Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen
#211
Geschrieben 06. Juni 2005, 07:45
Ruhiger, aber sehr verstörender Film über den authentischen kanadischen Sektenführer Roch Thériault, der in den 80ern einen Manson-artigen Kult um sich scharte und mit den von ihm abhängigen Menschen Schindluder anstellte. Eine junge Angestellte einer Kinderschutzorganisation (Polly Walker) kommt dem Treiben des bärtigen Herrn, den seine Anhänger „Moses“ nennen, auf die Schliche. Da er über ein ausgeprägtes Charisma verfügt, gelingt es dem Guru, den Behörden seine Hippie-Fassade zu verkaufen. Doch als die Protagonistin zu stochern beginnt, treten namenlose Abscheulichkeiten zutage...
Mario Azzopardi begann seine Karriere mit dem immens blutrünstigen, aber nicht uninteressanten Horrorfilm DEADLINE. Danach arbeitete er hauptsächlich für das Fernsehen, machte aber gelegentlich für die große Leinwand intendierte Ware. SAVAGE MESSIAH macht zumindest optisch den Eindruck einer TV-Produktion, was ihm in diesem Fall aber durchaus zum Vorteil gereicht. Die unspektakuläre Erzählweise führt dazu, daß man dieses auf authentischen Vorfällen beruhende Drama umso ernster nimmt, und die sparsam eingesetzten Greuel sind eindeutig nichts für das Nachmittagsprogramm des Bayerischen Fernsehens. Die relativ renommierte Polly Walker spielt exzellent und hat in dem Franko-Kanadier Luc Picard einen Widersacher, der an harmlos scheinender Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen ist. Habe nicht viel erwartet, wurde aber sehr angenehm überrascht.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#212
Geschrieben 06. Juni 2005, 19:36
Umweltschützer Dr. Robert Verne (Robert Foxworth) und seine schwangere Frau Maggie (Talia Shire) begeben sich nach Maine, weil dort der Drehbuchautor dieses Filmes wohnt und die Regierung ein Gesundheitsgutachten haben will. Nein, halt, das war ganz anders: Das Gesundheitsgutachten gilt Mutter Natur, da es Gerangel zwischen den dort ansässigen Indianern und einer Papiermühle gibt. Wie Foxworth recht bald herausfindet, leitet die Mühle quecksilberhaltige Abfälle ins Wasser, was zu genetischen Mutationen führt. So sehen viele neugeborene Indianer aus wie Robert Foxworth, will sagen: wie eine Dose Leberkleister, und auch Riesenwuchs wird bald zu einem Problem. Kaulquappen so groß wie Dackel werden angeschwemmt, und auch riesige Lachse machen auf sich aufmerksam. Das wäre aber alles noch nicht halb so schlimm, würde nicht auch noch ein fünf Meter großer Bär mit Narben im Gesicht herumwüten...
Weia! Während es mich in Filmen wie Bill Rebanes ANGRIFF DER RIESENSPINNE oder William Girdlers PANIK IN DER SIERRA NOVA nicht übermäßig stört, wenn hanebüchener Lötzinn verzapft wird, so dauert mich das bei John Frankenheimers PROPHECY doch sehr. Einen richtig schlechten Film hat Frankenheimer – sieht man einmal von DNA ab, den Richard Stanley begonnen hatte – eigentlich noch nicht gemacht. Dafür gehen zahlreiche routiniert gefertigte Unterhaltungsfilme auf sein Konto, und im Falle von BOTSCHAFTER DER ANGST, SIEBEN TAGE IM MAI oder SECONDS wird sogar der Tatbestand der Brillanz gestreift. Es ist aber fraglich, ob selbst ein Hitchcock aus dem völlig dummbatzigen Drehbuch von David Seltzer (DAS OMEN) etwas Sehbares hätte zusammenwerkeln können. Es stinkt in allen Ecken. Zuerst einmal die Prämisse: Wie kann man eine ernsthafte Öko-Botschaft mit einem stinknormalen Monsterheuler verknöpern und erwarten, daß daraus mehr wird als eine Trashkanone? Sicher, geliebäugelt wird in den meisten Tierhorrorfilmen im Gefolge von DER WEISSE HAI damit, aber so ins Zentrum gerückt wie in PROPHECY wurde es bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht, und das war wohl auch ganz gut so... Robert Foxworth war hier noch etwas von FALCON CREST entfernt, ist als gewidmeter Umweltschützer mit stinklangweiligen Eheproblemen aber komplett katastrophal. Ihm gehören die schönsten unfreiwillig komischen Momente des Films und die mit Sicherheit gruseligste Frisur. Die mausige Talia Shire (Schwester von FF Coppola) ist eine typisch empfindliche Opferlamm-Frau der Shelley-Duvall-Schule – man möchte ihr andauernd in die Fresse hauen! Wenn man schon keine passablen Helden hat, muß man wenigstens ein paar ordentliche Monster auffahren, richtig? Richtig, und die paar mißgestalteten Tiere aus der Werkstatt von Tom Burman (der seine Kunst bei Carpenters THE THING in den Dienst eines wesentlich besseren Filmes stellen durfte) sind auch das einzige, was an PROPHECY einigermaßen gelungen ist. Die Spannungsszenen mißlingen hingegen völlig, da schlecht getimed. In einer Sequenz gibt es falschen Alarm, als auf einmal der debile Indianeropa im Bild erscheint, kollektives Aufatmen, dann: AGRRAAAH, Meister Petz stößt durch den Tann! Der Großteil des Filmes geht drauf für lahmes Gekrauche und Banalitäten des Ehealltags. Die Musik ist völlig überemphatisch und versieht jeden Busch mit seinem eigenen Thema. Die Schönheiten von British Columbia (wo der Film gedreht wurde) werden selbst in spannend gemeinten Sequenzen völlig überwertig ins rechte Licht gerückt. Der Schlußtwist (kurz vor dem Abspann) ist in seiner Dreistigkeit schon atemberaubend. Nö, dies hier ist die einzige veritable Gurke, die ich von Frankenheimer gesehen habe, da gibt es nichts, und in Anbetracht des Budgets ist es schon bedauerlich, daß selbst die Monsterschlocker von Bert I. Gordon deutlich besser waren...
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#213
Geschrieben 07. Juni 2005, 15:58
Ist mir jetzt eigentlich peinlich, aber auch dieser Larry-Clark-Film hat mir ziemlich gut gefallen...
Bobbie und Rosie, ein junges Paar, geraten an den Junkie und Profigangster Mel (James Woods), der mit seiner gleichfalls drogensüchtigen Freundin Sid (Melanie Griffith) rumhängt. Bobbie ist von der Straßenschläue und der gewieften Überlebensstrategie des Älteren beeindruckt und wähnt sich als der nächste Jesse James. Unglücklicherweise läuft es im Leben manchmal ganz anders, und so geht die Spritztour nicht ohne derbe Verluste vonstatten...
ANOTHER DAY IN PARADISE ist die Verfilmung des stark autobiographisch gefärbten Buches eines Ex-Junkies und -Gangsters. Da Larry Clark ein Realist ist, werden alle Flausen in punkto glamouröses Desperadotum ausgetrieben. Das bedeutet: Es wird exzessiv viel geflucht, die Gewalt ist eruptiv und sehr massiv (soll angeblich geschnitten sein; ist mir aber nix aufgefallen), und alle Charaktere befinden sich ständig an der Grenze zur Hysterie. Während in Clarks erstem Film, KIDS, die Ziellosigkeit von Kindern im Mittelpunkt stand, meinen hier die Figuren ständig, der Steuermann ihres Geschicks zu sein. Ein gefährlicher Irrtum, wie sich herausstellt - der kleinste Fehler kann das Kartenhaus zum Einsturz bringen. Das ganze Große-Eier-Getue ist im Grunde genommen nur Ausdruck der Angst vor dem kompletten Absturz. Die beiden jungen Darsteller und die beiden älteren Darsteller machen das ganz vorzüglich, obwohl ich mir vorstellen kann, daß der Film auf deutsch arg verliert. (Ich habe nur kurz in die deutsche Synchro reingehorcht - klang nicht so überzeugend.) Wer James Woods mal richtig abgehen sehen will, hat hier Gelegenheit dazu. Dickes Plus auch der exzellente Score. BULLY ist immer noch mein Favorit unter den Clark-Filmen. KEN PARK harrt noch seiner Sichtung. Vielleicht sollte ich mir erst einmal den TV-Film TEENAGE CAVEMAN ansehen. Wenn ich den nun auch noch gut finde, bekomme ich mit Fabse sicher Probleme...
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#214
Geschrieben 07. Juni 2005, 23:39
So, den OTHELLO möchte ich nur kurz hinterherschieben, und das nicht aus rassistischen Gründen, sondern weil ich ihn schon vor ca. 2 Wochen gekuckt habe, ihn aber nicht verkommen lassen möchte...
Wie schon sein MACBETH, so stellt auch Orson Welles´ OTHELLO eine geraffte Interpretation des Stückes dar. Neu ist auf jeden Fall, daß Welles den Film komplett an Originalschauplätzen gedreht zu haben scheint, was zu der ans Phantastische gemahnenden Stilisierung von MACBETH in krassem Gegensatz steht. Welles gibt den Mohr von Venedig als simplen Haudrauf, dem höfische Ränkespiele völlig fremd sind. Er ist es gewohnt, mit offenem Visier zu kämpfen. Direktheit ist seine Natur. So ist er ein perfektes Opfer für den mißgünstigen Jago, der ihn mit dem Gift der Eifersucht infiziert, was dann zu den hinlänglich bekannten Resultaten führt.
Sehr eindrucksvoll und mit Sicherheit formal sehr ungewöhnlich für Literaturverfilmungen damaliger Jahre, die von künstlichen Landschaften und "Soundstages" nicht lassen mochten. Bei Welles´ Kameraführung wackelt so einiges, das Chiaroscuro erinnert an die Film Noirs der Zeit. Als einziges Manko bei dieser sehr spannenden Adaption empfand ich den Darsteller des Jago, der so tuckig ausschaut, daß man ihm die sündige Zuneigung zur holden Desdemona nicht ganz abnimmt. Eher vermutet man, er könne es auf ihre Garderobe abgesehen haben...
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#215
Geschrieben 08. Juni 2005, 00:07
Und jetzt kommt ein schlechter Film, der – wie im Kreise von Gleichgesinnten erprobt – Frohsinn schaffen kann: TEENAGE MONSTER von Jacques Marquette.
Ende des 19. Jahrhunderts kommt es im „Wilden Westen“ zu einer seltenen Szene: Eine Wunderkerze (die einen Meteoriten darstellen soll!) bruchlandet vor der Mine eines braven Goldschürfers. Der Schürfer überlebt das Ereignis nicht, aber sein minderjähriger Bube schon. Leider hat der Junge einen bleibenden Schaden erlitten: 7 Jahre später ist er ein debil sabbelnder Hampelmann, der aussieht wie der Opa von Grizzly Adams. Eigentlich müßte er hier ungefähr 16 Jahre alt sein. Es handelt sich aber ganz offensichtlich um einen Mann in den „besten Jahren“ (also um die 50!), und da seine Mutti eine treue Seele ist, hält sie ihn in einer Höhle versteckt. Gelegentlich kommt Bubi auch mal aus der Höhle raus und metzelt unschuldige Beiständer. Wenn er im Haus ist, hält er sich vorwiegend in seinem Schlafzimmer auf. Das ist ein Raum, den wir in diesem 70-Minuten-Werk sehr häufig zu sehen bekommen. Toll an den Schlafzimmer-Szenen ist allerdings, daß konsequent eine Art Preßpappe vor die Kamera gehalten wird, die wohl irgendwelche Lampen oder sonstige moderne Paraphernalien an der Zimmerdecke kaschieren soll. Das funktioniert auch ganz prächtig, besonders, wenn sich die Tür öffnet und der obere Teil der Tür einfach hinter der Pappe verschwindet! Sehr unauffällig, möchte man meinen. (Manchmal, wenn der Bubi besonders hektisch zappelt, verschwindet auch der obere Teil seines Kopfes!) Mutti bekommt sehr bald Schützenhilfe von der jungen Kathy, die sich als Gouvernante für den 2 Meter großen und stark behaarten Teenager verdingt. Da die Lenden des Jünglings vom Frühlingstaumel erfaßt werden, kommt es fast zu einem Übergriff. Glücklicherweise taucht Mama auf, die das Schlimmste verhindert. Allerdings läuft die Angelegenheit aus dem Ruder, als Kathy gierig wird und Schweigegeld verlangt...
Daß Jacques Marquette als Kameramann u.a. Roger Cormans A BUCKET OF BLOOD fotografiert hat (und an zahlreichen anderen Horror- und SF-Filmen mitgewirkt hat), mag man ob dieses skurrilen Mottenfifis kaum für möglich halten! Neben den bereits geschilderten Schlafzimmerszenen gibt es noch unglaublich unvorteilhaft geschossene Wohnzimmerszenen, in denen vor allem der Kaminsims im Gedächtnis haften bleibt: Teller, Saucière, Teller. Die Vorhänge sind auch sehr lustig. Was die Schauspielerführung angeht, so haben sich die Akteure wohl alle keine Illusionen über den Weg gemacht, den TEENAGE MONSTER gehen sollte und schlafwandeln entweder durch ihre Rollen oder chargieren über. Letzteres gilt besonders für das Titelmonster, dessen Gebärden und Grunzlaute auf unangenehme und sehr geschmacklose Weise an einen geistig Behinderten gemahnen. Da auch Sexualität einige Male angedeutet wird, handelt es sich hier wohl um einen frühen Sleaze-Horror-Western. Die Vermengung von Horror und Wildwest ist zum Glück nur sehr selten vorgekommen, besonders in William „One-Shot“ Beaudines bodenlosen BILLY THE KID VS. DRACULA und JESSE JAMES MEETS FRANKENSTEIN'S DAUGHTER. (Stöhn!) Auch der ein klein wenig bessere CURSE OF THE UNDEAD hat nicht wirklich Filmgeschichte geschrieben. TEENAGE MONSTER (der ursprünglich METEOR MONSTER heißen sollte; passender wäre aber MONGO – HÖLLENFAHRT NACH SANTA FE gewesen!) ist eine wirklich bizarre Gurke, die für Freunde des bizarren Kinos durchaus ihre Reize besitzt.
P.S.: Das Makeup des Titelzottels stammt übrigens von Jack P. Pierce, der mal Universals Chef-Makeupper war, bis er von Bud Westmore abgelöst wurde. Pierce hat u.a. Karloffs berühmtes Monster-Makeup in FRANKENSTEIN entworfen. Was ist passiert?
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#216
Geschrieben 08. Juni 2005, 10:07
Der ehemalige KZ-Kommandant Meineke trifft in der amerikanischen Provinzstadt Harper in Connecticut ein. Ihm folgt ein gewisser Wilson (Edward G. Robinson), der für das Büro für Kriegsverbrechen arbeitet. Wilson hofft, daß Meineke ihn zu Franz Kindler führt, einem der wichtigsten Endlösungs-Strategen. Wie sich herausstellt, ist Kindler unter dem Namen Rankin (Orson Welles) abgestiegen und verdingt sich als Geschichtslehrer. (!) Seinen Status als angesehenes Mitglied der Kleinstadtgemeinde will Rankin durch eine Heirat mit der Tochter (Loretta Young) des ortsansässigen Richters festigen. Diese ist es dann auch, die ihren harmlos scheinenden Gatten ans Messer liefern soll. Doch sie glaubt nicht, daß ihr Mann ein Ungeheuer in Menschengestalt ist. Das bringt sie in Lebensgefahr...
Kurz nach Kriegsende gab es zahlreiche Unterhaltungsfilme, die von untergetauchten Nazis handelten. Der berühmteste von diesen ist sicherlich Hitchcocks NOTORIOUS, in dem Claude Rains (außer in der ursprünglichen deutschen Kinofassung!) die Springerstiefel im Schrank stehen hat. Ein paar Jahre später galt Hollywoods Paranoia freilich ganz anderen Schurken. Dann sollten es nämlich die Kommunisten sein, die die amerikanische Wirklichkeit aushöhlen. Orson Welles verarbeitet das Thema des Schurken in der Maske eines Biedermannes in Form eines klassischen „Film Noirs“, der allein schon durch seine kontrastreiche Schwarzweißfotografie klarstellt, daß der vermeintliche Frieden ein trügerischer ist. Dabei betont er die Psychologie des Verbrechens, die dem Täter keine Ruhe gönnt – in irgendeiner Form tritt die geleugnete Schuld immer an die Oberfläche. Am sinnfälligsten wird das aufgezeigt in einer kleinen Szene, in der Welles telefoniert und dabei unbewußt ein Hakenkreuz an die Telefonzelle malt. Als ihm klar wird, was er da gerade treibt, macht er aus dem Kreuz schnell ein Haus... Loretta Youngs treue Ehefrau will zu ihrem Mann halten, will den Lügen glauben, die er ihr auftischt, aber das Verdrängte läßt sich schließlich nicht mehr verleugnen, da zu viel auf die Schuld ihres Gatten hindeutet. Am Schluß taucht sogar Justizia herself auf (im wortwörtlichsten Sinne!) und sorgt für Gerechtigkeit. Ein spannender Noir mit einigen exzellenten visuellen Einfällen.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#217
Geschrieben 10. Juni 2005, 13:17
Jetzt habe ich ganz vergessen, etwas zum dritten Teil zu schreiben – Schande über mich! In mancherlei Hinsicht fand ich den sogar besser als den ersten; temporeicher war er allemal. Zudem war das Heim für gestörte Jugendliche als Schauplatz damals noch nicht das Klischee, das es nach GIRL, INTERRUPTED werden sollte – sogar einige Horrorfilme tummelten sich dort seitdem. Teil 3 tat jedenfalls sein Bestes, um die katastrophale Ignoranz des zwoten Teils auszubügeln und bastelte die Regeln, an die sich alle weiteren Filme der Serie halten sollten. Er hat die große Marionetten-Szene im Angebot, Zsa Zsa Gabors fulminanten Kurzauftritt und ein insgesamt befriedigendes Ende, das denn ja keines ist...
Teil 4 wurde vom Finnen Renny Harlin besorgt, und auch wenn das Schnittmuster der Serie hier endgültig diktierte, daß die Handlung um die Spezialeffekte herumgestrickt wurde, so fielen jene zumindest ausgesprochen anständig aus. Es gibt einen sehr hübschen Tod im Wasserbett, ein Schulklo, das zu einem Fahrstuhl wird, und eine sehr eklige Szene mit Hanteln und Käfern. Außerdem hat man Gelegenheit, Freddy in Frauenkleidern und –makeup zu sehen, was hoffentlich niemanden in seiner geschlechtlichen Ausrichtung verwirrt hat... Die Story stammt bizarrerweise von William Kotzwinkle, Autor des feinen Romans „Fan Man“, und das Drehbuch dürfte eine der ersten Arbeiten von Brian L.A. CONFIDENTIAL Helgeland gewesen sein, der hier mit den mit dem Horrorgenre bestens vertrauten Wheat-Brüdern zusammengearbeitet hat. Einziger echter Runterzieher sind die lausigen Pop-Songs, die in den ansonsten stark vom ersten Teil beatmeten Soundtrack eingewoben wurden. Wenn ich mich recht entsinne, begann hier die Tradition, nicht ein, sondern gleich zwei Soundtrack-Alben herauszubringen – eines mit dem Instrumental-Score und eines mit den Songs. Da fällt die Wahl leicht... Insgesamt stellt Teil 4 ein befriedigendes „Malen nach Zahlen“ dar, das bekanntes Terrain beackert und den Zuschauern das gab, was sie mehrheitlich wohl sehen wollten. Nicht viel, aber das dafür recht anständig.
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#218
Geschrieben 14. Juni 2005, 01:58
Als ich hörte, Tobe Hooper drehe eine Neuverfilmung von DER BOHRMASCHINEN-KILLER, dachte ich nur: „Herzlichen Glückwunsch!“ Beim 1978 entstandenen TOOLBOX MURDERS handelte es sich um ein singulär schmieriges Stück Exploitation, das wie eine Art Vorstudie zu Abel Ferraras DRILLER KILLER oder Bill Lustigs MANIAC wirkte. In punkto Misanthropie fiele einem noch der morbide DAS HAUS DER LEBENDEN LEICHEN ein. TOOLBOXens Plot war denkbar simpel und ließ Cameron Mitchell seinen ganzen Werkzeugkasten durchprobieren, zum Leidwesen so mancher Schönheit. Davon eine Neuverfilmung?
Hooper – dessen beiden letzten Filme, LIVING NIGHTMARE und THE MANGLER, ziemliche Gurken waren (und CROCODILE...na ja!) – stand mit seinen besten Filmen für eine Art von körperlichem Horror, die in den 70er Jahren den eher psychologisch orientierten klassischen Horror ablöste und stark geprägt war von einem Bewußtsein des Schreckens, das in Form von Kriegsberichten und anderen Greueln per Fernsehschirm in alle Wohnzimmer gelangte. Was einstmals wohlig gruselte, wirkte angesichts der sehr realen Bedrohungen antiquiert. In den 80ern hätte der Regisseur dem aerobic-gestählten Schönheitswahn und Perfektionszwang wunderbar seine ganz eigene Vorstellung von Körperlichkeit entgegenhalten können, doch nach dem Spielberg-Film POLTERGEIST und dem ironisch gebrochenen TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 kam da lange Zeit erst einmal gar nichts. Mit seinem eigenen TOOLBOX MURDERS nun holt er das Versäumte nach – radikal und effektiv.
Die Story handelt von dem jungen Paar Nell und Steven, das in ein heruntergekommenes Appartmenthaus einzieht. Der Kontakt zu den Nachbarn gestaltet sich als kompliziert, da in den umliegenden Wohnungen nur bizarre Exzentriker wohnen. Auch der Umstand, daß Nell die einzige ist, die mitbekommt, daß ein unheimlicher Mörder im Haus sein Unwesen treibt, will keine rechte Nestwärme aufkommen lassen. Da niemand der jungen Frau glauben will, muß sie ihre eigenen Nachforschungen anstellen. Und die führen zu überraschenden Resultaten...
Ein Haus ist ein Haus ist ein Haus: Das Drehbuch situiert fast den gesamten Film innerhalb des alten Gemäuers, das nur aus schäbigen Wohnquartieren, düsteren Korridoren und längst vergessenen Geheimgängen zu bestehen scheint. Von Dennis Donnellys TOOLBOX MURDERS übernimmt es gerade mal die Prämisse, um darum ein okkult angehauchtes Geflecht zu weben, das in etwa der Paranoia einer empfindsamen Neumieterin entspricht. Natürlich sollte man mit der Bewertung des Filmes auf dem Boden bleiben – ROSEMARY'S BABY isser nicht. Eher bewegt er sich auf den exzentrischen (und geschmacklosen) Spuren von Michael Winners HEXENSABBAT. Wohl aber ist dies der erste Hooper-Film seit langem, der ohne parodistische Bestrebungen und sonstige Notausgänge einfach mal eine saftige Terror-Story erzählen will und dies auch achtbar über die Rampe bringt. Hoopers TOOLBOX MURDERS ist ein überraschend düsterer Film, der sehr von seinem klaustrophobischem Schauplatz geprägt ist, und auch die soziale Schieflage der jungen Protagonisten (endlich: keine blöden Teenager-Bratzen!) wird glaubhaft geschildert. Angela Bettis (MAY!) ist eine ordentliche Hauptdarstellerin. Es gibt diverse Anklänge an TEXAS CHAINSAW MASSACRE und an THE FUNHOUSE, und wenn auch das Finale des Guten ein wenig zu viel tut, so ist es doch immerhin bemerkenswert enervierend. Tatsächlich dürfte der Film nach dem ersten TCM der wirkungsvollste Schocker sein, den Hooper bisher zustandebekommen hat. Dabei packt er gelegentlich die ganz derbe Blutgrätsche aus, und einige „shock cuts“ bleiben nicht ohne Wirkung. Einen Subtilitätspreis hat sich der Mann aus Texas nicht verdient, aber wer sich ordentlich durchschütteln lassen möchte, kommt hier auf seine Kosten. Da die englische Fassung leider nicht gut abgemischt war (leise Dialoge, laute Geräusche, lauter Score), war ich gezwungen, auf die deutsche Tonspur auszuweichen, aber die ist immerhin akzeptabel synchronisiert. Tja – ich habe kompletten Murks erwartet und war wirklich beeindruckt. Ein kleiner, ruppiger Paranoia-Schocker mit Fangzähnen – nichts für zarte Nerven!
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#219
Geschrieben 16. Juni 2005, 14:22
Ich hatte mir fest vorgenommen, wieder häufiger ins Kino zu gehen.
Der erste Film, der diesem Vorsatz förderlich sein sollte, war das Remake von THE AMITYVILLE HORROR (1979). Wir erinnern uns: Familie Lutz zieht in ein neues Haus, familiäre Probleme und übernatürlicher Schnokes verbinden sich und schaffen dicke Luft, und am Schluß bricht die Hölle los. „Die Hölle“ bedeutete in dem alten Film ein Überangebot an Fliegen und roter Saft, der aus der Wand herauskommt. So etwas hatte ich auch schon einmal. Das ist wenig mehr als gewöhnliches Mieterelend. Der Film – basierend auf einem „authentischen“ Fall – handelte das zwar honett, aber bieder und unspektakulär ab und schuf sich wenig Freunde. Was passiert, wenn Michael Bay den Stoff in die Finger bekommt?
Man lernt die Tugenden des Originals richtig schätzen – das ist, was passiert! James Brolin und Margot Kidder spielten im Original nämlich einigermaßen sympathische Figuren, und während man ihren ökonomischen Sorgen (die die übernatürliche Komponente ständig begleiten) durchaus folgen mag, so wird am Anfang des Remakes einmal kurz erwähnt, daß sich die Familie durch den Erwerb des Grundstücks vermutlich hoffnungslos überschuldet hat, aber dann wird das Thema fallengelassen zugunsten einer schlechten Imitation japanischer Geisterkinder-Filme. War die Degeneration von TV-Glattgesicht James Brolin zum aggressiven Arschloch im Original noch nachvollziehbar und zumindest zeilweise wirklich erschreckend, so stellt das Remake den Zuschauer einfach vor vollendete Tatsachen: Der fade Nettie vom Anfang benimmt sich auf einmal wie ein sadistischer Familientyrann. Das Resultat ist eher ein „Huch?“-Effekt als wirkliche Teilnahme an diesem familiären Problemfall. Was die Horroreffekte angeht, die im Remake vorhersehbarerweise hochgeschraubt werden, so fand ich sie ausgesprochen langweilig, da sie stets langwierig vorbereitet werden und die Aufmerksamkeit des Zuschauers ständig durch selbstzweckhafte Stil-Kaspereien (z.B. die Blubberblasen vor Herrn Lutzens Badewannen-Szene) abgelenkt wird. Im Original wird angedeutet, das Haus sei böse (wenn ich mich recht entsinne), aber im Remake wird dieser Aspekt noch ad nauseam ausgereizt, damit man einige Ekelbilder à la HELLRAISER reindonnern kann: Ein geisteskranker Pionierpriester hat arme Indianer zu Tode gefoltert. Schlimme Sache, ey. Insgesamt beweist der Film, daß seine Macher in erster Linie daran interessiert waren, oberflächlich eindrucksvolle Effekte zu zelebrieren, aber gerade in Geistergeschichten ist weniger manchmal mehr. Im Remake führt der Sensationsübergau manchmal zu fast komischen Szenen wie der Geschichte mit dem Außenbordmotor oder den sorgfältig benamsten Särgen, die Papa Lutz im Dachgestühl deponiert hat...
Der Schlußgag direkt vor dem Abspann ist dann der Todesstoß für einen Film, dem genau null am Erzählen einer fesselnden Geschichte mit glaubhaften Charakteren gelegen ist. Man bekommt einen Kessel Buntes geboten. Gegruselt habe ich mich bei dem ganzen Holterdipolter keinen Moment.
Auf der Rückfahrt habe ich dann noch ein Kaninchen überfahren, das mir vor das Auto gehoppelt kam. Dieses Kaninchen könnte noch leben, wenn ich nicht AMITYVILLE HORROR gekuckt hätte!
P.S.: Vorher gab es noch einen Trailer zu HOUSE OF WIX, der noch schlechter ausschaute. Schudder!
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#220
Geschrieben 18. Juni 2005, 00:40
"Hey, hast du Bock, den neuen Seagal zu sehen?" - "Jau, logo!"
Chris Cody (Seagal), Kommandant einer aus Gründen der politischen Raison in den Knast geworfenen Sondereinheit, bekommt mit seinem "dreckigen Dutzend" eine Chance zur Rehabilitierung. Ihr Auftrag führt sie nach Uruguay, wo ein moderner "Mad Scientist" eine diabolische Form von Gedankenkontrolle entwickelt hat, die aus normalen Menschen blutdürstige Killer machen kann. Nicht nur die Konzerne sind sehr an der Erfindung interessiert - auch die Geheimdienste kloppen sich um sie. Bevor es sich Cody & seine Mannen versehen, stecken sie mitten in einem Attentatskomplott...
Tja, was soll man dazu sagen? Da ist DAS DRECKIGE DUTZEND drin, ALARMSTUFE ROT (eine Viertelstunde in einem U-Boot, die dem Film wohl auch den Titel beschert hat), und THE MANCHURIAN CANDIDATE hat wohl auch seine Spuren hinterlassen. Anthony Hickox heißt der Regisseur, und der Vater von Anthony hat mit THEATER DES GRAUENS einen meiner persönlichen Lieblingsfilme zu verantworten. Anthony betätigte sich aber eher als B-Film-Spezialist und bastelte die beiden netten WAXWORK-Filme ebenso wie den grausigen dritten HELLRAISER und das Vampirdrama SUNDOWN. SUBMERGED ist inszenatorisch soweit ganz in Ordnung, wenngleich dem Drehbuch eine klarere Strukturierung gut angestanden hätte. Teilweise wußten ich und mein Ko-Kucker nicht wirklich, woher der Wind blies, und das lag nicht nur an unseren mangelhaften Englischkenntnissen! Die Handlung wechselt von einem Ort zum nächsten, und dies häufig ohne erkennbaren Grund. Warum mußte man dieses beknackte U-Boot einbauen? Wer bringt den Drehbuchautoren für diese preisgünstige Art von Actionklamauk mal bei, daß verworrene Handlungsabläufe NIE gut sind. Es ist immer von Vorteil, die Vorgänge klar zu strukturieren. Im Falle von Seagal könnte die Aufgabe nicht einfacher sein: Man nehme den Mann, schmeiße ihn in eine scharfe Actionkluft, lasse ihn mit zahlreichen Bösewichten aufräumen und seine coolen Sprüche nuscheln - den Fans (also auch mir) reicht das! SUBMERGED sieht immerhin besser aus als die meisten vorangegangenen Seagals, und er hat im Prinzip schon das Herz am rechten Fleck, doch in letzter Instanz wirkt alles irgendwie lustlos hingemuddelt, daß es gerade noch mal so geht. Der Film genießt den Vorteil eines ordentlichen Showdowns in einem Opernhaus während einer "Tosca"-Aufführung, und mit dem Briten Vinnie SNATCH Jones hat er auch einen sehr ordentlichen Schauspieler am Start. Doch eine Rückkehr zur alten Form - wie ich sie mir irgendwo erhofft habe - ist dies natürlich nicht. Wer schreibt Seagal endlich mal wieder ein ordentliches Drehbuch? Wenigstens so was wie THE GLIMMER MAN? SUBMERGED ist vertretbar, mehr nicht. Und um den Zopfmann aus seinem "direct-to-DVD"-Loch herauszuwursten, ist mehr vonnöten.
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#221
Geschrieben 21. Juni 2005, 22:18
Von Frank Oz (Miss Piggy, Fozzie-Bär) habe ich bisher noch gar keinen schlechten Film gesehen. Einige fand ich sogar richtig toll. Schade, daß sein jüngster Streich zwar wohlmeinend, aber ziemlich mißlungen ist. In punkto Satire hat der Oz nicht wirklich das Schießpulver erfunden, fürchte ich. Viel eher versteht er sich auf altmodische Gesellschaftskomödien, die – wie etwa TWO DIRTY ROTTEN SCOUNDRELS – auch gerne mit modernen Derbheiten versetzt sein dürfen. Humor hat er, keine Frage. Manchmal aber ist Humor schlimmer als Zahnweh.
THE STEPFORD WIVES basiert auf einem Roman von Ira Levin, dessen literarische Aktivitäten zu so unterschiedlichen Filmen geführt haben wie ROSEMARY'S BABY und THE BOYS FROM BRAZIL. Bryan Forbes´ 1975 herausgekommene Verfilmung behandelte (wenn ich mich recht entsinne) den Stoff eher als gesellschaftlichen Horror der leiseren Gangart, mit durchaus beklemmenden Untertönen. Bei Oz wird das als überdrehte Komödie dargeboten, deren satirische Absichten viel zu deutlich annonciert werden. Tödlich für eine Satire ist es aber, wenn sie bieder daherkommt, und das ist tatsächlich der Begriff, der sich mir während des Betrachtens aufgedrängt hat.
Es geht um eine frisch gefeuerte Karrierefrau, die mit ihrem Mann in eine reiche Wohngegend im Grünland von Connecticut zieht. Dort sind alle Menschen so sauber, daß man sich drin spiegeln kann. Mit „TV-Shop“-kompatibler Aggressivität wird eine andauernde Charade von Herzlichkeiten abgezogen, eingetunkt in die Idealvorstellungen der 60er Jahre, wie wohl eine glückliche Familie auszusehen hat. Wie sich bei Oz sehr bald herausstellt, ist das Idyll ein trügerisches: Alle Frauen sind von ihren Männern zu Robotern gemacht worden, um ihren größtmöglichen Nutzwert in Küche und Bett zu gewährleisten. Nun droht unserer Protagonistin ein ähnliches Schicksal...
Tja, die große Enthüllung, die bei Forbes erst am Ende stattfindet, wird von Oz bereits im ersten Drittel getätigt. Womöglich war das auch gar nicht mal dumm, da der Schrecken der Entmenschlichung in konformismushörigen Zeiten wie den unsrigen vielleicht beim Zuschauer nicht mehr wirklich gezündet hätte. Stattdessen erlaubt sich Oz viel Schabernack und zeigt genüßlich Spießermonster auf Spießermonster, und das an Schauplätzen, die mit der Realität so viel gemeinsam haben wie die Bonbonfarben-Welten von John Waters oder Tim Burton. Dumm nur, daß sich der Effekt alsbald abnützt – irgendwann hat man den Kasus einfach mal kapiert. Wenn der Film nach 70 Minuten zu Ende gewesen wäre, hätte ich den Film noch immerhin nett gefunden, denn einige Späße sind ganz drollig, und Glenn Close macht ihre Sache wirklich gut. Leider gefiel es dem Drehbuchautor der neuen Version, ein albernes Happy-End anzutackern, das nun mal wirklich gewaltsam erscheint und wie ein Versuch wirkt, den düsteren Pessimismus der alten Version auszutreiben. Das hat mir auch den letzten Rest Begeisterung ausgetrieben. Nee, da war der Oz wirklich nicht der richtige Mann am richtigen Platz, muß ich leider sagen...
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#222
Geschrieben 22. Juni 2005, 13:44
Bei all den vielen Kfz-Mechanikern, die es auf dem Erdball gibt, müßte TWO-LANE BLACKTOP eigentlich einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten sein...
Ich hatte gar nicht mehr in Erinnerung, daß der Film so gut ist.
Die beiden Musiker James Taylor und Dennis Wilson (Drummer der Beach Boys) spielen zwei langhaarige junge Männer, die in ihrem 55er Chevy durch die Gegend gurken und gelegentlich an Privatrennen teilnehmen. So finanzieren sie sich ihre Wegstrecke. Wenn man wieder klamm ist, wird halt wieder gerast. Warren Oates ist ein ehemaliger Fernsehproduzent, der aus seinem Beruf ausgestiegen ist und in seinen 70er Pontiac eingestiegen. Interessiert aber keinen, dem er sie erzählt, seine Geschichte. Er rast schon seit einigen Jahren durch die Gegend. Mit den Boys macht er ein Rennen ab, das nach Washington, DC, führen soll. Auf dem Wege dorthin gabeln die beiden Jungs einen weiblichen Hippie auf. Das ist sie eigentlich schon, die Story des Films.
Mit „road movies“ ist das immer so eine Sache: Der Weg ist das Ziel. Wohin die Reise geht, ist im Grunde genommen komplett unerheblich. „Satisfactions are not permanent“, wie Oates am Schluß des Filmes bemerkt. So endlos, wie der Weg der Protagonisten ist, mag der Film auch einigen Zuschauern vorkommen, denn passieren tut nicht viel. Die Männer des Filmes – denn oh ja, es ist ein Männerfilm – definieren sich über ihre Autos, und welcher Traum auch immer im Schatten lauern mag, so tritt er zurück, wenn es um neue Autoteile geht, die man irgendwo billig abstauben und einbauen kann. Das funktioniert im Film wie ein ungeschriebenes Gesetz: Die Boys halten an einem Diner, kommen mit anderen ins Gespräch und machen wie selbstverständlich das nächste Rennen ab. Es geht nur von einem Rennen zum nächsten.
TWO-LANE BLACKTOP ist einer der amerikanischsten Filme, die ich jemals gesehen habe – ein echter Western. Er versinnbildlicht den „pioneer spirit“, das häufig unbewußte Streben danach, das Land zu erkunden und so irgendwie in Bezug zu sich selbst zu bringen. Man macht untertan, was man nie vollständig erfassen kann. Doch der Triumph ist immer nur ein scheinbarer. Er führt nur von einem Tankstellenklo zum nächsten. Dazwischen lesen die Boys das Mädchen auf, gespielt von Laurie Bird, die leider mit 25 Selbstmord beging. Die Rolle des Mädchens ist eine sehr kommentarintensive, da sie sich grundlegend mit der gewöhnlichen Konzeption der Frau im amerikanischen Kino beißt. Normalerweise ist die Frau entweder ein Gegenentwurf zur Rolle des Mannes, oder – in grundsexistischer Manier – sie ergänzt ihn, Adams Rippe und so fort. Ihre Funktion kann in herkömmlichen Männerfilmen nur eine untergeordnete sein, ein Preis, der Lohn des Helden für erfolgreiches Streben. In TWO-LANE BLACKTOP gibt es kein erfolgreiches Streben. Ihre Rolle ist der der Männer komplett gleichgestellt. Sie hat genausowenig einen Plan, wohin die Reise geht. Sie fährt mal hier mit, mal dort mit, ist absolut opportunistisch. Gleichzeitig ist sie der Verbindungspol der Männer zu dem, was man als traditionelles Konzept bezeichnen könnte. Am Schluß weckt sie in James Taylor Gefühle, die man mangels besserer Bezeichnungen „Liebe“ nennen könnte. Er läßt das Rennen Rennen sein und stellt sie zur Rede, so direkt, wie er das gerade vermag. Auch Oates hat seine große Szene mit ihr: Als sie neben ihm im Wagen sitzt und schläft, erzählt er ihr von seinen Träumen von Seßhaftigkeit – er will ein Haus, eine Frau und Kinder. Sie kriegt nichts mit, und so geht auch dieser Traum an ihr vorüber. Die Fahrt geht weiter.
Der Schluß des Filmes ist ein weiteres Rennen, doch diesmal läuft es anders: Das Gaspedal wird durchgedrückt bis zum Bodenblech, der Wagen schießt voran. Doch auf einmal setzt eine Zeitlupe ein, verlangsamt den Film bis zum Einzelbild. Das eingefrorene Einzelbild – wie bei einem Projektor – schmurgelt durch. Der Film ist aus.
Monte Hellman hat vorher einige Western mit Schauspielern aus dem Corman-Umfeld gemacht, u.a. Jack Nicholson. Daß seine Karriere als Regisseur niemals ganz durchstarten konnte, erscheint nach Betrachten von TWO-LANE BLACKTOP nur folgerichtig: Wie seine Protagonisten, so hat auch Hellman seinen eigenen Weg verfolgt, der nicht wirklich mit dem Hollywood-Mainstream zu tun hatte. Als Resultat gibt es einige schöne Filme zu bewundern. Der beste ist vermutlich TWO-LANE BLACKTOP – ein Film über das Fahren neben der Spur. Und nein, es handelt sich nicht um einen melancholischen oder gar verzweifelten Film. Es wohnt viel Schönheit darin, viel Respekt vor den Figuren, die ihn bevölkern. Einer meiner persönlichen Lieblingsfilme.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#223
Geschrieben 25. Juni 2005, 23:56
Trey Parker ist der nette blonde Wuschelkopf von den beiden "South Park"-Machern. Mit seinem neuesten Film erfüllte er sich vermutlich einen langhegten Kindheitswunsch und schuf einen Puppenfilm, in dem eine Marionette endlos in die Kamera göbelt. Auch ansonsten ist der Film der Traum eines jeden Hollywoodproduzenten: "Jerry, ich sag´ dir was: Wir machen einen Puppenfilm! Osama Bin Laden spielt mit, Saddam Hussein und eine geheime Einsatztruppe, die die Welt rettet! Sie wird befehligt von einem Silberfuchs, der sich vom Helden einen blasen lassen möchte. Gemeinsam retten die Leute die Welt und zerballern Michael Moore, Alec Baldwin und Susan Sarandon in kleine Schnipsel! Na, was sagst du dazu?"
Ich weiß, was ich dazu sage: Nett, teilweise sehr hübsche Einfälle, aber in seiner Nonstop-Provokationswut irgendwann auch etwas ermüdend. Das Herz hat der Film auf dem rechten Fleck, kann man nicht anders sagen, aber dramaturgisch betrachtet geht etwa THE INCREDIBLES deutlich geschickter vor. Und als Schocker-Puppenfilm fand ich auch MEET THE FEEBLES sehr viel effektiver. Trotzdem: Einmal ankucken kann man sich den Film allemal, denn die Puppen sind herzig gemacht, den Hitsong "America - fuck yeah!" hat man lange in den Ohren und die Ansprache des Helden, in der er von Harten, Pussies und Arschlöchern erzählt, ist in ihrer Obszönitätswucht schon wieder ganz drollig:
"We're dicks! We're reckless, arrogant, stupid dicks. And the Film Actors Guild are pussies. And Kim Jong Il is an asshole. Pussies don't like dicks, because pussies get fucked by dicks. But dicks also fuck assholes: assholes that just want to shit on everything. Pussies may think they can deal with assholes their way. But the only thing that can fuck an asshole is a dick, with some balls. The problem with dicks is: they fuck too much or fuck when it isn't appropriate - and it takes a pussy to show them that. But sometimes, pussies can be so full of shit that they become assholes themselves... because pussies are an inch and half away from ass holes. I don't know much about this crazy, crazy world, but I do know this: If you don't let us fuck this asshole, we're going to have our dicks and pussies all covered in shit!" So sei es.
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#224
Geschrieben 26. Juni 2005, 00:13
Eine gerade herausgekommene Stephen-King-Verfilmung. Die Bücher des netten Herrn aus Maine sind ja mit durchaus unterschiedlichem Erfolg bearbeitet worden. RIDING THE BULLET von Mick Garris leistet einen ganz guten Job und erzählt auf relativ zurückhaltende Weise die Story eines jungen Düstermannes namens Alan, der sich fast die Pulsadern aufschneidet, als seine Freundin ihn abledert. Statt aber das Besteck abzugeben, werden ihm Karten für ein Konzert von John Lennon & The Plastic Ono Band geschenkt, worüber er ganz aus dem Häuschen ist. (Ich würde mir eher die Pulsadern aufschneiden, als zu einem Lennon-Konzert zu fahren, aber egal!) Kurz vor der heiß ersehnten Fahrt erleidet seine Mutter einen Schlaganfall. Möglicherweise wird sie bald sterben. Unser Freund begibt sich auf eine Fahrt per Daumenexpreß, auf der er über sein Verhältnis zur Mutter reflektiert. Und da er nicht nur Drogen nimmt, sondern auch über einen ausgeprägten Hang zu Tagträumen verfügt, erscheinen ihm Geister und Dämonen...
Der junge Hauptdarsteller, ein Jonathan Jackson, sieht aus wie eine Mischung aus Johnny Depp und DiCaprio und macht seine Sache ziemlich gut. Cliff Robertson hat einen fiesen Gastauftritt als alter Mann, der leutselig von seiner verstorbenen Frau erzählt und auf den jungen Mann wie ein Triebtäter wirkt. Auch ansonsten hat Alan einige ziemlich weirde Begegnungen, die die Regie aufgrund ihres Verzichts auf gestalterische Mätzchen sehr hübsch über die Rampe bringt. Zu kritisieren gibt es für mich höchstens den klebrigen Schluß, der die Geschichte unelegant abwürgt. (Ein Mitkucker meinte auch, daß die Geschichte hier abgeändert wird.) Ansonsten aber ein durchaus anrührender Film, der mit der Krankenhausszene mit Rabenbezug auch einen echten Hammer enthält.
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#225
Geschrieben 29. Juni 2005, 17:51
IL SORPASSO (übersetzt etwa: Das Überholen) ist einer meiner privaten Lieblingsfilme. Sein deutscher Titel weckt die Erwartung einer lockeren und frivolen Komödie, und tatsächlich beginnt der Film auf einer ausgesprochen leichten Note: Der schüchterne Student Roberto (Jean-Louis Trintignant) wird bei seinem Juragebüffel von einem lauten Fremden gestört, Bruno (Vittorio Gassman). Eigentlich will Bruno nur mal kurz telefonieren, aber mit Leichtigkeit überredet der wortgewandte Tunichtgut den Studenten zu einer Spritztour ins Blaue. Auf der Straße benimmt sich Bruno ausgelassen und verantwortungslos, hupt, überholt und zeigt Hörner („Cornuti, mannaggia!“), singt und lacht. Roberto – der mehr oder weniger „entführt“ wird – bekommt nach und nach mit, daß dieses Verhalten durchaus repräsentativ ist für Brunos ganze Haltung dem Leben gegenüber. Als sie später nach einer durchzechten Nacht auch Brunos Ex-Frau Gianna und seine Tochter kennenlernen, zeichnet sich ab, daß das Leben auf der Überholspur nicht ohne Risiken ist...
Tja, wo Ruggero Maccari und Ettore Scola für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, kann man einigermaßen sicher sein, daß man einen Inhalt serviert bekommt, der bei aller oberflächlichen Unterhaltsamkeit auch viel Tiefgang mitbringt. Vittorio Gassman dabei zuzuschauen, wie er, alle dunklen Zonen des Lebens tapfer ausblendend, einfach Vollgas gibt, ist eine einzige Pracht. Sein Charakter Bruno ist von Haus aus sympathisch und enorm charismatisch. In seinem Redeschwall läßt er dem jungen Studiosus keine andere Wahl, als einfach mitzuziehen. Für Roberto – der bislang als Statist in seinem Leben gewirkt hat, niemals ein Risiko eingehend – ist diese Erfahrung ebenso erhellend wie beängstigend. Er merkt, wie wenig er sein eigenes Dasein im Griff hat. Obwohl er auf eine gesicherte Existenz als Anwalt hinarbeitet, geht der Augenblick komplett an ihm vorbei. Bruno hingegen tönt und tobt durch die Welt und pflückt den Tag, daß es nur so kracht. Dabei instrumentalisiert er alle anderen Menschen und macht sie im Grunde zur Staffage seines eigenen Ego-Trips. Er tut dies nicht in böswilliger Absicht, sondern weil es seine Natur ist. Ich habe selber solche Leute kennengelernt. Daß seine Ex-Frau ihm nicht zornig, sondern eher mitleidig gesonnen ist, verstehe ich nur zu gut. Das Ende ist ein richtiger Knaller.
Der Regisseur Dino Risi sollte später zahlreiche mehr oder weniger lustige Komödien machen, deren Natur aber meistens sehr konventionell war. In den 50ern und frühen 60ern hingegen bastelte er einige Filme wie IL SORPASSO, in denen der realistisch dargestellte Zeitkolorit zu einer lustigen Beleuchtung der damaligen Gesellschaft geformt wurde. Die Verbindung von kommerziellen Unterhaltungsmechanismen mit einem unbestechlichen Auge für die Wirklichkeit, in der sich die Figuren bewegen, bezeichnete man als „neorealismo rosa“, und das Frühwerk von Risi gilt als einer seiner Hauptexponenten. In IL SORPASSO funktioniert das ganz fabelhaft: Komische und tragische Elemente werden harmonisch miteinander verwoben und zeigen die beiden Kehrseiten einer Medaille, die in heutigen Filmen nur noch heiter und unverbindlich dargestellt werden würde. Eine Neuverfilmung wünsche ich mir nicht wirklich. Mit dem großartigen Gassman machte Risi noch eine Vielzahl anderer Filme, u.a. die Tragikomödie DER DUFT DER FRAUEN (besser als Hollywoods Neuverfilmung mit Al Pacino!) und das morbide Horrordrama ANIMA PERSA.
Solche Filme machen mich zum Italo-Fan auf Lebenszeit!
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#226
Geschrieben 03. Juli 2005, 00:07
Einer der unbekanntesten deutschen Kinoregisseure dürfte wohl Peter Pewas gewesen sein. Näheres zu seinem interessanten Lebenslauf findet man hier. Heute durfte ich einen seiner Filme sehen - ein seltenes Vergnügen fürwahr. Und ich staunte nicht schlecht, da es sich um einen Serienmörderfilm handelte...
Nach einer sehr eigenwilligen Collage, die uns einen netten jungen Arbeiter mit Fahrrad vorstellt, der mächtig Schlag bei Frauen hat und eben leider auch ein Triebmörder ist, bekommen wir die bittersüße Romanze von Jochen und Sabine ("Binchen") geboten. Binchen ist ein braves Mädchen und will nicht mit Jochen in die Ferien fahren, da ihre unschuldige Beziehung von der aufkeimenden Libido Jochens in Frage gestellt wird. Sie glaubt, daß alle Männer letztlich das eine wollen, und ein Blick in Jochens schuldig dreinblickendes Gesicht verrät, daß sie damit gar nicht so falsch liegt. Auch ihre Eltern verbieten den Urlaub, so daß sich die Frage erübrigt.
Oder auch nicht, denn Binchen büchst aus und benutzt den Daumenexpreß: Mit zwei leutseligen Brummifahrern legt sie die erste Wegstrecke zurück. Leider gabeln sie dabei einen weiteren Mitfahrer auf, der sich als der Psychopath des Prologs entpuppt. Als er sich erbötig macht, Binchen auf dem letzten Weg durch den Wald zu begleiten, schöpfen die Trucker fatalerweise keinen Verdacht. Arglos macht man sich auf den Weg in das Unheil...
Wie der Film ausgeht, werde ich hier natürlich nicht verraten, aber wer die oben verlinkte Lebensgeschichte des Regisseurs gelesen hat, wird ahnen, daß es sich hier nicht um einen Thriller wie jeder andere handelt. Anders als etwa Fritz Langs Klassiker M - EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER oder Robert Siodmaks 2 Jahre später als VIELE KAMEN VORBEI entstandener NACHTS WENN DER TEUFEL KAM, bettet Pewas die Mordgeschichte nicht in einen gesellschaftskritischen Kontext ein, wie er sich zur Wirtschaftswunderzeit eigentlich angedient hätte. Viel eher werden die einzelnen Geschichten fast kommentarlos vorgeführt - eine Technik, die wohl manchen Zuschauer damals gründlich überfordert haben dürfte. Dabei fällt auf, daß der Film sehr disparate Elemente aneinanderreiht. Nach dem schockierenden Beginn (drastisch in seiner Darstellung der Sexualität) zeigt er das Verhältnis der beiden jungen Leute als unschuldiges Langen, dem eine gewisse Kitschnähe nicht abzusprechen ist. Als dann der Killer wieder auftaucht, zieht der Film die Schraube massiv an. Und nun benutzt Pewas einen Kunstgriff, der mich wirklich das Staunen lehrte: Er dreht die Zeit einfach zurück und setzt neu an in einer Szene, in der der Lastwagenfahrer und Binchen unwissentlich dem Mörder begegnen. Dabei wird die Geschichte zuerst aus der Sicht des Mörders geschildert, danach aus jener eines ebenfalls in der Kneipe anwesenden Kommissars, der die Mordserie untersucht. Anders etwa als bei Kurosawas RASHOMON ergänzen die einzelnen Erzählstränge - Binchen, Killer, Kommissar, Jochen - einander. Der Effekt, den Pewas durch diese formale Spielerei erzielt, ist die komplette Desorientierung des Zuschauers, der nicht mehr weiß, aus welcher Perspektive er die Handlung erlebt. Das wird auch ergänzt durch eine an sich liebliche Filmmusik, deren symphonischen Harmonien aber ständig gen Moll abgebogen werden und gelegentlich auch von sehr bizarren Perkussivrhythmen unterbrochen werden. Die Moral des Filmes ist vielleicht, daß es keine sichtbare Moral gibt. Pewas schafft es mit VIELE KAMEN VORBEI, einen an sich sensationalistischen Stoff - in Boulevardmagazinen damals wie heute sehr beliebt - in einer gebrochenen Form vorzuführen, die sich einer eindeutigen Interpretation verweigert. Kommerzieller Erfolg war ihm mit dieser Herangehensweise freilich nicht beschieden, aber immerhin freut sich 50 Jahre später ein Filmfan über diesen sehr kunstvollen und trotzdem angenehm unspektakulären Film, und das ist ja auch schon was!
P.S.: Der eigentümliche Titel bezieht sich übrigens auf vorbeifahrende Autos, da der Mörder seine Untaten stets in der Nähe von Autobahnen stattfinden läßt.
P.P.S.: Trotz seines vorherrschenden düsteren Grundtons besitzt der Film wenigstens eine unwiderstehlich komische Szene: Als Binchen mitgenommen werden möchte, sieht man einen anderen verzweifelten Anhalter, der ein Schild hochhält, auf dem zu lesen ist: "Kenne 100 neue Witze!" Etwas Abschreckenderes kann zumindest ich mir nicht vorstellen...
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#227
Geschrieben 03. Juli 2005, 16:06
Da ich mal wieder etwas Hochgeistiges sehen wollte, griff ich zu einem Chuck-Norris-Film, den ich noch nicht kannte.
Danny O'Brien (Norris) ist ein Bulle, der schlimme Alpträume hat. Der Grund für die Nachtmahre heißt Simon Moon und ist von Beruf geisteskranker Frauenmörder. O'Brien brachte ihn einst hinter schwedische Gardinen, doch - Überraschung! - er büxt aus und mordet fleißig weiter. Da der Killer zwar sehr kräftig ist, aber schlicht im Geiste, verschanzt er sich im selben alten Lichtspielhaus, das ihm schon früher als Unterschlupf gedient hat. Anscheinend bedarf es eines verwandten Geistes, um diesen Umstand herauszutüfteln, denn nur O'Brien ahnt, daß er den Killer dort finden wird. Und so steht er schließlich der Bestie gegenüber...
Allzuviel läßt sich über HERO nicht sagen. Er ist einen Hauch besser als die meisten anderen Norrisse, wengleich ihm auch das debile Delirium eines INVASION U.S.A. abgeht. Wer den Mann mit dem Kartoffelgesicht in einem handwerklich einigermaßen akzeptablen Slasher erleben will, hat hier Gelegenheit dazu. Außerdem wird er in diesem Film Vater, was ihm einige emotionale Momente schenkt, in denen er erneut meisterhafte Kontrolle über seine Gesichtszüge beweist. (Wo bleibt eigentlich ein Release seines Slasher-Klassikers DAS STUMME UNGEHEUER?) Insgesamt das, was ich immer über Low-Grade-Actionfilme sage, die mich ordentlich unterhalten haben - eine faire Packung.
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#228
Geschrieben 11. Juli 2005, 19:05
Das schwarze Museum
HORRORS OF THE BLACK MUSEUM (der mysteriöserweise ein "Frei ab 12" bekommen hat!) kann man als Vorläufer der Splatterfilme von heute betrachten: Eine recht hanebüchene Story wird als Aufhänger für "erfinderische" Morde verwendet, deren Motivation zudem sexueller Natur ist. Klingt interessant? Nun, mit Michael Gough in der Hauptrolle kann eigentlich nicht viel schiefgehen, denn diesem Schauspieler kann man vieles nachsagen, nur eines nicht: daß seine Darstellungen langweilig seien! Seine Vorstellungen sind sehr der klassischen Grandezza-Manier verpflichtet: Als eine Art Mischung aus Vincent Price und Bela Lugosi gibt er alles und versieht selbst die kleinste Nichtigkeit mit süffisantem Nachdruck. In schlecht geschriebenen Filmen - und HORRORS verfügt nicht wirklich über ein gutes Drehbuch! - führt das zu Darbietungen, die manchem wie finsterste Schmiere dünken mögen. Tatsächlich ist er zu subtiler und effektiver Schauspielkunst in der Lage. Das legt HORRORS nicht eben nahe... Gough spielt hier den Kriminalschriftsteller Sinclair, der sich ein kleines Schreckenskabinett mit Mordwaffen hergerichtet hat. Aus nicht sonderlich nachvollziehbaren Gründen (außer, daß er eben eine Schraube locker hat!) setzt er sie auch ein und bedient sich dazu seines jungen Assistenten, den er mit einem Serum in eine Art Mr. Hyde verwandelt. Der spektakulärste Mord erfolgt gleich zu Anfang: Ein Fernglas, dessen Tiefenschärferegler zwei lange Dornen aus dem Okular springen läßt, sorgt für feuchte Augen... Für 1959 war das ein ziemlicher Magenhammer. Wie auch bei anderen Herman-Cohen-Produktionen (z.B. I WAS A TEENAGE WEREWOLF/FRANKENSTEIN) gerät ein junger Mann unter den dominanten Einfluß eines älteren, und daß der ältere hier ziemlich rumtuckt (hört Euch den Originalton an!), paßt vortrefflich, denn Sinclairs Haß auf Frauen originiert in sexueller Frustration und Impotenz. Auch homosexuelle Untertöne klingen an. Insgesamt ist DAS SCHWARZE MUSEUM ein zwar beherzt schmieriger und holzhammeresker, aber sicherlich äußerst unterhaltsamer Schocker. Anolis reichte aber einmal Cohen nicht, und so gab es denn:
Konga
Hier spielt Gough den Wissenschaftler Dr. Decker, der bei einem Flugzeugabsturz im Dschungel verschillt. Nach einem Jahr taucht er wieder auf und hat jede Menge Samen mitgebracht. In seinem Gewächshaus geht es daraufhin rund: Bunte Venusfliegenfallen aus Plastik gedeihen auch in Großbritannien prächtig. An seinem Lieblingsschimpansen will er das verlorene Glied zwischen Mensch und Pflanze nachweisen (warum?) und injiziert ihm einen Wundersud, der Cheetah flugs zu einem Gorilla mutieren läßt. (Mensch, Decker - ein Gorilla ist doch keine Pflanze!) Es gibt zahlreiche melodramatische Unterplots und einige Morde, und am Schluß kriegt der Gorilla eine Sud-Überdosis und wächst zu gigantischen Ausmaßen an. Wie groß Cheetah wirklich ist, läßt sich nicht feststellen, denn die mäßigen Spezialeffekte lassen ihn manchmal größer als ein Haus erscheinen; einen Moment später reichen ihm die hektisch flüchtenden Menschen bis zur Taille! Tja, als Affen-Film ist KONGA eine Mogelpackung, denn dä Aap legt erst im Schlußakt so richtig los. Das Drehbuch ist noch hanebüchener als jenes von HORRORS und kann sich nicht festlegen, ob Decker nun ein grundsätzlich bescheidener und humanitär gesinnter Wissenschaftler ist (wie der Anfang es nahelegt) oder eine richtige Supersau. Gough gibt den Mann als einen veritablen Fatzken, der aus gekränkter Eitelkeit, Ruhmsucht und Geilheit morden läßt. Ganz übel ist die Szene, in der er einer Schülerin auf den Leib rückt und sie mit endlosen Schlabberküssen überhäuft. Vielleicht war es dieser Moment, der dem Film sein "Frei ab 16" eingehandelt hat... Ein richtiger Heuler, dem sich aber vornehmlich die Bäddie-Fans nähern sollten.
Der rote Schatten
Bisher der einzige richtige Rohrkrepierer der Reihe. Anton Diffring spielt einen Wissenschaftler, der sich mit Hauttransplantation befaßt. Da er in einem Fall drastischen Pfusch abgeliefert hat, muß er untertauchen und bedient sich dazu eines Wanderzirkus', dessen Leitung er übernimmt. Viele Jahre später kommt man ihm auf die Schliche. Den Film hatte ich als deutlich besser in Erinnerung. Trotz seiner melodramatischen Handlung und eines recht spektakulären Schocks (Messerwerfer!) überwiegen die Längen, und wie die Produzenten darauf kamen, daß Horrorfans an Zirkusszenen (u.a. die ekligen Clowns!) interessiert wären, ist mir ein Rätsel. War nett, den Film mal in einem ordentlichen Format zu sehen, aber viel ist da nicht zu holen. Regisseur Hayers hat im selben Jahr den um Lichtjahre besseren NIGHT OF THE EAGLE (HYPNO) hinbekommen, der mal wirklich ein Kracher ist...
XX unbekannt
Nein, Ede Zimmermann hat da nichts mit zu tun! Es geht um ein mysteriöses Monster, das sich von radioaktiver Strahlung ernährt und in einem schottischen Landstrich für eine Menge Hektik sorgt. Dieser frühe "Hammer"-Film orientiert sich eindeutig an THE QUATERMASS XPERIMENT (SCHOCK) und verwendet denselben realistischen Bildstil wie der Vorgänger. Da Drehbuchautor Jimmy Sangster zwar ein solider Handwerker war, aber mitnichten die Fantasie eines Nigel Kneale besaß, ist das Ergebnis lange nicht so beeindruckend. Trotzdem fällt auf, daß - im Unterschied zu amerikanischen Entsprechungen jener Tage - hier ein SF-Horror für ein erwachsenes Publikum gedreht wurde, und so gibt es einige durchaus gruselige Szenen zu genießen. Tatsächlich ist X THE UNKNOWN ziemlich gut gemacht, und lediglich das Monster, das für die letzten 10 Minuten präsentiert wird (Durchfall, der das Land verwüstet!), stellt eine milde Schwächung dar. Ansonsten ist der Film sehr fein. Da die Original-Kinosynchro leider verschollen ist, mußte die TV-Synchro aus den 90ern herhalten, aber das geht schon in Ordnung.
Noch nicht gesichtet habe ich COUNTESS DRACULA (COMTESSE DES GRAUENS) und HANDS OF THE RIPPER (HÄNDE VOLLER BLUT), die ich aber beide als leicht überdurchschnittliche "Hammer"-Filme in Erinnerung habe.
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#229
Geschrieben 12. Juli 2005, 15:14
Ein weiteres Beispiel für die realistischen schwarzweißen SF-Thriller, die in den späten 50ern in Großbritannien entstanden, wurde vor nicht allzulanger Zeit von Premiere ausgegraben: FIRST MAN INTO SPACE. In ihm geht es um die Frühphase der bemannten Raumfahrt, wie sie auch von THE RIGHT STUFF (DER STOFF, AUS DEM DIE HELDEN SIND) im vollen Hollywoodgepränge abgehandelt wurde. Dan Prescott ist ein sehr enthusiastischer Testpilot, der vom Wunsch getrieben wird, in Galaxien vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Bei Rakete 509 kommt es aber zu einigen Fehlfunktionen und –reaktionen. Nur mit Mühe gelingt es Dan, zur Erdoberfläche zurückzukehren. Dans Bruder Charles (Marshall DAKTARI Thompson) findet das gar nicht witzig, ist er doch ein wesentlich konservativerer und humorloserer Patron als Dan. Außerdem spielt sich zwischen den beiden eine typische Bruderrivalität ab, der auch der Anfangsteil des Filmes im Übermaß Tribut zollt. Trotz des Mißerfolges darf Dan aber auch Rakete 510 steuern, und da der deutsche Titel so lautet, weiß man, daß etwas Unschönes passieren wird. Und so ist es: Dan bekommt einen Weltraumkoller und weicht ab vom vorprogrammierten Kurs, gerät in einen Meteoritenstaubsturm und gilt als „lost in space“. Was die Bodenmannschaft aber noch nicht weiß: Dan lebt und schafft sogar den Rückweg zur Erde. Dumm nur, daß ihn eine merkwürdige Weltraumflechte befallen und in ein blutdürstiges Monster verwandelt hat... Tja, und wenn man den Anfangsteil etwas spektakulärer gehalten hätte, wäre dieser gutgemachte Film sogar ein richtiger Kracher, denn als früher SF-Horror-Reißer verdient er sich in der zweiten Hälfte seine Sporen. Da in England Horrorfilme automatisch ein Jugendverbot erwartete, durften die Filme ordentlich ranklotzen und knickten sich auch gleich die Anbiederungen an ein jugendliches Publikum, die die amerikanischen Filme dieser Gattung häufig so belächelnswert machen. FIRST MAN INTO SPACE gewinnt sehr durch seine realistische Gewandung – Nachtszenen etwa wurden wirklich bei Nacht gedreht –, und die Monstermontur ist trotz ihrer etwas unbeweglichen Latexgestaltung recht gelungen. Regisseur Robert Day drehte einige der frühen Folgen von THE AVENGERS und arbeitete bei THE HAUNTED STRANGLER und CORRIDORS OF BLOOD (beide recht ansehnlich) mit Boris Karloff zusammen. FIRST MAN ist einer jener Filme, die ich mir gut als Material für eine Neuverfilmung vorstellen könnte. Na ja, wobei THE INCREDIBLE MELTING MAN das eigentlich bereits abgehandelt hat... Schön aber, daß dieser Film nun auch in einer ordentlichen Qualität vorliegt. Bei der Fernsehausstrahlung verwendete man in den Credits verwirrenderweise den deutschen Titel seines „Begleitfilmes“, FIEND WITHOUT A FACE, der bei uns UNGEHEUER OHNE GESICHT hieß. Da kann man ja fast hoffen, daß dieser kleine Klassiker (mit seinen herumhüpfenden Gehirnen) auch noch läuft...
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#230
Geschrieben 14. Juli 2005, 19:55
Nachdem die Verleihfirma „UIP“ es sich bereits so richtig hübsch mit den deutschen Kritikern verdorben hatte (echt klasse gemacht, Jungs!) und ich Herrn Spielberg nach SCHINDLER'S LIST eigentlich abgeschworen hatte, war ich auf eine Granate von einigen Gnaden gefaßt. Fakt ist aber, daß mich mit WAR OF THE WORLDS – mit Ausnahme von TERMINAL und CATCH ME IF YOU CAN (die ich nicht gesehen habe) – der beste Spielberg seit JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES erwartete! Statt guten Willen unter widrigen Umständen zu demonstrieren und sich sozusagen selbst das moralische Unbedenklichkeitszeugnis auszustellen, bombt der Regisseur hier Amerika platt, daß es nur so raucht in der guten Stube...
Der Anfangsteil des Filmes ist sogar richtig klasse: Arbeiter Ray Ferrier (Tom Cruise) will ein Wochenende mit seinen beiden Kindern aus erster Ehe verbringen. Bevor ich mich darüber freuen konnte, daß der mir hochgradig unsympathische Tom Cruise einen echten Loser spielen darf, fliegt der gestörten Familie aber der Putz von der Decke: Aliens greifen an und äschern wahllos Erdenbürger ein! Panik! Entsetzen! Flucht! Gemeinsam versucht man, der nicht nur asymmetrischen, sondern auch dreifüßigen Bedrohung zu entkommen, was sich aber als zwecklos herausstellt: Die Invasoren sind überall, und ihre Botschaft lautet Entsetzen.
Wo andere Filme jetzt zivilen Heldenmut und die Opferbereitschaft des Individuums herausgekehrt hätten, demonstriert Spielbergs Film auf bemerkenswert düstere Weise, wie eine Gesellschaft einknicken kann wie ein Kartenhaus. Die Menschen krabbeln panisch über- und untereinander – der eine ist des anderen Wolf. Edelmut existiert nicht. Das Drehbuch des von mir sehr geschätzten David Koepp und Josh Friedman (der gerade James Ellroys „The Black Dahlia“ umgesetzt hat) macht das ganz geschickt. Natürlich gibt es hier und da Szenen, wo die Hollywood-Maschine wieder einsetzt und schwer verdauliches Melodram sein häßliches Haupt erhebt: Bei der „Sandmännchens Berge“-Szene habe ich etwas gejault, und auch Tom Cruises Gesangseinlage ist recht heavy. Auch hätte man den Umstand, daß der 11. September natürlich mit hineinspielt, nicht noch explizit betonen müssen. (Meiner Mitkuckerin ist sogar aufgefallen, daß die Flüchtlinge zu Anfang noch normale Alltagsklamotten anhaben, später aber zunehmend dunkle und abgerissene Kleidung tragen, die sie wie Kriegsflüchtlinge – hint, hint! – aussehen läßt.) Trotz dieser Zugeständnisse serviert der Film aber ein erstaunlich gut funktionierendes Alptraumszenario, dessen überwältigende Spezialeffektewucht man definitiv im Kino genießen sollte – auf DVD wuppt das nicht!
Ich habe H.G. Wells´ Original leider nicht gelesen und kann somit nicht beurteilen, ob das Remake sich dichter an der Vorlage orientiert als die George-Pal-Version von 1953, aber immerhin hat man den religiösen „goodwill“ der alten Fassung ad acta gelegt. (Ob das neue Tränendrüsen-Ende allerdings ein Gewinn ist, muß der Zuschauer für sich entscheiden.) Gene Barry, der Protagonist des alten Filmes, hat am Schluß übrigens noch einen netten Auftritt als Großvater.
Daumen aufwärts für die Effekte, Daumen aufwärts für das schöne Design der Tripods und des anderen Alien-Schangels, Daumen aufwärts – mit den erwähnten Abstrichen - für den ganzen Film!
P.S.: Trotzdem, Tom Cruise ist eine harte Nuß – ich bleibe dabei...
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#231
Geschrieben 19. Juli 2005, 01:10
Das erste Mal seit langem, daß ich einer Pressevorführung beigewohnt habe! Und wie sich herausstellte, handelte es sich um UIP, die sich ja mit KRIEG DER WELTEN vor kurzem etwas in die Brennesseln gesetzt haben. Ich erwartete nun, daß mich fiese, fangzahnbewehrte Bestien einer gründlichen Leibesvisitation (incl. Finger im Po) unterziehen und mich danach zum Rhythmus von „God Bless America“ verdreschen würden. Leider dachten die Leute nicht daran, meine Vorurteile zu bestätigen, entpuppten sich als ausgesprochen freundlich und reizend und sammelten lediglich die Handys ein. Da ich begeisterter Verabscheuer von Handys bin, juckte mich das nicht. Ich flezte mich hin und wartete auf Romero.
Und Romero kam. Romero war wieder da. Wir erinnern uns: Nach NIGHT, DAWN und DAY haben sich die lebenden Toten über die ganze Erde verbreitet. Die ganze Erde? Nein – ein kleines Refugium namens „Fiddler's Green“ hat sich abgeschottet von der Apokalypse ringsumher, und wie die müßigen Tändler in der pestkranken Welt von Boccaccios „Decameron“, so vertreiben sich hier die eitlen Reichen die Zeit mit nichtigem Tun, als wäre alles eitel Sonnenschein. Vor den Toren des Patrizierstaates-im-Staate hausen die armen Schlucker und leben im Dreck, zwar in Sicherheit, aber nicht viel mehr wert als die Zombies, die jenseits der Absperrungen marodieren. Der König von „Fiddler's Green“ heißt Kaufman (Dennis Hopper), denn er hat dieses Reichenparadies geschaffen und regiert darüber wie eine Mischung aus Gangsterboß und Großkapitalist. Versorgt werden die Bewohner dieses Schlaraffenlandes von einigen abgezockten Söldnern, die unter Einsatz ihres Lebens Schlemmereien und andere Luxuswaren auftreiben. Das geht so lange gut, bis es einem dieser Haudraufs einfällt, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Das führt zum Aufstand der Geknechteten...
Nein, ein klassenkämpferisches Traktat ist es nicht, was den Zuschauer erwartet. Viel eher setzt George A. Romero den Schwerpunkt auf knallige Action, was jene wohl verdrießen dürfte, die sich von dem Film eine Art inhaltliche Weiterführung der vorangegangenen Teile versprochen haben. (Zombies im Weltall?) Romeros Welt ist nach den ersten drei Teilen bereits völlig auseinandergebrochen. Nun fügt sie sich Stück für Stück wieder zusammen, und was sich eben als erstes entwickelt, ist der gute alte Feudalismus. Mich hat es eingestandenermaßen sehr erleichtert, daß der Regisseur sich nicht bemüßigt fühlte, den vielen exegetischen Texten, die zu seinen Zombie-Filmen geschrieben wurden, plump Tribut zu zollen. (Was daraus werden kann, sieht man etwa an Wes Cravens SCREAM, in dem der Zuschauer von einem naseweisen Nerd eine Vorlesung über die Sexualmoral des Slasherkinos vorgesetzt bekommt.) Romero ist in erster Linie ein Schöpfer von emotionalen Geschichten, kein intellektueller Analytiker, und was da in seinen Filmen an gesellschaftskritischen Untertönen aufschimmert, ist ein durchaus willkommenes Nebenprodukt seines Fabulierens – was halt so passiert, wenn unsere Gesellschaft an ihrem eigenen Morast erstickt. Die ganzen Kritikerstimmen, die ihm ernsthafte Ambitionen unterschoben (im positiven Sinne wie im negativen), taten dies meines Erachtens zu Unrecht. Daß jemand, der eine Antiutopie vom Zusammenbruch der Gesellschaft erzeugt, eine gute Portion subversiven Geistes zu seinen Vorzügen zählen sollte, liegt auf der Hand, und Romero schreckt auch vor einer ordentlichen Dosis schwarzen Humors nicht zurück. Hopper etwa hat einen schönen Moment, wenn sein Erzschurke einem Untergebenen wütend bescheidet: „Mit Terroristen verhandelt man nicht!“ Das ist weit entfernt von Spielbergs „Sind das Terroristen, Daddy?“ in KRIEG DER WELTEN, oh ja... Hopper zeigt sich ohnehin in guter Spiellaune und wird unterstützt von einem weitgehend unbekannten Ensemble guter Schauspieler, von denen mir lediglich Asia Argento (als hartgesottene Hure/Söldnerin) und John Leguizamo (als Bösewicht mit Hoffnung auf Läuterung) etwas sagten. Tom Savini hat einen hübschen Gastauftritt und trägt als Zombie seine Lederjacke aus DAWN.
Welchen Stellenwert LAND OF THE DEAD bei mir innerhalb der Zombie-Quadrologie genießen wird, kann ich so kurz nach Betrachten des Filmes noch nicht sagen. Wohl aber weiß ich, daß ich mich absolut brillant amüsiert habe. Zarten Naturen sei vom Betrachten des Filmes selbstredend abgeraten. Obwohl nur die R-Rated-Fassung im Kino zu sehen sein wird, stellt die splattertechnisch das DAWN-Remake von Zack Snyder in den Schatten. Bei einer Szene mit Piercingbezug habe ich im Kino laut aufgejault. Da ist teilweise echt am Fünfzehnten der Erste...
Horrorfans, die LAND OF THE DEAD nicht notwendigerweise mit anderen Filmen vergleichen müssen, werden ihren Spaß haben. Ich gehe aber davon aus, daß auch die meisten eingefleischten DAWN-Fans (zu denen ich mich ganz gewiß zähle!) bei LAND ihr Eldorado finden werden. Der Film rockt – der Film ist ein Gewinner!
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#232
Geschrieben 24. Juli 2005, 01:27
Klomen est omen: Der Film beginnt in der Kanalisation. Zwei Arbeiter reden über Fäkalien und kommen darin um. Szenenwechsel.
Die junge Kate (Franka Potente) will zurück nach Hause und schläft in der U-Bahn ein. Als sie aufwacht, kommt sie nicht mehr raus. Ein mysteriöser Killer treibt sein Unwesen. Agraaah...
Tja, viel fällt mir zu diesem Film nicht ein. Ich habe mich blendend amüsiert, aber das nur auf der Grundlage des rettungslos verhunzten Drehbuches, daß es nicht fertigbringt, auch nur einen einzigen halbwegs sympathischen Charakter einzuführen. Die Idee mit dem Isoliertsein in dieser Tunnelwelt ist zwar nicht ohne Möglichkeiten, aber was da für ein Tinnef geredet wird, ist schon beachtlich. Die Schockeffekte laufen zumeist ins Leere, die Blutspritzereien sind eher erheiternd. Ganz absurd wird es, als halbgare Ansätze für die Herkunft des Killers dargereicht werden, die nun mal wirklich keinen Sinn ergeben. Und der Film ist schon vorbei, bevor die Vorgänge einigermaßen zufriedenstellend aufgedräuselt werden könnten. Der Mörder sieht im übrigen aus wie ein mißgestalteter Ausdruckstänzer, der in einen Mehltrog gefallen ist. Mannmannmann...
Ich empfehle jedenfalls, den Film nur in Begleitung von Gleichgesinnten zu betrachten, mit denen man sich schön über den ganzen Murks lustig machen kann. Haarsträubend!
Wer U-Bahn will, der kucke TUNNEL DER LEBENDEN LEICHEN - der rockt!
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#233
Geschrieben 25. Juli 2005, 20:45
Mit Stars zugekübeltes Prequel, das sehr ausführlich den Werdegang des fledermausigen Helden schildert. Da ich eingestandenermaßen keine Vorbildung besitze, was die Comics angeht, kann ich kaum beurteilen, welche Version der Vorlage gerechter wird. Die beiden Burtons sind, was mich angeht, nicht in Gefahr, aber da die beiden Schumacher-Batmans ziemlich abstanken, kann ich nur annehmen, daß Christopher Nolan (MEMENTO, INSOMNIA) bessere Arbeit geleistet hat als sein Vorläufer, denn BATMAN BEGINS ist eine recht spannende Angelegenheit, die statt starker Stilisierung den Schwerpunkt auf Realismus legt. Das ist eine durchaus reizvolle Variante, wobei ich nicht verhehlen kann, daß das Schmedderetäng-Finale mir mehr Spaß bereitete als die vorangegangene Reflexion über den Unterschied zwischen Rache und Gerechtigkeit. Wenn ich dem Film etwas vorwerfen würde, dann höchstens, daß er sich tatsächlich etwas zu viel Zeit nimmt, um zu den Spektakelwerten zu gelangen. Wenn ich zwischen Raimis beiden SPIDER-Männern und diesem 140 Minuten langen Wuchtikus von Comic-Verfilmung zu wählen hätte, fiele mir die Wahl leicht, denn Raimi ließ in seinen Filmen kaum Längen zu. Bei BATMAN BEGINS kommt es wohl sehr auf die Erwartungshaltung des jeweiligen Zuschauers an. Wenn man ein Nonstop-Actionfeuerwerk erwartet, lohnt sich vielleicht das Fernbleiben, doch langweilig ist Nolans Vision ganz und gar nicht, und zu schauen und staunen gibt es weiß Gott eine ganze Menge. Und Christian Bale hat mir einmal mehr wirklich gut gefallen. Insgesamt also ein leicht verhaltenes "Daumen aufwärts".
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#234
Geschrieben 25. Juli 2005, 21:02
Amy Harding, eine junge Dame mit undurchsichtiger Vergangenheit, bezieht eine abgelegene Blockhütte irgendwo in Neuseeland. Anstatt dort einen erbaulichen Ferienaufenthalt zu verbingen, muß sie sich mit mutierten Killer-Geckos herumschlagen. Dabei hilft ihr ein nerdiger Biologe, aber da sich die Geckos vermehren wie die Karnickel und jedes Gelege neue Besonderheiten aufweist (Unzerstörbarkeit, Riesenwuchs etc.), wird es für die beiden ein Kampf auf Leben und Tod...
Für 3 Sat war dieser kleine neuseeländische Monster-Heuler eine unerwartete Überraschung. Zwar keinesfalls ein untergegangener Klassiker, hielt er mich aber gut wach und entzückte mich und meine Freundin durch wirklich herzige kleine Reptilien, die ungemein fotogen die Klappe aufreißen und damit viele häßliche Dinge anstellen. Der Umstand, daß Regisseur Tim Boxell eine Mischung von Humor und Horror wagt, stellt sich im mittlerweile schon ziemlich übervölkerten Terrarium des Tierhorrorkinos als Vorteil heraus, zumal solch eine Katherine-Hepburn-/Cary-Grant-Heldenkonstellation nicht allzu häufig ist im Genre, und für einige gute Lacher ist das allemal gut. Zu sehen gibt es eine Menge Gecko-Gore, und gegen Ende setzt es sogar ein paar recht blutige Szenen. Im Verbund mit der ungewohnten neuseeländischen Landschaft ergibt das einen ordentlichen Vertreter seiner Zunft, den man sich durchaus anschauen kann.
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#235
Geschrieben 31. Juli 2005, 01:58
Das ABC des Schreckens:
A) Der Film basiert auf einem DC-Comic namens "Hellblazer".
B ) Der Held ist ein Selbstmörder/Exorzist/Dämonenjäger.
C) Gegen Keanu Reeves ist Steven Seagal ein nuancierter Schauspieler.
D) "Keanu Reeves ist die männliche Gwyneth Paltrow!" (Bettina)
E) "Gott ist ein Kind mit einem Ameisenhaufen." (Constantine)
F) Die Drehbuchautoren haben ein Faible für bedeutsam klingende, aber extrem hohle Aussprüche.
G) Der Regisseur hat Videoclips für Britney Spears und J-Lo gemacht und sich leider dazu entschlossen, ins Filmgeschäft zu gehen.
H) "Tja, wenn Sie mich fragen: Feuer ist Feuer!" (Constantine)
I) Das Set Design ist das beste, das ich seit dem Videospiel "Return to Castle Wolfenstein" gesehen habe.
J) Erzengel Gabriel ist eine rotblonde Kampflesbe mit Locken.
K) Luzifer ist eine heftig grimassierende Tucke. (Das war Stormare?)
L) Es geht darum, den schnöden Mammon wiederzubeleben. (=Dämon)
M) Constantine hat eine lustige kreuzförmige Wumme mit einem weiteren Christenkreuz als Zieleinrichtung.
N) Es gibt das lustigste Fußbad der Filmgeschichte zu bewundern.
O) "Man spaziert nicht über den Rand eines Gebäudes hinaus, ohne etwas zurückzulassen." (Constantine)
P) Der Film ist eine überlange Anti-Rauchen-Reklame.
Q) "Menschen sterben, während du die Schweiz imitierst!" (Constantine)
R) Der Kakerlaken-Dämon ist ziemlich lächerlich.
S) Keanu Reeves ist eine Null.
T) Die Computereffekte sind zahlreich und komplett für'n Arsch.
U) (Beabsichtigter) Humor ist dem Film ein Fremdwort.
V) Das angestrebte Noir-Feeling mißlingt klangvoll.
W) Der Film serviert Heuler im Minutentakt.
X) "Hallo, mein Name ist John, und ihr alle verletzt das Gesetz der Balance!" (Constantine)
Y) Gegen diese Suppenkasperei sind KÖNIGIN DER VERDAMMTEN und VAN HELSING richtig gut.
Z) Wir hatten einen lustigen Abend!
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#236
Geschrieben 03. August 2005, 23:14
Das Remake des ziemlich unheimlichen JU-ON von Takashi Shimizu. Tja, da ich ja mit dem RING-Remake so ganz und gar nicht zufrieden war, war meine Erwartungshaltung eher abwartend, auch wenn mir schon einige Lobeshymnen zugetragen wurden. Ein Freund berichtete mir gar, daß er das seltene Spektakel von Teenagern erlebte, die schreiend aus dem Kinosaal rannten...
Insgesamt finde ich den amerikanischen THE GRUDGE sehr zufriedenstellend, da man formal auf allzu störende Hollywood-Standards verzichtet hat. Die Musik von Christopher Young ist zwar sehr viel gefälliger, als dies im Original der Fall war (hier sind mir eher fiese Geräusche in Erinnerung geblieben), aber sie wird zurückhaltend eingesetzt und erzielt hier und da hübsche Effekte der oberen Nervenzerr-Liga. Die etwas eigentümliche Besetzung mit Sarah Michelle Gellar und Bill Pullman verblüfft nur im ersten Moment, da Pullman nur eine größere Nebenrolle bestreitet (dies ganz okay macht) und der Gellar so übel mitgespielt wird, daß selbst Buffy-Gegner ihren Frieden mit ihrem Erscheinen machen werden. Was für Veränderungen gibt es? Am augenscheinlichsten ist der Verzicht auf die etwas twinpeaksieske Verwirrnarrative des japanischen Filmes, der mir eigentlich eher als Vorteil erschienen ist. So richtig linear ist das Ganze immer noch nicht, aber durchaus überschaubar. Es gibt einige kleinere Veränderungen und Umbesetzungen. (So übernimmt Pullman etwa die Funktion von gleich drei Schulmädchen!) Auch wurde - wenn ich mich recht entsinne - zumindest eine Szene den JU-ON-Videos entlehnt. Ted Raimi bekommt einen blutigen Maskeneffekt geschenkt, der aber sehr achtbar geworden ist und durchaus schockiert. Während Gore Verbinskis THE RING die Fernseh-Szene mit Sadako schrecklich in den Sand gesetzt hat, gibt es keine vergleichbaren Totalausfälle in THE GRUDGE zu befürchten. Einige Sachen (Bett!) sind weniger unheimlich als im Original; einige (Überwachungskamera!) sind eher besser geraten. Und den Showstopper - Mama's walk down the stairs - trägt der Film ordentlich über die Rampe. Mann, was für Verrenkungen...
Fazit: Aufgrund der wesentlich gefälligeren Gestaltung ist das Remake weniger weird als das Original, aber auch dessen Fans können gefahrlos einen Blick riskieren. Nichtkenner des Originals werden den Film vermutlich rattengruselig finden!
(P.S.: Zum Original sollte man anmerken, daß die deutsche DVD lausig synchronisiert ist. Macht nix - ist immer noch unheimlich!)
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#237
Geschrieben 14. August 2005, 00:33
Dieser thailändische Film wurde mir von einem Kollegen empfohlen. Ich habe ihn heute mal mit Robert und Bettina angetestet. Alter Schwede.
SHUTTER beginnt ganz harmlos: Nach einem feuchtfröhlichen Beisammensein mit einigen Freunden bügelt der Protagonist mit seinem Auto eine junge Frau um, die zum falschen Zeitpunkt die Straße überquert. Der Unfallfahrer gerät in Panik und begeht Fahrerflucht. Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, daß ihn mit seinem Opfer eine intensive Vergangenheit verbindet. Und schon bald bemerkt er, daß aus den Augen noch lange nicht aus dem Sinn ist...
Da es sich um die thailändische Version des Filmes handelte, merkte ich schon bald, daß die japanische Sprache wesentlich hübscher klingt als das Geknorksel, mit dem man in Thailand Wurstbrote bestellt oder Heiratsanträge absolviert. Natürlich bezieht SHUTTER einiges von den großen asiatischen Vorbildern RINGU und JU-ON. Nasse Haare kommen auch hier wieder vor. Es gibt eine der typischen asiatischen Bettdeckenszenen. Wäre der Film schlecht gemacht, hätte schon bald das große Stöhnen eingesetzt. Er ist aber nicht schlecht gemacht. Er steigert sich tatsächlich von Minute von Minute und setzt einen Schock auf den nächsten. Gut getimed sind die Horrorszenen, da gibt es nichts. Ich wußte fast immer genau, was als nächstes passiert, und doch haute fast jeder Effekt haargenau hin. Ich schrie sogar einige Male laut auf.
Der Protagonist von SHUTTER ist Fotograf, und so konzentriert sich der Film auch zunächst auf den Umstand, daß die sogenannten "Geisterbilder" auf Fotos, die in der Regel aus absichtlichen oder unabsichtlichen Doppelbelichtungen resultieren und die gerade verstorbene Tante Käthe auf einmal beim Kaffeekränzchen auftauchen lassen, gelegentlich eben doch mehr abbilden können als den technischen oder künstlerischen Makel. Das klassische Konzept, daß in Geistergeschichten vergangenes Unrecht seine weiten Kreise zieht, steht auch hier wieder im Mittelpunkt. Verraten werde ich aber nichts, denn ich hoffe mal, daß dieser mordsspannende Film seinen Weg auf heimische Bildschirme finden wird. Verdienen würde er es. Es gibt einige äußerst unerquickliche Szenen, in denen die schuldigen Parteien vom Geist verfolgt werden, und wie immer glänzt der ektoplasmische Asiate durch ein exzellentes Gespür für Theatralik und großen Einfallsreichtum in der Wahl seiner Mittel. Nicht jeder Effekt haut hundertprozentig hin, aber die Masse macht's hier wirklich - gegen Schluß waren wir reichlich mürbe. Und zum Schluß ist anzumerken, daß ich zeitweise wirklich befürchtete, SHUTTER würde den Weg von THE EYE gehen, der nach einigen wahrhaft verheerenden Terrorszenen im Anfangsteil gegen Ende doch massiv abfiel. SHUTTER serviert einen finalen Einfall, der mich noch einige Zeit verfolgen wird bzw. mir noch einige Zeit im Nacken sitzen wird. (Hint, hint!)
Um unsere arg lädierten Nerven zu beruhigen, schoben wir danach noch das Remake von THE BLOB rein, das mit seinem launigen Bubble-Gum-Horror einen angenehm entspannenden Kontrapunkt zu SHUTTER lieferte. Das Gruseligste an dem Ami-Film war in der Tat der Haarschnitt von Held Kevin Dillon, dem montanös unattraktiven Bruder von Matt Dillon.
Wer mir in nächster Zeit intensive Gänsehaut verpassen will, erwähne einfach das Wort "Nacken" - das reicht...
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#238
Geschrieben 23. August 2005, 21:46
Nein, die Feen haben sich nicht über meine Wiege und jene von Robert Rodriguez gebeugt...
Tatsächlich habe ich bisher noch keinen einzigen Film von ihm gesehen, mit dem ich mich auch nur ansatzweise anfreunden mag. FROM DUSK TILL DAWN hat Salma Hayek und ihren Tanz. IRGENDWANN IN MEXIKO hat Johnny Depp mit seinem CIA-Hemd. Damit hat es sich allerdings auch schon. Mir geht das ganze megacoole Getue der Figuren (denen das wissende Augenzwinkern - "Ist ja alles nur Spiel!" - förmlich auf die Stirne tätowiert ist) sowas von auf den Sack - es ist zum Ausderhautfahren. Während Quentin Tarantino sich sehr wohl darauf versteht, seine Zitatesammlungen mit interessanten Untertönen zu versehen, reicht es bei Rodriguez immer nur zum Hochglanzgeprolle der ganz tumben Art. Zugegeben, nicht bei allen Filmen erwartet man intensive oder gar authentische Emotionen, aber bedauerlicherweise empfinde ich Rodriguez´ Filme meistens auch als massiv unsympathisch.
Das relativiert sich jetzt zumindest ein wenig mit seinem Noir-Massaker SIN CITY. Denn daß ich mich nicht gut unterhalten hätte, kann ich nun wirklich nicht behaupten. Auch kann man dem Film sicherlich formales Können unterstellen. Da es sich um die Verfilmung eines Comic-Strips handelt (den ich nicht kenne), fällt es da wohl auch nicht ins Gewicht, daß die Dialoge plakativ sind, die Figuren eindimensional, wie immer bei Rodriguez. Natürlich handelt es sich auch hier um eine Gewaltverherrlichung sondershausen: Männer haben dicke Wummen, sind böse und gemein, und die Letzten beißen die Hunde. Im Rahmen eines schwarzweißen Comic-Strips mit farbigen Tupfern kommt das auch sicherlich sehr gut. Was die Leinwandversion angeht, so nervte mich am Film zunächst das Vorzeigen der eigenen Könnerschaft, die für mich etwas wie "Stars in der Manege" wirkte. Auch ist Krach allgegenwärtig. In SIN CITY - erneut: Comic-Verfilmung - paßt das wohl auch, aber ich habe von Rodriguez halt noch nie etwas anderes gesehen. Die Kunststückchen werden vorgeführt, bis Augen und Ohren bluten. Die Episoden sind auf ihre Weise alle sehr schniek und besitzen zahlreiche aufregende Details. Chapeau, möchte man da sagen. Alter Schwede. Mickey Rooney, äh, Rourke hätte ich fast nicht erkannt. Coole Maske. Bruce Willis, Frodo Beutlin und vor allen Dingen Benicio del Toro machen ihre Sache wirklich gut. Etwas gestört hat mich schon die Resonanz von den eher prolligen Bestandteilen des Publikums, die die "Harter Mann"-Sprüche, die das allgemeine Schlachten kontrapunktieren, mit eigenen "Johoho, cool!"-Gröhlereien beantworteten. Aber das ist halt der Wegzoll, den entrichten muß, wer Filme macht, die in einer zurechtgestylten Gangsterwelt spielen. Ironische Brechungen bringen da letzten Endes auch nicht so fürchterlich viel.
SIN CITY ist - ästhetisch betrachtet - ein Fest für das blaue Auge. Es gibt viel zu kucken und zu entdecken. Während etwa CONSTANTINE für mich ein einziges unverständiges Waten in Dummerhaftigkeit war, so wissen die Macher von SIN CITY mit ziemlicher Sicherheit, was sie da geschaffen haben. Das ist schon nicht dumm, was da abläuft. Nur eines vermisse ich bei solch einer Hochleistungsprotzerei etwas: den Charme. Würde ich Filme mit Menschen vergleichen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, so wäre SIN CITY ein intelligenter, gutaussehender und eloquenter Zeitgenosse, bei dem man das Gefühl hat, daß er allen Sätteln gerecht wird, dem aber etwas fehlt, was mir Menschen zu Freunden macht. Das ist nichts, was man erlernen könnte. Das hat man, oder man hat es eben nicht. SIN CITY läßt einen sitzen, wenn man in der Scheiße steckt. Wir leben in einer brutalen und erbarmungslosen Welt. Die härtesten Männer haben die dicksten Kanonen. Und laß´ mich mit deinem Schrott zufrieden...
P.S.: Die Nutten mit den Wummen fand ich aber ziemlich süß. Die hatten was.
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#239
Geschrieben 27. August 2005, 22:58
Habe mir gerade im Familienkreis diesen eigenwilligen Zombiefilm angesehen, der die *Frechheit* besitzt, sich auf Romero zu berufen...
Gibt nicht viel zu sagen. Billigst gemacht. Nach einem höchstens ausreichenden Prolog setzt es ca. eine Stunde therapeutisches Geschwafel seelischer Napfkuchen, die von Schauspielern gegeben werden, die im Acting-Workshop der UCLA durchgefallen sein werden. Eine ganze Zeit lang versuchen die Leute, eine verseuchte Thermoskanne aufzubekommen, von der behauptet wird, sie sei völlig zugerostet. Die zu sehenden Bilder strafen die Leute leider Lügen. Als das Ding endlich aufgeht, fällt eine Art Tampon heraus, und auch da wird der Film nicht besser. Ob der Film geschnitten ist oder nur ein verstümmelter R-Rating-Schnitt vorlag, weiß ich nicht, aber mehr Splatter hätte den Film nicht besser gemacht, nur länger. Am Schluß endet der Film einfach so. Das möchte ich ihm nicht zum Vorwurf machen, aber er hätte es schon 95 Minuten früher bewerkstelligen sollen. THE DEAD HATE THE LIVING war verglichen damit ein Partykracher...
*stöhn*
Gestern habe ich bereits einen neuen italienischen Horrorfilm gesehen, THE SHUNNED HOUSE, der gleich drei Erzählungen von H.P. Lovecraft verwurstete. Mal sehen, ob ich dazu auch noch eine Review hinbekomme, aber positiv wird sie nicht - alter Schwede!
P.S.: REDNECK ZOMBIES war besser als CONTAGIUM!
P.P.S.: Auch THE DEAD NEXT DOOR war besser als CONTAGIUM!
*stöhn*
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#240
Geschrieben 29. August 2005, 18:42
Ich hatte etwas Angst, in den Film zu gehen, da ich eigentlich ein ziemlicher Fan von Tim Burton bin. Wie häufig ich ED WOOD, MARS ATTACKS oder EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN bereits gesehen habe, weiß ich nicht, und BIG FISH hat es sogar geschafft, mir das Märchen-Fantasy-Genre ans Herz zu schweißen, dem ich ansonsten eher abhold bin. Allerdings hat PLANET DER AFFEN durchaus gezeigt, daß Burton auch anders kann, und bei einer Verfilmung des wunderbaren Roald Dahl witterte ich Unheil. Unheil, das auch von diversen lauwarmen Reviews bestätigt zu werden schien.
Um es kurz zu machen: Geht rein! Ich fühlte mich nach Betrachten von CHARLIE AND THE CHOCOLATE FACTORY zwar so, als wäre ich erst in eine Bonbonmaschine gefallen und dann von einem Rosenmontagszug überfahren worden, aber der Film ist wirklich „chock full o'nuts“ – solche Drogen möchte ich auch mal nehmen!
Die Geschichte dürfte den meisten schon geläufig sein: Der kleine Charlie, der mit seiner bettelarmen Familie in einem windschiefen Haus wohnt, wünscht sich von ganzem Herzen, eine der fünf goldenen Eintrittskarten zu bekommen, die den glücklichen Gewinnern einen Tag in der Schokoladenfabrik des schwerreichen und überaus mysteriösen Willy Wonka bescheren. Da er seine einzige Tafel süßen Entzückens aber nur einmal im Jahr, zum Geburtstag, bekommt, sind seine Chancen gering. Umso größer die Freude, als ihm das Glück hold ist: Zusammen mit vier überaus widerwärtigen Kindern (ein freßsüchtiger Fettsack aus Düsseldorf, ein pinkfarbenes und kaugummikauendes Medienbalg, eine verwöhnte Fabrikantentochter, ein hyperintelligenter und menschlich defizitärer Videospielzombie) betritt er das Zauberreich. Und was er da erlebt, das verarbeite ich noch heute!
Alter Schwede! Wenn man dem Film einen Vorwurf machen kann, dann den, daß er des Guten etwas zuviel tut. Es gibt in wirklich jeder Ecke des Spielfeldes tausende von bunten Details zu bestaunen, und während die Narrative im Grunde sehr simpel und effektiv gestrickt ist (märchenhaft halt!), so wird man als Zuschauer ein wenig überwältigt. Dieser Film erzeugt Karies! Cora war im Anschluß daran der festen Überzeugung, in den nächsten Wochen keine Schokolade essen zu können...
Aber wieviel Schönheit, wieviel Exzellenz wohnt in diesem Film! Johnny Depp finde ich ja in nahezu jedem Film herausragend, selbst in mittelmäßigem Schmonzes wie FLUCH DER KARIBIK. In CHARLIE räumt er wieder ab, und er spielt wieder ganz anders als sonst. Sein Willy Wonka wirkt wie eine Mischung aus Michael Jackson, einem viktorianischen Jahrmarktszauberer und einem schwer Geisteskranken. Willy hat eine unglückliche Kindheit gehabt (Christopher Lee!), und was die süßen Leckereien mit seinem Gemüt angestellt haben, ist nicht nur gesund: Sehr viel Grausamkeit und Menschenverdruß liegt in seinem Spiel, das nur oberflächlich eine Comedy-Performance ist. Statt das Zielpublikum für dumm zu verkaufen und eine süßliche Traumwelt anzubieten, geht Burton in die Vollen und gibt den Bälgern, was der Bälger ist. Jede Abstrafung wird gefeiert von eigens komponierten Songs von Willy Wonkas winzigen Helfern, den Oompa-Loompas. Und die sind ja auch so eine Sache: Es war schon sehr eigenartig, den kleinen Van Bullock aus Christian Anders´ BRUT DES BÖSEN in BIG FISH wiederzuentdecken, aber in CHARLIE spielt er nicht nur einen Oompa-Loompa – er spielt ALLE Oompa-Loompas! Ich weiß nicht, wie die das spezialeffektetechnisch hingetrickst haben, aber ich saß nur mit offenem Maul im Kino und staunte, als der kleinwüchsige Darsteller Deep Roy in hundertfacher Ausführung (mit ein und demselben Gesichtsausdruck) durch die Gegend turnte. Das ist nicht putzig – das ist richtig gruselig! Wie desorientierend das ist, überall diesen kleinen Mann auftauchen zu sehen, kann nur erahnen, wer das Aphex-Twin-Video von „Come To Daddy“ kennt – holy shit!
Spezialeffekte und Dekoration sind durch die Bank meisterhaft. Ich erinnere nur an die Eichhörnchen. Nicht nur in ihrer Szene fühlte ich mich an Dr. Seuss und die wunderschöne Verfilmung von DIE 5000 FINGER DES DR. T erinnert, die in der Tat einer der Vorläufer von Tim Burtons Bilderwelt zu sein scheint. Danny Elfmans böse Zirkusmusik ist ihr übliches hervorragendes Selbst. Die Kinder sind toll ausgewählt. Ein Vergnügen, ein einziges Vergnügen! Direkt nach Betrachten des Filmes war ich noch etwas eingeschüchtert und sinnlich überfordert, aber mittlerweile haben sich die Schwebeteilchen gesetzt, und ich bin begeistert!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
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