Regie: David Cronenberg
Aus Tatianas Tagebuch...
Also, der Titel „Tödliche Versprechen“ allein hätte mich nun wirklich nicht ins Kino getrieben. Er wirkt schon extrem austauschbar und lapidar. So könnte auch jeder Fernsehkrimi heißen und mich wundert es, daß dies offensichtlich noch keiner tut. Ein Film namens „Tödliche Versprechen“ muß sich schon extrem gut profilieren, um dem nichtsagenden Titel Stand zu halten. Persönlich würde ich den Originaltitel vorziehen: „Eastern Promises“, obwohl der auch ziemlich irreführend ist und mich irgendwie an ein Liebesdrama aus dem Reich der Mitte erinnert. Überhaupt, ich weiß nicht so recht, wo genau die (tödlichen) Versprechen zu Ostern/im Osten in diesem intensiven Mafia-Thriller zu finden sind.
Wie lange habe ich schon nichts mehr Aktuelles von David Cronenberg gesehen? Lang, sehr lang! Der wunderbare „eXistenZ“ ist mir mal vor Jahren zufällig über den Weg gelaufen und davor mal „Die Unzertrennlichen“, jeweils zu einer Zeit, wo beide schon nicht mehr aktuell waren. Gerne würde ich jetzt auch noch „Spider“ und „A History of Violence“ sehen. Sicher läßt sich das doch nun zu Stande bringen.
So saß ich also im Kino, bei einem Film, dessen Titel gar langweilig erscheint und bei dem ich überhaupt keine Ahnung hatte, was mich erwartete. Ich ließ mich überraschen und es wurde ein Mafia-Film, ganz und gar nicht verschachtelt und surreal, sondern nüchtern und realistisch und - doch typisch Cronenberg - gewohnt kalt. Viele im Saal wussten wohl auch nicht, was ihnen da vorgesetzt wurde und als David Cronenberg mit der Keule ausholte und gut terminiert Brutalitäten auf die Leinwand klatschte, waren die Reaktionen des Publikums angenehm heftig.
Und nun echt gefährliche Spoiler:
Nachdem eine junge Schwangere unter den Händen eine Ärztin (Naomi Watts) wegstirbt, hinterläßt sie nur ihr Neugeborenes und ein russisches Tagebuch... Hilflos und blauäugig wie die Ärztin ist, bringt sie das Tagebuch zu einer Adresse, die auf einer Visitenkarte stand, die sie als Lesezeichen zwischen den Seiten fand. Dort angekommen bietet ihr ein älterer Herr (Armin Mueller-Stahl) an, es für sie zu übersetzen. Ein großer Fehler, denn das Tagebuch belastet diesen netten Herren schwer. Zudem ist er noch Familienoberhaupt einer ganzen Mafiasippe. Die Ärztin sitzt in der Falle, denn nette Ratschläge der Mafia sind stets eine Drohung und ein einzelnes Leben scheint schnell ausgelöscht zu sein. Bei ihrem zaghaften Kontakt mit dem organisierten Verbrechen lernt die Ärztin auch den Sohn des netten alten Mannes (Vincent Cassel) und dessen Fahrer (Viggo Mortensen) kennen - und beide befinden sich ebenfalls mittendrin, im mafiösen Sumpf der russischen Mafia.
Hätte Martin Scorsese nicht schon „Departed - Unter Feinden“ gedreht, wäre „Tödliche Versprechen“ ein echtes Highlight - so aber ist er nur ein stilles Highlight - ein Geheimtipp quasi, der sich zu gut verstecken muß, hinter seinem schmalbrüstigen Titel. Der Film spinnt sich aufgrund des Fehlers der Ärztin eine spannende und mitreißende Mafiageschichte mit ständig wechselnden Ausgangspunkten zusammen. Nie weiß man so recht wer gut und wer böse ist. Der Schein trügt, gerne und immer wieder. Dabei lebt der Film fast völlig von erzählerischen Einfällen in der Geschichte und kommt völlig ohne aufdringliche Actionszenen oder wilde Schießereien aus. Dennoch wird eine Kampfszene in die Filmgeschichte eingehen, wie und wo sich Viggo Mortensen mit zwei Tschetschenen anlegt, ist nicht nur mutig, höchst unkonventionell, sondern auch vollkommen selbstverständlich in Szene gesetzt - und dabei ist die Art und Weise dieses beinharten und nervenzertrümmernden Kampfes doch äußerst prekär.
„Tödliche Versprechen“ war für mich eine echte Überraschung - eine echt gute Überraschung, auch wenn er in keine entrückten Zwischenwelten abgedriftet ist. Er ist höllisch spannend, mitreißend inszeniert und wartet mit heftigen Schockszenen auf - auch wenn er bedächtig und ruhig in Szene gesetzt wurde und nie den Ausdruck eines eleganten und ernstzunehmenden Filmes verliert. Und wir Deutschen werden kräftig an der Nase herumgeführt, wenn wir meinen, daß alle unsere schauspielerischen Exportschlager doofe Nazis spielen oder nur wegen ihres sympathischen Gesichtes wegen besetzt werden. Armin Mueller-Stahl spielt hier ne echt fiese Ratte, obwohl niemals nie auch nur der Hauch eines Staubkorns seine sympathische Aura beflecken konnte.
Montag, 07.01.2008/21:20 - 23:00 Uhr (zum ersten Mal gesehen)
Bearbeitet von Mr. Room, 21. Februar 2008, 20:02.