Howie Munson sagte am 22. Februar 2014, 20:55:
Aber wieso unterscheidest du zwischen besten Filmen und Lieblingsfilmen? Ist doch dasselbe. Persönliche Vorlieben eben.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: ich unterscheide da auch, beste Filme und Lieblingsfilme sind für mich - obwohl es natürlich Überschneidungen gibt - nicht unbedingt dasselbe. Ich will noch mal versuchen, zu erläutern, inwiefern ich da differenziere.
Richtig ist natürlich, daß der "beste Filme" (überhaupt, eines Regisseurs, wie auch immer) objektiv nicht bestimmbar ist, denn das würde Meßbarkeit im Sinne der Meßbarkeit physikalischer Größen erfordern. Wenn man bei der Vorführung eines Films ein Gerät einschalten könnte, das dann die Qualität des Films in einer passenden Maßeinheit (nennen wir sie einfach ein Griffith) angibt, ließe sich das beantworten. Daß das nicht funktioniert, ist klar, man kann einfach nicht sagen, daß
Rashomon 9,8 Griffith hat,
Wolfzeit dagegen 2,5 Griffith (kann man natürlich schon; nur, daß das dann keine Messung ist, sondern doch wieder nur eine subjektive Meinung - in diesem Fall meine).
Trotzdem halte ich eine Unterscheidung für möglich. Ein Film muß gar nicht mal meisterlich, vielleicht noch nicht mal gut sein, um trotzdem ein persönlicher Lieblingsfilm zu werden - es reicht aus, wenn er einen auf eine möglicherweise sehr persönliche Weise anspricht, eine Stimmung erzeugt oder ein Lebensgefühl vermittelt, die einem nahegehen.
Um dagegen von einem der besten Filme zu sprechen, verlange ich neben inhaltlichen auch formale Qualitäten. Als ich mal eine Bestenliste zusammengestellt habe, ging ich so vor: ich dachte mir eine ganze Reihe von Kriterien aus, inhaltliche und formale: wie nuanciert sind die Charaktere gezeichnet, wie überzeugend ist der Aufbau des Drehbuchs, was zeichnet die Kameraführung, die Lichtsetzung oder Farbgestaltung, den Schnitt aus usw. und notierte dann, welche Filme mir als besonders bemerkenswert erschienen, wenn ich ein bestimmtes Kriterium anlegte. Einige Filme tauchten dabei immer wieder auf, und so kam ich dann zu meiner Bestenliste.
Ich kann ja auch noch konkrete Beispiele nennen: im Fall von Hitchcock halte ich
Vertigo wegen seiner Vielschichtigkeit und seiner besonderen psychologischen Tiefe für den besten Film; mein persönlicher Lieblingsfilm ist dagegen wohl trotzdem
Psycho, weil ich dessen ungemein dichte und finstere Atmosphäre so toll finde. Es geht hier nur um Nuancen; ich mag
Vertigo fast ebenso wie
Psycho, und halte diesen wiederum für fast genauso gut wie
Vertigo, aber trotzdem unterscheide ich da. Ähnliches bei Bergman: dort halte ich
Schreie und Flüstern für seinen besten Film, mag aber
Fanny und Alexander trotzdem noch lieber, denn der hat eine (für Bergman-Verhältnisse, wohlgemerkt!) vergleichsweise heitere Grundstimmung, während es in
Schreie und Flüstern ungemein eindringliche, aber auch kaum erträgliche Szenen gibt.
Ich könnte es auch kürzer so ausdrücken: Lieblingsfilme sind vor allem solche, die man immer wieder sehen kann und sehen möchte. Beste Filme laden dagegen nicht zwangsläufig zum Wiedersehen ein.
Waltz with Bashir ist fraglos einer der besten Filme der letzten zehn Jahre, aber ich glaube nicht, daß ich den noch mal sehen könnte - insofern also ganz bestimmt kein Lieblingsfilm.