Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen
#451
Geschrieben 22. März 2007, 12:17
WALL STREET für Football-Fans. Al Pacino spielt den alternden Trainer Tony D'Amato, dessen Position bei einem Miami-Team nicht mehr unumstritten ist. Zu viele Niederlagen haben der Mannschaft das Selbstvertrauen geraubt, und da die Tochter des ehemaligen Besitzers (Cameron Diaz) eine nicht sonderlich sportinteressierte Geschäftsfrau ist und eine respektlose Schlunze obendrein, sieht der Verein seiner Veräußerung entgegen. Tony stinkt das gewaltig, denn Football ist sein Leben. Er ist ein Sportler von altem Schrot & Korn und kann mit der neuen Medienwelt nicht viel anfangen. Für ihn ist das Geschehen auf dem Spielfeld „rein“, ein positiver Gegenentwurf zu dem vielschichtigen und häufig trügerischen Leben, mit dem er so gar nicht klarkommt. Er versucht, den jungen Spielern seine Philosophie nahezubringen, doch die Zeiten haben sich gewandelt – in einem Umfeld, das von Medienbruhaha, Koks, Nutten und Marktanalysen bestimmt wird, steht er auf verlorenem Posten.
Zweieinhalb Stunden, die wie im Fluge vergehen! Al Pacino gehört zu jenen Schauspielern, die man theoretisch auch das Sandmännchen spielen lassen könnte oder, sagen wir mal, Karius & Baktus – brillieren tut der Mann überall. Wäre ich ein junger Schauspieler und hätte einen Auftritt neben ihm, würde ich vermutlich vor Hochachtung sterben. Sein Tony D ist ein ziemlich lebensunfähiger Verlierer, der auf dem Feld aber zum diamantharten Hundertprozenter mutiert und für die ganzen Guppies, um die er sich kümmern muß, durchs Feuer gehen würde. Wie in jedem Sportfilm bekommt sein Protagonist ein Gegenstück zur Seite gestellt, in diesem Fall den jungen schwarzen Quarterback Beamen (der ebenfalls erstklassige Jamie Foxx). Beamen hat bereits seine halbe Karriere hinter sich und wurde durch miserables Coaching und Verletzungspech immer wieder aus dem Rennen geworfen. Jetzt bekommt er seine Chance und stellt sich dabei gegen Trainer Tony. Da Beamen aus schlichten Verhältnissen kommt und als Schwatter einen schweren Stand hatte bei den Rednecks im Geschäft, ist er hungrig und kümmert sich herzlich wenig um die „Seele“ des Sports. Seinen frischen Erfolg genießt er in vollen Zügen und entwickelt sich in Rekordzeit zu einem Arschloch.
Was Oliver Stone in ANY GIVEN SUNDAY erzählt, ist nicht gerade revolutionär und unterscheidet sich lediglich durch seinen formalen Glanz von anderen Footballfilmen wie Michael Ritchies ZWEI AUSGEBUFFTE PROFIS oder Ted Kotcheffs DIE BULLEN VON DALLAS. Man merkt dem Film an, daß Stone wohl selber ein ziemlicher Fan ist, und so gestattet er – im Gegensatz zu WALL STREET – den Figuren ein positives Ende, das für meinen Geschmack die durchaus kritikwürdigen Vorgänge zuvor über Gebühr sauberwäscht. Nichtsdestotrotz ist ANY GIVEN SUNDAY aber sauspannend und enthält die vermutlich aufregendsten Footballszenen der Hollywood-Geschichte. Besetzungsmäßig klotzt der Film ran, als gäbe es kein Morgen: Dennis Quaid ist der nicht mehr taufrische Profi, der nach vielen Verletzungen jetzt Angst davor hat, im Rollstuhl zu landen, seinen Legendenstatus aber nicht gegen ein Leben in Anonymität eintauschen möchte; James Woods ist ein gefinkelter Sportarzt, der seinen Hippokrateseid weitgehend vergessen hat; Matthew Modine ist Woods´ junger Kollege, der noch vor Idealismus brummt; LL Cool J ist ein Footballer, der seinen Starruhm zwar ebenfalls ausschöpft, dabei aber bedingungslos zu Trainer Tony hält; Jim Brown ist ein alter Haudegen, der Tony zur Seite steht; Ann-Margret ist Cameron Diaz´ Mutter und spielt (blendend) eine Showbusiness-Alkoholikerin mit dem Herzen auf dem rechten Fleck; Aaron Eckhart ist ein neuer Sportdirektor, der Tonys vermeintlich überholte Auffassung von Spieltaktik aufpolieren soll; Stone-Veteran John C. McGinley ist ein grotesker TV-Medienfuzzy mit Toupet; und Charlton Heston spielt einen Lurch von der Sportkommission. Als Baustein in Stones Amerika-Bild sollte man den Film nicht überbewerten – dazu ist er einfach zu sehr Fanprodukt. Wohl aber werden andauernd Parallelen zu einer Gesellschaft gezogen, die ausschließlich an den Resultaten interessiert ist und am Weg dorthin völlig desinteressiert. Von PLATOON zu ANY GIVEN SUNDAY führt eine direkte Linie. Daß diese Linie nicht bis zum bitteren Ende verfolgt wird, ist eigentlich der einzige Schwachpunkt des Filmes, der aber nicht für jeden Zuschauer von Belang sein wird. Wer eine wirklich konsequente Analyse der Rolle des Sports in der modernen Gesellschaft als modernes Gegenstück zu den Gladiatorenspielen der Antike haben will, sollte sich George Roy Hills schwarze Eishockey-Komödie SCHLAPPSCHUSS ansehen – da ist mal wirklich Feierabend. ANY GIVEN SUNDAY ist aber immerhin großes Unterhaltungskino, und das reicht mir als kurzweilsüchtigem Betrachter allemal.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#452
Geschrieben 28. März 2007, 11:05
„Ulalume“ meets DER WEISSE HAI. Brian Yuzna has done it again. Diesmal geht es um eine katalanische Stadt namens Marienbad (kreisch!), in der das Böse Einzug gehalten hat: Unter der Fuchtel eines stark an Richard Lynch erinnernden Aleister-Crowley-Schülers feierten Orgien und Entartung fröhlich Urständ. Das Dorf wurde dann überflutet, aber 40 Jahre später kommt das Böse wieder auf Touren und schickt sich an, dem kalten Naß zu entsteigen...
Tja, besser als ROTTWEILER ist STILL WATERS ohne Frage, doch das will ja nun nicht viel heißen. Zu Beginn dachte ich noch, der Film könne etwas werden, denn das poetische Motiv einer versunkenen Welt ist ja durchaus Ackerland, auf dem man sich ansiedeln möchte. Schon bald übernimmt aber die Yuzna eigene Geschmacklosigkeit das Ruder – mit Horror-Comic-Attitüde wird jede mögliche Atmosphäre rausgedroschen. Stattdessen setzt es Leute, die sich selber die Beine abschneiden, Analverkehr-Orgien im Rathaus und blonde Bimbos mit Prolltattoos und Silikonimplantaten. („Kannibalismus und Selbstverstümmelung waren an der Tagesordnung.“ Weia.) Technisch hat es Yuzna ja drauf, aber wenn man versucht, mehr zu liefern als den üblichen Horror-Trash, sollte man auf die entsprechenden Klischees verzichten. STILL WATERS setzt auf Holzhämmer und seine Idee in den Sand.
Wesentlich besser finde ich da die Filme, die Jaume Balagueró für Yuznas Stammproduzent Fernández gemacht hat: den wirklich unangenehmen THE NAMELESS, DARKNESS und den ruhigen, aber teilweise recht unheimlichen FRAGILE. Nicht makellos, aber ernsthaft und voller gelungener Einfälle. Dagegen sind die Yuznas ziemliche Bauchklatscher.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#453
Geschrieben 31. März 2007, 02:03
UKM hätte ein wirklich guter Horrorfilm werden können, und wenn ich ein Brötchen hätte und Butter und Wurst, dann könnte ich mir ein Wurstbrötchen machen...
Eine Gruppe von straffällig gewordenen Jugendlichen meldet sich bei der Army, um sich eine straffe Führung angedeihen zu lassen. Direkt am Eingangstor wartet Michael Madsen mit einem Barrett auf dem Kopf und kuckt wie ein unglücklicher Teddybär. Kein Wunder, denn er leitet ein fürchterliches Experiment, das die ultimative Killmaschine hervorbringen soll. Leider lassen die jungen Leute aus Versehen die Versuchsperson frei, einen Stuntman mit gebrochener Nase, und der läuft dann Amok. Soweit die Story.
Heutzutage kann jeder Filme machen, wirklich jeder. Man braucht dazu nur eine HD-Kamera, einige Nulpen von der Schauspielschule und ein Drehbuch, in dem Dialoge enthalten sein müssen. Die Dialoge brauchen keinen Sinn zu ergeben, solange sie nur die peinlichen Pausen zwischen den Grimassen füllen. Michael Madsen verstehe ich einfach nicht mehr. Tom Sizemore dreht jetzt Pornovideos, um seine Anwalts- und Drogenkosten zu bezahlen. Ein Pornovideo ist aber vergleichsweise ehrenvoll, wenn man diesen Amateurtinnef dagegenhält. Die IMDb erstaunte mich mit der Auskunft, der kanadische Regisseur drehe schon seit den frühen 80ern Filme. Diesen Mist hätte auch der Tünnes vom Marktplatz hingekriegt, wenn man ihm eine Videokamera in die Hand gedrückt hätte. Regie, Drehbuch, Kamera, Musik, „Schauspieler“ – alles die Arbeit von Flitzpiepen. Die Jugendlichen sind reinstes Klischee und benehmen sich wie die kompletten Vollidioten. Die beiden Wissenschaftler, die mit Madsen zusammenarbeiten, sind ein Deutscher und eine Russin, deren Akzente gelegentlichen Schwankungen ausgesetzt sind. Alle krauchen wie wild durch die Korridore, während Musik dudelt, die ich auch mit meinem alten C64 hingekriegt hätte. Über die Lebenszeit muß man eines wissen: Einmal verronnen, kehrt sie niemals zurück. Dies sind 85 Minuten, die man wahrlich besser nutzen kann, z.B. indem man sich die Encyclopedia Britannica auf den Kopf haut.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#454
Geschrieben 05. April 2007, 23:23
Da denkt man, man hat einen brauchbaren Thriller an der Hand, der über etwa 40 Minuten alles richtig macht, und wißt Ihr, was dann passiert? Richtig, er verwandelt sich in einen Haufen Mist!
Alex Borden ist ein junger Grunge-Mann, der gut ausschaut und nette Freunde hat. Leider hat ihm ein Kindheitstrauma mit Elternbezug sein Leben versaut. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, alles sei in Butter: Er ist überdurchschnittlich intelligent, hat ein geradezu unglaubliches Gedächtnis und liest Bücher in 10 Minuten komplett durch. Gerade als man sich in einer Fortsetzung zu GOOD WILL HUNTING wähnt, setzen böse Visionen ein, die Alex fast in den Wahnsinn treiben. Die Wissenschaftler, die ihn untersuchen, verschwinden auf mysteriöse Weise, und auch anderen Menschen, die seinen Weg kreuzen, ergeht es schlecht. Wo liegt da die Miezi in der Molle?
Der Film ist ordentlich inszeniert und nimmt sich durchaus Zeit bei der Exposition des zentralen Charakters. Dann kommt aber das Gummimonster mit den langen Fingernägeln und haut den Leuten die Blutrotze um die Ohren. Ich dachte, ich sehe nicht recht. Tempowechsel von Hüh nach Hott, leider ohne Sinn und Verstand. Die Geschichte wird dann fürchterlich übernatürlich und bemüht eine geheimnisvolle Finsterwelt, aus der Dämonen nach den Lebenden greifen. Fast in jeder Szene werden bekannte Gesichter eingeführt (Sean Young, William Atherton, Udo Kier, Olivia Hussey, Dee Wallace), und allen zeigt das Drehbuch die lange Nase. Am schlimmsten hat es Charakterdarsteller Mark Margolis erwischt, der einen russischen Metaphysiker spielt, der hanebüchenen Unfug über Wandler zwischen den Welten erzählt, die er „Glieder“ nennt. Die Synchro hat hier einen ziemlichen Bock geschossen: Wie soll man einen Film ernstnehmen, in dem ein Satz fällt wie: „In unseren Moskauer Versuchslabors haben wir viele Glieder untersucht“? Wir lagen auf dem Teppich! Und gerade weil sich HEADSPACE sehr ernst nimmt, verzettelt er sich gegen Ende gewaltig mit seinen unzähligen Hui-Buh-Effekten, jeder Menge sinnlosen Geschmatters und einem völlig willkürlichen Schlußschock, der mich an diverse Wes Cravens erinnert hat, da er die angebotene Auflösung ohne Not oder Erklärung ad absurdum führt. In der Tat läßt der Film keine Möglichkeit aus, den Wagen möglichst komplett in die Grube zu fahren. Schade – war nach dem guten Beginn eine herbe Enttäuschung. Da war ZOMBIE TOWN (CHOPPER CHICKS IN ZOMBIE TOWN), den wir vorher kuckten, wesentlich genießbarer...
„Ich bin Deutschland, und du bist das Glied!“
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#455
Geschrieben 12. April 2007, 09:34
Oha, den Film hatte ich wirklich deutlich besser in Erinnerung.
Zur Story: Laura Mars (Faye Dunaway) ist eine Modefotografin, deren Bilder wegen ihrer Verquickung von Sex und Gewalt sehr kontrovers diskutiert werden. Ein Einwohner New Yorks gibt sich aber nicht mit Diskussionen zufrieden, sondern zeigt sich bemüht, die auf den Fotos dargestellten Gewaltakte in die Tat umzusetzen. Und da alle Mordopfer aus Lauras Einzugsbereich stammen und sie darüber hinaus in gelegentlicher telepathischer Verbindung mit dem Killer steht, ist Medienschelte wirklich das geringste ihrer Probleme...
Die Storyidee stammt von John Carpenter und bemüht parapsychologische Elemente auf einem Terrain, das normalerweise auf die Überlegenheit der Ratio baut. In einem italienischen Giallo der 70er (und BLUTIGE SEIDE war Carpenter womöglich nicht ganz unbekannt) hätte das wahrscheinlich auch funktioniert, doch in einem auf strengen Naturalismus bauenden Hollywood-Produkt muß man schon arg schlucken. Ob es Carpenter, Koautor Goodman oder den nachträglichen Änderungen durch die Produzenten (die Regisseur Kershner sehr ärgerten) zu verdanken ist, daß das Skript ein ziemlicher Trümmerhaufen ist, kann nur gemutmaßt werden. In jedem Fall macht det Dingen so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Die erste Frage, die sich aufdrängt, ist natürlich jene, warum Frau Mars überhaupt diese eigenartigen Bilder (die in realiter übrigens von Helmut Newton stammen) geschossen hat, warum sie von der Verbindung Sex/Gewalt so fasziniert ist. Das Drehbuch liefert hier nur eine Floskel („Wir geben der gewalttätigen Gesellschaft ihre Gewalt zurück!“), die obendrein von einem grenzdebilen Model geäußert wird. Da sich Frau Mars später in den untersuchenden Polizisten (den coolen Tommy Lee Jones) verliebt, bietet sich eine allerdings sehr konservative Erklärung an - daß sie nämlich eine frustrierte Schnalle ist, die Probleme mit Sex und Öffnen hat. (Etwas in dieser Richtung bemerkt auch Jones zu Beginn.) Brad Dourifs Rolle beschränkt sich im wesentlichen darauf, verdächtig in der Gegend herumzustehen, was ihm verwirrenderweise den dritten Platz in der Besetzungsliste beschert hat. René Auberjonois ist die archetypische Modeschwuppe und plappert andauernd Kohl. Und Raul Julia gibt den halbseidenen Ex-Ehemann der Mars, dessen Vorgeschichte aber nicht weiter vertieft wird, außer daß es wohl nicht geklappt hat und er ein Sleazer ist. Spannend wird der Film eigentlich nur in den Mordszenen, die recht wohlfeil in die Handlung eingestreut sind. Dazwischen setzt es sehr viel Leerlauf. Komplett uninteressant etwa ist die Liebesgeschichte zwischen der Dunaway und Jones, die die Handlung ausbremst und ihr mit dem Liebesgeständnis im Wald die wohl schlechteste Szene beschert. Der Schluß ist recht ordentlich, aber ebenfalls unlogisch geskriptet. Der Schlußsong von Barbara Streisand stellt dann auch keinen echten Pluspunkt mehr dar. Also: Originelle Prämisse, schwach ausgeführt. Trübes Mittelmaß.
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#456
Geschrieben 18. April 2007, 00:08
Oh, wie schön war Grenada!
Gunnery Sergeant Tom Highway (Eastwood) ist ein alter Haudegen, der zwar noch niemals einen Krieg gewonnen hat, aber viele Schlachten. Bürokraten und andere Sesselpuper widern ihn an. Die Army ist sein Zuhause, dem er sich auch im vorgerückten Alter verschreibt. Seine exotischen Ausbildungsmethoden stoßen zuerst auf den Widerwillen des von ihm geleiteten Aufklärungsteams, aber schon bald erwirbt er den Respekt seiner Schützlinge, denn sie verstehen, daß er sich in erster Linie verantwortlich fühlt für ihrer aller Sicherheit im Kriegsfalle. Und er tritt ein, der Kriegsfall...
Juchhu, Saurierkino! HEARTBREAK RIDGE würde ein wunderschönes Doppelprogramm mit John Waynes von jedermann zu recht belachten DIE GRÜNEN TEUFEL abgeben, und bei allen guten Sachen, die Eastwood im Laufe seiner langen Karriere abgeliefert hat, handelt es sich hier wirklich um kriegsverherrlichenden Dreck, der sogar noch heftiger ist, als ich ihn in Erinnerung hatte. Schade eigentlich, denn der Film ist gut gemacht und hochgradig unterhaltsam. Insbesondere bei der Verteilung von ironisch gebrochenen Macho-Dialogzeilen ist das Drehbuch große Klasse, und die Eastwood-Figur ist sicherlich alles andere als ein strahlender Held: Sein Tom Highway ist trotz militärischer Großtaten niemals befördert worden, weil er Schwierigkeiten mit Autoritätsfiguren hat, und im Zivilleben ist er ein ziemlicher Versager. So gibt es einen ausgedehnten Subplot mit seiner Ex-Frau, die verständlicherweise keine Lust hat, bei jedem Einsatz auf die Heimkehr ihres Mannes in einem Zinksarg zu warten. Der auf ruppige Weise humoristische Grundton des Filmes ändert sich irritierenderweise auch nicht, als der große Kampfeinsatz ansteht. Im Jahre 1983 beschloß die Reagan-Administration nämlich, die Insel Grenada anzugreifen, die seit einem fast gewaltfreien Putsch einige Jahre zuvor unter marxistischer Herrschaft gewesen war und der US-Regierung seit Bestehen ein Dorn im Auge. Die rechtswidrige Invasion wurde unter dem Vorwand geführt, es müßten US-Bürger befreit werden, obwohl jenen in realiter freier Abzug gewährt worden war. Die Invasion kostete etwa 100 bis 150 Menschenleben, gilt aber als Erfolg, da die Kommies in den Arsch getreten wurden. Im Film erscheint Grenada als eine heitere Bewährungsprobe für die Rekruten, die hier so richtig zeigen können, was in ihnen steckt. Zwischen den Kampfhändeln werden fröhlich Witze gerissen. Aus irgendeinem Grunde finde ich Filme wie den vergnüglich pathetischen DIE ROTE FLUT oder Schenkelklopfer à la RAMBO 2 oder MISSING IN ACTION wesentlich weniger bedenklich als diesen groben Unfug, da ich jene als Trash-Entertainment goutieren kann. Bei HEARTBREAK RIDGE ist mir das nicht mehr möglich, denn er transportiert auf dem Wege leichter Unterhaltung eine Botschaft, die mir als hochgradig unappetitlich erscheint. Robert Aldrich hätte die Vorgänge zumindest zynisch konnotiert, aber was hier abgeht, ist wirklich nur noch Gung-Ho-Patriotismus der dümmsten Sorte, der vernachlässigt, daß Krieg eben keine Feierabendunterhaltung für große Jungs ist, sondern ein blutiges Geschäft, das aus einigermaßen normalen Menschen Monster macht. Vermutlich der einzige Eastwood-Film, den ich so richtig daneben finde. Vielleicht rührt da auch meine Unfähigkeit her, ihn als Trashkanone zu belächeln.
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#457
Geschrieben 20. April 2007, 09:57
Dolph Lundgren spielt den Ex-Söldner und Sportlehrer (!) Sam Decker, der an einer Schule tätig ist, die von ihrer Sozialstruktur her stark an eine Vorstufe zur beliebten KLASSE VON 1984 erinnert. Da es ihm sauer aufstößt, den ganzen Tag mit Unfug treibenden Pubertierenden zu verplempern, deren Zukunftsaussichten in der freien Marktwirtschaft stramm gegen Null gehen, will er die Schule wechseln. Als letzten Liebesdienst an den Schulleiter übernimmt er die Aufsicht bei einer Nachsitzen-Sonderstunde. Damit sich die Videokunden nicht zu Tode langweilen, werden an dieser Stelle einige Kirmes-Terroristen aus dem Ostblock eingeführt, deren Ziele unklar sind, aber sie bringen eben jeden um, der die Grille hat, sich ihnen in den Weg zu stellen. Und Decker und seine Kiddies sind da eindeutig am falschen Platz...
Na ja, ich habe schon bedeutend Schlimmeres an der HD-Video-Actionfront gesehen, aber ernstnehmen kann man den Film selbstverständlich keine Sekunde – das sollte die Inhaltsangabe bereits klargestellt haben! Die „Terroristen“ bestehen aus einer blondierten Brutalo-Tucke namens Mr. Lamb und seiner punkhaarfrisurigen Freundin Gloria, die schniek anzusehen ist und den Finger stets am Abzug hat. Unterstützt werden sie von zwei russischen Mafiadeppen, die gedreßt sind wie Möchtegern-Rocker, die gerne als Einprozenter (=schwere Knastjungs) durchgehen möchten, tatsächlich aber zu blöd sind, um gegen die Wand zu pissen, wenn sie davorstehen. Chester Lamb gehört zu jenen Low-Price-Hampelmännern, die fortwährend auf Psycho machen, Opernmusik hören, rumsingen, andere Filme zitieren („Teacher, teacher...“) und den Genuß an ihrem Gewerbe durch fortwährendes Grimassieren unterstreichen. In einem normalen Film würde einem das sehr bald auf die Nerven gehen, aber im Falle von DETENTION ist das schon okay. Für den Schauspieler war das wohl ganz lustig, denn er darf überchargieren bis zum Exodus, was er denn auch macht. Mit Dolphie haben sie sich natürlich den falschen Gegner ausgesucht und bereuen den Tag, an dem sie an seinem Ohrfeigenbaum gerüttelt haben. (Diese schöne Formulierung stammt übrigens aus Oliver Maria Schmitts sehr lustigem und kaufenswertem Buch „Anarchoshnitzel schrieen sie“, das ich gerade gelesen habe. Geht um Punk, die DDR, Musikmachen und so fort.) Das Drehbuch ist hübsch unlogisch und will uns weismachen, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten wolle genau diese Schule besuchen, weswegen auch Vorbereitungen im Gange sind. Ja, genau. Die Kiddies sind wie üblich unangenehm altkluge Gesellen, die alle eine schwere Kindheit hatten und dies durch fortwährende Dummschwätzerei und generelles Gewichtel kompensieren. Ich verrate schon mal, daß sie leider nicht alle sterben. Es gibt auch einen sozial ausgegrenzten Rollstuhlfahrer, der sich in der vielleicht absurdesten Szene eine Verfolgungsjagd mit einem Motorrad liefert, die in einem Schulkorridor stattfindet. Der Actionpegel ist aber angemessen hoch, so daß übermäßige Langeweile nicht aufkommt. Ist halt alles sehr low-key und einem Regisseur wie Veteran Sidney J. Furie nicht angemessen. Sein anderer Lundgren, der Cop-Actioner DIRECT ACTION, ist einen Tacken besser. Insgesamt ist DETENTION für Fans kuckbar, aber mehr auch nicht.
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#458
Geschrieben 22. April 2007, 11:48
Ist Steven Seagal noch zu retten? Können wohlmeinende Hinweise bezüglich der Drehbuchgestaltung und der Actionästhetik seinen schwer angeknacksten Ruf reparieren? Sind die Regenwälder dem Untergang geweiht? Meiner Meinung nach ist es niemals zu spät, das Richtige zu tun, und die Menschen müssen eben umdenken lernen. ATTACK FORCE ist nicht die Lösung.
Man könnte den Film wunderbar dazu verwenden, Kurse für werdende Drehbuchschreiber entschieden zu verknappen: Wer in der Lage ist, aus diesem Gemengsel so etwas wie einen Erzählfaden herauszuklabüstern und ihn überzeugend darzulegen, bekommt gleich sein Diplom in die Hand gedrückt und darf mit der Arbeit beginnen. Ich wäre bei diesem Kurs durchgefallen, leider, und habe mich gefragt, ob mein Gehirn durch die Anfechtungen der Jahre schon so verkäst und ausgelaugt ist, daß meine Konzentrationsfähigkeit nicht einmal mehr für Actiongülle ausreicht. Tatsächlich aber meine ich sagen zu dürfen, daß dieses Wirrwarr von niemandem mehr entschlüsselt werden kann. Nach etwa einer halben Stunde habe ich mich zurückgelehnt und ließ Formen & Farben ihr Regiment führen. Lauter Leute krauchen durch Gänge, schauen wichtig drein und sagen wilde Sachen: „Ich gehe jetzt rein!“ – „Team A hier lang, Team B dort lang!“ – „Wir haben ein Problem!“ etc. Der dicke Mann und sein Stuntdouble immer mittendrin. Am Schluß bekommt Seagal sogar die Gelegenheit, etwas Nahkampfkönnen vorzuführen, aber selbst diese gute Idee wird von der Regie zunichte gemacht – durch gnadenlosen Einsatz von Zeitlupen werden die unattraktiven Kampfhändel zerdehnt, und Seagal schaut aus wie der leibhaftige Golem. Regisseur Michael AUTOBAHNRASER Keusch hatte mit SHADOW MAN noch einen relativ brauchbaren Seagal abgeliefert. Hier ist endgültig Feierabend. Das ist Sondermüll. Ich vermute, daß ihm das Erlebnis ebenfalls nicht behagt haben wird, denn ATTACK FORCE wurde wohl anders konzipiert: Tatsächlich sollte Seagal mit seiner Spezialeinheit SMDGST (Spezialeinheit mit der ganz speziellen Taktik) gegen Aliens antreten, was im Nachhinein aber wohl wieder verworfen wurde – die Aliens wurden zu Drogensüchtigen erklärt, die von einem Teufelszeug abhängig sind, mit dem die böse Regierung perfekte Soldaten heranzüchten wollte. Das erklärt natürlich nicht, warum die Augen der „Drogensüchtigen“ ständig raubtierhaft zurechtgemorpht werden. Ist aber eigentlich Jacke wie Hose, ob das nun Aliens oder Junkies sein sollen – der Film lutscht. Und dabei wäre doch alles so einfach...
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#459
Geschrieben 22. April 2007, 15:22
Kevin Bacon spielt Walter, der einige Jahre im Gefängnis war. Als er wieder rauskommt, versucht er sein Glück in einer Werkstatt, die sich auf die Resozialisierung von straffällig Gewordenen spezialisiert hat. Er lernt dort Vicki kennen, die mit dem stillen Kollegen etwas anfangen kann. Doch dunkle Geheimnisse kommen zuweilen ans Tageslicht, und Walters Geheimnis ist wirklich von der üblen Sorte: Er hat junge Mädchen mißbraucht.
Uff. Exzellenter Film zu einem heiklen Thema, der nachhaltig beeindruckt. Regisseurin Nicole Kassell (deren Langfilmdebüt dies war) entwickelt den Film sehr ruhig und unspektakulär, vermeidet eine moralische Bewertung des Protagonisten ebenso wie die naheliegenden melodramatischen Akzente à la „Begegnung mit dem Opfer“ etc., die in einer größeren Hollywood-Produktion vermutlich angestanden hätten. Walter moralisch zu bewerten wäre ohnehin verlorene Liebesmüh, denn er hat seine Verbrechen begangen, hat großes Unheil angerichtet, da gibt es nichts dran zu deuteln. Eine frömmelnde oder gar erlösende Bezugnahme wäre da ganz und gar unerträglich. Interessant für die Story ist hier nur, wie Walter sein weiteres Leben fristen wird. Die einfachste Taktik für ihn wäre es, eine Lüge aufzubauen, doch das erscheint unmöglich, da er Tag und Nacht mit seiner Vergangeneit konfrontiert wird, ob durch seinen Bewährungshelfer (der ihn für den letzten Dreck hält), seinen Therapeuten oder seine eigene Angst. Es ist für ihn nicht einmal so sehr von Belang, ob das Umfeld Wind kriegt von seinem Verbrechen. Er muß da ohnehin jeden Tag mit leben. Seine Angst hat eher damit zu tun, daß er zwar begreift, monströs gehandelt zu haben, sich aber nicht als Monster fühlt. Er will normal sein, so sein wie die Leute um ihn herum. Das ist aber durch seine Vergangenheit unmöglich geworden. Und er will nicht rückfällig werden...
THE WOODSMAN beleuchtet verschiedene Facetten der Problematik (Rückfallgefahr, „Normalisierung“ einer sexuellen Abnormität, Heuchelei des Umfeldes) und tut dies auf eine sehr nüchterne Weise, die bei diesem emotional aufgeladenen Thema nicht selbstverständlich ist. Er verkneift sich den einfachen Weg, nämlich Tränendrüsenkapital aus dem Leid von vielen realen Menschen zu schlagen und schließlich mit einer allgemeingültigen Lösung zu kommen. Bei einem abscheulichen Verbrechen wie Kindesmißbrauch sind die „normalen“ Reaktionen „Rübe ab, Rübe ab!“ bzw. „Kastriert das Schwein!“ – Reaktionen, aus denen blinder Haß und die eigene Bereitschaft spricht, andere Menschen für das eigene Seelenheil über die Klinge springen zu lassen. Der Film argumentiert, daß – sieht man von der Konsequenz der Lynchjustiz ab – es eigentlich nur die Möglichkeit gibt, Menschen wie Walter eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Kapselt man sie komplett ab (z.B. durch öffentliche Kinderschänder-Dateien), macht man diese Wiedereingliederung praktisch unmöglich und steigert so das Rückfallrisiko, wird somit – konsequent weitergedacht – mitschuldig an neuem Leid. THE WOODSMAN zeigt diese Problematik auf, zaubert keine Lösung aus dem Zylinder, gibt nur zu bedenken, daß es sich vielleicht auszahlt, auch die eigene Perspektive (des „Normalen“) zu hinterfragen. Der Onkel, der seinen kleinen Spatz auf dem Schoß schaukelt, schaut sich vielleicht auch ganz gerne Pornoseiten an, auf denen frühreife Lolitas gut rangenommen werden... Ist halt alles nicht so einfach. Es gibt verschiedene tolle Szenen in dem Film. So hat Walter einen alten Kumpel, Carlos, Familienvater, der ihn rührend unterstützt und ihm als einziger die Stange hält und ihm seinen Weg zurück in die Normalität erleichtern will. Als beide zusammen in der Kneipe sitzen, fragt ihn Walter, ob er bei seiner Tochter eigentlich auch schon einmal, nun, ambivalente Gefühle erlebt habe. Carlos´ Reaktion ist, um es milde auszudrücken, heftig und stellt klar, daß alles freundliche Buddy-Getue eigentlich Kohl ist – auch er hält Walter für den letzten Dreck und traut ihm eine Normalisierung nicht zu. Man möchte nur halt immer ein netter Mensch sein. Würde mir vermutlich nicht anders ergehen. Kurzum, ein gedankenanregender und aufwühlender Film, der in den USA ein „R-Rating“ bekommen hat, tatsächlich an den Schulen vorgeführt werden sollte. Und was Kevin Bacon in der Hauptrolle abliefert, ist ziemlich unglaublich. FREITAG DER 13. ist da wirklich ganz weit weg...
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#460
Geschrieben 27. April 2007, 11:14
Ein sehr informativer Dokumentarfilm, der die Folgen der Marktstrategien im Zuge der Globalisierung aufzeigen will. Dies bewerkstelligt er auf vergleichsweise subtile Art, indem er sich einzelne „Problemzonen“ herausgreift und durch die Gegenüberstellung der Kapitel eine Verzahnung andeutet, die zu Lasten derjenigen geht, die ohnehin nichts haben. Man erfährt einiges über Fischer in der Bretagne und wie es sein kann, daß es in wenigen Jahren keine nichtindustriellen Fischer mehr geben wird. Man erfährt von genmanipulierten Auberginen, die sehr viel hübscher aussehen als nichtgenmanipulierte, aber nicht so gut schmecken. Auch gibt es eine Antwort auf die Frage, warum Tomaten aus dem Supermarkt nicht mehr viel mit handgezüchteten zu tun haben. In 20 Jahren oder so wird niemand mehr wissen, wie „richtige“ Tomaten schmecken. Wußtet Ihr schon, daß etwa 75 Prozent des Mehls, mit dem Schweizer Bäcker ihr Brot backen, aus Indien stammt? Und wie kann es sein, daß es für die Firmen rentabler ist, das Mehl über solch eine weite Strecke zu transportieren? Kann es sein, daß die Leute „da drüben“ Pfennigbeträge bekommen? Das Brasilien-Kapitel hat es mir besonders angetan: In den letzten 20 Jahren oder so sind in Nordbrasilien Regenwaldanteile abgeholzt worden, deren Fläche die Größe von Frankreich plus Portugal hat. Dort wird Soja angebaut, das dann nach Übersee verschifft wird. Die Bauern in den Gebieten von Mato Grosso, die bislang vom Regenwald gelebt hatten, verrecken oder leben unter Bedingungen, die man sonst nur aus Somalia etc. kennt. Die Kamera fängt das alles im Stil einer wissenschaftlichen TV-Reportage ein, vermeidet Infotainment-Polemik à la Michael Moore weitestgehend, besitzt auch nicht die tränentreibende Wirkung der Extreme, wie sie etwa in DARWINS ALPTRAUM geschildert werden. Seine Wirkung bezieht der Film aus der Gegenüberstellung der verschiedenen Geschichten rund um die Welt, die meistens von Einzelpersonen erzählt werden, die für die Konzerne arbeiten und dabei ein schlechtes Gefühl haben. So isses dann halt, lautet ihre resignierte Bewertung. Konsumenten, die ohnehin bereits beim Einkaufen auf bestimmte Dinge achten, wird der Film nichts wesentlich Neues erzählen, aber bei mir hat er in der Tat bereits zu einigem fairtradigen Umdenken geführt, und wer mal auf explodierende Autos verzichten und sich so richtig durchinformieren lassen mag, der liegt bei WE FEED THE WORLD gar nicht verkehrt. Ich fand ihn auf jeden Fall sehr erhellend. Und daß so etwas jetzt direkt neben dem neuen Stallone in der Videothek steht, halte ich für eine gute Entwicklung.
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#461
Geschrieben 27. April 2007, 11:31
Ein zwar gut gemeinter, aber leider nicht sonderlich gut gemachter kanadischer Geisterfilm, der von einer erfolgreichen Kinderbuchautorin handelt, die sich ein Haus angemietet hat, das sie im Internet entdeckt hat. Das Anwesen kam ihr ausgesprochen bekannt vor, als hätte sie dort bereits einmal gewohnt. Und schon bald hagelt es merkwürdige Erscheinungen, die alle um ein kleines Mädchen und einen äußerst grimmigen jungen Mann kreisen. Es scheint so, als wäre das Haus einmal Schauplatz eines fürchterlichen Verbrechens gewesen. Doch wie paßt unsere Heldin da hinein?
Gabrielle Anwar und der wie immer hochsympathische Forest Whitaker (als Parapsychologe!) sind in den Hauptrollen sicherlich mehr als passabel, die Kameraarbeit ist ausgesprochen gut, und doch will der Film nicht so recht funktionieren. Vielleicht liegt es daran, daß er weder Fisch noch Fleisch ist. Der Erfolg von Geisterfilmen hat in der Regel damit zu tun, ob der Regisseur in der Lage ist, sich von den Konventionen zu lösen, den Zuschauer zu überraschen und ins Bockshorn zu jagen. Eröffnet wird der Reigen mit einer lauten Alptraumsequenz, und auch wenn der Film sich durchaus Mühe gibt, die klassischen Horrormotive mit Respekt zu behandeln, so werden die ruhigen Passagen doch stets von aufdringlichem „Gruselgetue“ zunichte gemacht, das man in dieser Form schon in vielen deutlich besser geskripteten Filmen gesehen hat. Das kleine Kind mit der Puppe ist nicht wirklich neu, und auch die Story, die der Drehbuchautor um seine Erscheinungen herumgestrickt hat, besteht größtenteils aus wenig sensibel zusammengefügten Klischees. Die Anstrengungen, das Publikum das Fürchten zu lehren, sind deutlich spürbar, allein an der Wirkung gebricht es. Ich fand den Film in keinem Moment gruselig, und das Getöse in den Horrorszenen ging mir irgendwann nur noch auf den Senkel. Die Auflösung der Story (inwieweit die Protagonistin mit den Vorgängen zu tun hat) ist ganz akzeptabel geraten, aber dann kommt auch gleich wieder Gepoltere mit einem Tor zur Hölle, einem weißgeschminkten Butzemann und Spezialeffektegewitter. Nö, das war nicht viel. Habe ich mir mehr von versprochen.
Der spanische FRAGILE, den ich vor ein paar Wochen gesehen habe, war da wesentlich lohnender. Zwar hatte auch der seine ein, zwei Momente, wo dem Regisseur die Gäule durchgegangen sind, aber immerhin erzählte er eine ganz originelle Geschichte, war vergleichsweise gemächlich und ernsthaft erzählt und streckenweise richtig unheimlich. Geisterfilme sind halt doch nicht so einfach.
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#462
Geschrieben 27. April 2007, 19:20
Alle Jubeljahre kommt ein Film daher, der einem das Blut in den Adern gerinnen lassen läßt. Wenn man meint, alles gesehen zu haben, nichts könne einen mehr erschüttern, wird man eines Besseren belehrt und zu einem bibbernden Bündel Gemüses reduziert.
THE NUN ist nicht solch ein Film.
Tatsächlich kann ich mich aber den schlechten Kritiken nicht anschließen, denn ich habe recht herzlich gelacht. Während mir die letzten Filme von Brian Yuzna (wie nachzulesen) mißfallen haben, da sie grundsätzlich gute Stories auf den Level von sorglosem Popcorn-Kino herabzogen, kann man diesem von Yuzna lediglich produzierten spanischen Grusler attestieren, daß er aus völligem Mumpitz einen netten Partyfilm macht. Wer mehr erwartet, wird mit Stockhieben bestraft!
Wie so häufig in spanischen Filmen geht es um die Spätfolgen religiösen Fanatismusses, hier repräsentiert von der bösen Schwester Ursula, die über eine Klosterschule in der Nähe von Barcelona wacht. Das Drehbuch will es, daß reiche Eltern aus aller Welt ihre mißratenen Sprößlinge in die Obhut der mehr als nur latent geisteskranken Ursel geben, damit sie ihnen das Feuer des Glaubens in die mißratenen Leiber einprügelt. Dabei geschieht eines Tages ein Unglück, und die Schule wird geschlossen. Zwanzig Jahre später sterben die ehemaligen Schülerinnen seltsame Tode, und die Tochter einer von ihnen will Klarheit. Sie hofft, diese am Ort der ehemaligen Zuchtmaßnahmen zu finden...
Also, die Geisternonne ist wirklich spitze! Ich weiß ja nicht, ob der Film in Brüssel auf dem Festival des Phantastischen Films gezeigt wurde, aber wenn ja, dann kann ich mir vorstellen, daß er den Leuten dort gut gefallen hat, denn eine solche Ballung von Klischees und lustigen Computereffekten habe ich schon seit längerem nicht mehr gesehen. Und die Nonne kann alles – sie kann schweben, sie kann tauchen, und in einer Szene kommt sie sogar aus dem Klo! Meine Lieblingsszene ist allerdings jene, wo sie der Protagonistin auf der Tragfläche eines Flugzeuges erscheint. THE NUN ist auch hübsch kurz, stört also nicht, auch wenn man seinem rätselhaften Charme nicht ganz zu folgen vermag. Das Finale ist dann mal so richtig absurd. Keine Ahnung, ob der Film ernstgemeint ist oder nicht, aber das ist mir auch ganz egal. Das ist richtiger Unfug, aber ich fand ihn halt lustig.
Pinguinalarm!
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#463
Geschrieben 28. April 2007, 12:47
Es ist mir eigentlich ein bißchen peinlich, aber mir hat der Film großen Spaß gemacht...
300 erzählt von König Leonidas und seinen spartanischen Mustersoldaten, die sich mit Mut und Kriegslist gegen die heranpreschenden persischen Horden unter Leitung des Herrn Xerxes behaupten wollen. Todesverachtung und berstende Männlichkeit spielen die Hauptrollen in einem Historiendrama, das in keiner Sekunde weniger will als allen anderen Historiendramen den Schneid abzukaufen, wie man das beim Fußball nennt. Regisseur Sack Schneider verwendet hierfür eine hyperbolische Stilisierung, die jede noch so unbedeutende Handbewegung in das Ei des Kolumbus verwandelt. Man kann nicht einmal auf Klo gehen, ohne daß Geschichte gemacht wird. Das ist toll, das ist famos, das reißt mit!
300 ist ganz großes Männerkino und zeigt, wie Männer unter Männern Männliches tun. Frauen sind entweder emaskuliert oder zeigen Titten und Fut zwecks Erschaffung neuer, noch männlicherer Männer. Das ist immerhin konsequent - soll das Werk den Meister loben, denn der Segen kommt von unten. Sehr untypisch für Hollywood ist die gänzlich ironiefreie Abhandlung des Spektakels, die mir in dieser Extremform eigentlich seit John Milius´ CONAN DER BARBAR nicht wieder begegnet ist. Das hat zur Folge, daß man den Vorgängen entweder mit großer Begeisterung folgen kann (wie dies viele Zuschauer taten) oder aber einen prima Partyfilm an der Angel hat. 300 macht - wie die Spartaner - keine Gefangenen und taucht den Zuschauer über einen Zeitraum von zwei Stunden in eine die Realität ausklammernde Glocke aus Blutdunst und Heldentum, die mich ziemlich beeindruckt hat. Ich gehöre ja zu jenen Menschen, die bei Uniformierten immer etwas schmunzeln müssen, und wenn Soldaten zum hervorgedroschenen „Geweeehr - präsentiert!“ gehorchen wie gutgeölte Maschinen, dann mag das beängstigend oder entmenschlichend dünken, wen es will - das muß ja niemand mitmachen! Die soldatischen Tugenden werden in 300 abgefeiert, als gäbe es kein Morgen, und sobald der Film auf DVD herauskommt, wird er ohne Frage Stargast bei zahlreichen Bereitschaftswochenenden sein. Der Vorwurf der faschistischen Gesinnung oder einer aktuellen außenpolitischen Bezugnahme erledigt sich bei 300 und seinem technisch zweifellos begabten Regisseur für mich von selbst, da er bestenfalls opportunistisch ist und sein Fähnchen nach dem Winde hängt. Er entspricht so recht dem Zeitgeist und präsentiert dem Ego-Shooter- und Nachrichten-Kriegs-gestählten Jungmann von heute ein Tschingderassabumm, das jegliches Nachdenken komplett ausklammert. Ich habe damit keine Probleme, da ich Film häufig selber als eskapistische Fantasie konsumiere. Freilich würde ich mich davor hüten, eine Fantasie wie 300 allzu ernst zu nehmen, denn echte Kriege tun weh. Sie machen keine Männer aus Knaben, sondern Leichen aus allem, was sich bewegt und atmet. „Respect and honour!“ lautet die simple Botschaft, die das Aufbegehren der Spartaner für den Zuschauer bereithält. Na ja, das ist dann halt jene Form von Respekt, die auch hiphoppende Halbwüchsige für sich einfordern, wenn sie gelernt haben, welche Markenklamotten man trägt, um den maximalen „Respekt, Mann!“ zu erzielen. Wer klug ist und zumindest anteilshalber Individualist, denkt sich sein Teil und schmunzelt in sich hinein.
Ich kann nicht einmal sagen, ob ich 300 für Multimillionendollar-Trashkino halte oder nicht, denn vieles an dem Film ist unleugbar mitreißend. Während mich computergeschönte Bilder und das mittlerweile leider unvermeidliche Tempo-Gepitche in Actionszenen normalerweise eher nerven, setzt Schneider das so effektiv ein, daß die Ästhetisierung von Gewalt und Kriegshändeln ohne Frage Maßstäbe setzt. Ich fand den Film hochunterhaltsam und habe mich keine Sekunde gelangweilt. Leider konnte ich ihn auch keine Sekunde ernstnehmen, denn als Neuinterpretation der griechischen Heldenepen ist er völliger Tinnef - da hätte auch die Mickymaus mitspielen können! Den schlichten Glanz alter Sagen gegen Blut und Zuckerguß einzutauschen, einen Mahlstrom der Reizüberflutung, das ist die Wahl, die die Macher von 300 für sich getroffen haben. Es war ihr Schaden nicht, und ich schaffe es einfach nicht, den Film schlechtzumachen, aber von seinen postulierten ernsthaften Absichten ist er halt so weit entfernt wie der Eiffelturm vom Mond.
Meine Lieblingsszene, als Leonidas & Co. die arkadische Unterstützung treffen:
Leonidas: "Arkadier, was bist du?" - "Ich bin Tischler!" - "Und du?" - "Schmied!" - (dreht sich um) "Und ihr, Spartaner, was seid ihr?" - (Alle reißen das Schwert hoch) "Uhh! Uhh! Uhh!"
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#464
Geschrieben 30. April 2007, 09:11
Finnische Partywürstchen von Renny Harlin. In einer kleinen Stadt in Neuengland befindet sich nicht nur ein Vorzeigeinternat für höhere Söhne und Töchter, sondern ein kleiner Orden von Hexerabkömmlingen. Ihr Sonderstatus in der Stadt begründet sich auf ihren übermenschlichen Kräften. So sind sie praktisch unkaputtbar, und mit 18 Jahren werden sie quasi befördert und bekommen den richtigen Hexerkräfte-Megaflash. Einziger Nachteil: Das Anwenden ihrer Kräfte macht sie süchtig und kostet sie Lebenskraft. Wer da nicht ganz stark ist, wird steinalt, kommt auf die Geriatrie und schreibt Drehbücher wie dieses hier...
Tja, ist Autor J.S. THE SLAYER Cardone zu Renny Harlin aufgestiegen, oder ist vielmehr jener zu ihm hinabgestiegen? Fakt ist, daß THE COVENANT ein vergleichsweise preisgünstiges Projekt für Harlin gewesen sein muß, dessen starkes Gewand eindeutig Actionsachen à la CLIFFHANGER und DIE HARD 2 darstellen, die er ganz ordentlich hinbekommt. Warum nur muß er ausgerechnet einen Film über Hexerei und die dunklen Seiten der amerikanischen Pioniergeschichte machen, und dies auch noch im Rahmen eines Teenie-Horrorthrillers? Man ahnt schon, daß das Häschen in der Grube landet, wenn man die Protagonisten bei einer Strand-Rave-Party kennenlernt. Dort treiben sie allerlei Unfug, liefern sich ein Hasenfußrennen mit einem Polizeiwagen und verhalten sich exakt so, wie sich Teenies in solchen Filmen eben zu benehmen pflegen. Wie immer hat Harlin jedes Bild aufgebürstet und strebt den maximalen Effekt an, doch trotz des allgegenwärtigen Lärms (auf dem Soundtrack verkörpert von Nu-Metal-Gedresche) kommt die Geschichte nicht wirklich voran. Es wird irgendwann klar, daß die Jungdeppen bedroht werden von einem anderen Jungdepp, der nach der ultimativen Hexerwucht strebt. Das resultiert dann nach 80 Minuten im Showdown, der einigermaßen gelungen ist und der einzige Grund, warum man sich diesen hirnweichen Schmonzes anschauen kann. Es dauert nur einfach zu lange, bis der Film in die Puschen kommt. Harlin ist ja technisch ein wirklich fähiger Mann, aber Horrorstoffe schreien förmlich danach, daß man so etwas wie Atmosphäre erzeugt, und das erfordert erzählerische Finesse und Figuren, mit denen man sich identifizieren mag. Beides geht THE COVENANT ab, weshalb unterm Strich von der milde originellen Prämisse nur ein gewaltiges Getöse zurückbleibt. Es steht zu hoffen, daß jemand mal wieder einen richtig guten Film über Hexerei dreht, und daß Harlin wieder das macht, wofür er prädestiniert ist – rasante Action ohne allzuviel Tiefgang.
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#465
Geschrieben 30. April 2007, 12:02
VAMPIRE: DAS TURNEN wäre ein angemessener deutscher Titel für diesen Klabuster gewesen, denn Werbefilmregisseur Marty Weiss bedient sich großzügig bei PAKT DER WÖLFE und versieht seine Blutsauger-Story mit einer Familienpackung Martial-Arts-Gewirbele. Ein fader junger Amerikaner namens Connor reist mit seiner faden Freundin Amanda nach Thailand und kabbelt sich mit ihr. Da Amanda nicht nur unscheinbar, sondern auch dull hoch zehn ist, läßt sie sich von einem fremden Asiaten aufreißen, der sich als böser Vampir erweist. Es gibt in diesem Film nämlich gute und böse Vampire, und außen vor agieren auch noch einige söldnereske Vampirjäger unter Leitung von Patrick Bauchau, dem einzigen Schauspieler von Rang & Namen, den dieser Unfug aufzuweisen hat. Ansonsten: Überraschung, Nu-Metal-Gebumpere minderer Machart, Dialogzeilen des Grauens („Wir sind Momentaufnahmen eines besonderen Moments...“) und kindisches Actiongetue, das jeder möglichen Atmo den Garaus macht. Immerhin ist der Film schön kurz. Ich ziehe die Null.
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#466
Geschrieben 02. Mai 2007, 11:19
In der IMDb gibt es einige Leserreviews, in denen hervorgehoben wird, wie realistisch THE WILD GEESE in seiner Darstellung des Söldneralltages doch sei. Nun, es wird auch welche geben, die die TV-Serie „Hogan's Heroes“ für eine realistische Darstellung des 2. Weltkrieges halten. THE WILD GEESE ist ein spätkolonialistischer Abenteuerfilm, der – da 1978 entstanden – einige „moralische“ Schlenker enthält, die aber den vorherrschenden Eindruck von alten Männern, die im Drillich durch Transvaal stiefeln und Übungsmunition auf schwarze Statisten versemmeln, nicht wesentlich trüben kann.
Worum geht's? Colonel Faulkner (Richard Burton) ist Söldner und somit quasi von Berufs wegen Materialist. Als er von einem reichen Bankier den Auftrag bekommt, in ein schwarzafrikanisches Land zu reisen und das entmachtete Staatsoberhaupt Limbani aus Schwulitäten zu befreien, interessiert ihn in erster Linie die Kohle. Da er jungen Männern offensichtlich nicht vertraut, baut er auf die Erfahrung des Alters und sucht sich eine Söldnertruppe zusammen, bei der die Ältesten vermutlich noch unter General Gordon bei Khartoum mitgekämpft haben. Diese geriatrische Spezialeinheit wird dann wieder in Form gebracht, was allen gut gefällt, denn das Zivilleben trägt für sie keinen Charme, und man darf ja auch niemanden umlegen. Doch die Durchführung des Auftrages erweist sich als ungewöhnlich schwierig, da die Auftraggeber mit gezinkten Karten spielen, und viele der Senioren bleiben auf der Strecke...
Tja, sollte irgendwann einmal ein Buch über alte Männer in schlechten Filmen gedreht werden, führt an DIE WILDGÄNSE KOMMEN kein Weg vorbei! Bei meiner Neusichtung war ich zunächst einmal erstaunt, warum der Film seinerzeit so massiv erfolgreich war. Abgesehen davon, daß das Drehbuch von ausgesprochener Schlichtheit ist und den Bäddie-Fan mit unzähligen Klunkerzeilen verwöhnt, wirkt er auf verwirrende Weise schäbig und unattraktiv. Der Vorspann stammt von Bond-Mann Maurice Binder und weckt gleich Erwartungen an die handwerklich ja meistens mehr als ordentlichen 007-Filme, aber dann kommt erst einmal ein schwerfälliges Zusammensuchen der Seniorenriege, das auch fast die erste Stunde der Handlung einnimmt. Schon hier fällt auf, daß Regisseur McLaglen (der einige Male mit dem „Duke“ gedreht hat, später aber auch den unsäglichen SAHARA verbrochen hat) auf Schauspielerführung keinen großen Wert gelegt zu haben scheint: Die Akteure schmieren sich quer durch Quebec. Richard Burton soll einmal gesagt haben, daß er vor Auftritten 50 Prozent von dem, was er sich eigentlich vorgenommen hat, weglasse – dann stimme es einigermaßen. Hier scheint er 90 Prozent weggelassen zu haben und wirkt wie ein schwerer Alkoholiker mit Zahnschmerzen. Richard Harris (der den Idealisten der Truppe spielt) sieht aus wie die Oma, die mit ihrem Hinterteil Weinkorken verschießen kann. Roger Moore hat einen ganz undankbaren Job, der im wesentlichen darin besteht, die Vorgänge – wie moralisch bedenklich sie auch immer sein mögen – mit lustigen Bond-Sprüchen zu kommentieren. Hardy Krüger fungiert als so etwas wie das moralische Sicherheitsventil des Filmes: Während überall Krausköpfe entseelt durch die Gegend fliegen, lernt sein erzrassistischer und alle Schwarzen als „Kaffern“ bezeichnender Südafrikaner die Belange der schwarzen Bevölkerung des Kontinents respektieren. Diese relativierende Konzeption ändert trotzdem nichts daran, daß hier einige weiße Massas mit ihren Seniorenstiften wedeln und den Bimbos zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Wer ist noch dabei? Stewart Granger versprüht bei seinen wenigen Szenen als der fiese Bankier die volle Pracht der dritten Zähne und erinnert etwas an Ray Milland in FROGS. Sehr nett kommt Jack Watson davon, der majestätischste Unterbiß Großbritanniens, der einen alten Kommißkopp spielt und statt Rosen lieber wieder Soldaten auf Vordermann bringen will. Seine Szenen während des Trainings sind unbezahlbar. Und ja, THE WILD GEESE macht natürlich Spaß, allerdings auf eine ähnliche Weise wie John Waynes Dumm-Dumm-Geschoß DIE GRÜNEN TEUFEL. Wäre THE WILD GEESE besser gemacht, wäre das dem Film nicht gut bekommen. Im vorliegenden Format aber garantiert er vergnügliche Unterhaltung mit alten, alten Kameraden, die gemeinsam der entschwundenen Männlichkeit und dem Glanz des britischen Empire hinterherjagen, untermalt von der marschlastigen Musik Roy Budds. Drehbuchautor Reginald Rose verwöhnte das Publikum später mit ähnlich gelagerten Produktionen wie DIE SEEWÖLFE KOMMEN, DAS KOMMANDO und natürlich DIE WILDGÄNSE KOMMEN 2, in dem die Altherrenriege Rudolf Heß aus Bautzen befreien muß...
Richard Harris: „Ich versuche, mit Anstand alt zu werden. Du glaubst natürlich, daß ich Stuß rede.“
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#467
Geschrieben 07. Mai 2007, 00:32
Verwirrender Film, dessen Macher als nächstes Projekt das Hollywood-Remake von THE EYE besorgen.
Nach einer konventionellen Slasher-Szene (Mutter und Tochter bleiben mit dem Auto liegen und werden von unbekannter Hand plattgemacht) bekommt der Zuschauer das junge Akademikerpärchen Clémentine und Lucas vorgesetzt, die in Rumänien arbeiten und ein abgelegenes und sehr geräumiges Landhaus bewohnen. (Verdient man da als Akademiker so viel? Cool – Ceaucescu, je viens!) Kaum hat man einen kurzen Einblick in ihr Leben gewonnen, liegen die beiden schon im Bett und ratzen. Kurz vor vier Uhr nachts dringen von draußen Geräusche in das Haus. Unbekannte sind in das Anwesen, scheint's, eingedrungen und machen Terz. Die beiden Gastarbeiter erkunden das Terrain und stellen fest, daß mit den Invasoren nicht gut Kirschen essen ist. Was ist geboten – Angriff oder Flucht?
Und damit hat es sich auch schon, was die Handlung angeht. Ob man dem gerade einmal knapp 75 Minuten laufenden THEM etwas abgewinnen kann, hat sehr viel mit der Bereitschaft zu tun, sich auf die minutiös geschilderten Geschehnisse einzulassen. Wenn dies gelingt, hat man es immerhin mit einem semiprofessionellen, aber recht geschickt gemachten Nervbolzen zu tun, der seinen Reiz aus der Vagheit der Ereignisse bezieht. Fast über die gesamte Laufzeit hinweg bekommt man die Angreifer nicht wirklich zu sehen, was das Ausmaß der Gefahr, die den beiden Protagonisten droht, schwer einschätzbar macht. Anders ausgedrückt: Wer weiß, daß vor der Haustür ein drei Meter großes Monster lauert, befindet sich in einer unerquicklichen Situation, aber wenn man sich nicht sicher ist, hat die Bedrohung eben eine völlig andere Qualität. In THEM erweisen sich die Angreifer als omnipräsent und überaus verspielt, terrorisieren ihre Opfer mit Krach und Lichteffekten. Das sorgt – in Anbetracht der recht unheimlichen Tonspur – für einige nervenzerrende Momente. Leider hat der Film im Hinblick auf inhaltliche Logik nicht gerade das Schießpulver erfunden. So erscheint es doch als ziemlich sonderbar, daß die Übeltäter ihr akkustisches und lichttechnisches Feuerwerk so überaus präzise realisieren können. Wenn man es sich einfach machen möchte, kann man sagen, der Film bediene sich der Logik eines Alptraums. Wenn man dem nicht folgen möchte, handelt es sich um hochgradigen Tinnef. Zudem gehen die beiden Regisseure Genreklischees nicht gerade aus dem Wege, so daß man den Film schon wirklich mögen muß, um die erwartungsgemäß eintreffenden Krauch- und Hinfallszenen kommentarlos hinzunehmen. Mir ging das Gehampel irgendwann ziemlich auf den Geist. Auch die schließlich erfolgende Auflösung folgt der berühmten Logik des Alptraums und erfordert eine Menge Gutglauben, den auch das abschließende „Based on real events“ nicht ersetzen kann. THEM wirkt wie ein in die Länge gezogener Kurzfilm, der auf einem Festival möglicherweise ganz gut funktioniert, aber sobald man nicht mehr mitspielen mag, kommt einem vieles doch wie müßiges Gehampel vor. In Anbetracht der geschickt eingesetzten Geräuscheffekte fand ich das etwas schade, aber ich zumindest hatte abschließend den Eindruck, daß hier viel Geschiß um eigentlich recht wenig veranstaltet wird. Eine Fingerübung mit einigen gelungenen Motiven und vielen Klischees, mehr nicht.
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#468
Geschrieben 07. Mai 2007, 23:35
Daniel Ciello (Treat Williams) ist Bulle bei einer Drogenspezialeinheit. Für gewöhnlich ist er ein ordentlicher Cop, läßt bei Junkiekontakten auch mal Fünfe gerade sein, zweigt ihnen gelegentlich etwas Stoff ab, aber eher, weil sie ihm leid tun. Sein Leben ändert sich schlagartig, als auf einmal fixe Jungs von der Staatsanwaltschaft auf ihn zutreten, die im Rahmen eines Untersuchungsausschusses gegen Polizeibeamte ermitteln. Als ihm der Vorschlag, für den Ausschuß tätig zu sein, unterbreitet wird, ist Ciello entsetzt – er soll gegen andere Cops ermitteln? Eine Ratte werden? Unvorstellbar. Und doch läßt er sich schließlich breitschlagen, stellt diese Mitarbeit doch eine Möglichkeit für ihn dar, zu den Ursprüngen seines Polizistendaseins zurückzukehren, mit sich ins Reine zu kommen. Seine einzige Bedingung: Es dürfen keine Partner von ihm kompromittiert werden. Schon bald stellt er fest, daß ihm der neue Job – stets ordentlich verdrahtet und vernetzt – großen Spaß bereitet. Er kommt sich vor wie ein Geheimagent und genießt seinen neuen Sonderstatus immens. Doch die moralischen Implikationen seiner Aktivitäten holen ihn ein und machen auch vor seinem Familienleben nicht halt...
Einer der besten Polizeifilme überhaupt. Anstatt auf den oberflächlichen Charme von Räuberpistolen zu bauen, konstruiert Regisseur Sidney Lumet den Film als intensives Schauspielerkino und baut seine Figuren nach und nach auf. Man kann miterleben, wie der eigentlich sympathische Ciello langsam aber sicher in eine Falle hineintappt und zum Handlanger eines schwer durchschaubaren Systems wird. Die Cops nutzen die Junkies aus, die Staatsanwälte nutzen die Cops aus, und auch die Jurisprudenz gehorcht Gesetzen, deren Moral höchst anfechtbar ist. Die Anwälte Cappalino und Paige haben lautere Absichten und bauen wirklich ein durchaus ehrliches kollegiales Verhältnis zu Ciello auf, wenn ihr Job auch von ihnen verlangt, zur Erreichung eines höheren Zieles Prioritäten zu setzen, die Ciellos Wohlergehen nicht unbedingt mit einschließen. Der Film dauert fast drei Stunden, schafft es durch die nüchterne Glaubwürdigkeit des Drehbuchs und die hervorragende Schauspielerführung aber, keinen Augenblick zu langweilen. Man erträgt es irgendwann kaum noch, Ciello dabei zuzusehen, wie er sich immer mehr in sein Verderben hineinreitet und schließlich dazu gezwungen ist, selbst langjährige Freunde anzuschwärzen. Natürlich sind korrupte Polizisten eine garstige Sache, aber das System, das als Gegenentwurf angeboten wird, überzeugt auch nicht völlig, basiert es doch auf Verrat und der gefühllosen Instrumentalisierung von menschlichen Schicksalen. Was als exotischer Agentenurlaub für Ciello beginnt, mausert sich schon bald zu einer fürchterlichen Belastung, die ihn emotional an seine Grenzen führt und zum paranoiden Wrack macht. Wer Freund und wer Feind ist, wird da immer irrelevanter. Und so beginnt das eben auch bei korrupten Bullen – ein Handgeld hier, eine Sondergratifikation da... Richtig tolles Kino, simpel, effektiv, erschütternd. Und obwohl die Synchro gut ist, empfehle ich die originale Tonspur, da die Schauspieler teilweise unglaublich Gas geben. Mit Sicherheit die beste Darstellung, die ich von Treat Williams gesehen habe, das ist mal sicher.
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#469
Geschrieben 24. Mai 2007, 20:15
TURISTAS hat ziemlich schlechte Kritiken bekommen, was mich etwas verwundert, denn für simpel gestricktes Horrorkino der preisgünstigen Art fand ich ihn akzeptabel, wenn auch in Einzelheiten etwas übermäßig grausam. Die Grundidee ist die erzkonservative Schote von den zivilisierten Reisenden, die in ein armes und vermeintlich unzivilisiertes Land kommen (hier Brasilien), nur um festzustellen, daß dort alle Leute ganz eklig und gemein sind. Zu Hause ist's halt doch am schönsten. Der Vergleich mit HOSTEL führt aber etwas in die Irre, denn während jener ironisch gebrochen war, zieht TURISTAS sein Schreckensszenario sehr straight durch. Die Touristen sind nicht ganz so eklig wie in HOSTEL (oder in WOLF CREEK, was das angeht), aber auch recht herablassend und ignorant. Es gibt einen prüden Ami und seine hübsche Schwester, zwei partygeile Briten, eine Aussie-Frau und zwei Schweden, die aber schon früh fachgerecht entsorgt werden. Nachdem die muntere Truppe unter Drogen gesetzt und ausgeraubt worden ist (haha!), befinden sie sich ohne Moos und ohne Pässe am Arsch der Welt. Kann es noch schlimmer kommen? Wie gefällt Euch illegaler Organhandel? Auf tritt ein entfernter Verwandter von Dr. Moreau, der dem iranischen Ministerpräsidenten vergnüglich ähnlich sieht und auch schon mal grundlos einem seiner Schergen einen Dorn in den Augapfel haut – verheerender Effekt, wenn auch komplett unmotiviert. In der ekligsten Szene des Filmes liefert der Doc einen recht interessanten Monolog, der seinen eigentlich rettungslos bösen Charakter mit einer unerwartet ambivalenten Note versieht. Was er von der Ausbeutung Brasiliens durch den reichen Westen erzählt, stimmt nämlich auffallend. Es gibt am Schluß eine ausgedehnte, aber recht akzeptable Unterwasser-Höhlenjagd, die etwas an THE DESCENT oder THE CAVE erinnert. Und Regisseur John Stockwell (der einst in John Carpenters CHRISTINE den besten Freund von Arnie gespielt hat) hat ganz am Ende noch einen Gastauftritt als Rucksacktourist. Insgesamt durchaus okay, wenn auch nicht gerade originell. Bei all den Gurken, die ich in letzter Zeit gesehen habe, war das aber befriedigend. Erwartet habe ich nämlich nüschte, und dafür war das doch ganz unterhaltsam. Wer übrigens aufgrund der Vorankündigungen ein Blutbad à la HOSTEL oder TCM: THE BEGINNING (unrated – uärchxxx!) erwartet, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. „Normalen“ Betrachtern hingegen dürfte manches Detail zu unappetitlich sein. Wenn ich mal irgendwann eine klaffende Kopfwunde habe, will ich jedenfalls nicht, daß sie mit einem handelsüblichen Tacker zugeöckelt wird... Autsch! Bleibe zu Hause und nähre dich redlich.
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#470
Geschrieben 24. Mai 2007, 20:40
BLOOD DIAMOND erzählt vom verbrecherischen Diamantenhandel in Sierra Leone und den Leuten, die daran verdienen. Es wird gezeigt (in für einen Hollywood-Mainstream-Film beeindruckend harscher Weise), wie die armen Bauern von sogenannten Revolutionsarmeen gekidnappt oder massakriert werden. Die Überlebenden (häufig auch Kinder) dürfen dann schuften bis zum Umfallen. Die Klunkern werden verschifft und unter die legalen Edelsteine gemischt, damit man ihre widerliche Herkunft nicht nachvollziehen kann. Leonardo di Caprio spielt den rhodesischen Diamantenschmuggler und Ex-Söldner Archer, den das Schicksal anderer Menschen einen kompletten Dreck interessiert. Als er auf den Ex-Sklaven Solomon stößt, der seine Familie verloren hat und wiederfinden möchte, ist für ihn das Schicksal des Unglücklichen nicht von Belang. Was wichtig ist: Solomon hat einen sensationell großen Diamanten aufgetan und beiseitegeschafft. Für eine Beteiligung verspricht ihm Archer, bei der Suche nach der Familie behilflich zu sein. Was folgt, ist ein einigermaßen kuckbarer Abenteuerfilm, der seinen Fokus und „selling point“ – das in der Tat himmelschreiende Unrecht, das in vielen afrikanischen Staaten vorherrscht und sowohl vom reichen Westen als auch von machtgeilen Afrikanern ausgenützt wird – zunehmend aus den Augen verliert. Der Anfang von BLOOD DIAMOND ist sogar richtig gut und liefert eine erschütternde und glaubhaft wirkende Schilderung des gewalttätigen Alltages in Sierra Leone und der abgrundtiefen Armut, in der die Leute dort dahinvegetieren müssen. Regisseur Edward Zwick wird dann aber zunehmend vom Drehbuchautor besiegt, der sein interessantes Thema mit kitschigen Klischees und christlichem Läuterungskäse aus den Pantinen haut, die auch von James Newton Howards ungewohnt schwachen Ethno-Gedudel (feat. Lisa-Gerrard-Gedächtnis-Gejaule, wie so häufig) unterstrichen werden. Am Schluß wird der Film dann endgültig zu edelstem Edamer. Schade eigentlich – da hätte man sich ein bißchen was trauen müssen. Di Caprio spielt wie üblich gut, wenngleich er mich in Scorseses THE DEPARTED schon mehr begeistert hat; Jennifer Connelly ist eine wackere Krisengebiets-Journalistin, die sich ein Familienleben eigentlich abgeschminkt hat, aber dem netten Lächeln von di Caprio natürlich nicht widerstehen kann (komplett irrelevanter Charakter); Djimon Hounsou macht seine Sache prima als gebeutelter Bauer; und einer meiner Lieblingsbaddies, Arnold Vosloo, taucht auf als di Caprios ehemaliger Söldner-Colonel, eine echte Sau. BLOOD DIAMOND dauert etwa zweieinviertel Stunden. Eine davon ist recht gut. Danach überwiegt die gefällig inszenierte Konvention. LOHN DER ANGST grüßt auf jeden Fall von ganz, ganz weit weg...
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#471
Geschrieben 29. Mai 2007, 14:56
Also, da ist dieser freundliche Indiostamm. Die sind eigentlich ganz harmlos, nur Tiere müssen manchmal dran glauben. Zu Anfang gibt es leckeren Tapir. Mit den Tapirhoden verarscht man den Stammesdeppen, „Von kleinem Geist“, denn er kriegt bei seiner Frau kein Kind zustande. Das liegt auch an der fiesen Schwiegermutter, die wie ein Schloßgeist vor dem Zelt hockt, bis daß Kinderschreien erklingt. Manchmal, wenn er gerade wieder versagt hat, lacht sich der ganze Stamm über ihn kaputt. Darum ist er ja auch der Depp. Er ist auch sehr moppelig, der Depp. Die anderen Krieger des Stammes sind rank & schlank, besonders „Pranke des Jaguars“, der Sohn von Häuptling „Blitzende Birne“. Leider kommen böse Holcane-Krieger daher und schlagen alles kurz und klein. Die wenigen Überlebenden werden in eine Mayastadt gebracht und entweder als Sklaven verkauft oder aber den Blutgöttern geopfert. Doch „Pranke des Jaguars“ hat noch einiges vor in seinem Leben...
Der neueste Lachschlager von Mel Gibson. Im Unterschied zu DIE PASSION KRUSTI ist APOCALYPTO wenigstens unterhaltsam und einigermaßen spannend, aber vor dem Menschenbild Mel Gibsons graut es mir. Der Mann ist sehr schlicht und scheint sich tatsächlich einzubilden, ein Werk von ethnologischer Wahrhaftigkeit geschaffen zu haben. Das hat er auch, aber nur im Hinblick auf seine beschränkte „zivilisierte“ Weltsicht. Obwohl die Indios alle in untertitelter Indianersprache quatschen, benehmen sie sich, als wären sie einem durchschnittlichen Hollywoodfilm entsprungen. Der zotige Anfang mit den Tapirhoden etwa ist dummdreisteste Teenieklamotte, PORKY'S mit Indios halt. Der Unfug mit der Schwiegermutter und dem mißlungenen Liebesakt ist durchaus bundeswehrspindtauglich. Die Kampfhändel dann, in der sich bunt bemalte Mitmenschen mit stumpfen Waffen den Bregen rauskloppen, erinnern an Football – unterlaufen, seitlich abprallen lassen, Touchdown. Die Mayas lieben es, einen Heidenrabatz zu veranstalten, denn sie beten ja die bösen Grimmgötter an. In der Stadt wimmelt es von Sklaven, Müßiggängern und sensationsgeilen Asis, die den Kreuzgang (nein, nicht schon wieder!) der netten naturbelassenen Indios mit fröhlichem Gewieher verfolgen. Es ist bis zum heutigen Tag doch alles gleich geblieben – schon klar, Mel! Damit man auch weiß, daß die Holcanes die Bösen sind, sind alle in die üblichen Figurenmuster eingeordnet. Es gibt ein besonders kräftiges Rauhbein, das den Mord an seinem Sohn rächen muß; es gibt einen Prediger, der alle mit mythischem Firlefanz versorgt und schließlich vom Rauhbein entsorgt wird; und es gibt einen grenzdebilen Sado-Maya, der ein kleines Hufeisen in der Nase hat, das in entfernteren Aufnahmen etwas an einen Hitler-Schnurrbart erinnert. In den Nahaufnahmen sieht es nur so aus, als würden dem Grimmbatz lange, blaue Popel aus der Nase hängen. Da es Gibson in erster Linie um historische Authentizität geht, baut er noch eine ziemlich alberne Liebesgeschichte ein (Häschen in der Grube!) und paßt auch ansonsten alle Aktionen und Reaktionen der Indios den Erwartungen des popcornkauenden Zielpublikums an. Als „Clous“ gibt es eine Sonnenfinsternis (Tim & Struppi!) und „conquistadores ex machina“ – jaul. Toll auch die Unterwassergeburt.
Wäre APOCALYPTO nur ein typischer amerikanischer Actionfilm, wäre das schon in Ordnung, denn er ist exzellent fotografiert und streckenweise durchaus aufregend anzuschauen. Aber er trägt leider das Gewand, das schon dem Erlöser in Gibsons letztem Film nicht gut gestanden hat, und wenn Gibson sich allen Ernstes einbildet, fremde Kulturen (oder überhaupt das Prinzip des Anderen) verstehen zu können, so liegt er leider falsch. Sein Verständnis reicht wirklich nur bis zum Ende seiner höchst beschränkten Auffassung von den Dingen, und die begreift Indios als ein von außen zu betuttelndes Spielzeug, als postkolonialistisches Zierat für die eigene Miefbude. Ein sehr dummer Film, und wenn Dummes hübsch abgefilmt wird, so bleibt es dennoch Dummes.
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#472
Geschrieben 12. Juni 2007, 12:08
Und noch ein Remake.
Kiyoshi Kurosawas Film KAIRO war ein einigermaßen verwirrender, aber auch sehr faszinierender Hybride, dessen anfängliche Bezugnahme auf Geistergeschichten à la RING mehr und mehr der Darstellung einer Apokalypse Platz macht, in der die hoffnungslos unpersönlich gewordene Welt der Lebenden von den Geistern der Verstorbenen okkupiert wird. Leider ist der Reiz des Originals in der deutschen Fassung kaum mehr nachzuvollziehen gewesen, denn die Synchronisation war hier endlich mal so lausig, daß ich irgendwann entnervt abgebrochen habe. In der von Wes Craven geskripteten amerikanischen Fassung hat man die experimentellen Aspekte der Vorlage selbstverständlich etwas geglättet und den Erwartungen des Zielpublikums (=popcornkauende Teenies) angeglichen. Schlecht ist das Ergebnis nicht – in mancherlei Hinsicht ist PULSE der zugänglichere Film –, doch natürlich fordert die Erklärungswut der Amerikaner auch ihre Opfer. Ich habe Kurosawas Film nicht mehr en detail im Hinterkopf, aber mir ist so, als wäre die „mad scientist“-Geschichte etwa, die die Amis rangetackert haben, im Original nicht vorhanden gewesen. Da der amerikanische PULSE eher auf Action und die Oberflächenspannung der einzelnen Situationen setzt, entsteht der etwas eigenartige Eindruck, es werde vieles präziser dargestellt, als dies bei den Japanern der Fall gewesen ist, doch trotzdem bleibt das Konzept vage. Bei einem Experiment mit bislang unbekannten Frequenzen wird die berühmte Tür geöffnet, durch die das Böse in unsere Welt gelangen kann. Das tut es denn auch, in Gestalt britzelnder Aphex-Twin-Monster, die so aussehen wie der Schreihals im „Come To Daddy“-Video. Die Monster saugen den Lebenden den Lebenswillen aus und zersetzen schließlich deren Körper. Man soll halt nicht so lange vor dem Computer sitzen. In manchen Fällen zerfallen die Lebenden zu computergenerierter Asche; in anderen hingegen (Josh) tun sie das offenbar nicht. Wenn man den Vorgängen einen Subtext unterstellen möchte, dann hat er sicherlich damit zu tun, daß die eifrig herumchattende und SMS-hörige Jugend ihren eigenen Untergang zelebriert. Das war im Original ähnlich, wenngleich dort eher die bodenlose Isolation der jungen Leute im Vordergrund stand. Ich erinnere mich daran, daß ich die Selbstmörder-„Webcams“ maximal gruselig fand, eben weil von ihnen auch eine furchtbare Traurigkeit ausging. In der US-Fassung wirken diese Net-Findlinge eher morbide und stellen in erster Linie eine Bedrohung dar, eine Zumutung den Lebenden gegenüber. Das ist durchaus repräsentativ für meinen Gesamteindruck, der kein schlechter ist. Original und Neuverfilmung haben jeweils ihre eigenen Reize. Die Attitüde ist halt eine andere. PULSE profitiert von seinem metallischen HD-Video-Look, der hier mal wirklich passend ist, da es um die zunehmende Entfremdung des Menschen von seiner Natur geht. Eine Welt, in der die Simulation von Nähe und Miteinander ihr echtes Gegenstück ersetzt, muß irgendwann den Bach runtergehen, und das schildert auch PULSE nachfühlbar und spannend. Fand ich sehr okay.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#473
Geschrieben 13. Juni 2007, 13:27
Lowlife Charlie Burns (Guy Pearce) wird zusammen mit seinem jüngeren Bruder Mikey von Sheriff Stanley (Ray Winstone) hoppgenommen. Stanley hat sich zum Ziel gesetzt, das australische Outback zu „zivilisieren“, auf daß die britische Lebensart überall auf dem Kontinent Fuß fasse. Um das zu erreichen, heuert er Charlie an, dessen Bruder Arthur die Region unsicher macht. Es scheint so, als sei Arthur eine wahre Bestie, die ungehemmt Massaker an der Zivilbevölkerung anstellt. Charlie soll Arthur töten, wenn er verhindern möchte, daß der kleine Mikey am Strick baumelt. Er macht sich auf die Reise...
Der beste Western seit Clint Eastwoods UNFORGIVEN, und während Eastwoods Film sich befaßt mit der Mythisierung der amerikanischen Geschichte im allgemeinen und dem Westerngenre im besonderen, geht es in John Hillcoats australischem „Geschichtsfilm“ um Kolonialismus und das problematische Verhältnis zwischen Natur und dem, was Menschen so unter Zivilisation verstehen. Auf der einen Seite steht Winstones drogensüchtiger, vor Moralwut brummender Gesetzeshüter, der eine recht frustrierende Ehe führt. Seine Frau ist eine urbritische Hausmamsell, die vom Ehemann unbefriedigt ist, da er sich stets in seine Arbeit flüchtet. Tatsächlich hat sie sehr viel mehr mit Sinnlichkeit am Hut als er und wünscht sich nichts sehnlicher als eine kleine Familie. Es gibt eine sehr hübsche Szene, wo der prüde Winstone ins Badezimmer tritt und seine Frau im Waschzuber sieht. Seine erste Reaktion besteht darin, daß er peinlich berührt wegschaut; dann fixiert er wie besessen die Wasserperlen auf ihrer weißen Schulter. Dabei rollen ihm die Tränen über die Wangen. Nächtens dann studiert seine Frau im Bett Kataloge für Kinderkleidung. Da läuft einiges schief. Die andere Familie ist die Familie der Burns-Brüder, der zwar ein gewisser Kain-und-Abel-Konflikt innewohnt, aber im Grunde genommen sind sie Brüder, felsenfest. Da ändert es auch nichts daran, daß Charlie seinen Bruder umbringen muß. Interessant ist dabei, daß selbst dem zu bestialischer Gewalt fähigen Arthur sehr positive Eigenschaften zugeordnet werden. So liebt er Poesie, und nicht nur das – er scheint sie auch zu verstehen. Mit seinem Bruder schaut er in einer anrührenden Szene gemeinsam in den Sonnenuntergang und staunt über die unermeßliche Weite des Lebens, von der er nur einen kleinen Teil zu sehen bekommt. Während der Sheriff krampfhaft versucht, seine eigene kleine Britenwelt dem australischen Wildwuchs aufzuzwingen (und die Aborigine-Ureinwohner werden den ganzen Film über von den Weißen nur mißhandelt), akzeptiert Arthur Burns seine eigene Unwichtigkeit angesichts der Natur. Für ihn gibt es deshalb auch kein Gut oder Böse, keine moralischen Beschränkungen. Was er tut, ist manchmal gräßlich, aber er wirkt trotzdem verwirrend ehrlich, ganz anders als die braven Bürger der Westernstadt, die bei der Auspeitschung von Mikey gerechtigkeitslüstern und gewaltgeil zuschauen und es genießen, daß es einem anderen so richtig dreckig ergeht. Es gibt auch noch einen von John Hurt gespielten Kopfgeldjäger, der ebenfalls einen Sinn für Poesie hat und die Lehren Charles Darwins kennt, sie aber in den Dienst eines ekelhaften Zynismus gestellt hat. Seine Menschenverachtung ist ganz anders als jene von Arthur, der liebt und haßt, wie seine Natur ihm das eben vorgibt. Dem Schluß des Filmes haftet eine gewisse Unausweichlichkeit an, und er ist sehr schön geraten, wie auch der ganze Film. Regisseur Hillcoat hat neben einigen Musikvideos auch den ebenfalls exzellenten GHOSTS OF THE CIVIL DEAD gemacht. Diese neuerliche Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Nick Cave gehört zu den besten Western, die ich je gesehen habe – klasse!
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#474
Geschrieben 14. Juni 2007, 10:34
Der Maskenmann schlägt wieder zu! Ich habe mich damals schon bei Sergio Stivalettis WAX MASK gefragt, zu was der Mann imstande ist, wenn man ihm kein Geld gibt und eine Videokamera in die Hand drückt. I TRE VOLTI DEL TERRORE bzw. THE THREE FECES OF TERROR demonstriert das sehr anschaulich und hat wohl ungefähr soviel gekostet, wie man braucht, um auf dem Bochumer Eierberg eine Prostituierte frischzumachen.
Die Ambitionen des Drehbuches (das Stivaletti zusammen mit dem Filmjournalisten Antonio Tentori verfaßt hat) richten sich auf die alten „Amicus“-Episodengrusler. In der Rahmenhandlung sitzen einige Italiener gelangweilt in einem Zugabteil. Auf einmal geht die Tür auf und John Philip Law kommt herein mit einem ziemlich erbärmlichen falschen Bart. Er spielt Professor Peter Price, Hypnotiseur, und weil er gerne neue Leute kennenlernt, läßt er erst einmal seine Hypnotisierkugel fallen und fängt dann an zu sülzen. Die Synchronisation ist grottenschlecht und erinnert etwas an Lenzis GATES OF HELL. Dieser Vergleich soll einem im weiteren Verlauf des Filmes noch einige Male in den Sinn kommen. Die Gäste dürfen alle in seine Kugel schauen, die ein entfernter Verwandter des HELLRAISER-Würfels ist und sich mechanisch öffnet. Die erste Geschichte handelt von zwei Flitzpiepen, die in einer Hügellandschaft rumkrauchen und dann buddeln. Auf einmal befinden sie sich in einer alten Gruft, die aussieht wie eine schlecht beleuchtete Bedürfnisanstalt an der Stazione Termini von Rom. Die beiden sind beeindruckt von der Kostbarkeit ihrer Umgebung. Tatsächlich liegt da nur Müll herum, und an die Wände haben Stivalettis Kinder irgendwelche Figuren drangepinselt. Auch sind da geheimnisvolle Inschriften zu lesen, die übersetzt in etwa bedeuten: „Oriana Fallaci macht es auch mit dem Mund.“ Eine Papiermaché-Mumie liegt da rum und hat einen Ring am Finger, den sich der eine der beiden Typen einsackt. Gemeinsam begeben sie sich zu ihrem Auftraggeber (John Philip Law mit einem anderen falschen Bart), der mittels eines praktischen Ausgrabungsort-Wörterbuches die Inschriften übersetzt. Oriana Fallacis Ring bringt wohl Unheil. Als erstes bekommt dies der Kumpel des Ringdiebes zu spüren, denn ihm wird mit einer Art Gartenschaufel der halbe Kopf abgeschnitten. Der halbe Kopf blutet aus zwei Öffnungen und sieht aus wie ein kaputter Dorsch. Dann bekommt ein uffjedunsener Claudio Simonetti die Macht des Mumienringes zu spüren, denn der Ringdieb verwandelt sich vor seinen Augen in einen Werwolf! Stivaletti gibt hier spezialeffektetechnisch Vollgas, doch sollte man seine Effekte aus DEMONS schon mögen. Simonetti wird auf jeden Fall nett abgeledert. Dann ist die Episode abrupt zu Ende, und alle schauen betroffen. Kein Wunder.
Nächste Episode. Lamberto Bava spielt sich selbst und dreht gerade DEMONS 7, was man sowohl als selbstreferentiellen Humor verstehen muß als auch als ungewollten Kommentar zum vorliegenden Film. Zwei junge Schauspielerinnen gehen zum Doktor. Sagt die eine: „Herr Doktor, ich möchte gerne so aussehen wie meine Freundin!“ – Sagt der Arzt: „In meinem Gewerbe ist mir nichts Menschliches fremd. Viele Leute kommen zu mir mit einem Modell im Kopf.“ John Philip Law hat seine Darbietung in dieser Episode komödiantisch angelegt, chargiert gewaltig über und sieht aus wie Tante Trude aus Buxtehude, ohne Bart also. Auch in der finalen Geschichte ist er bartlos, trägt dafür ein Fischerkostüm und ein schwarzes Tuch über dem linken Auge. So spielt das Leben. Da geht es um drei Freunde und ein Tiefseemonster. Spätestens beim Tiefseemonster ist mir aufgefallen, daß mir der Film eigentlich doch ganz gut gefällt, denn in einer Zeit, in der die meisten Cheapo-Regisseure auf CGI-Effekte bauen, greift Stivaletti nach den Sternen. Es fehlen eigentlich nur noch Knetgummimännchen. Und am Schluß verblüfft er uns alle und serviert nacheinander alle Enden zu den Episoden. Wenn das Geld fehlt – erzählerischen Wagemut kann man sich immer leisten. Das finde ich wohllöblich. Insgesamt finde ich I TRE VOLTI ganz nüddelig und deutlich sympathischer als den italienischen Billigschrott, der in den letzten Jahren auf den DVD-Markt gewürfelt wurde. Der Film wurde gedreht im Zeichen des Heiligen Bimbam, und er leuchtet im Dunkeln.
„Paolo ist tot. Es hat ihn in Stücke gerissen. Was war das bloß?“ – „Nur ein Monster!“
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#475
Geschrieben 18. Juni 2007, 23:51
Bei einer Tour durch die zerklüftete Felsenlandschaft Sardiniens wird der Sohn eines ansässigen Grundbesitzers von Banditen entführt. Seine Verlobte (Charlotte Rampling) scheut davor zurück, die Polizei zu alarmieren, da ihr jeder – einschließlich des Vaters – dringend davon abrät. Ein guter Freund des Entführten (Franco Nero) unterstützt sie, gerät dabei aber ebenfalls in die Fänge der Banditen. Wer steckt hinter diesen Verbrechen? Und was geht überhaupt in Sardinien vor sich?
Tja, der ultimative Sardinien-Film, und eine in jeder Hinsicht harte Packung! Als er bei „Buio Omega“ lief, war eines klar – ich muß det Dingen sehen, weil ich dazu in diesem Leben vermutlich keine Gelegenheit mehr haben würde. SEQUESTRO DI PERSONA lief damals im Kino, erfuhr aber niemals eine Auswertung auf Video, und auch an eine TV-Ausstrahlung kann ich mich nicht erinnern. Wenn man die recht prominente Besetzung bedenkt (das war einer der ersten Auftritte von Charlotte Rampling!), ist es sehr verwunderlich, daß der Film auch international kaum aufzutreiben ist. Der Regisseur, Gianfranco Mingozzi, war in den sechziger Jahren vorwiegend als Dokumentarfilmer tätig gewesen und hatte vorher gerade mal einen Spielfilm auf dem Kerbholz. Seine späteren Arbeiten zeichnen sich durch einen sehr gewissenhaften Blick auf soziale Mißstände aus, häufig im Gewand von Genrekost. Am bekanntesten dürfte sein wütender „nunsploitation“-Schocker FLAVIA LA MONACA MUSULMANA sein, dem trotz seiner teilweise schwer verdaubaren Härte ein heiliger (bzw. unheiliger) Ernst anhaftet. SEQUESTRO DI PERSONA läßt Sardinien als rückständige Region erscheinen, deren Bewohner dem Althergebrachten anhängen und die soziale Ordnung keine Sekunde hinterfragen. Ist Sardinien wie Zeven? Nun, in Zeven gibt es meines Wissens keine wildgewordenen Schafhirten, die zur Aufbesserung des kärglichen Salärs schon mal mit vorgehaltener Schrotflinte reiche Söhne einsacken. Auch werden dort nicht andauernd Schafherden über die Straßen getrieben. Kommen wir somit zum einzigen Aspekt dieses ansonsten exzellenten Filmes, der mir nicht nur mißfallen, sondern das Seherlebnis ziemlich versaut hat: Gleich zu Beginn donnert ein Sportwagen in eine Schafherde und brettert mindestens zwei von den Tieren über den Haufen. Ich saß da und dachte nur: Das darf jetzt bitte nicht wahr sein! Vielleicht bin ich ja ein Weichei und gehöre eigentlich in den Tierschutzverein, aber dafür hätte ich dem Regisseur schlicht und ergreifend eine Anzeige angehängt. Im Foyer haben wir noch darüber diskutiert, ob das so geplant gewesen sein mag. Vielleicht sollte der Wagen ja vor der Herde abbremsen, und es ist dabei zu einem Unfall gekommen, aber selbst dann finde ich es übel, solch eine Szene einzubauen. Mögen dem Mingozzi die Geister der ermordeten Schafe den Nachtschlaf vergällen – mäh! Nee, im Ernst, Sauerei. Man kann den doofen Hollywood-Produktionen ja vorwerfen, was man will, aber dort ist immer der Tierschutz anwesend. „No animals were harmed...“ Nein, wohl eher: „Made in Sardegna, where sheep are cheap!“ Ich brauchte jedenfalls eine Zeit lang, bis ich das verdaut hatte. Der Rest von MAFIA STORY ist ein mit sehr schlichten, aber wirkungsvollen Mitteln erzähltes Mafiadrama, dessen herb-realistische Gestaltung den ehemaligen Dokumentarfilmer erkennen läßt. Auch Laiendarsteller aus der sardinischen Groteskpassantenvermittlung kommen reichlich zum Einsatz. Das Finale ist ein besonderer Kracher. Meinen nächsten Urlaub verbringe ich bestimmt woanders. Die Schafe hätte man sich trotzdem knicken sollen, und zwar nicht so, wie gezeigt.
Bei „Mäh“ fällt mir übrigens noch der vermutlich dümmste deutsche Titel ein, von dem ich jemals gehört habe. Da gibt es keine Konkurrenz. Gemeint ist der Neo-Blaxploitation-Film MO´ MONEY, dessen Untertitel bei uns wie hieß? Er hieß MEH´ GELD! Drei Schafsköpfe für diese Narretei...
Bearbeitet von Cjamango, 18. Juni 2007, 23:54.
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#476
Geschrieben 19. Juni 2007, 12:31
Endlich auch mal gesehen.
Wer Mr. Vengeance ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es Ryu, dessen Schwester schwer erkrankt ist und eine neue Niere braucht. Nieren sind schwer zu bekommen, wenn man nicht das nötige Kleingeld hat, und Ryu hat leider die falsche Blutgruppe. So wendet er sich an halbseidene Organhändler. Um die Gangster bezahlen zu können, überantwortet er ihnen seine eigene Niere. Außerdem entführt er zusammen mit einer Freundin die kleine Tochter eines reichen Fabrikanten. Die Entführung – wie auch so ziemlich alles andere – geht allerdings auf klangvolle Weise schief, und so gibt es bald verschiedene Leute, die Mr. Vengeance sein könnten...
Ich gehöre ja zu den wenigen Leuten, die OLDBOY noch nicht kennen. Von Chan-wook Park habe ich lediglich die groteske Episode gesehen, die er für den Film THREE...EXTREMES gedreht hat. Dem überdrehten Comic-Strip-Stil jenes Kurzfilmes entsprach MR. VENGEANCE nicht. Stattdessen befindet man sich in einer recht gemächlich erzählten Geschichte, die von Leuten erzählt, deren Geschicke miteinander verwoben sind. Einige davon sind gesellschaftliche Außenseiter, andere schwimmen auf der Schaumkrone der Gesellschaft. Der Vater des kleinen Mädchens zum Beispiel erscheint zunächst als übles Schwein, als Raubtierkapitalist reinsten Wassers, der dann aber gewaltsam in seine Rolle als leidender Vater gezwungen wird. Ryu und sein Anhang sind eigentlich gebeutelte Existenzen, die in erster Linie von ihrer Liebe zueinander geprägt sind, doch die verhängnisvollen Ereignisse führen zu einer Wandlung, der durchaus etwas Monströses anhaftet. Man hat den Eindruck, daß es hier gar nicht um eine moralische Bewertung der Handlungen der Figuren geht, sondern um eine Tragödie reinsten Wassers, bei der die Menschen von Kräften gelenkt werden, die sie nicht unter Kontrolle haben. Chan-wook Park realisiert dieses Sozialdrama im Gewand eines grotesken Realismus, der die Aktionen der Figuren in sehr naturalistischer (und minutiöser) Weise darbietet, aber auch vor surrealen Einsprengseln nicht zurückschreckt, die das chaotische Innenleben der Protagonisten nach außen tragen. Vieles ist auf trockene Weise komisch, vieles aber auch einfach nur noch erschütternd. Ich fand die Herangehensweise des Regisseurs auf erfrischende Weise originell und selbstsicher – endlich mal keiner, der versucht, Tarantino oder Lynch zu imitieren. Die nächsten Filme des Mannes habe ich mir schon vorgemerkt. Klasse.
Bearbeitet von Cjamango, 19. Juni 2007, 12:32.
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#477
Geschrieben 20. Juni 2007, 12:49
Gibt es einen Film, der die Einwanderungsproblematik großstädtischer Problemzonen beleuchtet, den Generationenkonflikt behandelt und dann noch sensible Betrachtungen über das Für und Wider von Gewalt anstellt?
Aber ja: GAME OF SURVIVAL (aka TENEMENT) leistet all dies und noch mehr. Seine oberflächliche Erscheinung – die eines blutrünstigen Sleazeheulers – ist nur Fassade. In der Brust von Regisseurin Roberta Findlay pocht das Herz einer engagierten Soziologin, und was sie uns über die Bestie Mensch verrät, macht schaudern und bibbern.
Es fängt alles ganz harmlos an: In einem New Yorker Apartmenthaus der minderen Preisklasse hat sich eine Jugendbande eingenistet. Sehr zum Leidwesen der dort untergebrachten Minderheitsangehörigen verlustiert sich die Gang in einem nimmermüden Reigen der Gewalt und des Drogenkonsums. Die jungen Leute sind nicht von Natur aus böse – sie sind nur dreckig, dumm und hundsgemein. Ihr Leben ist ein fortwährender Amoklauf. Was Wunder, daß die Normalbürger sich von Herzen freuen, als die Bande von der Polizei eingeknastet wird. Dumm nur, daß sie fast unverzüglich wieder laufengelassen werden. Dumm auch, daß der geisteskranke Boß Chaco Rache schwört und Visionen von Blut hat. Diese Visionen zu grimmiger Realität werden zu lassen, ist für die Bandenmitglieder eine Selbstverständlichkeit, und die Anwohner dürfen sich gratulieren...
Also, spätestens in der Szene, in der eine vergewaltigte Frau einen Besenstiel unten reingesteckt bekommt, dachte ich nur: Das ist ganz eindeutig die Handschrift einer Frau! Du liebe Güte... Roberta Findlay gehört zu den exzentrischeren Bewohnern des Exploitation-Pantheons. Schon als Teenager half sie ihrem zukünftigen Mann Michael dabei, seine FLESH-Trilogie von düsteren Sexploitern fertigzustellen. Ihr Beitrag dazu war nach eigener Aussage aber sehr gering. Als er den Kameramann bei jener argentinischen Horrorprodukion gab, die später zu dem berüchtigten SNUFF wurde, wurde sie zum ersten Mal wirklich aktiv. Michael kam 1977 bei einem fürchterlichen Unglück ums Leben, aber Roberta bastelte weiter an Exploitationfilmen. Ab 1974 wurde sie zu einer der ersten weiblichen Pornoregisseusen. Ihre Produkte zeichneten sich vor allem dadurch aus, daß sie völlig unporneske Handlungsmotive zu brauchbaren Rammelfilmen zusammenschusterte. So gibt es einen Film, in dem die todkranke Georgina Spelvin ihre letzten Tage in einem Strandhaus zubringt und deliriert, während sie dabei Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“ hört. Geil, wa? Auch schön der sensible A WOMAN'S TORMENT, in dem es um die Rache einer vergewaltigten Frau an der Männerwelt geht. Ein echter Selbstläufer, wenn es um die Erzeugung von strammen Nudeln geht, möchte man meinen. Die Roberta hatte immer ihren eigenen Kopf. Der gebot ihr auch, sich schön aus dem Dunstkreis der in den 80ern erstarkenden Gemeinde von Exploitation-Aficionados herauszuhalten, denn sie empfand die meisten der Leute, die auf einmal bei ihr anklopften, als ausgesprochene Freaks. Sie selber betrachtet ihre Filme sehr pragmatisch und versteht nicht, daß manche Zeitgenossen sie als Kunst verstehen. Für sie waren es eben Produkte, in die man Geld reinsteckt und aus denen man im Idealfall Geld rausholt. Wenn die Herstellung Spaß gemacht hatte, so war das ein Bonus. Daß sie jetzt auch wieder Interviews gibt, hat einfach damit zu tun, daß ihre alten Sachen jetzt auf DVD verwertet werden und sie Werbung dafür macht.
GAME OF SURVIVAL/TENEMENT war ihr erster Nicht-Porno seit langer Zeit, und sie haut mächtig auf den Pudding. Nicht zu glauben, daß mir der Film bisher immer durch die Lappen gegangen ist, denn für New Yorker Exploitation habe ich eine ausgesprochene Schwäche. Die Filme sind häufig schmuddelig, geprägt von einem kulturellen Mischmasch, der die Schmelztiegel-Natur der Stadt widerspiegelt, und merkwürdige künstlerische Ambitionen machen die Dinger häufig auch zu einer irritierenden Erfahrung. TENEMENT liefert eine Bande von Rockerpunks, die völlig unresozialisierbar ist. Wer fand, daß sich die Gangmitglieder aus DEATH WISH 2 bereits exotisch benahmen, der wird hier eine Steigerung vorfinden. Diese jungen Menschen haben jede Orientierung verloren. Ihr Leben ist der Exzeß, ihre Botschaft heißt Entsetzen. Die Hausbewohner sind eine lustige Zustammenstellung von Typen. Da ist der virile Schwarze, der großmäulige Alkoholiker, eine alte Jüdin, eine alleinerziehende schwarze Mutter, ein Drogie und ein blinder alter Mann mit einem Hund namens Bambo. Alle lernen sie das Fürchten und finden sich in einer Belagerungssituation wieder, die sich gewaschen hat. Gewalttechnisch ist bei TENEMENT teilweise völlig Feierabend. Bei der Szene mit dem Besenstiel ist mir fast das Abendessen hochgekommen. Schön zu beobachten ist aber, daß die sehr intensiven Blutstürze meistens an Orten stattfinden, die sich leicht wieder saubermachen lassen, Badezimmern zum Beispiel. Die Dialoge enthalten einige erhellende Informationen über die Lebenssituation der Einzelnen, die Frau Findlay als Hobbysoziologin ausweisen. In der deutschen Fassung klingt das alles noch markiger (eine schön schmierige 80er-Videosynchro, möglicherweise von Schier), weshalb ich zur deutschen Tonspur rate. Die Figuren des Filmes benehmen sich wie die Narren. So klettert in einer Szene eine Frau an einer Wäscheleine aus dem Fenster, um zu entkommen. Dabei brüllen alle wie die Besengten hinter ihr her, damit die Rocker auch garantiert mitbekommen, was abgeht. Was soll ich sagen: Ich bin ein Sleazefan, und ich hatte eine gute Zeit! Untermalt werden die Vorgänge von einer sehr progressivrockigen Musik, die stark an italienische Filme jener Tage erinnert. Anders als die völlig zusammengestutzte Videofassung von einst ist die DVD natürlich ungeschnitten. Schade nur, daß die Extras der US-DVD (Interview mit Frau Findlay, Audiokommentar) nicht darauf enthalten sind. Dafür gibt es allerdings einige hübsche Trailer. Kurz und gut: Für Fans ein Genuß!
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#478
Geschrieben 21. Juni 2007, 09:06
Also, Horrorfilme müssen wir dann noch ein wenig üben, näch...
Frau Findlays nächster Ausflug ins Reich der Samenlosen schneidet bedeutend weniger erfolgreich ab als GAME OF SURVIVAL, was vor allen Dingen daran liegt, daß es nicht ausreicht, altbewährte Spannungsmomente und übernatürlichen Firlefanz zusammenzuklatschen, um mit einem erstklassigen Grusler aufwarten zu können. Das Resultat der THE ORACLE betreffenden Bemühungen kann zusammengefaßt werden als „Hokus und Pokus treffen einander auf dem Lokus“. Die Protagonistin ist eine gewisse Jennifer, die in das ehemalige Apartment einer Hellseherin eingezogen ist. Besagte Esoterik-Oma war nämlich nach einer Seance einfach verdampft. Von ihr übriggeblieben ist lediglich eine Art Lapislazuli-Ausgabe der betenden Hände von Dürer, in die ein guter Geist eine Schreibfeder reingesteckt hat. Jennifer denkt sich, au fein, da habe ich doch gleich ein nettes Stück Schangel, über das sich mit Freunden traulich tratschen läßt. Was sie aber tatsächlich damit zur Verfügung hat, ist ein Tor ins Reich der Toten, und diese ergreifen schon sehr bald Besitz von ihr. Niemand glaubt ihr, am wenigsten ihr Freund, der an einem schlimmen Fall von Schnurrbart leidet. Das ist aber auch kein Wunder, denn es würde wohl jeder gelinde Zweifel anmelden, wenn ihm seine Lebensgefährtin Sachen sagt wie: „Die Bedienung auf der Party war der Mann in meiner Vision!“ Tatsächlich hat sie merkwürdige Eingebungen, die davon handeln, daß ein unglaublich fetter Transvestit mit Furunkel an der Nase (der in Zivil einen grünen Anorak trägt und von einer Frau gespielt wird) zusammen mit einem weiteren Schnäuzerträger einen wohlhabenden Mann aus dem Wege räumt. Die Frage ist nun, ob es Jennifer gelingt, die Schuldigen ihrer verdienten Strafe zuzuführen. Frau Findlay klatscht aufs Geratewohl alles hinein, was irgendwie gruselig wirken könnte. Funktionieren tut leider nichts, auch nicht die Krallenhände aus Gummi, die aus dem Abfallzerkleinerer greifen und einer Figur einen Kopf aus Knetmasse abreißen. Mein persönlicher Favorit war der griechische Hausmeister, der in einer Szene mit den Seance-Händen spielen will und dabei von diversen Gummimonstern heimgesucht wird, die lustig von Fäden durch die Gegend gezogen werden und sich auf seiner Haut niederlassen. Bei seinen Versuchen, die Viecher mit einem Küchenmesser abzuschneiden, tranchiert er sich auf äußerst blutige Weise selber, was nicht die einzige Szene ist, die in der alten Videofassung geschnitten war. Beibehalten wurde aber die Hamburger Prachtsynchro, die THE ORACLE endgültig den Garaus macht. Besonders gelungen ist die Stimme, die man dem Transvestiten verpaßt hat. Ich kenne sie aus der Sesamstraße, doch in einem ernsthaften Film mitzuerleben, wie dieses eigentlich sehr tiefe Organ als Fistelstimme herausgedrückt wird, ist schon etwas würdelos. Ein Esoterik-Shop-Besitzer wird überraschenderweise von Hans Paetsch gesprochen, der einiges über Geister berichtet. Was soll ich sagen, man wartet nur darauf, daß er loslegt: „Hui-Buh ist ein Gespenst, mit einer rostigen Rasselkette!“
Kurzum, das Klorakel kann man sich schenken. New York, I'm going.
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#479
Geschrieben 01. Juli 2007, 11:03
Everett McGill („Big Ed“ aus TWIN PEAKS) spielt einen fürchterlich entstellten Seemann, der wegen seines bizarren Äußeren von allen nur „Der Leguan“ genannt wird. Eines Tages wird er von seinen Vorgesetzten (darunter Fabio Testi und Jack Taylor) gezüchtigt, was er ihnen verargt. Er sucht das Weite und läßt sich auf einer kleinen Insel nieder, die er nun als sein Eigentum beansprucht. Andere Schiffbrüchige nimmt er in seinen Hofstaat auf, regiert sie aber mit eiserner Hand. Als die schöne Carmen auftaucht, wird der Fall etwas komplizierter...
Monte Hellman ist ein sehr ungewöhnlicher Mann. Seine Karriere begann der freundliche Hippie bei Roger Corman, für den er u.a. den superbilligen BEAST FROM HAUNTED CAVE herstellte. Zu seinen Glanzleistungen gehören die Western RIDE IN THE WHIRLWIND und THE SHOOTING. TWO-LANE BLACKTOP (an anderem Ort besprochen) stellt für mich sogar eines der ungekrönten Meisterwerke des „road movie“ dar. Was ist passiert? Als ich ihn irgendwann mal kennenlernte, präsentierte er auf einem Filmfestival seinen Slasher SLIENT NIGHT DEADLY NIGHT 3, in dem ein Irrer mit einer Art Goldfischglas auf dem Kopf Leute killt. Das Publikum war überfordert und benahm sich recht ungebührlich, wie ich leider sagen muß, denn selbst wenn der Film lutscht, hat man sich einem anwesenden Regisseur gegenüber artig zu verhalten, finde ich mal so. THE IGUANA wird allgemein mit 1988 veranschlagt, wenngleich ich mutmaße, daß er wohl einige Jahre früher entstanden sein muß. Michael Madsen (der eine kleine Nebenrolle hat) sieht noch richtig dünn aus, und RESERVOIR DOGS wäre dann ja nicht wesentlich später entstanden. Auch McGill macht den Eindruck, als sei der Film nicht allzu lange nach AM ANFANG WAR DAS FEUER entstanden. Wann auch immer IGUANA gedreht wurde, er hätte definitiv ein paar Mark mehr vertragen können, denn Hellmans gotisches Melodrama macht den Eindruck von besserem Schülertheater, das nach den Sternen greift. Die Story ist recht interessant und wird mit heiligem Ernst präsentiert. „Der Leguan“ ist ein knallharter Menschenfeind, der wegen seines Aussehens sein Leben lang nur gehänselt worden ist. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie grausam und mitleidlos die Menschen sein können. So hat er sich dazu entschlossen, eine Alternativgesellschaft zu gründen, mit sich selbst als unangefochtenem Herrscher. Moralische Werte kümmern ihn einen Dreck. Er will nicht mehr geliebt werden. Was den Zugang zum Film etwas erschwert, ist der Umstand, daß es eigentlich überhaupt keine sympathischen Charaktere gibt. Fabio Testis gutaussehender Schiffskapitän ist sowieso ein Vollasi, aber auch die Opfer vom „Leguan“ werden als sehr ambivalente Figuren gezeichnet. Ein junger Schiffsschreiber etwa, der wohl so etwas wie die Liebe zur Kunst (und somit Moral & Ethik) repräsentieren soll, rasiert seinem besten Freund die Rübe ab, als es hart auf hart kommt. Die schöne Carmen wird vom „Leguan“ brutal vergewaltigt, aber dann gefällt ihr das eigentlich ganz gut, da ihr die „gute“ Gesellschaft auch nichts geben konnte. Damit solche komplizierten Charakterzeichnungen aber funktionieren können, braucht man ein wesentlich besseres Drehbuch und vor allen Dingen mehr Geld. Im vorliegenden Fall wirkt die Vergewaltigungsszene nur schmierig und Carmen nicht wie eine komplexe Figur, sondern wie eine kleine Sau, die es halt mal richtig ruppig will. Nicht sonderlich hilfreich sind diverse Exploitation-Zutaten (Nacktszenen, einige Sadismen), die den Film irgendwo zwischen Sleazer und ernstgemeintem Charakterdrama stromern lassen. Det Janze basiert auf einer Vorlage des spanischen Bestsellerautors Vázquez Figueroa, in dessen Sklavendrama MANAOS Fabio Testi ebenfalls zugegen war. Unterm Strich ist der Film nicht wirklich ernstnehmbar und leidet unter seiner Unausgewogenheit. Für einen richtigen Sleazer hätte man eindeutig mehr Gas geben müssen, und es wird einfach recht langweilig, wenn man pausenlos Leuten in Pluderklamotten dabei zuschaut, wie sie auf dem felsigen Eiland herumkrauchen. An einer Stelle (der völlig unerwarteten Einblendung „Monate später“) habe ich sogar laut gelacht. Daß sich Hellman vom Projekt eindeutig mehr versprochen hatte, belegt schon das tragische Ende, aber funktionieren tut der Film leider hinten und vorne nicht. Schade.
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#480
Geschrieben 03. Juli 2007, 15:10
Endlich auch mal gesehen.
Tja, ich verneige mein Haupt in Demut und verleihe dem Film den Goldenen Ingwerkeks! Das indonesische Kino ist ja schon immer ein nie versiegender Quell der Erbauung gewesen. Während man in Europa selten Dezenz walten ließ, wenn es darum ging, amerikanische Erfolgsmuster nachzuäffen, gewannen die südostasiatischen Übungen in Ripofferitis durch eine freizügige Einbeziehung heimischer Legenden und eine geradezu kindliche Freude an Jux & Dollerei. Dramaturgischer Zusammenhalt und narrative Logik nehmen auf der Hinterbank Platz, wenn es um die Magie des Kinos geht. Film ist ja in erster Linie ein visuelles Medium, das seine Kraft aus dem reichen Schatz der menschlichen Wünsche und Begierden bezieht. Wer sich jemals gewünscht hat, eine Discoschlampe zu sein, die mit einer Uzi wild um sich ballert, der wird bei diesem Film sein Halleluja finden.
Tania Wilson ist eine amerikanische Frau, die in Djakarta (oder, ahem, den Vereinigten Staaten, vielleicht auch Dinkelsbühl...) ihre anthropologischen Studien betreibt. Ein besonderes Interesse legt sie für die Legende der Südseehexe an den Tag, einer überschminkten Schnalle, die Männern mit ihrer Mumu den Pipimann abknipsen kann. Die erste Szene ist so eine Art Prolog, in der man die Hexe bei Freiübungen mit ihrem hundertsten Ehemann erleben kann. Jener aber klaut ihr die Schlange, die ihr unten rauskriecht, was leicht fällt, da sich die Schlange in einen malayischen Kris verwandelt, einem Dolch also. Hexe ist böse und verflucht den weißen Teufel bis ins letzte Glied. Tatsächlich ist Tania nämlich die Großenkelin des bösen Gemahls, und ihr Interesse kommt somit nicht von ungefähr. Und haste nicht gesehen – sie wird vom Geist der Südseehexe besessen, verwüstet ein Hotelzimmer (komplett mit eingebauter Luxusbar – toll, wie Anthropologen so leben!) und schafft sich eine schnieke Ledermontur an. Männer haben fortan nicht gut lachen im Land der Mandelaugen, und auch Frauen geht es an den Dutt. Der Lady-Terminator (hust!) leistet ganze Arbeit...
Die Hauptdarstellerin hat ihren Job auf einer sehr simplen Grundlage bekommen, und den sieht man nur, wenn sie sich auszieht. Als Anthropologin ist sie in etwa so glaubhaft wie Kelly Bundy als Präsidentin der Vereinigten Staaten, aber so wurde Sternenglanz für einen Moment greifbar. Sie schaut auch wirklich fesch aus, wenn sie in schwarzem Leder durch die Innenstadt zieht und wahllos Leute abballert. Die diesbezüglichen Set Pieces sind lang, ausgewalzt und auf eine eher belustigende Weise blutrünstig. Es gibt einen Shootout in einer Disco, wo die gruselig geschminkte und sehr unsympathische Nebenheldin einen lausigen Nachtklubauftritt absolviert. Schon hier muß man darauf hinweisen, daß der Film ein Kind seiner Zeit ist und das modische Grauen der späten 80er kolportiert, nur noch etwas gröber, als man dies aus schrecklichen Zeitdokumenten wie PERFECT mit Jamie Lee Curtis gewohnt ist. In der indonesischen Variante tragen die Aerobic-Schnepfen Schweißbänder von schillernder Farbenpracht, und die Discotrullen haben Fick-mich-Frisuren, deren Haltbarkeit unbestritten ist. Das Make-Up der weiblichen Protagonisten spottet jeder Beschreibung. Wir erinnern uns an die tollen Masken, die bei dortigen Tempeltänzen für Hallo sorgen – na ja, die in einer Sex-Variante eben. Der Held des Filmes ist ein weißer Polizist namens Max McNeal, dessen Büro geräumiger ist als das des Polizeipräsidenten. Seine Kumpels schwafeln die ganze Zeit über Tönjes, was auch von der Synchro unterstützt wird, die sich auf gutem Drittkläßlerniveau bewegt. („All three victims died with their cocks bitten off. Could be a small animal...“) Es wimmelt vor unglaublichen Szenen. Nachdem die Hexe aus dem Meer gestiegen ist, trifft sie am Strand auf zwei betrunkene Schmierbeutel. Der eine ist gerade am Schiffen und pinkelt dabei etwa eine halbe Minute unaufhörlich mitten in die Kamera, einmal sogar – wenn ich richtig gesehen habe – sich selber ins Gesicht! Tom Cruise, übernehmen Sie, haha... Beim Überfall auf das Polizeipräsidium (in dem sich nächtens ungefähr zweihundert Leute herumtreiben) kommt ihr auf einmal ein greiser Honsel in die Quere, der von ihren Großkalibergeschossen nicht getroffen werden kann, da er sich einen grünen Edelstein aus dem Kaugummiautomaten vor die Omme hält. Sie saugt den Stein mit ihren magischen Kräften davon und ballert dem Senioren die Eier weg. Soviel zur Würde des Alters. Der Stein fliegt ihr blöderweise mitten ins Auge, und obwohl das bei ihr scheinbar nur zu einem milden Hautausschlag führt, schneidet sie sich aus lauter Langeweile das Auge raus, hält es kurz unter den Wasserhahn und setzt es wieder ein. Die TERMINATOR-Reminiszenz gewinnt an Reiz durch den Umstand, daß sie sich die ganze Zeit über am linken Auge herumfummelt, den Augapfel in der abschließenden Einstellung aber rechts einsetzt. Was Anschlußfehler angeht, ist das ein ziemlicher Knüller, würde ich mal sagen!
Regisseur H. Tjut Dalil (auch bekannt als „Dalil Jackson“!) zeichnete auch verantwortlich für den recht ungeheuerlichen MYSTICS IN BALI, in dem es u.a. eine Hexe gibt, deren Kopf sich vom Rumpf trennt und dann mit herumschlotternden Eingeweiden unten dran durch die Gegend fliegt. Auch geht ein „Jaka Sembung“-Film mit Barry Prima auf sein Konto. LADY TERMINATOR gehört zu jenen Partyfilmen, deren Charme wohl so ziemlich jedem aufgehen muß, der ihn kuckt, vor allem in gleichgesinnter Gesellschaft. Da kann man der Familie zu Hause was berichten! Ich habe auf jeden Fall Tränen gelacht und andauernd gejohlt, was wohl so eine Art Erfolgsmeldung ist, für den Film zumindest...
Bearbeitet von Cjamango, 03. Juli 2007, 15:14.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
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