I'm so tired of being admired all the time...
#31
Geschrieben 16. Februar 2004, 14:49
Da ist er also der große Überraschungserfolg des Jahres 2003, endlich mal wieder ein Musikfilm, der sich nicht mit Hip Hop beschäftigt sondern dem guten alten Rock widmet. Mit Jack Black dazu noch ein Komiker in der Hauptrolle, der sein Handwerk sichtlich versteht. Doch trotz des guten Hauptdarsteller und der zahlreichen Anspielungen auf Rock-Bands (alleine die Kostüme beim abschließenden Auftritt beim „Battle of the Bands“ sind in dieser Hinsicht ein voll Genuss) will der große Humor nicht aufkommen. Ob es ausschließlich an der deutschen Synchronisation liegt, die sicher einige der Gags zerstört, wie filmbesprechungen.de - Rezensent Jens Hamp (Kritik hier einsehbar) richtig erkannt hat, wage ich dabei aber zu bezweifeln. Auch so fehlt dem Film einfach bisweilen der richtige Drive und Schwung. Außerdem setzt der Film ein in der Öffentlichkeit weitverbreitetes Phänomen bei der Betrachtung von Rockbands fort: Dem Bassisten wird keine Aufmerksamkeit gewidmet. Gitarrist, Keyboarder und Schlagzeuger haben alle kleine Problemchen, bei denen Jack Blacks Charakter für Abhilfe sorgen muss, nur die Bassistin ist immer still im Hintergrund, genauso wie der Bassist bei vielen Bands in der Öffentlichkeit betrachtet wird. Und das ärgert mich jedes Mal, da ich persönlich den Bass für enorm wichtig halte.
Das ist zwar nur ein kleines Ärgernis und nicht der Grund, warum ich den Film nur durchschnittlich fand, aber es ist ein Ärgernis. Und so bleibt als Fazit: Kann man anschauen, muss man aber nicht! Endlich mal wieder Rockmusik im Kino, aber sonst wird nichts weltbewegendes geboten!
Zum Schluss bleibt zudem noch die Gewissheit, dass ich wenn ich in München wohnen würde, noch seltener ins Kino gehen würde, als ich es ohnehin schon tue. Unverschämte Kinopreise!
#32
Geschrieben 18. Februar 2004, 18:12
Für viel Aufsehen sorgte der kleine Independent-Film „Bend it like Beckham“ der in Kenya geborenen, in England lebenden Regisseurin Gurinder Chadha („Picknick am Strand“, „What’s Cooking“) rund um ein indisches Mädchen, welches davon träumt den Ball so um die Freistoßmauer zwirbeln zu dürfen, wie ihr großes Idol David Beckham.
Doch bevor Jess (Parminder K. Nagra), jenes indische Mädchen, dies machen kann, muss sie viele Probleme überwinden. Denn in der strengen indischen Familie spielen Frauen kein Fußball, sondern lernen das Kochen und warten auf den richtigen Mann, so sollen es auch Jess und ihre ältere Schwester Pinkie (Archie Panjabi). Während Pinkie sich vordergründig mit den strengen Sitten der Mutter (Shaheen Khan) anfreundet, und sich nur heimlich für vorehelichen Sex aus dem Haus schleicht, rebelliert Jess mehr oder weniger offen und nutzt jede Möglichkeit um mit den Jungs im Park zu kicken.
Spätestens als die Hochzeit der Schwester vor der Tür steht, beschließen Mutter und Vater (Anupam Kher), dass es mit Jess nicht mehr so weiter gehen könne und das Fußball nun endgültig Tabu sei. Doch gerade hat Jess mit Jules (Keira Knightley) eine neue Freundin gefunden, mit der sie ihr liebstes Hobby teilt: das Fußballspielen. Und so missachtet Jess die Regeln ihrer Eltern ein weiteres Mal. Unter dem Vorwand sie habe ein Job, nimmt sie nun regelmäßig an dem Training eines Frauenfußballteams, welches von Joe (Jonathan Rhys-Meyers) trainiert wird, teil. Doch natürlich geht dies nicht lange gut. Eine Reise zu einem Turnier in Hamburg wird zum doppelten Desaster: Jess verliebt sich in Joe, in den auch Jules verliebt ist, so dass es zum Streit kommt und ihr Vater entdeckt seine Tochter in einem Bericht über das Turnier in der Zeitung und dabei hat er sie bei Verwandten vermutet...
Das es nach einigen Wendungen, Wirrungen und Irrungen dann doch schließlich zu einem - leider unerträglich kitschig inszenierten - Happy-End kommt, dürfte klar sein, so dass der Text hier nicht zu viel vorwegnimmt. Diese mit viel zu starker Betonung auf „Happy“ inszenierte Ende, ist leider einer der Punkte, warum es „Bend it like Beckham“ nicht schafft, der ganz große Wurf zu werden, sondern leider nur als gute Abwechslung für zwischendurch in Erinnerung bleibt.
Während der Film äußert schwungvoll beginnt und in der ersten Hälfte nicht nur recht schön mit einigen Klischees spielt (sei es nun bezüglich der indischen Lebenskultur oder dem Frauenfußball), kracht Gurinder Chadhas dritter Kinofilm in der zweiten Hälfte förmlich unter seinen zu vielen Aspekten zusammen. Da wird immer und immer mehr in die Geschichte hereingestopft und wirklich nichts zu dem Genre gehörendes ausgelassen. Da hat der Vater dann natürlich seine eigenen Wunden bezüglich Sport in England und will seiner Tochter die gleiche Enttäuschung ersparen, die ihm widerfahren ist (und muss natürlich - was ein Zufall - bei seinem einzigen Stadionbesuch erfahren, wie seine Tochter wegen ihre Herkunft diskriminiert wird, was davor und danach kein einziges Mal mehr passiert). Da droht dann noch die geplante Hochzeit der Schwester fast zu platzen, da gibt es die Liebesgeschichte um Joe, welche die Freundschaft der Mädchen bedroht, da erweist sich Jess bester Freund noch als schwul und schlussendlich hält die Mutter (Juliet Stevenson) von Jules ihre Tochter für lesbisch und hegt den Verdacht sie habe eine Liebesbeziehung mit Jess. Letzteres sorgt wenigstens noch für einige komische Szenen, die aber mehr einer großartigen Juliet Stevenson, denn dem Drehbuch zu verdanken sind. Alles in allem sind das aber zu viele Probleme, die man im Film unterbringen wollte.
Ein glücklicheres Händchen hat man bei der Besetzung bewiesen. Neuentdeckung Perminder Nagra und die davor hauptsächlich in kleinen Rollen aufgetauchte Keira Knightley wissen zu überzeugen, und auch die Nebendarsteller sind größtenteils aufs vortrefflichste gewählt, allen voran die schon beschriebene Juliet Stevenson. Nur Jonathan Rhys-Meyers bleibt im Gegensatz zum restlichen Cast etwas blass und wirkt teilweise verloren.
So bleibt insgesamt ein kurzweiliger, weil größtenteils unterhaltsamer Film, der zwar durch die Überfrachtung im zweiten Teil etwas an Fahrt verlieren, den man sich aber durchaus anschauen kann, auch wenn das Ende etwas zu „happy“ geraten ist. Fußballfans sollten sich allerdings nicht zu viel erhoffen, da der Film kaum ein Fußballfilm ist. Die Fußballszenen sind sogar eher schlecht inszeniert, da außer auf die Aufnahmen von hübschen Frauenbeinen und verschiedene Arten des Torjubels kaum Wert auf einen filmischen Transport des Sportes gelegt wurde. Auf einen guten Fußballfilm muss man also weiter warten.
Eine Anmerkung noch zum deutschen Titel. Man scheint den deutschen Zuschauer mal wieder für zu blöd zu halten. Da verpasst man dem Film in Deutschland mit „Kick it like Beckham“ schon einen englischen Titel, kommt aber nicht darum herum den Originaltitel zu ändern. Aber wahrscheinlich bestand beim deutschen Verleih die Ansicht der deutsche Zuschauer würde das Original „bend“ im Gegensatz zum schnöderen „kick“ nicht verstehen. Dabei weist „bend“ den deutlich besseren Bezug zum Film selbst auf, in dem es nämlich gerade darum geht, nicht den Ball so zu kicken („kick“) wie Beckham, sondern ihn so anzuschneiden („bend“) wie Beckham es bei Freistößen zu machen pflegt. Jener David Beckham darf in Form unzähliger Poster und eines Doppelgängers (Andy Harmer) auch mal kurz durch den Film "laufen".
#33
Geschrieben 18. Februar 2004, 18:25
Im Jahr 1758 schreibt der verbitterte Kardinal Altamirano (Ray McAnally) einen Brief an den Papst. Er berichtet ihm, dass er seinen Auftrag in Südamerika zur Zufriedenheit des Papstes ausgefüllt habe. Er erzählt von dem jungen Jesuitenpater Gabriel (Jeremy Irons), der beschloss im hintersten Dschungel, auf einem Berg hinter den Wasserfällen eine Mission aufzubauen. Mit Hilfe der Musik fand er schnell Anerkennung unter den Indianern, begann mit ihnen die Mission „San Miguel“ aufzubauen. Auch als der brutale Sklavenhändler Mendoza (Robert de Niro) den Stamm überfiel, viele Indianer entführte und einige tötete, behielt Gabriel die Anerkennung der Indianer bei.
Als Mendoza ein gutes halbes Jahr später zu ihm kommt, um, nachdem er seinen Bruder in einem Duell um eine Frau getötet hat, Busse zu tun, nimmt Gabriel sogar den einstigen Feind bei sich auf, schafft es sogar, dass die Indianer Mendoza verzeihen. Mendoza wird ein Mitglied des Jesuitenordens, schwört seinem früheren Leben ab und tötet nicht einmal mehr ein Tier. Gemeinsam mit Mendoza und dem jungen Priester Fielding (Liam Neeson) baut Gabriel die Mission immer weiter aus. Einem glücklichen Leben der Indianer steht eigentlich nichts mehr im Wege.
Doch dann treten die Spanier das Gebiet auf welchem die Mission steht an die Portugiesen ab. Bei diesen ist die Sklaverei offen erlaubt (während die Spanier nur verdeckt Sklaven hielten) und Portugal will nun jene Indianer versklaven. Doch da die Mission unter dem Schutz der Kirche steht, wurde Altamirano vom Papst nach Ascunsion geschickt, um die Angelegenheit zu entscheiden. Schnell zeigt er sich beeindruckt von dem Werk von Pater Gabriel, doch er entscheidet trotzdem gegen die Mission. Entgegen seiner eigenen Überzeugung gibt er aus politischen Gründen den Schutz der Kirche über die Mission auf. Die Portugiesen dürfen das Land in Anspruch nehmen.
Während Gabriel weiter auf eine friedliche Lösung hofft, besinnt sich Mendoza seiner alten Fähigkeiten. Gemeinsam mit Fielding rüstet er die Indianer auf, bereit die Mission bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.
Der auf einer wahren Begebenheit beruhende Film von Roland Joffé zeigt auf brutale Art und Weise ein Beispiel für die Unterdrückung der Indianer und die schonungslose Eroberung Amerikas durch die Europäer. Joffés Film legt dabei zuerst ein rasantes Erzähltempo vor. Die ersten Ereignisse werden fast sprunghaft schnell erzählt: Gabriel kommt zu den Indianern, Mendoza überfall den Stamm, Mendoza tötet seinen Bruder, Gabriel nimmt Mendoza bei sich auf und baut mit ihm die Mission aus. Schnell hintereinander bekommt der Zuschauer diese Ereignisse präsentiert. Danach schlägt der Film ein deutlich ruhigeres Tempo an. In epischer Breite werden die inneren Konflikte der Protagonisten geschildert. Altamirano, der als Erzähler des Films auftritt, muss sich zwischen dem entscheiden was am besten für die Menschen ist und dem was am besten für die Kirche ist. Mendoza muss sich entscheiden, ob er seinen neuen Werten treu bleibt und damit den Untergang der Mission riskiert oder ob er wieder zum Schwert greift. Gabriel muss entscheiden, ob er weiter auf jegliche Gewalt verzichten kann, wenn dadurch sein Lebenswerk zerstört wird und viele Menschen getötet werden.
Der Film gipfelt dann in einem gewaltigen Schluss, der zwar etwas zu pathetisch inszeniert ist, aber auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Während man vorher hauptsächlich wunderschöne Bilder des Dschungels zu sehen bekam (das Leben der Indianer in diesem wird phasenweise sehr stark - zu stark - romantisiert), schlägt am Schluss die Keule der Realität mit unglaublicher Brutalität zu. Die Soldaten überrennen die Mission, töten alles, schießen wahllos auf die von Pater Gabriel angeführte Gemeinde von betenden Kindern und Frauen. Der famose Score von Ennio Morricone trägt sein übrigens zur Wirkung dieser Szenen bei.
Der mit der Goldenen Palme von Cannes und einem Oscar (für die beste Kameraführung) sowie sechs weiteren Nominierungen (darunter bester Film) ausgezeichnete Film zeigt sicher keine leichte Kost, aber sehenswerte. Auch wenn der Film sich im Mittelteil phasenweise leicht zieht (während der Anfang noch etwas breiter dargestellt hätte werden können), so ist Joffé doch insgesamt ein mehr als gelungener und berührender Film gelungen, der zudem mit Robert de Niro und Jeremy Irons zwei sehr überzeugend agierende Hauptdarsteller aufweisen kann (während Liam Neeson darunter zu leiden hat, dass seine Rolle viel zu klein ausgefallen ist).
#34
Geschrieben 19. Februar 2004, 12:53
So viele Filme auf einmal, wie ich heute aus den imdb Top 250 gesehen habe, werde ich wohl nie mehr sehen, aber keinen davon ganz. Auf 3 Sat lief die Doku „Easy Riders, Raging Bulls“. Eine über weite Strecken exzellente und hervorragende Dokumentation eines turbulenten Jahrzehnts. Unterteilt in mehrere Kapitel wird ein sehr informativer Einblick in den Beginn der Karrieren zahlreicher, prominenter Regisseure und Darsteller und die Entstehung einer Reihe von großartigen Filmen (Easy Rider, Bonnie & Clyde, Taxi Driver, Raging Bull um nur einige wenige zu nennen) gewährt. Dabei wird natürlich auch das Thema Drogen nicht ausgeklammert, gehörten diese doch damals zum festen Bestandteil des kreativen Schaffens der Autoren, Regisseure und Darsteller. Einige der wichtigsten Gestalten der damaligen Zeit erzählen in Interviews über dieses turbulente Jahrzehnt und erzählen höchst interessante Anekdoten rund um die Entstehung ihrer Filme. Am interessantesten hier wohl Roger Corman, der bei seinen zahlreichen B-Movies, einige der größten Regiesseure der heutigen Zeit entdeckte. Regisseur Kenneth Bowser kann sich am Ende auch einen Seitenhieb auf Steven Spielberg und George Lucas („The Revenge of the nerds“) nicht verkneifen, die man wohl als mitverantwortlich für das Ende dieser großartigen Epoche bezeichnen darf.
Interessant wäre es mal die Doku im O-Ton zu sehen, darf man in diesem doch die Stimme von William H. Macy als Sprecher hören (diese wurde in deutschen Version synchronisiert, der Rest - also Interviews etc. - wurde untertitelt). Auf jeden Fall wird aber in naher Zukunft das der Doku zugrunde liegende Buch gekauft.
#35
Geschrieben 19. Februar 2004, 13:01
Was wir zum Leben brauchen
werden wir uns schon irgendwie holen
wir rauben ein paar Banken aus oder einen Geldtransport
wir schiessen 2, 3, 4, 5 Bullen um
wenn es nicht mehr anders geht
jeder weiss genau, was er da tut
wenn er uns aufhalten will.
Keine Angst, ich will jetzt nicht hier über Lieder der Toten Hosen schreiben, dafür mag ich die Band viel zu wenig, auch wenn sie ein paar ganz hörenswerte (zumindest auf Partys nach Alkoholgenuss) Lieder hat. „Bonnie & Clyde“ gehört dazu und fiel mir nach dem Sehen des Films spontan ein und ich habe es mal wieder angehört.
Arthur Penns Film „Mickey One“ ist im Endeffekt dafür verantwortlich, dass Penn auch bei „Bonnie and Clyde“ - Regie führen durfte, erinnerte sich Beatty doch an den Regisseur als ihm zwei Jahre später das Drehbuch zu „Bonnie and Clyde“ über einige Umwege in die Hand fiel (sehr informativ zur Entstehung des Drehbuchs und den verschlungenen Pfaden, auf denen es wanderte bis es Beatty und Penn bekamen, die Doku „Easy Riders, Raging Bulls“, siehe letzter Post). Ein Glücksfall, denn Bonnie and Clyde ist formal ein Hochgenuss. Allein schon der spartanische aber effektvolle Vorspann und die knapp gehaltene Einleitung: Wunderbar. Penn lässt seine Titelhelden einfach aufeinandertreffen, ohne große Annäherung geht Bonnie mit Clyde mit, er verzichtet auf jegliches lange Rumgeschwafel. Brillant. Ich würde mir wünschen, dass ein heutiger Hollywoodfilm mal so direkt und zügig beginnen würde. Vor allem wirkt das ganze auch noch glaubhaft. Man - zumindest ich - hinterfragt gar nicht, warum Bonnie jetzt mit Clyde, einem Ganoven, mitgeht, weil man Warren Beatty einfach die Ausstrahlung und Faye Dunaway einfach die Abenteuerlust und Faszination abnimmt.
Leider hält der Film die hohe Qualität des Anfangs nicht ganz durch. Clydes Potenzprobleme erfüllen zwar ihren Zweck in der Geschichte, wirken aber trotzdem etwas störend. Estelle Parsons als Schwägerin von Clyde soll zwar nerven, aber macht dies so penetrant, dass ich die ganze Zeit gehofft habe, dass Bonnie sie über den Haufen schießt (und dabei gewann sie sogar noch einen Oscar). Macht Bonnie leider nicht. Gene Hackmans wurde für seine Rolle auch für den Oscar nominiert, doch sie wirkt auf mich etwas unnötig und teilweise eher störend, ganz im Gegensatz zum dritten Kompagnon C.W. Moss (gespielt von Michael J. Pollard, der mich immerzu an „Spence“ aus der Serie „King of Queens“ erinnerte). Durch die Anwesenheit von Hackman und Parson fand ich einige Szenen, so zum Beispiel die Diskussionen im Haus, etwas ermüdend.
Großartig dagegen wieder das Finale, dass ich Dank „Easy Riders, Raging Bulls“ ja einen Tag vorher schon einmal sehen durfte und insgesamt ist der Film, auch wenn ich hier jetzt stark auf die Schwächen eingegangen bin, absolut sehenswert und zu Recht ein Klassiker.
#36
Geschrieben 20. Februar 2004, 00:23
Manchmal sollte man seinem Instinkt folgen. Als ich beim Durchblättern des TV-Programms über den Film „Experiment Bootcamp“ stolperte, war mir eigentlich klar, dass dieser offensichtlich an Hirschbiegels „Das Experiment“ angelehnte Film, eigentlich nix sein kann. Doch als meine Tageszeitung den Film überraschend lobte (ein Dank an dieser Stelle an Titus Arnu von der Süddeutschen) entschloss ich mich kurzfristig dem Film doch noch eine Chance zu geben. Ein Fehler. Selbst wenn man beiseite lässt, wie fern jeglicher Realität die Möglichkeit eines solchen staatlich organisierten Experiment in unserem Rechtsstaat ist, was man ja im Rahmen der künstlerischen Freiheit gerne macht, kann man dieser Aneinanderreihung von (1) abgekupferten oder (2) mit Klischees vollgestopften Szenen nicht viel abgewinnen. Es wurde so schlimm, dass mich eine gesunde Kraft immer wieder vom TV an den PC wegzog. Vielleicht habe ich so ja die einzigen guten Szenen verpasst. Ich glaube aber nicht, da ich den TV immer im Blick hatte. Ganz schön war übrigens der Schluss: Der als „Nazi“ beschimpfte Oberaufseher und Leiter des Projekts wird zum guten bekehrt, entlässt seinen Kettenhund und sorgt dafür dass das Testprojekt nur ein Test bleibt. Ach wie schön! Toll wie sich am Ende alle lieb hatten, außer jenem gefeuerten Wärter und dem Vater des Hauptcharakters mit denen keiner mehr spielen wollte. Das man für diese nicht auch noch irgendwie ein Happy-End inszenieren konnte...
Da ich an diesem Abend besonders masochistisch veranlagt war, habe ich in den Werbepausen auf 3 Sat geschaltet: Opernball mit Arabella Kiesbauer.
#37
Geschrieben 21. Februar 2004, 16:30
Wenn der Abend schon zerstört, dann kann man sich auch gleich noch was weiteres anschauen, wo man das schlimmste erwarten muss. Masochismus pur!
Der amerikanische Komiker und Rapp-Musiker Pierre Edwards, der normalerweise unter dem einfallsreichen Künstlernamen Pierre firmiert, scheint nach ein paar kleineren Filmrollen auf den Geschmack gekommen zu sein. Zumindest legt er mit dem in Deutschland unter dem Titel „Money, Love & Crime“ erschienen Film nicht nur sein Debüt als Hauptdarsteller hin, sondern ist auch gleich noch Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Personalunion.
Doch dieses Debüt ist alles andere als gelungen. Die Story um eine vor sich hin lebenden afroamerikanischen Jugendlichen, bei dem die ganze Nachbarschaft, aufgrund eines Irrtums eine ganze Stange Geld vermutet, kommt nie richtig in Schwung. Mit lauter skurrilen Charakteren versucht Pierre Komik zu erzeugen, was aber nie gelingt. Das Problem von Pierre ist, dass er es nicht schafft diese Figuren in einen lustigen Kontext zu bringen. Selbst eine Ansammlung von anzüglichen Witzen auf unterstem Niveau, kann nicht für einen einzigen Lacher sorgen und dies zeigt, wie schlimm es um diesen Film bestellt ist.
Danach habe ich mir „Chaos City“ im TV an, um wenigstens einmal an diesem Abend nicht gequält zu lachen und was richtig gutes geboten zu bekommen.
#38
Geschrieben 21. Februar 2004, 16:33
Sonatine: „kleinere, meist nur aus 2-3 Sätzen bestehende, oft leicht zu spielende Sonate“
Kitano gab seinem vierten Film den Titel „Sonatine“, weil er den Eindruck hatte mit Sonatine als Regisseur eine neue Stufe erreicht zu haben: „wenn man Klavier lernt, übt man verschiedene Arten von Stücken. Wenn man zur Sonatine kommt, bedeutet das, dass man endlich die Grundlagen beherrscht, und dass man es sich von nun an aussuchen kann, was man spielen will. Man kann noch nicht von Meisterschaft sprechen, doch die Sonatine bezeichnet das Ende einer ersten Lernstufe." (Takeshi Kitano)
Ein klassisches Understatement von Takeshi Kitano. Mit „Sonatine“ bewies er schon 1993, dass er weit mehr als die Grundlagen des Regieführens beherrscht.
Sonatine ist eine hervorragende Tragikkomödie um einen Yakuza, der weiß, dass er am Ende sterben muss. Kitano versteht es dabei wie kein zweiter mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers zu spielen. Mit den glücklichen Tagen und kindlichen Spielen am Strand, bei denen die Gewalt und das Yakuza-Leben so fern zu sein scheint, suggeriert er, dass es Hoffnung auf ein Happy-End gibt. Doch diese Hoffnung gibt es in Wirklichkeit nie. Auch die aufflammende Liebesbeziehung zu Miyuki, dem jungen Mädchen, welches an jenem Strand vergewaltigt wird, ist für Murakawa kein Ausweg. Der Tod wird kommen, doch ganz anders als es der Zuschauer erwarten wird und genau in dem Moment, in dem er es am wenigsten erwartet.
Sonatine ist ein sehr ruhiger Film, der ein gemächliches Tempo anschlägt und gerade dadurch überzeugt. Die kindischen Spielereien am Strand lullen den Zuschauer fast ein und erinnern in ihrer besonderen Schönheit an ähnliche Szenen aus Kitanos schönstem Film „Kikujiros Sommer“. Es ist wunderbar wie den Gangster die vielleicht glücklichsten Tage seines Lebens erfreuen, er sich an kindlichen Spielen erfreut, wie zum Beispiel Sandgruben auszuheben, in die seine Freunde dann fallen. Fast jäh wird dieser Teil des Films durch den Tod von Katagiri beendet, das brutale und tragische Finale eröffnet. Absolut sehenswert!
#39
Geschrieben 21. Februar 2004, 23:27
New Hollywood auf 3 Sat geht in die nächste Runde und mit „The Candidate“ gab es einen Film, den ich noch nicht kannte. Insgesamt ein gelungener Film, auch wenn man sagen muss, dass die Kritik an den am Volk vorbeigehenden Wahlkampagnen in Amerika (mittlerweile ja nicht mehr nur dort) teilweise etwas im Stocken bleibt. Schade auch, dass der Film sich nicht traut (oder vielleicht es auch nicht will), dass amerikanische System der Vorwahlen etwas kritischer zu beäugen. Dies bleibt leider völlig unkommentiert. Sehenswert auf jeden Fall Robert Redford auch wenn er seine schicken Koteletten schon früh ausdünnen muss (die hätten meiner Freundin sicher gefallen) und Melvyn Douglas in einer Nebenrolle als Redfords Vater.
Irgendwie gefallen mir solche „Politiker“-Filme einfach, auch wenn „The Candidate“ ebenfalls unter einem bekannten Problem dieser Filme zu leiden hat: Zu starke Schwarz-weiß Malerei!
#40
Geschrieben 21. Februar 2004, 23:49
Verschwende Deine Jugend“ ist ein verdammt unterhaltsamer Film. Buchautor Benjamin Quabeck hat es in seiner zweiten großen Regiearbeit (nach der gelungenen Verfilmung seines Romans „Nichts bereuen“) wieder geschafft eine komische, dramatische und berührende Geschichte zu erzählen. Sein Protagonist Harry ist ein positiv Verrückter, wie er im Buche steht. Man muss ihn als Zuschauer einfach gern haben. Harry ist nicht so ein cooler Poser wie zum Beispiel Vince, ist eher die graue Maus und kommt jeden Abend nur in die Stammdisco, wenn Vince dem Türsteher sagt, dass er zu ihm gehört.
Tom Schilling überzeugt in der Hauptrolle als Harry, stellt die deutlich bekannteren Co-Stars Robert Stadlober und Jessica Schwarz in den Schatten. Deren von Eifersüchteleien geprägte Liebesbeziehung, die fast zum Auseinanderbrechen der Band führt, ist einer der kleinen Schwachpunkte im Film. Der Platz, den diese Geschichte im Film einnimmt, ist zu knapp bemessen. Hier bleibt zu vieles an der Oberfläche, hier hatten Quabeck und seine Drehbuchautoren scheinbar Angst mit einem Tiefergehen die Leichtigkeit des Films aufs Spiel zu setzen, und diesen phasenweise zu ernst werden zu lassen. Schade.
In kleinen Nebenrollen wissen noch MTV-Moderator Christian Ulmen in seiner ersten Schauspielerrolle (kurze Zeit später folgte noch eine von der Kritik sehr positiv aufgenommene Hauptrolle in „Herr Lehmann“) als bornierter Musikkritiker und Denis Moschitto als Verkörperung von NDW-Ikone und DAF-Frontmann Gabi Delgado vollauf zu gefallen. Das gute Ensemble wird von einer mehr als nur hübsch anzuschauenden Nadja Bobyleva abgerundet.
#41
Geschrieben 22. Februar 2004, 19:54
Regisseur John McTiernan wäre mit „Basic“ beinahe ein sehr guter Militärthriller gelungen. Mit immer neuen Versionen der Geschichte über die Ereignisse, welche sich im Dschungel von Panama abspielten, wird der Zuschauer hinters Licht geführt und seine Konzentration gefordert, um den Ereignissen zu folgen. Doch am Ende bleibt beim Zuschauer gnadenlose Frustration über. McTiernan liefert zwei letzte Wendungen, die nicht nur vor Unlogik strotzen, sondern dem Zuschauer auch das Gefühl geben, dass er sich umsonst über neunzig Minuten auf einen Film eingelassen hat und Gedanken gemacht hat.
“Basic” hätte wirklich was werden können. Trotz kleinerer Fehler bekommt man nämlich über ca. siebzig Minuten Hochspannung pur geboten. Doch noch nie habe ich es erlebt, dass ein völlig missratenes Ende so auf den ganzen Film abfärbt. Thriller mit starken, überraschenden Enden sind meistens große Klasse (neben z.B. "Die üblichen Verdächtigen" ließen sich noch zahlreiche weitere aufzählen). Basic ist leider genau die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Da helfen auch ein überzeugender John Travolta und (überraschend) eine überzeugende Connie Nielsen in den Hauptrollen nichts (während Samuel L. Jackson eher unterfordert wirkt und scheinbar nur routinemäßig seine Rolle heruntergespult hat).
#42
Geschrieben 23. Februar 2004, 23:55
Die Helden in Schlesingers „Midnight Cowboy“ sind absolute Anti-Helden. Ratso ein gehbehinderter Dieb und Betrüger. Dustin Hoffman spielt diesen Ratso hervorragend, so hervorragend, dass es verwundert, dass es nicht für den Oscar, sondern nur für eine Nominierung reichte. Erstaunlich ist seine schauspielerische Leistung, wenn man bedenkt, dass zwischen seiner ersten großen Rolle in „The Graduate“ und dieser Rolle nur zwei Jahre liegen und dabei die Rollen so unterschiedlich sind wie sie nur sein könnten. Während er in „The Graduate“ einen jungen, selbstbewussten Mann, man kann schon fast Playboy sagen, spielt, überzeugt er hier als, man muss fast sagen Penner und wirkt zwanzig bis dreißig Jahre älter. Selten hat ein Schauspieler so stark seine Wandlungsfähigkeit bewiesen.
Ebenfalls mit einer Oscarnominierung für die beste Hauptrolle bedacht wurde Jon Voight, der als naiver Cowboy ebenfalls zu überzeugen weiß. Sein Charakter ist der komplexeste des Films. Schlesinger zeigt immer wieder sehr surreal anmutende Alpträume von Buck, die aufgrund ihrer Inszenierungsart oftmals nur schwer in den Film einzuordnen sind. Man erfährt, dass Joe Buck im Zusammenhang mit seiner Großmutter und seiner Ex-Freundin traumatische Erlebnisse hinter sich hat, doch man erfährt nicht was genaues passiert ist und wie weit seine Alpträume der Realität entsprechen und wie weit sie nur der Phantasie entspringen.
Die Alpträume wirken durch die Inszenierung mit sehr schnellen Schnitten teilweise recht befremdlich und phasenweise sogar leicht störend. Man weiß nicht, was man von diesem visuellen Einbruch, der in Form der Flashbacks hin und wieder über den Zuschauer kommt, halten soll. Irgendwie tragen sie zum Gesamtbild des Films in einem wichtigen Maß bei, aber irgendwie wirken sie auch teilweise störend.
“Midnight Cowboy” ist ein sehenswerter tragischer Film mit wenigen komischen Elementen. Diese Momente der Heiterkeit sind aber immer nur kurz, denn immer wenn man denkt, dass es mit den beiden „Helden“ aufwärts geht, ereilt sie der nächste Schicksalsschlag. Dustin Hoffman und Jon Voight brillieren in ihren Rollen. An ihre Seite spielt noch Sylvia Miles, die für ihren gerade sechs Minuten dauernden Auftritt eine Oscarnominierung bekam. Der wohl kürzeste Auftritt, der je mit einer Nominierung bedacht wurde.
#43
Geschrieben 23. Februar 2004, 23:59
Ex-Kinderstar Ron Howard, der früher selbst in Western Schauspieler (zum Beispiel „The Shootist“) war, versucht seinen Traum zu verwirklichen und nun selbst einen Western zu inszenieren. Leider scheitert er dabei fast völlig.
Howards Western krankt an seiner viel zu plakativen Umsetzung. Der Film will immer wieder auf den Konflikt zwischen indianischer und christlicher Kultur herauslaufen, verkörpert das ganze in der Hauptfigur Samuel Jones, die irgendwo zwischen rot und weiß steht, wohl schon sein ganzes Leben auf der Suche ist, zu welcher Rasse er gehört. Rasse ist hier leider der richtige Begriff. „The Missing“ lebt von seiner Rasseneinteilung, kann die Probleme des Miteinanders der Kulturen aber nie richtig dem Zuschauer vermitteln.
Fast schon reaktionär das bisweilen transportierte Indianerbild. Der von Eric Schweig gespielte Anführer der Indianergruppe ist eine Figur für deren Inszenierung man Howard für zehn Jahre verbieten sollte, einen Film zu drehen. Selten wurde eine Figur so vollgestopft mit Klischees, selten wurde eine wichtige Rolle in einem Film so schlecht charakterisiert. Und dabei liegt gerade hierin einer der wenigen Stärken (neben den grandiosen Landschaftsaufnahmen und dem gelungenen Score) von „The Missing“. Auf die beiden Hauptfiguren wurde viel Zeit verwendet, ihre Narben aus der Vergangenheit sind nicht nur in ihren Gesichtern lesbar, sondern auch Dank des hervorragenden Spiels der beiden Hauptdarsteller Cate Blanchett und Tommy Lee Jones (der seine erbärmliche untrainierte Leistung aus „Die Stunde des Jägers“ vergessen macht) immer gut nachvollziehbar.
Doch beim Indianeranführer Pesh-Chidin ist dies alles Nebensache. Darsteller Eric Schweig bekam eine furchteinflössende Maske verpasst, die sein Gesicht völlig verstellt und wohl den Auftrag immer möglichst böse zu schauen. So stellt man sich den bösen Indianer vor und so muss man ihn inszenieren, wenn man alle Klischees bedienen will. Immerhin hat die Rolle Potential. Seine Flucht aus dem Militärdienst wird kurz angesprochen. Doch richtig eingegangen auf dieses Thema wird nie. Wie auf die meisten Themen, welche „The Missing“ kurz anreißt, mehr ist es leider nicht. Jedes tiefer gehen wäre auch zu viel verlangt von einem Western, der den Anspruch nur suggerieren will, selbst aber ein anspruchsloser und rascher Ritt durch die wunderbaren Täler von New Mexico ist hin zu einem Showdown, der - wie so vieles in diesem Film - alle Klischees bedient: Selbstfindung, Selbstaufopferung, Verzeihung und den Sieg der Guten. Zudem stellt sich der Ritt Dank einiger Längen als gar nicht so rasch heraus, wie wohl geplant.
Vor dem nächsten Western drei Mal „Der mit dem Wolf tanzt“ schauen, Herr Howard, dann klappt es vielleicht auch im Western-Genre! Das sie gute Filme machen können, haben sie ja bewiesen!
P.S.: Selten konnte ich einer Kritik meiner Lieblingsfilmzeitschrift „Schnitt“, so wenig zustimmen.
#44
Geschrieben 27. Februar 2004, 01:00
Einer der besten Western, die ich gesehen habe und dabei ist „High Noon“ ja im Vergleich zu anderen Western eher ungewöhnlich. Sehr stark vor allem die Szene, wie er am Ende den Stern in den Staub wirft und natürlich die Szene, in der Kirche als der Bürgermeister erst die flammende Rede hält und man denkt, nun stehen sie alle auf und greifen zu den Waffen und kämpfen mit ihm und er dann die Rede völlig anders beendet als man es erwartet hat. Brillant. Wollte mir gleich die DVD bei Amazon kaufen (da die ja für 7,99 € im Angebot war und ich sie nur ausgeliehen hatte) doch leider ist sie dort ausverkauft.
#45
Geschrieben 27. Februar 2004, 01:45
Der dritte Western hintereinander und der zweite gute, auch wenn mit „High Noon“ natürlich absolut nicht vergleichbar. Schon der Beginn ist einfach cool, wenn Django seinen Sarg durch den Schlamm zieht. Wenn er das erste Mal das Maschinengewehr zückt, großartig. Gegen Ende entwickelt sich der Film auch noch zu einem gelungenen Drama. Einfach hochspannend, sehenswert und Kult!
#46
Geschrieben 27. Februar 2004, 01:54
Iñárritu erzählt seine Geschichte(n), wie schon in „Amores Perros“ nicht chronologisch. In „21 Gramm“ ist das ganze sogar noch deutlich extremer ausgefallen. Die Szenen dauern im Normalfall nur wenige Minuten (oft nicht einmal das) und scheinen zu Beginn einfach wahllos durcheinandergewürfelt zu sein. Gerade zu Beginn macht dies dem Zuschauer sehr zu schaffen. Man bekommt immer wieder neue „Mini-Szenen“ vorgesetzt, die man überhaupt nicht in die Geschichte einordnen kann. In der ersten Szene ist Paul mit Cristina im Bett, ein paar Szenen später haben beide plötzliche Ehepaare. Werden sie sich in der Zukunft erst kennen lernen oder haben sie eine gemeinsame Vergangenheit? Eine von vielen Fragen, die den Zuschauer beschäftigt und die man für den optimalen Filmgenuss nicht vorher beantwortet wissen sollen, weswegen diese Filmkritik im Gegensatz zu einigen anderen Kritiken auch nicht darauf eingehen wird.
Es dauert sicher an die dreißig Minuten bis man aus diesem Mosaik von Szenen langsam einen chronologischen Aufbau erahnen kann, langsam anfängt, wenigstens ein Großteil der Szenen zeitlich ungefähr einordnen zu können, auch wenn es bis zum Ende des Films dauert, bis man alle Szenen einordnen kann. Fast bis dahin dauert es auch bis man merkt, dass Iñárritu mit diesem wilden Aufbau nicht nur übertriebene Kunstfertigkeit unter Beweis stellen will, sondern einen Zweck verfolgt. Die Szenen sind nicht einfach durcheinander gewürfelt, sondern man erkennt einen roten Faden hinter den Szenen und man erkennt, wie sich die Spannungskurve aufgrund dieser Szenenreihenfolge entwickelt. Die Befürchtung, die einige Kritiken beim Autor dieser Zeilen erregt haben, dass das Szenendurcheinander nur dazu diente, um die eher schwache Story zu verschleiern, hat sich zum Glück als falsch herausgestellt.
Es ist sehr schwer in den Film zu finden. Dies dauert ungewöhnlich lang und man darf nicht aufgeben, sondern muss höchst konzentriert bleiben und versuchen das gesehene einzuordnen und zu verarbeiten. „21 Gramm“ ist deswegen und wegen seines Themas keine Kinounterhaltung und für diese Zwecke auch nicht empfehlenswert. Davon abgesehen ist der Film aber hervorragend, auch wenn er nicht ganz an „Amores Perros“ ranreicht und man Iñárritu berechtigterweise den Vorwurf machen kann, dass er es mit seinem Szenenpotpourri phasenweise etwas übertrieben hat.
Eine noch einen Tick ausführlichere Kritik von mir gibt es hier
#47
Geschrieben 27. Februar 2004, 11:08
Anfang und Ende sind schlichtweg genial. Wie Coppola zu Beginn die Dialoge der Personen „ausblendet“ stimmt einen schon richtig auf den Film ein. Die Wendung am Ende ist überraschend und sehenswert. Das ganze Ende sowieso, wenn Caul seine Wohnung auseinander nimmt, und man weiß, dass er nie mehr sorgenfrei leben wird, dann erzielt Coppola damit wohl die gewünschte Wirkung. Die Kritik am Überwachungsstaat klappt. Zwischen Anfang und Ende hat der Film allerdings einige Längen und Ärgerlichkeiten. Die starke Gewichtung auf Caul und seine Charakterisierung geht etwas zu Lasten der Spannung. Außerdem passieren Caul ein paar Fehler, die das zuvor gezeichnete Bild des Spezialisten doch erschüttern. Als er den Werbekuli von seinem Konkurrenten bekommt, ist das genauso sonnenklar, wie das ihn seine Bettgefährtin für eine Nacht die Bänder klauen wird. So vorhersehbare Fehler des Protagonisten ärgern mich immer extrem und das war auch dieses Mal der Fall. Auch habe ich mich bei den surrealen Szenen im Hotel gefragt, ob Coppola da gerade auf Drogen war...
#48
Geschrieben 01. März 2004, 22:59
Da nur wenig Zeit, auch nur wenig Worte: Wunderbar, Großartig, Hervorragend. Phänomenale Filmmusik, superbe Bildkombination, wunderbare Darsteller, habe ich erst vor wenigen Wochen gesehen und werde ihn sicher in einigen Wochen wieder sehen (dann vielleicht ausführlicher hier).
#49
Geschrieben 01. März 2004, 23:09
Da immer noch nur wenig Zeit, auch ein zweites Mal nur wenig Worte: Über weite Strecken sehr großer Schwachsinn, den ich mir nur mit Mühe antun konnte. Völlig überladen mit Pathos, Kitsch und Patriotismus. Die Kritik am Vorgehen der US-Armee, die man vielleicht erhoffen konnte, kam nie zum Tragen (ganz im Gegenteil) und als am Ende sogar der nordvietnamesische Offizier salutierte, war die Grenze des Ertragbaren für mich spätestens überschritten. Einige spannendere Szenen vor Gericht können den Film wenigstens vor der Tiefstwertung bei mir bewahren.
#50
Geschrieben 03. März 2004, 22:44
Claydons Hauptdarsteller ist die Kamera. Nicht nur, dass alle Szenen mit Alex nicht aus einer objektiven Perspektive, sondern aus der Perspektive von Alex geschildert werden, sondern auch in den restlichen Szenen ist die Kamera das wichtigste Element. Claydon taucht den zweiten Handlungsstrang um die beiden Polizisten in fast durchweg kalt-blaue Bilder, die Kamera, welche in den Szenen mit Alex beweglich durch die Szenen läuft, ist in den Szenen mit den Kommissaren fast durchweg statisch. Die beiden Szenen werden immer wieder durch flashartige Bildkompositionen verbunden und auch unterbrochen, die nicht nur ein Härtetest für die Augen darstellen, sondern auch recht subtil die Hintergründe der Person Alex langsam enthüllen.
Die hervorragende inszenatorische Bilderarbeit (welche durch die Vertonung unterstützt wird) von Regisseur Claydon übertüncht aber leider nicht, dass sich hinter der auf den ersten Blick höchst originellen Geschichte doch wieder der altbekannte Horrortrott befindet. Immer deutlicher wird dies in der zweiten Hälfte des Films, wenn immer mehr Horrorklischees über den Film hereinbrechen. Da wird dann auch der typische Horrorfilmfehler nicht ausgespart. Umso näher das Ende rückt, umso dämlicher wird das Verhalten der guten Protagonisten, sprich der beiden Polizisten. Ganz besonders schlimm wird es am Ende als die beiden versuchen Alex mit Hilfe eines Köders eine Falle zu stellen und dabei alle Regeln der Vorsicht außer Acht lassen und so - wohl um das ganze spannender zu machen - Alex eine sehr gute Chance geben an sein Ziel zu kommen.
#51
Geschrieben 03. März 2004, 22:57
Selten ließ mich ein Film so unentschlossen zurück wie ich ihn finden soll, wie „The Million Dollar Hotel“. Starken Schauspieler, die Charaktere mimen von denen einer skurriler als der andere ist, steht eine Story gegenüber, die zwar vielversprechend beginnt, aber dann phasenweise etwas enttäuscht, sich aber langsam wieder steigert. Das interessanteste sind aber die vielen Einzelszenen, die für sich genommen oftmals sehenswert sind, auch wenn sie mir das ein oder andere Mal einen (mir) zu bedeutungsschweren Eindruck machen. Muss ich auf jeden Fall noch einmal anschauen!
#52
Geschrieben 09. März 2004, 10:04
Als ich das letzte Mal “Mulholland Drive“ gesehen habe, fand ich den Film von Lynch einen Tick besser. Logischerweise diesmal einen Tick schlechter. Ich weiß nicht, woran es lag, dass ich den Film nicht mehr als ganz so großartig, sondern nur noch als sehr gut empfand, aber im Vergleich zu meinem Lieblingslynch „Lost Highway“ als deutlich schwächer. An der bezaubernden Naomi Watts und „Wim Wenders“ Justin Theroux lag es sicher nicht. Eher vielleicht daran, dass ich in den letzten fünfundvierzig Minuten öfter kurz abgelenkt war und das ist bei diesem Film tödlich.
#53
Geschrieben 10. März 2004, 16:06
Ein schöner, leicht schräger Thriller, den Sam Raimi mit „A simple Plan“ abgeliefert hat. Auch wenn die Geschichte im ganzen doch einigermaßen vorhersehbar, gibt es einige interessante Wendungen und was ich sehr gut finde: Der moralische Zeigefinger ist zwar da, aber es wird nicht penetrant mit ihm vor dem Zuschauer herumgefuchtelt, wie es so viele Filme mit ähnlicher Botschaft tun. Auf jeden Fall sehenswert und sicher irgendwann mal auch in meiner DVD-Sammlung.
#54
Geschrieben 11. März 2004, 23:25
„12 angry men“ ist ein sehr spannender Film. Der Verlauf der Diskussion, die zwischendurch immer wieder sehr aggressiv und persönlich geführt wird, fesselt ungemein. Die immer wieder neuen Ungereimtheiten, die nach und nach von verschiedenen Geschworenen entdeckt werden, und die immer mehr Geschworene ihre Meinung ändern lassen machen die große Spannung aus. Dazu gibt es eine ganze Reihe einzelner wirklich großartiger Szenen, die neben der oben erläuternden leichten Kritik am Geschworenensystem, aber auch sehr stark das Demokratische an diesem System loben. Nicht besonders erwähnen muss man, dass gleich zwölf hervorragende Schauspieler am Werk sind.
#55
Geschrieben 12. März 2004, 00:31
Gute Darsteller, aber sonst nix, so kann ich „Proof of life“ kurz umschreiben. Nach einem vielversprechenden und spannenden Anfang mit einer schönen Geiselbefreiung durch Crowe verflacht der Film leider zusehends und verfängt sich in immer mehr Nebenkriegsschauplätzen. Die Handlung wird immer langgezogener und ist zudem zum größten Teil recht vorhersehbar. Und dann will der Film auch einfach nicht enden. Reichte bei mir gerade mal für 4 Punkte bei der imdb und ein müdes Gähnen. Schade, hätte man mehr heraus holen können.
#56
Geschrieben 13. März 2004, 00:06
„The Green Mile“ wird oft vorgeworfen, dass er viel zu kitschig wäre und das Darabont den Zuschauer manipuliere. Das stimmt, vor allem letzteres. Darabont manipuliert den Zuschauer bezüglich seiner emotionalen Einstellung zu bestimmten Themen und zu den Charakteren wirklich sehr stark, aber trotzdem hat mir der Film auch dieses Mal wieder hervorragend gefallen und ich halte ihn auch nicht für schlechter als „Die Verurteilen“ (wenn nur minimal). Vor allem die zahlreichen Darsteller sind einfach wieder großartig, aber auch die Geschichte lässt einen einfach nicht unberührt. Wirklich sehenswert!
#57
Geschrieben 13. März 2004, 23:48
Als Filmemacher hat man es wahrlich nicht leicht. Die erste große Hürde steht einem gleich zu Beginn bevor. Von der Idee, die sicher fast jeder Mal hatte, es den alten Hasen in Hollywood zu zeigen und selbst einen neuen Blockbuster zu drehen bis hin zu einem Versuch auch wirklich mal eine Idee in die Tat umzusetzen ist es alleine schon ein weiter Weg. Diesen Weg haben die beiden „Noch-Schüler“ Dominik Schreyer und Tobias Röver schon bewältigt. Mit „Der Läufer“ haben die beiden einen kleinen, aber feinen, nicht einmal zehn Minuten dauernden Kurzfilm gedreht, der trotz seiner Kürze und der Tatsache, dass er trotz allem ein Amateurfilm ist, die Kreativität und das Talent zweier junger Menschen eindrucksvoll beweist.
Zwei Freunde unterhalten sich, der eine stellt dem anderen die Idee für seinen Film vor. Der Film handelt von einem Jogger. Stinklangweilig meint der andere. Daraufhin erzählt der andere seine Geschichte fort, zeigt wie der Jogger auf seinem Weg urplötzlich erschossen wird. Auch das reißt seinen Gegenüber noch nicht von den Sitzen. Er will wissen, was mit den zwei Mädchen ist, die der Jogger auf seinem Weg getroffen hat. So erzählt ihm sein Gegenüber auch deren Geschichte. Die beiden fliegen nach dem Ende ihres Joggingtour Dank eines Sprengsatzes mit dem Auto in die Luft. Doch da dieser Teil der Geschichte unwesentlich ist, wird er einfach zurückgespult.
So geht es hin und her zwischen den beiden, die sich über einen Film unterhalten, der dabei nach und nach entsteht. Es ist wohl gar nicht so abwegig, wenn man dabei auf die Idee kommt, dass es sich hier um die beiden Regisseure selbst handeln könnte. Doch als der Film im Film dann endlich entstanden ist, da ist der Film um den Film noch nicht vorbei. Denn der Protagonist des Films, der junge Regisseur, der seinen Freund von seiner Idee überzeugen wollte, geht nun selbst joggen.
***SPOILER***
Und er muss erkennen: „Als Filmemacher hat man es wahrlich nicht leicht.“ Vor allem wenn das Mordopfer des eigenen Filmes für den erlittenen Tod Rache nimmt...
***SPOILER-ENDE***
Es ist mehr als ansehnlich, was die beiden jungen Regisseure da abgeliefert haben. Vor allem die visuelle Umsetzung, der sicher nicht weltbewegenden, aber trotzdem innovativen (vielleicht etwas von David Lynch inspirierten Geschichte), kreativen und interessanten Geschichte vermag zu überzeugen. Da entpuppt sich der Film im Film als Streifen Zelluloid in Schwarz-Weiß versehen mit einigen Makeln. Da wird frech die Rücklaufszene vom Anfang von „Rules of Attraction“ geklaut und auch eine Huldigung an Tarantino mit einer aus dem Kofferraum gefilmten Szene darf nicht fehlen. Das schöne daran: Die Szenen wirken nicht so, als wären sie einzig und allein im Film enthalten um das Zitieren der Vorbilder der beiden Regisseure willen, sondern die Szenen fügen sich sehr gut in das filmische Gesamtbild ein.
Gerade durch die gelungene visuelle Umsetzung gelingt jeder Zusammenschnitt zwischen Rahmenhandlung, Film im Film-Handlung und dem Durchdringen von Film-im-Film zur Rahmenhandlung so besonders gut. Die gelungene musikalische Untermalung trägt ihr übriges dazu bei.
Sicher muss man bei den Darstellern Abstriche machen und merkt so zum Beispiel den beiden "Regisseuren" im Film bei ihrer Diskussion die fehlende Professionalität durchaus an. So ist der Film noch ein Stücken weg von der Perfektion, sei es nur die doch etwas zu lang geratene Pause zwischen den zwei Schüssen in der zweiten „Todesszene“ und dem sicher noch zu verbessernden Einsatzes des Kunstblutes. Aber schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und gerade beim aller ersten Film, der dazu noch mit so vielen anderen Dingen zu begeistern weiß, drückt man doch gerne mal ein Auge zu. Insgesamt ist es nämlich doch ein Film geworden, dem man seinen Amateurstil weitaus weniger anmerkt als man eigentlich vorher vermutet hätte.
Auf der SVCD zum Film befindet sich neben dem Film selbst noch ein sehr ausführliches Making-Of, welches doch eindrucksvoll zeigt, dass es gar nicht so leicht ist und viel Arbeit und Ausdauer erfordert, einen Kurzfilm zu drehen. Den Mitwirken scheint es aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht zu haben. Als Appetizer gibt es am Ende der SVCD noch einen Trailer zum nächsten angekündigten Projekt der Regisseur „Nackt durch Kairo“. Schade, dass es bis zu diesem noch etwas dauert, denn das Ansehen von „Der Läufer“ macht auf jeden Fall mehr Lust auf weitere Projekte der beiden Jungregisseure, denen ich nur die Daumen drücken möchte, dass wir vielleicht irgendwann wirklich mal einen schönen abendfüllenden Spielfilm der beiden sehen durften.
P.S.: “Wer andere jagen will, muss selber gut laufen können“ (schwedisches Sprichwort)
#58
Geschrieben 15. März 2004, 00:07
Machen wir es doch recht kurz: Ein ganz unterhaltsamer No-Brainer, dem aber jegliche Highlights fehlen, die dafür sorgen könnten, dass sich der Film aus dem grauen Mittelmass der auf cool getrimmten Actionfilmchen abhebt. Kann man sehen, muss man aber ganz sicher nicht.
P.S.: Warum war die Rolle von Grace Yip nur so klein?
P.P.S.: Wer kam auf den bescheuerten Namen Y2K???
#59
Geschrieben 15. März 2004, 12:54
Der Film von Manuel Boursinhac („Drugs“) erzählt eine altbekannte Geschichte, über den Ex-Knacki, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Zwar keine sonderlich innovative Geschichte, aber eine Geschichte, die immer Potential für einen gutes Thrillerdrama hat. Auch bei „Der Kodex“ dachte ich nach den ersten Minuten, dass dieser Film sein Potential nutzen wird und dem Zuschauer einen spannenden Filmabend bieten. Doch leider weit gefehlt.
Boursinhac schildert phasenweise sehr gelungen, wie Protagonist Dris gegen die eigene Vergangenheit ankämpft, versucht ehrlich zu bleiben, hin und hergerissen zwischen dem wilden Leben in Reichtum, welches ihm Nina und seine alten Gangsterkumpanen bieten und dem spießigen, armen, aber ehrlichen Leben, welches ihm seine Freundin Lise bietet. Das Problem ist aber zum einen, dass sich die Geschichte viel zu lange auf dieses Problemfeld fokussiert und dadurch viel zu schleppend verläuft. Dazu gibt es in der Schilderung des „Umfallens“ von Dris, den es schließlich zurück zu seinen alten Kumpanen verschlägt, einige zu starke Sprünge, die es nicht immer ganz nachvollziehbar erscheinen lassen, warum Dris jetzt gerade so reagiert. Gerade zu Beginn ist dies ein ums andere Mal der Fall.
So gibt es statt Spannung leider die meiste Zeit des Films nur gähnende Langeweile.
#60
Geschrieben 16. März 2004, 11:20
Das positive vorneweg: Anthony Quinn und vor allem Giulietta Masina agieren wirklich großartig. Zudem schaffte es der Film mich ein ums andere Mal zum Lachen zu bringen und auch traurig zu stimmen. Aber vor allem das letztere zu wenig. Die meiste Zeit über ließ mich der Film nämlich relativ kalt und plätscherte förmlich nur vor meinen Augen ab. So wurde er trotz vieler guter Ansätzen, die mir gefielen, in meinen Augen nicht das große Meisterwerk, als welches der Film allgemein gilt. Vielleicht liegt mir Fellini nur auch nicht, aber das ist sicher zu früh um das zu sagen, immerhin ist das glaube ich der erste Fellini, den ich gesehen habe.
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