[Weil Herr Critic so nett darum gebeten hat, hier auch noch mal mein Senf aus dem FTB zum Film.]
Den Mystic River-Text deswegen ausgegraben, weil ich bei Million Dollar Baby und aktuell bei The Changeling und Gran Torino ähnliches fühlte: Dass Eastwood in all diesen Filmen ein grimmiges Bild der Welt zeichnet, dass er, vielleicht seines Alters wegen, sich keine Illusionen mehr über den Lauf der Dinge macht und auch keine Filme machen will, die so etwas tun. Freudlos sind diese Filme nie, aber man muss aufpassen: je mehr Eastwood den Zuschauer einlullt, desto schlimmer wird alles werden. Mystic River habe ich schon länger nicht gesehen, auch weil er mir zu sehr Angst macht, weil er ein völlig niederschmetterndes Bild der Welt zeigt, in der es nur Täter und Opfer gibt -- und weil der Film das, so wie ich ihn verstehe, am Ende in einer kalten, beiläufigen Szene kulminieren lässt, in der sich die Täter wohlfühlen. Eastwood heißt das nicht gut, er zeigt es nur ins einer vollen Zwiespältigkeit: Dass ein Mann, der seine Tochter verloren hat, eine andere Familie zerstört und nachher, nachdem sein Rachedurst gestillt ist -- am falschen Mann, aber: egal! --, mit seinem Leben weitermachen kann. Die letzte Szene sagt nicht "The show must go on", sie sagt: "The show will go on" und das ist eigentlich viel furchtbarer, weil es keine Absichtsbekundung ist, sondern ein automatischer Prozess, an dem Opfer keinen Spaß haben, aber es geht ja nicht um die Opfer: Es geht um die Täter und die Unbeteiligten, und das sind diejenigen, die gerne und oft Schlussstriche ziehen.
Million Dollar Baby, die Iwo-Jima-Filme, Changeling: alles Filme, die an irgendeiner Stelle das Weiterlebenmüssen thematisieren, sei es wenn Eastwood am Ende alleine, um einen weiteren Verlust reicher, in einem Diner sitzt, sei es ein alter Mann, der kurzzeitig verwirrt die Namen von Freunden ausruft, die vor Jahrzehnten "im Krieg geblieben sind", sei es eine Mutter, die den ungeklärten Verbleib ihres Kindes ertragen muss -- Hoffnungen gibt es in den jüngeren Filmen Eastwoods immer, aber der Zuschauer tut gut daran, sich nicht zu sehr an sie zu halten. Die underdog-Geschichte in Million Dollar Baby, ist ja die Geschichte vom späten Triumph zweier sonst Erfolgloser -- eine tolle Hollywoodgeschichte, die bei Eastwood nur eben einen ganz anderen Ausgang findet. Und auch wenn bspw. am Ende von The Changeling für die Protagonistin Hoffnung aufflackert, kann sich der Zuschauer dem nicht anschließen - ein upbeat-Ende ist das nun wirklich nicht.
Letztlich kommt mir Eastwood mit diesen Filmen (aber auch schon mit Unforgiven oder Perfect World) wie einer der letzten "New Hollywood"-Regisseure vor, zu denen er früher natürlich eher nicht zählte. Aber schon alleine dieses Interesse an allem, was kein happy ending hat, spricht für mich dafür, ebenso die Art und Weise, wie Eastwood sich diesen Geschichten nähert, dieses oft Ernsthafte, Erwachsene, Unzynische.
Interessant wäre für mich, frühere Filme Eastwoods unter diesem Gesichtspunkt abzuklopfen, Bird, den ich bisher nur einmal gesehen habe, Weißer Jäger, schwarzes Herz, die mir noch unbekannten Breezy und Midnight in the Garden of Good and Evil. Letzten Endes bleibt es für mich einer der größten Glücksfälle der Filmkunst, dass es so jemanden wie Eastwood überhaupt gibt, dass eine Person an so vielen, so unterschiedlichen Filmen mitgewirkt haben kann und dass so viele davon dann auch noch gut sind.
[Und wenn wen interessiert, was ich vor gefühlten hundert Jahren mal zum Film geschrieben habe:
http://www.kino.de/community/forum/filme/m...le-wasser_62753 ]