Kill Bill Vol. 2, USA 2004, R: Quentin Tarantino, D: Uma Thurman, David Carradine, Michael Madsen, Daryl Hannah, Gordon Liu gesehen im Kino am 27.04.2004
Budd: So you're telling me that she cut through eighty eight yakuza before she got to O-Ren?
Bill: Well there weren't actually eighty eight of them they just called the selves the Crazy 88s.
Budd: So then why did they call themselves the Crazy 88s?
Bill: I guess they thought it sounded cool.
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„Bang, Bang my baby shot me down“, singt Nancy Sinatra zu Beginn von “Kill Bill Vol. 1” und der Zuschauer kann selbst am Ende des ersten Teils als er von Killerboss Bill (David Carradine) erfährt, dass die Braut (Uma Thurman), die gerade über die gesamte Filmdauer einen blutigen Rachefeldzug geführt hat, nicht weiß, dass ihr Kind, ihr Baby, noch lebt, mit dieser Textzeile nicht viel anfangen. Es dauert fast geschlagene zwei Stunden des zweiten Teils, man hat vielleicht dieses Intro und das Ende des ersten Teils schon verdrängt, als diese Textzeilen einem wieder in Erinnerung gerufen werden und eine doppeldeutige Bedeutung bekommen. Die Braut steht ihrer vierjährigen Tochter gegenüber. „Bang, bang my B.B. shot me down“.
Doch bis der Zuschauer dahin kommt, darf er erst mal wieder einen cineastischen Hochgenuss erleben. Die Story ist wie im ersten Teil oberflächlich betrachtet simpel und nur die logische Fortführung von diesem. Die nach vier Jahren aus dem Koma erwachte, auch zu Beginn des zweiten Teils noch vornamenlose, Ex-Killerin, betitelt als „Die Braut“, führt ihren Rachefeldzug gegen die Mörder ihres Fast-Ehemanns und ihrer Freunde fort. Nach O-Ren Ishii (Lucy Liu) und Vernita Green (Vivica A. Fox) im ersten Teil, sind nun die Namen drei, vier und fünf auf der Todesliste an der Reihe: Bills Bruder Budd (Michael Madsen), genannt „Sidewinder“, die falsche Schlange Elle Driver (Daryl Hannah), genannt „California Mountain Snake“ und schließlich zum krönenden Abschluss, der Chef der Bande selbst: BILL! Doch wie schon im ersten Teil ist auch diesmal der Weg von Hindernissen belagert. So muss die Braut ein zweites Mal sterben und sich auf die Lehren ihres Meisters Pai Mei (Gordon Liu) besinnen, um an ihr Ziel zu kommen.
![Eingefügtes Bild](http://bjoern-becher.de/images/kill_bill_2/pai_mei.jpg)
Obwohl diese Story nur die logische Fortführung des ersten Teils ist und man weiß, dass alles auf das finale Duell zwischen Bill und der Braut hinauslaufen wird, und die Braut in diesem wahrscheinlich ihren Ex-Geliebten und Mörder ihres Fast-Ehemanns töten wird, versteht es Tarantino einmal mehr den Zuschauer in jeder Minute zu überraschen. Er verpasst der Story gnadenlose Wendungen. Die Braut, die sich in Teil 1 noch locker durch die „Crazy 88“ gehackt, hat, die wie man jetzt erfährt, gar keine 88 sind, muss erst einmal vor der Schrotflinte von Budd kapitulieren. Tarantinos Überraschungseffekt liegt aber vor allem darin, dass er obwohl er fast nur Bilder zeigt, die man alle schon einmal irgendwo gesehen haben kann, doch in jedem Bild was völlig neues zeigt. So hat noch niemand die Genres und verschiedenen Stile vermischt und dabei etwas verhackstückeltes zu haben, sondern daraus ein großes Ganzes zu formen.
Es ist dabei müßig die Frage zu diskutieren, ob die Zweiteilung von „Kill Bill“ dem Film schadet oder nützt. Nicht wegdiskutieren kann man, dass es trotz aller Zusammenhänge schließlich zwei Filme geworden sind. Zum einen Tarantinos Verneigung vor den Eastern im ersten Film, zum anderen Tarantinos Verneigung vor den Western im zweiten Film. Wo im ersten Teil Martial Arts und Blutfontänen waren, gibt es nun auch großkalibrige Schrotgewehre, viel staubiger Wüstensand und ein vor Zynismus strotzender Budd, der auch aus einem Leoné Western stammen könnte.
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Quentin Tarantino ist dabei zum ersten Mal nicht selbst auf der Leinwand zu sehen. Doch im Gegensatz zu seinen ersten drei Filmen, wo er zwar immer auf der Leinwand zu sehen war, doch nie richtig präsent und wichtig war, ist hier das genaue Gegenteil der Fall: Tarantino ist nicht da, doch er ist omnipräsent. Gleich zwei Charaktere des Films stehen für Tarantino und zwar nicht der Großmeister Pai Mei, den er erst selbst spielen wollte, dessen Rolle er dann aber glücklicherweise Gordon Liu überlassen hat, der ja schon im ersten Teil - da noch als Bösewicht und Opfer der Braut - in Erscheinung trat, sondern Bill und die Braut selbst.
Bill ist Tarantinos Verkörperung seiner unendlosen und wohl für immer unerfüllten Liebe zu Uma Thurman. Bill liebt die Braut so abgöttisch, wie Tarantino wohl Uma Thurman liebt. Im zweiten Teil bekommt dies der Zuschauer überdeutlich zu spüren. In unzähligen Szenen bekommt man zu hören, wie wunderschön diese Frau ist. Dabei wird Tarantino fast penetrant und das ist der Vorwurf, den sich der Regisseur gefallen lassen muss. Seine Liebeserklärungen kommen deutlich zu oft und wenn Fußfetischist Tarantino zum zehnten Mal die Kamera über Uma Thurmans nackte Füße fahren lässt und einer der Nebendarsteller sagt, wie wunderschön dieser blonde Racheengel ist, dann ist es irgendwann einfach zu viel. Dazu kommt die nicht mehr überraschende Enthüllung des Vornamens der Braut, ein Name, der noch einmal unterstreicht wie schön diese Frau ist.
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Viel besser ist da der andere Tarantino. Tarantino ist auch „Die Braut“. „Die Braut“ ist eine Schülerin. Sie ist die Schülerin von Pai Mei und von Bill. Auch Tarantino verstand sich bis zu diesem Film als Schüler. Er ist der Schüler von großen Vorbildern wie Sergio Leoné. So ist dieser Film auch kein Klau von Werken seiner Meister, sondern er erbietet ihn Ehr. Er zeigt ihnen, dass er nun ihre Klasse erreicht hat. Dies macht er, in dem er sie zitiert. Ein Schüler, der seinen Meister nicht würdigt, hat schnell ein Auge weniger wie der Film zeigt. Deswegen würdigt Tarantino seine Meister, doch wie die Braut zeigt, ist irgendwann die Zeit gekommen selbst der Meister zu werden. Dies macht Tarantino mit „Kill Bill“, dies macht die Braut am Ende für ihn.
Dabei verwundert es im zweiten Teil vor allem, dass dieser, unabhängig von der Eastern - Western - Gegenüberstellung, so völlig anders daherkommt, als sein Vorgänger. Wo der Vorgänger von Minute zu Minute das Tempo erhöhte und die Ereignisse Schlag auf Schlag kommen, lässt es Tarantino im zweiten Teil deutlich ruhiger angehen. Mit ein Grund dafür, warum man der offiziellen Aussage, dass der Film als Einteiler geplant war und erst die produzierenden Brüder Weinstein von Miramax nach einer Sichtung den Film als zu lang befanden und er geteilt werden, mehr als skeptisch gegenüberstehen muss. Der zweite Teil nimmt sich viel Raum für seine Figuren und deren Hintergründe, die Kämpfe sind meist nur kurz und jäh. Allein das Finale verdeutlicht dies schon, wird doch kein langer Kampf zwischen Bill und der Braut mit Waffen geboten, sondern ein Kampf mit Worten. Da darf Bill dann über Superman philosophieren wie einst Vincent Vega und Jules Winnfield über Burger. Das Herz eines jeden, der diese für Tarantino so typischen Dialoge im ersten Teil vermisst hat, darf also höher schlagen. Dazu kommen geniale Einfälle, wie die „Fünf-Punkte-Pressur-Herz-Explosions-Technik“, die eine wichtige Rolle in dem Film spielt.
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Tarantino spielt in diesem Zusammenhang mit den Erwartungen des Zuschauers. Wer die gleiche Actionschlacht wie in Teil eins erwartet, bekommt von Tarantino eins auf die Nase und wird vielleicht leider enttäuscht sein. Schon eine der ersten Szenen zeigt dies überdeutlich. Tarantino zeigt noch einmal das Massaker von Two Pines, der Ausgangspunkt der ganzen Geschichte. Bill und seine Killer töten den Ehemann und die Hochzeitgesellschaft. Doch Tarantino, in dessen Filmen Brutalität zwar seinen Platz hat, aber der Geschichte und nicht der Unterhaltung der Zuschauer dienen soll, verpasst dem nach Brutalität geifernden Zuschauer eine Breitseite. Während die Killer die Hochzeitskapelle betreten, entfernt sich wie in Takeshi Kitanos „Sonatine“ die Kamera vom Geschehen und es ist nur das blitzende Mündungsfeuer der Waffen durch das Fenster zu sehen.
Die Ruhe, welche der zweite Teil ausstrahlt, ist mit eine Verbeugung vor den großen Western. Wer Filme wie „The Good, The Bad and The Ugly“, dem über den Soundtrack eine deutliche Referenz erwiesen wird, kennt, weiß das in diesen Western oft über Minuten geschwiegen wird und die Stille regiert. Nur logisch, dass auch diese Minuten der Stille in Tarantinos Film vorhanden sind, oftmals unterstrichen von kargen Landschaftsaufnahmen des Wilden Westens.
Kaum erwähnen muss man, dass „Kill Bill Vol. 2“ stilistisch wieder ein Meisterwerk ist. Es gibt kaum ein stilistisches Mittel, welches Tarantino nicht benutzt. Ob er Szenen in Farbe oder Schwarz-Weiß zeigt, oder den Vordergrund in Farbe, den Hintergrund nicht, dazu alle möglichen Kamerafahrten und Einstellungen, es scheint Tarantino hat nichts ausgelassen. Das geht sogar so weit, dass Tarantino bisweilen das Bildformat verändert und dass er die Bildqualität in den Rückblenden mit Meister Pai Mei anpasst, so dass dies zu den alten Kung-Fu-Filmen passt. Dazu kommt natürlich Gordon Liu, der diesen Pai Mei spielt, und einer der zahlreichen Höhepunkte des Films ist.
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Das einzige, was „Kill Bill 2“ gegenüber den ersten Teil dann schlussendlich doch etwas abfallen lässt, ist Tarantinos zu penetrante Verehrung von Uma Thurman, die zu oft in Bilder und Worte gebracht wird. Davon abgesehen handelt es sich, aber um einen Film wie ihn wohl nur Quentin Tarantino drehen kann. Allein der Detailreichtum des Films sorgt schon dafür, dass man am liebsten an der ein oder anderen Stelle des Films den Vorführer bitten würde, das Bild anzuhalten, um die 7,50 m x 16 m große Leinwand cm für cm nach den zahlreichen Hinweisen und Zitaten abzusuchen, die Tarantino so geschickt einstreut und deren Finden den Film immer noch besser werden lässt. Schade, dass dies am heimischen TV-Gerät sicher nicht mehr so gut sein wird, wie schon die Sichtung des ersten Teils auf DVD bewies.
Was aber doch etwas verwundert, ist die unterschiedliche Auffassung der FSK gegenüber beiden Teilen. Nach der FSK 18 des ersten Teils, bekam der zweite Teil nur eine FSK 16 Freigabe. Natürlich spritzt in Teil zwei das Blut nicht so wild, wie in Teil 1, doch trotzdem ist die Brutalität stärker zu spüren. Nimmt Tarantino im ersten Teil der Brutalität durch die gnadenlose Überinszenierung schlussendlich doch den Schrecken, so herrscht im zweiten Teil wirkliche Brutalität vor. Der Kampf auf engstem Raum zwischen der Braut und Elle Driver ist durch seine „realere“ Inszenierung härter als der Kampf zwischen der Braut und den Crazy 88 im ersten Teil.
Ein Hinweis noch: Am Ende sitzen bleiben. Im Abspann gibt es bei der erneuten Auflistung der Todesliste eine schöne Überraschung und ganz am Ende des Abspanns bekommt man noch einen Einblick in die Dreharbeiten bei einer Szene des ersten Teils.