The Diarrhoea Diary
#781
Geschrieben 17. Mai 2009, 04:00
Mexiko/USA 1975 Regie: Juan López Moctezuma
Die junge Malerin Mary zieht wegen dem Smog von Los Angeles nach Mexiko. Hier kann sie auch ungestörter ihrem Hobby nachgehen: Blut trinken. Etwas schwierig wird die Situation, als sie sich in den Hippie-Herumtreiber Ben verliebt. Auch taucht ein in schwarz gekleideter Mann (John Carradine) auf, der ähnliche Morde wie sie begeht und ihr scheinbar ans Leder will...
Im Vergleich zu Moctezumas deutlich vom Panik-Theater inspirierten Filmen wie Mansion of Madness oder Alucarda haben wir es hier mit einer – wohl auch den amerikanischen Koproduzenten zuliebe – wesentlich konventionelleren Inszenierung zu tun. Einige bizarre Szenen hat der Film allerdings schon zu bieten, leider aber auch den ein oder anderen Durchhänger. Ein bißchen Straffung wäre wohl nicht verkehrt gewesen. Nichtsdestotrotz gibt es hier eine originelle Variation des Vampirmotivs zu sehen, die den Zuschauer während des Prologs in einem abgelegenem Haus bei Gewitter nett aufs Glatteis führt und ebenso mit einem coolen Ende aufwarten kann. Faszinierend auch Cristina Ferrares unterschiedlich große Brustwarzen.
#782
Geschrieben 21. Mai 2009, 01:15
Japan 1953 Regie: Ryohei Arai
Die sadistische Herrin des Arima-Palasts hat ein bestimmtes Hausmädchen auf den Kieker, und gerne machen die anderen Angestellten mit, wenn es darum geht, sie öffentlich zu demütigen oder ihr einen Finger abzuschneiden. Bald erträgt die junge Frau die Lage nicht mehr und erhängt sich im Glockenturm. Das ist aber nicht das Letzte, was wir von ihr zu sehen bekommen...
Mal wieder handwerklich ziemlich feiner klassischer Geisterstoff, der zwar handlungsmäßig dem üblichen Schema folgt, aber für sein relativ frühes Entstehungsdatum auch über einige interessante Eigenheiten verfügt. So spielt die Geisterkatzenfrau (Darstellerin Takako Irie tauchte in diesem Jahrzehnt noch drei mal in ähnlichen Rollen auf) zunächst mit ihren Opfern, bevor sie ihnen den Rest gibt, was zuweilen an bizarres Tanztheater erinnert. Besonders toll aber die Szenen mit blutigen schwebenden Köpfen, die Rache ausführen, da war ich ob der visuellen Abseitigkeit doch sehr verblüfft. Vortrefflich!
#783
Geschrieben 27. Mai 2009, 00:00
USA 1960 Regie: George Blair
Zahlreiche Schönheiten verstümmeln ihr Antlitz, weil sie den Kamm mit dem Rasiermesser verwechseln oder Seife mit Salzsäure. Die Polizei steht vor einem Rätsel, bis der gescheite, aber verblendete Detective Steve Kennedy feststellt, daß alle Opfer vorher eine Show des erstaunlichen Hypnotiseurs Desmond besucht hatten...
Bestürzender Dokumentarfilm über den wohl begabtesten Magier aller Zeiten. Wenn Desmond deutlich macht, daß eine Zitrone sauer ist und man den hypnotischen Luftballon aufblasen muß, bleibt vernünftigen Menschen keine andere Wahl, als diesem sympathischen Mann mit französischem Akzent Vertrauen und Sympathie entgegen zu bringen. In seiner Mission, diese unsere Welt zu einem schöneren, besseren Platz zu machen, bekommt er zudem Unterstützung von der schönen Schauspielerin Allison Hayes, die bereits in ihrer Rolle als Hexe in Roger Cormans The Undead den bigotten Umgang unserer Gesellschaft mit übernatürlichen Elementen anprangerte. Es wird Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen! Zitronen sind sauer! Blaset die Luftballons mit dem hypnotischen Auge auf! Laßt unseren Propheten Desmond die Geschicke der Welt lenken! Für jetzt und immerdar!
#784
Geschrieben 30. Mai 2009, 05:00
Sowjetunion 1987 Regie: Nazim Tulyakhodzayev
In einer unbestimmten Zukunft: Michael und Linda sind etwas besorgt wegen des neuen Spielzeugs ihrer Kinder – ein virtueller Raum, in dem mittels Fernsehwänden abenteuerliche Realitäten geschaffen werden können. Besonders die afrikanische Steppe mit ihren Raubtieren scheint es den Kleinen angetan zu haben und dann und wann wird das Ehepaar nachts von Löwengebrüll aus dem Schlaf gebracht. Auf den Straßen graviert derweil eine neue Seuche: Geliebte Tote kehren zu ihren Familien zurück, werden aber von Einsatzkommandos der Regierung in Schutzanzügen erneut totgeschlagen und in gepanzerte Container verfrachtet...
Wow. Diese eigenwillige Verfilmung mehrerer Erzählungen aus der Feder von Ray Bradbury kippt deren zuweilen optimistisch-sentimentale Haltung komplett über Bord zugunsten einer universellen Bitterkeit. Vortrefflich fotografiert in beeindruckenden, trostlosen Locations und von einem atmosphärischem Score begleitet, taumelt der Film zwischen Horror und Science-Fiction und ist zugleich sowohl politische als auch philosophische Parabel. Das im gequetschten Bildformat verwendete Stock Footage bei einigen Szenen fällt zwar ein wenig unangenehm auf, aber übrig bleibt immer noch ein verdammt origineller, beeindruckender Film.
#785
Geschrieben 31. Mai 2009, 03:00
Philippinen 1974 Regie: Celso Ad. Castillo
Barbara kehrt zur Beerdigung ihrer Schwester in ihre Heimatstadt zurück. Diese hatte Selbstmord begangen, um im "nächsten Leben" herausfinden zu können, mit wem ihr Ehemann Fritz (Ja, der heißt wirklich so) sie betrogen hat. Kurze Zeit später finden bereits merkwürdige Ereignisse statt, auch scheint die Tote eine unheilige Allianz mit der Lieblingspuppe ihrer Tochter Karen eingegangen zu sein...
Scheinbar schaut man auch auf den Philippinen gerne italienische Filme, denn stilistisch ist das hier ganz in der Nähe anzusiedeln. Score, Kameraführung und Ausleuchtung erinnern stark an etwa die späteren Mario Bava-Werke. Handwerklich ist das alles oberste Kajüte, es gibt zahlreiche originelle visuelle Ideen (oft mit Spiegeln) sowie ausgeklügelte Bildkompositonen zu bestaunen. Zwischendurch gibt es zwar mal ein bißchen Leerlauf und repetitive Momente, ansonsten ist der Film mit 110 Minuten Laufzeit aber ziemlich spannend und streckenweise sogar richtig unheimlich. Vor allem sieht er von vorne bis hinten einfach scheißegut aus. Die Filipinos drehten 1995 dann gleich noch mal ein Remake davon.
#786
Geschrieben 02. Juni 2009, 23:00
GB 1948 Regie: Norman Lee
Eine Zusammenfassung der Geschichte um die Affenpfote von W.W. Jacobs spar ich mir, die kennt man. Gerade im englischsprachigen Raum kennt sie jedes Schulkind, so daß die zahlreichen Verfilmungen auch versuchten, der Erzählung ein paar neue Aspekte hinzuzufügen. In der mexikanischen Bearbeitung Espiritismo wurde dies durch zusätzliche Subplots bewerkstelligt, hier wiederum verpaßt man den Protagonisten extrem viel Charakter und schiebt noch den ein oder anderen Flashback zur Vorgeschichte der Affenpfote hinein. Das funktioniert dank der auf der Insel ausgeprägten Schauspielkunst recht prächtig und schnell hat man die einfache, abergläubische und von Geldsorgen geplagte Familie aus Cornwall mitsamt ihrem stets alkoholisierten irischen Sidekick ins Herz geschlossen. Als dann die Tragödie ihren Lauf nimmt, werden die zunächst hellen und freundlichen Bilder mehr und mehr von dunklen Flecken überlagert, bis schließlich das Finale der Ambivalenz der Vorlage Tribut zollt: Man weiß nicht, ob es wirklich der verstümmelte Leichnam des lieben Sohnemanns ist, der nachts an die Tür klopft, man sieht es nicht. Aber er könnte es gewesen sein, das ist mal sicher.
#787
Geschrieben 03. Juni 2009, 23:00
USA/Südkorea 2007 Regie: Grace Lee
Porträt einer Minderheit in Los Angeles: Die Untoten, oder "living deceased", wie sie lieber bezeichnet werden. Im Zentrum der Dokumentation, die die sozial engagierte Grace zusammen mit dem "Zombie-Experten" und Horrorfan John drehte, stehen vier Personen: Ivan, der nachts in einem Supermarkt arbeitet und das Fanzine "American Zombie" herausgibt; Judy, die am liebsten einen "lebenden" Freund hätte und die meiste Zeit mit dem Überschminken ihrer verfaulenden Körperpartien verbringt; Lisa, die Blumenbestecke für Friedhöfe designed und schließlich Joel, der eine Bürgerrechtsbewegung initiiert, die den lebenden Toten das Wahlrecht und bessere Arbeitsbedingungen (der Umstand, daß sie nicht schlafen, wird von manchen Arbeitgebern schamlos ausgebeutet) verschaffen soll. Alle fiebern dem "Live Dead"-Festival entgegen, dem größten Event der Community, an dem dieses Jahr mit dem Kamerateam zum ersten mal auch Lebende teilnehmen dürfen...
Über die meiste Zeit höchst amüsante Mockumentary, die sich furztrocken gibt und statt platter Witze viele dezente Gags im Hintergrund plaziert. Allerdings führt die letzte halbe Stunde mit ihrer Offenbarung, was beim Zombie-Festival tatsächlich passiert, den originellen Ansatz des Restfilms wieder ad absurdum, da waren dann wohl keine Ideen mehr vorhanden. Ansonsten läßt sich aber sagen, daß der Film über seine gesamte Laufzeit schon sehr zu unterhalten vermag, obwohl die Prämisse auch in einem 5 Minuten-Sketch hätte abgehandelt werden können. Das liegt wohl an den sehr guten, zurückhaltenden Darstellerleistungen und der recht hohen Anzahl von gelungenen Nebenwitzen.
#788
Geschrieben 05. Juni 2009, 23:00
Polen 1985 Regie: Jacek Koprowicz
Das Ostseebad Sopot, 1933: Während sein Kollege fleißig Führerbildchen ins Büro hängt, findet sich Kommissar Selin immer wieder nach seltsamen Trance-Zuständen und Gedächtnisverlust in einem Strandsessel wieder, was er zunächst seinem nicht unerheblichem Alkoholkonsum zuschreibt. Auch tauchen plötzlich Fremde in der Stadt auf, wie etwa ein buckliger Bankangestellter aus Berlin, die nicht wissen, was sie hier eigentlich wollen. Der Parapsychologe Wagner scheint eine Erklärung dafür zu haben, und es scheint alles auch auf mysteriöse Weise mit einem Mordfall zusammenzuhängen, der vor über dreißig Jahren geschah...
In vortrefflichen Bildern ruhig erzählter phantastischer Film, der übernatürliche Elemente mit einer Kriminalhandlung mischt, und wie seine unsicheren Protagonisten ständig zwischen verschiedenen Zuständen schwebt. Auch wenn der Regisseur hier einen eigenen Stoff verfilmte, erinnerten mich Handlungszeit und die leicht verfallene Villa als Handlungsort doch stark an die Erzählungen von Stefan Grabiński, wobei die Geschichte hier doch ein paar konkretere Erklärungen bietet als bei diesem normalerweise üblich. Richtig unheimliche Momente gibt es hier zwar kaum, aber wer originelle Filme mag, die eine fiebrige, unwirklich scheinende Atmosphäre (toll die eingeschobene Sonnenfinsternis) erzeugen, liegt hier genau richtig.
#789
Geschrieben 11. Juni 2009, 23:00
Frankreich 1980 Regie: Raphaël Delpard
Martine ist froh, in einem entlegenem Altenheim auf dem Lande endlich mal einen gut bezahlten Job gefunden zu haben. Die Bewohner sind zwar allesamt ein wenig skurril, aber dafür freundet sie sich mit ihrer Kollegin Nicole an. Als diese eines Tages spurlos verschwindet, macht Martine auf der Suche nach den Ursachen einige ungeheuerliche Entdeckungen...
Obwohl der Film einige saftige Szenen enthält, dürfte das Erzähltempo den ein oder anderen Gorehound wohl eher abschrecken. Dafür gibt es aber eine sehr gelungene Atmosphäre und mit den senilen Senioren, die allesamt von echten Charakterköpfen dargestellt werden, eine recht interessante Form der Bedrohung. Wenn auch etwas straighter an den Plot gebunden als die Filme von Jean Rollin, dürften deren Freunde aufgrund von Stimmung, Locations und hübscher Protagonistin auch hier auf ihre Kosten kommen.
#790
Geschrieben 14. Juni 2009, 23:00
GB / Kanada / USA 1967 Regie: Lawrence Huntington
In Cornwall geht die Legende eines Wesens um, daß halb Mensch und halb Geier sein soll. Merkwürdige Todesfälle und der Zusammenhang mit einem Familienfluch rufen einen jungen amerikanischen Wissenschaftler (Robert Hutton) auf den Plan, der Unterstützung vom exzentrischen deutschen Professor Dr. Königlich (Akim Tamiroff) erhält...
Manche Filme sind wohl durchaus zurecht in die Obskurität gerutscht. Von dieser Story hatte ich mir so einiges erwartet, aber dialoglastig zieht sie sich elendig lang dahin mit nur ganz wenigen Spannungsmomenten und einer staubtrockenen Inszenierung. Als wir das zugegebenermaßen eigenwillige Monster schließlich zu sehen bekommen, weiß man auch nicht, ob man lachen oder weinen soll.
#791
Geschrieben 15. Juni 2009, 23:00
USA 2009 Regie: Sam Raimi
Als die ansonsten herzensgute Bankangestellte Christine zugunsten einer Beförderung die dritte Kreditverlängerung einer alten Zigeunerin ablehnt, wird sie von dieser verflucht. Schon bald darauf häufen sich unheimliche Visionen und merkwürdige Ereignisse...
Als Raimi in einem Interview angab, eine wesentliche Inspirationsquelle für seinen neuen Film sei der Klassiker Night of the Demon gewesen, bin ich ja hellhörig geworden, handelt es sich doch um einen erklärten Lieblingsfilm meinerseits. Allerdings bezog sich die Aussage wohl nicht auf die meisterhaft subtile Inszenierung unsichtbaren Grauens, sondern eher auf Plot-Elemente wie vor allem dem "verfluchtem Objekt", sowie dem skeptischen Psychologen und dem Ende auf einem Bahnhof. Im gleichen Interview verwechselt er auch Jacques Tourneur mit Georges Franju, aber wollen wir das mal nicht kleinlich an die große Glocke hängen. Abgesehen von ein paar leisen Momenten mit gelungenen Schattenspielen gibt es hier dann auch kaum subtile Szenen, die für Gänsehaut sorgen, aber muß ja auch nicht immer sein. Stattdessen gibt es viel Spezialeffekte und noch mehr Krawumms. Wenn auch streckenweise arg vorhersehbar und redundant, haut das im Kino dann doch ganz gut rein und wird dank ein paar übertrieben ekliger visueller Einfälle auch nicht langweilig. Vor allem begibt sich Raimi mit Okkulthorror der alten Schule auf einen Pfad, der im Horrorkino der letzten Jahre kaum noch von großen Produktionen betreten wurde, und das ist doch auch schon mal was.
#792
Geschrieben 17. Juni 2009, 23:00
Deutschland 1985 Regie: Eckhart Schmidt
"Was soll das?"
"Haut ab, ihr Arschlöcher! Vollidioten! Was versteht ihr schon von Kunst?" Meta-Dialogzeilen
Die Erde, kurz vor der Apokalypse. Auf den Straßen herrscht Krieg. Einzelne Menschen gehen noch ihren Vergnügungen nach, so ein junges wohlhabendes Pärchen, das eine Vernissage besucht, um auf dieser dann aber doch nur im Hinterzimmer zu poppen. Die Künstler nehmen ihnen das übel und wollen sie foltern und töten.
Öh? Nach Der Fan geht Schmidt hier zwar weiterhin den Weg der Exploitation mit viel Sex und Gewalt, scheint aber nicht viel Budget gehabt zu haben, so daß er das Ganze mehr künstlich-künstlerisch mit Kammerspielcharakter anlegt. War aber vielleicht auch Absicht. Schlimm die fürchterlich gestelzten Dialoge von übertrieben pathetisch agierenden Darstellern, die in lebensbedrohlichen Situationen auch nichts besseres zu tun haben, als Gedichte aufzusagen. Wenn man sich einmal dran gewöhnt hat (auch an den monotonen, repetitiven Score und die ständig laufende Nebelmaschine, die alles ist, was wir von der Apokalypse zu sehen bekommen), und nicht so leicht Kopfschmerzen bekommt, kuckt sich der Film dann aber überraschend gut weg, was vielleicht an den vielen Nacktszenen liegen mag.
#793
Geschrieben 18. Juni 2009, 23:00
USA 1951 Regie: Gordon Douglas
Matt Cvetic hat einen denkbar schwierigen und undankbaren Job: Er ist für das FBI als Undercover-Agent in der kommunistischen Partei tätig. Seine Nachbarn, Familie, selbst sein Sohn spucken die vermeintliche "rote Sau" auf der Straße an und er muß gute Miene zu den verbrecherischen, selbstsüchtigen Plänen der Parteibonzen machen, die selbst vor kalkuliertem Massenmord nicht zurückschrecken...
Wo andere Filme der McCarthy-Ära noch mit Symbolen arbeiteten, gab es bei diesem auf Zeitungsartikeln basierendem Propagandastück keinerlei Versteckspiel: Der "Feind" wird öffentlich angegriffen und angeprangert. Das Ganze dann auch noch recht rührselig mit persönlichen Schicksalen angereichert, so daß man hier mit der zeitlichen Distanz kaum noch etwas Ernst nehmen kann. Die dick aufgetragene "Botschaft" walzt hier alles nieder, dabei waren zahlreiche fähige Handwerker an Bord, vor allem muß man zugestehen, daß die ein oder andere Verfolgungsjagd schon extrem spannend inszeniert ist. Unter anderen Vorzeichen könnte das hier als Thriller wohl auch heutzutage noch funktionieren. So bleibt es hauptsächlich eine Kuriosität und ein Zeitdokument, das damals sogar eine Oscar-Nominierung als "Best Documentary Feature" (!) bekam.
#794
Geschrieben 22. Juni 2009, 23:00
Japan / Niederlande / Hong Kong 2008 Regie: Kiyoshi Kurosawa
Ohne Vorwarnung verliert Ryûhei Sasaki seinen hohen Posten in einer großen Firma und wird durch billigere chinesische Arbeitskräfte ersetzt. Sein Stolz verbietet es ihm zunächst, eine seinen Fähigkeiten nicht angemessene andere Arbeit anzunehmen und seiner Familie von seiner Entlassung zu berichten. So verbringt er seine Tage in der Schlange einer Suppenküche und trifft einen alten Schulkameraden mit dem gleichen Schicksal, der das Aufrechterhalten einer Lüge mittlerweile professionalisiert hat. Zuhause gibt es derweil Ärger mit den Söhnen, der eine möchte zur US-Armee, der andere Klavierunterricht nehmen und Ryûhei sieht seine Autorität in Frage gestellt...
Erneut behandelt Kurosawa existenzialistische Themen, diesmal allerdings fast gänzlich ohne Verrätselungen oder Symbolen aus dem übernatürlichen Bereich.
#795
Geschrieben 25. Juni 2009, 23:00
GB 1955 Regie: Leslie Norman
Ein britischer Commander erzählt bei einem abendlichen Treffen von Landsleuten in Hong Kong seinen merkwürdigen Traum von einem Flugzeugunglück, in dem auch einige der Anwesenden vorkamen. Ursprünglich belächelt, wird es dem ein oder anderem am nächsten Tag jedoch etwas mulmig, als immer mehr Elemente des Traumes Wirklichkeit zu werden scheinen...
Auch wenn man bei der Prämisse schon bald ahnt, worauf es hinausläuft, gelingt es dem Film doch, durchgängig Spannung zu erzeugen. Außerdem mag ich ja diese alten Flugzeug-Filme: Dieses ständige Motorengeräusch hat etwas heimeliges, beruhigendes, vor allem, wenn man auf der Couch und nicht selbst im Flugzeug sitzt. Und dann sind da ja noch tolle Darsteller, neben Michael Redgrave und Michael Hordern ist es besonders interessant, Charakterköpfe wie Denholm Elliot oder Nigel Stock mal in ganz jungen Jahren zu sehen. Auf heutige Zuschauer etwas befremdlich wirkt allerdings die Idee, daß die eigentlich recht positiv konnotierten britischen Militärs und Politiker auf ihrem Flug nach Tokyo entscheiden, einen kleinen Sightseeing-Abstecher über Nagasaki und Hiroshima zu machen. Zu sehen bekommen sie allerdings nichts, sondern geraten in ein Unwetter, das ist dann vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit.
#796
Geschrieben 26. Juni 2009, 23:00
Tschechoslowakei 1947 Regie: Otokar Vávra
Mit hohem Fieber taumelt der Physiker Prokop durch das nächtliche Prag, ständig spricht er von "Krakatit", einem Sprengstoff, den er entwickelt hat. Bereits eine kleine Menge davon ist in der Lage, die ganze Welt zu vernichten. Am nächsten Tag erwacht er in der Wohnung eines alten Studienkollegen, wo ihn eine schöne Frau darum bittet, diesem einen Brief zuzustellen. Prokop begibt sich auf das Land zu dessen Vater, der als Arzt erst einmal das Fieber behandelt. Bald scheint es dem Erfinder besser zu gehen, der Alptraum vergessen, doch da findet er plötzlich einen Zeitungsartikel mit der Überschrift "Krakatit"...
Huch! Die ersten zwanzig Minuten dieses Films bieten ein geballtes Konglomerat von wundervoll durchkomponierten fiebrigen Bildern, die man so nicht alle Tage zu sehen bekommt. In der Mitte wird der Film dann etwas dialoglastig und wendet sich politischer Satire und Parabel zu, aber dafür knallt das Ende noch einmal ordentlich rein mit unglaublichen visuellen Einfällen und übertrifft den grandiosen Anfang noch. Ein rätselhafter, verstörender Fiebertraum in Spielfilmlänge. Unglaublich gut.
#797
Geschrieben 02. Juli 2009, 23:00
Jugoslawien / GB 1987 Regie: Goran Markovic
Der unscheinbare, schüchterne und alternde Klavierlehrer Mihail kann sein Glück kaum fassen, als die neue, junge und bildhübsche Kollegin (Anica Dobra) sichtbares Interesse an ihm bekundet und bereits nach dem ersten Date in ihr Bett schlüpfen läßt. Wären da nur nicht die Erinnerungen an seine von Tragödien und Enttäuschungen bestimmte Kindheit, die immer wieder vor seinem innere Auge ablaufen und die Unsicherheit, ob die junge Frau ihn wirklich liebt oder nur benutzen will...
Brachial düsteres Psychodrama, das den Zuschauer mit zunehmender Laufzeit immer mehr herunterzieht. Zwar gibt es zahlreiche humoristisch-satirische Momente, die vor allem die Bigotterie einiger systemtreuer Sozialisten aufs Korn nehmen – das sich einstellende Lächeln kriegt man aber im nächsten Moment direkt wieder aus der Fresse geschlagen. In schmutzigen Brauntönen begleiten wir den Protagonisten auf seinem Weg in Wahnsinn und Untergang und es wird recht bald klar: Hier gibt es keine Hoffnung, nur einen ewigen Kreislauf aus Dreck und Verzweiflung. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, daß der Film hauptsächlich als seltenes Beispiel für den serbischen Horrorfilm rezipiert wird (
#798
Geschrieben 05. Juli 2009, 23:00
USA 1959 Regie: Edward Dein
Der gierige Schmierlappen Buffer benutzt immer neue Tricks und Drohungen, um dem anständigen Doc Carter Teile seines Landes abzuluchsen. Dessen hitzköpfiger Sohn will das nicht länger mit ansehen und ist kurz davor, eine Dummheit zu begehen. Zur gleichen Zeit geht eine merkwürdige Krankheit in der Gegend um: Immer mehr junge Mädchen sterben ohne zunächst ersichtlichen Grund. Hat evtl. ein vor kurzem in der Stadt erschienener, stets in schwarz gekleideter Cowboy etwas damit zu tun?
Durchaus gelungener Vampirwestern, der von beiden Genre-Blickwinkeln aus zu funktionieren vermag. Auch wenn Michael Pate bei jedem Erscheinen von einem sinistren Theremin-Thema begleitet wird, ist seine Darstellung des Blutsaugers verblüffend zurückhaltend, er spielt ihn als typischen Revolverhelden, der nun mal dummerweise mit diesem Fluch beladen wurde (welcher sich bei Duellen allerdings als recht nützlich erweist). Außerdem mag ich sinistre Theremin-Themen sehr. In Sachen Vampirmythos hat man sich hier sogar eine eigenständige Entstehungslegende ausgedacht. Sehr originelle Angelegenheit, die auch noch sehr kurzweilig daherkommt.
#799
Geschrieben 08. Juli 2009, 23:00
Indonesien 1983 Regie: Sisworo Gautama Putra
Unsere Heldin (Suzzanna) fährt mit einer Kutsche durch den strömenden Regen, um einen Arzt aufzusuchen. Ihre Mutter liegt im Sterben, doch der Arzt hat keine Lust zu kommen, jedenfalls nicht zu einer sterbenden Oma, ist er doch gerade dabei, eine junge Frau mit großen Brüsten zu poppen. Außerdem ist ihm die Familie wohl eh zu arm. So fährt Suzzanna traurig zurück durch den Regen und sieht Mutter sterben. Auch die Dorfbewohner sind nicht sehr freundlich zu ihr, einer Massenvergewaltigung entgeht sie nur durch das Eingreifen eines freundlichen Holzfällers (Barry Prima). Einige Zeit später ist der Holzfäller in einer ähnlichen Situation leider nicht zur Stelle, und so stürzt sie eine Schlucht herunter in den Fluß. Mehr tot als lebendig wird sie von einer Magierin geborgen, die ihr die Geheimnisse der schwarzen Magie beibringt. (Das kommt mir doch irgendwoher bekannt vor.) Unter anderem werden durch eine Schüssel heißer Kohlen ihre Oberschenkel zu tödlichen Waffen. So kehrt sie ins Dorf zurück und heiratet aus irgendwelchen Gründen (gibt keine Untertitel) einen reichen Glatzkopf mit Vollbart, ebenfalls Magier, aber ein recht Böser. Da begegnet sie dem freundlichen Holzfäller wieder...
Mal wieder flotte Kurzweil mit Indonesiens größten Stars! Highlight ist dabei das Zaubererduell in einer Höhle, wo der Glatzkopf-Magier einer noch bösereren Magierin mit bloßen Händen den Kopf abreißt, freilich mit Gedärmen untendran. Ein bißchen mehr Barry Prima wäre zwar auch prima gewesen, und Suzzanna setzt ihre magischen Schenkel auch nicht besonders oft ein, aber egal. Ich plädiere für eine Sisworo Gautama Putra-Gesamtausgabe auf DVD, denn auf der vorliegenden VCD fehlt rechts und links mal wieder eine ganze Menge.
#800
Geschrieben 10. Juli 2009, 23:00
Türkei 1976 Regie: Yavuz Figenli
Behçet ist 10 Jahre alt und arbeitet als Handlanger für einen Gangsterboss. Bei einem seiner Aufträge gerät er an eine Pistole, die ihm recht bald von Nutzen sein wird: Will der Boss ihn doch ins Jenseits befördern, was freilich nicht klappt. Stattdessen wandert Behçet wegen Mordes für 20 Jahre in den Knast. Endlich entlassen, will der Bruder des Gangsters aber immer noch seinen Tod. Doch Behçet weiß, sich zu wehren...
Knallharte, temporeiche Action-Kost, wobei das hohe Tempo auch durch die Lauflänge von nur 47 Minuten begünstigt wird, die bestimmt nicht so beabsichtigt war, wird doch offensichtlich, daß hier ganze Szenen fehlen, weil wohl der Film gerissen und vermutlich unwiederbringlich verloren ist. Schade drum, denn ich hätte hier gerne länger zugeschaut. Behçet Nacar teilt mächtig aus, die Damen sind nett anzusehen, besonders aber der grimmige Grundton des Films reißt einen mit, die Sozialkritik wirkt nicht aufgesetzt, vor allem nicht in der Szene, als unser Held mit seiner Flamme aus wohlhabendem Hause einen Rundgang durch die Elendsviertel macht. Vor allem die Kinder sind die Verlierer dieses Systems, und Gewalt gegen sie wird hier ungewöhnlich drastisch gezeigt, als zum Beispiel ein kleiner Junge nicht das Mindestpensum an Einnahmen an den Boss abliefern kann, wird ihm als disziplinarische Maßnahme eine Hand abgesägt. Zukunft haben diese jungen Menschen keine, allein der kleine Ali kann ein wenig Hoffnung haben, verspricht Behçet seiner sterbenden Schwester doch, ihn auf die Schule zu schicken und wandelt mit ihm und seiner reichen Flamme ins Happy End, über einen Schrottplatz voller Gangsterleichen.
#801
Geschrieben 13. Juli 2009, 23:00
Deutschland / Österreich 1975 Regie: Peter Patzak
Ein Episodenfilm über paranormale Phänomene: In der ersten Episode fühlt sich ein Geschäftsmann auf der Durchreise auf merkwürdige Weise zu einem Schloß hingezogen. Dort begegnet er in der Nacht einer schönen, altmodisch gekleideten Frau (Marisa Mell), die ihn für ihren Liebhaber hält...in der zweiten Episode hat ein Professor (William Berger) ein Verhältnis mit einer Studentin, was zunächst seine Frau, dann die Studentin in den Selbstmord treibt. Letztere nimmt aber nach ihrem Tode Besitz vom Körper der Tochter des Professors (Bergers tatsächliche Tochter Debra)...zuletzt können wir einem impotenten verwöhnten Bengel (Matthieu Carrière) dabei zuschauen, wie er sich mittels Telepathie/Fernhypnose junge Frauen gefügig macht, die, wenn sie von ihm wieder fallen gelassen werden, selbst aus einem hohen Stockwerk fallen...
Horrorsleaze aus deutschen Landen kriegt man ja nicht alle Tage vorgesetzt, aber trotz des übersinnlichen Themas erinnert das hier dank der zahlreichen Sexszenen mehr an eine Art "Parapsychologen-Report". Wenn sich Damen vom Schlage einer Marisa Mell ausziehen, will man aber auch nicht meckern, und ein kurzweiliges Unikum ist das hier auf jeden Fall. Ein bißchen auf die Nerven geht einem allerdings der Score der ersten Episode, der ständig die ersten vier Takte von "Für Elise" wiederholt, als ob man das nicht so oder so schon oft genug hören müßte. Dafür ist aber der Score der Telepathie-Episode mit minimalistischem Elektronik-Gefiepe wiederum recht gelungen.
#802
Geschrieben 16. Juli 2009, 23:00
USA 1974 Regie: Beverly & Ferd Sebastian
Billy Bob und sein Kumpel Ben wollen die hübsche Cajun-Wilderin Desiree vergewaltigen, diese ist ihnen aber eine Schlangenlänge voraus und bei der entstehenden Panik erschießt Billy Bob Ben aus Versehen. Seinem Vater, dem Sheriff, sagt die feige Sau natürlich, daß Desiree ihn ermordet hat, und so machen sich die beiden zusammen mit Bens Vater T.J. Bracken und seinen anderen beiden debilen Söhne auf in den Sumpf, um Rache zu nehmen...
Ja, mit Subtilität wird hier ein wenig gegeizt, ein richtiger Exploitation-Kracher ist der Film auf der anderen Seite aber auch nicht, trotz einiger deftiger Szenen ist man von der Derbheit eines I Spit on your Grave dann doch weit entfernt. Daß das Ganze aber doch ganz gut reinläuft, liegt an der absoluten Überzogenheit sämtlicher männlicher Figuren, die scheinbar nichts anderes können außer vergewaltigen und töten. Die Bracken-Buben schrecken da auch nicht vor der eigenen Schwester zurück, auch wenn Pa dann gleich wieder mit der Peitsche kommt. Sehr gelungen auch die Sumpf-Atmosphäre, die vor allem durch die Songs aus der Feder des Regisseurspärchens unterstützt wird – das ist zwar streng genommen keine Cajun-Musik, die angemessen wäre, passt aber auch so gut zu den Locations. Daß Claudia Jennings in knappen Klamotten nett anzusehen ist, brauche ich wohl nicht noch extra zu erwähnen.
#803
Geschrieben 17. Juli 2009, 23:00
Polen 1983 Regie: Wojciech J. Has
Ein alternder Professor der Anatomie weiß, daß er in wenigen Wochen sterben wird. Resigniert denkt er über sein Leben nach: Seine Familie hat sich von ihm entfremdet, auch der Beruf bereitet ihm keine Freude mehr. Einzig für seine Tochter Katja, die nach einer gescheiterten Karriere als Schauspielerin und persönlichen Tragödien einen Selbstmordversuch unternahm, empfindet er noch große Sympathie, doch auch zu ihr kann er mit seinen eigenen Gefühlen nicht durchdringen, zu mächtig ist die Fassade des angesehenen Gelehrten...
Der halbdunkle, an Rembrandt-Gemälde erinnernde Ausleuchtungsstil, der auch in Has anderen Farbfilmen wie Niezwykla podróz Baltazara Kobera oder dem grandiosem Sanatorium pod klepsydra vorzufinden ist, wird in seiner Verfilmung von Čechovs "langweiliger Geschichte" noch um einiges heruntergeschraubt: Schatten und schwarze Flecken überall, der Tod ist ständig anwesend. Zusammen mit der faszinierenden, leicht atonalen Musik von Jerzy Maksymiuk und Gustaw Holoubeks großartigem Schauspiel entsteht so ein trauriges, elegisches Stimmungsbild, ein Mosaik aus Stillstand und Resignation, eingebettet in zahlreiche prächtige Bildkompositionen - dabei den menschlichen Aspekt nie aus den Augen verlierend. Große Filmkunst.
#804
Geschrieben 19. Juli 2009, 23:00
Indien 1990 Regie: Dhirendra Bohra
Garstige Satanisten wollen mit Jungfrauenopfern einen bösen Geist heraufbeschwören, können aber nicht an sich halten mit ihren Gelüsten, so daß die Jungfrau bei der Opferung gar keine mehr ist, was den Dämon erzürnet und er einen Satanswilli nach dem anderen dahinmeuchelt. Zeitgleich hat ein junges Mädchen Vorahnungen von diesen Morden, doch ihr Polizistenfreund will ihr freilich nicht glauben...
Für einen Bollywood-Horror mit 140 Minuten Laufzeit gibt es hier eine verblüffende Dichte an Horrorszenen, ca. alle 5 Minuten gibts Mord, Nebel und Geblutze. Die Szenen sind zwar teilweise etwas repetitiv, können aber dann und wann doch mit ein paar aberwitzigen Ideen verblüffen. Ganz groß die zweite Gesangseinlage, die zu einem Zeitpunkt kommt, an dem man überhaupt nicht damit rechnet und durch die Szenerie einer Diskothek, deren Besucher alle Monstermasken tragen, an die etwas ungeschickte Rahmenhandlung aus The Monster Club erinnert. Für Amüsement sorgen zudem die selten dämlichen Satanisten, die sich an den unmöglichsten Momenten "Thumbs up" geben, während der eigentliche Comic Sidekick, in den sich ein dicker Geist verliebt, recht schnell zu nerven vermag.
#805
Geschrieben 20. Juli 2009, 23:00
USA 1933 Regie: Archie Mayo
5 Kids einer Straßengang werden vom Richter in die Reformschule verdonnert, wo ein harter Wind weht. Das ändert sich, als der halb-Gangster/halb-Politiker Patsy Gargan (James Cagney) zur Kontrolle vorbeischaut. Nicht nur verkuckt er sich in die nette Krankenschwester Miss Griffith (Madge Evans) mit ihren liberalen Methoden, auch erinnern ihn die Burschen an seine eigene Kindheit in der Gosse. Also wird die Reformschule reformiert, doch als Patsy wegen Mordverdachts untertauchen muß, greift der Rektor noch härter durch als zuvor...
Irgendwann Anfang der Neunziger zeigte die ARD Sonntag nachts eine James Cagney-Reihe: Diese hat mich nicht nur auf den Darsteller angefixt, sondern auch die Spätfolgen, daß ich mir seitdem Sonntags vor dem schlafen gehen bevorzugt schwarz-weiß-Filme aus der guten alten Zeit anschaue. Diesen Sonntag lief sogar – vermutlich wegen seines 110. Geburtstages – wieder ein Cagney-Film auf dem Ersten (und einer auf 3Sat), die kannte ich aber schon und habe daher zu dieser noch nicht gesichteten Konserve gegriffen. Viel Screentime hat Cagney hier nicht unbedingt, macht aber nichts: Toll ebenfalls die Darbietungen von Dudley Digges als fieser Rektor und dem eigentlichen Hauptdarsteller Frankie Darro als schwerst erziehbarer der schwer Erziehbaren. Diesem Burschen würde ich jederzeit einen Quarter geben, damit er mir nicht die Autoreifen oder sonstwas aufschlitzt. Was heutzutage wohl niemand mehr machen würde, ist die großzügige Verwendung von Stereotypen, hier gleich durch die ganze Bank: Iren, Italiener, Juden – die afro-amerikanische Community kommt mit Farina von den "kleinen Strolchen" wohl noch am übelsten weg. Dafür hat dessen Vater immerhin die beste Dialogzeile spendiert bekommen, als er einem Anwalt, der wissen will, was er weiß, und nicht, was er denkt, entgegnet: "I ain't no lawyer. I can't talk without thinkin'."
#806
Geschrieben 23. Juli 2009, 23:00
Australien 1981 Regie: Ian Coughlan
Da sie lange genug quengeln, verbringt Alison (Mad Max seine Frau) ihren 19. Geburtstag bei Onkel und Tante, die sie einst aufgezogen haben, nachdem ihre leibliche Eltern bei einem Unfall gestorben waren. Zunächst ist der jungen Dame, die ihre Freizeit lieber mit ihrem Freund, dem DJ Pete verbringen würde, nur etwas langweilig bei der Verwandschaft, doch merkwürdige Ereignisse häufen sich. Zum einen ist da dieser immer wiederkehrende Alptraum von einer heidnischen Zeremonie, und dann stellt sie fest, was sich hinter dem Weg befindet, den sie als Kind nie entlanggehen durfte: Eine Nachbildung der Megalithen von Stonehenge!
Wenn der Film sich auch deutlich bei Rosemary's Baby und The Omen bedient, ohne an diese auch nur annähernd heranzureichen, so konnte er mir doch recht viel Freude bereiten. Das liegt zum einen am cleveren Drehbuch, das durchaus spannungsreich ein Puzzleteil der schrecklichen ganzen Wahrheit zum nächsten legt, zum anderen an mehreren gelungenen Sequenzen, wie zum Beispiel dem Mordversuch an DJ Pete durch mehrere befrackte Sargträger am hellichten Tag. Außerdem: Wie viele australische Filme über keltische Kulte gibt es schon? Das reicht mir als Alleinstellungsmerkmal schon vollkommen aus, zumal die kultischen Handlungen zuweilen auch an den alten Lovecraft erinnern. Und das Ende ist auch total super.
#807
Geschrieben 28. Juli 2009, 23:00
GB 1961 Regie: Sidney J. Furie
In einem kleinem Dorf in Northumberland entwickelt der geniale Dr. Adderson 1890 eine Methode, den Wahnsinn seiner Frau mittels Schlangengift in Grenzen zu halten. Das hat allerdings die unerwünschte Nebenwirkung, daß die gemeinsame Tochter im wahrsten Sinne des Wortes "kaltblütig" geboren wird. Die abergläubische Dorfgemeinschaft hat natürlich schnell die Fackeln zur Hand, können aber nur den Doktor, seine Hütte und die meisten seiner Reptilien den Flammen übergeben, das Kind war vorher einem gutherzigen Hirten zur Obhut anvertraut worden. 20 Jahre später häufen sich Todesfälle durch Schlangenbisse im Dorf und Scotland Yard schickt einen jungen Ermittler, der bereits in der ersten Nacht im Moor eine wunderschöne junge Frau erblickt...
Auch wenn in Sachen Budget hier noch weniger zur Verfügung stand als bei den Kollegen von Hammer, ist es doch interessant, daß letztere ein paar Jahre später mit The Reptile eine recht ähnliche Geschichte erzählten. Spezialeffekte braucht man hier keine zu erwarten, aber es sieht alles schon sehr hübsch aus, vor allem Susan Travers, wenn sie leichenblaß im zerfetzten schwarzen Fummel plötzlich im Moor erscheint. Auch sonst hat man ein paar nette Ideen (Ein Baby ohne Augenlider! Häutung!) und von den Darstellern kann vor allem Elsie Wagstaff als Dorfhexe überzeugen. Teilweise ist das alles so überzogen unwirklich, daß man sich fragt, ob man nicht aus Versehen in einen Märchenfilm geraten ist, der sich nur als Horror tarnt. In etwa das gleiche Team drehte im selben Jahr auch noch Doctor Blood's Coffin, der aber leider trotz ähnlicher Locations etwas fad daherkommt.
#808
Geschrieben 29. Juli 2009, 23:00
Brasilien 1981 Regie: Alfredo Sternheim
Zusammen mit zwei psychopathischen Prolls bricht ein linksintellektueller Terrorist aus dem Gefängnis aus und nistet sich in einem Bungalow von größtenteils homosexuellen Künstlern ein, um dort auf ein Boot zu warten, das die drei außer Landes bringen soll. Es gelingt ihm leider nicht, seine Mitstreiter unter Kontrolle zu halten, und so folgen Vergewaltigungen und Morde, aber auch ein Fall von Stockholm-Syndrom...
Der Titel faßt es eigentlich schon recht gut zusammen, auch wenn es hier wesentlich mehr Fleisch als Gewalt zu betrachten gibt. Das Fleisch ist nicht unbedingt immer weiblich, und so gibt es hier neben einigen Dödeln auch eine wahrlich unangenehme Vergewaltigungsszene der Marke Dickbauch und Ballett-Tänzer zu sehen. Diese "Pornochanchadas", die im Brasilien der 70er und 80er zu hunderten heruntergekurbelt wurden, waren zwar selten wirklich Hardcore, überstiegen in ihrer Drastik aber meist die aus anderen Ländern gewohnten Softcore-Szenen. Die üblichen komödiantischen Elemente sind hier allerdings eher rar gesät, dafür bietet dieser hier einerseits zahlreiche Low Budget-Merkmale (die Musik ist komplett aus anderen Filmen wie Dressed to Kill übernommen, und zu Anfang darf man drei Minuten lang zusehen, wie ein Auto brennt, das war wohl der teuerste Effekt im Film und mußte entsprechend ausgereizt werden), andererseits aber auch viele interessante Details. Die Dialoge sind erstaunlich intelligent und liefern nicht nur recht bittere Kritik an den Gesellschaftszuständen, sondern greifen auch Motive aus der Kulturgeschichte (Sartre, Kafka) auf. Auch die Montage ist äußerst gelungen, so daß man hier durchaus zu dem Schluß kommen kann, einen Film gesehen zu haben, der oberflächlich zwar primitive Reize anspricht, aber garantiert nicht ganz ohne Hintergedanken von irgendwelchen geldgeilen und unfähigen Idioten gemacht wurde.
#809
Geschrieben 30. Juli 2009, 23:00
GB 1966 Regie: Roy Boulting
"At your age it'll make you laugh but one day it'll make you bloody cry!" Meta-Dialogzeile
Es könnte ja alles super sein, nachdem Arthur die hübsche und liebenswerte Jenny geheiratet hat. Nur fehlt die Kohle für eine eigene Wohnung und Arthur hat so ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater, daß selbst der kleine Arthur den Dienst versagt im Bewußtsein, daß nebenan der alte Herr vor sich hinschnarcht oder Nachttöpfe umwirft. So ist auch zehn Wochen nach der Hochzeit die Ehe immer noch nicht vollzogen, was sich aufgrund von ungeschickten Zufällen auch noch in der Nachbarschaft herumspricht...
Ein interessanter Vorläufer zu Twisted Nerve, neben Hywel Bennett und Hayley Mills und den selben Mannen hinter der Kamera und auf dem Regiestuhl gibt's auch hier Barry Foster und Thorley Walters in Nebenrollen. Nur der Score stammt nicht von Herrmann, sondern von Paul McCartney und klingt etwas fröhlicher. Das hier ist ja auch eigentlich eine Komödie, und witzige Situationen und spritzige Dialoge gibt es so einige. Vor allem die giftig-trockenen Kommentare von Arthurs Mutter, wenn sie über ihren Gatten herzieht, treffen oft ins Schwarze. Ansonsten mag ich die Atmosphäre der Arbeitersiedlungen dieser Jahre sehr (hier in Bolton, Lancashire) und Hayley Mills ist auch mal wieder supersüß. Alles in den Schatten stellt aber ihr alter Herr: John Mills spielt mit dem alten Ezra nicht nur eine Figur, die sich stark von den eher distinguierten Rollen, aus denen man ihn kennt, unterscheidet, sondern verleiht dieser auch noch äußerst glaubwürdig und detailgenau Leben: Ein tumbes, unsensibles Großmaul, das zu viel säuft, aber eigentlich das Herz schon auf dem rechten Fleck hat. Solche Leute kennt wohl jeder. Hinzu kommt noch – und deshalb ist der Film wohl nicht hundertprozentig als Komödie einzuordnen – daß es auch noch eine äußerst tragische Figur ist, der man am Ende des Films (
#810
Geschrieben 31. Juli 2009, 23:00
Hong Kong/Indonesien/Singapur 1976 Regie: Meng Hua Ho
Zwei Ärzte wundern sich, immer mehr Patienten in ihr Krankenhaus eingeliefert zu bekommen, die unter faulenden Geschwüren leiden oder unter deren Haut Würmer wimmeln. Einer von ihnen vermutet als Ursache schwarze Magie, und da ist ja auch dieser Typ in der Stadt, der über 80 ist, aber viel jünger aussieht. Sein Geheimnis: Die Milch von jungen Frauen. Wenn diese nicht schwanger sind, kocht er ein Süppchen aus deren Schamhaaren, um anschließend an den Brüsten zu nuckeln. Dies hat wohl auch die Nebenwirkung, daß sie am nächsten Tag mißgestaltete Kinder zur Welt bringen...
Und das ist jetzt gerade mal die erste halbe Stunde. Hong Kong-Horror der 70er birgt ja fast immer unterhaltsame Elemente, aber hier gibt es gleich eine prall gefüllte Tüte voll Irrwitz. So hat der Magier noch eine Horde Untoter im Keller, die mittels langem Nagel im Kopf wiederbelebt werden können, ein guter Zauberer reißt sich die Augen heraus, damit unser Held sie herunterschlucken kann, und natürlich überall schlimme Hautunreinheiten, Gewürm und Verwesung. Dazu gibt es einen Score, auf dem sich Wah-Wah-Gitarren und Fuzz-Gitarren die Klinke in die Hand geben und man weiß, man hätte den Abend kaum besser verbringen können, außer vielleicht selbst an den Brüsten von jungen Frauen zu nuckeln.
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