The Diarrhoea Diary
#421
Geschrieben 20. Mai 2006, 04:26
Japan 1967 Regie: Koji Wakamatsu
Zum ersten mal bin ich auf diesen Film aufmerksam geworden durch ein Standbild in Keiko Yamanes Buch „Das japanische Kino“. Es war eines von diesen Standbildern, die einen kurzfristig gefangen nehmen, wie ein Bild im Museum, vor dem man länger stehenbleibt. (Schlechter Scan) Inspiriert vom Blutbad, das Richard Speck 1966 in einem Schwesternwohnheim in Chicago anrichtete, fertigte Wakamatsu einen Film, der der pinku-Gemeinde genügend nackte Haut kredenzte, um in den einschlägigen Kinos erfolgreich zu laufen – diese Prämisse erfüllend, konnte er aber in allen anderen Belangen, vor allem stilistisch, wild experimentieren. Der Film wird im allgemeinen als sehr frauenfeindlich rezipiert, aber dies auch nur von den Leuten, die sich an der sehr reduzierten Handlung stoßen – ein Außenseiter dringt in ein Haus ein und bringt nach und nach alle dort wohnenden Frauen um, bis auf Eine – mehr ist da nicht. Aber wer Filme nur aufgrund ihrer Handlung beurteilt, hat das Medium scheinbar auch nicht ganz verstanden. Violated Angels nutzt seinen Plot nur als Ausgangsmaterial, um mit Montage, Musik und Kameraführung den Blickwinkel eines verwirrten Geistes nachzuempfinden, und ist dabei ebenso verstörend wie faszinierend. Der Film versetzte mir persönlich zwar keinen so heftigen Schlag in die Magengrube wie des Regisseurs späterer Go, go second time virgin, da die Charaktere recht schablonenhaft bleiben, bietet aber intensive Momente des Terrors, die in der Folgezeit selten so wirkungsvoll inszeniert wurden.
#422
Geschrieben 25. Mai 2006, 00:38
USA 1966 Regie: William Grefé
„I don’t know, I don’t know. Maybe someday, someone will find an answer.” Meta-Dialogzeile
Die „portuguese man-of-war“ (Physalia physalis) ist eine Quallenart, die hauptsächlich auf Hawaii und an der Küste Floridas lebt (aber auch schon in Indien gesichtet wurde) und einen auch für Menschen durchaus schmerzhaften Stich besitzt. Glücklicherweise wird sie nicht besonders groß, und so ist dieser Stich nur in Ausnahmefällen tödlich. Egon, ein verwachsener Assistent eines Wissenschaftlers in den Everglades, ist der Meinung, man müßte sie auch größer machen können, weil er sie so hübsch findet und er sich auch möglich wenig Menschen um sich herum wünscht, da diese ihn ständig nur auslachen und demütigen. Auch wenn die genannte Quallenart im Süßwasser der Everglades nicht vorkommt, ist dies halt der bevorzugte Drehort von William Grefé, dem letzten großen Auteur des Tierhorrorfilms. Hier wohnt er nämlich, hier kennt ihn jeder und er kriegt ab und zu ein Boot für Dreharbeiten geliehen oder findet zufällig ein Wrack, das man verwenden kann. Dieses Wrack sorgt dann auch für eine der eindrucksvollsten Szenen: Ein Dutzend Teenager versucht, sich ins Wasser zu retten, doch dort erwarten sie die mörderischen Quallen – auf erschreckend realistische Weise von kunstvoll zusammengeknoteten Plastiktüten gedoublet. Das ist die Strafe dafür, seinen Arsch vorher in die Kamera gehalten zu haben, während man zu Neil Sedakas eigens für diesen Film komponierten Ska-angehauchten „Do the Jellyfish“ alberne und obszöne Bewegungen gemacht hat. Der Song war leider kein Hit. Die Szene, in der die toten Teenager anschließend neben den Plastiktüten im Wasser treiben, ist von der Bildkomposition gar nicht mal verkehrt, auch der Score passt da. Neben dem durch ausführlichen Quellenstudien ermöglichten Erfolg, Quallen größer und aggressiver zu machen, hat Egon aber auch die quälende Erfahrung gemacht, selbst zum Quallen-Menschen zu werden. Er tappt bereits im Prolog herum, aber so richtig sehen wir ihn erst im Finale: Er trägt Schwimmflossen, einen beschmodderten schwarzen Taucheranzug, an den man Kordeln getackert hat, und sein Kopf steckt in einer riesigen halb-transparenten Plastiktüte. Daß man während des Finalkampfes und des Todes von Egon keine Geräusche hört, sondern nur Musik, verleiht dieser Szene ätherische Qualitäten. Doch bedeutet das Ende Egons auch das Ende der tödlichen Quallen-Gefahr? Man weiß es nicht.
Ein Schocker, der einen schlaflos hinterläßt. Der Audiokommentar besteht zum größten Teil aus dem dämonischen Lachen des Regisseurs.
#423
Geschrieben 29. Mai 2006, 18:42
Italien 1974 Regie: Mario Gariazzo
Ein zu Leben erwachter böser Holzprügel aus einer entweihten Kirche besteigt eine Kunststudentin, deren Mami sich gerne mit Rosen auspeitschen läßt. Es folgen Masturbationen und Halluzinationen, so wird sie zum Beispiel mit Schmackes an ein Kreuz genagelt. Suggeriert die erste Hälfte des Films noch eine erfrischende Sleaze-Dusche, wird’s in der zweiten Hälfte relativ straight und selbst recht bizarre Ideen wollen nicht wirklich zünden, da der Regisseur für einen Italiener erstaunlich wenig Stilbewußtsein an den Tag legt. Das Finale ist dann auch eher enttäuschend und das Budget hat wohl nur für eine Dose Erbsensuppe gereicht. Zwar ist die Hauptdarstellerin durchaus schnuckelig und Ivan Rassimov und Luigi Pastilli sieht man auch immer gerne, aber verglichen mit den etwa zeitgleich auf dem Stiefel abgedrehten Teufelswerken - Martinos solidem Antichristo und Assonitis' unterschätztem Wahnwitz Chi Sei? - stinkt der hier ziemlich ab. Interessant übrigens, daß diese drei schon sehr hurtig nach des Exorzisten Europa-Release anliefen - durchaus möglich, daß die Verantwortlichen Friedkins Film gar nicht vollständig gesehen haben, bevor sie ihre eigene Version drehten. Das würde zumindest die zahlreichen Divergenzen erklären. Die deutschen Titel sind ausnahmsweise mal passender als der amerikanische, der aus irgendeinem Grunde die Rocky Horror Picture Show ins Spiel bringt, mit der der Film jetzt mal reichlich wenig am Hut hat. Singende Transvestiten hätten ihn aber wahrscheinlich auch nicht gerettet.
#424
Geschrieben 30. Mai 2006, 00:55
Japan 2005 Regie: Kankurô Kudô
„It’s not my reality.” Meta-Dialogzeile
A propos singende Transvestiten: Diese hätten ja beinah dazu geführt, daß ich diesen Film vorzeitig abbrechen wollte, da mir diese exaltierten Tunten-Klischees zuweilen stark auf die Nerven gehen können. Allerdings macht der Streifen schon relativ bald klar, daß er weit mehr ist als eine durchschnittliche Schwulenkomödie für ein Hetero-Publikum...in der Tat könnte man einiges an diesem Film kritisieren, aber durchschnittlich ist der mal ganz und gar nicht! Das wird schon relativ am Anfang klar, und deswegen bin ich wohl auch dran geblieben: Mit stilistischem Fingerspitzengefühl wird hier zunächst einmal ein S/W-Samuraifilm nachempfunden, der aber schon bald einige Wendungen ins Absurde nimmt – und so geht es eigentlich weiter: Ständig wird die Edo-Zeit, die eigentliche Zeit der Handlung, von Reflektionen aus der Gegenwart durchbrochen – das könnte auf Dauer ermüdend sein, wird aber mit einem solchen Ideenreichtum umgesetzt, daß die Masche nicht langweilig wird – und in der besseren zweiten Hälfte explodiert dann auch noch der narrative Rahmen, so daß der Zuschauer vor überhaupt nichts mehr sicher ist. Der Humor nutzt zwar manchmal die Holzhammermethoden, die auch in amerikanischen Teenie-Komödien vorkommen, schwankt im nächsten Moment dann aber entweder in Richtung Monty Python, oder ist so vollkommen bescheuert, daß mir nichts Vergleichbares einfällt.
Basierend auf einem Manga, der wiederum auf einem klassischen Roman zurückgriff, wird die Geschichte von zwei Samurai erzählt, die sich auf den Weg zum Ise-Schrein machen. Anders als im bereits des öfteren verfilmten klassischen Vorbild sind die beiden allerdings keine Weiberhelden, die nur mal von ihren Frauen wegkommen wollen, sondern schwul. Zudem ist der eine drogenabhängig und der andere wird von bösen Alpträumen geplagt. Diese Prämisse eignet sich natürlich hervorragend zum visuellen Ausrasten erster Kajüte und das Feuerwerk wahnwitziger Halluzinationen läßt auch nicht lange auf sich warten. Dabei drückt man glücklicherweise nicht nur auf die laute Anarcho-Tube, sondern geht auch häufig ruhig und behutsam, aber nicht minder absurd vor. Der Sprachwitz geht in der Übersetzung zwar größtenteils verloren und vermutlich können nicht mal die meisten Japaner sämtliche Anspielungen entschlüsseln, aber neben den offensichtlichen in westliche Richtung zielenden Persiflagen von beispielsweise Easy Rider oder Lord of the Rings habe ich zumindest die Referenzen an Yotsuya kaidan und Matango erkannt. Nett auch die Gastauftritte von Riki Takeuchi und Susumu Terajima.
Kudôs erste Regiearbeit nach beachtlichen Drehbüchern zu u.a. Zebraman und Go ist vollkommen over-the-top und trotz einiger Plattheiten (die Samurai als Hip-Hopper hätte es nicht gebraucht) und ein paar Längen von einem überbordenden Ideenreichtum und stilistischer Brillianz. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat mich der Film (der garantiert nicht jedermanns Sache ist) dann doch sehr amüsieren können. Zum Ende hin vermißt man zwar einen großen Knall, aber dafür knallt die Abspann-Musik, „I wanna be your fuck“ von den ZAZEN BOYS, um so mehr – lange nicht mehr so einen arschtretenden Noiserock gehört, erinnerte mich ein wenig an die alte japanische Band JUNK SCHIZO.
#425
Geschrieben 31. Mai 2006, 22:54
Polen 1988 Regie: Wojciech Has
Der junge Balthasar Kober reist im späten 16. Jahrhundert von Bautzen über Nürnberg nach Venedig, entweder auf der Suche oder auf der Flucht. Vom Vater für ein Theologiestudium vorgesehen, führen verschiedene Umstände dazu, daß er sich bei den sogenannten Ketzern viel wohler fühlt. Auf seiner Reise hat er nicht nur Visionen vom Erzengel Gabriel, auch sein toter Bruder und seine tote Stiefmutter erscheinen ihm häufig. Er wird mehrfach verhaftet, verliebt sich, wird lebendig begraben, begegnet einem Doppelgänger, und folgt schließlich seiner Geliebten freiwillig in das Reich des Todes.
Has’ letztes Werk basiert – verglichen mit den vielschichtigen Vorlagen von Jan Potocki oder Bruno Schulz seiner früheren Filme – auf einem eher konventionellen, beinah-Fantasy-Roman von Frédérick Tristan, der zahlreiche ermüdende theologische Ausschweifungen beinhaltet. Ich habe ihn trotzdem zu Ende gelesen, wenn auch nur, um dem Film halbwegs folgen zu können, da er mir nur in Polnisch vorlag, und meine polnischen Sprachkenntnisse nun mal etwas...nicht vorhanden sind. Aber auch aus dieser Vorlage vermag Has einen faszinierenden Bilderbogen zu zaubern. Der in seinen Farbfilmen dominante halbdunkle Stil mit perfekt ausgeleuchteten Sets verbreitet genau die Art von Stimmung, die eine solche Geschichte benötigt: Man wähnt sich in einem ewigen dazwischen, zwischen Leben und Tod, Wachsein und Traum, Wahnsinn und Vernunft. Auch wenn ich die Dialoge nicht verstanden habe, war allein durch die Bilder erkennbar, daß Has die Vorlage in entscheidenden Momenten zum Besseren änderte. Neben der Verschiebung des Happy Ends des Romans (in dem sowohl Balthasar als auch seine Geliebte überleben und heiraten) sticht hier vor allem die gespenstische Szene hervor, in der der Protagonist seinen Doppelgänger dabei beobachtet, wie er mit seiner toten Stiefmutter ins Bett steigt. Auch wenn der Film mich nicht so umhauen konnte wie Rekopis znaleziony w Saragossie und Sanatorium pod klepsydra, war er doch ein faszinierendes Erlebnis – Wojciech Has war einfach ein begnadeter Stilist mit einer einzigartigen Bildsprache. Ja, ich habe schon mal eine zünftige DVD-Edition seiner Werke verlangt, ja, ich weiß, daß es ziemlich hoffnungslos ist, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.
#426
Geschrieben 05. Juni 2006, 03:47
Mexiko 1964 Regie: Rafael Baledón
Nebel schleicht durch die Stadt. Eine Blondine ist auf dem Heimweg. Aus der Ferne beobachtet sie ein schwarz gewandeter Mann. Das sieht alles verdammt gut aus, und der Score ist auch vom Feinsten. Man sollte die Mexikaner nicht unterschätzen. Es ist recht offensichtlich, da einzelne Einstellungen komplett übernommen wurden, daß das hier ein mexikanischer House of Wax werden sollte. Aber es steckt doch einiges mehr dahinter. Anders als im Vorbild werden die Damen hier nicht getötet und dann später vollgewichst, äh, vollgewachst, sondern fallen in Ohnmacht, wenn sie die vehement entstellte Fresse des durch den Nebel schleichenden Mannes in Schwarz sehen. Anschließend bekommen sie, wenn sie aus der Ohnmacht erwachen, eine spontane Ganzkörper-Heißwachsbehandlung. (Wenn Vincent Price noch leben würde, könnte man einen Sketch drehen, in dem er mit einem Auto in die Waschstraße fährt, und wenn der Angestellte nach einer Heißwachsbehandlung fragt, leuchtende Augen bekommt.) Auch gesellen sich zum Wachsfigurenkabinett-Besitzer noch zahlreiche Subplots dazu, ein junger Arzt fummelt mit Frauenköpfen herum, Leichendiebe treiben sehr groben Unfug und irgendwer bläst Curare-Pfeile in unbescholtene Bürger. Auf eine beeindruckende Szene, in der ein Polizist von den Grabräubern lebendig begraben wird, folgt eine feine Traumsequenz, die allerdings auch ein bißchen länger hätte sein können. Zum Ende hin blicke ich nicht mehr wirklich durch, da mein spanisches Vokabular auch etwas eingeschränkt ist, aber die Bilder sprechen ihre eigene Sprache: Ein handwerklich solider Streifen, der durchaus Spaß macht. Die Protagonisten dieser Wachsfiguren-Filme versuchen sich immer an einer Objektivierung des Weiblichen, sie wollen ein zeitlos schönes Püppchen erschaffen, und hier trifft der wahnsinnige Wissenschaftler mit dem wahnsinnigen Künstler zusammen. Daß in diesem Film im Museum neben Elektra und einer Ische von Ibsen auch eine Figur aus dem Repertoire des ollen Goethe steht, paßt dazu wie der Faust aufs Gretchen.
#427
Geschrieben 08. Juni 2006, 21:46
USA 1941 Regie: George Waggner
Lon Chaney Jr. ist Dynamo-Dan, ein gutmütiger naiver Jahrmarktskünstler, der eine Menge Elektrizität vertragen kann. Als einziger hat er einen tragischen Unfall, in dem ein Bus in einen Starkstrom-Mast gerast war, überlebt. Dummerweise gerät er in die Obhut des Dr. Lawrence, der an sich ein netter Kerl ist, sein Labor aber mit dem Unter-Akademiker Dr. Rigas (Lionel Atwill) teilt. Dieser erzählte schon vor dem Eintreffen Dans, daß er es für möglich hält, eine Rasse elektrischer Übermenschen zu erschaffen. Es zeugt von der akademischen Großmut des Dr. Lawrence, daß er die Experimente des Kollegen zwar kritisiert, sie ihm aber nie verbietet. Was freilich ein Fehler ist, denn Dr. Rigas ist auch ein ziemlicher Arsch. Als der gute Doktor auf einer Tagung in Lateinamerika weilt, nutzt der böse Doktor Lon Chaney Jr. dazu, seine Theorien auszuprobieren und stürzt den vorher lebensfrohen Burschen in eine entsetzliche Elektrizitäts-Abhängigkeit. Auch brutzelt es manchmal komisch, wenn Lon etwas anfaßt. Nach ca. 30 Minuten ist die Metamorphose komplett gelungen: Es britzelt und bratzelt um Dynamo-Dans Körper herum, daß vor allem der Lichtkranz um seinen Kopf in den ersten Szenen wie ein Heiligenschein wirkt: Er sieht nicht aus wie ein Monster – mit den festgeschnellten Armen eher wie Christus. Das ändert sich ein wenig, als ihm Lionel Atwill einen Gummianzug verpaßt und befiehlt, den guten Doktor zu töten. Anschließend schiebt Dr. Rigas dem wieder entladenen und hypnotisierten Dan den Mord feige (aber mit Hintergedanken) in die Gummistiefel. Der kann nur noch "I killed him" stammeln. Die Zeitungen verkünden: "Electrical Man Admits Slaying Dr. Lawrence!" Fünf Minuten später ist er bereits zum Tode verurteilt. Aber, daß der elektrische Stuhl in seinem Fall nicht wirklich die von der Obrigkeit gewünschten Ergebnisse erzielt, ist nur ein weiteres Argument gegen die Todesstrafe. Die Hinrichtung selbst sehen wir nicht, aber anschließend stapft Dan aufgeladen wie noch nie durch die Gegend. Die Spannung steigt sich ins Unermeßliche, als zwischenzeitlich noch dass love interest (Anne Nagel) von Dr. Rigas zum zweiten Versuchsobjekt auserkoren wurde. Was sagt sie dem Mann auch, er sei wahnsinnig! Freilich muß kurze Zeit später erst Lionel Atwill und dann der tragische Held selbst (in einem Stacheldrahtzaun) draufgehen.
Der Film basiert auf einem älteren Skript, das ursprünglich für Karloff und Lugosi vorgesehen war und erfüllte wohl eher so eine Art Lückenfüller- oder Testlauf-Funktion für die Universal, da er nur 59 Minuten lang und recht niedrig budgetiert ist. Was nichts daran ändert, daß der Film verdammt viel Spaß macht, Chaney Jr. und vor allem Atwill sind in Hochform. Unter oben erwähntem deutschen Titel scheint das ganze nur in Super 8-Form veröffentlicht worden zu sein. (In der ofdb ist der deutsche Titel "Vom Menschen geschaffenes Monster" angegeben, aber den will ich so recht nicht glauben – scheint aus der wörtlichen deutschen Everson-Übersetzung zu stammen.)
#428
Geschrieben 17. Juni 2006, 17:45
GB 2005 Regie: Luke Watson
Man kann von der Eigenheit der Engländer, ellenlang an ihren Traditionen festzuhalten, ja halten was man will, aber ich finde es gut, daß sie jetzt schon seit fast 50 Jahren in schöner Regelmäßigkeit Geistergeschichten im Fernsehen ausstrahlen und auch noch neue produzieren. Ja, das wird wieder so ein langweiliger "Ghost Story for Christmas"-Eintrag, wo ich grundsätzlich nicht viel mehr schreiben kann als: Hui! Es funktioniert immer noch, es gibt immer noch M. R. James-Geschichten, die noch nicht verfilmt worden sind und sowohl Story, Atmosphäre als auch Darsteller haben diesen eigenen britischen Touch und können hundertprozentig überzeugen. Eigentlich verwunderlich, daß diese Erzählung über ein merkwürdiges Fernglas trotz ihrer visuellen Möglichkeiten noch nicht früher bearbeitet wurde. Es werden zwar aktuelle Stilmittel wie eine durch den Wald wackelnde Kamera benutzt, man bleibt aber glücklicherweise dem Konzept des Understatements treu, um das langsam sich heranschleichende Grauen des Stoffes angemessen umzusetzen und verzichtet auf plakative Schockeffekte. Von mir aus können die Engländer ruhig noch 50 Jahre so weitermachen, oder auch länger.
#429
Geschrieben 18. Juni 2006, 03:18
Hong Kong 1984 Regie: David Lai
In der Schwangerschaft schadet dieser Film ihrem Kind. Entstehungsland und Entstehungszeit des Werks lassen schon vermuten, daß man hier nicht mit Subtilität oder leisen Tönen zu rechnen hat, sondern mit Übertreibungen und Abtreibungen. Man kann den Film natürlich nach den westlichen Vorbildern abklopfen, die er teilweise zu imitieren versucht, man kann es aber auch sein lassen, und einfach den resultierenden Irrsinn genießen, wenn Uncle Sams Horrorbilder durch den gnadenlosen Hong Kong-Wolf gedreht werden. In diesem Sinne ist der Film mindestens so gut wie Poltergeist, Omen und Exorzist zusammen. Dieser Film führt zur Verstopfung der Arterien und verursacht Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sein großer Vorteil ist seine Unvorhersehbarkeit, anders als in Hollywood kennt man in Hong Kong nämlich keine Geschmacksgrenzen. Unbezahlbar die Szene, in der das besessene Mädchen über den Schulhof fliegt, und auch die Verführung eines fetten Fleischers läßt den Zuschauer zunächst mit offenem Mund zurück. Dieser Film kann die Spermatozoen schädigen und schränkt die Fruchtbarkeit ein. Zum Glück für den Protagonisten, der ein ziemlicher Arsch ist, gibt es einen Streifenpolizisten namens "Dick", der auch den ein oder anderen Exorzismus beherrscht. Zusätzlich scheint er sich auch als Innenarchitekt zu betätigen und sagt Sätze wie "This is an awful place to put the mirror" oder, mein Favorit: "This corner is incompatible with god". Was will uns der Untertiteldichter damit sagen? Dieser Film kann zu Durchblutungsstörungen führen und verursacht Impotenz. Wie in jedem guten Kunstwerk aus Zelluloid taucht später auch noch ein Zwerg auf, sogar ein Zwergenpärchen, und der Held wird nach einer Triple-Traumsequenz von Hare Krischnas aufgenommen, die seine Wunden heilen. Deren Chef kannte einst einen Lieutenant namens Tim Burton (!) mit ähnlichen Wunden, deren Frau einst die verfluchte Bude bewohnte, wo unser Held jetzt all den Ärger hat. Dieser Film enthält Benzol, Nitrosamine, Formaldehyd und Blausäure. Kurze Zeit später folgt das Finale, das nicht ganz so spektakulär ausfiel, wie ich es mir nach einigen Reviews vorgestellt hatte. Der Grund war schnell gefunden: Klickt man den Trailer auf der aktuellen DVD-Veröffentlichung an, sieht man einige Szenen (hauptsächlich mit Brüsten), die im Hauptfilm gar nicht vorhanden sind, wobei es sich nicht nur um Fleischbeschau, sondern auch um eigenwillige Spezialeffekte zu handeln scheint. Verdammt. Der Film hat mir zwar in dieser Form auch Spaß gemacht, kann sich aber wahrscheinlich nur in einer momentan nur schwer erhältlichen ungeschnittenen Version zu seiner ganzen Größe entfalten. Auf diesen Schreck muß ich jetzt erst mal eine rauchen.
#430
Geschrieben 24. Juni 2006, 01:02
Polen 1967 Regie: Ryszard Ber
Wer schon mal gerne über Flohmärkte oder eBay schlendert und Bücher aus Suhrkamps „Phantastischer Bibliothek“ sammelt, sollte die von Stefan Grabiński unbedingt mitnehmen. Auf eBay findet man zwar eher die DDR-Ausgaben, aber die tuns auch – das, wovon Grabiński schreibt, kommt in allen politischen Systemen vor. Einer der Suhrkamp-Bände trug den Titel der hier verfilmten Erzählung, „Das Abstellgleis“. (Die deutsche Editionsgeschichte Grabińskis ist etwas konfus – näheres auf Anfrage.) Der Autor wird im Allgemeinen als Verfasser unheimlicher Erzählungen oder als „polnischer Poe“ gehandelt, wobei letzteres bei näherer Betrachtung Blödsinn ist – die meisten Poe-Vergleiche hinken genauso wie das immer gern ins Feld geführte Hitchcock-Namedropping – aber doch ein Fünkchen Wahrheit enthält. Ähnlich wie die Erzählungen Poes ist Grabińskis Prosa viel mehr als einfach nur „unheimlich“. Seine Topoi zeugen ebenso von einem generellen Unbehagen der Welt, den Menschen und dem Leben gegenüber. In der vorliegenden Erzählung steigt ein Professor in einen Zug und findet sich in einer Gesellschaft wieder, die sich um einen merkwürdigen Schaffner versammelt hat, der Geschichten erzählt. So gab es einst einen Waggon, der sämtliche Reisende zu unmotivierten Lachanfällen gereizt hat und einen weiteren, dessen Fahrgäste allesamt Selbstmord begangen. Diese Fahrt, so der Schaffner, sei auch etwas ganz besonderes, denn man fährt nach der nächsten Station in ein unentdecktes Land, welches der Schaffner nur vom Hörensagen kennt, was ihn aber nicht davon abgehalten hat, daraus ein theologisches Konzept zu entwickeln...viele springen im letzten Moment aus dem Zug, doch einige der Fahrgäste haben ein Glimmen in den Augen, darunter unser Professor.
Die Verfilmung, die im Rahmen einer Serie unheimlicher Geschichten im polnischen Fernsehen (die von Grabiński dominiert wurde wie vergleichbare britische Formate von M.R. James) entstand, fügt eine Rahmenhandlung hinzu, in der der Geist des Professors das alles einem Schriftsteller erzählt. Durch diese Erzählinstanz, die den auktorialen Erzähler der Vorlage ersetzt, wird offensichtlich versucht, dem ganzen entweder mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, oder aber das genaue Gegenteil zu bewirken: Wer glaubt schon einem Geist? Wer glaubt überhaupt an Geister? Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, schien aber in dieser Zeit eine Notwendigkeit zu sein, da es dem Betrachter ein wenig Sicherheit zurückgab, die in Grabińskis schwirrendem Stil nicht aufzufinden ist. Der Film leidet zunächst unter seinem niedrigen Budget – Blitz und Regen eines Gewitters werden durch Kratzer auf dem Negativ dargestellt – gewinnt aber mit der Zugfahrt ordentlich an Fahrt. Wer braucht schon Spezialeffekte, wenn er Darsteller mit tollen Gesichtern, ein überzeugendes Set und fähige Leute an Licht und Kamera hat? Die Waggons der Lachenden und Sterbenden sind hier keine Geschichten, sondern Teile des Zugs, die der äußerlich nicht ganz so irrsinnig wie in der literarischen Vorlagene wirkende Schaffner dem staunenden Professor zeigt. Im Finale kommen dann doch noch Spezialeffekte zum Einsatz, die aber schon so weit vom Realismus entfernt sind, daß sie im Unterschied zu denen in der Eingangsszene voll überzeugen können. Die Rückkehr des Rahmens törnt im Anschluß dann wieder etwas ab, aber wie schon erwähnt: Hat wohl so sein müssen. Trotzdem bleibt ein in seiner Originalität und Seltsamkeit verstörendes Kleinod über, das einen der nur selten betretenen Pfade des phantastischen Films hinabtaumelt: Die empirische Realität löst sich langsam auf, und es macht den Eindruck, als sei sie nie vorhanden gewesen.
#431
Geschrieben 09. Juli 2006, 02:31
Hong Kong / USA 1988 Regie: Joe Livingstone
Einem Drogenboss sind die Drogenfahnder ein Dorn im Auge, und so kommt er zu der naheliegenden Idee, einen Haufen Vampire auf diese abzurichten. Die Vampire hier sind die aus u.a. Mr. Vampire bekannten Hong Kong-Hüpfdohlen mit gelbem Strafzettel auf der Stirn. Der Hauptvampir hat ein Gesicht wie ein Gorilla und einen Geist als Geliebte. Als einer der Drogenfahnder verstirbt, kommt man zu der naheliegenden Idee, ihn als Androiden wiederauferstehen zu lassen. Der Titel ist also leicht irreführend: Hatte ich mich auf die faszinierenden Abenteuer eines Vampir-Roboters gefreut, gab es nur die spannende Geschichte von Vampiren und einem Roboter. Robocop vs. Dracula wäre wohl ein passenderer Titel gewesen. Glücklicherweise beschränkt sich das US-Dubbing auf den Mindestwortschatz, verzichtet auf sinnlose Synonyme für etwa „Drugs“, und man gab sich auch große Mühe, daß keine einzige Figur besonders glaubwürdig herüberkommt. Ein katholischer Pfarrer beherbergt eine Blondine, die gut Maschinengewehr schießen kann und anschließend mit Wassertropfen gefoltert wird. Als ein Mitglied der Drogenbande auf einem Marktplatz verhaftet wird, befiehlt der Drogenkaiser, zur Sicherheit einfach alle Anwesenden zu erschießen. Die Musik besteht teilweise aus dem Grateful Dead-Vorspann für die 80er Jahre-"Twilight Zone". Im Finale wird wie erwartet viel gehüpft und geballert, und der Geist reißt sich freundlicherweise den durchsichtigen Fummel vom Leib und kämpft mit blanker Brust. Aus der immerwährenden Schlacht zwischen Robotern und Vampiren geht jedoch zunächst der Roboter als Sieger hervor.
#432
Geschrieben 14. Juli 2006, 22:25
Südkorea 1967 Regie: Kwon Cheol-hwi
Der englische Titel dünkt mich etwas eigentümlich übersetzt, handelt es sich bei „Wol-ha“ doch um eine Person, die jetzt nicht unbedingt im Verlauf des Films Besitzerin eines öffentlichen Friedhofs wird, aber nu ja, unter diesem Titel steht die DVD jedenfalls in den Läden, vielleicht ist das in Korea ja auch ein geflügeltes Wort...
Der Film geht schon gut los: Nebelmaschine angetreten, blaue und rote Spots eingeschaltet, und hurra! Allerdings ist der Schatten eines Totenschädels mit langen schwarzen Haaren etwas zu lange zu sehen. Dafür gleitet der hübsche Geist anschließend durchaus ansprechend durchs Bild. Nach der ersten Viertelstunde gibt’s dann erst mal eine Rückblende, die uns darüber aufklärt, was es mit dem Geist und den Leuten, die er heimsucht, auf sich hat. Das enthaltene Melodram ist mir dann etwas zu spröde geraten, aber immerhin sind die Farben schön. In den letzten 15 Minuten geht’s dann aber wieder zur Sache mit Geistererscheinungen und blutigen Todesfällen. Wirkt die Dramaturgie anfangs noch ein wenig übertrieben, entwickelt sie doch ihren eigenen Rhythmus, bei dem man gerne mitwippt. Insgesamt ein Film, der ein wenig holpriger daherkommt als die japanischen Geisterfilme dieser Periode, aber doch ein paar charmante eigene Ideen zu bieten hat.
#433
Geschrieben 16. Juli 2006, 16:22
USA 1963 Regie: Robert Gordon
Der immer formidable Michael Gough diesmal in einer US-Produktion, bei der aber ebenso wie bei den britischen Konga, Horrors of the Black Museum und noch ganz anderen Filmen Herman Cohen am Produzentensteuer saß. Gough gibt hier einen Zoo-Besitzer und seiner Schauspielkunst ist es zu verdanken, daß man lange Zeit nicht weiß, ob er nicht nur ein bißchen verschroben, oder tatsächlich ein gemeingefährlicher Psychopath ist. Mag man letzteres aus heutiger Perspektive auch von Anfang an vermuten, schenkt Gough seiner Figur liebenswerte Charakteristiken, die einen zweifeln lassen – ganz in der Tradition Cushings, der zuweilen seinem Frankenstein auch zahlreiche positive Züge verpaßt hat. In einer bemerkenswerten zentralen Szene streitet er sich mit seiner Frau: Die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs ist man in Genrefilmen weniger gewohnt, man wähnt sich plötzlich in so was wie einer Tennessee Williams-Verfilmung. Elisha Cook als der in einem Zoo-Film obligatorische Wärter, der Tiere eigentlich gar nicht leiden kann, übertreibt ein wenig. Andererseits würde ich evtl. auch ein wenig kreischen und mit den Augen rollen, wenn man mich in den Löwenkäfig schmeißen will. Die erstaunlichste Szene des Films schließt direkt daran an (Spoiler): Durch einen nebligen Wald wird ein Sarg Richtung Sumpf getragen. Man denkt zunächst, hier wird Elisha Cook die letzte Ehre zuteil, aber nein, es ist der von ihm ermordete Tiger, der hier die letzten Weihen erhält. Der Beerdigung sieht man an, daß Kameramann Floyd Crosby im selben Jahr auch den wundervollen Haunted Palace fotografierte. Ganz so gut sieht es allerdings nicht aus, aber der Film lag mir leider auch nicht im Originalformat vor. In einer weiteren bemerkenswerten Sequenz spielt Gough auf einer Orgel und läßt die Raubkatzen zu sich kommen, die es sich auf dem Sofa gemütlich machen und dem Wort Stubentiger eine ganz neue Bedeutung verpassen. 'Türlich kann so eine harmonische Mensch-Raubtier-Beziehung nicht lange gut gehen, und so schickt der Zoo-Direktor das ein oder andere Tierchen aus, um potenzielle Kritiker zum Schweigen zu bringen. Daß er am Ende eine gerechte Strafe erhält, (noch ein Spoiler) dürfte klar sein, allerdings wird er nicht von wilden Tieren zerfleischt, sondern von seinem stummen Sohn (Rod Lauren aus The Crawling Hand) erwürgt. Neben den Raubkatzen hat das "Animal Kingdom" übrigens auch ein paar Schimpansen und einen Gorilla zu bieten. Im Fell steckte George Barrows, der einst auch im erstaunlichen Robot Monster Platz nahm.
Black Zoo ist eine merkwürdige und inkohärente Angelegenheit. Es gibt einen Haufen Szenen, die nicht zum Rest des Films passen wollen, aber es ist egal. Man stand wohl unter Zeitdruck, hat aber den Umständen entsprechend noch einiges rausgeholt. Den Zoo von Michael Gough werde ich auch in Zukunft gerne betreten.
#434
Geschrieben 24. Juli 2006, 22:33
Türkei 2006 Regie: Hasan Karacadag
Aha, nach den Südkoreanern, Amis und zahlreichen anderen Völkern versuchen es jetzt auch die Türken mit zeitgenössischem Japan-Horror. Daß man sich als Schablone in erster Linie Kaïro ausgewählt hat, war dann schon mal eine gute Idee. Daneben gibt es noch Elemente aus Ringu, One Missed Call und Into the Mirror, aber glücklicherweise auch ein paar eigene Ideen. In Sachen Erzähltempo und Stil ist man näher an den Japanern dran als die Amis, was aber auch daran liegen kann, daß der Regisseur 10 Jahre in Japan gelebt hat. Nichtsdestotrotz verleiht er seinem Debüt auch eine explizit türkische Note, die allein schon durch die Locations gegeben ist. Auch wird eine Textstelle aus dem Koran durchaus passend und originell zum Teil des Plots. Die Darsteller und die digitale Nachbearbeitung sind leider nicht so berauschend, und die Sache mit der Spiegelschrift hat der Zuschauer schon eine halbe Stunde vor den Protagonisten herausgefunden. Aber auch mit diesen Defiziten fand ich den Film wesentlich interessanter als die sich stapelnden US-Remakes.
#435
Geschrieben 26. Juli 2006, 21:02
Belgien / Frankreich / Deutschland 1971 Regie: Harry Kümel
Bei der ersten Sichtung konnte mich der Film ja nicht sehr überzeugen. Vielleicht fehlten mir zu viele Elemente des Romans, vielleicht war er nicht das, was ich mir von Kümel nach seinem Vampirfilm versprochen hatte, auf jeden Fall kam er mir etwas sehr konfus vor. Damals wußte ich allerdings auch nicht, daß ich eigentlich nur den Rumpf des Films gesehen hatte, der auf der vom Regisseur abgelehnten Cannes-Schnittfassung des Films basierte, aus der irgend jemand willkürlich noch 20 weitere Minuten entfernt hatte, vom falschen Bildformat mal ganz zu schweigen. Jetzt, wo mir dank der DVD vom Belgischen Filmarchiv endlich eine vollständige Fassung vorlag, sah ich einen fast völlig anderen Film.
Hier liegt auch einer der wenigen Fälle vor, wo ich die Änderungen des Director's Cut voll und ganz nachvollziehen kann: Der Cutter der Cannes-Version hat nämlich versucht, den Film nach den üblichen Regeln des Erzählkinos zu schneiden, was nicht funktionieren konnte, da es Kümel nicht in erster Linie daran gelegen war, eine Geschichte zu erzählen, sondern einen Alptraum auf die Leinwand zu bringen. Jean Rays von bizarren Ideen überbordenden Roman straight umsetzen zu wollen, wäre auch ein ziemlich schwieriges Unterfangen geworden, selbst wenn man wie Kümel die metaphysisch-apokalyptische (und schwächere) zweite Hälfte komplett ausblendet. Das wäre auch mit dem Rekord-Budget für belgische Verhältnisse nicht drin gewesen.
Ganz zu vernachlässigen ist die Geschichte jedoch auch nicht: Zu altbekannten Themen wie dem "bösen" Haus und der Erbschaft, die an des letzte überlebende Pärchen gehen soll, gesellen sich ein ganzer Haufen verschiedener Horror-Motive (ein verwirrter Tierpräparator, Homunculi in Gläsern, ein unter dem Treppenabsatz wohnender Irrer, fehlgeschlagene Experimente auf dem Dachboden...), so daß der Film die Grenzen des Genres übersteigt und besser einfach nur "phantastisch" genannt wird. Auch die Handlungsorte des Films – das Haus, dessen Treppen alle unendlich zu sein scheinen oder die zumeist menschenleeren alten flämischen Straßenzüge – scheinen nicht ganz von dieser Welt sein zu wollen. Der junge Seemann Jan (Matthieu Carrière, dessen hölzerne Darstellung ich zunächst eher störend empfand, mir bei dieser Sichtung aber durchaus passend erschien) versucht, den Geheimnissen um ihn herum auf die Spur zu kommen, und... spoilern werde ich diesmal nicht, das wird bei diesem Film schon zu oft getan, sogar auf der Hülle der DVD.
Was Malpertuis so wundervoll macht, ist seine einzigartige Stimmung: Neben den morbiden Locations – u.a. in der "toten Stadt" Brügge, an der ich eh einen Narren gefressen habe – sorgen dafür vor allem der fabelhafte Einsatz von Beleuchtung und Kamera in liebevollen Dekors. Zudem gibt es neben ein paar wirkungsvollen Schocksequenzen auch geschickt ausgeklügelte Details, die es ermöglichen, auch bei weiteren Sichtungen Freude an diesem Werk zu haben. Das wahllose Auslassen einiger dieser „Kleinigkeiten“ erklärt dann auch, warum die kürzere Fassung viel weniger Sinn macht und vermutlich auch deswegen einst bei Kritik und Publikum durchfiel. Da hatte es der von der Atmosphäre zwar sehr ähnliche, im Großen und Ganzen aber konventionellere (wenn man das bei Kümel überhaupt sagen kann) Daughters of Darkness wesentlich leichter. Beides sind aber Filme, die ich ob ihrer Originalität nicht missen möchte.
#436
Geschrieben 29. Juli 2006, 22:17
Mexiko 1960 Regie: Chano Urueta
„Human eyes have never seen the likes of this.“ Meta-Dialogzeile
Ich habe eine Weile überlegt, wie ich den Eintrag zu diesem Film gestalten sollte, mit Spoilern, oder ohne? Als Resultat kam eine Mischform heraus: Unverfänglicher Text in Schwarz, Spoiler in weiß, wie schon mal gehabt. Ist ja auch ein Schwarz-Weiß-Film. Esst mehr Obst.
Das Drehbuch von Carlos Enrique Taboada (wir berichteten) und die Regie von Brainiac Urueta verlieren keine Zeit und setzen von Anfang an auf Action und Ideenreichtum; außerdem vergehen keine 4 Minuten ohne visuelles Leckerli. Nur die notwendigsten Dialoge, und auch die obligatorischen Polizisten-Nebenfiguren haben höchstens eine Minute Screentime. Stattdessen gibt es eine Schau von klassischen Horror-Motiven, die sich selbst zu überholen versuchen. Spontane Assoziationen: House of Usher, Phantom of the Opera, Les yeux sans visage, Orlacs Hände. Der Film behält bis zum Schluß dieses hohe Tempo, das andere Werke der Periode ja schon mal gern vermissen lassen. Aus den vielen aufeinander aufbauenden Plotlines hätten andere ganze fünf Filme gemacht, aber dies garantiert mit weniger Liebe zum gestalterischen Detail, als sie hier konzentriert zum Einsatz kommt. Neben zahlreichen entzückenden Einstellungen der blonden Leiche, die schwebend dem Sarg entsteigt, oder der Hexe, die vor ihrem Spiegel vernebelt die Mächte der Finsternis heraufbeschwört, gibt es zwei bemerkenswerte Szenen, in denen eine Figur so mit dem Bildhintergrund verschmilzt, daß man sie zunächst gar nicht wahrnimmt. Die Darsteller sind leider eher ein zweischneidiges Schwert, die Hexe und die Leiche sind zwar prima, aber das Pärchen Eduardo und Deborah übertreibt ein wenig. Deborah brennt nachher auch etwas übertrieben. Im dritten Teil des Films angekommen, laufen die Sachen vollkommen aus dem Ruder. Es gibt sogar etwas Gore. Dann ist da z.B. noch die äußerst beängstigende Holzpuppe, die nie erklärt wird, The Beast with Five Fingers kommt als Inspiration hinzu, und nachdem die Hexe mit einem einfachem Trick aus dem Bild verschwunden ist, teilt uns der Erzähler mit, daß es Hexerei nun einmal gibt. Wer möchte das bezweifeln! Der oben zitierte letzte Satz des Polizisten ist keineswegs übertrieben.
Ein fabelhafter Film, der visuell durchaus Neues ausprobiert und sämtliche Horror-Klischees nur kurz aufhebt und wieder fallen lässt. Gestern Nacht hatte ich mir zu Witch's Mirror noch den Satz „Die böse Bestrafung, wenn man etwas flaches errät.“ notiert, aber heute weiß ich nicht mehr, was er bedeutet. Vielleicht weiß es ja einer von euch. Esst mehr Obst.
#437
Geschrieben 31. Juli 2006, 23:53
Polen 1980 Regie: Piotr Szulkin
Eine düstere und überaus ambitionierte Zukunftsvision, die allerdings nur die Figuren und einzelne Elemente aus Meyrinks Roman übernimmt. Auch gibt es hier nicht einen Golem, sondern, wie sich herausstellt, ist die Welt voller Golems, die Menschen werden von einer totalitären Ordnung zum bloßen „funktionieren“ gezwungen. Wir haben es hier mit einer überaus gelungenen, subversiven, beklemmenden Dystopie auf hohem handwerklichen Niveau zu tun, die die Ausgangssituation zwar innovativ, aber vielleicht ein wenig zu verkopft-allegorisch benutzt. Meine persönliche Enttäuschung manifestiert sich eher darin, wie wenig von der großartigen Vorlage übrig geblieben ist. Die Darstellung der verfallenen, post-apokalyptischen Stadt in Brauntönen ist durchaus gelungen, aber ich habe dann doch das alte Prag und Pernaths nächtliche Streifzüge auf der Suche nach dessen Geheimnissen vermißt. Da bleibt dann nur noch die Suche nach der anderen Verfilmung von Meyrinks Roman, einer französischen TV-Produktion von 1967, die aber noch schwieriger aufzutreiben ist als diese hier.
#438
Geschrieben 10. August 2006, 23:16
USA 1965 Regie: Jon Hall
"There's more to life than test tubes and fish."
So kann's gehen: Da tanzt man ausgelassen zu Surf-Musik am Strand, reicht dem geistig abwesenden Freund einen mit Sand gewürzten Hot Dog, dieser verliert dann jedoch bei der anschließenden der Bestrafung dienenden Verfolgung die Lust, bzw. die Puste. Die Bestrafung übernimmt dann ein fischiges Monster, das in der Nähe in einer Höhle lebt. Kreisch!, und Polizei. Kommen wir zu den Hauptfiguren: Da haben wir einen genialen Wissenschaftler, seinen Sohn, der in dessen Fußstapfen treten soll, eine bitchy Stiefmutter und einen Bildhauer, dessen Kunst genauso lahm ist wie sein linkes Bein. Sohn Richard merkt allerdings, daß es mehr im Leben gibt als Reagenzgläser und Fisch. Rock'n'Roll und Fischgeruch, zum Beispiel. Surfbretter nicht zu vergessen. Papi ist nicht sehr erfreut. Im folgenden stapft das Monster mehrmals aus der Höhle, um zu morden, oder es zumindest zu versuchen, was aber beileibe nicht die einzigen interessanten Sequenzen sind: Es gibt einen überraschend gelungenen Match Cut von zwei Händen (am Schneidetisch saß ein gewisser Herr Radley Metzger) mit anschließender Überblendung auf den Bildhauer, der über den Strand nach Hause humpelt. Hinterm nächsten Felsen stößt er auf den Surf-Beat und die tanzenden "Watusi Girls" vom Whisky a Go-Go. (Später einer von L.A.'s feinsten Punkschuppen, mittlerweile ein austauschbares pay-to-play-Ding.) Der Großteil der Musik (das instrumentale Surf-Thema ist klasse, kommt aber leider ein bißchen oft) stammt übrigens von alten Blau-Auge sein Sohn, Frank Sinatra Jr. Als der Plot auf die große Party am Strand zuläuft, ahnt man das Finale nahen. Dort beweist der jugendliche Hauptdarsteller zunächst einmal, daß er tatsächlich Gitarre spielen kann (anders als etwa der Hauptdarsteller in Rat Pfink a Boo Boo, der den ganzen Film lang nur E-Dur und A-Dur herunterklampft), um auf den Hit des Films vorzubereiten: "Monster in the Surf" ist ein Duett von einer Löwenhandpuppe und seiner Freundin, deren Stimmlage
Nun, wenn man Surf-Musik mag, ist das ein von Anfang bis Ende durchaus kurzweiliger und unterhaltsamer Film. Spoiler: OK, ich hasse rationale Auflösungen, aber die Tatsache, daß das Monster-Make-Up hier auch innerhalb des Films nur ein Kostüm gewesen ist, läßt zumindest denjenigen, die sich bei der Sichtung dieses Werks hauptsächlich über die billigen Spezialeffekte amüsiert haben, das Lachen im Halse stecken bleiben. Als Papa Professor nach drei Morden nur noch halb kostümiert auf der Flucht vor der Polizei auf einer gefährlichen Straße übertrieben beschleunigt, kommt Richards Freundin (die mit der hohen Stimme) zu dem Schluß, daß er wohl wahnsinnig sein muß. Ich würde ihn eher einen innovativen Pädagogen nennen, der die Morde nur deswegen begangen hat, damit sein Sohn von den Strandmädchen zurück ins Labor kommt. Zurück zu den Reagenzgläsern und Fischen.
#439
Geschrieben 12. August 2006, 19:37
USA 1963 Regie: James Landis
Drei Lehrer haben auf dem Weg zu einem Baseballspiel eine Autopanne und gelangen zu einer Werkstatt in einem kleinen Ort, die allerdings wie ausgestorben scheint. Bald finden Sie den Grund heraus: Ein psychopathischer Killer (Arch Hall Jr.) hat mit seinem wortkargen Liebchen hier Station gemacht, nachdem er schon in anderen Bundesstaaten eine blutige Spur hinterlassen hatte. Für das White Trash-Pärchen sind Lehrer freilich eine dankbare Zielscheibe für ihre sadistischen Spielchen...
Helen Hovey – obwohl in sonst keinem anderen Film zu sehen und die Kusine von Arch Hall Jr. (sie können die Vetternwirtschaft nicht lassen, siehe Eegah!) – ist erstaunlich gut in der weiblichen Hauptrolle. Archie übertreibt schon ziemlich, was der Unterhaltung freilich nicht schadet, aber ansonsten ist der Film sehr sorgfältig inszeniert, überraschend hart und trotz der Reduktion auf einen einzigen Schauplatz sehr spannend. Angelehnt an den Fall Charles Starkweather (wie u.a. auch Badlands, Kalifornia oder Natural Born Killers), wird hier schon einiges aus den Terror-Filmen der 70er vorweg genommen. Kameramann Vilmos Zsigmond, dessen erster amerikanischer Film das hier ist, scheint auch ein interessanter Typ zu sein und drehte z.B. 1972 neben Deliverance sowohl für Robert Altman als auch für Al Adamson. Das nenne ich mal Vielfalt! Er war aber nicht der einzige Begabte der hier Beteiligten – diesem düsteren und dreckigen Thriller sieht man sein niedriges Budget nicht an und er sei hiermit wärmstens empfohlen.
#440
Geschrieben 14. August 2006, 17:58
GB / Luxemburg 2006 Regie: Donato Rotunno
Macht den selben Fehler wie die "Turn of the Screw"-Verfilmung von Rusty Lemorande aus den 90ern, in dem versucht wird, an die in ihrer Ambivalenz perfekt durchkomponierte Vorlage noch zusätzliche Elemente anzuhängen, um irgendwie clever und "modern" zu erscheinen. Warum tut man so etwas? Hat man Angst davor, das Publikum könnte sagen: "Ach, die Geschichte kennen wir schon"? Nimmt man dafür lieber in Kauf, daß das Publikum sagt: "Die Geschichte macht so kaum noch Sinn"? Scheinbar ist's so. Es war klar, daß Leelee Sobieski nicht die selbe Figur spielen konnte wie einst Deborah Kerr in der nach wie vor gelungensten Interpretation des Stoffes The Innocents. Um der neuen Gouvernante auf Blight den psychotischen Blick zu ermöglichen, ist sie diesmal nicht prüde und puritanisch, sondern als Kind mißbraucht worden. Die Miß Grose hier ist eine Yuppie-Lesbe. Flora leidet zusätzlich an Asthma-Anfällen. Das empfanden die Verantwortlichen wohl als "Modernisierung" des Stoffes. Miles bleibt äußerst blaß, auf der Tonspur wird ein Haufen geflüstert und bei den Geistererscheinungen wird sich einer 08/15-Inszenierung bedient, einzig an einer Stelle erschreckte ich mich ein bißchen. Im Großen und Ganzen nicht so übel, daß man kotzen möchte (immerhin wurden die "Leerstellen" des Buches beibehalten), aber schon ziemlich sinnlos und in der Auflösung unnötig trivial.
#441
Geschrieben 15. August 2006, 19:20
Japan 2005 Regie: Sion Sono
Was wie die bizarre Schilderung einer tragischen Kindheit beginnt, ändert bald die Erzählinstanz und entpuppt sich als die Fiktion einer gelähmten Schriftstellerin. Doch als die Erzählebenen immer mehr abwechseln, stellt sich die unvermeidliche Frage, wieviel Fiktion tatsächlich im Spiel ist. Eine nett verschachtelte Geschichte in hübsch durchgestylten Bildern, die sich zum Ende hin leider für meinen Geschmack etwas zu rational auflöst – was ich allerdings zu Beginn des Films bestimmt nicht erwartet hatte. Dafür aber gibt es im Finale noch ein bißchen scheinbar von Edogawa Rampo inspirierten Gross-Out, der ähnlich über die Stränge schlägt wie die Erzählweise zuvor. Geht aufgrund ein paar netter Ideen durchaus in Ordnung.
Das war wohl der Pädophilie-Sonntag beim Kölner FFF in Kino 6, danach lief noch The Night Listener mit der Williams-Birne und ebenfalls dieser Thematik, auf den hatte ich aber schon vorher keinen Bock.
#442
Geschrieben 16. August 2006, 19:33
Belgien / Niederlande 1976 Regie: Harry Kümel
Merkwürdige Dinge geschehen um den Journalisten und Schriftsteller Freek, er beobachtet Bauarbeiter, die das Kopfsteinpflaster einer Straße aufreißen, nur um es anschließend wiederherzustellen, die Straßenbahn hält an Orten, wo niemand ein- oder aussteigt, er bekommt einen Brief aus dem Jahr 1919, der diese Geschehnisse beschreibt und findet ein altes Buch eines Häretikers aus dem 16. Jahrhundert, in dem erstaunliche Voraussagen getroffen werden...
Ein ursprünglich dreiteiliger Fernsehfilm, der auch in einer gekürzten Version im Kino lief, auf DVD aber vollständig vorliegt. Auch in diesem Format zeigt sich das Kümelmonster als ein Meister darin, eine eigentümliche Atmosphäre zu erzeugen, wobei hier erneut hauptsächlich die Locations und die Bildkompositionen dazu beitragen, aber auch der großartige Score. (Dessen Wah-Wah-Gitarren in den "Action"-Szenen wollen allerdings nicht ganz passen, dabei bin ich sonst der Letzte, der sich über Wah-Wah-Gitarren beschwert.) Der Subplot mit groteskem comic relief um einem schmierigen, geldgierigen Galeristen kam mir allerdings wie ein Störfaktor in der ansonsten hervorragend funktionierenden elegischen Stimmung vor und hätte ruhig weggelassen werden können, aber immerhin gibt es hier ein Wiedersehen mit Charles Janssens aus Malpertuis. An diesen kommt der Film nicht wirklich ran, was aber hauptsächlich an den Einschränkungen des Formats liegt, die Spezialeffekte überzeugen kaum, auch wenn es meistens Rückprojektionen sind, die die erhabene Altstadt Antwerpens vor einem unwirklich scheinenden Himmel zeigen. Die Darsteller sind wiederum hervorragend und vor allem Cox Habbema ist sehr bezaubernd, auch wenn ihr Name so klingt wie die Antwort eines Obsthändlers.
Der Film benötigt am Anfang etwas, bis er in die Gänge kommt, hatte mich aber nach ca. einer halben Stunde voll gefangen. Auch wenn die Geschehnisse um Freek herum einen äußerst bedrohlichen Charakter haben, hat man es hier nicht mit einem Horrorfilm zu tun - der Film fühlt sich, wie auch die literarische Vorlage von Hubert Lampo, eher dem magischen Realismus verpflichtet und endet äußerst versöhnlich.
Wieder mal 2 ½ Stunden TV-Unterhaltung, die ich gesehen zu haben nicht bereue. Pieter Verlindens melancholisches Haupt-Thema, das im DVD-Menü im Loop läuft, habe ich erst nach einigen weiteren Minuten ausschalten wollen.
#443
Geschrieben 17. August 2006, 20:42
USA 1944 Regie: Will Jason
George MacReady ist ein genialer Arzt, der nun aber selbst unheilbar krank ist und auf dem Sterbebett liegt. Seine Frau ist über derartige Ungerechtigkeit verbittert und schwört beim Feuer Gott ab und die Mächte der Finsternis herbei. Kurze Zeit später steht eine mysteriöse schwarzgewandete Frau (Rose Hobart) vor der Tür, die den Doktor tatsächlich heilen kann. Aber seltsame Veränderungen gehen mit ihm vor...
Ein merkwürdiger Film, den man kaum in eine Schublade stecken kann: Der Grund-Plot erinnert an alte Motive aus der schwarzen Romantik, der Stil schwankt zwischen Noir, Horror und Melodram, ein paar fade Momente wechseln sich mit mehreren fabelhaften ab. Parallelen zu The Woman who came back drängen sich mir auf, der ebenfalls von den Lewton-Filmen beeinflusst war und viele Jahre in der Obskurität verbracht hat. Andererseits haben die beiden Filme aber kaum etwas gemeinsam, außer, daß beide schwer zu kategorisieren sind, wobei Soul of a Monster noch etwas ungemütlicher daherkommt. Highlights sind dabei die dämonische Präsenz Rose Hobarts und ein nächtlicher Spaziergang. Ein weiterer Beweis dafür, daß die 40er Jahre in Abrissen über die Geschichte des Horrorfilms zu oft zu stiefmütterlich behandelt werden.
#444
Geschrieben 02. September 2006, 14:32
Hong Kong 1980 Regie: Chin Hung Kuei
Dies ist die Geschichte von Leichenschänder Li. Leichenschänder Li sammelt tote Frauen. Klingt komisch, ist aber so. Doch wie kommt der Leichenschänder Li zu so vielen toten Frauen? Ganz einfach: Wenn es keine tuberkulosekranken Konkubinen im Bordell gibt, bestellt er einfach Gesunde und erwürgt sie. Er sieht ein bißchen aus wie der Killer in Blutige Seide. Auch Maden stören ihm beim Geschlechtsverkehr nicht.
Ach verdammt, am Ende offenbart sich, daß gar nicht Li der Leichenschänder ist, sondern der Lieferjunge aus dem Schnapsladen. Jetzt ist alles hin.
Notiz an mich: Nicht schon anfangen zu schreiben, wenn der Film noch gar nicht zu Ende ist.
#445
Geschrieben 02. September 2006, 23:51
Thailand 1983 Regie: Hong Lu Wong
Um die erhöhten Krankenhauskosten seiner Tochter bezahlen zu können, macht sich ein Sergeant mit seiner todesmutigen Truppe zu einer Sondermission in Vietnam auf. Einer der Söldner hat ein Problem: Seitdem er seine untreue Freundin erschossen hat, kann er im Krieg keine Frauen mehr töten. Dabei heißt es „Kill or get killed“, das hat der Sergeant schließlich oft genug gesagt. Ein ständig geiler Schnauzbart hingegen bekommt von einer Spionin heftige Verletzungen am Dödel zugefügt, leider wird nicht so ganz klar, wodurch, Vagina Dentata oder was? Ein verwachsener Dorfbewohner, dem es sichtbare Freude bereitet, auf die Gesichter unserer Söldner zu urinieren, hat eine Daffy Duck-Stimme. Mann, gerade sind mal 36 Minuten rum und es ist schon so viel passiert! Vor allem Freunde von Gore und Rückblenden kommen auf ihre Kosten. In der zweiten Hälfte geht es dann etwas in die Apocalypse Now-Richtung. Wobei der aufzufindende Colonel hier nicht wahnsinnig, sondern „eine Art Dracula“ ist, der von einem Kannibalen-Stamm unterstützt wird. In dessen Camp angekommen, werden die Foltermethoden exotischer: So muß ein Soldat über eine Leine mit Krachern laufen. Anschließend heißt es dann Köpfe zermantschen und Gehirne essen.
Die Schauspieler sind an sich gar nicht schlecht, und der Schnitt unternimmt einige gewagte Experimente. Die englische Sprachfassung hat eine Abmischung aus der (grünen) Hölle: Geräusche viel zu laut, der geklaute Score (u.a. Goblins Zombi) total übersteuert, und dazu die meist unbeholfen klingenden Sprecher (anscheinend hatte man auch nur eine Frau, die die weibliche Hauptrolle normal spricht und alle anderen, auch kleine Mädchen, der Unterscheidung zuliebe vollkommen übertreibt). Nicht zu vergessen die Mundharmonika, die mit soviel Hall unterlegt ist, als würde der Spieler statt im Dschungel in einer Kathedrale sitzen. Gibt’s eigentlich Dschungel-Kathedralen? Eine solche würde unserem letzten Überlebenden aber auch nichts helfen, denn er endet mit Hallus in der Heilanstalt. Man kann’s ihm nach diesem Wahnsinn nicht verdenken.
#446
Geschrieben 09. September 2006, 00:56
USA 1975 Regie: James H. Kay
Fälle von Tod und Wahnsinn bei arroganten reichen Tussen in Puerto Rico scheinen in Verbindung mit einem ebenso attraktiven wie begabten Gärtner zu stehen. Joe Dallessandro läuft den ganzen Film lang mit nacktem Oberkörper herum. Er hat gleich drei grüne Daumen (einer davon beult die Hose aus) und bringt allerlei Flora außerhalb der Saison zum Blühen. Seine Züchtungen können zudem Frauen hypnotisieren und Konkurrenzgärtner Blut spucken lassen. Jedoch schöpft seine neue Arbeitgeberin Verdacht...
Die weibliche Heldin und die eher zahmen Horror-Effekte haben mich irgendwie an die alten "Gaslicht"-Romane denken lassen und hier steckt auch etwas von der Ann Radcliffe-Schule drin. (Gerade stelle ich mir eine Ann Radcliffe-Schule vor: "Alle Schüler bitte sofort zum Geheimgang Nummer 2 kommen! Der Chemie-Unterricht findet heute im Verließ statt!"*)
Nun, das Ganze ist sowohl recht dialoglastig als auch etwas arm an visuellen Höhepunkten, aber streckenweise angenehm blöd, und so eine Story bekommt man auch nicht alle Tage serviert. Ein Sequel mit einer Gärtnerin, die den ganzen Film lang mit nacktem Oberkörper herumläuft, blieb leider aus. Wenn man diesen Scan betrachtet, könnte man meinen, der Film wäre auch als "Bessi – Im Zeichen des Bösen!" herausgekommen, aber das ist wohl ein Trugschluß. Wiewohl ich eine derartige Legende gerne verbreiten würde.
*"Geistererscheinungen bitte sofort beim Sekretariat melden, es ist bestimmt wieder nur der verkrüppelte schwindsüchtige Sohn des Hausmeisters!" Im Chemie-Unterricht auf der Ann Radcliffe-Schule wird bestimmt hauptsächlich über rationale Lösungen gesprochen. Die hat dieser Film glücklicherweise nicht.
#447
Geschrieben 10. September 2006, 01:52
Japan 2005 Regie: Sabu
Unser alter Freund Sabu hat diesmal tatsächlich einen ganz anderen Film gemacht, das Ergebnis ist leider etwas zwiespältig. Daß er ein Könner ist, wußte ich ja bereits und es gelingen ihm hier auch einige wunderbare Momente, auch wenn das vom Regisseur gewohnte Tempo und der Humor hier beinah vollkommen fehlen. Zum Ende hin trägt er aber leider ein bißchen zu dick auf. (Spoiler: Es hat wohl nicht gereicht, daß die weibliche Hauptfigur beide Eltern verloren und für den Rest ihres Lebens ein lahmes Bein hat: Nein, sie ist auch noch vom Onkel sexuell mißbraucht worden. Auch das Finale, in dem er sich selbst zitiert, wirkt etwas unglaubwürdig: Da schießen Polizisten aus großer Distanz einen Jungen tot, der mit einem Messer auf sie zugerannt kommt?) Ich bereue es nicht, den Film gesehen zu haben – Darsteller und Stimmung sind top – und ich habe auch nichts gegen den „neuen“ Sabu, der sich mehr in Richtung Iwai oder Toyoda orientiert: Hier ist nach wie vor eine Menge Potential, das sich in diesem Falle aber leider dramaturgisch etwas verhaspelt hat.
#448
Geschrieben 16. September 2006, 00:26
GB 1972 Regie: Tom Parkinson
Man redet ja öfter von Filmen, die wie ein Traum wirken, aber zumindest ich muß gestehen, manchmal extrem bescheuerte Träume zu haben. Nur ungern denke ich zurück an die Geschichte mit dem braunen Planeten, die explodierenden Skispringer im Garten, oder das Weizenbier-Wettsaufen mit Roberto Blanco. Manche von diesen bescheuerten Träumen wirken aber an vielen Stellen sehr real, teilweise auch beängstigend. Das Monster mit der Teufelsklaue ist so ein Misch-Masch-Traum von einem Film.
Irgendwann im schätzungsweise späten 18. Jahrhundert taucht ein Diener des Teufels in einen kleinen Ort in Cornwall auf. Schuld an dieser nicht zu unterschätzenden Bedrohung hat die Tochter des Bürgermeisters, die ihr jungfäuliches Blut bei einem Liebesschwur mit ihrem nicht-standesgemäßen Geliebten ("Er ist kein Bauernlümmel, er ist ein Landwirt") auf das Grab eines Selbstmörders hat tropfen lassen. Es folgt ein großes Morden, das zuweilen recht blutig daherkommt. Kommt die erste Hälfte des Films – abgesehen von ein paar Unglaublichkeiten auf der deutschen Tonspur – noch relativ straight daher, mit einem dann und wann aufblitzenden Gespür für gelungene Kompositionen und Charakterköpfen wie Ronald Lacey, driftet der zweite Teil in ungeahnte Gefilde ab. Ach so, in der Nähe des Dorfes, unter dem Galgenhügel, wohnt ein Okkultist (im Original ein Kabbalist), der tolle Tinkturen machen und mit seinem Spiegel in die Zukunft sehen kann. Oder ist er nur ein Geist? Diesem Beistand der Guten muß der Böse freilich etwas entgegensetzen, und so beschwört er einen Dämon aus der Hölle herauf: Es ist ein Gnom im Trachtenanzug. Dieser zieht eine Show ab, als hätte ihm keiner gesagt, daß die anderen gerade versuchten, einen ernsthaften Horrorfilm zu drehen. Andererseits kenne ich das Drehbuch auch nicht, vielleicht war das alles so geplant, und das wäre in der Tat teuflisch.
Das Budget für diesen Film war für ein "period piece" viel zu gering: Berichten zufolge hat Hauptdarsteller Mike Raven (ein in England berühmter Rhythm'n'Blues-DJ, der sich zu dieser Zeit auch das Image eines echten Okkultisten anlegte) einen Großteil der 50.000 Pfund von der Bank geliehen. Ich weiß nicht, ob er's zurückzahlen konnte, da die Kritiker kein Verständnis für den Film aufbrachten, und er anschließend seiner kurzen Film-Karriere den Rücken zukehrte. Aber wäre ich Banker, hätte ich gesagt: Ist in Ordnung, Jung, du hast da einen Film ermöglicht, der unbezahlbar ist.
#449
Geschrieben 23. September 2006, 02:27
Italien 1965 Regie: Massimo Pupillo
Ah, da soll mal wieder eine junge, hübsche Braut in einem schottischen Schloß verrückt gemacht werden. Das ist schon relativ früh klar, aber genauso klar ist, daß noch mehr passieren wird. Es dauert dann allerdings doch noch bis zur Hälfte des Films, bis Lady Morgan dank der hypnotisch veranlagten neuen Gouvernante Erika Blanc und einem im Keller harmlose Onkel peitschenden Gordon Mitchell durch einen vermeintlichen Unfall dem Jenseits zugeführt werden kann. In der zweiten Hälfte erzählt sie dann als Geist ihrem seit einem Mordanschlag auf hoher See an Gedächtnisschwund leidenden Herzbuben (klarer Fall für amnesie international), wie sie mit dezent übernatürlichen Mitteln aus dem Grabe heraus die schnöden Verschwörer dazu brachte, sich gegenseitig umzubringen. Aber damit ist der Film noch lange nicht zu Ende...
Im "Lexikon des internationalen Films" wird das Ganze als "Gruselfilmversuch in italienischer Jahrmarktsmanier" abgehakt. Na, da treibe ich mich doch gerne herum, auf italienischen Jahrmärkten. Musik, Set Design und Kameraführung schaffen die notwendige Stimmung, um charismatische Darsteller in einem Plot zu begleiten, der zum Ende hin angenehm abwegig wird. Definitiv einer der besten italienischen Vorstöße ins Gothic-Gebiet, wenn auch freilich an Papa Bava kein Rankommen ist. Die Obskurität, in der sich der Film momentan befindet, hat er jedenfalls auf keinen Fall verdient: Es scheint noch nicht mal eine englischsprachige Fassung zu geben, und im deutschen Folterhaus sind auch schon lang die Lichter aus. DVD! Sofort!
#450
Geschrieben 23. September 2006, 23:01
CSSR 1968 Regie: Juraj Herz
Um den Bogen zum ersten Eintrag auf dieser Seite zu schlagen, auch auf diesen Film wurde ich zunächst durch ein Standbild in einem Filmbuch aufmerksam, diesmal in Amos Vogels unersetzbarem "Film as a Subversive Art". Eine arte-Ausstrahlung des Films vor ein paar Jahren habe ich dann wohl verpennt, aber glücklicherweise gibt es ihn auf DVD. Er erzählt die Geschichte des Herrn Kopfrkringl, eine beängstigende Mischung aus Fritz Haarmann und Diederich Heßling, seines Zeichens angestellt im Krematorium und fasziniert vom Tod. Was wie eine schwarze Komödie beginnt, bekommt nach und nach einen immer bitteren Beigeschmack, bis im letzten Drittel das nackte Grauen regiert, das trotz der intensiven Verwendung von Weitwinkel-Objektiven und einem verstörenden Score sehr real wirkt – was wohl der zurückhaltenden Inszenierung geschuldet ist, die die Morde ebenso gleichgültig daherzeigt, wie den sinnlosen Austausch von Allgemeinplätzen im Kaffeehaus. Abgesehen von der glanzvollen Leistung des Hauptdarstellers, sind es auch hier wieder Kamera und Musik, die schon die halbe Miete einfahren. Besonders ragt eine Sequenz in einem Grusel-Kabinett heraus, und im düsteren Ende kommt der stets mitschwingende politische Aspekt des Films vollends zum Tragen: (Spoiler) In einem ent-menschlichten Regime kann sich der Mörder der eigenen Familie nahtlos einreihen und nützlich machen.
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