Cine-Phil schreibt Filmgeschichte
#91
Geschrieben 13. Oktober 2009, 00:02
USA, 1902
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter
Kamera: Edwin S. Porter
Darsteller: Charles Manley (Uncle Josh)
Erstaufführung: 27. Januar 1902
Filmszene
Inhalt: Onkel Josh (Charles Manley) wohnt zum ersten Mal in seinem Leben einer Filmvorführung bei. Dabei zeigt er verschiedenste Reaktionen auf die gezeigten Szenen.
Der Spielfilm kristallisierte sich langsam aber sicher dies- und jenseits des Atlantiks als die Hauptattraktion jeder Kinovorführung heraus und degradierte die stets beliebten Actualities zum Beiprogramm mit Informationswert. Wirklich Geld machten die Vorführer nur noch mit fiktiven Werken.
Immer mehr feste Filmvorführstätten öffneten in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende ihre Pforten. In den USA nannte man diese zu Beginn noch Nickelodeons, weil der Zuschauer für einen Nickel Filmspaß geboten wurde. Am 2. April 1902 eröffnete in der späteren Filmhauptstadt Los Angeles das erste Kino der Stadt, das „Electric Theatre“, das Platz für 200 Zuschauer bot. Eine Filmvorführung wurde immer mehr zu einem Gemeinschaftserlebnis. Mehr Zuschauer konnten einen bestimmten Film gleichzeitig sehen und sich damit anschließend über ein und denselben Film austauschen, was vorher durch die sporadische Verstreuung kurzer Filmwerke kaum möglich war.
Eine Unterhaltungsindustrie war schon längst im Entstehen und diese war auch zur Selbstreflexion in der Lage. Ich besprach hier bereits Robert W. Pauls THE COUNTRYMAN AND THE CINEMATOGRAPH aus dem Jahr 1901, welches die Macht des Kinos in Bildern ausdrückte. Bereits zu Beginn des folgenden Jahres sollte ein Remake entstehen.
Edwin S. Porter
Es war (natürlich) die Edison-Company, die in den Staaten das Monopol auf kinematographische Erfindungen hatte und dieses auch kräftig nutzte. Auch hier begann sich der Stellenwert von kreativen Filmwerken zu wandeln. Einer der meistbeschäftigten Kameramänner von Edison und bei jedem Großereignis für seinen Arbeitgeber dabei, war ein Mann namens Edwin Stanton Porter (1870 – 1941) aus Pennsylvania, der mit seinen Regiearbeiten noch Filmgeschichte schreiben sollte und sein berühmtestes Meisterstück im Jahr 1903 ablegen sollte, wozu wir selbstverständlich später noch kommen werden.
Er war es nun, der die amerikanische Neuverfilmung von Pauls Kinoliebeserklärung umsetzen sollte. Dabei griff er auf eine beliebte Figur zurück, die er bereits in zwei früheren Werken verrückte Abenteuer erdulden ließ, die des Uncle Josh, die bereits in UNCLE JOSH IN A SPOOKY HOTEL (1900) und in UNCLE JOSH’S NIGHTMARE von Charles Manley verkörpert wurde.
Für Onkel Joshs erstmaligen Besuch im Lichtspielhaus, das wie in Pauls Original die komplette Bandbreite cineastischer Erlebnisse widerspiegelte, recycelte er alte Edisonaufnahmen wie die beiden 1897 entstanden PARISIAN DANCE oder BLACK DIAMOND EXPRESS, der hier den Part des obligatorischen herannahenden Zuges übernimmt.
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#92
Geschrieben 14. Oktober 2009, 17:08
LE VOYAGE DANS LA LUNE
(dt. Titel: DIE REISE ZUM MOND)
Frankreich, 1902
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Buch: Georges Méliès nach den Romanen De la Terre à la Lune von Jules Verne und The First Men on the Moon von H.G. Wells
Kamera: Lucien Tainguy, Michaut
Darsteller: Georges Méliès (Professor Barbenfouillis), Henri Delannoy (Raketenkapitän), Bleuette Bernon (Frau im Mond), Farjaut (Astronom), Kelm, (Astronom), Brunnet (Astronom), Jeanne D’Alcy, Victor André, Depierre
Erstaufführung: 01. September 1902
Filmszene
Inhalt: Professor Barbenfouillis (Georges Méliès) stellt dem staundenden wie empörten Kongress der Astronomen seinen Plan vor, eine Mondrakete mittels einer riesigen Kanone abzufeuern. Einige wagemutige Wissenschaftler machen sich auf die abenteuerliche Reise zum unbekannten Himmelskörper, auf dem sie auf riesige Pilze und einen griesgrämigen Mondkönig treffen.
Seit nunmehr sechs Jahren drehte Georges Méliès Filme, konnte sich getrost als „Vater der Special Effects“ feiern lassen, schrieb sich ein in die Filmgeschichte mit Pioniertaten in allen erdenklichen Filmgenres und setzte mit seinen Erzähltechniken bis heute gültige Standards. Doch sein ganz großer Tag sollte noch kommen. Im Jahr 1902 setzte er sich sein eigenes Denkmal.
Filmszene
Inspiriert von Jules Vernes Roman De la Terre à la Lune (Von der Erde zum Mond) und H.G. Wells’ The first Men on the Moon (Die ersten Menschen auf dem Mond) brachte er sein Weltraumspektakel hervor, nach dem nichts mehr so sein sollte wie vorher. LE VOYAGE DANS LA LUNE war geboren. Der erste große Welterfolg der Filmhistorie. Mit bisher nie da gewesenem Aufwand, einem Budget von 10.000 Francs, über einem Monat Drehzeit, einer Länge von 257 Metern (was eine Laufzeit von 8 Min. bei einer Abspielgeschwindigkeit von 25 Bildern pro Sekunde bedeutet) und bisher ungekannten Dimensionen an Werbemitteln setzte der Mondtrip zum Siegeszug an.
Nicht nur Méliès machte Reibach mit seinem Aushängeschild. Mitarbeiter der Edison-Kompanie vertrieben beispielsweise Raubkopien des Films in den USA (unter anderem unter dem Titel A TRIP TO MARS).
67 Jahre vor der ersten Mondlandung war der Blick der Menschen auf den unbekannten Erdtrabanten noch reichlich naiv. So wirken denn die Schauspieler, die in ihren barocken Kostümen über die Mondoberfläche wanken und in Pappkulissen auf Riesenpilze und menschenähnliche Mondbewohner treffen, für den heutigen Zuschauer bemitleidenswert amüsant. Jedoch versperrt dies nicht den historischen Blick auf ein Werk, das seinen Schatten bis heute werfen soll. 1902 gab es das Science-Fiction-Genre als solches noch nicht, es kam LE VOYAGE DANS LA LUNE und bis heute kommt kein Weltraumabenteuer mehr ohne durchgängige Special-Effect-Untermalung und Alieninvasionen aus. Méliès schuf ein Korsett, aus dem sich das Sujet nie befreien konnte (oder wollte). Oder wohlwollender ausgedrückt: er hat ihm ein Gesicht, ein Wiedererkennungsmerkmal, gar eine Sprache gegeben.
Das Filmemachen hat sich von LE VOYAGE DANS LA LUNE bis zu AVATAR beträchtlich verändert. Méliès’ REISE ZUM MOND wird jedoch für immer Gültigkeit behalten. Méliès’ Abbildung des Mondmannes wurde zur Ikone. Sie ziert nicht nur den Grabstein des Meisters, es findet sich heute auch als Logo des beliebten Gothic-Festivals M’Era Luna wieder.
Werbeplakat des "M'era Luna"-Festivals 2009
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#93
Geschrieben 14. Oktober 2009, 20:25
Großbritannien, 1902
Mitchell & Kenyon
Produktion: Sagar Mitchell, James Kenyon
Filmszene
Inhalt: Das Commonwealth feiert mit einer Parade die Krönung ihres neuen Königs Eduard VII.
Wie bei der pompösen Beerdigung seiner Mutter Queen Victoria sind selbstverständlich auch bei der offiziellen Thronbesteigung Eduards VII. am 09. August 1902 die Filmkameras dabei.
Ganze eineinhalb Jahre nachdem er die Amtsgeschäfte seiner legendären Mom übernahm wurde mit dieser Prozedur seine Krönung offiziell gewürdigt. Verantwortlich ist die Company Mitchell & Kenyon, die sowohl einige der großen Ereignisse der damaligen Zeit festhielt (der Burenkrieg sorgte für eine kurzzeitige Popularität der Firma) als auch für kleine Spielfilme, aber niemals aus dem Schatten ihrer großen britischen Konkurrenzfirmen treten konnte. Die Firma wurde 1897 von Sagar Mitchell und James Kenyon in Blackburn gegründet und produzierte bis ins Jahr 1913 Filme aller Art.
Im Jahr 1994 fanden Arbeiter beim Abriss eines Geschäftsladens in Northgate, Blackburn Hunderte von Filmrollen. Eine filmhistorisch sensationelle Entdeckung. War das doch nichts anderes als der Großteil des Nachlasses der Firma, der als bisher verschollen galt. Mit viel Aufwand wurden diese in allen Belangen wertvollen Filme restauriert und im British Film Institute archiviert. Das BFI und die Universität von Sheffield wurden für die mühevolle Identifizierung und Katalogisierung der über 800(!) Filme vom Arts and Humanities Research Board ausgezeichnet.
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#94
Geschrieben 14. Oktober 2009, 20:47
Frankreich, 1902
Star Film
Regie: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein Vulkanausbruch.
Nach den Mondkratern widmet sich Méliès den irdischen. Mehr ein Experiment als ein wirklicher Spielfilm, zeigt er zwei Minuten lang einen perfekt inszenierten Vulkanausbruch, der erste vollkommen Animierte der Filmgeschichte.
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#95
Geschrieben 15. Oktober 2009, 02:10
USA, 1903
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter
Produktion: Edwin S. Porter
Buch: Edwin S. Porter
Kamera: Edwin S. Porter
Darsteller: Arthur White (Feuerwehrmann), Vivian Vaughan (Mädchen), James White (Fire Chief)
Erstaufführung: 21. Januar 1903
Filmszene
Inhalt: Ein Feuerwehrmann (Arthur White) wird aus seinen Träumen von einem glücklichen Familienleben gerissen. Feueralarm – er muss ausrücken.
Ambitioniertes Werk von Edwin S. Porter, das nicht zufällig an James Williamsons FIRE! erinnert. Im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen setzt Porter – typisch amerikanisch – auf Dramatisierung der Ereignisse und singt ein Heldenlied.
Dabei zieht er alle filmischen Register. Der Film, der wie noch keiner zuvor Spiel- und Dokumentarszenen vermengte, wurde zum kommerziellen Erfolg und zog nach viele ähnlich geartete Filme nach sich, die freilich nicht ohne einen gewissen Schub Patriotismus auskamen, wie etwa Porters LIFE OFA AN AMERICAN SOLDIER (1904) oder LIFE OF AN AMERICAN POLICEMAN von 1905, den Porter zusammen mit Wallace McCutcheon realisierte.
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#96
Geschrieben 15. Oktober 2009, 20:29
Großbritannien, 1903
George Albert Smith Films
Regie: George Albert Smith
Produktion: George Albert Smith
Filmszene
Inhalt: Ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen spielen Doktor – an einer Muschi.
Ein Film von Komödienmeister George Albert Smith, der eher auf den Niedlichkeitseffekt als auf Lachattacken setzt. Immerhin zeigt er hier wieder virtuos sein gekonntes Spiel und von Perspektivwechseln von nah zu weit.
SICK KITTEN ist G.A. Smiths Remake zu seinem eigenen Film THE LITTLE DOCTORS von 1901, dessen Negativ nach zahlreichen Kopien nicht mehr zu gebrauchen war.
Bearbeitet von Cine-Phil, 15. Oktober 2009, 20:30.
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#97
Geschrieben 15. Oktober 2009, 20:44
(alt. Titel: MARY JANE’S MISHAP; OR, DON’T FOOL WITH PARAFFIN)
Großbritannien, 1903
George Albert Smith Films
Regie: George Albert Smith
Produktion: George Albert Smith
Darsteller: Laura Bayley (Mary Jane)
Erstaufführung: Februar 1903
Filmszene
Inhalt: Die etwas unterbelichtete Hausfrau Mary Jane (Laura Bayley) beweist nicht nur beim Schuheputzen ihre Inkompetenz, sondern auch beim Umgang mit Paraffin.
Zum Abschluss seiner Karriere als Regisseur schickt George Albert Smith seine Frau Laura Bayley in einer schwarzen Komödie über den Jordan. Hiernach nahm er nie wieder im Regiestuhl platz, sondern spezialisierte sich auf die Entwicklung von Farbfilmverfahren.
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#98
Geschrieben 15. Oktober 2009, 22:03
(int. Titel: THE INFERNAL CAKE-WALK)
Frankreich, 1903
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Schnitt: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès (Teufel)
Filmszene
Inhalt: Luzifer (Georges Méliès) springt aus einem Kuchen und zeigt uns seinen Tanz der Teufel.
Es machte Méliès schwer zu schaffen, dass sein großer Hit LE VOYAGE DANS LA LUNE in Amerika keinen Gewinn abwarf. Raubkopien und nicht lizensierte Vorführungen, auch von der Edison-Company, sorgten zu seinem Ärger dafür, dass zwar viele Menschen in den Genuss des Films kamen, er aber nicht gebührend dafür entlohnt wurde.
So eröffnete er im Januar 1903 eine Filiale seiner Produktionsfirma Star Film in New York und machte seinen Bruder Gaston Méliès zum Geschäftsführer. Eine logische Entscheidung, die sich jedoch später als verhängnisvoll herausstellen sollte. Méliès’ Stern begann in den nächsten Jahren zu sinken, wenn auch sehr langsam. Ein Grund war, dass er die fortschreitende Entwicklung der Filmkunst in Europa verschlief, indem er sich darin verbiss, den lukrativen US-Markt mit seinen vielen Nickelodeons knacken zu wollen. Im Weg stand ihm dabei mal wieder Edison, der in den USA sämtliche Rechte und Patente auf cinematographische Geräte hielt und keine Konkurrenz neben sich duldete. Doch der ehrgeizige Méliès wollte nicht aufgeben.
Das führte auch dazu, dass er im Jahr 1903 vergleichsweise wenige Filme inszenierte. Und wenn dann waren sie wenig inspiriert und meilenweit von der Qualität seines „Blockbusters“ LE VOYAGE DANS LA LUNE entfernt. Auch LE CAKE-WALK INFERNAL, der eine reichlich inhaltslose Tanzrevue mit dem Gehörnten bietet und längst nicht zu seinen besten Werken gehört.
Ich weiß nicht so recht, ob Méliès bewusst war, dass der Cakewalk ein von afroamerikanischen Sklaven in den späten Jahren 19. Jahrhunderts erfundener Tanz war, der mit Torten so rein gar nichts zu tun hatte.
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#99
Geschrieben 15. Oktober 2009, 23:24
(alt. Titel: DARING DAYLIGHT ROBBERY)
Großbritannien, 1903
Sheffield Photo Company
Regie: Frank S. Mottershaw
Erstaufführung: April 1903
Filmszene
Inhalt: Ein dreister Einbrecher liefert sich eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mit der Polizei.
Mit solch rasanten Chase Films machte sich die Sheffield Photo Company, zunächst spezialisiert auf Ansichtskarten und Magic Lanterns, von sich Reden. Unter der Regie von Frank Mottershaw, der sein Handwerk als Kameramann bei Robert W. Paul erlernte, entstand ein rasanter und spannender Actionkrimi, der stilistisch sehr viel bei James Williamsons ähnlich gelagerten FIRE! und STOP THIEF! (beide von 1901) abschaute.
Aber auch A DARING DAYLIGHT BURGLARY sollte nicht ohne Einfluss bleiben. Edwin S. Porter leibte sich die Dramaturgie dieses Films ein für sein Meisterstück, THE GREAT TRAIN ROBBERY, der noch im selben Jahr uraufgeführt wird.
Der Film entstand innerhalb von drei Tagen und kostete gerade mal läppische 25 Pfund. Für 50 Pfund verkaufte man die Rechte an die Charles Urban Trading Company, die den Film erfolgreich in die gesamte Welt verkaufte. Zwischen 500 und 600 Kopien ließen sich absetzen, allein über 100 Stück in den USA.
Gespielt wurden die Polizisten von Angehörigen der Sheffielder Feuerwehr.
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#100
Geschrieben 16. Oktober 2009, 20:17
(int. Titel: THE INFERNAL BOILING POT)
Frankreich, 1903
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Buch: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès (Dämon)
Filmszene
Inhalt: Der Dämon Belphegor (Georges Méliès) schmeißt Frauen in seinen Kochtopf, die ihn als Geister heimsuchen.
Méliès bleibt in Teufels Küche. Nach LE CAKE-WALK INFERNAL, in dem der Teufel aus einer Torte springt, um eine Tanzeinlage zu geben wirft er hier alle Weiber in einen Topf. Was nach einem grauenhaften Horrorplot klingt ist durch Méliès fantasievolle, verspielte Umsetzung auch für Kinder erträglich.
LE CHAUDRON INFERNAL gehört zu den wenigen Filmen, die Méliès handcolorieren ließ, hielt er doch selber nichts von der aufwendigen und kostspieligen Technik, bei der Frame für Frame jedes einzelne Bild per Hand angemalt wird. Méliès machte bekanntlich so gut wie alles selbst, so ließ er sich auch nicht diesen ungeliebten Teil der Arbeit abnehmen.
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#101
Geschrieben 16. Oktober 2009, 21:45
(int. Titel: THE MUSIC LOVER)
Frankreich, 1903
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein Musikfreund (Georges Méliès) geht im wahrsten Sinne ganz in seiner Komposition auf.
Kurzer Film mit enorm viel Aufwand, bei der Méliès alle Register seines Könnens zieht. Eine stumme Musicalnummer, die zu den beliebtesten Filmen in Méliès-Repertoire gehört.
Méliès’ Engagement in den USA konnte auch nicht verhindern, dass S. Lubin 1904 eine Raubkopie des Films dort vertrieb.
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#102
Geschrieben 16. Oktober 2009, 22:36
(alt. Titel: THE POACHERS)
Großbritannien, 1903
Haggar & Sons
Regie: William Haggar
Darsteller: Will Haggar Jr. (erster Wilddieb), Sid Griffiths (zweiter Wilddieb), Walter Haggar (Förster)
Filmszene
Inhalt: Zwei Wilddiebe (Will Haggar Jr. und Sid Griffiths) werden von Förstern, Jägern und Polizei durch Wald und Flur gejagt.
Rasant geschnittener Chase Film, der sich von den anderen Filmen seiner Zeit davon abhebt, das Geschehen näher an die Kamera zu holen. Auch die Art, wie Personen aus dem Hintergrund in Richtung Kamera und an der Seite herauszulaufen, um einen dynamischeren Effekt zu erzielen geht auf A DESPERATE POACHING AFFRAY zurück. In einer kurzen Einstellung wird auch ganz unspektakulär ein Mittel eingesetzt, was man bis dato kaum gesehen hat – der Kameraschwenk.
Der Film wurde ein internationaler Erfolg, besonders in den USA, wo man die Chase Films, eine rein britische Erfindung, für sich einvernahm und zu einer eigenen Spezialität perfektionierte, wo es im Slapstick des Kintopp zu seiner Blütezeit gereichte.
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#103
Geschrieben 16. Oktober 2009, 23:20
Großbritannien, 1903
Paul’s Animatograph Works
Regie: Robert W. Paul
Produktion: Robert W. Paul
Filmszene
Inhalt: Zwei Gentlemen spielen Schach. Der Mogelversuch des Einen löst eine wüste Schlägerei unter beiden Männern aus.
Eine bahnbrechende und urkomische Komödie von Robert W. Paul, der hier die „Off-Screen-Action“ etabliert. Das eigentliche Geschehen, hier die Klopperei unter den beiden Protagonisten findet außerhalb des Bildes statt. Nur hin und wieder fliegen Details durchs Bild, die die Auswirkungen der blutigen Auseinandersetzungen zeigen und überlassen so dem Zuschauer die Interpretation der Geschehnisse. Ein Trick, der heute noch so gern verwendet wird.
Bearbeitet von Cine-Phil, 16. Oktober 2009, 23:21.
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#104
Geschrieben 16. Oktober 2009, 23:47
Großbritannien, 1903
Paul’s Animatograph Works
Regie: Walter R. Booth, Robert W. Paul
Produktion: Robert W. Paul
Filmszene
Inhalt: Ein Mann läuft während des Gesprächs mit einer Frau unachtsam auf die Straße und wird prompt von einer Kutsche überfahren.
ACHTUNG SPOILER
Etwas schräger Humor aus dem Hause Paul. Da wird ein Mann in allen brutalen Details von einer Kutsche überfahren, an Ort und Stelle für tot erklärt, um kurz danach wieder fröhlich rumzuhüpfen.
Der Effekt gelingt dem Regiegespann Booth/Paul durch einen einfachen, in der Filmhistorie bis dato oft erprobten Kniff, dem Stopptrick. Die Kamera wird angehalten. Der Darsteller gegen ein Dummy ausgetauscht und weiter wird gefilmt. Der Regiecredit wird zwar Walter Booth (wie Georges Méliès begann er als Zauberkünstler) zugesprochen, man darf aber annehmen, dass Paul hier bedeutenden Einfluss genommen hat.
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#105
Geschrieben 17. Oktober 2009, 00:19
USA, 1903
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter
Kamera: Edwin S. Porter
Darsteller: Edward Boulden (Schuhverkäufer)
Erstaufführung: 12. August 1903
Filmszene
Inhalt: Ein Schuhverkäufer (Edward Boulden) findet Gefallen an einer verführerischen Kundin.
Nein, schwul ist er augenscheinlich nicht, der Urgroßvater von Al Bundy. „Gay“ heißt übersetzt auch einfach „heiter“ und „lustig“.
Eine kurze Burleske von Edwin S. Porter, der hier unverhohlen den Close-Up eines Damenfußes direkt von George Albert Smith und dessen AS SEEN THROUGH A TELESCOPE (1900) abkupfert. Ein Shot, den besagter Smith etabliert, oft benutzte und perfektioniert hat, im britischen Kino schon exzessiv Verwendung fand und von daher bei weitem nicht die aller erste Nahaufnahme der Filmhistorie darstellt, wie uns die IMDB weismachen will.
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#106
Geschrieben 17. Oktober 2009, 01:24
THE GREAT TRAIN ROBBERY
(dt. Titel: DER GROSSE EISENBAHNRAUB)
USA, 1903
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter
Buch: Edwin S. Porter, nach einem Stück von Scott Marble
Kamera: Edwin S. Porter
Darsteller: A.C. Abadie (Sheriff), Gilbert M. Anderson (Bandit / erschossener Passagier / Tänzer), Justus D. Barnes (Bandit, der in die Kamera schießt), George Barnes, Walter Cameron (Sheriff), John Manus Dougherty Sr. (vierter Bandit), Donald Gallagher (kleiner Junge), Frank Hanaway (Bandit), Adam Charles Hayman (Bandit), Morgan Jones, Tom London, Marie Murray (Tänzerin), Mary Snow (kleines Mädchen)
Erstaufführung: 01. Dezember 1903
Filmszene
Inhalt: Eine Bande überfällt einen Passagierzug und macht fette Beute. Doch die Freude über den gelungen Coup währt nicht lang.
„Lieb gut geklaut als schlecht selbst gemacht“ ist das Motto, nach denen man die Filme Edwin Porters genießen sollte. Auf einem Bühnenstück von Scott Marble basierend greift Porter auf Techniken und Dramaturgien zurück, die er sich bei den britischen Sheffield Photo Company-Produktionen THE ROBBERY OF THE MAIL COACH und A DARING DAYLIGHT ROBBERY (beide aus dem Jahr 1903) abschaute, die beide in dem Jahr von der Edison Company in den USA vertrieben wurden. Auch Filme im Westernsetting waren nicht neu. Denkt man da einfach mal beispielsweise an die CRIPPLE CREEK BAR-ROOM SCENE von 1899.
Das 11 Minuten lange (bei einer Abspielgeschwindigkeit von 18 fps) Epos sollte dennoch zu einem noch bedeutenderen Meilenstein werden. Er gab dem amerikanischen narrativen Film, der im Gegensatz zum Europäischen, noch weiter in den Kinderschuhen steckte, ein Gesicht, eine eigene Identität. THE GREAT TRAIN ROBBERY setzte die Standards und begründete die Klischees, ohne die ein Western noch heute undenkbar wäre und stellt somit die Initialzündung für das Genre schlechthin dar.
Gedreht wurde THE GREAT TRAIN ROBBERY im September 1903, ironischerweise an der Ostküste, nämlich an Locations in New Jersey sowie in den Edison-Studios in New York. Gekostet hat der Film $ 150, was heute lächerlich klingt, aber für damalige Verhältnisse reichlich – aber immerhin noch überschaubar – war.
Uraufgeführt wurden die Cowboy-Festspiele im Eden Musee an der 14th Street in Manhattan und trat von dort aus seinen Siegeszug an. Viele Zuschauer und Medien zeigten sich empört angesichts der brachialen Gewaltszenen, die der Film in einer nie da gewesenen Intensität bot. Den Gipfel erfuhren die Gewaltdarstellungen in der berühmten Schlussszene, in der einer der Banditen (dargestellt von Justus D. Barnes) seine Pistole auf das Publikum richtet und abdrückt. Die Edison Company stellte den Vorführern im Übrigen frei, ob sie diesen signifikanten Moment an den Anfang oder an das Ende des Films stellen. In der Regel entschied man sich für den Schluss.
Der legendäre Sch(l)uss
Wundersamerweise befindet sich das Originalnegativ, welches sich in der Kongressbibliothek in Washington D.C. befindet, noch in einem Bestzustand und gibt noch immer gute Kopien her.
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#107
Geschrieben 17. Oktober 2009, 19:08
(int. Titel: THE UNTAMABLE WHISKERS)
Frankreich, 1904
Star Film
Regie: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein Mann (Georges Méliès) malt auf eine Tafel Portraits seiner selbst mit diversen Frisuren und Barttypen, die er dann prompt per Geisterhand an sich selbst trägt.
Ein mit Stoptrick und Überblendung arbeitendes Experiment von Méliès, der schon Bedeutenderes und vor allem bedeutend Unterhaltsameres gezeigt hat.
Bearbeitet von Cine-Phil, 17. Oktober 2009, 19:08.
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#108
Geschrieben 20. Oktober 2009, 00:42
(int. Titel: TCHIN-CHAO: THE CHINESE CONJURER)
Frankreich, 1904
Star Film
Regie: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès (Tchin-Chao)
Filmszene
Inhalt: Der chinesische Illusionist Tchin-Chao (Georges Méliès) zeigt uns seine Bühnenshow, einschließlich verschwindender Dame.
Méliès bleibt sich in diesem Werk weites gehend treu, bringt uns Altbekanntes, nur in anderer Verkleidung. Anders gesagt, man kann eine Gewisse Stagnation in dieser Schaffensphase Méliès’ feststellen. Sicher war er mit seinen faszinierenden Effects immer noch der Führende unter den Filmemachern. Doch die Konkurrenz rückte ihm mit ihren Fortschritten deutlich auf die Pelle.
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#109
Geschrieben 20. Oktober 2009, 01:52
LE VOYAGE À TRAVERS L’IMPOSSIBLE
(int. Titel: THE IMPOSSIBLE VOYAGE; THE VOYAGE THROUGH THE IMPOSSIBLE)
Frankreich, 1904
Star Film
Regie: Georges Méliès
Buch: Georges Méliès, nach dem Stück Le Voyage à Travers l’impossible von Jules Verne und Adolphe d’Ennery
Darsteller: Georges Méliès (Professor Mabouloff)
Filmszene
Inhalt: Professor Mabouloff (Georges Méliès) schockt seine Wissenschaftler mit dem tollkühnen Plan mittels Eisenbahn zur Sonne zu reisen, um den unbekannten Himmelskörper zu erforschen. Tatsächlich macht sich eine wagemutige Gruppe unter seiner Führung auf die abenteuerliche und gefährliche Reise.
Was macht ein genialer Filmemacher, wenn seine Arbeiten nur noch ein Schatten ihrer selbst sind und die Zuschauer ihm scharenweise den Rücken kehren? Genau, er versucht nahtlos an die größten seiner Erfolge anzuknüpfen. So besann sich Méliès auf den riesigen Erfolg seines zwei Jahre zurückliegenden Sci-Fi-Epos’ LE VOYAGE DANS LA LUNE und greift ihn noch mal auf um diesen Schatten zu stellen.
Quasi als Fortsetzung zu seinem „Blockbuster“ gedacht, der ebenfalls auf einem Roman von Jules Verne basierte, schickt er eine Gruppe Wissenschaftler statt zum Mond mal eben zur Sonne. Die Struktur blieb dieselbe, nur der Aufwand wurde immens hochgetrieben. LE VOYAGE À TRAVERS L’IMPOSSIBLE war der spektakulärste Film, den das Publikum je zu sehen bekam. Mit 20 Minuten länger als jeder andere zuvor, publikumswirksame Zutaten wie Action, Humor und Spannung werden multipliziert, jeder einzelne Frame sorgfältig handcoloriert.
Das Pendant zum berühmten Mond aus LE VOYAGE DANS LA LUNE (1902)
Die kühle Kalkulation sollte aufgehen. Die Reise ins Unmögliche wurde ein Publikumsrenner und weiterer Meilenstein in der Filmographie von Georges Méliès. Noch heute (oder gerade heute?) strahlt er eine unglaubliche Faszination aus, die mit Worten kaum zu beschreiben ist. Wenn er in der öffentlichen Wahrnehmung auch immer im Schatten von LE VOYAGE DANS LA LUNE stehen wird, so hat auch dieser nichts eingebüßt und ist ein Spektakel, das nicht nur dem Filmhistoriker vor Verzückung jauchzen lässt.
Es ist nur eine sehr kurze Szene, die stach mir doch ins Auge und blieb in meinem Gedächtnis hängen. Dort wird das U-Boot der Reisenden von einem großen Kraken angegriffen. Ein kleiner Vorgeschmack auf die beliebten Kaijus, die 50 Jahre später von Japan aus die Welt erobern sollten. Auch hier war Georges Méliès mal wieder ein Wegbereiter.
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#110
Geschrieben 22. Oktober 2009, 23:15
Großbritannien, 1904
Paul’s Animatograph Works
Regie: Robert W. Paul
Produktion: Robert W. Paul
Filmszene
Inhalt: Einem Arbeiter reicht der Hungerlohn nicht einmal, um seiner unterernährten Familie wenigstens ein paar Kirschen zu kaufen. Sein Frust ertränkt er im Alkohol.
Nach einer auf einer Kurzgeschichte von John William Kirton basierenden Laterna-Magica-Vorführung setzt Robert W. Paul, sonst eher für Komödien bekannt, im realitätsnahen, trostlosen Setting des armen Proletariats Englands der Jahrhundertwendenzeit eine Genre in Gang, das die Briten im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu ihrer ganz eigenen Spezialität machen sollten – das gesellschaftskritische Sozialdrama. Ursprung der Geschichte ist die 1863 erschienene Kurzgeschichtensammlung selben Namens von John William Kirton.
Ein Fest für Verschwörungstheoretiker: der Protagonist findet Heil im Beitritt in den Templerorden. Das Datum seines Eintritts ist der 23. Mai 1904, seine Mitgliedsnummer hat als Quersumme die 23.
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#111
Geschrieben 23. Oktober 2009, 22:55
(int. Titel: THE LIVING PLAYING CARDS)
Frankreich, 1904
Star Film
Regie: Georges Méliès
Produktion: Georges Méliès
Schnitt: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein Zauberkünstler (Georges Méliès) zeigt uns Kartenkunststücke, bei denen er unter anderen Spielkarten zum Leben erweckt.
Ein beliebter Film aus dem Oeuvre Georges Méliès, der hier wieder das macht, was er am besten kann. Dabei zeigt er allerdings auch deutlich, dass die Tricks eines Illusionisten auf einer Bühne verblüffender sind, als die in einem Film, wenn sich die Effekte leicht durchschauen lassen. Wahrscheinlich ließ sich das zeitgenössische Publikum damit noch in Erstaunen versetzen.
Watchout:
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#112
Geschrieben 27. Oktober 2009, 01:02
Großbritannien, 1904
Williamson Kinematograph Company
Regie: James Williamson
Kamera: James Williamson
Filmszene
Inhalt: Ein Mann ist so sehr in ein Buch vertieft, dass er nicht bemerkt, wie er blindlings in Fettnäpfchen tritt und in Gefahren läuft.
Ob James Williamsons interessanter Film im Jahr 1904 oder 1905 (ich tippe mal Ersteres ins Blaue) entstand, darüber streiten sich die Gelehrten. Unstrittig jedoch ist, dass der Meister der Schnitttechnik hier eine gelungene Situationskomödie geschaffen hat, die mit einem ebenso schwarzen wie irrealen Ende daherkommt und offensichtlich sowohl Charles Chaplin als auch Monty Python als Inspirationsquelle gedient haben dürfte.
Für den Filmhistoriker noch interessanter ist wahrscheinlich ein anderes Ereignis aus dem Jahr 1904. Und das hatte seinen Ursprung in Deutschland.
Oskar Meßter
Der 1866 in Berlin geborene gelernte Optiker Oskar Meßter, der sich schon früh mit der Kinematographie befasste und 1896 seinen ersten Filmprojektor auf den Markt brachte, der technisch dem der Lumières überlegen war. Er baute auch Kameras, drehte Filme (vornehmlich experimenteller Natur) und eröffnete in Berlin an der Friedrichstraße das erste Kino der Stadt.
Am 30. April 1904 stellte der Pionier auf der Weltausstellung in St. Louis unter großem Interesse seiner ausländischen Konkurrenz seine neueste Erfindung vor, die sogenannten „Tonbilder“. Meßter war somit der Erste, der ein (einigermaßen) brauchbares Tonfilmverfahren präsentierte. Seine Apparatur bestand aus einem mit einem Filmprojektor gekoppeltem Grammophon, welche einen synchronen Ablauf von Bild und Ton ermöglichten. Zu diesem Zweck drehte er mehrere Exponate, davon sechs speziell für die Expo in englischer Sprache gefertigte Filme, darunter THE WHISTLING BOWERY BOY. Der zu der Zeit äußerst populäre Song erhielt damit eine Visualisierung, die als Vorreiter der heutigen Videoclipkunst gezählt werden kann.
Meßters Entwicklung setzte sich jedoch nicht durch. Die Tonqualität war noch dermaßen schlecht, dass seine Erfindung nicht in Serie gehen konnte. Der leise Sound, der vom Grammophon kam konnte das laute Rattern des Projektors gar nicht überlagern. Der Weg zum Tonfilm war noch weit, immerhin war der erste Schritt gemacht.
Meßter blieb der Entwicklung von Projektoren und Kameras treu. Er gründete 1913 die Meßter Film GmbH, die 1917 in der UFA aufging. 1930 setzte er sich zur Ruhe. 1943 verstarb er in 77jährig in Tegernsee.
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#113
Geschrieben 27. Oktober 2009, 14:31
USA, 1905
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter
Kamera: Edwin S. Porter
Erstaufführung: 31. Mai 1905
Filmszene
Inhalt: Die Mitglieder einer schrecklich netten amerikanischen Familie und deren Hund.
Eine Handlung zeigt uns Starregisseur Porter hier nicht. Uns werden die Mitglieder der Dam-Familie einzeln vorgestellt, die wie auf Portrait- oder Jahrbuchfotos posieren. Das wirkt eher wie der Vorspann einer Comedyserie als wie ein echter Film.
Tatsächlich war die fiktive Dam-Familie ein in der USA kurz nach der Jahrhundertwende äußerst populäres und medienübergreifendes Entertainmentereignis, vergleichbar mit den Bundys, den Bradys oder den Simpsons, deren Ursprung eine Souvenirkartenserie ist. Nun war es an Porter, die bekannten Figuren und ihre Marotten auf der Leinwand zum Leben zu erwecken. Wirklich verstehen, was das Ganze soll und den Spaß dabei empfinden, kann wahrscheinlich nur, wer a) damals dabei war oder sich schon weitergehend mit der Dam-Familie beschäftigt hat.
Witze aus ihrem unglücklichen Nachnamen zu ziehen (Vati heißt beispielsweise I.B. Dam, die Tochter U.B. Dam) kann jedenfalls auf die Dauer nicht ergiebig gewesen sein.
Wahrscheinlich ist aber einfach nur der erhaltene Print nicht vollständig. Angeblich soll der Film 5 Minuten gehen. Die im Netz gezeigten oder auf diversen DVDs erhaltenen Fassungen gingen grad mal eineinhalb Minuten. Könnte also doch nur der Vorspann eines größeren Werks sein. In dem Fall wäre Porters Werk sogar sehr innovativ, weil Vorspänne in der Zeit noch nicht benutzt wurden.
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#114
Geschrieben 27. Oktober 2009, 23:11
Großbritannien, 1905
Hepworth Film Manufacturing
Regie: Lewin Fitzhamon, Cecil M. Hepworth
Produktion: Cecil M. Hepworth
Buch: Mrs. Hepworth
Kamera: Norman Whitton
Darsteller: May Clark (Kindermädchen), Cecil M. Hepworth (Vater), Barbara Hepworth (Baby), Mrs. Hepworth (Mutter), Lindsay Gray (Zigeunerin), Sebastian Smith (Soldat)
Erstaufführung: 03. Juli 1905
Filmszene
Inhalt: Kurz hat das Kindermädchen (May Clark) mal nicht aufgepasst, da wird auch schon das Baby (Barbara Hepworth) von einer Bettlerin (Lindsay Gray) entführt. Während die Familie verzweifelt, schreitet Hund Rover zur Tat.
Zum ersten – und wahrhaftig nicht zum letzten Mal - in der Geschichte des Kinos ist ein Tier der Held des Films. Ein Collie namens Blair wurde zum Star. Der „Großvater“ von Lassie war kein geringerer als das Haustier der Hepworth-Familie, die hier die Familie darstellt.
Nicht nur darin war RESCUED BY ROVER innovativ. Er verfeinerte auch die britische Schule der ausgefeilten Schnitttechnik, die großen Einfluss auf David Wark Griffith und damit auf das frühe Hollywood nehmen sollte (ja, aus dem Kino überhaupt gar nicht mehr wegzudenken ist). Cecil Hepworth trat ab 1904 in den Hintergrund und operierte hauptsächlich als Produzent und Geschäftsführer seiner Company. Die Regiearbeit überließ er von nun an (offiziell) anderen. Lewin Fitzhamon wurde zum meist beschäftigten Regisseur der Firma und inszenierte diesen Erfolg, bei dem Hepworth persönlich natürlich aber auch noch sehr viel Einfluss nahm.
Auch die Kameraarbeit von Norman Whitton und die ungewohnt gute Ausleuchtung der Sets machten Schule. Die Story ersann Cecil Hepworths Ehefrau und mag das heutige Publikum kaum mehr überraschen, da sie in allen zukünftigen Tiergeschichten bis heute eher nur marginal variiert wurde und ist als erste dieser Art kaum zu überschätzen.
RESCUED BY ROVER wurde so ein großer Erfolg, dass die Hepworths den Film ganze dreimal drehen mussten, weil sich die Originalnegative durch die hohe Kopienanzahl fürchterlich abnutzten. Um in der Erfolgsspur zu bleiben schickte Hepworth im Jahr darauf seinen nächsten tierischen Held ins Rennen – ein Pferd namens BLACK BEAUTY. Zusammen suchten Black Beauty und Rover 1907 ins Abenteuer in DUMB SAGACITY.
Einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde bekam RESCUED BY ROVER als billigster Film, der je produziert wurde. Das Budget betrug gerade mal etwas über 7 britische Pfund.
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#115
Geschrieben 28. Oktober 2009, 01:28
(int. Titel: THE SCHEMING GAMBLER’S PARADISE)
Frankreich, 1905
Star Film
Regie: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein illegaler Spielclub verwandelt sich in Sekundenschnelle in eine harmlose Nähstube und entkommt so der Staatsmacht. Doch die engagierten Ordnungshüter stecken nicht auf.
Witzige Komödie aus dem Hause Méliès. Netter Twist in der Story, der in der Art im Folgenden noch tausendfach kopiert wurde, wobei ich mich auch nicht auf Méliès als „Erfinder“ festnageln lassen würde.
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#116
Geschrieben 28. Oktober 2009, 02:34
(int. Titel: THE MONSTER)
Frankreich, 1903
Star Film
Regie: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein ägyptischer Priester (Georges Méliès) erweckt ein Skelett zum Leben.
Ein kurzer Schritt zurück in das Jahr 1903 zu einem Méliès, den ich leider jetzt erst entdeckt habe. Ein früher Horrorfilm des Meisters, dem hier freilich eher die Belustigung des Publikums im Sinne lag als Angst und Schrecken.
LE DIABLE NOIR
(int. Titel: THE BLACK DEVIL; THE BLACK IMP)
Frankreich, 1905
Star Film
Regie: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès
Filmszene
Inhalt: Ein schwarzer Teufel spielt einem Hotelgast böse Streiche.
Verspielt und witzig mit für die Zeit verblüffenden Effekten. Ein echter Méliès eben.
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#117
Geschrieben 28. Oktober 2009, 20:20
Großbritannien, 1904
Hepworth Film Manufacturing
Regie: Lewin Fitzhamon
Darsteller: May Clark (Kindermädchen), Cecil M. Hepworth (Vater), Barbara Hepworth (Baby), Mrs. Hepworth (Mutter), Lindsay Gray (Zigeunerin), Sebastian Smith (Soldat)
Filmszene
Inhalt: Ein Anstandswauwau verhindert das Techtelmechtel zweier junger Verliebter. Da muss man sich was einfallen lassen.
Nach dem dramatischen Tierabenteuer RESCUED BY ROVER widmet sich Lewin Fitzhamon unter der Hepworth-Flagge leichteren Gefilden. Eine kleine Komödie, die erzkonservativen Moralvorstellungen den Mittelfinger zeigt. Bildlich gesprochen natürlich, THE OTHER SIDE OF THE HEDGE ist eigentlich ganz harmlos.
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#118
Geschrieben 28. Oktober 2009, 22:16
(int. Titel: ALI BABA AND THE FOURTY THIEVES)
Frankreich, 1905
Pathé Frères
Regie: Ferdinand Zecca
Filmszene
Inhalt: Durch Zufall kommt der Araber Ali Baba hinter das Geheimnis einer vierzigköpfigen Räuberbande, die ihre Beute in einer Höhle versteckt, die sich nur mit der Zauberformel „Sesam öffne dich!“ betreten lässt.
Ferdinand Zecca dreht ein Remake seines eigenen gleichnamigen Films von 1901. Er tobt sich auf dem Terrain seines Landsmannes Georges Méliès aus und erzählt eine Märchengeschichte mit Spezialeffekten und irrealen Kulissen. Technisch bedient er sich bei George Albert Smith. Herausheben tut sich ALI BABA ET LES QUARANTE VOLEURS durch den in der Zeit noch nicht sehr üblichen Einsatz von Zwischentiteln.
Die Geschichten aus 1001 Nacht erfreuten sich besonders in der Stummfilmzeit der Beliebtheit der Macher und des Publikums. Alleine das Märchen von Ali Baba und den vierzig Dieben wurde bis 1922 mindestens acht mal verfilmt.
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#119
Geschrieben 28. Oktober 2009, 23:06
Frankreich, 1905
Pathé Frères
Regie: Lucien Nonguet
Inhalt: Durch Zufall kommt der Araber Ali Baba hinter das Geheimnis einer vierzigköpfigen Räuberbande, die ihre Beute in einer Höhle versteckt, die sich nur mit der Zauberformel „Sesam öffne dich!“ betreten lässt.
1905 brodelte es gewaltig in Russland. Zusätzlich gebeutelt durch den Russisch-Japanischen Krieg begehrt die hungernde Bevölkerung gegen Zar Nikolaus II. auf. Als am 22. Januar am sogenannten Petersburger Blutsonntag mehrere hundert Demonstranten von der Armee getötet wurden wurde das Fass zum Überlaufen gebracht. Immer mehr Bürger schlugen sich auf die Seite der Kommunisten, die dringende soziale Reformen im Land forderten. Die Russische Revolution begann. Ein denkwürdiges Ereignis fand am 27. Juni auf dem Kriegsschiff Potemkin statt und sollte künftig als Symbol für den Umbruch dienen, als die Matrosen gegen die zaristischen Befehlshaber meuterten und sich zum Kommunismus bekannten. Trotz der Internierung der Meuterer haben sie ein Zeichen gesetzt und den Zar zum Umdenken bewogen, der dann im Jahr 1907 widerwillig einige Reformen in Gang setzte.
Schnell war auch das Kino dabei, aktuelle Ereignisse in packende Filmstoffe zu verwandeln. Unter Pathé entstand diese dramatische Nacherzählung der Ereignisse auf dem Schiff. Filmisch ist LA RÉVOLUTION EN RUSSIE kein Meilenstein. Er nimmt jedoch das vorweg, was ein weitaus bedeutenderer Beitrag für die Filmgeschichte zwanzig Jahre später noch einmal auf die Leinwand brachte. Sergej Eisensteins BRONENOSSEZ POTJOMKIN (PANZERKREUZER POTEMKIN) sollte zwei Jahrzehnte darauf die Filmsprache neu erfinden. Ich freu mich schon drauf.
Bearbeitet von Cine-Phil, 28. Oktober 2009, 23:11.
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#120
Geschrieben 29. Oktober 2009, 01:03
USA, 1906
Edison Manufacturing Company
Regie: Edwin S. Porter, Wallace McCutcheon
Buch: nach dem Comic Dreams of the Rarebit Fiend von Winsor McCay
Darsteller: John P. Brown
Erstaufführung: 24. Februar 1906
Filmszene
Inhalt: Ein Mann (John P. Brown) schlägt bei einem Gelage etwas über die Stränge und trinkt mehr als verkraften kann. Er torkelt nach Hause und findet irgendwie den Weg ins Bett. Dort treibt dann der Alkohol seltsame Spielchen mit ihm.
Willkommen im Jahr 1906. Schwergewichte im Regiestuhl wurden in dem Jahr geboren: Billy Wilder, Roberto Rossellini, John Huston, Otto Preminger und Carol Reed. Sie alle haben sich ganz sicher etwas von Edwin Porter abgeschaut.
Der legte mit DREAM OF A RAREBIT FIEND den erfolgreichsten Edison-Film des Jahres vor. Der Film basiert auf dem Comic von Winsor McCay, der den Jahre später noch einmal selbst als Cartoon-Reihe auf die Leinwand bannen sollte. Porters Film überrascht durch Witz und entfesselter Kameraführung. Es schwankt und wackelt, Special Effects und Überblendungen visualisieren uns deutlich die Traumsequenzen und halten Einzug in die Filmsprache. Noch nie wurde ein Vollrausch so schön in Szene gesetzt.
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