The Room-Files
#811
Geschrieben 09. August 2005, 11:54
Regie: Jake West
Liebes Tagebuch...
Eine abgehalfterte Fernsehcrew reist in eine abgelegene Gegend an der englischen, meinetwegen auch walisischen Westküste um eine Frau interviewen, die angeblich von Aliens entführt und vergewaltigt wurde. Just in dem Moment, als die wilde Horde die Vergewaltigungsszenen für ihre reißerische Reportage nachstellen will, beginnen die echten Aliens mit ihrer Attacke. Es gilt: Rübe runter, Bauch auf, Blut raus.
„Evil Aliens“ lief als zweiter Film am Auftaktabend des Fantasy-Film-Fests in Nürnberg. Als großangekündigte Splatterkomödie konnte er die geschürten Erwartungen aber nicht erfüllen. Über weite Strecken ist „Evil Aliens“ einfach zu überdreht, will auf Biegen und Brechen komisch sein. So wurde in Sachen Witz leider auf Quantität und nicht auf Qualität Wert gelegt, was eine Unmenge von Rohrkrepierern zur Folge hat. Oftmals wirkt der Film auch arg hysterisch und er rebelliert mit zu offensichtlichen Mitteln gegen den guten Geschmack. Diese erkennbaren Tabuverletzungen verleiten in ihrer Trotzigkeit aber eher zum Gähnen, als daß sie das Genre „Splatterkomödie“ irgendwie weiterbrächten. Vielmehr wird der gute Ruf durch die Mittelmäßigkeit des Inhalts untergraben.
An manchen Stellen gab es tatsächlich diverse Lichtblicke. Elegantere Regieeinfälle und etwas niveauvollerer Humor erfreuten die Sinne. Hinzu kommen nett naive Tricks, interessante Kameraspielchen und ein temporeiches Finale, in dem die Durchschnittlichkeit des Humors weitestgehend verdrängt wird. Besonders charmant fand ich den Alienmähdreschermann. Aber gleich im Anschluß an den Showdown merkt man, mit wie wenig sich die Filmemacher zufrieden gaben. Die Schlußszenen gehen, wie vieles davor auch, vollkommen in die Hose.
Dem Publikum schienen die Hinlänglichkeiten nicht besonders nah gegangen zu sein. Fröhliches Gelächter war oft zu hören. Teilweise auch von mir, muß ich zugeben. Jedoch bei so mancher Szene machte sich bei mir Verwunderung bereit, wie anspruchslos das Publikum zu sein schien.
Resümee:
Mauer Start des Filmfestes. Verschenke Zeit war es zwar nicht, mehr hätte aber auf alle Fälle drin sein müssen.
Mittwoch, 03.08.2005/22:50 – 00:20 Uhr
#812
Geschrieben 10. August 2005, 11:53
Regie: Tobe Hooper
Liebes Tagebuch...
Elegant und schön gefilmtes Independentfilmchen, bei dem ich der festen Überzeugung bin, daß es sich hier um ein gutes solches handelt. Auch wenn festzustellen war, daß durch den Sprung von der großen Leinwand hinunter auf den Fernsehschirm einiges an Intensität verloren ging. Leider oft der Fall, daß nach einem schönen Kinobesuch, sich so die Ernüchterung einstellt. Eindrücke auf der Leinwand gewinnen ist halt doch schöner! Bald geht es weiter mit dem Fantasy-Film-Fest und vielleicht ist ja auch dort Tobe Hooper wieder mit auf der Liste der gesehenen Filme.
Der Lieblingsarbeitskollege, der gerne einen Spukhausfilm gesehen hätte und in der Videothek keinen neuen finden konnte, hatte an diesem Abend einen Clown gefrühstückt. Bin ja gewohnt, daß er an vermeintlich spannenden und ruhigen Stellen gerne laut aufschreit. Diesmal gab er noch fröhlich diverse Kommentare zum Besten, direkt importiert aus der untersten Schublade menschlicher Äußerungen über Filme:
-"Das ist doch die Blonde da, die wo in dem einen Film mitspielt, wo sie gestorben ist."
-"Schau, wie der schaut! Das ist der Mörder! Und die Haare erst! Schau Dir die Haare an! Ist ja alles vorhersehbar. Scheiß Film!"
-"Der Regisseur da, der hat doch auch den anderen Film gemacht, wo's so dunkel war. Weißt schon, oder? Den Ding!"
Donnerstag, 04.08.2005/21:45 - 23:20 Uhr
#813
Geschrieben 13. August 2005, 13:49
Regie: Rob Zombie
Liebes Tagebuch...
Die Polizei hat es endlich geschafft. Das Nest der Familie Firefly steht kurz davor ausgehoben zu werden. Doch die Stürmung des Hauses verläuft nicht wie geplant. Nur Mutter Firefly (viel besser als Karen Black, aber nicht so kultig: Leslie Easterbrook) kann festgenommen werden. Captain Spaulding, Baby und Otis Firefly (erfreulicherweise wieder Sid Haig, Sheri Moon & Bill Moseley) können fliehen. Auf ihrer Flucht hinterlassen sie eine blutige Spur, der die Polizei folgen kann. Sheriff Wydell (faszinierend: William Forsythe) ist besessen von dem Gedanken, die Schreckgespenster dingfest zu machen. Schließlich durchbricht er die Grenzen des Gesetzes und die Unterschiede zwischen Gut und Böse verwischen zusehends.
Nach dem weitestgehend bunten Popcornschocker „House of 1000 Corpses“, welchen ich damals etwas arg rangenommen habe, liefert Rob Zombie nun eine um ein vielfaches filigranere Fortsetzung. Er verläßt die Geisterbahn und zeigt ein dreckiges und realistisch gestaltetes Szenario, erinnernd an altbekannte Roadmovies oder Italowestern. Das Handbuch zum Filmfest irrt aber, wenn es auf „Ich spuck auf dein Grab“ verweist. Diese Art von Härte wird (erfreulicherweise) nicht erreicht. Die typische Rape-and-Revenge-Idee spielt bei „The Devil’s Rejects“ trotzdem eine große Rolle. Zuerst aber werden Funny Games gespielt („Du darfst erst aufs Klo, wenn Du Deiner Freundin ins Gesicht schlägst“), bevor die gesetzesbrechende Rache in Form von Selbstjustiz, gesteuert von nichts anderem als dem langen und harten Arm des Gesetzes selbst, zurückschlägt. In einem schier endlosen Finale schaukeln sich die Gewaltakte zwischen Gut und Böse gegenseitig hoch. Bald gibt es keine Unterschiede mehr. Die, die sich zu Beginn des Filmes noch Auge in Auge gegenüberstanden, kämpfen nun mit denselben Mitteln auf gleicher Höhe gegeneinander. Rob Zombie nützt die Kraft des Schocks und die Intensität der Gewalt um den Zuschauer ein Gefühl des Hin- und Hergerissenseins zwischen den Fronten zu vermitteln.
Der Film läßt es aber nicht nur dabei, die Gewaltspirale hochzuschrauben. Die Situation der Täter wird zusehends dramatischer. Dies wird so ausdrucksstark dargestellt, daß der Zuschauer selbst die Fronten wechselt und einem tragischen und höchst anrührenden, wunderbar gefilmten Finale beiwohnen darf, daß man kalt und emotionslos gar nicht verfolgen kann. FakeShemp hat Recht, wenn er sagt, daß die letzten Minuten zu dem Großartigsten zählen, was er bisher aus dieser Ecke sehen durfte.
Der Schlußakt wirkt wie ein reinigendes Sommergewitter. Gewalt und Gegengewalt heben sich sozusagen auf. Man verläßt das Kino nicht mit dem Gefühl, gegen eine Straßenlaterne treten zu müssen. Man sah eine Parabel auf die Beziehungen zwischen Gut und Böse und erlebte ein waagemutiges Experiment, wo sich filmische Gewalt in Höchstform selbstverflüchtigt. Kein Film der Aggressionen schürt, sondern genau das Gegenteil bewirkt. Ein großes Werk, daß noch großartig missverstanden werden könnte, wenn es dann im Winter in den deutschen Kinos starten wird. Schon mal an einem sonnigen Morgen die frische Sommerluft gerochen, die einem schwülen Tag folgte, der von Luftfeuchtigkeit so beherrscht wurde, daß Wasser vom bewölktem Himmel tropfte?
Freitag, 05.08.2005/21:40 - 23:20 Uhr
#814
Geschrieben 14. August 2005, 17:34
Regie: Andreas Marschall
Liebes Tagebuch...
Drei Episoden zum Thema „Selbstfindungsgruppe in Indien“. Während des Anschauens von „Tears of Kali“ machen sich zwei Dinge bemerkbar. Erst mal scheint jede Episode so angelegt zu sein, um in möglichst lautem Geschrei enden zu können.
„First Chapter: Shakti“
Eine Reporterin erfährt, was passiert, wenn sich das in der Seele verborgene Böse materialisiert. Der Film beginnt stark. Die erste Geschichte ist nicht nur sehr gut in Szene gesetzt, sondern erfreut durch einen enorm hohen Anteil an Spannung. Von Kindergartengrusel keine Spur. Regisseur Marschall zeigt wo es lang geht und der Weg soll für den Zuschauer kein Spaziergang sein.
„Second Chapter: Devi“
Ein Seelenklempner lädt zum Psychostrip. Es folgt ein Hardcorekammerspiel, daß dem Publikum richtig schön zusetzt und gegen Ende regelrecht unangenehm wird.
„Third Chapter: Kali“
Ein Scharlatan bekommt es mit einem echten Dämon zu tun und entdeckt dabei, daß er all seine herbeigelogenen Fähigkeiten doch ganz gut beherrscht. Auch im dritten Abschnitt dominiert der harte Horror, wenn auch nicht so krass in der vorhergehenden Geschichte und nicht so enorm spannend wie im ersten Kapitel. Daß es zum Ende hin abermals laut und schrecklich werden könnte, ahnt man schnell.
Die zweite Sache, die man bei „Tears of Kali“ erkennt: In Sachen Gewaltdarstellung ist der Film ziemlich detailreich. Das erinnert zum Einen an die Filme, die Anfang der 80er Jahre aus Italien kamen, zum Anderen aber auch die teilweise sehr ausartenden Amateurfilme, wo es hauptsächlich um blutige Szenarien geht, die von Splatterfreaks für Splatterfreaks kreiert wurden. „Tears of Kali“ ist irgendwo dazwischen anzusiedeln. Immerhin wurde Film teilweise (oder gar ganz) auf Video gedreht und erst in der Postproduktion optisch bearbeitet. So erinnern die, zwar meist kurzen, aber detailreichen Gewaltexzesse schon an einen Amateurfilm, das restliche Geschehen ist aber absolut glaubwürdig und erschreckend ernst geworden. Billigflair kommt nicht auf. So wurde ich Zeuge eines respektablen Films, der sich aufgrund seiner Wirkung auf den Zuschauer hinter Großproduktionen nicht zu verstecken braucht. Apropos Großproduktionen zum dahinter verstecken: Aus deutschen Landen gibt es diese ja kaum. Jedenfalls nichts, was diese Ecke des heftigen Horrors auf so gute Weise bedient, wie hier „Tears of Kali“.
Samstag, 06.08.2008/11:30 - 13:15 Uhr
#815
Geschrieben 15. August 2005, 10:01
Regie: John Simpson
Liebes Videotagebuch...
Um nicht noch mal irrtümlich eines Verbrechens bezichtigt zu werden, entschließt sich Sean Veil (Lee Evans) nach seinem Freispruch aus Mangel an Beweisen zu einem folgenschweren Schritt. Fortan zeichnet er sein ganzen Leben auf Video auf um im Fall der Fälle damit seine Unschuld beweisen können. Er lebt vollkommen zurückgezogen in seiner bunkerähnlichen Behausung, in der er an die 100 Kameras installiert hat. Selbst auf dem Locus wird sein Antlitz aufgezeichnet. Das Haus verläßt er nur mit Darren-Aronofsky-Brustkamera. Eines Tages steht wieder die Polizei vor der Tür. Licht soll ins Dunkel eines unaufgeklärten Mordfalls gebracht werden und ausgerechnet seine unschuldsbeweisenden Videobänder sind verschwunden.
Düsterer Paranoiathriller, der in erster Linie von seinem Hauptdarsteller Lee Evans lebt. Bislang kannte ich ihn nur als quirligen Grimassenschneider. Hier aber überzeugt er als gebrochenes Individuum, dem die Welt übel mitspielte. Regisseur John Simpson gewährt tiefe Einblicke in die Welt der Hauptfigur. Dabei bedient er sich vieler technischer Stilmittel. Oftmals blickt der Zuschauer durch die überall montierten Videokameras. Bilderrauschen und Störgeräusche sind an der Tagesordnung. Alles erscheint extrem kalt und düster. Die Farben Schwarz und Weiß sorgten für harte Konturen auf den Augen der Filmfestbesucher. Bald aber überholte die Darstellung dieser Welt das eigentliche Geschehen. Die Ausführungen der Geschichte können nicht die erforderliche Größe annehmen. Fragen kommen hinzu: Wie konnte sich die Hauptfigur eine derartiges Verlies bauen? Das kostet doch alles Geld! Das Psycho-Duell zwischen Gesetz und dem kleinen Mann wird zunehmend undurchschaubarer, denn anscheinend spielt die Reporterin, der sich Sean Veil anvertrauen konnte, eine weitaus wichtigere Rolle, wie es anfänglich den Eindruck machte. Mit voranschreitender Zeit wird „Freeze Frame“ immer anstrengender, so daß ich irgendwann abschalten mußte. Vielleicht ist die Lösung des Handlungsknotens doch geschickter als ich es annehmen konnte? Vielleicht wirken die Haken, die der Plot schlägt, doch sinnvoller, wenn ich mir den Film noch mal anschauen würde? Mit gemischten Gefühlen verließ ich den Saal. Kopfschmerzen waren im Anflug und obwohl es erst später Nachmittag war, hörte ich die Couch rufen „Mr. Room, leg dich auf mich und schlafe.“ So machte ich es dann auch. Leider so ausgiebig, daß ich den Start von „2001 Maniacs“ verpennt habe. Nicht mal ein Anruf meiner Eltern aus dem Urlaub und ein gestellter Wecker konnten dies verhindern. 20 Minuten saß ich dann vollkommen planlos auf der Couch und wußte nicht, was ich machen sollte...
Samstag, 06.08.2005/14:50 - 16:30 Uhr
#816
Geschrieben 21. August 2005, 21:59
Regie: Rob Zombie
Liebes Tagebuch...
Süffisante Horrorfilmhommage, die den Terror des Vorbilds „Blutgericht in Texas“ auf überraschend unterhaltsame Weise fortführt. Noch fehlt dem Regiedebütanten Rob Zombie ein wenig das Talent dazu, innere Ausgeglichenheit in seinem Werk herzustellen. So lustig, wie der Film damals im Kino den Anschein machte, wirkte er heute nicht auf mich. Ist schon mehr hübsche Horrorkost, als Kasperletheater-Lachparade. Ein weiterer Grund, warum mir das Lachen verging: Mir ist eine geschnittene Version des Filmes untergejubelt worden. Nicht nur das Erleben eines unvollständigen Filmes nervt, sondern auch die Vermarktung dieser Kuckuckseiversion.
Samstag, 06.08.2005/23:30 - 00:50 Uhr
#817
Geschrieben 21. August 2005, 21:59
Regie: Daniel Stieglitz
Liebes Tagebuch...
Ich war positiv überrascht, als ich im Programmheft zum Fantasy Filmfest einen Spukhausfilm aus deutschen Landen entdeckte. Da es zeitlich passte, wollte ich mir diesen Film nicht entgehen lassen. Die Enttäuschung folgte der Vorfreude wie der Donner dem Blitz, als ich erfuhr, daß der Film nur auf Videomaterial gedreht und somit heute auf die Leinwand gebeamt wurde, womit ich einen ziemlich abturnenden Effekt verbinde. Noch aber wußte ich nicht, unter welchen Umständen der Film wirklich entstanden ist. Die Erkenntnis darüber erfolgte ebenfalls wieder wie der Donner dem Blitz, denn der junge Regisseur Daniel Stieglitz war höchstselbst im Saale anwesend und verlor vor Filmstart noch ein paar (zumeist kritische) Worte über sein Debüt.
Gedreht für 7000 Euro im Hause seiner Großmutter im idyllischen Cham, arbeiteten alle Beteiligten unentgeltlich an einem Projekt, dessen Ausgang und Ergebnis noch nicht absehbar waren. „Happy End.“ war ursprünglich als Kurzfilm angelegt, dessen Entstehung bald eine gewisse Eigendynamik an den Tag brachte, so daß schließlich mehr im Kasten war, als man plante hineinzubringen. Da fühlte ich mich an Jörg Buttgereit erinnert, der damals in Berlin erzählte, daß sein erster Abendfüller „Nekromantik“ auch erst kaum mehr als ein unterhaltsamer Splattermovie sein sollte, sich dann aber eine enorme Ernsthaftigkeit aneignete. Ähnlich geht es hier zu. Der Film ist von vorne bis hinten glaubhaft. Er steht auf einer Stufe, wo er sich locker mit viel größer angelegten Werken messen lassen kann und wo die Ambition nicht in den Kinderschuhen stecken blieb. Sicher, manche Sachen wirken ein wenig wie aus dem Lehrbuch entnommen. In der vom Spuk bewohnten Wohnung, zum Beispiel, wehen anfangs etwas sehr viele Spinnweben und der Einsatz des Klaviers bei der Musik erschien mir doch ziemlich altbacken. Nie aber wirkt der Film aber nicht überzeugend. Bis aufs Klavier ist die Vertonung top, die Wohnung ist teilweise echt creepy und Kameraführung und Schnitt geben dem Ganzen den letzten Schliff. Die Hauptdarsteller sind außerordentlich gut und die Bewohner des Hauses sind durchweg niedlich anzuschauen, egal wie verhaut sie aussehen, oder welche Leiche sie im Keller haben...
Ein junger Schriftsteller zieht in ein ländliches, altes Haus um ein neues Buch zu schreiben. Bald aber merkt er, daß er in seiner Schreibhöhle nicht allein ist. Er geht dem Geheimnis trotz der Warnung seiner Nachbarn nach, informiert sich über die bei einem Autounfall gestorbenen Vormieter und merkt bald, daß er den Stoff eines neuen Buches direkt vor seiner Nase hat.
Das Drehbuch ist sehr vielschichtig und tiefgründig. Aufgeteilt in vier Kapitel wird die Geschichte um den verunglückten Vater samt seiner Tochter, die ebenfalls im Auto saß, erzählt. Diese ist sauber ausgearbeitet und wird detailreich geschildert. Gleiches gilt für die Spurensuche. Neben der zu erzählenden Geschichte findet sich noch genügend Platz (vorerst mal im ersten Drittel), die Nerven des Publikums richtig schön warm zu kitzeln. Die beiden Mädels in meiner Reihe haben sich jedenfalls merklich gegruselt. Im zweiten Drittel gab es ein kleines, für Spukhausfilme aber typisches Problem. Je mehr das Geheimnis gelüftet ist, desto ungruseliger wird der Film selbst. Auch hier könnte man die scheinbare Auflösung, die eine Menge an Handlung in petto hat, als Durchhänger bezeichnen. So krass würde ich das nicht ausdrücken. Klar, die Spannung ließ nach und manche Szenen stifteten ein wenig Verwirrung (siehe: die Beerdigung), aber dennoch sollte man froh über soviel Geschehen sein. Ist doch schön, wenn es noch was zu erzählen gibt und es dann auch noch auf so glaubwürdige Weise geschieht. Doch daß, was sich dem Zuschauer da als offensichtliches Ende anbot, war noch lange nicht die ganze Wahrheit. Mit einem Paukenschlag stürzt der Film dann in die dunkelsten Gefilde der Spannungsdramaturgie, begleitet von einer fast schon genialen Schlußidee in einem gänsehautgeladenen Sahnehäubchenfinale, welches mich an die Intensität von Dario Argentos „Profondo Rosso“ aka „Rosso - Farbe des Todes“ erinnerte. Was bei „Happy End.“ zum Schluß geboten wurde, läßt jeden der kleinen Mängel vergessen, die sich vorher auftaten.
Die Bildqualität war überraschend gut. Ich hoffe, der digitale Videoflair ist auf einem Fernsehschirm ebenfalls so schwer entlarvbar, wie auf der Leinwand, wo man so gut wie nichts davon mitbekam. Weiter hoffe ich, daß der Film in absehbarer Zeit auf DVD erscheint, so daß ich damit meine Freunde erschrecken kann. Außerdem muß ich noch anmerken, daß ich es schön finde, daß in der schon sehr von der Außenwelt abgeschotteten Oberpfalz ein Film wie dieser entstehen durfte und abschließend sage ich, daß das in „Happy End.“ gehütete Geheimnis es wert war, gelüftet zu werden.
Ps.:
Den roten Ball kannte ich schon aus Peter Medaks „Das Grauen“.
Sonntag, 07.08.2005/14:50 - 16:25 Uhr
#818
Geschrieben 21. August 2005, 22:00
Regie: Thomas Roth
Liebes Tagebuch...
Die Österreicher sind schon coole Säue. Diesmal präsentieren sie uns einen Film, der zwar inhaltlich nicht Logik in Reinkultur enthält und reichlich konstruiert wirkt, der es auf der anderen Seite aber auch schafft, viel Spaß zu bereiten und sich nicht vor schrägen Details scheut. Während man beim deutschen Tatort schon längst nicht mehr den Figuren beim Liebesspiel zuschauen darf, gibt es bei den österreichischen Kollegen immer gern was zu sehen. Auch bin ich zweimal ganz heftig zusammengezuckt. Der Film hält zwei miese Schocks bereits, wie sie auch im schönsten Popcornhorror das Publikum erschreckt hätten (Beispiel: Eine hässliche Fratze, die mitten in der Nacht grimassierend vor dem Fenster steht, sich mit einer Taschenlampe anstrahlt und sich als Polizist entlarvt... ). Ein weiteres Highlight: Susanne Lothar. Sie entpuppt sich immer mehr als Bette Davis des deutschen Filmes. In einem modrig kalten Gruselfilm oder beim nächsten „Wixxer“ wäre die sicher gut aufgehoben. Ihr bester Spruch: „Meine Schwester hatte einen grünen Daumen. Bei mir verkommt und verdorrt immer alles.“ Kaum gesagt, brennt ihr auch noch der Fisch an. Essen tut sie ihn trotzdem. Und ausspucken auch.
Neben Susanne Lothar hat man Ulrich Tukur gestellt. Beide sind in erster Linie nur die Alibi-Deutschen, die sich der ORF ins Haus geholt hat, daß das liebe Erste, den Film auch zeigen mag und das deutsche Zielpublikum nicht den Teller voll mit Sauerkraut gegen die Mattscheibe donnert. Aber unter uns: Ulrich Tukur als hochdeutschsprechender Almöhi? Ich hab ihm schon viel abgekauft, das nicht. Da hilft auch nicht das grüne Jagdgewand. Egal, Plausibilität ist beim Teufel vom Berg eh zweitrangig. Der Polizei wird die Pistole auf die Brust gesetzt. Ein tiroler Unternehmer droht damit sein Flachglaswerk zu schließen, wenn nicht bis zum ersten Jahrestag des Mordes an seiner Frau der Täter gefunden wird. Nun muß also Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) in die Alpen düsen und den Fall klären - natürlich und von Haus auf undercover. Und zwar als Sportlehrer (wie gesagt, großartig glaubhaft ist der Film nicht). Klar auch, daß er ein enormes Beziehungsbündel zerreißen muß um an die Wahrheit zu kommen. Und selbstverständlich hat die der Selbstjustiz nicht abgeneigte Dorfgemeinschaft auch schon längst einen Verdächtigen im Auge: Georg Hochreiter (Ulrich Tukur), genannt der Teufel vom Berg. Ebenfalls mit von der Partie: Robert Stadlober, der ganz unbefangen Dialekt sprechen darf.
Fauxpas bei der Programmplanung: Beim zuletzt ausgestrahlten Fall von Moritz Eisner „Tatort - Die schlafende Schöne“ wurde dem aus allen Wolken fallenden Kommissar eine uneheliche Tochter an die Seite gestellt. Diesmal prustete er aber voller Überzeugung heraus, er habe keine Kinder...
Sonntag, 07.08.2005/20:15 - 21:45 Uhr
#819
Geschrieben 22. August 2005, 19:33
Regie: Robin Campillo
Liebes Tagebuch...
Die Verstorbenen der letzten zehn Jahre kehren auf unerklärliche Weise zurück. Jedoch nicht als halbverweste Zombies die nach dem Fleisch und Blut ihrer Nachkommen trachten, sondern als gut gekleidete Abbilder ihres ehemaligen menschlichen Daseins. Die Regierung Frankreichs steht vor einem Rätsel. 10 Millionen „neue Mitbürger“ müssen untergebracht werden. Viele werden in Sammelcamps einquartiert, andere finden Unterschlupf bei ihren damaligen Familien. Wer nicht im Rentenalter starb, hat sogar die Chance in seinen alten Job wieder eingeführt zu werden. Doch die Reintegration bringt Probleme mit sich. Die Wiedergänger wirken autistisch, scheinen nicht am „normalen“ Leben teilhaben zu wollen oder können. Lieber halten sie sich mit Gleichgesinnten auf. Zwischen ihnen und den noch nicht Gestorbenen scheint eine unüberbrückbare Barriere zu stehen. Unterstützt vom Militär trifft die Regierung eine harte Entscheidung. Man muß der Zurückgekehrten entledigen. Anhand von drei oder vier Einzelschicksalen verfolgt der Zuseher dieses Geschehen.
Als größtes Manko dieses Filmes stellt sich die Tatsache heraus, daß das Drehbuch nicht endgültige Aussagen zu der Größe des auftretenden Phänomens erzählen kann. Ganz Frankreich scheint davon betroffen zu sein, aber was ist mit Nachbarländern und anderen Kontinenten? Selbst schon ganz Frankreich ist zu groß, um den Ausmaßen gerecht zu werden. Es wäre eindeutig klüger gewesen, wann man die Situation nicht national sonder nur lokal eingegrenzt hätte. Dann würden die Entscheidungen des Bürgerbüros, der ärztlichen Institute und des Rathauses mehr Gewichtigkeit zugesprochen werden. Zentraler Dreh- und Angelpunkt des Filmes ist nun mal eine Kleinstadt und mehr nicht.
Dem Publikum machte aber etwas ganz anderes zu schaffen. „Les Revenants“ ist von außerordentlicher Ruhe und Länge geprägt. Die einzelnen Szenen sind sehr ausgedehnt. Die Aktionen sind bewußt unspektakulär. Ne Menge an Kokolores wird aufgefahren. Man wohnt endlosen Sitzungen des Stadtrates bei und medizinische Entscheidungen werden extrem detailreich ausgeführt. Viele schienen von dieser Gemächlichkeit schwer getroffen zu sein. Zwar begann niemand zu schnarchen, aber so mancher verließt (entnervt) den Saal. Auch ich hätte gerne etwas mehr gespürt, aber die gravierende Langsamkeit der Geschichte in Symbiose mit der extrem kühlen Inszenierung gab nicht viel Ansprechendes preis. Trotzdem wurde man mit großartigen Bildern für seine Geduld belohnt. Zögernd aber stetig wird der Film zum Ende hin intensiver. Dann erkennt man auch die typischen Konflikte, die jeder andere ernstzunehmende Zombiefilm auch beschrieb. Anfangs war es nur die jetzt noch mehr überalterte Gesellschaft, die inhaltlicher Mittelpunkt war. Später sieht man das Regisseur Robin Campillo sich im Genre auskennt und wunderschön zu zitieren beginnt, wenn auch in vollkommen anderem Rahmen (ich meinte, den ruhigen Stil von Jean Rollin darin erkannt zu haben). Auch die Situationen der beobachteten Menschen werden um ein vielfaches interessanter. Wie und warum genau die Situation am Ende eskaliert, habe ich nicht genau mitbekommen. Spannend ist das Finale aber allemal. Zurück bleibt die Erkenntnis, daß es Menschen immer schwer mit Fremden haben, egal wie nahe sie ihnen zu stehen schienen. Zudem gab es auch noch einen kleinen, wenn auch nicht alles klärenden Hinweis, was es mit den Zurückgehrten auf sich hat. Auch ein kleines, anrührendes Loblieb auf die Liebe wird abschließend gesungen, so daß man zwar müde aber auch um ein paar Eindrücke reicher den Saal verlassen konnte.
„Les Revenants“ (internationaler Titel: „They came back“) ist eindeutig zu lang geworden und trotz aller Zwiespältigkeit, die mir in den vergangenen 110 Minuten begegnete, war ich froh diese Studie gesehen zu haben.
Montag, 08.08.2005/21:35 - 23:25 Uhr
#820
Geschrieben 24. August 2005, 20:23
Regie: Neill Marshall
Mein lieber Herr Gesangsverein...
Unterhaltsam wie „Wrong Turn“, kompromisslos wie „High Tension“ und so creepy und voll mit zündenden Schreck- und Schockeffekten offenbarte sich „The Descent“ den begeisterungswilligen Publikum, die sich allesamt hin- und her wanden und nie konnte ich gemeinschaftliches Erschrecken im Kino intensiver erleben als hier. Eben hatte man noch aufgrund eines bösen Scherzes ein Lachen auf den Lippen, bekommt schon einen eiskalt geplanten Schock vor den Latz geknallt. Lautunterdrückung schwer gemacht...
Wenn man vorhab den Inhalt ließt, verzieht es dem Horrorkenner erst mal die Lippen nach unten. Sechs Mädels machen sich zu einem Carving-Trip auf, verirren sich in einer Höhle, die sich als Mausefalle entpuppt. Daß ist ohne Gnade klischeebelastet. Man meint, als würde man um dumme, ständig kreischende Frauen nicht herumkommen. Weit gefehlt, denn „The Descent“ ist frei von diesem Nervfaktor. Die Damen sind einfallsreich und stellen sich dem Grauen, dem sie begegnet sind. Sie gehen als Identifikationsfiguren für beide Geschlechter voll durch.
Der Film bereit helle Freude für hartgesottene Zuseher. Blut spritzt, Knochen knacken, Spannung und Action werden auf höchstem Level erzeugt. Das Böse da unten in der Höhle ist erfreulicherweise nicht am Computer generiert worden. Die Kreaturen überzeugen durch feines Ganzkörper-Makeup, frei nach der Idee „Gollum braucht frisches Blut“. Und diese Gollums hantieren wie die Axt im Walde. Das alles ist Adrenalinkurzweil in Hochform, voller schöner Bilder und cleveren Ideen. Ein genussvoller Genremix, der ziemlich genau das zeigt, was ich mit deftiger Horrorunterhaltung verbinde. Ein paar Szenen sind ganz schön hart. Nun ja, mit hervorstehenden Knochen hab ich nun mal ein Problem, aber auch wenn eines der Mädels einen folgenschweren Fehler begeht, mußte ich mir Gedanken machen, ob mir das nicht doch ein bißchen zu krass wird. All der Schrecken soll ja auch noch ein irgendwo unterhalten... Trotz mancher zu drastischer Weiterführung der Geschichte, will ich diesen Film als Geschenk annehmen, ihn auf DVD kaufen um auch damit meine Freunde erschrecken. Ja, doch, das Gehmäre hat mir gefallen.
Im langgezogenen Finale geht es dann so dermaßen zur Sache, daß das eigentliche Ende fast schon zu handzahm rüberkommt. Nicht, daß es nicht auch heftig wäre. Die Krone setzt es dem Film aber nicht mehr auf. Die hat er sich schon selbst irgendwann in der Mitte aufgesetzt. Vielleicht gefiel mir das Ende auch nicht so 100 Pro weil noch mal eine folgenschwere Entscheidung getroffen wird, bei der ich wahrscheinlich gerne gesehen hätte, daß man sie anders getroffen hätte.
Dienstag, 09.08.2005/21:45 - 23:25 Uhr
#821
Geschrieben 24. August 2005, 20:24
Regie: Tobe Hooper
Liebes Tagebuch...
Wenn man das Programmheftchen aufschlägt, steht da zu lesen: „Mortuary“ ist eine Welturaufführung - extra fürs Fantasy Filmfest fertiggestellt. Täusche ich mich oder meine ich das dem Film anmerken zu können? „Mortuary“ wirkt tatsächlich wie ein unbekümmerter Schnellschuß, den Tobe Hooper und Konsorten mal eben noch rausgehauen haben. Inhaltlich wirkt dieser schwarzhumorige Zombiehorror vollkommen unausgegoren. Eigentlich bietet er alles, was man von Tobe Hoopers früheren Werken her kennt. An einem geheimnisvollen Ort hat es sich ein grauseliges Wesen gemütlich gemacht. In seiner Wohnstube findet man neben schick drapierten Gebeinen allerhand Alltägliches, was auf bizarre Weise entfremdet wurde. Hier ein Nachttischlämpchen an die Wand getackert, dort ein paar Stofffetzchen an die kahle Steinmauer so gehängt, daß sie ideal in der Zugluft wehen können. Natürlich scheut die „Person“, die zwischen all diesen Absonderlichkeiten lebt, nicht den Kontakt zu der Oberwelt, über die sie gerne auch mal herfällt und ihr Blut trinkt. Allerdings machte sich Tobe Hooper samt seiner Drehbuchautoren keine Mühe, dieser Kreatur und den dunklen Mächten, denen sie dient, irgendeine Art von Tiefe zu verleihen. Bald schon verfallen die ersten Haupt- und Nebendarsteller der bösen Welt und machen den gutgebliebenen Haupt- und Nebendarstellern das Leben schwer. Darauf rennen diese, panisch vor Angst und voll des unbekümmerten Horrors durch das Haus hinter der Friedhofsmauer. Typische Standartsituationen bieten sich an, gezeigt zu werden.
Tobe Hooper wird für „Mortuary“ keinen Orden gewinnen. Machen würden sogar sagen, er hat seine Ideale verraten. Es zeigt keinen Terror, sondern leichte und unterhaltsame Horrorkost ohne Ansprüche und Tiefgang. Es entstand ein erfreulich leichter Film. Ich persönlich fühlte mich, keine Ahnung warum, an „The Goonies“ erinnert. Man kann Zeuge eines fröhlichen B-Movies werden, das einem wirklich nicht weh tut und von der Freude zeugt, daß die Filmemacher endlich mal etwas Sorgloses machen durften. Ob’s ein Spaß war, das zu drehen, können nur die bestätigen, die dabei waren, aber als Zuschauer hat man den Anschein, daß es eine Freude gewesen sein muß. Schnell noch ein paar billige CGI-Effekte reingeklatscht und fertig ist der Untotenjux, sorglos und charmant. Nicht mal ein ernsthaftes Happy End gibt es. Der Film gleitet mit trashig düsterem Cliffhanger in den Abspann.
Daß Tobe Hooper sein Talent nicht verloren hat, zeigt sich trotz des rundum oberflächlich wirkenden Ergebnisses: Er schafft es, seine Darsteller zu Höchstleistungen anzuspornen. Warum sollte man auch nicht wild und angstvoll, voller Energie durch modrige Gruftgewölbe eines Friedhofes und düstere Gänge im Keller, neben den zu waschenden Leichen, hasten, wenn mal nicht die Ernsthaftigkeit an oberster Stelle steht. Neben den jungen Wilden schlagen sich auch alteingesessene Schauspieler mit höchstem Engagement durchs Szenario. Es gibt ein Wiedersehen mit einem ständig kichernden Greg Travis („Toolbox Murders“) und, frisch importiert vom „Friedhof der Kuscheltiere“, Denise Crosby.
Tolstoy meinte, der Hauptdarsteller sähe aus wie ich. Ich aber meinte, in ihm den Sohn von Mike Meyers erkennen zu können.
Mittwoch, 10.08.2005/19:20 - 20:55 Uhr
#822
Geschrieben 25. August 2005, 21:25
Regie: Ralf Huettner, Helge Schneider
Liebes Tagebuch...
Großartiges Sammelsurium von Absurditäten und Irrwitzigkeiten. Ralf Huettners sauberer Inszenierungsstil, Helge Schneiders boshafte Paradoxitäten und Christoph Schlingensiefs Aggressivo-Kamera aus dem Nachdreh ergeben ein abenteuerliches Spektakel, daß von „Sauber ins Szene gesetzt“ bis „vollkommen destruktiv“ alles bietet, was das Herz von Freunden des grotesken Humors begehrt.
Gemeinschaftlich kugelten wir uns bei diesem Videoabend vor Lachen auf dem Boden, zitierten die filigranen Dialoge und merkten dabei abermals an, daß Andreas Kunze eine echte Drecksau ist, im positivsten Sinn aller Sinne. Es wäre absolut wünschenswert, wenn Helge Schneider so etwas irrsinniges noch mal auf die Beine stellen könnte.
Donnerstag, 11.08. 2005/21:30 - 23:00 Uhr
#823
Geschrieben 25. August 2005, 21:26
Regie: Joe D’Amato
Liebes Tagebuch...
Gezeigt wird in dieser edlen Biographie des kunsthistorisch einflußreichen Regisseurs Joe D’Amato der Werdegang des jungen Schönlings und späteren Frauenschwarms Rudolph Valentino. Alles beginnt mit einem Eifersuchtsmord an einem Widersacher, nach dem Valentino mit dessen Frau gepoppt hat. Er flüchtet nach Hollywood. Zunächst arbeitet er dort als privater Gärtner, wo er sehr zum Missfallen seinen Chefs die Dame des Hauses poppt. Bevor er noch die Tochter des Hauses poppen kann, wird er gefeuert und heuert in einem Nachtclub als Tänzer an, wo er mit alleinstehenden Frauen übers Parkett schwebt. Nebenbei muß er die Chefin poppen. Eines Tages sitzt der Stummfilmstar Alice Lang im Saal. Sie gibt ihm eine Nebenrolle in ihrem neuesten Film. Mit ihr poppt er nicht, dafür aber mit der Maskenbildnerin. Der Film wird ein Erfolg und der junge Rudolph Valentino wird berühmt. Als er ein Interview geben muß und dabei die Reporterin poppt, wird er inflagranti von Alice Lang erwischt. Die, ihn heimlich liebend, erklärt, nie wieder mit ihm vor der Kamera stehen zu wollen. Aus Bestürzung über Alice Langs eiskalte Entscheidung poppen Valentino und sein Regiesseur in einer Drehpause zwei gepiercte und tätowierte Groupies mit Silikontitten. Bei der nächsten Filmszene müssen sich Rudolph Valentino und Alice Lang wieder näherkommen. Das Eis ihrerseits bricht und die Liebe seinerseits entflammt. Der Film endet nicht mit Valentinos Blutvergiftung, sondern mit einer Großaufnahme des finalen Liebespaares, poppenderweise.
Der gute alte Onkel Joe, stets auf der Suche nach dem schnellen Geld. Dem von ihm mit zugrunde gerichtetem Horrorfilm hatte er schon lange den Rücken gekehrt und überschwemmte mit einer Vielzahl von Hardcorefilmen den europäischen Pornomarkt. Trotzdem war er immer um Handlung bemüht. Auch sein wohl letzter Ausflug ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zeugt von dieser Einstellung. Er hat sich redlich Mühe gegeben um dem Film wenigstens etwas mehr auf den Weg zu geben, als sinnloses Dauergepimper - in der Fernsehfassung offensichtlich entschärft. Aber schöne Kulissen lassen nicht vertuschen, daß es bei „Valentino - Durch die Betten Hollywoods“ nur um das Eine geht. So dreht die mickrige Handlung unnachlässig ihre Runden um immer und immer wieder dort anzukommen, wo es richtig zur Sache gehen darf. Das geschieht, wenn man der Primitivität des Metiers etwas abgewinnen kann, auf ziemlich lustige Art und Weise. Plausibilität spielt dabei natürlich keine Rolle. Alle jungen Damen sehen trotz 20er-Jahre-Flair durch die Bank nuttig aus und gehen dem profillosen, vollkommen desorientierten Valentino auf den Leim. Sexszenen werden von Haus auf in Zeitlupe gezeigt, während aus dem Off immer wiederkehrend die gleiche Charleston- oder Tangomusik dudelt. Eingefangen wurde das ganze durch herrlich grottige und uninspirierte Kameraführung. Wahrscheinlich saß Joe D’Amato selbst hinter der Linse. Die ziemlich abgefuckte deutsche Synchronisation verleiht dem filmischen Schmierentheater dann noch den letzten Feinschliff. Rudolph Valentino bekommt von seiner Maskenbildnerin zu hören, daß seine Augen ja so super seien und am Filmset wird die nächste Szene folgendermaßen besprochen: „Hast Du nicht zugehört? Wir töten alle und dann entführen wir die Frau.“
Dank der Vox-Rubrik „Der erotische Film“ wurde man Zeuge des großen Niedergangs eines Regietalents, das wirtschaftlicher arbeiten wollte, als es seine einstigen Fans von ihm verlangt hätten. Immerhin macht das den Film, der eigentlich nur langweilig ist, richtig schön unterhaltsam. Und dem Onkel Joe war es eh wurscht, denn Hauptsache, die eigene Kasse stimmte.
Eine Szene spielte auf einem Filmset am Strand. Ich wünschte mir den Man-Eater herbei, wie er blutverträufelnd über den Sand torkelt und jedem erzählen möchte, daß er auch mal ein Kind hatte, doch er kam nicht.
Sonntag, 14.08.2005/13:45 - 15:15 Uhr
#824
Geschrieben 28. August 2005, 16:14
Regie: Ralf Bohn
Liebes Tagebuch...
Eigentlich ist Jungpolitiker Manfred Körner (stark: Heikko Deutschmann) eine ehrliche Haut. Doch nach einem Auftritt bei Sabine Christiansen bricht das Unglück über ihn herein. Er überfährt aus Versehen einen jungen Mann auf offener Straße. Für die Presse ist das ein gefundenes Fressen. Sein Leben in der Öffentlichkeit wird zum Spießrutenlauf. Seinem Parteikollegen Paulsen (Dietrich Mattausch) kommt dieser Skandal gerade Recht. Schließlich wollte ihm der junge Politiker den Parteivorsitz streitig machen. Fast scheint in den Medien in den Hintergrund zu rücken, daß die Polizei feststellt, daß der Überfahrene zum Zeitpunkt des Unfalls bereits tot war. Auch die im Drogenmilieu agierende Clique des Opfers glaubt Manfred Körner sei der Schuldige. Der aber zeigt mit Mut, Zivilcourage und guten Willen im positivsten Sinne, daß er eine ehrliche, aber nicht eine wehrlose Haut ist.
Wenn in den USA der fiktive Präsident gegen Aliens kämpfen darf, kann es ein deutscher Wunschkandidatenpolitiker locker mit einer Straßengang aufnehmen. Dem Film gelingt das auf spannende und kurzweilige Weise. Einzig Till Ritters Ritt auf einem fahrenden Auto, von Dominik Raacke selbst gespielt, wirkt übertrieben, ja fast schon lächerlich. Sonst reißt der Film mit und das dramatische Finale, in dem Till Ritter und Manfred Körner aus einem Kellerverließ ausbrechen müssen, ist richtig gut gelungen.
Sonntag, 14.08.2005/21:15 - 22:15 Uhr
#825
Geschrieben 28. August 2005, 22:24
Regie: D. W. Buck
Liebes Tagebuch...
Ein Kleinwüchsiger Zirkusartist (Peter Luppa) rettet eine Frau (Natalia Wörner) aus einem brennenden Auto. Als Dank hat er einen Wunsch bei ihr frei. Er verlangt eine Nacht mit ihr. Da es ihr Ehemann (Leander Haußmann) mit der Treue auch nicht so genau nimmt, willigt sie dem Wunsch des Gauklers ein. Sieben Jahre später taucht bei ihm ein kleines Mädchen auf. Ein Zirkuselefant erkennt als Erstes, was es mit dem kleinen Mädchen auf sich hat.
Zu Beginn erweckt dieser Film, aus Regina Zieglers Reihe „Die schönste Sache der Welt“, den Eindruck, er müsse auf Biegen und Brechen erotisch sein und Regisseur Detlev Buck scheint mit seinem Auftrag etwas überfordert zu sein. Jeder Blick und jede Geste wird zu offensichtlich lasziv gezeigt, so daß man ohne Umschweife möglichst schnell zu der gewollten schönsten Sache kommen kann. Ab der Hälfte lockert sich diese Strenge ein wenig. Leander Haußmann überzeugt als aktionsfreudiger Liebhaber, wenn er sich mit der üppigen Krankenschwester seiner Frau die Zeit vertreibt. Keine geringe als Jenny Elvers wurde für diese Rolle gecastet. Stünde ihr Name nicht im Vorspann, hätte ich sie gar nicht erkannt. Heute scheint sie in einem völlig anderen Körper zu stecken. Auch die Auflösung der Geschichte stimmte mich wohlgesonnen. Zurück bleibt ein interessanter (Kurz-)Film, der mich aber, wie die meisten Beiträge aus dieser Reihe, nicht sonderlich vom Hocker reißen konnte.
Montag, 15.08. 2005/00:35 - 01:00 Uhr
#826
Geschrieben 28. August 2005, 22:25
Regie: John de Bello
Liebes Tomatenbuch...
Extrem sinnfreies Herumgehampel, welches ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Schnell mußte ich feststellen, daß die deutsche Synchro mit ihren hervorragenden Sprechern um einiges hochwertiger, wenn auch teilweise lächerlicher ist, als der Originalton. Also schaute ich mir den Film um der alten Zeiten Willen auf Deutsch an.
In der Humorfraktion ist alles vertreten, was man im Genre des lächerlichen Filmes zu erwarten hat. Man trifft auf herrliche Lacher, aber auch auf die übelsten Rohrkrepierer. Gut, daß „Angriff der Killertomaten“ nicht später entstanden ist, wo er sicher ein Fäkalberserker geworden wäre und nicht so ehrlich schlecht hätte sein dürfen. Abschließend stellte ich fest, daß der Film gut gealtert und auch noch heute ziemlich witzig ist. Allerdings sollte man ihn nicht alleine anschauen.
Montag, 15.08.2005/18:45 - 20:15 Uhr
#827
Geschrieben 28. August 2005, 22:25
Regie: Wim Wenders
Liebes Tagebuch...
Mr. Room zitiert Mr. Room. Folgendes konnte ich, geschrieben im Sommer 1995, zu „Der Himmel über Berlin“ in meinen Aufzeichnungen finden: „Ausdruckslos, dialoglos, uninteressant“. Da war es aber schon drei Jahre her, daß ich den Film gesehen hatte. 1992 wäre sicher noch viel größeres Schimpfen zu hören gewesen. Es gab nichts, was ich an diesem Film gutheißen konnte. Ich mochte nicht, daß er schwarz/weiß war. Ich mochte nicht, daß die fremdsprachigen Passagen nicht untertitelt waren. Ich mochte nicht, daß all die Passanten so schlecht zu verstehen waren. Ich mochte nicht, daß wenn man die Passanten dann doch mal verstehen sollte, nur negative Gedanken und Probleme zu hören waren. Ich mochte Solveig Dommartin und die gesamte Zirkustruppe nicht. Ich mochte das „Als das Kind Kind war“-Gedicht nicht. Alles was ich vorher in der Programmzeitschrift an Lob und Lorbeeren über diesen Film gelesen hatte, erweckte eine Erwartung in mir, die „Der Himmel über Berlin“ zu Null Prozent erfüllen konnte. Schwere Enttäuschung war die Folge und es dauerte knapp 13 Jahre bis ich fast schon zufällig ein zweites Mal den Himmel über Berlin geschehen ließ.
Und was bekam ich zu sehen? Einen hypnotisch schönen, fantastisch gefilmten Querschnitt durch eine Stadt und eine Zeit, die es heute nicht mehr gibt. So augen- und ohrenerfreuend, daß man meinen möchte, der Film sei mit Perwoll gewaschen. Balsam für die Seele und fürs Gemüt. Einziger Punkt, wo ich abermals aneckte waren Bruno Ganz’ Dialoge als Engel, die arg hochgestochen wirken, es aber nur zwei an der Zahl von ihnen gibt. Umso überraschter war ich, daß nach der Menschwerdung Bruno Ganz in wunderbarer Natürlichkeit aufblüht. Ich hab einen magischen Abend erlebt, mich über Curt Bois und Peter Falk gefreut, mich von den großartigen Bildern umhauen lassen und war hin und weg, Wim Wenders’ Sicht der Dinge sehen zu können. Fast schon erschocken stelle ich fest, hier einen ganz großen Klassiker gesehen zu haben. Einer neben vieler großen Momente: Die Kamera schwebt über die Berliner Mauer...
Montag, 15.08.2005/20:50 - 22:50 Uhr
#828
Geschrieben 29. August 2005, 21:57
Regie: Tim Burton
Liebes Tagebuch...
Edward mit den Schokoladenhänden. Tim Burton lädt mal wieder zur Märchenstunde und es scheint, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Der Regisseur inszeniert sich selbst, wenn malerisch die Schneeflocken tanzen, wenn die Kamera über eine Arbeitersiedlung schwebt hinter der die mächtige schlossähnliche Schokoladenfabrik thront, während im Vordergrund die schiefe Hütte steht, in der der kleine Hauptdarsteller sein Bettchen stehen hat. Begleitet wird dieses Szenario von einem wunderbar tönenden, fast schon altbekannten wirkenden Score von Danny Elfmann.
Im Inneren der Fabrik hört man dann aber die Kinderbuchseiten knistern. Allen schlechten Kindern dieser Welt wird darin eine Lektion erteilt. Tim Burton zelebriert den erhobenen Zeigefinger förmlich. Jedoch leider nicht so extrem wie es nötig gewesen wäre, denn es scheint, als wolle er sich nur schwer von der Buchvorlage trennen. Die Grenze zum Bizarren bleibt anfänglich meist unüberschritten. Stattdessen wandelt Burton immer schon brav auf dem Pfad der Tugend. Freche Boshaftigkeiten bleiben dabei häufig auf der Strecke.
Ich bin mir sicher, daß das Publikum den Film sehr, sehr zwiespältig aufnehmen wird. Manche werden ihn sicher hassen, egal auf welcher Seite sie stehen. Die gutbürgerlichen Zuschauer werden sich über die prächtigen, maßlos übertriebenen Kulissen freuen und der tugendhaften Botschaft ihren Beifall spenden. Mit den trotzdem gestreuten Gehässigkeiten (die Darsteller, vor allem aber Johnny Depp und Missi Pyle warten mit teuflischen Minen auf ) und dem Mut zu frechen Witzen, werden sie ihre Probleme haben, im besten Falle diese einfach nicht verstehen. Für die etwas freakigeren Zuschauer gilt übrigens das Gleiche - unter umgekehrten Vorzeichen, versteht sich...
Ich ging schon ein wenig durch ein Wechselbad der Gefühle, als ich den Film sah. Mir persönlich hat der gute Burton schon ein paar Hürden in den Weg gelegt, die ich erst mal nehmen mußte. Ich kann da einfach nicht über meinen Schatten springen. „Hinter dem Horizont“ konnte ich auch nicht leiden, obwohl er schöne Bilder hat. Aber mal ganz langsam mit den jungen Pferden. Es soll schließlich nicht der Eindruck erweckt werden, ich konnte den Charlie und die Schokoladenfabrik nicht leiden, aber es stimmt, wenn ich sage, lieben konnte ich ihn manchmal nicht. Mit dem Laufe der Zeit kommt Tim Burton aber etwas aus dem Moralmorast heraus und der Film erscheint immer lockerer. Die Musikeinlagen werden schrulliger, der Humor düsterer und das Spiel auf der Gefühlsklaviatur wird stimmiger. Während ich mich über diverse derbe Scherze amüsieren konnte, fühlte sich die Familie neben mir schon durch ein paar leicht provokante Götterspeiseneffekte angeekelt. Ja, man glaubt es kaum aber so nah können Hell und Dunkel nebeneinander sitzen.
„Charlie und die Schokoladenfabrik“: Im Grunde seines Herzens ist er schön, burtonlike schön! Und zum Schluß möchte ich noch anmerken, daß die Kubrik-Hommage ultrafrech war. Ja, das war sie! Rechts unten im Eck habe ich an dieser Stelle Tolstoy lachen hören. Der Rest der Zuseher schien sich, zusammen mit der Tafel Schokolade, völlig fehl am Platze zu fühlen.
Dienstag, 16.08.2005/21:10 - 23:00 Uhr
#829
Geschrieben 30. August 2005, 20:16
Regie: Gilbert Adler
Liebes Tagebuch...
Erfischend ehrlicher Hokuspokus, dessen Vorhandsein, zusammen mit seinem Bruder „Ritter der Dämonen“ ich sehr begrüße. Eigentlich ist es ja irreal, daß Robert Zemeckis, Joel Silver, Walter Hill und wie sie alle heißen für solche spekulativen Machwerke verantwortlich sind. Bei „Bordello of Blood“ ergießt sich eine Fontäne aus politischer Unkorrektheit über das vor Freude grölende Publikum. Der Film, der sich zu keiner Minute ernst nimmt und frei von jedem Anspruch ist, präsentiert Sex and Crime in höchsten Dosen und in größtmöglicher Anspruchslosigkeit. Nie verläßt er das Erscheinungsbild einer Fernsehepisode von „Geschichten aus der Gruft“. Im Minutentakt werden die plattesten Kalauer gedroschen und den Moralaposteln dieser Welt wird unentwegt vors Schienbein getreten. Ich glaube, der Heidenspaß muß noch größer sein, wenn man den Film im Originalton hört. Die kitschig patriotischen Dialoge, die die christliche Vereinigung zwischen all dem Gospel und den God-bless-us-Attitüden zum Besten gibt, müssen ein wahrer Festschmaus sein. Wem dieser Spaß noch nicht Entertainment genug ist, wird bei in den Bordellszenen seine helle Freude haben. Diese sind so herrlich plakativ mit sexuellen Reizen vollgestopft, daß man das Gefühl hat Wohldosierung und Feingefühl sei den Filmemachern ein absolutes Fremdwort gewesen. Mitten in diesem Trommelfeuer beginnt der Film dann auch noch zu klauen. Egal, ob man das Finale schon bei „From Dusk till Dawn“ gesehen hat.
„Bordello of Blood“ ist beileibe kein guter Film, aber ein höchst unterhaltsamer. Er ist mutig und spart nicht an dem, was man von ihm erwartet: Leckeres Fastfood für zwischendurch eben.
Donnerstag, 18.08.2005/21:30 - 22:50 Uhr
#830
Geschrieben 04. September 2005, 11:30
Regie: Edgar Wright
Liebes Tagebuch...
Als ich das erste Mal von „Shaun of the Dead“ las, war ich nicht besonders begeistert. Eine Zombie-Komödie schien mir auf hohem Niveau nicht machbar zu sein. Wahrscheinlich erwartete ich eine „Nacht der lebenden Loser“. Je näher aber dann der Kinostart rückte und je mehr Vorschußlorbeeren zu hören waren, umso neugieriger wurde ich. Vorfreude bahnte sich an. Was ich dann im Kino sehen dürfte übertraf noch alle meine eh schon hohen Erwartungen. Kein Klamauk, keine Parodie, keine Zoten. Dafür gab feinsten britischen Humor. Schwarz, frisch und treffsicher. Die Zombie-Elemente sind absolut korrekt eingefügt worden. Nichts wurde der Lächerlichkeit preisgegeben. Der Horror funktioniert perfekt neben ermunternden Einfällen, über die man fast durchgehend lauthals Lachen kann. Nie hätte ich gedacht das Horror und Humor so reibungslos nebeneinander laufen können ohne daß sie sich gegenseitig beeinflussen. Schocks und Scherze werden nicht zu Funsplatter degradiert. Ich sehe den Film als riesengroßes Geschenk an, welches man leider nur allzu selten offeriert bekommt. Eine große Leistung!
Sonntag, 21.08.2005/14:25 - 16:00 Uhr
#831
Geschrieben 04. September 2005, 11:31
Regie: Züli Aladag
Liebes Tagebuch...
Achtung: Folgender Text enthält zwanzigmal das Wort Eiskunstlauf!
Ein Eiskunstlauftrainer wird in einer Eiskunstlaufhalle niedergeschlagen und erfriert, bewußtlos, wie er ist, auf dem eiskunstlaufkalten Eiskunstlaufeis. Der Eiskunstlaufsport bietet den optimalen Nährboden für viele handlungsausfüllende Eiskunstlaufintrigen. Natürlich gibt es eine Original-Eiskunstlaufmutter (aber nicht so krass wie einst Barbara Valentin). Die Eiskunstlaufmädels haben auch alle einen Schlag weg. Die eine hat Eiskunstlaufbulimie, die andere ist vom Eiskunstlauftrainer schwanger, und wieder eine andere hat gerechtigkeitshalber eine Anti-Eiskunstlaufmutter.
Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) sind beide nicht besonders eiskunstlauferfahren. Das macht den Eiskunstlaufmord nicht gerade durchsichtiger. Problem auch: Alle Eiskunstlauf-Läuferinnen sehen irgendwie gleich aus und die kühle Eiskunstlaufidylle wirkt sich auch stark auf die Optik aus. Sämtliche Bilder werden in ein kühles Eiskunstlaufblaugrau getaucht. Durchblick schwer gemacht. Erst ab der Hälfte bekam eine Einsicht in das Eiskunstlaufspiel. Sehr schön das Ende: Kommissare und Co gehen Eiskunstlaufen.
Kühl gestalteter Film, dem es etwas an Lockerheit fehlt. Das Eiskunstlaufeis bricht erst zum Ende hin.
Mit von der Partie auch wieder, weil es sich hier um eine WDR-Produktion handelt, die ganze „Verbotene-Liebe“-Connection: Karoline Schuch, Sotiria Loucopoulos und Heike Brentano.
Sonntag, 21.08.2005/20:15 - 21:45 Uhr
#832
Geschrieben 04. September 2005, 11:34
Regie: John Hough
Liebes Tagebuch...
Ein Hoch auf die deutsche Titelschmiede. Obwohl nur zwei Wörter lang, verzerrt der deutsche Titel des Films „Twins of Evil“ auf elegante Weise mal wieder den Inhalt dieses späten Hammer-Horrors. Nach dem Tod der Eltern wird ein Zwillingspärchen von ihrem Onkel aufgenommen. Der ist nicht nur erzkonservativ, sondern auch fast schon diabolisch versessen darauf, seiner Meinung nach vom Glauben abgekommenen Menschen mittels Scheiterhaufen von dieser Welt zu verbannen. Manche unschuldige Haut wurde so schon ein Raub der Flammen. Doch so Unrecht hat der selbsternannte Hexenjäger gar nicht. Im nahegelegenen Schloß wird tatsächlich ein Bund mit dem Teufel geschlossen und bald auch noch eine Vampirin zu neuem Leben erweckt. Das unheilige Treiben zerrüttet auch die einstmals so eng verbandelten Zwillinge. Die Eine ist voll der Tugend, während die andere zu der dunklen Seite der Macht wechselt. Das führt zu sehr interessanten Konstellationen. Läßt sich der Hexenjäger davon abschrecken, daß er zwischen den Stühlen steht?
Bei „Draculas Hexenjagd“ gibt es keine klare Trennung zwischen Gut und Böse. Beide sich bekämpfenden Seiten sind zum Äußersten bereit. Mittendrin sind die normalen Menschen, die dieser Situation hilflos ausgeliefert sind. Regisseur John Hough stellt sich dabei ziemlich geschickt an. Auch beim Inszenieren von Gruselszenen beweißt er, wie schon so oft, ein glückliches Händchen. Aber auch „Draculas Hexenjagd“ ist von einer ziemlichen Naivität geprägt. Gleiches konnte ich in anderen Filmen von John Hough auch schon erkennen („Tanz der Totenköpfe“, „Schreie der Verlorenen“). Das verhindert, daß man hier keinen völlig glaubwürdigen Horror, sondern eher einen kindlichen Grusel zu sehen bekommt. Keinesfalls schlecht, aber hätte der Film in der ersten Reihe stehen wollen, wären noch clevere Einfälle nötig gewesen. Schön anzusehen ist das Treiben aber allemal.
Montag, 22.08.2005/21:30 - 22:55 Uhr
#833
Geschrieben 04. September 2005, 21:59
Regie: Jean Rollin
Liebes Tagebuch...
Jean Rollin zieht sein Ding durch, koste es was es wolle. Zu Lasten geht das, wie so oft bei Rollin, der Story, denn die ist ohne Gnaden hanebüchen. Weibliche, meist spärlich bekleidete Vampire erwachen hier zu neuem Leben. Wie immer geschieht das in steinernen Gruftkellern diverser Schlösser und vor der großartigen Kulisse des Meeres und den dort immer wieder auftauchenden Wellenbrechern. Jean Rollin kann abermals die inhaltlichen Schwächen durch seine unkonventionelle, gerne auch naiv genannte Inszenierung problemlos übertünchen. Er beherrscht sein Handwerk eben doch. Und da gehört eben nicht die Erzählung von etwas Alltäglichen mit standardisierten Mitteln dazu. Er überrascht auf ganz anderen Ebenen. Hat man damit kein Problem, kann man im Resümee von einem voll und ganz zufriedenstellenden Ergebnis und Erlebnis reden. Die Anderen sehen halt nur einen dürftig erzählten Vampirfilm mit doofer Liebesgeschichte, ganz ohne Spannung und eigentlichem Horror. Schade, denn die Menschen mit solch einer Meinung konnten an den schönen Bildern, die dieser Film zweifelsfrei hat, keinen Gefallen finden.
Ich persönlich fand die überraschende Auflösung der Romanze ohne Zukunft, passierend zwischen Mensch und Vampirin, sehr gut gelungen und das fast schon poetisch wundervoll gipfelnde Ende zum Seufzen schön. Wenn Jean Rollin auch keine guten Geschichten erzählen kann, niemand kann ihm vorwerfen, seine Filme würden blöde enden.
Dienstag, 23.08.2005/21:00 - 22:20 Uhr
#834
Geschrieben 10. September 2005, 11:26
Regie: Mel Brooks
Liebes Tagebuch...
Anhand von „Höhenkoller“ zeigt sich, daß Mel Brooks nicht wirklich ein guter Regisseur ist. Sein Film ist reichlich schlicht inszeniert. Kameraführung und Schnitt sind einfallslos. Gespür für Dramaturgie scheint kaum vorhanden zu sein. Das alles führt zu dem Effekt, daß man meint, man hätte eine amerikanische Fernsehserie vor Augen. Mel Brooks wäre aber nicht Mel Brooks, wenn er sein Publikum nicht trotzdem überzeugen könnte, denn an Lachern fehlt es dem Film nicht. Das Humorspektrum ist weit gefächert. Es reicht von exzellenten Jokes über wunderbare Gelegenheiten, wo sich die humoristisch talentierten Darsteller hemmungslos der Spielfreude hingeben können bis hin zu den plattesten Kalauern. So kann auch dieser schwächere Film von Mel Brooks punkten, unterhalten, gar amüsieren.
Freitag, 26.08.2005/21:15 - 22:50 Uhr
#835
Geschrieben 10. September 2005, 11:26
Regie: Christoph Schlingensief
Liebes Tagebuch...
Tollwütiges Meisterwerk von Christoph Schlingensief voller Dynamik und Aggression. Wenn die eh schon nicht unschuldigen Ossis von den noch viel mehr nicht-unschuldigen Wessis verwurstet werden, läuft die Absurdität Amok. Das ist nicht bloße Provokation sondern respektlose Sozialkritik in größtmöglichen Ausmaßen. Schlingensief schafft es diesmal dem Durcheinander etwas Einhalt zu gebieten. Seine Geschichte versinkt nach genauerem Hinsehen nicht im totalen Chaos. Stets kann man die zwar nicht immer erklärbaren aber registrierbaren Absichten der Charaktere verfolgen. Als ich „Das deutsche Kettensägenmassaker“ zum Ersten mal sah, war das noch nicht der Fall.
Aus seinen Darstellern melkt Schlingensief mal wieder beängstigende Darbietungen. Susanne Bredehöft dreht voll am Rad und der total betrunkene Udo Kier, der sich mit Schnaps flambiert, schockiert in seiner alles preisgebenden Darstellung. Nebenbei ist der Horrorfaktor auch richtig gut gelungen. Neben all dem Spaß und Lärm kann noch ein großer Anteil von Spannung zur Geltung kommen. Das ist schön zu sehen, denn bei Schlingensief hätte auch das ziemlich schnell im tosenden Durcheinander untergehen können.
Ein Film, der echt Spaß macht.
Freitag, 26.08.2005/23:00 - 00:00 Uhr
#836
Geschrieben 18. September 2005, 10:09
Regie: Baz Luhrmann
Liebes Tagebuch...
Unvergleichlich ausdrucksstarker, emotionsgeladener und alles überrumpelnder Sturm der Gefühle. War, ist und wird ein außergewöhnlicher Film bleiben, denn es scheint mir fast unikatisch (neues Wort?) zu sein, mit welcher Intensität die älteste Geschichte der Welt wirkungsvoll aufgepumpt wird.
Was mir diesmal aufgefallen ist:
Das Schnittgewitter empfand ich dieses Mal etwas zu aufdringlich. Registrierung von Choreographie ist nahezu unmöglich. Auch diverse Anschlußfehler konnte ich ausmachen. Heute würde ich Herrn Luhrmann wohl dazu raten, den einzelnen Bildern etwas mehr Geltung zu kommen zu lassen.
Trotz heutiger Kritik, toller Film, den ich weiter gerne als einen meiner Lieblingsfilme bezeichnen möchte...
Sonntag, 28.08.2005/13:25 - 15:25 Uhr
#837
Geschrieben 18. September 2005, 10:09
Regie: Brian de Palma
Liebes Tagebuch...
Großer Film von Brian de Palma, der so vielschichtig und ergiebig ist, daß er immer wieder zum Anschauen einlädt. Fast aggressiv und trotzköpfig setzt de Palma all seine liebsten Stilmittel ein. Da kann ich einfach nicht sagen „Ach nö, nicht schon wieder ein geteilter Bildschirm“, sondern muß einfach ins Schwärmen kommen, wie sehr mir das gefällt. Gleiches gilt für die Extremzeitlupe oder die inhaltlich nicht besonders gedeckte Tatsache, daß Filme von de Palma auch gerne mal zur Peep-Show werden. Hinzu kommt diesmal der Aspekt, daß hier die Geschichte von zwei Frauen anhand einer Person erzählt wird. Das ist abenteuerlich, genussvoll und schwer beeindruckend.
Sonntag, 28.08.2005/21:10 - 23:00 Uhr
#838
Geschrieben 18. September 2005, 10:10
Regie: Dario Argento
Liebes Tagebuch...
Argentos Halsabschneiderfilm konnte mich diesmal nicht in dem Maße reißen, wie er eigentlich sonst im Stande dazu ist. Vielleicht war ich nicht in der richtigen Stimmung, wartete vergeblich auf die härteren Szenen, die in diesem eher zahmen Film nicht so viel Raum einnehmen. Kameratechnisch gibt’s natürlich wieder einiges für die Augen. Beim nächsten Mal wird es mich sicher wieder mehr begeistern können.
Mittwoch, 31.08.2005/21:00 - 22:40 Uhr
#839
Geschrieben 20. September 2005, 21:16
Regie: Stephen T. Kay
Liebes Tagebuch...
Die armen Amerikaner haben es schon nicht leicht. Warum muß jedes Haus oder Appartement einen begehbaren Kleiderschrank haben? Jedes Kind weiß doch, daß da drin der Boogeyman am liebsten wohnt. Wie sollte es auch anders sein: auch in diesem Film lauert der titelgebende Unhold hinter der zweiten Tür, die es im amerikanischen Schlafzimmer gibt und erschreckt von dort aus seine Opfer.
Das Remake des Ulli-Lommel-Films aus dem neu gegründeten Hause von Sam Raimi und Co steht ganz im Zeichen der aktuellen Horror-Neuverfilmungen. Egal ob alte einheimische Gruselklassiker oder frisch eingekaufte Geschichten aus Fernost, alles wird auf möglichst optisch reizvolle Weise für ein breites junges Publikum zugeschnitten. „Laßt Bilder sprechen“ heißt das Credo der einstigen „Tanz der Teufel“-Schöpfer. Genau wie bei den Kollegen von Dark Castle scheinen die Herren auch hier Gefahr zu laufen, den eigentlich gruseligen Ansatz mit ausufernden Bildkompositionen zu erdrücken. Etwas subtilerer Horror wäre auch bei „Boogeyman“ an manchen Stellen nötig gewesen, hätte aber die Option auf großes Klingeln der Kassen zu sehr in Frage gestellt. Ähnlich wie bei Gore Verbinskis „Ring“ oder Mathieu Kassovitz’ „Gothika“ ist auch „Boogeyman“ kein Wunschkind, sondern nur ein ambitionierter Versuch das Genre um ein weiteres Objekt zu erweitern, daß den momentanen Anforderungen entsprechen soll. Das heißt aber nicht, daß hier kein Herzblut drin steckt. Trotz kühler Kalkulation kann eine angenehm spannende Grundstimmung mit vielen erlesenen Bildern erzeugt werden. Ein Klassiker entstand aber nicht. Den inflationär vorhandenen technischen Möglichkeiten wurde zu viel Spielraum gewährt, der [i]Boogeyman[i] scheint in seinem eigenen Hokuspokus verloren zu gehen. Das bedeutet: echter Horror wird nicht vom Stapel gelassen und das finale, dann endlich aktionsreiche Ende ist nur ein kleiner, weil viel zu kurzer Paukenschlag. Viel zu früh beginnt nach 80 Minuten der Abspann, gerade da, wo der Film anfing sein Publikum an sich zu reißen. Schön aber, daß es am Ende noch einen guten Abgang gab. Hier wird erklärt, daß begehbare Kleiderschränke in Amerika gar nicht so gefährlich sind, so lange sich darin nicht die eigene Angst manifestiert.
Donnerstag, 01.09.2005/22:00 - 23:25 Uhr
#840
Geschrieben 22. September 2005, 21:58
Regie: Charles Chrichton
Liebes Tagebuch...
Auch wenn aus heutiger, vielleicht schon aus damaliger Sicht so manches an diesem Film ein wenig zu klamaukig zu sein scheint, steht für mich fest, daß das Drehbuch und der draus resultierende Film einfach nur als göttlich einzustufen sind. Die Geschichte springt so reibungslos und zielstrebig von einer genialen Idee zur nächsten auf das runde Finale hinzu, daß es eine wahre Freude ist.
John Cleese hat mit seinem Drehbuch und seiner unwiderstehlichen Präsens auf der Leinwand etwas Wunderbares geschaffen: schwarzen Humor und feinste britische Komik. Über den Fisch namens Wanda wird man noch in Jahren sprechen - und natürlich lachen.
Samstag, 03.09.2005/21:05 - 22:50 Uhr
Besucher die dieses Thema lesen: 8
Mitglieder: 0, Gäste: 8, unsichtbare Mitglieder: 0