Oskars Filmtagebuch
#151
Geschrieben 18. März 2004, 00:47
Gut, dass ich Fellini nach La dolce vita nicht aufgegeben habe, sonst hätte ich dieses wundersame Stück Film nie kennengelernt. Mag etwas klischeehaft klingen, aber Satyricon entzieht sich wirklich jeglicher Beschreibung. Der Film besteht aus nur partiell miteinander zusammenhängenden Sequenzen, in denen ein junger Mann, der übrigens von einem Engländer verkörpert wurde, die Hauptrolle spielt. Zeit der Handlung ist offensichtlich ... - nun ja, jetzt kommt mein historisches Unwissen zum Vorschein, aber ich habe erkannt, dass es sich bei dem Personen offensichtlich um die alten Römer handelt ... Wenigstens habe ich den freudianischen Unterton verstanden, der sich z.B. in einer Sequenz bemerkbar macht, in der der Protagonist in einem Labyrinth vor einem als Minotaurus verkleideten Mann flieht, der ihn fragt: "Wer bist Du?" Ansonsten war ich nicht wirklich in der Lage, das Geschehen psychoanalysierend zu betrachten, da die atemberaubenden Bilder mich völlig in ihren Bann gezogen haben. Ein surrealistisches Meisterwerk! Und ups, jetzt habe ich doch versucht, den Film zu beschreiben.
#152
Geschrieben 18. März 2004, 01:01
Der Film ist so klever in seiner Prämisse und ich war so hin und weg von der Meisterschaft, die Allen hier an den Tag legt, dass mir erst Tage später einfiel, dass ich doch schon mal eine Mockumentary gesehen habe - nämlich Blair Witch Project (der mir übrigens noch besser gefällt). Die Geschichte, die Allen zusammengezaubert hat, ist so interessant, dass sie auch bei einer misslungeneren Inszenierung immer noch faszinerend wäre. Ich war von dem Film derart verblendet, dass mir erst nach der Sichtung die doch eigentlich offensichtliche phantastische Komponente auffiel, was wieder für Allen spricht. Den Ausgangspunkt der Handlung - dass ein Mensch sich sowohl physisch als auch psychisch seinem/n Nächsten anpassen kann, hat sich Allen wohl auf den Leib geschrieben, dessen bin ich mir sicher - mit seinen unzähligen Neurosen sowie seinem Aufmerksamkeitswahn ist er in der Person des Zelig auf quasi-autobiografische Weise aufgegangen und hat seine Biografie zugleich ad absurdum geführt. So, und jetzt müsste ich endlich mal den Text lesen, den Kasi vor ein paar Tagen gepostet hat.
#153
Geschrieben 18. März 2004, 01:14
Bin ich jetzt übergeschnappt? Oder doch (fast) der Rest der Welt? Selten so einen einfallslos zusammengeklaubten Mief gesehen. Wenigstens habe ich mir aus dem professionellen Bereich bestätigen lassen, dass der Schnitt katastrophal und die CGI-Effekte erbärmlich sind. Solange Filme, die im Gewässer der bierernsten Mediokrität schwimmen als Meisterwerke anerkannt werden, bleibe ich lieber auf meiner einsamen Insel.
#154
Geschrieben 18. März 2004, 01:44
Ach ja, wieder mal einen Woo auf der Liste abgehakt. Angeschaut, und: mäßig spannende Story, viel sinnfreies Geballere, langweilige Zeitlupen-Orgien. Der nächste bitte! (Oder auch nicht? Ach nein, Teil II ist ja auch noch dran.) - Warum sieht Leslie Cheung immer so böse aus?
#155
Geschrieben 22. März 2004, 01:51
Heute hatte ich Besuch, der genauso wie ich noch nie einen Bergman gesehen hatte. Mein diktatorisch gefällter Entscheid, mit The Seventh Seal anzufangen, war wohl im Nachhinein betrachtet richtig. Zunächst einmal muss ich zugeben, dass ich selten derart ausdrucksstarke und geradezu perfekt komponierte Bilder gesehen habe. Ich habe das Gefühl, ein Werk eines Regissuers gesehen zu heben, der es geschafft hat, in jeder Einstellung die Kamera an der perfekten Stelle positioniert zu haben. Während ich mich in diese herrlichen Bilder verliebte, fielen mir die nichtssagenden aus Der Herr der Ringe ein - warum auch immer. Auf eine Zweitsichtung habe ich dennoch keine Lust - der sonstige Inhalt des Filmes berührte mich nämlich nur wenig. Das hochliterarische Drehbuch lenkte mich von den visuellen Kompositionen ab und vermittelte mir trotz seiner enormen Dichte nur wenig Brauchbares. Was es mit der Verknüpfung der Themen Tod und Spiel (ob nun das Brettspiel Schach oder das Spiel der Schauspieler) auf sich hat, werde ich hoffentlich in den Texten, nach denen ich morgen suchen werde, erfahren.
#156
Geschrieben 22. März 2004, 02:03
In diesem Film versucht Fellini, ein - geben wir's doch zu - eher ungewöhnliches Porträt seiner Stadt zu zeichnen. Wie in Satyricon reiht Fellini hier Sequenz an Sequenz und verzichtet auf jeglichen inhaltlichen Zusammenhang. Lediglich ein ominöser junger Mann in weißem Anzug, der wohl Fellini in jungen Jahren darstellen soll (?), schafft eine kleine fortführende Linie durch das Werk. Ungewöhnlich ist dieses Stadtporträt deshalb, weil es in der Wahl seiner Schauplätze und Themata auf wirklich obskure Weise vorgeht. Von einem Fellini würde ich jetzt nicht unbedingt die gewöhnliche Sightseeing-Tour erwarten, aber eine Modeschau für den Papst und seine Helfer zu präsentieren ist wirklich bizarr. Trotz der augenscheinlichen Extravaganz dieser Sequenz hat sie mir mit am wenigsten gefallen. Andere hingegen waren schlichtweg genial - am stärksten haften geblieben ist mir die Theatervorstellung, die auf wunderbar charmante Weise die Ungeduld und Leidenschaft der Italiener offenbart, ohne sich in den altbekannten Klischees zu suhlen. Gut sieht der Film auch aus und wenn Fellini den Film um ein, zwei Sequenzen gekürzt und die Handlung etwas kontinuisiert hätte, wäre wohl daraus ein unvergessliches Meisterwerk entstanden.
#157
Geschrieben 22. März 2004, 02:12
Die ersten 20 Minuten sind eine Qual - die Handlung ist schrecklich wirr und man fühlt sich zwischen all den komischen Charakteren verloren. Damit ist auch keine ausreichende Motivation für die optische Finesse des Filmes gegeben, die ich somit zunächst als recht selbstzweckhaft empfand. Auch im weiteren Verlauf hatte ich Probleme, der Handlung zu folgen -der Teil des Handlungsgerüsts, welcher sich mir ungefähr zur Halbzeit offenbarte, reichte jedoch aus, um mich ohne Gewissensbisse dem hervorragenden Look hinzugeben. Ich bin ja ein Freund satter, kräftiger Farben - deshalb liebe ich Suspiria, und deshalb habe ich mir Tokyo Drifter bis zum Ende angeschaut. Wenn mich jedoch 'Branded to Kill' nicht begeistern kann, dann werde ich Suzuki zunächst einmal aufgeben. Das Werk des absolut großartigen Kinji Fukasaku muss nämlich weiter erforscht werden.
#158
Geschrieben 22. März 2004, 02:23
Diesen Film hatte ich schon einmal vor fast zwei Jahren gesehen - leider in der englischen Fassung. Damals wusste ich noch nicht, wie Klaus Kinski aussah und war fest davon überzeugt, dass er die von Bruno Ganz gespielte Figur verkörperte. Wie Nosferatu dargestellt wurde, fand ich nämlich absolut lächerlich, ganz im Gegensatz zu seinem Antagonisten, der mir sehr überzeugend und deshalb von Kinski gespielt schien. An diesem Qualitätsurteil hat sich auch nach der gestrigen Sichtung nicht viel geändert, außer der Tatsache, dass ich nun weiß, wer wen spielt. Aber mit Kinski werde ich einfach nicht warm; auch in Woyczek gefiel er mir überhaupt nicht. Er scheint in seiner Arbeit gegen eine Darstellung seiner Figur anzukämpfen, er will sie nicht darstellen. Insofern ist er für mich ein schlechter Schauspieler, und ich habe lange mit mir gekämpft, bis ich zu dieser Festellung gekommen bin - man will sich ja schließlich nicht lächerlich machen und sich sicher sein, wenn man derartig Blasphemisches von sich gibt. Der Film selbst ist genial - er schafft eine ganz ungewöhnliche Atmosphäre, die mich in ihrer Reduktion auf absolute Reinheit (so habe ich das empfunden) an Stummfilme erinnert. Wenn Herzog selbst einen Stummfilmnichtmöger wie mich damit begeistern kann, dann hat er etwas Großes erreicht.
#159
Geschrieben 23. März 2004, 09:38
Ich muss zugeben, dass ich Chaplins plumpen Blödeleien nichts abgewinnen kann. Visionär hin, Visionär her - ist Chaplin tatsächlich witzig?
#160
Geschrieben 24. März 2004, 20:26
Ein ganz großer Film, der mich aber gänzlich kalt gelassen hat.
#161
Geschrieben 30. März 2004, 13:02
Zunächst einmal: Auch der zweite Teil der Better Tomorrow-Trilogie ist meines Erachtens weder in formeller noch in inszenatorischer Hinsicht meisterhaft, sondern eher mittelprächtig. Da die Handlung so uninteressant wie vorhersehbar ist, habe ich mein Augenmerk auf die angeblich atemberaubend inszenierten Shoot-outs gelegt. Was an schnell geschnittenen Ballerorgien, die ohne jegliche optische Finesse daherkommen, so spektakulär und wegweisend sein soll, entzieht sich meinem Verstehen. Sie geben jedoch Aufschluss über Woos zweifelhafte Ethik, die er in seinen HK-Filmen (zumindest in denen, die ich gesehen habe) propagiert. Da wird der Mord an Hunderten von Statisten, deren Tod auch noch schrecklich verharmlosend dargestellt wird, mit einem widerlichen Rachedenken der Protagonisten gerechtfertigt. So was verzeihe ich einem James Bond nicht und ein paar Kleinkriminellen, die glauben, auf einmal die Weisheit gepachtet zu haben, erst recht nicht. Wenn ich in einem Film sehe, wie jemand stirbt, dann will ich den damit verbundenen Schmerz sehen und erleiden können - sonst muss sich der Regisseur von mir den Vorwurf gefallen lassen, einem menschenverachtenden Menschenbild zu frönen.
#162
Geschrieben 31. März 2004, 22:53
Natürlich ist es nicht nur legitim, sondenr unerläßlich, die konkreten gesellschaftlichen Bedingungen zu untersuchen, unter denen sich Kieslowski von den sozialen und politischen Themen ab- und den umfassenderen, ethisch-religiösen zugewandt hat. (...) Es ist leicht, seine "Wurzeln" in dem einzigartigen Moment des im Niedergang begriffenen polnischen Sozialismus zu erkennen, viel schwieriger aber ist es, die universelle Wirkung seiner Werke zu erklären, die Tatsache, daß diese an den Nerv von Menschen rühren, die keine Vorstellung vom Polen der achtziger Jahre haben.(...)
Kieslowski wird häufig als ein Regisseur wahrgenommen, dessen Werke verfläscht werden, sobald man sie einer (sozialen, religiösen, psychoanalytischen ...) Deutung unterzieht. Es heißt, man solle sich einfach in die Filme versenken und sie intuitiv genießen, nicht über sie sprechen und dabei Begriffe auf sie anwenden, die ihren Gehalt unweigerlich verdinglichen. Dieser Widerstand gegen die Theorie wird zumeist von solchen Künstlern geteilt, die sich durch theoretische Erklärungen ihrer Werke verletzt oder mißverstanden fühlen und auf dem Unterschied zwischen etwas tun und etwas beschreiben, darüber sprechen, beharren. Der Diskurs des Kritikers oder Theoretikers über die Angst oder die Lust, die in einem Kunstwerk zum Ausdruck kommen, spräche lediglich über diese Phänomene, statt sie unmittelbar darzustellen und sei in diesem Sinne für das Werk selbst völlig irrelevant."
Slavoj Zizek. Die Furch vor echten Tränen. S. 6-8
#163
Geschrieben 31. März 2004, 23:21
Michael Bay hat es geschafft, die angestaubten Konventionen des Buddy-Movies frisch wirken zu lassen, ihnen ein neues Gesicht zu verpassen. Er hat dies zwar mit äußerst primitiven Mitteln bewerkstelligt, die nicht wirklich auf ein außergewöhnliches Künstlertalent schließen lassen, doch kann man es ihm kaum verübeln, nach dem richtigen Rezept gegriffen zu haben, wo doch anscheinend alle im entscheidenden Moment weggeschaut haben.
Bereits der große Raub am Anfang des Filmes ist so gewollt extravagant geschnitten und inszeniert, dass man hier durchaus von einer Tour de Force eines Regisseurs sprechen kann, der trotz seines begrenzten Talents etwas Außergewöhnliches zustande gebracht hat. Es ist das Werk eines Regisseurs, der sich von einem limitierten Budget nicht abschrecken ließ und sein Werk durch diejenigen technische Spielereien, die nichts kosten, aufpeppen ließ. Die Figuren verkommen zu Schablonen und die Handlung zu einem einzigen Vorwand, denn der Regisseur ist hier der Hauptdarsteller - er hat sein dadurch dekomponiertes Subjekt zugleich rekomponiert und die Rolle des Action-Ateurs rekapituliert.
In Zeiten, wo jeder Filmfreak die 101 möglichen Handlungen eines Actioners in- und auswendig kennt, braucht der Auteur-Regisseur sich lediglich um die filmische Arbeit zu kümmern. Alles weitere übernimmt Jerry Bruckheimer.
#164
Geschrieben 31. März 2004, 23:43
Michael Bay wird viel daran gelegen haben, das Genre des Buddy-Movies endlich zu dekonstruieren, anders kann ich mir dieses durch und durch wahnsinnige Werk nicht erklären. Es ist gewissermaßen eine bloß Aneinanderreihung von Episoden, Sketches, klug verpackt in eine Struktur, deren Wert nichtiger nicht sein könnte. Der Film hangelt von Schnittorgie zu Widerwärtigem; angesichts der Tatsache, dass hierfür ein Riesenbudget verpulvert wurde, muss man den Herren Bay/Bruchheimer Mut attestieren.
Und vielleicht auch Vision? Es kommt mir zumindest innovativ vor, die beiden Protagonisten eines in diesem Genre ansässigen Filmes so unsympathisch wie nur möglich zu zeichnen. Ist denn die Szene mit dem 15-jährigen, der die Tochter von Marcus Bernett ausführen will, an seelischer Grausamkeit zu überbieten? Hier sagt uns jemand ins Gesicht, dass er seine Protagonisten für Szenen missbrauchen wird, die unserer Lust an der unglaublichsten Unmenschlichkeit entgegenkommen, ohne Rücksicht auf den Umstand, dass eine solche Szene keinerlei Bedeutung hat - weder für eine genauere Charakterisierung der Protagonisten noch für den weiteren Verlauf der Handlung.
Selbst ein kleines dickes Mädchen kommt nicht ungeschoren davon, die Leiche einer Frau mit silikonbestückten Brüsten sowieso nicht. Es ist der ausgemachte Wahnsinn, den uns hier das vielgeschmähte Duo infernale präsentiert. Bad Boys II ist laut, plump, vulgär und nicht auszuhalten - vielleicht einer der größten Experimentalfilme aus Hollywood seit Natural Born Killers.
#165
Geschrieben 01. April 2004, 00:52
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich nach guten Schauspielern gesehnt (wo doch alles andere so schrecklich uninteressant war). Erschreckend fand ich, dass der Mann vor dem Konzerthaus noch dilettantischer gespielt hat als die Hauptdarstellerin. Man darf aber auch diesbezüglich keine Meisterleistungen erwarten, wenn man für sein Werk ausschließlich kurzlebige Stars polnischer Soap-Operas verpflichtet.
Prädikat: *schnarch*
#166
Geschrieben 01. April 2004, 22:57
Ich habe gerade keine Lust, zu den Filmen, die ich letztens gesehen habe und mit keinem Tagebucheintrag bedacht habe, viel zu schreiben, deshalb mache ich es mir mal leicht und stecke das Gesehene in zwei Schubladen:
Hat mir gefallen:
THE ART OF VIOLIN (Bruno Monsaigneon)
L'HISTOIRE D'ADELE H. (Francois Truffaut)
L'ENFANT SAUVAGE (Francois Truffaut)
THE BIG BOSS (mit Bruce Lee)
ZERKALO (Andrej Tarkowskij)
CRASH (David Cronenberg)
CONVOY (Sam Peckinpah)
HEAVEN'S GATE (Michael Cimino)
IL VANGELO SECONDO MATTEO (Pier Paolo Pasolini)
WILDE ERBEEREN (Ingmar Bergman)
Hat mir nicht gefallen:
DIE DUELLISTEN (Ridley Scott)
GEMINI (Shinya Tsukamoto)
THE KILLER ELITE (Sam Peckinpah)
#167
Geschrieben 01. April 2004, 23:18
"Einer dieser Filme, die ich hervorragend finde, ohne sie zu mögen." (Der Außenseiter)
Nun habe ich Eraserhead zum ersten Mal im korrekten Bildformat gesehen - der DVD-Rip, den man bei Kazaa findet sowie die Uk-DVD sind im Vollbildformat - und es hat mir nicht wirklich etwas gebracht. Nun gut, die Bildkompositionen sehen natürlich noch durchdachter und schöner aus und ich habe mit einigen Bildelementen, die in der Vollbildversion nicht zu sehen sind, Bekanntschaft geschlossen. Was bleibt, ist der schale Nachgeschmack einer Sichtung, die von ernstzunehmenden Konzentrationsstörungen dominiert wurde. Normalerweise schiebe ich so etwas immer auf meine Müdigkeit, doch diesmal war ich ausgeschlafen und topfit. Trotzdem schweiften meine Gedanken immer wieder ab, so dass ich nach meiner nunmehr fünften Eraserhead-Sichtung ohne Gewissensbisse behaupten kann, dass ich dem Film nichts abgewinnen kann.
Die Szenen mit dieser sonderbaren Frau hinter dem Heizkörper sind die einzigen, die mich begeistert haben.
#168
Geschrieben 06. April 2004, 20:38
"Was passiert also, wenn der Wechsel von subjektiven und objektiven Aufnahmen keinen "Naht"-Effekt erzeugt? In diesem Fall tritt die Funktion des "Interface" in Kraft. Erinnern wir uns an die Bühne bei Kanes Wahlkampfveranstaltung in CITIZEN KANE: Hinter der Figur Kanes befindet sich ein riesiges Plakat mit einer Aufnahme Kanes, als würde der "reale" Kane durch seinen gespenstischen Schatten verdoppelt. Begegnet uns dieses Phänomen heutzutage nicht bei fast jeder großen politischen Versammlung und Konzertveranstaltung? Während der Sprecher oder Sänger kaum wahrnehmbar ist, befindet sich über ihm ein gewaltiger Videobildschirm, auf dem noch der entfernteste Zuschauer ihn sehen und mit der (verstärkten) Stimme in Verbindung bringen kann. Das Unheimliche daran ist, daß der Vortragende (Politiker, Schauspieler, Sänger) bereits die Tatsache berücksichtigt, daß seine Mimik und Gestik auf die Leinwand übertragen wird, die zwischen ihm und seiner öffentlichen Rede vermittelt; das Ereignis ist also zugleich "direkt", "live" (die Leute geben Unsummen aus, um Pavarotti "live" zu sehen, obwohl sie praktisch die ganze Zeit auf eine Leinwand starren) und technisch repoduziert, wobei die Bildqualität in der Regel noch schlechter ist als auf einem normalen Fernsehmonitor ... Die Frage: "Wer von den beiden ist realer?" ist keineswegs müßig: Das Bild auf der Leinwand ist gewissermaßen der Garant dafür, daß der Betrachter tatsächlich Zeuge eines "realen" Ereignisses ist."
#169
Geschrieben 06. April 2004, 21:12
"Kieslowski verstand es meisterhaft, den Betrachter in einer alltäglichen Szene auf die Dimension des Interfaces aufmerksam zu machen - ein Teil der monotonen Realität fungiert plätzlich als "Tür der Wahrnehmung", als Schirm, durch den eine andere, rein phantasmatische Dimension sichtbar wird. Eine der Leistungen Kieslowskis ist es, daß er diese magischen Momente des Interface nicht mit Hilfe der üblichen "Gothic-Effekte" (Gestalten im Nebel, Zauberspiegel usw.) in Szene setzt, sondern als Teil der Alltagsrealität, etwa in Dekalog 6. Die kurze Szene im Postamt, in der sich Maria, die Hauptfigur des Films, über die Geldanweisungen beschwert, ist so gefilmt, daß wir mehrmals unmittelbar vor uns in Nahaufnahme eine Person sehen und, hinter ihm oder ihr, auf einer Glasscheibe, die die Angestellten von den Kunden trennt, ein überlebensgroßes Spiegelbild des Gesichts eines anderen Menschen, mit dem sich die Person, die wir direkt vor uns sehen, unterhält: Mit diesem einfachen Verfahren wird die gespenstische Dimension einer äußerst schlichten Szene (Kunden, die sich in einem heruntergekommenen osteuropäischen Postamt über den schlechten Service beklagen) vergegenwärtigt."
Ich habe diesen Moment ganz anders empfunden: Tomek, der junge Postbeamte, ist ja in Magda, die sich auf der Glasscheibe spiegelt, verliebt. Ihr Gesicht ist aufgrund ihrer Unerreichbarkeit für Tomek überlebensgroß dargestellt; die Idee des "Gespenstischen", die Zizek ausformuliert, gefällt mir eigentlich, nur sehe ich das Gespenstische wiederum durch die Unerreichbarkeit Magdas motiviert. Ein Gedanke kam mir noch, schon während meiner zweiten Sichtung: Magdas Gesicht wird sehr nah an Tomeks Gesicht gespiegelt - die beiden sind zu diesem Zeitpunkt noch unvereinbar, auch wenn Tomek, dessen Körper in der Einstellung konsistenter ist, als Initiator der zukünftigen "Beziehung" anzusehen ist.
#170
Geschrieben 06. April 2004, 21:24
Das ist also Viscontis Erster, mein erster Visconti und obendrein ein erstklassiger Film! Ein ganz eigenartige Atmosphäre hat OSSESSIONE, in dem sein Regissuer mit einfachsten Stilmitteln arbeitet und dennoch sehr modern wirkt. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich gerade einen Film von 1943 gesehen hatte, so unverblümt und glaubwürdig wird das Liebesleid der beiden Protagonisten dargestellt, was man ja von den meisten Filmen mit ähnlicher Thematik, die zur damaligen Zeit enstanden, nicht gerade behaupten kann. Ich kann nur hoffen, dass sich ein ordentliches Label einer besseren Veröffentlichung annimt, denn die französische DVD ... das war ja wohl nix.
#171
Geschrieben 06. April 2004, 21:34
Mit diesem Film vergeht die Zeit wie im Fluge. Ich kann mir weder vorstellen, dass es möglich ist, ein gelungeneres Drehbuch zu schreiben, noch glaube ich, dass man aus einem solchen Drehbuch einen uninteressanten Film machen könnte. Selbst für mich, wo ich doch (leider) ein solcher Wort(=Bücher)feind bin, sind die Dialoge ein literarischer Hochgenuss, zumal wenn sie von derart engagierten Schauspielern wie Jack Lemmon und Shirley MacLaine vorgetragen werden, die jeden Satz mit einem Sinn für das Außergewöhnliche vortragen. Im direkten Vergleich zum Appartment ist "Some like it hot" geradezu langweilig ... den besseren Schlusssatz hat ersterer sowieso: "Shut up and deal."
#172
Geschrieben 06. April 2004, 21:46
Der Regisseur wird wohl einen triftigen Grund für die häufigen Musikeinlagen gehabt haben, die aus diesem Blaxploitation-Klassiker beinahe ein Musical machen. Er wird wohl gewusst haben, dass sein Werk ansonsten nur wenig von Belang bietet, häufig geradezu ins vollkommen Belanglose ausartet. SUPERFLY ist ein Film, wie er mittelmäßiger nicht sein könnte.
#173
Geschrieben 06. April 2004, 21:52
Welles Aussage zufolge ist THE STRANGER sein schlechtester Film. Wenn er so etwas für schlecht erachtet, dann stört mich das nicht sonderlich. THE STRANGER ist nämlich hervorragende Thriller-Ware für Hitchcock-Fans wie mich; auch wenn darauf hingewiesen werden muss, dass der Film nicht die Schönheit und visionäre Kraft eines THE LADY FROM SHANGHAI aufweist.
#175
Geschrieben 30. April 2004, 16:19
... habe ich nach ungefähr 30 Minuten und 12 Folgen abgebrochen. Anscheinend hatte Greenaway mit dem Dreh dieses Filmes das (gewiss nicht grundsätzlich niederträchtige) Ziel, einen gänzlich ungoutierbaren, stinklangweiligen Film zu drehen. Des Absurdität von "The Falls" wirkt zu aufgesetzt und unmotiviert, als dass man in ihr aufgehen könnte.
Das Erzählprinzip: In 92 Abschnitten, deren Laufzeit insgesamt stattliche 185 Minuten beträgt, wird das Leben von 92 Leuten näher beleuchtet, die von dem sogenannten VUE (Violent Unknown Event) betroffen sind und deren Nachnamen stets mit "Fall" beginnen. Die ersten 12 Abschnitte bestehen aus absolut redundantem Gebrabbele ohne Sinn und Zusammenhang, und da ich kaum glaubte, dass sich die restlichen 80 "Minibiographien" von dieser anfänglichen Öde unterscheiden würden, brach ich die Sichtung kurzerhand ab. Schade einerseits, da mir "The Pillow Book" durchaus zu gefallen wusste und ich deshalb, nachdem mir ja "The Cook, the thief ..." derart missfiel, Greenaway keinesfalls aufgeben wollte und ich nun für's erste überhaupt keine Lust mehr habe, mich mit einem weiteren Film von ihm auseinanderzusetzen.
Interessant finde ich folgendes Imdb.com-Review des Users pablocerone; es scheint tatsächlich Leute zu geben, die sich von Filmen etwas anderes als Unterhaltung erhoffen, nämlich ein Ventil zum Ablassen ihrer ach so intellektuell bedingten Wut:
Zitat
#176
Geschrieben 30. April 2004, 16:44
Mit INSOMNIA hat sich Chris Nolan einen Platz in meinem Herzen erobern können; mit MEMENTO, dessen Erzählstruktur mir schon bei der zweiten Sichtung ziemlich überflüssig schien, anfangs auch. Geblieben ist jedoch die Hochachtung vor MEMENTOs handwerklicher Brillanz.
Nolans Debütfilm FOLLOWING kann leider auf keiner Ebene mit MEMENTO, und schon gar nicht mit INSOMNIA, mithalten. Die Ausgangsposition finde ich jedoch extrem spannend: Ein einsamer, arbeitsloser und (natürlich) künstlerische Ambitionen hegender Mittzwanziger folgt fremden Leuten - er gibt vor, dies aus seinem durch seine schriftstellerische Tätigkeit bedingten Interesse an Menschen zu tun; schnell wird jedoch ersichtlich, dass er einfach ein armer Wicht ist, der jeden erdenklichen Konktakt zu den ihn umgebenden Menschen aufrecht erhalten will, auch wenn er dies auf diese eher ungewöhnliche Art und Weise tut. Nach ca. 15 Minuten geschieht etwas, was sowohl Bills (so der Name des Protagonisten) Leben als auch (leider) die Handlungsrichtung verändern wird: Eines seiner "Opfer" merkt, dass es von ihm verfolgt wird und spricht ihn daraufhin an. Es stellt sich heraus, dass das Opfer, "Cobb" (der, so werden wir am Ende erfahren, in Wirklichkeit anders heißt), in fremde Wohnungen einbricht - wohlgemerkt nicht aus finanziellem Interesse, sondern um sein anscheinend ebenfalls trostloses Leben mit Adrenalinkicks auszufüllen. Er überredet Bill, ihn auf seinen Raubtouren zu begleiten. Von diesem Moment an verlässt der Film das anfangs angerissene psychologische Feld und flüchtet in eine längst nicht so interessante Geschichte von zwei psychotischen Einbrechern, von denen einer am Ende übelst betrogen wird ...
Die formale Gestaltung des Filmes wirkt noch viel unnötiger und gewollter als in MEMENTO und enttäuscht leider auch durch eine äußerst langweilige Inszenierung. Warum der Film in schwarzweiß gedreht wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären - vielleicht wollte Nolan in die Fußstapfen solcher (zumindest in visueller Hinsicht) Visionäre wie Lynch, Tsukamoto und Aronofsky treten. Hierzu fehlte ihm (zumindest damals) allein schon das handwerkliche Können dieser drei Regisseure, deren Debütfilme ich wohlgemerkt nicht allzu sehr mag. Dies scheint er gewusst zu haben und hat hier, ähnlich wie in MEMENTO, mit einer (halbwegs...) komplexen Erzählstruktur experimentiert - deren Sinn und Zweck sich mir entzieht. MEMENTO hatte für seine verkehrte Erzählrichtung wenigstens ein der geistigen Krankheit des Protagonisten zu verdankendes Alibi, welches anscheinend die halbe Filmwelt zu überzeugen wusste. FOLLOWING hingegen fällt nicht nur in dieser, sondern in fast jeder Hinsicht durch.
#177
Geschrieben 03. Mai 2004, 01:14
Schade! Der zweite Anlauf hat so einiges, wenn nicht fast alles, von meiner Liebe zu diesem Film verschwinden lassen. Das Gefühl, welches ich jetzt empfinde, ist in etwa mit der Enttäuschung nach meiner dritten Sichtung von FIGHT CLUB vergleichbar. Auch dieser gehörte zunächst einmal zu meinen Lieblingsfilmen, was sich schlagartig änderte, als ich nach wochenlanger Auseinersetzung in ihm plötzlich bloß einen langweiligen, in seiner Provokation äußerst berechnenden Trostfilm für juvenile Taugenichtse sah - was leider nach dem heutigen Abend auch auf MAY übertragbar ist. Ich kann gar nicht glauben, wie geblendet ich bei meiner ersten Sichtung von MAY gewesen sein muss. Zunächst einmal ist mir heute aufgefallen, wie dürftig und geradezu minimalistisch in ihrer Aussage die Motive für Mays Transformation in die "Schneiderin des Todes" (so der grenzdebile Untertitel der deutschen Verleihversion) sind. Durch welche Mittel erfahren wir denn von Mays geistiger Verwirrtheit? Durch ihre sonderbaren Kopfzuckungen, in die auch ich mich als 15-jähriger flüchtete, um meine Umgebung von meiner pubertätsbedingte Identitätskrise zu überzeugen? Oder doch durch ... ja jetzt wollte ich noch etwas aufzählen, aber mir fällt nichts ein (- oder ist dem Regisseur nichts mehr eingefallen?). Ich sehe schon, MAY ist psychologisch ungefähr so sorgfältig ausgearbeitet wie ein SAVING PRIVATE RYAN, in dem Spielberg ganz auf Tom Hanks zitternde Hände vertraut, um die zerstörerische Wirkung des Krieges auf die menschliche Psyche darzustellen.
Fast alles, was den heutigen Kultfilm für derangierte Jugendliche ausmacht, ist in diesem Film vereint: Hochstylische Photographie (die mir zugegebenermaßen gut gefallen hat), ein einsamer, psychotischer und neurotischer Protagonist, ein hipper Independent-Score, eine klischeebeladene Auseinandersetzung mit Einsamkeit und geistigen Komplexen etc. etc. etc.
Was bleibt, ist die Erinnerung an meine verflossene Liebe zu diesem Film.
#178
Geschrieben 03. Mai 2004, 01:27
A BOUT DE SOUFFLE hatte ich mal vor zwei Jahren gesehen und für lediglich bedingt interessant befunden - allerdings stand ich damals am Anfang meiner Filmleidenschaft, so dass ich eine Revidierung dieses Urteils nicht ausschließen will. LE MÉPRIS hingegen möchte ich dezidiert als eine meiner unangenehmsten Filmerfahrungen bezeichnen. Der Film ist eine staubtrockene, streng akademische Auseinandersetzung mit den kommerzbedingten Identitätsproblemen des ambitionierten Künstlers in der heutigen Zeit. Was Godard hier zur Sprache bringen will, ließe sich auch viel einfacher und mit kleinerer Geste erzählen - doch nein, er muss die ganz große Intellektuellen-Schiene fahren und lässt in seinem Werk meiner Meinung nach jeglichen Spaß am Filmegucken missen.
Aber ich will gar nicht lange drumrum reden und ganz ehrlich sowie kurz und knapp sagen, was ich von diesem Film halte: Wenn uns jemand etwas Konkretes mitteilen will, dann soll er eine Rede halten oder einen Text schreiben und nicht ein zweistündiges Ärgerniss schaffen, welches mit dem eigentlichen Wesen der Form, in der er es geschaffen hat, fast nichts mehr zu tun hat. LE MÉPRIS ist ein höchst unangenehmer Film, er hat mir rein gar nichts gegeben.
#179
Geschrieben 03. Mai 2004, 01:35
Erstaunlich, dass Tsukamoto nach seinem experimentellen Body Horror-Kracher TETSUO sich ausgerechnet für einen trashigen, ja fast schon banalen Stoff, wie HIRUKO THE GOBLIN eben einer ist, entschied. Ich kann es ihm allerdings nicht verübeln, so viel Freude hat mir sein Film bereitet.
Die erste Hälfte ist ganz vorzüglich: Eine School Horror 08/15 Geschichte, tadellos und mit sicherer Hand inszeniert, mit herrlich naiver Synthie-Mucke unterlegt und, um nicht allzu konventionell daherzukommen, mit schlechten Scherzen und surrealen Traumsequenzen ausgefüllt. Die zweite Hälfte verliert leider deutlich an Tempo und verlässt sich zu sehr auf die gewohnte Darstellung von Gewohntem, so dass man letztendlich nicht von einer Trashgranate sprechen kann. Ein vergnüglicher Geheimtipp ist HIRUKO THE GOBLIN jedoch allemal.
#180
Geschrieben 03. Mai 2004, 01:52
Dieser Film wächst mir jeder Sichtung, dessen bin ich mir sicher. Am Anfang hatte ich zugegebenermaßen mit eklatanten Verständnisproblemen zu kämpfen und musste nach 10 Minuten abbrechen. Der zweite Anlauf dauerte gerade mal 20 Minuten. Erst die dritte Sichtung verlief ohne Störungen und bis zum Ende des Filmes.
Ein ganz großer Verdienst Bergmans ist, einen surrealistischen und höchst selbstreflexiven Film zu drehen, der in keinem Moment auch nur ein bisschen prätentiös wirkt. Alles wirkt wie aus einem Guss, selbstverständlich - einfach meisterhaft. Mit Liv Ullmann, die ich in diesem Film übrigens sensationell erotisch finde, kann ich mich identifizeren. Von Zeit zu Zeit verspüre auch ich dieses Bedürfnis, mich stumm zu stellen; zum einen, weil mir in diesen Augenblicken jedes geäußerte Wort wie eine dreiste Lüge vorkommt, zum anderen, weil ich mich manchmal niemandem mitteilen will, das Recht auf Einsamkeit und Nonkommunikation einfordere. Letztendlich kommt auch Ullmanns Charakter nicht umhin, ein paar Worte zu äußern - und was für welche: "No, don't!" Das ist alles, was sie uns in PERSONA zu sagen hat - wie schrecklich. Sie tut dies übrigens, um Bibi Andersson davon abzuhalten, ihr wehzutun.
Interessant finde ich, dass Bergman an mehreren Stellen nahelegt, dass die beiden Frauen sich ähnlich, wenn nicht gar identisch miteinander sind. Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht nachvollziehen, aber es ist auf jeden Fall wert, diesen Umstand in Zukunft genauer zu untersuchen. Was ein willentlich stummer mit einem unentwegs sprechendem Menschen zu tun hat, das ist doch eine interessante Frage.
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