Wir trampeln auf Zodiac herum
#31
Geschrieben 18. Juli 2009, 17:54
Den Innocents-Beitrag bitte lieber früher als später. Ein Film, den ich auf DVD zäh fand und dessen Potential sich mir erst bei der Zweitsichtung im Kino erschlossen hat.
#32
Geschrieben 18. Juli 2009, 18:08
@ Neuschnee ~ Wenn's bei dir so früh aufhört, dann lass dir gesagt sein: Du beschmutzt dich in keinster Weise, wenn du dir "Who'll Stop The Rain" oder "The Border" anschaust. Im Gegenteil, vielleicht lernst du noch was
#33
Geschrieben 18. Juli 2009, 19:25
Funxton sagte am 18.07.2009, 19:08:
Stimmt! Wobei gerade "The Border" ein wunderbares Beispiel dafür ist, wie man den "Mainstream" ins Kino lockt, um ihm etwas anderes beizubringen als billige Unterhaltung.
Gleichzeitig muss ich mich an dieser Stelle für eine Peinlichkeit entschuldigen, wie sie mir typischerweise unterläuft, wenn ich nach dem Abendessen als alter Mann eigentlich für ein Stündchen ins Bett gehöre : Der von mir erwähnte Film "Phantom of the Opera" von Tony Richardson hat natürlich nicht das Geringste mit der grässlichen Musical-Verfilmung von Joel Schumacher zu tun!
Betet für mich, bevor sie mich rausschmeissen! Verzeiht einer armen, müden Seele!!!
Euer euch liebender
Zodiac
#34
Geschrieben 02. September 2009, 04:05
du tappelst bestimmt nicht ungelenk, vielmehr sind deine Beobachtungen zu The Innocents sehr weitsichtig und präzise. Vielen Dank dafür! Habe mich selbst mit den Unterschieden zwischen der literarischen Vorlage und Claytons Verfilmung intensiv beschäftigt und dabei festgestellt, daß die Rezeption von beiden im Lauf der Jahrzehnte interessante Wendungen nahm. So galt Edmund Wilsons 1934 erschienene freudianische Interpretation der Novelle, die die Geschehnisse eindeutig der Einbildung der Gouvernante zuordneten, lange Zeit als state of the art, bis später einige Leute eine Stelle im Text entdeckten, die zu dieser Deutung im krassen Gegensatz steht, und schlußendlich konstatierten, eine eindeutige Lesart wäre hier von James von vorneherein nicht intendiert gewesen, was ich persönlich auch als wahrscheinlichere Option sehen würde. Der Film hingegen wurde von vielen Leuten auch als eindeutig psychologische Interpretation gesehen, da er die eben erwähnte Textstelle modifiziert -
#35
Geschrieben 02. September 2009, 11:44
#36
Geschrieben 02. September 2009, 15:29
pasheko sagte am 02.09.2009, 05:05:
- Vielleicht machte hier mein Unterbewusstsein (dieses unkontrollierbare kleine Ding) ein wenig auf "fishing for compliments", allerdings mit höchst befriedigendem Ergebnis: Das von dir erwähnte, nur scheinbar unbedeutende Detail zwischen literarischer Vorlage und Film war mir nämlich nie aufgefallen. Es entspricht aber genau jener Ambivalenz, die Henry James nicht nur in den anderen "Ghost Stories", sondern auch im schwer zugänglichen Spätwerk zu erzeugen vermag. - Die Abkehr vom Methodenpurismus, dessen Ausläufer ich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre im rückständigen Basel noch erleben musste (es soll Zeiten gegeben haben, in denen man Forscher, die nicht die "eigene" Methode vertraten, mit dem moralischen Zeigefinger traktierte), war für das Erkennen dieser Ambivalenz von grosser Bedeutung. Sie erwies sich überhaupt für die sich dem Unheimlichen annehmende amerikanische Short Story als sehr ergiebig: Erzählungen wie Hawthorne's im deutschen Sprachraum leider kaum bekannte Salem-Geschichte "Young Goodman Brown" oder Poe's "The Fall of the House of Usher", der Corman's Verfilmung übrigens voll gerecht wird (das Aufsteigen der giftigen Gase im sumpfigen Gebiet, die das Erzählte als nur in halluzinatorischem Zustand Erlebten machen könnten, kommt deutlich zur Geltung), entfalten ihre Wirkung erst recht, wenn man sie auf das Ambivalente hin untersucht. - Als ich noch als "Bruno58" in den "uni-protokollen" herumgeisterte, musste ich eine Userin, die den Neo-Positivisten auf den Leim ging und Poe's "Berenice" ganz auf eine Biographie hin interpretierte, von der wir in Wirklichkeit ausser ein paar Eckdaten nichts Zuverlässiges wissen, zurechtweisen:
http://www.uni-proto...t/189096,0.html
Diese Zeiten sind zum Glück weitgehend Vergangenheit!
The Critic stellt mit Recht die Frage, inwieweit die Kamera die scheinbar psychologische Deutung der Geschichte relativiert. Ich konzentriere mich leider oft zu sehr auf den Plot und lasse Fotographie und Musik eher unreflektiert auf mich wirken, auch wenn sie letztlich die Deutung so sehr beeinflussen. - Dieses "Rausmeisseln" der Gestalten viel mir jedoch gerade in DEN Szenen auf, die die Kinder in einem scheinbar abwesenden Zustand im Vordergrund zeigen (etwa die kleine Flora, die im Pavillon die Melodie summt, oder Miles im von mir reingestellten Bild). Sie wirken dann regelrecht unheimlich, boshaft. - Clayton gibt hier eine Beobachtung exakt wieder, die man oft bei Menschen machen kann, wenn sie etwa eine Diskussion (vielleicht aus Müdigkeit) nicht mehr verfolgen und in eine Art Trance fallen: Ihr Gesicht verändert sich, der starrende Blick wirkt regelrecht beängstigend.
Dies aber nur als Ansatz. Gerade zur Arbeit der Kamera gäbe es sicher noch viel zu sagen!
#37
Geschrieben 02. September 2009, 23:37
#38
Geschrieben 03. September 2009, 01:14
The Critic sagte am 03.09.2009, 00:37:
Ich denke, deine Frage ist ebenso umstritten wie meine Wahl zur Bundeskanzlerin. - Wie du feststellen kannst, blieben bei mir gerade diejenigen Szenen hängen, die die hypnotisch wirkenden Kinder in den Vordergrund rücken (sie erweckten in mir, was eine ganz subjektive Wahrnehmung, vielleicht sogar Wunschdenken war, das Gefühl: Mensch, sind die doch besessen?). - Aber ich habe mir die Gespräche mit Mrs. Grose, die ja ihre Version der Vorgeschichte so moralisch verurteilend (und mit dümmlichem Ausdruck) erzählt, dass Miss Giddens sie regelrecht weiterspinnen kann, auch gemerkt: Die von dir erwähnte Bewegung findet mehrmals statt und endet meist mit der Nahaufnahme von Kerr's Gesicht, das eine beängstigende Entwicklung in den - beinahe "gierigen" - Wahn erkennen lässt. - Lässt uns die Kamera am Ende auf ähnliche Weise im Ungewissen wie Henry James?
Hier wäre wiederum jemand gefordert, der eine ganz andere Sichtweise einbringt - was für den Film spricht!
#39
Geschrieben 03. September 2009, 01:58
#40
Geschrieben 03. September 2009, 02:11
Das Starren der Gouvernante erweckt den Eindruck, als könne sie das Geschilderte sehen.
#41
Geschrieben 13. September 2009, 06:22
#42
Geschrieben 13. September 2009, 12:58
Funxton sagte:
Wenn du dir gerne die Streitereien zwischen Linda und ihrem Ex anhörst, während Robbie Williams "De-Lovely" singt, will ich dich nicht vom Kauf abhalten (auch der das für Porter untypische Duett "True Love" bereichernde Small Talk könnte Anklang finden)...
Zu "Guilty by Suspicion": Ich möchte den Film schon deshalb nicht übermässig kritisieren, weil er sich einer Zeit annimmt, deren Aufarbeitung mir sehr am Herzen liegt. Wie ich deinem Eintrag zu Winkler's Erstling als Regisseur entnehme, warten wir aber wohl beide immer noch vergeblich auf einen Film, der nicht nur gnadenlos mit der McCarthy-Ära abrechnet, sondern insbesondere Hollywood (man kennt ja den Dreck, den die früher auch linken Studiobosse am Stecken hatten) ins Visier nimmt. - Nach "De-Lovely" habe ich mir übrigens "Home of the Brave" (2006), den bislang letzten Film des Regisseurs, gar nicht angetan. Puni äussert sich allerdings ziemlich begeistert. Vielleicht sollte man gelegentlich über seinen eigenen Schatten springen?
#43
#45
Geschrieben 21. September 2009, 20:11
The Critic sagte am 21. September 2009, 18:52:
Über dieses Kompliment würde sich mein greiser Literaturprofessor freuen. Er studierte zuerst in Zürich bei Emil Staiger, der weihevoll die "Kunst der Interpretation" (immanent) für sich in Anspruch nahm und vielen ehemaligen "Nazi-Germanisten" (Wolfgang Kayser etc.) die Unschuldsmethode der Wahl anbot. Anschliessend zog es ihn als Assistent zum Geistesgeschichtler Wilhelm Emrich an die Freie Universität Berlin. - Und da konnte er nicht mehr widerstehen: Das Immanente wurde für ihn erst interessant, wenn man es in einen Kontext einbettete. Er war fortschrittlicher, als manche dachten: Der Weg zu Foucault und Derrida war geebnet; die Problemgeschichte eröffnete sogar einen Zugang zum Reader Response Criticism. - Der Name des Mannes, der eher als Didakt denn als im öffentlichen Diskurs in Erinnerung bleibender Germanist Grösse erreichen wollte: Karl Pestalozzi! Wenn er wüsste, dass ich mich jetzt in einem Filmforum auf ihn berufen darf...
#46
Geschrieben 26. September 2009, 20:26
#47
Geschrieben 26. September 2009, 23:01
#48
Geschrieben 08. Oktober 2009, 01:07
Zitat
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#49
Geschrieben 08. Oktober 2009, 01:59
Tornhill sagte am 08. Oktober 2009, 01:07:
Zitat
#50
Geschrieben 08. Oktober 2009, 07:54
#51
Geschrieben 08. Oktober 2009, 08:52
Well, Ladies an Gents (or whatever you wish to be )! Da werde ich die für mich erreichbaren Shops unverzüglich nach der DVD von "A Cock and Bull Story" abklappern; und - da es sie nicht mit deutscher Tonspur gibt - I shall beg, cry, and threaten. Vermutlich wird mir jedoch ein Redakteur des Schweizer Fernsehens, der sich in seinen "Delicatessen" gerne etwas unbekannterer Filme annimmt, mit einer Ausstrahlung zuvorkommen. Ich wollte wirklich schon immer wissen, wie man Sterne's herrlichen Roman, der sich von nicht zu Ende erzählter Geschichte zu nicht zu Ende erzählter Geschichte spinnt (der Held ist am Ende bekanntlich etwa vier Jahre alt!), wohl für die Leinwand adaptiert - und Winterbottom hat mich schon mit seiner Inszenierung von Thomas Hardy's letztem und deprimierendstem Roman "Jude, the Obscure" sehr beeindruckt.
@Bastro
Super, dass du dir "Tom Jones" besorgen willst (die DVD sollte im Moment billig, wenn auch ohne Zusatzmaterial zu haben sein). Es würde mich interessieren, was du dazu sagst.
#52
Geschrieben 08. Oktober 2009, 23:56
Tom Jones werde ich mir auch mal vormerken. Sieht übrigens für mich sehr nach Kubricks Barry Lyndon aus.
#53
Geschrieben 09. Oktober 2009, 01:40
The Critic sagte am 08. Oktober 2009, 23:56:
Tom Jones werde ich mir auch mal vormerken. Sieht übrigens für mich sehr nach Kubricks Barry Lyndon aus.
Um Gottes Willen! Zwischen Richardson's und Kubrick's Filmen liegen Welten, was neben der unterschiedlichen Haltung der Regisseure (Kubrick strebte bekanntlich Perfektion auch im Detail an) mit der veränderten Situation des Romans im 19. Jahrhundert zu tun hat: Man begann sich als Romanautor ernst zu nehmen, schrieb - damit in den Libraries, in denen sich die Damen die Werke in Teilen ausborgten,Ordnung herrschte - seine "Three Volume Novels" (Emily Brontë tat sich schwer, weil "Wuthering Heights" nur aus zwei "Büchern" bestand) - und wenn auch die grösstenteils mittelmässige Lyrik noch hohes Ansehen genoss --- die Romanciers wurden gelesen. - Dies alles, wie auch die Etablierung des um Genauigkeit bemühten "historischen Romans" durch Walter Scott, musste Kubrick in seiner Verfilmung des Thackeray-Frühwerks berücksichtigen, was "Barry Lyndon" um ein Vielfaches gesellschaftskritischer und sich der Zeit mit technischen Neuerungen annähernder (die Bilder wirken z.T. wie barocke Gemälde) erscheinen lässt. "Tom Jones" ist hingegen wie Fielding's Roman eine herrliche, grandios in Szene gesetzte Gaudi, etwas für einen lockeren Abend.
Ich tat mich seinerzeit mit den ersten 150 Seiten von Sterne's "Tristram Shandy" übrigens auch schwer, tröstete mich darüber hinweg, dass Jean Paul die Erzählform, die sich rein von (auch humorvollen!) Empfindungen leiten lässt, kritisierte. Eine gut kommentierte Ausgabe könnte dir jedoch mit der Zeit Freude bereiten - und denk an eine der anderen Möglichkeiten, sich dem englischen Roman des 18. Jahrhunderts anzunähern: Samuel Richardson's "Clarissa" (eine Jungfrau verteidigt über 1300 Seiten hinweg Briefe schreibend ihr "Häutchen")! Dieses Meisterwerk liess ich neben vielen anderen auch ungelesen hinter mir.
#54
Geschrieben 08. November 2009, 18:09
#55
Geschrieben 08. November 2009, 20:14
pasheko sagte am 08. November 2009, 18:09:
War mir ein Vergnügen, pasheko. Als mir meine englische Kollegin an einem unserer “naughty afternoons” (so nennen wir die Filmsitzungen, an denen uns ihr frommer Gemahl nicht mit Filmen wie “Italienisch für Anfänger” quälen kann) vor kurzem ein paar DVDs aus ihrem Giftschrank unter die Nase hielt, unter denen sich auch der mir aus Kindheitstagen liebe “Topper” befand, sagte ich mir augenblicklich: Endlich ein Gespensterfilm, der auch lustig sein will! Kann ich pasheko vor meinem jämmerlichen Dahinscheiden, das annähernd eine halbe Stunde in Anspruch nehmen dürfte, mit einem schöneren Vermächtnis beglücken? - Meine 4 Milliarden Schweizer Franken bleiben natürlich auf einem geheimen Konto; für den Fall einer nicht unwahrscheinlichen Wiederauferstehung.
#56
#58
Geschrieben 01. Dezember 2009, 18:19
Bearbeitet von hoolio21, 01. Dezember 2009, 18:21.
#59
Geschrieben 01. Dezember 2009, 18:43
hoolio21 sagte am 01. Dezember 2009, 18:19:
Aber hoolio! Das hat doch nicht das Geringste mit dir zu tun. Es ist vielmehr so, dass wir alle gelegentlich mit unerwarteten Problemen konfrontiert werden können, die man nun mal als intensive Eingriffe in unser Leben bezeichnen muss. Ich möchte mich in einem Forum, das der Freude am Film dient, nicht näher darüber auslassen, werde aber versuchen, mein FTB eines Tages wieder aufzunehmen. Man wird mich sicher auch während einer jetzt für mich anbrechenden weniger leichten Zeit immer mal wieder mit Kurzbeiträgen antreffen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass ihr alle weiterhin fleissig lesenswerte Beiträge in eure Filmtagebücher schreibt. Sonst ignoriere ich euch am Ende beleidigt und wende mich einem Forum für fleischfressende Vegetarier zu!
#60
Geschrieben 01. Dezember 2009, 18:49
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