Cine-Phil schreibt Filmgeschichte
#1
Geschrieben 11. Mai 2009, 12:20
Hobbyfilmhistoriker Cine-Phil geht zurück zu den Wurzeln. Er begibt sich auf eine Zeitreise zu den Anfängen der Filmkunst. Noch einmal will er erleben, wie sich die Technik emanzipierte und schließlich zu einer Revolution wurde. In chronologischer Reihenfolge gesehen, noch einmal die Meilensteine der so faszinierenden Geschichte erleben. Mit dem zum Scheitern verurteilten Versuch, zu sehen, was die Menschen damals sahen.
Da stellt sich der Leser berechtigt die Frage: warum? Und die Antwort ist so simpel: ganz einfach, weil es mir Spaß macht.
Die zeitgeschichtlichen Ereignisse berücksichtigend und begleitet von der Musik der entsprechenden Zeit möchte ich das Medium Film wieder in seinen historischen Kontext rücken.
Geboren wurde dieser Wunsch aus einer fixen Idee, die sich bei mir festfraß. Ein ähnliches Selbstexperiment, bei dem ich Filme in ihrer chronologischen Ordnung sah, habe ich bereits hinter mir. Noch lückenhaft – und ohne die Beobachtungen zu dokumentieren. Diesmal möchte ich es aber besser machen. Dazu dieses „historische“ Filmtagebuch.
Neben einer Fülle von zusammengetragenen Informationen zu jedem besprochenen Film, sollen die Einträge ihren Tagebuchcharakter nicht verlieren und ich werde dabei natürlich mit meiner persönlichen Meinung und Verhältnis zu ihm nicht hinterm Berg halten. Ich versuche das für den Leser recht unterhaltsam zu halten. Dieses Tagebuch soll nicht nur für mich sein, sondern ich hoffe auch, dass auch noch andere was davon mitnehmen können und einen Bruchteil des Vergnügens haben, den ich bei der Arbeit daran habe.
Ich wünsche hiermit dem potentiellen Leser viel Vergnügen und hoffe, dass der ein oder andere mit mir durch dieses Fenster blickt, das uns zunächst in das vorletzte Jahrhundert
sehen lässt. Und hier ist alles Schwarzweiß...
Watchout:
Der Film auf den die Welt gerade noch gewartet hat! coming soon
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#2
Geschrieben 11. Mai 2009, 12:55
Den Versuch die Trägheit des menschlichen Auges zu überlisten und dem Gehirn bewegte Bilder vorzuführen gab es schon mehr oder minder erfolgreich seit jeher. Und damit beginnt die Geschichte des Films, an deren noch lange nicht absehbaren Ende sicher nicht das Kino steht.
Einen wirklich überzeugenden Durchbruch erlebte die Kinematographie spätestens im 17. Jahrhundert als der niederländische Physiker Christiaan Huygens (jedenfalls wird ihm das zugesprochen) die Laterna magica erfand bzw. tauglich machte. Eine Konstruktion aus einem Linsensystem und einer Lichtquelle. Der Deutsche Athanasius Kircher machte die Erfindung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bekannt, als er sie für wissenschaftliche Darstellungen nutzte. Damit wurde sozusagen der erste Diaprojektor geschaffen und der Grundstein für die Reproduktion bewegter Bilder gelegt. Doch bis zur Vorstellung des ersten Filmprojektors sollte noch einige Zeit vergehen.
Wichtig ist auch, dass die Laterna magica nicht nur wissenschaftlichen Nutzen fand. Sie fand während der Industrialisierungszeit auch sehr großen Anklang bei der breiten Masse, die sich auf Jahrmärkten und in Varietétheatern von dem „Wunderapparat“ bereitwillig faszinieren ließen. Vorführer nutzen narrative Bilderserien mit denen sie ihre Geschichten ausschmückten, was Anklang bei Groß und Klein fand und damit auch die Erzählweise des Kinos vorwegnahmen.
Muybridges Serienfotographie
Jedoch waren reproduzierbare fließende Bewegungen nicht möglich bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der entscheidende Durchbruch gelang mit der Serienfotografie. So hielt etwa der Brite Eadweard Muybridge im Jahr 1872 mit 36 synchronisierten Fotokameras einen detaillierten Ablauf der Bewegungsphasen eines galoppierenden Pferdes fest. Ansonsten haben es ihm nackte Frauen angetandie er gerne in mehr oder weniger alltäglichen Tätigkeiten einfing (jaaaa, damals schon).
Einen weiteren entscheidenden Schritt machte daraufhin ein Deutscher – Ottomar Anschütz. Anschütz, der bis dahin als erfolgreicher Porträtfotograf tätig war, experimentierte ab 1884 mit der Momentfotografie. Ähnlich der Serienfotografie hielt er Bewegungen fest, 1886 noch mit 24 elektronisch verbunden Fotokameras. Doch Anschütz’ Streben ging noch weiter – so entwickelte er eine Handkamera mit Schlitzverschluss, welche Belichtungszeiten von 1/1000 Sekunde ermöglichte. Vorgeführt werden konnten seine Aufnahmen auf einem von ihm erfundenen Projektor, der die auf Glasplatten gebrannten Bilder mittels Rotation in einer Geschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde zum Leben erweckte. Mit diesem „elektrischen Schnellseher“ gelang ihm der kommerzielle Durchbruch. Die Firma Siemens & Halske vermarktete die Erfindung international. 1894 gelang Anschütz mit Hilfe eines Elektrotachyscopen gar die Vorführung bewegter Bilder auf einer Leinwand.
Edisons Kinetoskop
Das vermochte das Kinetoskop aus dem Hause Edison nicht. Dennoch war der von William Dickson entwickelte Apparat ein weiterer bedeutender Meilenstein. Das erstmals auf der Weltausstellung in Chicago 1893 vorgeführte Gerät ermöglichte das elektronische Abspielen eines 18m langen 35mm-Zelluloidfilms als Endlosschleife, der dem Betrachter durch ein Guckloch (dem sogenannten Okular) die Illusion der Bewegung ermöglichte. Womit auch schon der größte Nachteil der revolutionären Maschine klar wäre: es konnte immer nur eine Person auf einmal in den Genuss des halbminütigen Films kommen. Somit war der Apparat als Gadget auf Jahrmärkten gut vermarktbar, jedoch als Massenmedium völlig untauglich.
Max Skladanowsky
Am 1. November 1895 führten die beiden Deutschen Max und Emil Skladanowsky im Berliner Varieté „Wintergarten“ ihre „Lebenden Bilder“ vor. Mit ihrem Bioskop ließen sie ein staunendes Publikum zurück. Da sich ihre Technik (mit zwei Projektoren und zwei Filmstreifen) auf der Zielgeraden nicht durchsetzen konnte, gebührt die Ehre als „Väter des Kinos“ in die Geschichtsbücher einzuziehen einem anderen Brüderpaar.
Bearbeitet von Cine-Phil, 11. Mai 2009, 13:15.
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#3
Geschrieben 11. Mai 2009, 13:52
LA SORTIE DES USINES LUMIÈRE
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 22. März 1895
Filmszene
Inhalt: Der Inhalt ist durch den Titel schon treffend beschrieben. Betriebsschluss in der hauseigenen Lumière-Fabrik. Die Arbeiter verlassen das Gelände durch das Haupttor.
Mit recht simplem Plot beginnt die Filmgeschichte. Mit LA SORTIE DES USINES LUMÈRE beginnt das Kino. Mit der Projektion auf die Leinwand werden die gerade einmal ein Jahr alten Guckkästen aus der Edison-Schmiede museumsreif. Der am 13. Februar 1895 patentierte Kinematograph, entwickelt von den Brüdern Auguste und Louis Lumière
Es existieren zumindest drei Versionen des Films, die sich in mehreren Merkmalen unterscheiden. Im Allgemeinen spricht man von der „Ein Pferd“, „Zwei Pferde-„ oder „Kein Pferd-„Version. In der Originalversion wird die zu gezeigte Kutsche noch von einem Pferd gezogen, im ersten Remake von zwei Pferden. Zu erkennen aber auch an der Kleidung der Fabrikarbeiter, die je nach der aktuellen Jahreszeit der Aufnahme variiert.
Version 1 entstand am 19. März 1895. Im französischen Lyon stellte sich Louis Lumière mit seiner Kamera vor das Werkstor seiner Fabrik in der Rue Saint Victor Nr. 25 und gab seinen Mitarbeitern die Anweisung, das Gelände zu verlassen. Er brauchte dazu mehrere Takes, wie zwei kürzlich entdeckte „Outtakes“ des Filmes bezeugen. Und so verließen denn die braven Mitarbeiter das Werksgelände und verstreuten sich in alle Richtungen. Unwissend, dass sie als erste Filmdarsteller Geschichte schreiben sollten.
Diese Version galt lange Zeit als verschollen, wurde aber in der Mitte der Achtziger Jahre wiederentdeckt.
Erstmals vorgeführt wurde sie am Freitag, dem 22. März 1895 vor geschlossenem Publikum in der Société d’Encouragement à l’Industrie Nationale. Weitere Vorführungen vor Fachpublikum erfolgten am 17. April sowie am 8. November in der Pariser Sorbonne.
Die 2. Version entstand im Herbst gleichen Jahres ebenso wie Version 3, von der man vermutet, sie sei die, die auch am denkwürdigen 28. Dezember 1895 als erster Film vor zahlendem Publikum vorgeführt wurde. Bis zur Wiederentdeckung von Version Nr. 1 galt letztere als Urfassung, was jedoch, zu sehen anhand der vorkommenden Kutschen, die es im März 1895 noch nicht geben konnten, eindeutig widerlegt werden konnte.
Standardisiert waren die Filme aus der Lumière-Produktion im 35mm-Format, mit einem Seitenverhältnis von 1.33:1 und einer Abspielgeschwindigkeit von 16 Bildern pro Sekunde, was mit dem Durchbruch ihres Verfahrens zur Norm werden sollte. LA SORTIE besteht aus 800 Rahmen, verteilt auf 17 Metern Film, die bei einer normalen Abspielgeschwindigkeit von 16fpm 50 Sekunden Filmvergnügen ausmachen.
Auguste (li.) und Louis Lumière
Der 28. Dezember 1895
Letztendlich schrieb LA SORTIE DES USINES LUMIÈRE Geschichte als der erste der zehn Filme, die die Brüder Lumière am 28. Dezember 1895, einem Samstag, 35 zahlenden Gästen im Grand Café auf dem Boulevard des Capucines in Paris zeigten. Obwohl die deutschen Brüder Max und Emil Skladanowski ihre Erfindung bereits am 1. November in Berlin vorführten, gilt der 28.12.1895 als die offizielle Geburtsstunde des Kinos. Es sollte Technik der Lumières sein, auf die alles in Zukunft aufbaute. Der Kinematograph hatte die Nase vorn.
Die zehn Filme, die an jenem denkwürdigen Tag im Grand Café gezeigt wurden waren:
1. LA SORTIE DES USINES LUMIÈRE
2. LA VOLTIGE
3. LA PÊCHE AUX POISSONS ROUGES
4. NEUVILLE-SUR-SAÔNE: DEBARQUEMENT DU CONGRÈS DES PHOTOGRAPHES À LYON
5. LES FORGERONS
6. L’ARROSEUR ARROSÉ
7. REPAS DE BÉBÉ
8. LE SAUT À LA COUVERTURE
9. PLACE DES CORDELIERS À LYON
10. LA MER
Das Publikum als auch die Presse waren begeistert und schnell sprach sich die sensationelle Errungenschaft herum. Immer mehr Menschen wurden in den Bann der bewegten Bilder gezogen. Waren es bei der ersten Vorführung noch 35 Gäste, die 35 Francs in die Kasse spülten, so wurden es in kürzester Zeit bis zu 2500 Zuschauer pro Tag. Unter ihnen auch ein gewisser Georges Méliès.
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#4
Geschrieben 11. Mai 2009, 14:13
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Ein Mann unternimmt diverse vergebliche Versuche ein Pferd zu besteigen.
Film Nr. 2 auf dem Programm des denkwürdigen Abends im Grand Cafe war dieser Streifen, die das Publikum erstmals zum Lachen brachte. Ob sich Louis Lumière der Tragweite seiner Kreativität bewusst war, ist zu bezweifeln. Der kurze Spielfilm LA VOLTIGE zeigt erstmals das künstlerische Potenzial des jungen Mediums. Nicht nur haben wir es hier mit der ersten Komödie zu tun (auch wenn dieses Etikett gerne dem später an dem Abend gezeigten L'ARROSEUR L'ARROSSÉ anhaftet wird) und erstmals ist hier etwas zu sehen, was heute ebenfalls zum Kinostandard gehört: der Stunt.
Die Namen der beteiligten Darsteller sind mir leider nicht bekannt. Mir persönlich hat es der Hund angetan, der das urkomische Geschehen mit lautem Bellen (man meint wirklich es hören zu können) kommentiert. Wie der Großteil der Lumière-Werke ist auch dieser in Lyon gefilmt worden.
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#5
Geschrieben 11. Mai 2009, 14:25
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Festgehalten vom Papa spielt ein neugieriges Baby einem Goldfischglas samt Fischen.
Auch in Film Nr. 3 steht das Verhältnis zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt. Ein wenig leid tun mir die armen Fische ja, während das Publikum damals sicher von dem namenlosen Balg entzückt war, welches damit der wohl erste Kinderstar der Filmgeschichte sein dürfte.
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#6
Geschrieben 11. Mai 2009, 14:56
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: Pierre Jules César Janssen
Erstaufführung: 12. Juni 1895
Filmszene
Inhalt: Ankunft der Teilnehmer des Fotografen-Kongresses in Lyon.
Der vierte Film des Abends wurde wie LA SORTIE bereits schon einmal vorgeführt und versetzte Fachleute in Staunen: Am 12. Juni 1895 filmten die Lumières die Ankunft der nichtsahnenden Teilnehmer des Fotografie-Kongresses in Lyon. Man mag vermuten, dass sie die Filmkamera für einen monströsen Fotoapparat hielten, als sie vorbeiflanierend freundlich ins Objektiv wunken und lächelten. Dementsprechend muss ihnen die Kinnlade runtergeklappt sein, als sie sich wenige Stunden später - die Brüder entwickelten den Film umgehend - selbst in bewegten Bildern zu sehen.
Für die neue Apparatur ein, wenn nicht vielleicht DER, entscheidende Durchbruch, der unter den Anwesenden jeden Zweifler verstummen ließ.
Namentlich bekannt von dem im Film zu sehenden Herrschaften ist nur der französische Astronom Dr. Pierre Jules César Janssen.
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#7
Geschrieben 11. Mai 2009, 15:17
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Zwei Eisenschmiede bei der Arbeit.
Für Louis Lumière war seine Erfindung trotz des Spaßes den das Publikum an den Komödien hatte vor allem wichtig, um Informationen zu vermitteln. Er sah das Medium in erster Linie als Mittel der Dokumentation. Große künstlerische Entwicklungsfähigkeiten sahen er und sein Bruder nicht.
Auch wenn das Geschehen für die Kamera gestellt wurde, dient es doch ihrer Absicht, den Alltag einzufangen und in bewegten Bildern zu konservieren.
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#8
Geschrieben 12. Mai 2009, 11:06
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: François Clerc (Der Gärtner), Benoît Duval (Der Junge)
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Ein kleiner Frechdachs (Benoît Duval) verpasst einem Gärtner (François Clerc) eine unfreiwillige Abkühlung.
Der sechste Film des Abends bietet den unbestrittenen Höhepunkt auf. Brachte man das Publikum mit LA VOLTIGE schon zum Lachen, gab es spätestens jetzt kein Halten mehr.
Es wäre keine Übertreibung zu behaupten L’ARROSEUR L’ARROSÉ (was soviel heißt wie „der begossene Begiesser“) markiere den ersten „Filmhit“ der Geschichte. Innerhalb von 50 Sekunden wird hier eine kleine Geschichte erzählt, eine Handlung mit Wendung und schließlich einer Pointe. Der Grundstein für die gesamte Unterhaltungsindustrie wurde hiermit gelegt. Und dabei glaubten die Lumières selber nicht an die Vermarktung ihrer Erfindung als Unterhaltungsmedium, sahen sie doch eher den praktischen Nutzen als Ergänzung zur konservativen Photographie.
Doch erkannten die geschäftstüchtigen Brüder schnell die Vermarktungsmöglichkeiten. L’ARROSEUR L’ARROSÉ wurde zum Zugpferd ihrer Werbekampagnen, was die Gestaltung ihrer frühen Plakate deutlich belegt. Unzählige Plagiate und Remakes sind die deutlichen Indikatoren dieses bahnbrechenden Erfolgs.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist der Status dieser kleinen Burleske, die das Kintopp aus der Taufe hob und somit die Darsteller Clerc und Duval zu den Urvätern von Laurel & Hardy und allen anderen machte. Auch die Jungs von Monty Python waren sich dessen bewusst und verarbeiteten eine Hommage (man kann gar schon von einem Remake sprechen) in einer Folge ihres Flying Circus.
Neben dem Slapstickhumor gab es noch etwas anderes, was bis dahin im Kino noch nie gezeigt wurde (sieht man mal von abgefilmten Boxkämpfen aus den Edison-Kinetoskopen ab): Gewalt! Der Übeltäter bekommt übel den Hintern versohlt und Gleiches mit Gleichem vergolten – ein bis dahin nie gesehener Gewaltausbruch. Das zeitgenössische Publikum störte sich daran weniger, war man damals Züchtigung für seine Missetaten wohl noch gewöhnt.
L’ARROSEUR L’ARROSÉ – der Prototyp des Selbstjustizfilms.
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#9
Geschrieben 12. Mai 2009, 12:08
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: Andrée Lumière, Auguste Lumière, Marguerite Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Essenszeit bei den Lumières. Papa Auguste füttert seinen Sohn Andrée.
Traute Dreisamkeit im Hause Lumière. Ein intimer Blick in das Familienleben des älteren der beiden Brüder, Auguste. Wie nicht anders zu erwarten stand Louis hinter der Kamera, um Bruder, Neffen und Schwägerin im harmonischen Alltag einzufangen.
Gefilmt wurde im Garten von Augustes Haus, offenbar im Sommer – bei leichtem Wind.
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#10
Geschrieben 12. Mai 2009, 12:19
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Ein Mann unternimmt mehrere, zumeist vergeblich Versuche, einen Purzelbaum in ein Sprungtuch zu machen, das von mehreren anderen Männern aufgespannt wird.
Noch einmal ein humoristisches Kabinettstückchen. Wieder mit Gewalt (Arschtritt) und einigen Stunteinlagen.
Über die Entstehung und über den Hintergrund ist leider wenig bis überhaupt nichts bekannt. Auch die Namen der gezeigten Akteure konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Über jede Information hierüber wäre ich sehr dankbar.
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#11
Geschrieben 12. Mai 2009, 12:33
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Passanten und Kutschen – reges Treiben am Corderliers-Platz in Lyon
Louis Lumière stellte seine Kamera am Place des Corderliers, dem damaligen Mittelpunkt seiner Heimatstadt Lyon auf. Ein dokumentarischer Blick, ohne künstlerischen Wert, aber ein unschätzbarer Einfang einer vergangenen Epoche.
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#12
Geschrieben 12. Mai 2009, 12:49
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 28. Dezember 1895
Filmszene
Inhalt: Ausgelassenes Treiben beim Planschen und Köpper vom Steg. Ein Tag am Meer 1895.
Mit einer fröhlichen Impression endet dann die erste Kinovorführung. Etwa 20 Minuten dauerte sie, zeigte 10 Filme á ca. 1 Minute.
Angesteckt von der Faszination des bewegten Bildes wurde das Publikum von den Lumières entlassen. Besser gesagt von Antoine Lumière, dem Vater der beiden Tüftler. Die beiden Brüder waren persönlich nicht zu gegen. Sie hatten an dem Tag anderweitige Termine. So musste der arme Papa ran und kurbelte sich die Handgelenke wund.
Die Revolution hatte also begonnen. Wie ein Lauffeuer sprach sich diese sensationelle Erfindung rum. Wie oben bereits erwähnt, wollten bald mehr als 2000 Menschen täglich sich verzaubern lassen, von den lebendigen Fotografien.
Der Kinematograph ging auf Tournee. Zunächst durch Frankreich, dann durch die Hauptstädte Europas. Überall wo er war, packten die Konkurrenten ein. Die Lumières hatten das Wettrennen um die Innovation des Films gewonnen.
Bald schon wurde ihr Apparat nicht mehr nur auf Jahrmärkten und in Cafes vorgeführt – bald wurden die ersten Kinematograph-Theater eröffnet. Das Lichtspielhaus, das Kino, wie wir es heute gehen nahm seine Form an. Ein Siegeszug ohne Gleichen.
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#13
Geschrieben 13. Mai 2009, 14:24
PARTIE DE CARTES
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: Antoine Féraud (Kellner), Antoine Lumière (Kartenspieler), Félicien Trewey (Kartenspieler), Alphonse Winckler (Kartenspieler)
Filmszene
Inhalt: Drei Herren geben sich einer gemütlichen Kartenpartie mit Zigarre und Wein hin.
In La Ciotat entstand dieser Film um ein ausgelassenes Kartenspiel dreier Herren der feineren Gesellschaft, zu der ein gut aufgelegter Kellner stößt. Inhaltlich banal, wurde auch dieser Streifen dennoch häufig imitiert.
Zu den Skatbrüdern gehört neben Lumière-Papa Antoine der Brauer Alphonse Winckler, Schwiegervater beider Lumière-Brüder (seine beiden Töchter wurden mit Auguste und Louis vermählt). Dritter im Bunde ist Félicien Trewey, der jenige, der als erster den Kinematographen in Großbritannien vorstellte.
BARQUE SORTANT DU PORT
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Filmszene
Inhalt: Beobachtet von zwei Frauen mit Kindern verlässt ein Boot mit drei Männern unter leichtem Wellengang den Hafen.
Auch hier erklärt der Titel. Schöne Bildkomposition. Viele Informationen hierzu sind leider nicht aufzutreiben. Mich hätte zumindest mal der Drehort interessiert.
LION, LONDON ZOOLOGICAL GARDENS
Frankreich, 1895
Lumière
Filmszene
Inhalt: Ein Löwe im Käfig, der von einem Wärter mit Leckerli geneckt wird.
Mehr als tausend Filme entstanden zwischen 1895 und 1896 in der Lumière-Produktion. Natürlich konnte sich Louis längst nicht mehr um alle kümmern. Unbekannt leider, wer dieses stattliche Raubtier im Londoner Zoo filmte.
Erstmals riecht ein Film nach Gefahr, Ferne und Abenteuer. Damals sicherlich sensationell für die ärmere Landbevölkerung, die noch nie einen ausgewachsenen Löwen in Bewegung gesehen hatte. Das Kino macht’s möglich.
Bearbeitet von Cine-Phil, 13. Mai 2009, 14:35.
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#14
Geschrieben 14. Mai 2009, 12:29
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: Félicien Trewey
Filmszene
Inhalt: Ein Mann (Félicien Trewey) schlüpft mittels verschiedener Hüte und angeklebter Bärte im Eiltempo in ein gutes Dutzend verschiedener Persönlichkeiten.
Eine kurze humoristische Einlage mit Experimentalcharakter. Ohne zuviel Bedeutung in dieses banale Kabinettstückchen reininterpretieren zu wollen, zeigt er doch erstmals, was schauspielerische Wandlungsfähigkeit vor der Kamera ausmacht. Vergleicht man damit noch die eher verkrampft hölzerne Darstellung in L’ARROSEUR L’ARROSÉ.
Mit Hilfe von Masken war vieles möglich. Für mich ein eindrucksvoller Vorgeschmack auf Alec Guiness bemerkenswerte und unvergessene Leistung in KIND HEARTS AND CORONETS (ADEL VERPFLICHTET) von 1949, in dem er ebenfalls in einer ganze Reihe von diversen Charakteren, nicht zuletzt dank des Maskenbildners, überzeugte.
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#15
Geschrieben 14. Mai 2009, 13:43
Frankreich, 1894
Regie: Émile Reynaud
Produktion: Émile Reynaud
Filmszene
Inhalt: Lustiges Treiben am Strand.
Im Mittelpunkt meines historischen Filmtagebuchs stehen ausschließlich kinematographische Erzeugnisse. Als Stunde Null habe ich hier den 28. Dezember 1895 und damit den Durchbruch der Lumièr’schen Technik markiert, der im Allgemeinen als Geburtstag des Kinos gilt. Filme anderer Techniken, wie etwa Edisons Kinetoskop, Skladanowskys Bioskop oder Birt Acres’ Birtac habe ich jetzt mal außen vorgelassen, um den Rahmen nicht zu sprengen und mich daran nicht aufzuhalten, auch wenn sehr viele historisch wertvolle Filmstreifen dieser Techniken dankenswerterweise noch erhalten und verfügbar sind.
Ich komme aber um diesen Abstecher nicht herum, weil er doch sehr bemerkenswert ist. Es geht dabei um Zeichentrickpionier Émile Reynauds und sein Werk AUTOUR D’UN CABINE.
Émile Reynaud
Der Franzose war der Erfinder des sogenannten Praxinoskops, dem „optischen Theater“. Ab 1888 führte er seine „Lichtpantomimen“ vor, die ohne jegliche Kamera entstanden sind. Mit Hilfe von zwei Laterna Magicas versetzte er das (vor allem kindliche) Publikum in Staunen. Bis 1900 führte er seine Arbeit erfolgreich vor. Bevor er von der Alleinherrschaft des Lumière-Kinematographen finanziell und menschlich ruiniert wurde. Im Jähzorn zerstörte er nahezu alle seiner Streifen, von denen nur PAUVRE PIERROT und der berühmte AUTOUR D’UN CABINE wie durch ein Wunder und als unschätzbarer Wert erhalten blieben und 1992 restauriert worden.
Reynaud verstarb 1918 als verbitterter Mann an einer Lungenkrankheit. Übriggeblieben ist die Gewissheit, dass seine Arbeit eine große Pionierleistung war. Erst 1908 durch Emile Cohl wurde die Zeichentrickanimation auch kinematographisch. Vergesst also Disney und die oft gebrauchte Behauptung, STEAMBOAT WILLIE wär der erste Zeichentrickfilm gewesen. Da gab es schon viele Vorläufer.
AUTOUR D’UN CABINE ist ein äußerst liebevoll gemachter, fast zweiminütiger Streifen mit einer naiven Nichthandlung. Hübsch anzusehen (zu finden bei You Tube), vor allem die Bedeutung als historisches Dokument verursacht eine enorme Entenpelle bei mir.
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#16
Geschrieben 15. Mai 2009, 00:55
Frankreich, 1895
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Filmszene
Inhalt: Mehrere Herren beim Boßeln.
Man kam natürlich auch nicht umhin, des Franzosen liebste Freizeitbeschäftigung auf Film festzuhalten.
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#17
Geschrieben 15. Mai 2009, 22:43
Frankreich, 1896
Lumière
Regie: Louis Lumière, Auguste Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 06. Januar 1896
Filmszene
Inhalt: Ein Zug fährt ein am Bahnhof von La Ciotat – in Richtung Kamera.
Dieser legendäre Film entstand im Sommer 1895 auf dem Bahnhof von La Ciotat, ganz in der Nähe der Lumière’schen Sommerresidenz und bildet einen frühen Beweis für die Macht des Hypes.
Die „Tatsache“, dass das Premierenpublikum panikartig die Vorführung verließ, um nicht vom herannahenden Zug überfahren zu werden, entpuppte sich nicht nur als urbane Legende, die es sogar in die Geschichtsbücher geschafft hat, sondern gar als ein künstlich erzeugter Werbegag, der – mit Erfolg – das Medium als Erlebnis für alle Sinne angepriesen hat.
Technisch gesehen ist der Film das beste Fallbeispiel dafür, dass Louis Lumière seine ersten Filme nicht einfach mit der Kamera vor sich „drauflos“ gefilmt hat, sondern sich bereits um die Dynamik der Bilder bewusst und um eine gewisse Ästhetik bemüht war. Der Zug naht heran von rechts hinten und fährt nach links vorne auf das Publikum zu. Hier wurden sich im Vorfeld sehr genaue Gedanken um die Bildkomposition gemacht, die sich nicht zufällig eine symmetrische Achse herumbaut.
Die aussteigenden Passagiere sind nur zum Teil zufällig am Bahnsteig. Man vermischte sie mit Verwandten, die die herumstehende Kamera ignorierten und damit die Aufnahmen „natürlicher“ wirken zu lassen. Die nichtsahnenden Zugreisenden sind dann natürlich auch die, die verdutzt ins Objektiv glotzten.
Lange wurde angenommen, dass L’ARRIVÉE... ebenfalls am 28.12.1895 bei der ersten Filmvorführung im Grand Café auf dem Programm stand. Dies wurde aber inzwischen widerlegt. Erstmals aufgeführt wurde er eine gute Woche später, am 06. Januar – natürlich ebenfalls in Paris.
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#18
Geschrieben 16. Mai 2009, 15:13
Frankreich, 1896
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Erstaufführung: 15. Februar 1896
Filmszene
Inhalt: Ein Zug fährt ein in den Bahnhof des verschneiten Ortes Aix-les-Bains.
Perspektivwechsel: Wieder die Einfahrt eines Zuges. Nur diesmal bewegt er sich nicht auf das Publikum zu. Er bewegt sich mit dem Publikum! Die Kamera wurde auf der Ladefläche der Eisenbahn angebracht und erlaubt dem Zuschauer einen Panoramablick auf die Gegend.
Erstmals ist die Kamera in Bewegung. Erstmals aufgeführt in Lyon, am 15. Februar 1896.
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#19
Geschrieben 17. Mai 2009, 13:26
Frankreich, 1896
Lumière
Regie: Louis Lumière
Produktion: Louis Lumière
Kamera: Louis Lumière
Darsteller: Auguste Lumière
Erstaufführung: 09. März 1896
Filmszene
Inhalt: Auguste Lumière dirigiert den Abriss einer Wand auf dem Betriebsgelände der Lumière-Fabriken.
Hier wurde das Publikum gleichzeitig vergnügt und in Staunen versetzt. Der unspektakuläre Akt eines Mauerabrisses wird dadurch unterhaltsam gemacht, dass besagte Wand sich nach dem Einsturz wie von Geisterhand wieder aufrichtet. Dazu benutzten die Lumières nicht etwa so etwas wie Schnitttechnik, sondern einen noch viel simpleren Trick: während der Vorführung stoppten sie den Projektor und ließen ihn rückwärts laufen.
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#20
Geschrieben 17. Mai 2009, 20:39
Großbritannien, 1896
Robert W. Paul
Regie: Robert W. Paul
Produktion: Robert W. Paul
Kamera: Robert W. Paul
Erstaufführung: 04. Juni 1896
Filmszene
Inhalt: Das Finish des Derbys aus dem Juni 1896.
Das international geführte Wettrennen um die sich letztendlich durchsetzende Film- und Projektionstechnik gewann also Frankreich durch die Lumière-Brüder.
Obwohl Max Skladanovsky mit der Vorführung seines Bioscop im Berliner Wintergarten noch einen Monat schneller war als die Lumières konnte sich seine sich als zu kompliziert in der Produktion und Handhabung erweisende Technik nicht durchsetzen. Der Ruhm ging nach Lyon. Skladanovsky kann sich wenigstens damit trösten, sich als Erfinder des Daumenkinos ins Kleingedruckte der Geschichtsbücher geschrieben zu haben.
Im Reiche Kaiser Wilhelms II. setzte sich ebenfalls der Kinematograph durch. Zu verdanken war dies vor allem dem Berliner Anwalt Leo Leipziger, der im Frühjahr 1896 in Paris auf die „Wundertechnik“ aufmerksam wurde und mit Investoren vorantrieb, die Lumière’sche Erfindung auch in Deutschland einzuführen. Am 16. April wurde in der Stollwerckfabrik in Köln erstmals der Kinematograph der Lumières in Deutschland vorgestellt. Leipziger und Konsorten gründeten in Berlin, Unter den Linden 21, den „Isolatograph“ als erste feststehende Location für Filmvorführungen in Deutschland. Am 26. April 1896 öffnete der „Isolatograph“, wo unter anderem die Filme SERPENTINE DANCE (welche der unzähligen Variationen auch immer), BOXING MATCH, CONTORTIONIST, A PARIS SUBURBAN TRAIN und PARIS STREET SCENE gezeigt wurden. Der „Isolatograph“ sollte jedoch nicht konkurrenzlos bleiben. Ausgerechnet die Lumière-Company selbst eröffnete bereits am 01. Mai 1896 Ecke Friedrichstraße/Mohrenstraße ihr „Cinematographentheater“.
Kreative jedoch waren im Deutschen Kaiserreich noch Mangelware. Im Gegensatz zu England. Dort machte Birt Acres (1854 – 1918) im Frühjahr 1895 bereits beeindruckende Aufnahmen mit dem Edison-Kinetoskopen sowie mit einem eigenen, dem Kinetoskopen sehr ähnlichen Gerät. ROUGH SEA AT DOVER ist einer seiner bekanntesten und noch heute erhaltenen Werke aus der Zeit. Nach dem Siegeszug durch die Lumière-Technik setzte auch Acres auf diese Innovation. Aus dieser entwickelte er zunächst das Eletroskop und ließ sich später (1896) das Kineopticon patentieren. Die Paul-Acres-Camera war die erste Kamera, die jemals im Vereinigten Königreich hergestellt wurde.
Robert K. Paul
Zusammen mit seinem Partner, dem Tüftler Robert William Paul (1869 – 1943) leistete er so bedeutende Pionierarbeit für den Film auf der Insel. Paul stellte am 20. Februar 1896 in London seinen Theatrographen vor, zufälligerweise am selben Tag, an dem die Lumières ihre Erfindung in der englischen Hauptstadt präsentierten.
Als Filmer setzten Paul und Acres vor allem auf gesellschaftliche Ereignisse, womit sie den „Actualities“ Vorschub leisteten, die die Vorläufer zu den später in den Weltkinos beheimateten Wochenschauen bildeten.
So filmte Paul (wie bereits ein Jahr zuvor mit Acres) den Zieleinlauf des berühmten Derby-Pferderennens vom 03. Juni 1896 (gewonnen hat übrigens Persimmon, das Pferd des Prinzen von Wales), entwickelte ihn über Nacht und führte ihn bereits am nächsten Tag im Allhambra Theatre of Varieties am Leicester Square vor.
Bearbeitet von Cine-Phil, 17. Mai 2009, 21:11.
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#21
Geschrieben 18. Mai 2009, 19:43
Frankreich, 1896
Lumière
Regie: unbekannt (vermutlich Louis Lumière)
Filmszene
Inhalt: Parade mit allerlei Getier auf Ostrich-Promenade im Zoologischen Garten von Paris.
Nettes Filmchen mit Pferden, Elefanten und Straußen.
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#22
Geschrieben 18. Mai 2009, 20:16
Frankreich, 1896
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès, Georgette Méliès
Filmszene
Inhalt: Georges Méliès sitzt mit zwei Freunden draußen am Tisch und spielt Karten. Seine Gattin Georgette bringt den Kumpels die Zeitung.
Als sich ein junger forscher Mann Anfang 1896 bei Antoine Lumière, dem Vater von Louis und Auguste nach deren faszinierenden technischer Errungenschaft erkundigte, die er kurz zuvor bei einer der ersten Vorführungen zu sehen bekam, erhielt er von dem alten Herrn nur den gut gemeinten Rat „Das hat doch keine Zukunft! Sie sollten ihr Geld besser anlegen.“.
Zum Glück hörte der junge Mann nicht drauf. Zum Glück für uns alle! Denn ohne ihn wäre George Lucas wohl ein unbekannter Maisfarmer aus Texas und Steven Spielberg vielleicht Museumswärter – und wir hätten heute wohl ganz andere Hobbies. Dieser junge Mann hieß Georges Méliès.
Georges Méliès
Marie-Georges-Jean Méliès, geboren am 08. Dezember 1861 in Paris, war passionierter Zauberkünstler und Festangestellter am renommierten Robert-Houdin-Theater. Noch im Jahr 1895 war er bei einer der allerersten Kinematograph-Vorstellungen zugegen und zeigte sich begeistert von der Apparatur. Schnell schaltete er und erkannte die Möglichkeiten des Apparates, wie er ihn zum Vorteil seiner Magiekunst nutzen könnte. Ihn interessierten weniger die eingefangenen Realitäten der Lumières, das langweilte ihn. Nein, er wollte sein Publikum verblüffen, faszinieren und überraschen. Er gilt damit als Begründer des narrativen Films und nicht von ungefähr als „Zauberer des Films“. Wenn das Kino es zu verdanken hat, sich über die Jahre von der kurzlebigen Jahrmarktattraktion zur anerkannten Kunstform zu emanzipieren, dann ist es vor allem seiner visionären Kraft zu verdanken.
Dem reinen Zufall (oder war es gar Gottes Wille?) machte ausgerechnet Méliès die Entdeckung der Doppelbelichtung, als sich einmal der Film in der Kamera verhakte. Klar, dass das Genie das sofort für seine Zwecke erkannte. Der Special Effect war geboren und Méliès baute es zur Perfektion aus. Ihm ist das Science Fiction-Genre zu verdanken und auch im Horrorbereich war er Pionier.
Da war er zum Zeitpunkt seines ersten Films UN PARTIE DE CARTES aber noch weit von entfernt. Es handelt sich hierbei um ein banales Quasiremake des von mir bereits besprochenen PARTIE DE CARTES von Louis Lumière. Leider ist unklar, warum die Skatbrüder am Ende des Films, als ihnen Georges’ Ehefrau Georgette die Zeitung bringt, in Lachen ausbrechen. Vielleicht erklärte es ja der Narrator bei der damaligen Vorführung – überliefert ist es leider nicht. Recht unspektakulär für uns noch – aber Méliès wird uns noch öfter begegnen.
Ich habe es mir nicht nehmen lassen, bei meinem letztjährigen Paris-Trip das Grab des Meisters auf dem Friedhof Père Lachaise zu besuchen und ihm dort wie auch dem ebendort begrabenen Jim Morrison zu huldigen. Dabei habe ich das Bild geschossen:
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#23
Geschrieben 18. Mai 2009, 21:16
USA, 1896
Edison Manufacturing Company
Regie: William Heise
Buch: nach dem Originalstück The Widow Jones von John J. McNally
Darsteller: May Irwin (Witwe Jones), John C. Rice (Billie Bikes)
Filmszene
Inhalt: Billie Bikes (John C. Rice) verpasst der Witwe Jones (May Irwin) einen saftigen Schmatz auf die Lippen.
In Europa trat der Kinematograph seinen unaufhaltsamen Siegeszug an. In die USA schaffte es die Technik zunächst nicht. Und das hatte einen besonderen Grund: Thomas Alva Edison erwies sich als schlechter Verlierer und nutzte seine exzellenten Beziehungen zur US-Regierung, die die Vorstellung des Lumière-Apparaten in den Staaten verhinderte.
Man darf die Pionierleistungen Edisons für den Film nicht unterschätzen. Sein Kinetoskop war ein entscheidender technischer Durchbruch. Dort schon benutzte er das von George Eastman (nein, nicht dem Man-Eater) entwickelten Zelluloidfilm, während die Europäer noch lange spezielles und sehr empfindliches Fotopapier als Film verwendeten. Doch hier musste sich die Edison Company geschlagen geben und übernahm zähneknirschend die fremde Technik. Dafür fokussierte man sich daraufhin die Bemühungen auf die Entwicklung von Phonographen und Grammophonen, was auch nicht unbedeutend bleiben sollten.
Und der erste wirkliche Skandalfilm ging auf Kosten Edisons. Der von William Heise inszenierte THE KISS stieß auf breite Empörung. Ein für unsere heutigen Verhältnisse äußerst harmloser Filmkuss ließen die ersten lauten Schreie nach Zensur aufkommen. Von Pornographie war die Rede, so etwas intimes wie einen Kuss in aller Öffentlichkeit zur Schau zu stellen ging gar nicht.
Der Einakter basiert auf dem Schlussakt des berühmten Musicals The Widow Jones von John J. McNally, welches für vergleichsweise weniger Aufregung sorgte. Heute ist der Film als „kulturell signifikant“ Bestandteil in der Library of Congress und erhielt Einzug ins National Film Registry.
Bearbeitet von Cine-Phil, 18. Mai 2009, 21:16.
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#24
Geschrieben 18. Mai 2009, 21:55
Frankreich, 1896
Lumière
Filmszene
Inhalt: Zwei Babys sitzen in Hochstühlen. Eines fängt an, das andere zu ärgern und mit einem Löffel zu schlagen, bis dieses heult.
Kinder können grausam sein. Das ist keine neue Weisheit und die Quintessenz dieses kurzen Films, in dem eins von zwei etwa gleichaltrigen Kindern bereits seine Dominanz zeigt. Gewalt scheint Teil menschlicher Natur zu sein. Die Schwachen werden unterdrückt.
Ein weiterer One-Reeler aus der Lumière-Schmiede, der nicht mehr genau datiert werden kann (1895 oder 1896). Unbekannt auch, wer hinter der Realisierung steckt und auch die beiden kindlichen Darsteller sind namentlich nirgendwo erwähnt.
1896 war die Zeit für solche banalen Mitschnitte so gut wie vorbei. In Frankreich beginnt das Medium Kino sich weiter zu entwickeln. Georges Méliès arbeitete bereits an bedeutenden filmischen Experimenten und mit der Gründung der Pathé Freres Company begann die Industrialisierung der Unterhaltung.
Die Gebrüder Pathé – Charles, Émile, Théophile und Jacques gründeten am 28. September 1896 die Société Pathé Fréres und legten damit den Grundstein für die Unterhaltungsbranche. Neben der Produktion und Vermarktung von Filmen konzentrierte sich die Firma auch auf die Verbreitung von Musikaufnahmen. Schellack und Zelluloid machten Pathé zum ersten einflussreichsen Unterhaltungsgiganten. Die heute noch mitführende Konkurrenzfirma Gaumont gründete sich zwar bereits ein Jahr früher, doch war sie zu Beginn noch auf die Herstellung von Phonographen und Grammophonen spezialisiert.
Charles Pathé
Pathé hielt noch jahrzehntelang eine Vormachtstellung in Frankreich und Europa, bis sie in den Zwanziger Jahren in finanzielle Schwierigkeiten gerieten und Charles Pathé sich gezwungen sah, sein Imperium nach und nach zu verkaufen. In den Dreißigern und Vierziger machte man sich vor allem einen Namen mit den Pathé News, dem Pendant zu den deutschen Wochenschauen, die das Kinopublikum mit den neuesten Nachrichten – speziell aus dem 2. Weltkrieg – versorgte. Heute wird Pathé von Jérôme Seydoux geleitet und ist noch immer ein führendes Filmproduktionsunternehmen und Betreiber von Kabel- und Satelliten-TV-Sendern.
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#25
Geschrieben 21. Mai 2009, 21:47
USA, 1896
Edison Manufacturing Company
Produktion: James H. White
Kamera: William Heise, James H. White
Erstaufführung: September 1896
Filmszene
Inhalt: Ein gemeiner Schelm zieht einem arglosen, auf einer Brücke sitzenden Angler die Planke weg, so dass dieser in Wasser plumpst.
Ein dem weltberühmten L’ARROSEUR ARROSÉ nicht unähnliches Lustspiel, dass ganz auf die Schadenfreude des Publikums abzielt. Schon in diesem frühen Film frönen die Amis ihrem Hang zur rohen Gewalt.
Das Werk eines ungenannten Regisseurs (vermutlich Williams Heise oder James H. White) entstand in Fanwood, New Jersey.
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#26
Geschrieben 22. Mai 2009, 20:26
USA, 1896
Edison Manufacturing Company
Kamera: William Heise, James H. White
Erstaufführung: 23. Oktober 1896
Filmszene
Inhalt: Eine Frau und ein Mädchen füttern die Hühner, wobei die bösen Tauben leider schneller sind.
Belanglose Momentaufnahme aus der Edison-Schmiede. William Heise (hier vermutlich auch Regie) hat mit THE KISS und LONE FISHERMAN schon interessanteres verbrochen. FEEDING THE DOVES bildet nach seinen kleinen Inszenierungen eine vorübergehende Rückkehr zu den dokumentarischen Momentaufnahmen.
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#27
Geschrieben 22. Mai 2009, 23:39
Frankreich, 1896
Lumière
Filmszene
Inhalt: Zwei Mädchen füttern Hühner und Enten.
Bleiben wir im Hühnerhof. Der Film, der die Lumière-Katalog-Nummer 14 trägt, bildet wahrscheinlich das Original zu dem eben besprochen Edison-Film. Genauere Erscheinungsdaten fehlen mir aber in beiden Fällen leider.
Regisseur und Kameramann sind nirgendwo genannt. Silent Era vermutet aber Louis Lumière selbst hinter der Kamera und gibt den beiden Lumière-Brüdern Regie-Credits mit Fragezeichen.
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#28
Geschrieben 23. Mai 2009, 00:05
Frankreich, 1896
Lumière
Regie: Alexandre Promio
Filmszene
Inhalt: Geschäftiges Treiben an einer Straßenecke nahe dem Broadway.
Eine Amerikareise konnten sich die wenigsten Franzosen leisten. Umso sensationeller dieser Blick über den großen Teich, der ihnen durch das Kino ermöglicht wurde.
Straßenbahnen und ein beschäftigter Verkehrspolizist lassen die pulsierende Metropole und ihre Atmosphäre erahnen.
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#29
Geschrieben 23. Mai 2009, 00:22
Frankreich, 1896
Lumière
Filmszene
Inhalt: Die Gewinnung von Kohle in einem Schacht im südfranzösischen Carmaux.
Nein, kein früher Drogenfilm. Hier wird mal wieder den fleißigen Arbeitern über die Schulter geschaut. Kurzer, knackiger, interessanter Einblick in vorindustrielle Arbeitsmethoden.
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#30
Geschrieben 24. Mai 2009, 21:17
Frankreich, ca. 1896
Lumière
Filmszene
Inhalt: Löschzüge der Feuerwehr auf dem Weg zum Einsatz auf einer Kreuzung in Lyon.
Auf 1896 wird diese Actuality aus dem Hause Lumière geschätzt. Regisseur unbekannt, vermutlich Louis Lumière.
Action und Dramatik in Kurzform. Feuerwehrkräfte im Einsatz wurden von da an ein beliebtes Motiv für viele frühe Filmemacher.
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