran war nicht einmal in erster Linie die Stumpfheit des vollständig unreflektiert faschistoiden 300, über den ich hier - der erbitterte Diskurs darüber an anderem Ort klingelt mir noch heute in den Ohren - nicht mehr viele Worte verlieren will. So richtig genervt hatte mich Snyder bereits mit seinem Debüt DAWN OF THE DEAD, in dem er - wiederum wohl mehr unreflektiert denn mit Kalkül - aus einem der klügsten, subversivsten Splatterfilme der Kinogeschichte eine Actionblödelei gemacht hat und damit exakt die Form des Kinos in Szene gesetzt, die Romero ein Vierteljahrhundert zuvor so konsequent und genüsslich dekonstruiert hatte. Diese wahlweise Blindheit für die Komplexität der Vorlage oder Unverfrorenheit in deren Vergewaltigung lässt mich bis heute zu dem Urteil kommen, dass das DAWN OF THE DEAD Remake zu den dümmsten Filmen des jungen Jahrtausends zählt. Zack Snyder könnte folglich der Erste sein, der an die Wand gestellt wird, wenn die Revolution kommt.
So, nach diesem Vorlauf zu meiner negativen Voreingenommenheit gegenüber seiner Adaption von Alan Moores unverzichtbarer Graphic Novel nun zum Film selbst: Dieser war im Grunde, und überraschenderweise, ganz in Ordnung. Immerhin ist es Snyder in seiner relativen Nibelungentreue zur Vorlage gelungen, diese nicht - wie das Romero-Remake - übermäßig zu simplifizieren oder gar in ihr exaktes Gegenteil zu verkehren. Im Grunde hat man das Gefühl, einer einigermaßen angemessenen Übertragung eines komplexen literarischen Werkes in das filmische Medium beizuwohnen - wo dann freilich auch die Probleme anfangen. Denn warum genau es nun diesen Film geben muss, oder gar: Was Snyder der Vorlage an Interessantem hinzuzufügen hätte, das bleibt im Grunde die ganze Zeit über fraglich. Die teilweise panelgetreue Umsetzung von den Comicseiten auf die Kinoleinwand spricht durchaus von Respekt für die Vorlage, was ja im Umgang mit einem großen Werk wie diesem nicht das Schlechteste ist - so ist es dann auch im Grunde ausschließlich die Kraft von Moores Stoff, die den Film trägt - obgleich dieser, auch das unübersehbar ausgedrückt im recht seltsamen Rhythmus des Films, eben gerade nicht für die Kinoleinwand strukturiert wurde (- hier bin ich gespannt auf den Director's Cut). Aber dieser Respekt hält eben auch davon ab, sich genügend von der Vorlage zu lösen, um etwas Eigeneres, Interessanteres, genuin Filmisches damit zu machen. (Das hätte er mit Peter Jacksons LORD OF THE RINGS Trilogie, insbesondere in ihrer zweiten Hälfte, gemeinsam.) Das heißt, letztlich entrinnt WATCHMEN nicht der Falle, - hier jüngst von bekay zu lesen und von mir hiermit unterzeichnet - "bloßes Supplement des Comics" zu sein. Letzten Endes also ein Fanboyfilm von einem Fanboy für Fanboys, und ein Film, der im Gesamtwerk von Zack Snyder einen logischen Platz einnimmt und meine Geringschätzung der intellektuellen Kapazitäten dieses Filmemachers, wenngleich es sich mit Abstand um seinen besten Film handelt, eher noch festigt: 300 und WATCHMEN sind letztlich, obgleich ideologisch diametral zueinander, im gleichen Gestus der bedingungslosen Werktreue umgesetzt, eine wie auch immer geartete Stellungnahme zum bearbeiteten Stoff bleibt aus. Zack Snyder gibt sich hier folglich als bloßer Dienstleister, vorgegebene Stoffe auf die Leinwand hievend, möglichst ohne sich zu diesen zu verhaltend. Der Regisseur als Erfüllungsgehilfe. Einmal freilich, in seinem Debüt, hat er sich als radikaler Neuinterpret eines ebenfalls bereits zuvor gegebenen Stoffes geriert, mit katastrophalem Ergebnis. Dies kann mich einzig zu der Schlussfolgerung führen, dass Snyder dort am erträglichsten ist, wo man ihn am wenigsten spürt. Und da intermediale Übertragungen von Werken, wollen sie mehr sein als bloßes Handwerk, grundsätzlich im Gestus des Bearbeiters und nicht des bloßen Übersetzers vorgenommen werden sollten, kann auch WATCHMEN, seiner stellenweise eindrucksvollen Wirkung zum Trotz, kein wirklich großer Film sein.
#58
Geschrieben 14. März 2009, 12:54
Aus aktuellem Anlass zum dritten Mal gesehen. Über die minimalistische, bis ins letzte Detail ausgefeilte Konstruktion dieses Filmes, über seine schlichte und doch so ausdrucksvolle Farbdramaturgie oder die wunderbare Zartheit jenes beinahe abschließenden Momentes, in dem der Alkoholikervater hilflos die Hand auf die Schulter seines entfremdeten Sohnes legt, wären Bücher zu schreiben. In Kreisbewegungen taumeln/gleiten/schweben wir dem Unvermeidlichen entgegen, bleiben auf Distanz und fühlen uns gleichzeitig unendlich nah, dringen immer weiter vor ins Geschehen und bleiben doch unweigerlich außen vor, wenn es sich in letzter Konsequenz vollzieht. Nach etwa 15 Minuten des Umherschweifens legt ELEPHANT seine Karten auf den Tisch und wird von nun an zur Chronik angekündigten Todes. Und dann nimmt er sich noch einmal 45 Minuten Zeit, verzögert, schiebt noch einmal auf, bis er den Schrecken ins Bild setzt. In der zentralen Sequenz spielt einer der beiden Amokläufer einen Egoshooter - und der andere sitzt daneben am Klavier und spielt Beethoven. Ein großartiges, komplexes Bild, das gleichzeitig Alles und Nichts sagt - wie der gesamte Film. Van Sant nimmt alle Klischees, mittels derer fürgewöhnlich die Risse in der Welt, die von Schulamokläufen in schlechter Regelmäßigkeit aufgerissen werden, geflickt werden sollen, und wirft sie lose auf die Leinwand. Eines ist so gut wie das Andere - und aus ihrer Gesamtheit erklärt sich doch gar nichts. Alle Erklärversuche enden so hoffnungslos verschlungen wie die Kamerafahrten durch die Gänge der Schule, wie die sich immer wieder überkreuzenden Zeitstränge. Darüber erklingen die sanften, unendlich melancholischen Klänge der Mondscheinsonate und fügen diese so grundlegend zersplitterten Erzählfragmente zusammen zur großen, poetischen Vision. ELEPHANT ist das Gegenteil eines Thesenfilms - es ist ein Gedicht über einen Amoklauf. Einer der großen Filme dieses Jahrzehnts.
#59
Geschrieben 20. März 2009, 00:10
Lustige Splatterfilme gehen eigentlich nicht mehr. BRAINDEAD ist inzwischen 17 Jahre alt, die Franzosen drehen eine bewusstseinserweiternde Blutoper nach der Anderen, die Amerikaner verschieben die Schmerzgrenzen des Multiplex-Publikums immer weiter nach hinten, und doch finden sich alle Jahre wieder zuhauf semiprofessionelle Filmemacher aus aller Welt, die leidlich unterhaltsame Comicsplatterware für die FantasyFilmFestivals dieser Welt fabrizieren. Und obwohl Gregg Bishop mit dem konfusen Fantasyquatsch THE OTHER SIDE eine der schlimmsten Gurken jüngerer Jahre verbrochen hat und die Erwartungen somit, gelinde gesagt, gedämpft waren, komme ich hier doch zu dem Urteil: Wenn schon lustige Splatterfilme, dann bitte so. Denn im Grunde wäre dies, wenn denn lustige Splatterfilme noch gehen würden, ein grundsympathisches Projekt. The Uncool vs. the Undead. All die Geeks, Nerds und Loser der Schule kommen zusammen, um die wenigen überlebenden Cheerleaders vom zombiefizierten Prom-Night-Ball zu befreien. Der Science-Fiction-Club. Die schlechte Punkband. Der juvenile delinquent. Und, last and least: Der faschistoide, waffenfetischistische Sportlehrer. Am hübschesten gelungen sind im Grunde jene Sequenzen gegen Ende, wenn ohne Rücksicht auf Verluste inmitten der Zombieapokalypse die Klischees des Teeniefilms durchdekliniert werden. Und am Allerschönsten dann ist der Umstand, dass der Abspann schon nach 75 Minuten über den Bildschirm rollt. Letzten Endes gibt es an DANCE OF THE DEAD gar nicht so viel auszusetzen. Schade, ein bisschen, dass lustige Splatterfilme einfach nicht mehr gehen.
#60
Geschrieben 20. März 2009, 00:36
Ursprünglich sollte dies einmal ein Remake werden, von Wes Cravens Meisterwerk THE LAST HOUSE ON THE LEFT. Dann aber, so wird es jedenfalls kolportiert, zerstritt man sich mit dem ursprünglich als Gastdarsteller vorgesehenen David Hess und entschied sich schlussendlich, CHAOS als eigenständigen Film zu vermarkten. Was schon einigermaßen abenteuerlich ist, sind die Entlehnungen vom Vorbild doch nicht eben subtil ausgefallen. Krug heißt jetzt "Chaos" und gibt dem Film so seinen Titel, die beiden geschändeten, gefolterten, getöteten Girls gehen jetzt zum Rave im Wald - hier war man immerhin nur eine Dekade zu spät dran mit dem Zeitgeist - und das Ende ist noch ein bisschen nastier ausgefallen als bei Craven. Dachte man ja auch nicht unbedingt, dass das möglich ist. - Um CHAOS richtig zu beschreiben, müssen zwei Perspektiven eingenommen werden. Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass dies hier inszenatorisch eine absolute Katastrophe ist. Die Darsteller sind ebenso katastrophal wie die Dialoge, das Skript holpert ungelenk an Cravens Vorgaben entlang, und David DeFalcos Regie überschreitet niemals Amateurfilmniveau. Zudem kann vermutet werden, dass CHAOS wohl in jedem Wettstreit um die misogynsten Gewaltdarstellungen eine sichere Bank für einen vorderen Platz wäre. Hierin liegt aber auch der Grund, dass ich CHAOS nicht so ohne Weiteres als cineastischen Bodensatz abhaken kann: denn seine Gewalt tut tatsächlich weh, und das ist für einen Splatterfilm ein bedeutsames Kriterium. Tatsächlich ist CHAOS ein Brett an sehr ungemütlicher, unangenehm real wirkender Gewaltdarstellung, das auch der geübte Splatterkonsument nicht unbedingt wegsteckt, ohne ein paarmal kräftig zu schlucken - musste das jetzt wirklich sein? Was macht er da jetzt mit dem Messer? Warum dauert denn das jetzt so lang? - Ich wage die Prognose, dass CHAOS sich wohl als deutlich wirksamer und nachhaltiger erweisen wird als das sicherlich in handwerklicher Hinsicht wesentlich bessere offizielle Remake, das gerade auf Platz 3 in die US-Kinocharts eingestiegen ist. Wenn man das Splatterkino als bloßes Unterhaltungsmedium begreift und die Maßstäbe des traditionellen, narrativen Kinos darauf anwendet, wird man mit CHAOS nicht glücklich werden. Wenn man jedoch die destruktiven Kräfte des Splatter als dessen Triebfeder und Existenzgrundlage betrachtet, statt ihn als bloßes Subgenre des Horrorkinos zu zähmen, dann wird man hieran vielleicht nicht vorbeikommen?
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