Mayrig | Frankreich 1991 | Regie: Henri Verneuil | frz. DVD-TF1 | OV
"Mayrig" ist leider eine extrem unbekannte Perle des französischen Kinos. Wobei der Regisseur aber eigentlich ziemlich bekannt ist und große Schauspieler wie Omar Sharif und Claudia Cardinale als Hauptdarsteller mitspielen.
Deswegen werd ich hier mal etwas die Werbetrommel betätigen, damit ihr euch wenigstens einen kleinen Eindruck verschaffen könnt, was für ein Film da eigentlich in meiner Top 10 ist.
Es geht um Azad, der mit 7 Jahren, gespielt von Cédric Doucet, mit seinem Vater Hagop (Omar Sharif), der Mutter Araxi, auch Mayrig genannt (Claudia Cardinale) und seinen beiden Tanten Gayane (Nathalie Roussel) und Apkar (Jacky Nercessian) nach Frankreich /Marseille flüchtet. Die ganzen aufgezählten Charaktere sind armenischer Abstammung und flüchten aus ihrem Heimatland, da die Türken gerade einen Völkermord an ihr Volk begehen - die Geschichte beginnt also im Jahre 1915.
Es gibt hier noch eine kleine Rahmenhandlung ganz am Anfang, die sogar in Berlin spielt - die will ich aber jetzt nicht noch anschneiden, denn das würde meinen Beitrag sprengen.
Nach den gewissen Szenen in Berlin, sehen wir die "Familie" in Marseille ankommen. Ihr Freund, der schon etwas früher herkam, hat ihnen eine Wohnung besorgt. Sie ziehen ein und man merkt gleich die Armut der Zeit - Etagenklo, Etagenküche, usw.
Der Film schildert die Eingliederungsprobleme einer Familie, die von den Ereignissen ihrer Heimat noch traumatisiert sind und im Ausland versuchen ein neues Leben zu beginnen. So kommt Azad in die Schule, hat keine Freunde, sagt aber genau das Gegenteil zum Vater, um ihn nicht zu enttäuschen. Denn der Vater ist extrem geschwächt. Er arbeitet in der Nachtschicht, um die Familie zu ernähren und sieht sein Sohn meistens morgens auf der Straße, während der zur Schule geht. Diese "Schwäche" ist von Omar Sharif so extrem gut umgesetzt worden, dass ich beim ersten Sehen damals echt dachte, der kippt gleich um. Ungeheuerlich! Echt superbe Leistung von ihm.
Das ist Azad mit 7 Jahren - sein erster Besuch in der Schule
Die drei Frauen verdienen derweil Geld durch Nähen und das "Reparieren" von Textilien für eine Änderungsschneiderei, die in der gleichen Straße ihren Sitz hat.
Azad wird älter, er ist jetzt 12 Jahre - ab dem Zeitpunkt wird er von Tom Ponsin gespielt. Er kommt in ein Internat, denn er will Schiffsingenieur werden. Da die Familie durch ihre stetige Arbeit viel Geld zusammengespart hat, eröffnen sie ihre eigene Änderungsschneiderei - somit wird auch Azad "gesponsort".
Die Internatszeit wird relativ kurz angeschnitten, aber er hat sich jetzt schon viel besser eingelebt und hat auch einige Freunde.
Die Zeiten vergehen und Azad hat mit 20 (wo er von Stéphane Servais gespielt wird) sogar die letzte Prüfung für seinen Beruf bestanden. Am Ende gibt's eine grandiose Tanzszene zwischen ihm und seiner Mutter (Claudia Cardinale).
Der Film wird übrigens wie eine Geschichte erzählt. Der Erzähler heißt Richard Berry, der den Azad in Teil 2 spielt, 588 Rue Paradis, der genauso klasse wie Teil 1 ist.
Die schauspielerischen Leistungen habe ich schonmal gelobt, das tue ich hier jetzt auch nochmal. Die Musik ist auch wunderschön und die Marseiller Atmosphäre ebenso - ist übrigens auch mal was anderes in einem französischen Film als das meist erscheinende Paris.
Leider, leider ist die Möglichkeit den Film zu sehen gleich Null - denn der Film lief seit Erscheinen erst zweimal auf Premiere, in den frühen 90ern und im Juni 2003. Eine Videokaufkassette gibt es meines Wissens nicht die einzig weltweit veröffentlichte DVD ist die aus Frankreich, die leider nur frz. UT's besitzt.
Ich habe mir die DVD auch nur gekauft, weil ich von dem Film schon so oft die synchronisierte, deutsche Fassung angesehen habe (das Tape aus den 90ern).
Dabei ist die Synchro sogar ziemlich gelungen - wie gesagt, sehr, sehr schade.
10/10