Bastro sagte am 20. März 2014, 21:49:
Ich finde übrigens, das ist ein interessanter Punkt, den Critic hier thematisiert: inwiefern man von "den Filmen" Fords emotional affiziert werden kann. Natürlich kann man das, klar, aber läuft das nicht eher über Themen, Bilder, Motive, als klassisch, wie bei anderen Regisseuren, über die Figuren?
Anmerkung: ich habe jetz 14, 15 Filme von ihm gesehen, aber "emotional erschlossen" hat er sich mir noch nicht, bzw. eher auf einer intelektuellen Ebene.
Danke, dass Du das ansprichst. Ich überlege nämlich schon länger wie ich dieses Thema mal anschneiden sollte. Ein "emotionales erschließen" gibt es bei Ford so heute nicht mehr (glücklich sind die, die es einfach so hinkriegen). Dafür behandelt er die Dinge viel zu sehr auf einer Ebene, die viel zu viel als gewusst voraussetzt. Während es uns heute befremdet, dass Ford häufig das Militär abzufeiern scheint, muss man sich schon ein wenig mit der amerikanischen Geschichte des 19. Jahrhunderts auskennen, um zu wissen, dass das Militär zu dieser Zeit Nicht-WASPS die einzige Möglichkeit bot, einen irgendwie gearteten gesellschaftlichen Aufstieg umzusetzen Darum sind Fords Regimenter das reinste Einwandererbündel und viel Wortwitz ergibt sich im Original aus den Dialekten und dem Aufeinanderprallen der Mentalitäten. Wenn man das nicht weiß, dann denkt man, Ford sei nur ein Militär-Junkie. Tatsächlich reflektiert er die Fehlerhaftigkeit von Kadavergehorsam ständig mit und sieht als den großen Verknüpfungspunkt schwach definierte, aber stark empfundene Werte von Loyalität und Pflicht. Etwas, was während der Kreuzzüge sogar die Moslems annehmen ließ, dass wir Schweinefresser vielleicht doch Menschen sind, da sie an uns Gottlosen meinten dies auszumachen.
Ford zeigt seine Figuren (selbst den letzten Sidekick) in einer Komplexität, die ihr Stereotyp permanent durchbrechen und sie dadurch alle wie Menschen, nicht nur wie Figuren wirken. Gleichzeitig scheinen sie aber alle Beteiligte einer großen Sache - dem Kosmos, dem Universum, dem Leben - zu sein. Jeder erfüllt seine Funktion, doch hinter ihnen stehen Menschen. Das ist Ford sehr wichtig bzw. hat er durch STAGECOACH dadurch ja das Kino verändert. Selbst für den Vergewaltiger und Mörder Minderjähriger in CHEFINSPEKTOR GIDEON schafft Ford es noch durch seine ihm eigene Bildsprache Verständnis aufzubauen, ihn als Menschen zu sehen.
Anders als Hitchcock war Ford mir nämlich schon fast verhasst (obwohl, nein das wäre zu viel gesagt) und darum habe ich mich so intensiv mit ihm beschäftigt. Nicht mal Hitchcock wird von so vielen Regisseuren als Gott gefeiert (Frank Capra über Ford: "Der König aller Regisseure!") und das hat mich gewundert, ließen mich Fords Filme doch so völlig kalt. Auch, dass Ford noch die Grundelemente der Filmgrammatik mitentwickelt hat, noch mal eine Generation vor Hitch, sorgte dafür, dass ich diesem Mysterium auf den Grund gehen/kommen wollte. 144 Spielfilme, Dokumentationen und Fernseharbeiten (gut, über 50 sind verloren) schienen daraus ein unmögliches Unterfangen zu machen. Nachdem ich mich so enorm in diesen unsympathischen, widerlichen, unverschämten und doch so fairen, loyalen und die Zwiespältigkeit Amerikas auf den Punkt bringenden "Bastard" verbissen hatte, hab ich jetzt, eigentlich erst seit knapp einem Jahr, auch einen emotionalen Zugang.
Ich kann einfach nur empfehlen Literatur über den Mann zu lesen. Sarris, Galager, Bordwell, Bogdanovich usw. Dann versteht man, warum er der (ein anderes Zitat) "Griffith des Tonfilms" war.