@Der Aussenseiter
Ich hab's bemerkt (gehöre zu den Leuten, die vor einem Eintrag brav das Filmtext-Register beschnüffeln); und ich akzeptiere selbstverständlich, dass jede/r ein Recht darauf hat, Filme anders zu bewerten, u.U. bei der ursprünglichen Bewertung zu bleiben oder sie oft nach Jahren zu revidieren (ging mir etwa mit Fellinis "Amarcord" so, den ich als Gymansiast in den 70ern regelrecht hasste, weil ich - wie man es heute nennen würde - nicht jeden Hype mitmachen wollte

). Das ist es letztlich, was ein Filmforum spannend macht!
Neuschnee sagte am 18.07.2009, 15:29:
Ich muss zustimmen, dass das free cinema hierzulande im Ggs. zur NV unverdienterweise wenig Retrospektiven-Aufmerksamkeit erhält. Aber kann man das - freilich zugespitzt - so sagen: die Nouvelle Vague ist ein historisch abgeschlossenes Phänomen, das free cinema wirkungsmächtig bis in die Gegenwart?!
Fürs britische Kino gelten Loach und Leigh seit den 80ern als Exponenten des sozialen Realismus mit ganz klarem Bezug zum free cinema. Die Nouvelle Vague hingegen scheint mehr in den USA und Deutschland gewirkt zu haben als in ihrem Ursprungsland.
Bezüglich der individuellen Entwicklung der Filmemacher dieser Generation muss ich sagen, dass Leute
wie Chabrol, Resnais und Rivette meines Erachtens schon lange eher nur noch schale Filme machen, Godard weiterhin sein manchmal prätentiöses manchmal interessantes Anti-Kino. Wie sieht es mit der britischen Generation aus?
Schlesinger hat ja nur ein paar (großartige) Filme in England gemacht, bevor er dann mit Asphalt Cowboy in den USA durchstartete. Was nach The falcon and the snowman kam, hab ich nicht mehr mitbekommen. Richardson ging ja auch nach Hollywood, bei ihm verblasst meine Kenntnis schon nach Ned Kelly. Beide haben sich auf jeden Fall immer weiter Richtung Mainstream bewegt. Gibts da noch wen noch nicht verstorbenes und aktives?
Es hängt, wie mir immer wieder auffällt, davon ab, wie eng man den Begriff "Free Cinema" fasst (manche Leute rechnen sogar Richard Lester und Loach selber - also beinahe das ganze britische Kino seit den 50ern dazu). Wenn man sich berechtigterweise auf die eigentliche "Blütezeit" konzentriert, wären etwa noch Karel Reisz, der mit "The French Lieutenant's Woman (1981) einen bemerkenswerten Film drehte, und Jack Clayton ("The Innocents", 1961, landet früher oder später definitiv in meinem Tagebuch!) dazu. - Aber du hast selbstverständlich Recht: Die grossen Regisseure passten sich zunehmend dem Mainstream an, gaben nach ein paar Auszeichnungen der Verlockung Hollywood nach (eben die fehlende Sprachbarriere) oder landeten beim Fernsehen. Tony Richardson, dessen kongenialen "Tom Jones" ich mir jetzt endlich anschauen darf (!), drehte 1990 sogar eine der peinlichsten Musical-Verfilmungen aller Zeiten: "The Phantom of the Opera". - Insofern war es für den britischen Film nötig und gut, dass er sich immer wieder erneuern konnte, während ich bei den Franzosen schon manchmal den Eindruck habe, sie seien das "Elitäre" (wir sind das grosse Kino mit den grossen, wenn auch immer älter werdenden Stars!) nie so ganz losgeworden, von Belmondo mal abgesehen.

- Die "Nouvelle Vague" hat übrigens auch in der Schweiz Spuren hinterlassen (Alain Tanner); aber darauf komme ich vielleicht bei anderer Gelegenheit zurück.
Bearbeitet von Zodiac, 18. Juli 2009, 17:50.