Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen
#241
Geschrieben 03. September 2005, 01:53
Den Film habe ich mir heute auf gut Glück ausgeliehen, um einen einigermaßen anspruchsvollen Widerpart zu den Zombiefilmen zu finden, mit denen ich meine heutigen Gesinnungsgenossen zu traktieren trachtete. Die Wahl war nur mittelmäßig erfolgreich, da der Film ständig besser zu werden versprach, als er tatsächlich war.
Michael Keaton spielt einen Architekten, dessen Frau eine angesehene Buchautorin ist. Der kleine Sohn kräht selig im trauten Familienmiteinander und signalisiert Harmonie. Ganz klar, daß diese Harmonie dem Untergang geweiht ist: In angenehm kurzer Zeit verschwindet Frau Keaton und wird für tot gehalten. Schon bald taucht beim gramgebeugten Architekten ein fetter Mann auf und konfrontiert ihn mit Nachrichten aus dem Jenseits sowohl akustischer als auch visueller Natur. Zunächst weist Keaton den Mann barsch von sich, aber ihn packt die Neugier – könnte sein Schmatzspatz nicht doch posthume Botschaften an ihn versenden? Und so hakt er nach, und tatsächlich: Die Frau spukt im Äther von Dickmanns Aufnahmegeräten. Sie klingt ganz glücklich, und das wäre auch in Ordnung, gäbe es da nicht einige Seelen, die gequält und zornig ihren Gang durch die Unendlichkeit vollziehen...
WHITE NOISE beginnt ganz gut, entwickelt sich dann aber sehr bald zu einer extrem kitschbedrohten Spezies mit deutlichen Längen. Gerade bevor wir erwogen, den Film abzuschalten, setzte dann auf einmal eine Spur von gruseligen Interferenzen ein, die etwas von japanischen Geisterfilmen beeinflußt schien. Leider verfolgt der Film aber nicht die Linie, sondern mündet in einen wenig anheimelnden DEAD ZONE-Abkömmling, denn Keaton will auf einmal Gutes für seine Mitmenschen leisten. Der Schluß ist ein hanebüchener und computereffektegetränkter Weg des geringsten Widerstandes und hat nicht nur mich wenig befriedigt zurückgelassen. Schade eigentlich, denn inszeniert ist der Film sehr ordentlich und klotzt visuell ran, ohne es zu übertreiben. Das Drehbuch wollte es halt nicht so. Unterm Strich erinnerte mich das Seherlebnis etwas an COLD CREEK MANOR von Mike Figgis, der auch viele positive Zutaten enthielt, ohne sie letztendlich zum geschmackvollen Zusammenlaufen bewegen zu können. Wie Bettina meinte: Ist ganz okay, den mal gesehen zu haben, aber auf DVD braucht man den jetzt nicht wirklich. Hoffe mal, daß Regisseur Geoffrey Sax nächstes Mal ein besseres Drehbuch zur Verfügung hat...
Danach leisteten wir uns noch den Luxus eines tumben Zombiefilmes namens CHILDREN OF THE LIVING DEAD. Der war ziemlich banane, wurde von uns nach etwa 60 Minuten abgebrochen und führte Tom Savini an der Spitze seiner Besetzungsliste. Das Beste an der DVD war die Synchronstimme von Tom, denn der knödelte im tiefsten Baß nasal herum, daß man sich fast Helge Schneider herbeigewünscht hätte. Der Chefzombie hatte ein lausiges Make-Up und sah aus wie Tante Trude auf dem Tuntenball. Es gab verschiedene Teenager, darunter den betriebsüblichen blonden Bimbo und eine Frau mit langer Nase und Überbiß. CONTAGIUM von letzter Woche war schlechter, aber das soll nicht etwa heißen, CHILDREN wäre gut gewesen.
Den Abend beenden sollte dann ein Werk namens HEXENHAUS - BLUT FÜR DIE ZOMBIES, dessen Troma-Emblem einiges versprach. Leider gehörte der Film zu den eher generischen Exploitationfilmen und streckte unbedeutende Szenen bis zur kompletten Unerträglichkeit, einige marketable Sensatiönchen forsch dazwischenwürfelnd. Geht um einige Jugendliche, die in einem alten Haus auf Großmutterterror stoßen und sich mehrheitlich in blutlüsterne Zombies verwandeln. Klingt möglicherweise spannend, besteht aber zum großen Teil aus Szenen, in denen die völlig untalentierten Bimbos männlichen und weiblichen Geschlechts Fenster oder Türen öffnen oder törichten Tönjes reden. Die Splattereinlagen sind überschaubar und sehr schlecht inszeniert. Ich fragte mich immer nur, warum lustige (und qualitativ akzeptable) Sachen wie Peter Jacksons BRAIN DEAD bei uns beschlagnahmt werden, während mottenstichiger Mulch wie HEXENHAUS bei uns frei herumläuft. Will mir nicht einleuchten. Völliger Tand ohne Charme und Verstand.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#242
Geschrieben 18. September 2005, 10:57
Nach all den Hiobsbotschaften, die mich über dieses „Remake“ erreichten, muß ich sagen, daß ich schon bedeutend Schlechteres gesehen habe. Dieser Umstand ist allerdings nicht aussagekräftig im Hinblick auf die Qualität von HOUSE OF WAX, sondern besagt nur, daß mein Filmkonsum sich in letzter Zeit auf einem erschreckend niedrigen Niveau bewegt...
Zuerst einmal: Mit dem Atwill-Film oder dem Price-Film hat HOUSE OF WAX rein gar nichts zu tun. Ein paar Teenager (darunter Paris Hilton und die eine aus „24“) fahren zelten. Für etwa 45 sehr lange Minuten schwätzen sie Dummfug und benehmen sich so, wie sich Teenager im realen Leben garantiert auch heute nicht benehmen. Die haben sich niemals so benommen. Teenager sind immer fürchterlich deprimiert, sitzend heulend und/oder schmollend in der Ecke und warten darauf, daß sie erwachsen werden. In HOUSE OF WAX lassen sie sich über haarsträubende Banalitäten aus, und Paris Hilton darf einem Hiphop-Schwatten einen blasen, was wohl so eine Art Selbstzitat darstellt. Hatte mir bei CABIN FEVER schon die ellenlange Exposition mißfallen, so wird sie von jener in HOUSE OF WAX mühelos übertroffen. In der ersten Stunde passiert fast gar nichts. Als das Auto dann liegenbleibt (gähn!), ist ein Keilriemen vonnöten. In einer kleinen Stadt wird nach einem solchen gesucht. Ein Priester, der gleichzeitig als Mechaniker tätig ist, nimmt sich der herumstrolchenden Backfische an. Leider läuft da noch ein geheimnisvoller Mörder herum, der seine Opfer mit Wachs vollspritzt...
Umgelegt und angespritzt zu werden – was für ein Karriereschwenk für Papis reiche Tochter! Abgesehen davon, daß Frau Hilton für mich ein ewigwährendes Mysterium darstellt (kann nix, sieht scheiße aus, ist einfach nur immens wohlhabend), stellt sie in HOUSE OF WAX kein übermäßiges Problem dar. Sie wird auch sehr ansprechend entsorgt, und das nach relativ kurzer Zeit. Allerdings hätten sich die vortrefflichen Drehbuchautoren die Mühe machen sollen, den Film – wenn man sich denn schon auf Klassiker des Horrorkinos beruft – mit einem Modikum an Stil auszustatten. Stattdessen setzt es den bereits erwähnten Dialogmurks, Rapmusik und einen Killer, der aussieht wie ein Deathmetalfreak aus Buxtehude. Er weiß mit Sekundenkleber interessante Dinge anzustellen, aber ansonsten hat es sich damit auch schon. In der zweiten Hälfte nimmt der Film dann etwas Fahrt auf, aber wenn man nicht weiß, wohin die Reise geht, ist das nicht immer von Vorteil. Der einzige Einfall des ganzen Filmes, der mir gefallen hat, ist der ebenso absurde wie pittoreske Umstand, daß der Titel sehr wörtlich zu nehmen ist: Das ganze verdammte Wachsmuseum ist aus Wachs! (Darf ich wohl verraten, denn der Film tut es auch recht früh.) Das sorgt immerhin für ein optisch reizvolles Finale, in dem die Überlebenden aus einem Gebäude fliehen müssen, dessen Wände und Böden/Decken wie Käse wegschmelzen, wo immer sie auch hintreten. Ersatzhalber hätte man das Haus ja auch aus Käse errichten können – das hätte dann ein schönes Teenie-Fondue gegeben! Den katalanischen Regisseur mit einem Gewicht an den Füßen in den See zu werfen (wie einst bei Asterix), hielte ich für übertrieben, aber solange sich der Respekt vor liebgewonnenen Originalen darin erschöpft, im Kino BABY JANE laufen zu lassen, eine NIGHT WALKER-Gedächtnis-Kirche herzurichten und den Psychopathen Vincent zu nennen (stöhn!), will mir die Notwendigkeit solcher Übungen nicht einleuchten. Also: Nettes Finale, gute Set-Designer, ansonsten Murks. Wie so häufig.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#243
Geschrieben 21. September 2005, 16:19
Mit der Fortsetzung zur amerikanischen Version seines sehr unheimlichen RING hat sich Hideo Nakata eindeutig keinen Gefallen getan. Zwar bemüht sich der Film, die Story in einer anderen Richtung weiterzuentwickeln als Nakatas eigene japanische Fortsetzung. Leider handelt es sich um die falsche Richtung.
Rachel (Naomi Watts) ist mit ihrem Sohnematz nach Hintertupfingen gezogen und hat eine Stellung bei einer dort ansässigen Kaninchenzüchtergazette angenommen. Als ein toter Teenager aufgefunden wird, dessen Gesicht von grausiger Angst gezeichnet ist, wittert sie eine Fortsetzung des Video-Trubels. Und das nicht zu unrecht, denn Samara (wie Sadako in der Ami-Version hieß) gibt Vollgas. Obwohl Rachel das Tape zerstört, muß sie feststellen, daß der Geist immer noch aktiv ist. Das Ziel ist Rachels Sohn...
Stöhn. In der IMDb habe ich eine Kritik gelesen, deren Überschrift „RING 2: THE HERETIC“ lautete, und das trifft die Sache einigermaßen gut. Welcher Kommerz-Teufel den Drehbuchautoren (der den unpassenden Namen Ehren Kruger trägt!) geritten haben mag, aus dem Alptraumgespinst eine simple Besessenheitsgeschichte zu machen, weiß wohl nur er allein. Ausgezahlt hat es sich für niemanden, denn obwohl der Film sehr hübsch gefilmt ist, erschöpft er sich in einer Reihe von mehr oder weniger gelungenen „Set Pieces“, die mit dem ursprünglichen RING japanischer Prägung soviel zu tun haben wie mein linker Zeh mit dem Kaiser von China. Verglichen mit Gore Verbinskis Film bedient sich RING 2: THE HERETIC eines sehr viel gemächlicheren Erzähltempos, was die Fans des ersten Filmes verprellt haben dürfte. Leider begeht auch Nakatas RING 2 den Fehler, die vage und mysteriös gehaltenen Elemente der japanischen Version viel zu deutlich zu präsentieren, so daß man sich niemals in etwas anderem wähnt als in einem (wenngleich ordentlich gemachten) amerikanischen Teenie-Horror. Das Finale ist dann komplett mißlungen und ignoriert die Gesetze der Logik ebenso wie Naomi Watts die Gesetze der Schauspielkunst. (In MULHOLLAND DRIVE war sie wesentlich besser, aber der hatte eben auch ein weniger plattes Drehbuch!) Die einzige Sache, die mir an RING 2 gut gefallen hat, war die Geschichte mit den Hirschen, aber auch das ist eine komplett separate Episode, wie sie in jedem anderen Ami-Horror hätte stattfinden können.
Fazit: Einer der unheimlichsten Filme, die ich jemals gesehen habe, ist zu einem schnöden Horror-Serial geworden. Das ist noch nicht ganz JASON VS. SAMARA, geht aber gefährlich in die Richtung.
P.S.: Eines der nächsten Hollywood-Projekte von Nakata wird das Remake von Sidney J. Furies paranormalem Vergewaltigungsdrama THE ENTITY sein. Wer immer sein Agent ist – ich würde ihn feuern...
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#244
Geschrieben 24. September 2005, 00:37
Warum sich dieser Film so schlechte Kritiken eingehandelt hat, ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel. Zwar verbirgt sich hinter dem einschlägig vorbelasteten Titel kein ungeschliffener Diamant, aber gemessen an meinen Erwartungen war ich doch recht positiv überrascht.
Der kleine Tim hat einst zugesehen, wie sein Vater vom "Schwarzen Mann" in den Kleiderschrank gezogen wurde. Da Timmy 8 Jahre alt war, glaubte ihm natürlich niemand, und so wuchs er heran zu einem typischen neurotischen Twen. Als seine Mutter stirbt, kehrt er in das Kleinstadtkaff zurück, in dem er aufgewachsen ist. Schon bald geschehen Ereignisse, die so recht deutlich machen, daß die Schranktür noch lange nicht geschlossen ist...
Betrachtet man BOOGEYMAN als psychologischen Thriller über Kindheitsängste, so bietet sich dem Betrachter ein bunter Blumenstrauß an entsprechenden Verweisen: Namenlose Bedrohungen lauern unter Betten oder in dunklen Schränken, nächtliche Korridore werden von flackernden Lichtern erhellt, die Anziehsachen verwandeln sich im Finstern zu Spukgestalten. Hauptdarsteller Barry Watson (TÖTET MRS. TINGLE) ist ausgesprochen gut ausgewählt, da sein jungenhaftes Gesicht die Vorstellung leicht macht, daß in diesem Mann eine gequälte Kinderseele rumort. Sein Tim ist ein grundsätzlich sympathischer Kollege, der mit einer besonders unangenehmen Blondine als Freundin geschlagen ist - unverdient selbstbewußt, eifersüchtig und verzogen, igitt. Tim bekommt seine Gegenwart nicht in den Griff, da zu viel Vergangenheit unbewältigt ist. Der Zuschauer weiß nicht so recht, ob der schwarzgesichtige Dämon, der sein Unwesen treibt, wirklich existiert oder nur die Vision eines geisteskranken Mörders darstellt. Das Spiel mit der Irritation betreibt der Film teilweise recht geschickt, wenngleich man sich in manchen Passagen etwas mehr erzählerische Klarheit gewünscht hätte. Manche Handlungsstränge werden einfach nur angeschnitten, um dann völlig beiseitegelassen zu werden. Was ist z.B. mit Onkel Mike? Was ist mit dem Bündel alter Entführte-Kinder-Plakate, die der entsetzte Tim in der Garage seines Vaters findet? (Eine der unheimlichsten Szenen des Filmes, finde ich.) Und die Geschichte mit der Mutter bleibt auch etwas unterernährt. Es macht ganz den Eindruck, als hätte man ein Drehbuch zusammengestrichen und sich für die einfachere Variante entschieden. Es gibt Effektezauber satt - nicht immer zum Vorteil des Filmes.
Fazit: Hätte man mehr draus machen können. Auch so ist BOOGEYMAN (übrigens eine Produktion von Sam Raimi) immerhin recht spannend, hat einen guten Hauptdarsteller und einige angemessen gruselige Szenen. Mein Videoabend wurde auf jeden Fall nicht verdorben. Trotzdem, die Zutaten hätten mit Sicherheit Stoff für einen wesentlich interessanteren Streifen geboten. So gibt es halt eben das volle Türquietsch- und Theaterdonner-Programm. Auch okay, aber nicht mehr.
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#245
Geschrieben 24. September 2005, 11:57
Jung geübt, alt getan, hähä! bzw. Die hauen mittlerweile ja wirklich je-den Gassenhauer auf DVD raus...
Im Falle von FLIEGENDE KELLNER freute mich das Wiedersehen durchaus, zumal ich mich noch an die langen Gesichter erinnern kann, als die Leute in die Kinos liefen und eine Fortsetzung zu Joe Dantes unterhaltsamem PIRANHA erwarteten. Zu sehen bekamen sie ein 08/15-Weißhai-Imitat mit lauter brummenden Plastikfischen, das Meisterproduzent und Globetrotter Ovidio Assonitis aus dem Fels der Filme, die nicht werden sollten, herausgebrochen hat. Als Regisseur verwendete er den noch unbekannten James Cameron, der sich während der Dreharbeiten mit Assonitis überwarf und schließlich sogar in den Schneideraum einbrach, um den Film nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Das Vorhaben war wohllöblich, aber umsonst, da man ihn schnappte. Assonitis drehte den Film angeblich selber fertig und fügte zahlreiche Strandszenen mit amerikanischen Knallchargen ein.
FLYING KILLERS beginnt vielversprechend: Ein Taucherpärchen paart sich in den Tiefen des Meeres um Jamaica. Harte Nippel, scharfe Zähne: Ein Schwarm teuflischer Freßfische betätigt sich als Koitus Interruptus und feiert eine Party – juchhuuu... Dann folgt alles den Gesetzen von JAWS: Eine Tauchlehrerin, deren Mann der Sheriff ist (Lance Henriksen), verliebt sich in einen grenzdebilen „Baywatch“-Hecht, der sich als Biochemiker herausstellt. (Ja, genau!) Da das Militär Piranhas mit fliegenden Fischen gekreuzt hat und ein Schiff mit Eiern vor der Küste havariert ist, gibt es einen Kessel Buntes für die Strandgäste. Der reiche Hotelmanager weigert sich natürlich, den Strand schließen zu lassen. Und so weiter, und so fort...
Als ich den Film seinerzeit im Kino bewundern durfte, lief er ab 16, was angesichts der saftigen Schockeffekte von Zombie-Zampano Giannetto de Rossi verwundert. Bevor die geflügelten Lieblinge aber ihr gefräßiges Tagewerk aufnehmen können, fließt der Dünnpfiff in Strömen: Lauter hanebüchene Teenager, ein stotternder Koch namens Melvin, eine notgeile Alte, ein nerdiger Zahnarzt – der Film läßt nichts aus! Immerhin besaß die Produktionsleitung den vortrefflichen Geschmack, einige „Penthouse Pets“ zu verpflichten, damit man neben dem ganzen unlustigen Klamauk auch ein paar Hühnertittchen zu sehen bekommt. Das ist zwar alles andere als erotisch (eher belustigend), paßt aber prima zum verbrecherischen Früh-80er-Ambiente, das sich u.a. in der Verwendung von Aerobic-Schweißbändern, Walkmen (modern!) und Disco-Frisuren ausdrückt. Die Musik von Stelvio Cipriani („Steve Powder“, höhö!) verbreitet erneut gepflegtes Fahrstuhlambiente.
Anstelle von Cameron hätte ich Napalmbomben auf die Schneidewerkstatt geworfen! Immerhin, seine Karriere hat es überlebt, aber von hier bis zu TITANIC war es wirklich ein langer Weg. FLYING KILLERS ist bodenlos, stellt aber für Freunde leicht antiquierten Horror-Trashes eine lohnende Anschaffung dar.
P.S.: Persönliche Lieblingsszene: Lauter Hotelgäste machen sich zum Horst und rufen im Rahmen eines Animierprogrammes den Fischgott an: „Wir wollen Fisch, wir wollen Fisch!“ Den bekommen sie dann auch...
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#246
Geschrieben 25. September 2005, 02:23
Heute habe ich mal richtig auf die Kacke gehauen! Ich habe einen Film namens PIRATENMASSAKER erworben (für 4 Euro 99), und das habe ich nicht aus Arglosigkeit getan, sondern aus kühler Berechnung: Tauberts ICH PISS´ AUF DEINEN KADAVER war mir bereits ein Begriff, und er hat abgeräumt unter Kumpels...
Als Orson Welles seinen CITIZEN KANE drehte, schwebte ihm mit Sicherheit Großes vor. Er war 25, als er das Zelluloid belichtete, das jenem Film ein Zuhause geben sollte, das einst als „Bester Film aller Zeiten“ in die Annalen der Kinogeschichte eingehen sollte. Wie alt Jochen Taubert war oder ist, ist mir kein Begriff, aber seine Filme sprengen den Bereich des kategorisch Eingrenzbaren. Sind sie Müll? Sind sie Trash? Ich weiß nicht, was diesen Mann zu seinen bahnbrechenden Erforschungen getrieben hat, die Licht und Dunkel miteinander vermischen, um stumme Fantasien zu wildem Leben zu erwecken.
PIRATENMASSAKER ist ein Film, der komplett in einem Wald entstand. Möglicherweise wurde da einiges Unkoschere geraucht, aber das Vorhaben, ausgerechnet einen Piratenfilm für ein niedriges Budget zu drehen (das 300 Euro keinesfalls überstieg), erfordert Mut, ich möchte sogar sagen: Todesverachtung! Gespart hat man erst einmal beim Drehbuch, das m.E. auf einen Bierfilz gepaßt hat. Da sind keine spanischen Schlachtschiffe, keine stimmigen mittelalterlichen Kostüme – nur lauter Leute, die in lustigen Klamotten durch den Wald laufen! Piraten kämpfen da gegen kannibalische Mönche, und es geht auch um einen verborgenen Schatz, der irgendwas mit einem magischen Dolch zu tun hat. Da die meisten Einstellungen mehrfach wiederholt werden, gewinnt man die specktittigen Piraten bald lieb, wie sie durch den Tann hasten und einander zerschnetzeln. (Um Loriot zu paraphrasieren: „Das ist Qualität – eine Einstellung wie die andere!“) Eichhörnchen werden keine gesichtet, da der Film vermutlich gedreht wurde, bevor der Wald zu seinem Tagewerk erwachte. Taubert evoziert die ganze unbarmherzige Rohheit des Piratendaseins zum Leben und läßt die Lumpen krachen, bis kein Halm mehr am rechten Platz steht. Aus dem reduzierten Raum wird ein Schlachtfeld der unterdrückten Leidenschaften. Moos und Pilze werden zu Hauptdarstellern in einem Werk, dessen unnachahmliche Komprimierungsdichte (gibt es das Wort?) das leichteste Zaudern zur Größe eines menschheitsumfassenden Existenzverdrusses geraten läßt. Wenn der eine Mönch dem Piraten den Pimmel abschneidet und sich in den Mund schiebt, ist das nicht nur eine homophile Camouflage, sondern ein Kommentar auf die Menschheit an sich, die sich selbst ein Wolf ist. Inmitten des allgemeinen Gerangels laufen auch zwei Frauen herum, eine brünette Nette und eine blonde Poponde. Das sexuelle Motiv wird allerdings nicht bis zur ultimativen Wallungswucht des Exploitationgenres ausgewalzt, sondern verharrt in den Startblöcken. Taubert geht es nicht um die entfesselte Sexualität, sondern um das komplette Gemansche, das losbricht, wenn Piraten auf kannibalische Mönche treffen.Wer da hollywoodeske Pracht erwartet, ist fehl am Platze – Reduktion wird zu Perfektion, wenn wenig Geld dicken Ehrgeiz bedient. Große Schiffe und Galeonen mag man in amerikanischen oder italienischen Produktionen suchen. In Borken zählt der Wille zum Überleben, und wo es an teurem Protzen gebricht, da obsiegt der Gedanke, realisiert als naßforsche Video-Filmfantasie.
ICH PISS´ AUF DEINEN KADAVER habe ich vor einigen Monaten gesehen, aber sein Licht erfaßt mich noch heute! In gewisser Weise handelt es sich bei jenem Werk um eine Paraphrase auf die Zombiefilme im Fahrwasser von DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN – ein im militärischen Auftrag erzeugter Virus gebiert Unheil. Der einzige Zivilist, der dem terroristischen Treiben entmenschter Sabberköpfe entgegentritt, ist ein Arzt, der auch den Hauptpiraten im PIRATENMASSAKER gegeben hat. Angenehmerweise hat der Arzt auch eine Tochter, die dadurch angenehm verwirrt, daß sie nackt, aber höchst unrealistisch badet und ihre Lenden beim Aerobic verbiegt. Sie hat auch eine tolle Szene, in der sie minutenlang zu lausigem Techno-Gebubber vor einem Jeep flieht. Ich möchte keine Gewähr übernehmen für meine Ausführungen, da ich den Film vor einiger Zeit gesehen habe und damals stockbetrunken war, aber entweder sie oder eine andere junge Dame wird im weiteren Verlauf von gierigen Söldnern mißhandelt und getötet. Vater ist dagegen sehr, und so führt dann alles zum Amoklauf des gewidmeten Mediziners und einem Einsatz von Militärstärke, der zu den größten Mysterien des Filmes zählt. Taubert scheint gute Beziehungen zum Bund zu unterhalten, da er nicht nur über Aufnahmen mit Panzern und Mili-LKWs verfügte, sondern auch über Helikopter und Archivmaterial von Reserveübungen mit Puff und Päng satt. Mein schauspielerischer Liebling war ein schnauzbärtiger Bodyguard, der auch im PIRATENMASSAKER wiederauftaucht, wo er einen Ritter mit lustigem Wams spielt. Toll auch ein türkischer Autofahrer, der im MASSAKER einen der Chefmönche spielt. Die Welt des Jochen Taubert ist angenehm familienzentriert. Ob auch der unglaubliche Mafiaboß aus KADAVER in MASSAKER mitwirkte, vermag ich nicht zu sagen.
Tauberts Filme sind wohl zu einem guten Teil beabsichtigter Trash, was sie von den Filmen eines Ed Wood wesensmäßig unterscheidet. Keine Ahnung, was im Kopf dieses Auteur-Genies sonst so vorgeht. Ich werde mal versuchen, ein Interview mit dem Mann zu bekommen, denn Borken ist ja nicht weit weg. „Art Brut“ ist ja unbedingt unterstützenswert, und Spaß gehabt haben ich und meine Mitkucker allemal...
Während ich vorher an Amateur- und Semi-Amateur-Produktionen aus Deutschland weitgehend uninteressiert war, hat sich das Rad jetzt etwas gedreht. Ich bilde mich derzeit gerade fort im Hinblick auf die Epigonen des ehemaligen Trash-Undergrounds, der wohlig vor sich hin pfuhlte.
Produktionen wie TEARS OF KALI (großartige zweite Episode!) haben es durchaus geschafft, mein ernstgemeintes Interesse zu erregen. Olaf Ittenbach halte ich nach wie vor für extrem begabt, wenn es um das Erzeugen von Spezialeffekten geht. Seinen PREMUTOS finde ich sehr unterhaltsam und ausgesprochen wagemutig, da er den Kessel von Stalingrad, schottische Hochländer, die Kreuzigung von Jesus und Ingolstädter Impressionen auf niedrigem Budget zum Einsatz bringt. Das ist Chuzpe. Auch THE BURNING MOON enthält die schöne Episode mit dem perversen Priester, die doch mehr verrät als das gewöhnliche Splatter-Tamtam. Mit LEGION OF THE DEAD vermochte ich nicht so viel anzufangen, aber RIVERPLAY würde mich schon sehr interessieren. (Den werde ich aber nie zu sehen bekommen, da der Paragraph 131 schneller war als ich!)
P.S.: „Im Namen des Papstes, sancti – gib´ ihm den Rest!“ (PIRATENMASSAKER) Jean-Marie Straub – friß´ Blei!
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#247
Geschrieben 02. Oktober 2005, 03:23
Im letzten Monat habe ich mich zweimal mit Neonazis beschäftigt. Das erste Spektakel nannte sich AMERICAN HISTORY X und war ein Musterbeispiel des jungen liberalen Hollywoodkinos, dem kein Eisen zu heiß ist, um es in einer Suppe wohlfeilen Konsensgenickes zum Zischen zu bringen. Da gab es den gefallenen Nett-Nazi (Edward Norton), der durch einen Gefängnisaufenthalt, den ihm ein besonders widerwärtiger Akt des sogenannten „Rinnsteinfressens“ eingebracht hat, zur Vernunft kommt, da er ja seinen ebenfalls absturzgefährdeten kleinen Bruder (Edward Furlong) vor Schlimmerem bewahren will. Der Film quoddelt gelackte Werbefilmbilder (eine Vergewaltigung im Knast sieht aus wie eine Calvin-Klein-Werbung!) zu einem Drama zusammen, das an Plakativität nichts zu wünschen übrig läßt. Ein nettes Anliegen führt nicht immer (fette Untertreibung!) zu gutem Kino, und was der kurz vor Veröffentlichung abgesprungene Regisseur („Das ist nicht mein autorisierter Endschnitt!“) da abgeliefert hat, ist Sozialkitsch im Quadrat. Zwei tolle Schauspieler, aber sonst weiß Gott nicht viel.
Anders als AMERICAN HISTORY X – der meines Wissens mittlerweile an Schulen vorgeführt wird – machte sich der australische ROMPER STOMPER bei seiner Kinoauswertung jede Menge Feinde. Grund hierfür wird dieselbe lamentable Neigung zur Übervorsicht in Nazifragen gewesen sein, die auch dem m.E. hervorragenden Dokumentarfilm BERUF: NEONAZI von Winfried Bonengel schweren Seegang bescherte. Hatte Bonengel damals auf eine Kommentierung der Naziszenen bewußt verzichtet (die Bilder sprechen wirklich für sich!), so schildert ROMPER STOMPER seine Story aus der Sicht einer Gruppe asozialer Jugendlicher, deren Leben im wesentlichen aus Herumlungern, Saufen und Poppen zu bestehen scheint. Tätowiert sind sie auch, die Schlingel. Richtige Früchtchen. Ihr Allerliebstes ist es, vietnamische Einwanderer zu verdreschen und möglichst gleich totzuprügeln. Stumpfe Gewalttätigkeit regelt. Kreativität oder Eigendenken ist den jungen Herren und Damen unbekannt. Eingebettet in dieses an Endzeitfilme gemahnende Schreckensszenario ist dann eine Art Entwicklungsgeschichte, da sich einer der Skins von der Gruppe lösen will, da er sich in eine Blondine verliebt hat. Wird die wahre Liebe obsiegen, oder schafft es der Tropf nicht, sich von seinem großbrüderlichen Buddy Hando (Russell Crowe) zu lösen?
Tja, besser als die amerikanische Geschichtsstunde finde ich RÖMPER STÖMPER schon. War der Einwand, Bonengel habe mit BERUF: NEONAZI den armen Deppen ein Forum für ihre menschenverachtenden Ansichten geschaffen, noch mehr als zweifelhaft – selten wurde die irregeleitete Qualität der Ansichten von jungen Menschen, die eigentlich nur eine Ersatzfamilie suchen, so deutlich bloßgelegt wie hier –, so ist der Einwand bei ROMPER STOMPER zumindest nachvollziehbar. Ohne Frage gibt es zahlreiche Natzis, die den Film strunzgeil finden, da er in „ihrer“ Szene spielt und die tumbe Verherrlichung von Gewalt sattsam abbildet. Auch verwendet er in seinen Actionsequenzen ohrenbetäubende (aber nicht sehr authentisch wirkende) Krachmusik mit rassistischen Texten, um den gewalttätigen Vorgängen Treibstoff zu verleihen. Nicht diese den meisten Actionfilmen innewohnende Ambivalenz oder seine Mißverständlichkeit mache ich dem Film zum Vorwurf. Zweifelhaft wird er für mich eher dadurch, daß sich Regisseur Geoffrey Wright (der später die lustige Slasher-Parodie SEX ODER STIRB/ CHERRY FALLS drehte) nicht entscheiden kann, ob er nun ein ernsthaftes Sozialdrama oder einen Actionfilm präsentieren möchte. Für ein glaubhaftes Drama ist der Film viel zu stilbetont und formt seine entmenschten Jungmänner und –frauen zu Butzemännern, die fast schon an die Droogies von UHRWERK ORANGE erinnern. An moralischer Betroffenheit zum Mitweinen interessierte Erzieher werden sich an den knochenharten und teilweise schwer anzuschauenden Gewaltszenen stoßen, in denen die Charaktere durchgewalkt werden wie Muttis Schmutzwäsche. Und für Actionfreunde ist das Ganze vermutlich zu wenig überhöht – von den Kirmespunks aus DIE KLASSE VON 1984 sind die Braunskins des Filmes noch weit entfernt. So fällt ROMPER STOMPER irgendwie zwischen zwei Stühle: Trotz seiner teilweise wirklich beeindruckend effektiven Inszenierung kann man ihn nicht wirklich ernstnehmen, da er des Guten fortwährend zuviel tut und dem Zuschauer eine Realität um die Ohren böllert, die man ob des Theaterdonners nicht wirklich glauben mag. Meine persönliche Lieblingsszene ist der Schluß, der die Ausrichtung des Filmes zweifelsfrei feststellt: Als sich das kaputte Familiendrama endlich gewaltsam entwirrt, kommen auf einmal lauter asiatische Touristen vorbei und knipsen die Kombatanten arglos und kichernd bei ihrem blutigen Unfug.
Ich schließe da lieber mit jener schönen Szene aus BERUF: NEONAZI, in der eine ältere Dame mit leuchtenden Augen vom Treffen ihrer Mutter mit dem Führer berichtet. Das fand nämlich statt auf einem Ball, den sie in ihrer Erinnerung zu einer VOM WINDE VERWEHT gut zu Gesichte stehenden Kitschfantasie verklärt. Irgendwann – so sagt sie – ging die Türe auf. Der Führer kam herein und schwebte durch den ganzen Ballsaal direkt auf ihre Mama zu. Und der Führer sprach zur Mama: „Die Schlesier sind mir immer die Allerliebsten gewesen!“ Dem kann man wirklich nichts hinzufügen. Da wird alles sonnenklar.
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#248
Geschrieben 07. Oktober 2005, 00:24
Machen wir's kurz: Hätte wirklich schlimmer kommen können!
Während ich die TV-Serie ihrerzeit stramm boykottierte, da ich mir den Lesespaß, den mir die Romane von Douglas Adams bereitet hatten, nicht kompromittieren wollte, landete jetzt zumindest die aufwendige Kinoversion in meinem Player. Die Vorlage wurde recht einfallsreich umgesetzt, mit vielen drolligen optischen Späßen. Wer die Bücher nicht kennt, wird vermutlich eine Menge Spaß haben. Und wer mit ihnen vertraut ist, wird das Vorbild zumindest nicht verhunzt sehen. Die Optik ist stark beeinflußt von Monty Python (insbesondere Mr. Gilliam), und da das Drehbuch die Vorlage recht geschickt zusammenrafft, funktioniert das auch ganz ordentlich. Mein grundsätzlicher Einwand bleibt allerdings, daß der Genuß des geschriebenen Wortes gerade bei diesen ebenso fantasievollen wie absurden Abenteuern zu einem großen Teil darauf beruht, daß man sie sich selbst ausmalen kann. Werden sie auch noch so spektakulär und kompetent umgesetzt - da wird doch vieles zu konkret, als daß der Vergleich positiv ausfallen könnte. Der Film fügt den Vorlagen auf jeden Fall keine neue Dimension hinzu, so daß ich sagen möchte: Man begeht keinen Fehler, sich den Film anzusehen, aber es muß eben auch nicht unbedingt sein.
Erwähnt sei die respektvolle Verbeugung des Regisseurs vor Douglas Adams, dem die letzte Einstellung des Filmes gehört.
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#249
Geschrieben 07. Oktober 2005, 00:45
Jan und Peter sind zwei junge Männer, die sich einen merkwürdigen Freizeitspaß ausgedacht haben: Sie dringen in die Prachtvillen reicher Kapitalisten ein und treiben dort Schabernack. Statt dort etwas zu klauen oder zu zerstören, dekorieren sie die Wohnung nur um und hinterlassen Botschaften wie: „Die fetten Jahre sind vorbei!“ oder „Sie haben zuviel Geld. Die Erziehungsberechtigten.“ Ziel dieser subversiven Aktionen ist es, die Reichen dort zu treffen, wo es ihnen wirklich wehtut – im trügerischen Gefühl, sich Sicherheit für teuer Geld erkauft zu haben. Als Peters Freundin Jule hinter die Kastenteufeleien kommt, ist sie begeistert und begleitet Jan bei einem „Einstieg“: Sie will sich bei einem reichen Geldsack revanchieren, der sie in finanzielles Malheur gestürzt hat. Doch natürlich läuft etwas schief, und so sehen sich die drei jungen Leute in finstersten Problemen...
Mehr darf ich leider nicht verraten! Der Österreicher Hans Weingartner hat's drauf, da gibt es kein Vertun. Habe mich lange nicht mehr so amüsiert bei einem deutschen Film, der nicht von Helge Schneider stammt. Daß der Film richtig durchstartet, liegt allerdings auch an den jungen Schauspielern, die wirklich exzellente Arbeit leisten. Den Daniel Brühl habe ich neulich mal in einer Talkshow gesehen, wo ich nur dachte: „Was für ein ernsthafter, aber gleichzeitig sympathischer junger Mann!“ Tja – ein guter Schauspieler ist er auch. Die Aktionen der jungen Leute (so eine Art „RAF light“) sind sehr aufregend in Szene gesetzt, und der Film bekommt es auch hin, ihre Motivationen für diese bösen Streiche glaubhaft herüberzubringen. Werden die Ideen, die Jan und Peter formulieren, allzu hohl und phrasenhaft, werden sie meistens leicht ironisch gebrochen durch den Jule-Charakter, der sehr viel weniger verkopft und verbissen an die Sache herangeht – bei ihr spürt man, daß mehr unschuldiger Spaß an der Subversion im Spiel ist. Ganz groß wird es, als sie sich mit dem Kapitalisten Burghart Klaußner auseinandersetzen müssen. Der nämlich entpuppt sich als ehemaliger 68er und symbolisiert, wie das mit den Idealen manchmal laufen kann, wenn sie mit dem wirklichen Leben kollidieren. Wenn ich dem Film irgendeinen Vorwurf machen würde, dann höchstens den, daß er im letzten Viertel die Geschichte etwas zu blauäugig auflöst und sie von der intelligent-ironischen Schiene zum emotionalen Unterhaltungskino geraten läßt. Einem dermaßen netten und gescheiten Film aber mit Korinthenknackereien zu kommen, fällt mir nicht ein. Ich habe mir DIE FETTEN JAHRE nur angesehen, weil mir von anderer Stelle empfohlen. Das hat sich so richtig gelohnt. Empfohlen!
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#250
Geschrieben 07. Oktober 2005, 01:23
Ob der Titel eine Anspielung auf Charles Dickens sein soll, weiß ich nicht, aber das würde mich sehr wundern...
A TALE OF TWO SISTERS handelt von zwei jungen Mädchen, der älteren Soo-mi und der jüngeren Soo-yeon. Beide treffen im Landhaus ihres Vaters ein, der nach dem Tode ihrer Mutter neu geheiratet hat. Es liegt ein düsteres Geheimnis über der Familie, und ungeklärt bleibt auch zunächst, woher die beiden Mädchen überhaupt kommen. Der etwas an Giuseppe Tornatore erinnernde, im romantischen Stil gehaltene Anfangsteil entwickelt sich schon sehr bald zu einer asiatischen Version von Bergmans Beziehungsdramen: Unterliegende Spannungen machen das traute Familienleben zu einer überaus bedrückenden Angelegenheit und entladen sich auch schon mal in unschönen Ausbrüchen. Die Stiefmutter scheint eine richtige Otze zu sein und läßt ihre offenkundigen Neurosen an den Kindern aus. Der Vater ist ein ziemlich ineffizienter Schlaffi, der sich nicht wirklich als Motor der Veränderung anbietet. Leben kommt erst in die Bude, als die Visionen einsetzen...
Und, tja, nachdem der Film über die ersten 30 Minuten hinweg sehr bedächtig und kontrolliert seine Familiengeschichte erzählt, kommen die Horrorelemente dann wirklich wie ein Paukenschlag! Ich empfehle, den Film bei gedämpftem Licht und mit sehr feinem Ohr zu genießen, denn es kommt auf die Feinheiten an. Nachdem ich vor kurzem mit BOOGEYMAN wieder einmal gesehen habe, was sich Hollywood unter einer spannungsgeladenen Atmosphäre vorstellt (Theaterdonner, Laienpsychologie und Gehampel), wußte dieser südkoreanische Film zu beeindrucken. Mit viel Sorgfalt wird die Geschichte etabliert, die Charaktere vertraut gemacht. Die kleinen Mädchen tun einem wirklich leid in ihrem familiären Ungemach. Dann werden die Daumenschrauben angesetzt. Knirsch, knirsch. Die Schocks sind relativ sparsam gesetzt, treffen aber voll auf die Zwölf. Während mir das „mysteriöse“ Getue vieler Thriller, die konkrete Informationen manchmal bis lange nach dem Film zurückhalten, gelinde gesagt auf den Geist geht – das ist häufig keine Kunstfertigkeit, sondern nur die blanke Unfähigkeit, eine klar strukturierte Geschichte zu erzählen! –, machte es mir bei TALE überhaupt nichts aus, so lange im Dunkeln gelassen zu werden in bezug auf den Sinn des Ganzen. Es geht um kaputte Familie, es geht um gegenseitige Mißhandlungen, es geht um Liebe, die sich aller Widrigkeiten zum Trotz bewährt. Für diese Familie kann man ein eigenes Sorgentelefon einrichten. Da es kein Sorgentelefon gibt, krabbeln schon bald merkwürdige Erscheinungen durch die Gegend und nerven beherzt. Vergleicht man TALE mit effektiven, aber nicht eben subtilen asiatischen Horrorfilmen jüngeren Datums wie dem reichlich aufreibenden SHUTTER, gebührt TALE eindeutig die gestalterische Hoheit, denn mit welcher Feinheit die Story entwickelt wird und Hinweise gereicht werden, bis dann am Schluß jedes Teil an seine Stelle fällt, ist schon hochgradig gekonnt. Wem der Anfang etwas zu gemächlich dahinplätschert, sollte auf jeden Fall ausharren – es lohnt sich! Die IMDb-Leserkritik, die ich gerade erhascht habe, war überschrieben: „See this masterpiece before Hollywood destroys it!“ Da ich bisher jedes Remake deutlich schwächer fand als seine Vorlage und niemals überraschend, unterstreiche ich das. Der Film entstand bereits im Jahre 2003, wurde aber dieser Tage bei uns auf DVD veröffentlicht. Ist definitiv einer der zwei oder drei besten asiatischen Horrorfilme jüngeren Datums, die ich gesehen habe.
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#251
Geschrieben 07. Oktober 2005, 17:33
Paul Kersey ist ein wohlhabender Architekt, der für sich und seine kleine Familie den amerikanischen Traum verwirklicht hat. Aus diesem Traum gibt es ein jähes Erwachen, als skrupellose Straßengangster seine Frau und seine Tochter in ihrer Wohnung überfallen und mißhandeln. Mrs. Kersey stirbt an den Folgen; ihre Tochter landet in der Nervenklinik. Zunächst weiß Kersey nicht, wie er das entstandene Vakuum auffüllen soll. Alles, woran er geglaubt hat, ist in wenigen Augenblicken über Bord gegangen. Eine zufällige Begegnung mit einem Räuber und ein Besuch im waffenstrotzenden Arizona weisen ihm den Weg in die große glückliche Welt der Selbstjustiz...
Dieser eigentlich infame Film ist so hervorragend gemacht, daß er nicht nur als Unterhaltung, sondern auch als Lehrbuchbeispiel für dumpfe Gesinnung bestens geeignet ist. Tatsächlich gehört DEATH WISH zu den Speerspitzen einer Untergattung des neuen amerikanischen Kinos, die man als „urban paranoia“-Film bezeichnen könnte: Im Großstadtdschungel wuchert das Verbrechen in all seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Zusammen mit dem wachsenden Gefühl ökonomischer Panik (Erfolgsdruck im Job, gestiegene Lebenserhaltungskosten, das drohende Beispiel der Verwahrlosung in den Slums) und der unüberschaubaren Unpersönlichkeit der Großstadt bleibt dem Bürger kaum etwas anderes übrig, als sich auf sich selbst und somit alte Traditionen zu besinnen. Wie einst die Pioniere, muß der Einzelne seinen Platz im Moloch Großstadt erkämpfen – wenn es sein muß, mit der Waffe in der Hand. Was man in seiner Struktur nicht mehr erfassen kann, muß man für sich selbst umdefinieren. Paul Kersey macht das, und er macht es in aller Konsequenz.
Den Briten Michael Winner verbindet man nicht mit seinen sensiblen Grübelfilmen, sondern mit der knalligen Holzhammervariante. Das gibt dann im besten Fall Kino von hohem Unterhaltungswert (DEATH WISH, HEXENSABBAT) oder kompletten Trivialmurks (DIE VERRUCHTE LADY). Mit Charles Bronson drehte er vorher den achtbaren KALTER HAUCH und den stockbrutalen EIN MANN GEHT ÜBER LEICHEN. Für seinen größten Erfolg EIN MANN SIEHT ROT transponierte er die Traditionen des Westernkinos in die Gegenwart, was dazu führte, daß sich die Menschen in den Kinos von den Sitzen erhoben und begeistert Beifall klatschten, wenn Bronson seinen Rachefeldzug durchführte. Gerieten ihm die beiden Fortsetzungen zu kompletten Trash-Granaten, ließ Winner im ersten Teil noch Behutsamkeit walten: Die Exposition der Charaktere ist klischeebelastet, aber effektiv. Die langsame Metamorphose des ehemaligen Kriegsdienstverweigerers Kersey zum leibhaftigen Racheengel wird nachvollziehbar gestaltet und ist mit einigem Seelenqualm für den Protagonisten verbunden. Tatsächlich empfinde ich EIN MANN SIEHT ROT sogar zumindest ansatzweise als schwarze Komödie: Der Zorn des amoklaufenden Biedermannes richtet sich völlig ziellos gegen alles, was irgendwie asozial, verzottelt oder negroid aussieht. Der Schluß mit Gesetzeshüter Vincent Gardenia (seines Zeichens ein hervorragender Komödiendarsteller) ist dann endgültig Walt Disney und ebnet den Weg für die Fortsetzung, die dann aber erst 7 Jahre später erfolgen sollte. Nimmt man den Film bierernst, so handelt es sich um ein höchst effektiv gemachtes Plädoyer für die Selbstjustiz und gegen demokratische Grundwerte. Die Demokratie erscheint als völlig unfähig, sich selbst zu erhalten. Als Rezept wird angeboten, sie einfach zu ignorieren und mal hübsch Amok zu laufen. DEATH WISH realisiert das mit zynischem Humor (vgl. etwa die Omma mit der Hutnadel im TV-Bericht!) und versäumt es nicht, auf die Nachahmungswirkung von Kerseys Taten hinzuweisen. (Die Vorstellung, in jeder U-Bahn einen verkappten Bernhard Goetz rumsitzen zu haben, würde mir persönlich ja die Schweißperlen auf die Stirn treiben, aber nun ja...)
Man achte auf den frühen Auftritt von Jeff Goldblum als brutaler Vergewaltiger. Die Musik von Jazzlegende Herbie Hancock ist völlig klasse und als CD erschienen. Wer seinen Urlaub in New York plant, sollte auf jeden Fall den Reise-Führer (hust!) von Paul Kersey konsultieren, denn vorgewarnt ist vorgearmt, wie das in England heißt. Die DVD ist von ordentlicher Qualität und enthält die ungekürzte Fassung. Erwähnt werden muß aber der Umstand, daß die deutsche Tonspur in der Vergewaltigungsszene zensiert wurde – ein paar der vollmundigen Brandt-Sprüche wurden keusch herausgetrennt. Das wäre an sich nicht so schlimm, hätte man davon abgesehen, einige Sätze zeitlich versetzt über die grausigen Vorgänge zu legen, was verwirrt und verärgert. Da hat man gemurkst, keine Frage. Trotz dieses Lapsus reut mich der Kauf aber keineswegs. EIN MANN SIEHT ROT ist ein unverzichtbarer Startpunkt für jeden, der sich mit dem Großstadtthriller der siebziger Jahre beschäftigen will.
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#252
Geschrieben 08. Oktober 2005, 00:36
Robert Aldrich war mit Sicherheit einer der zynischsten Regisseure, die Hollywood unsicher gemacht haben. Anders als andere betriebsinterne Querbolzer wie Billy Wilder, entstammte Aldrich der heimischen Erde und begann bereits in den fünfziger Jahren damit, Hollywood-Mythen zu demontieren. Eine seiner ersten Regiearbeiten war RATTENNEST (KISS ME DEADLY, 1955), vielleicht die beste Mickey-Spillane-Verfilmung bis zum heutigen Tag. Nach einigen herben Kriegsfilmen (die später mit DAS DRECKIGE DUTZEND eine sehr unbarmherzige, aber nichtsdestotrotz an der Kinokasse erfolgreiche Apotheose erfuhren) schmiß er sich kopfüber in das Zerkracht-Hollywood-in-kleine-Schnipsel-Subgenre und schuf mit WAS GESCHAH MIT BABY JANE einen der bösesten Filme über die Traumfabrik. Dessen kommerziellen Erfolg beantwortete er mit dem nicht minder natronsauren WIEGENLIED FÜR EINE LEICHE. (Später setzte es noch GROSSE LÜGE LYLAH CLARE und DAS DOPPELLEBEN DER SISTER GEORGE, die das glamouröse Bild der Künstlerwelt geradezu bösartig zersetzten.) Auch Aldrichs spätere Arbeiten befaßten sich mit dem Auseinanderhebeln liebgewonnener Filmkonventionen. Das betraf u.a. den Western (KEINE GNADE FÜR ULZANA), den Gefängnisfilm (DIE KAMPFMASCHINE) und den Detektivfilm (STRASSEN DER NACHT). Einer seiner letzten Filme war DIE CHORKNABEN, in dem er mit nachdrücklicher Derbheit jedes Klischee, das den Polizeialltag eventuell begleiten mochte, aus dem Weg schmetterte. Wo Aldrich hintrat, da wuchs kein Gras mehr.
Auch THE GRISSOM GANG, den ich mir heute nach über 15 Jahren zum ersten Mal wieder ansah, bildet da keine Ausnahme, wenn es sich auch um einen weniger bedeutenden Film des Regisseurs handelt. Die Story spielt in den dreißiger oder vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts und läßt eine Gruppe von Strauchdieben eine Lottogewinnerin entführen, da sie auf ihr Diamantenhalsband scharf sind. Da die Gang des Titels von dem Raubzug Wind bekommt, fliegen blaue Bohnen, und eine Millionenerbin wechselt den Besitzer. Während Papi die Scheine für die Lösegeldübergabe bereitstellen darf, lernt Barbara Blandish die Freuden einer ganz besonderen Gastfreundschaft kennen: Die Grissom-Bande besteht zum Teil aus Familienmitgliedern, zum Teil aus „angeheirateten“ Strauchdieben. Alle sind sie „poor white trash“ der übelsten Sorte – mies, degeneriert und verkommen. Mutter Grissom ist ein zickiges altes Flintenweib (BLOODY MAMA gefällig?), das die möglicherweise gruseligste Alte der mir bekannten Filmgeschichte darstellt. Ich und mein Mitkucker haben jedes Mal laut aufgestöhnt vor entsetztem Entzücken, wenn sie die Leinwand betrat. Ihr leiblicher Sohn ist der geistig zurückgebliebene Slim, und Slim wird zum Lebensretter des jungen Entführungsopfers, denn während alle anderen sie selbstverständlich allemachen wollen, stellt sich Slim vor den Körper seiner Auserkorenen wie ein echter Analphabet. Dafür muß sich Babs auch einige Male von ihm abstoßend vollsabbern lassen. Aber da Romantizismus dem Regisseur fremd ist wie nur was, läßt die jungfräuliche Barbara das debile Grauen über sich ergehen, denn sie will überleben. Tony Musante als hypergeiler Eddie ist da schon ein annern Schnack, denn der brillantineglänzende Schmier-Casanova hält sich für unwiderstehlich und will sie erst verzuppeln, dann töten. Kein Problem für ihn. Am Schluß gerät die Polizeihatz zum üblichen Scheibenschießen (wenn auch nicht so blutig wie das Finale von BONNIE & CLYDE), und auch ein kurzfristiges Aufkeimen von moralischen Werten kann dem Ansturm der grauen Welt des Robert Aldrich nicht standhalten. Eine Dusche nach Betrachten des Filmes ist angeraten.
THE GRISSOM GANG basiert auf dem Roman „Keine Orchideen für Miss Blandish“ des Briten James Hadley Chase (DAS FLEISCH DER ORCHIDEE), und den bei uns nach wie vor indizierten Krimi möchte ich eigentlich mal lesen. Zum ersten Mal wurde er bereits 1948 verfilmt, doch es steht zu vermuten, daß Aldrichs Version einiges an Deutlichkeiten hinzufügt. Natürlich war das Blut 1971 bereits sehr rot, und auch die sexuellen Bezugnahmen sehr unmißverständlich. Was Aldrich dem Stoff aber wirklich hinzufügt, hat mehr mit den ästhetischen Fragen zu tun. Der Umstand, daß es praktisch keinen einzigen positiven Charakter in dem ganzen verdammten Film gibt, wird unterstrichen von der optischen Schmierigkeit aller Anwesenden. Jeder der Schauspieler bekommt Nahaufnahmen, in denen sein oder ihr verschwitztes und verdrecktes Gesicht alles andere als „Kronen der Schöpfung“ nahelegt. Die Protagonisten sind so versifft, daß es förmlich durch die Leinwand bzw. den Bildschirm hindurchmüffelt. Wenn Ma Grissom dreckig lacht und ihre unförmigen Schenkel in den Bildvordergrund schiebt, dann erlischt jedes Vertrauen an einen lenkenden und wohlmeinenden Gott. Dann ist der Mensch auf sich allein gestellt und seines Glückes eigener Schmied. Was er damit anstellt, sieht man hier: Niedere Instinkte regeln den Verkehr, allein der stumpfe Drang zum Überleben ist das Gebot der Stunde. THE GRISSOM GANG mag nicht der dramaturgisch stimmigste Gangsterfilm aller Zeiten sein, aber er hebelt alles auseinander, was dieses Genre jemals mit unangebrachten romantischen Klischees verkleistern durfte. Männer sind geil, eitel und dumm. Bestenfalls (wie im Falle von Slim) wissen sie nicht, was sie tun, aufgrund von Mangel an Speicherkapazität im großen grauen Wonnebatzen im Kopf. Frauen – abonniert auf die Rolle der Beute – suchen sich ihren Vorteil zu sichern und kämpfen nicht um Chancengleichheit, sondern um das nackte Überleben. Es handelt sich um eine Geisterbahnversion der Noir-Tradition, die Aldrich hier anbietet. Jede Eigenschaft ist grell, überdeutlich und unmißverständlich herausgearbeitet. Subtilität herrscht keine, aber die ist in der Welt des Filmes auch nicht vonnöten. Wer zaudert, krepiert. Selbst die „Mächte des Guten“ (= der schmierige Detektiv Robert Lansing oder die Polizanten) sind bestenfalls fehlerhaft, schlimmstenfalls korrupt, berechnend und halbseiden. Ideale und Werte bleiben hier auf der Strecke. Wer sich nach diesem Film noch den schwarzhumorigen DIE CHORKNABEN anschaut, läßt wohl erst einmal die Rolladen herunter und ist mit sich selbst beschäftigt. Aldrich hatte nach dem kommerziellen Erfolg von DAS DRECKIGE DUTZEND die Möglichkeit, seine eigene Produktionsgesellschaft zu gründen und exakt jene Filme zu machen, die er machen wollte. THE GRISSOM GANG war der Nagel zum Sarg jener Gesellschaft und ließ den Mann erneut zum Söldner werden. Auch in dieser Eigenschaft deponierte er so manche Rohrbombe
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#253
Geschrieben 11. Oktober 2005, 04:16
Oje, also, mit Komödien ist das ja immer so eine Sache! MEET THE PARENTS fand ich ausgesprochen lustig. Genaugenommen habe ich einige Male laut gebrüllt vor Lachen, was in modernen Hollywoodkomödien mit Starbesetzung selten passiert. MEET THE PARENTS war der ultimative Schwiegereltern-Alptraum: Gesetzt den Fall, man lernt die Eltern seiner Freundin kennen, und sie sind so entfernt von der eigenen Lebensweise wie gerade mal vorstellbar - das kann schon unangenehm sein. Bei MEET THE PARENTS geht das ins Extrem, denn Robert de Niro ist ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter und stockkonservativ. Er glaubt an Überwachung und ständige Kontrolle, hat sehr eigenartige Vorstellungen in bezug auf moderne Partnerschaft und liebt seine verstorbene Mutter. Die Asche dieser Mutter verstreut der Schwiegersohn in spe bei einem Abendessen in alle Winde, und die Katze pißt auch noch drauf. Ähnlich drastisch ist der Slapstick-Humor, der in diesem Film auch sonst so vorherrscht, und lediglich der alles etwas zu wohlfeil und konventionell zusammenführende Schluß hat mich etwas enttäuscht.
MEET THE FOCKERS (so heißt der Schwiegersohn, Gaylord Focker!) beginnt ähnlich wohlfeil und wird dann leider auch kaum mal besser. Es gibt einige sehr komische Highlights - mein persönlicher Favorit ist streng jiddisch und hat mit einer Vorhaut und einem Fondue zu tun! -, aber ansonsten leistet das Drehbuch Suboptimales. De Niro, Stiller und Frau Danner sind immer noch ausgesprochen sympathisch, auch die hinzugekommenen Dustin Hoffman und - ich traue mich kaum, es auszusprechen - Barbara Streisand machen ihre Sache wirklich gut, aber so richtig zünden tut die ganze Sache nicht. Die komödiantische Konstellation ist dieselbe wie bei Teil 1, Abweichungen gibt es kaum, und die neuen Gags - auch die krassen - sind recht überdeutlich und selten komisch. (Der Hund, der die Albert-Einstein-Handpuppe poppt, war vielleicht auf dem Papier noch lustig, aber, hmmh...)
Der erste Teil war noch ziemlich empfehlenswert, doch der zweite sollte höchstens von ausgesprochenen Fans betrachtet werden. Ist ganz nett, aber mehr nicht.
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#254
Geschrieben 11. Oktober 2005, 04:45
Paul Kersey ist an die Westküste gezogen und geht seinem Beruf als Architekt nach. Er hat eine neue Frau gefunden und sieht einem Familienglück vertrauensvoll entgegen. Dann kommen erneut einige Pseudo-Punks vorbei (die sich - wie die Musikzeitschrift "Sounds" damals sehr zutreffend kommentierte - wie unter Drogen gesetzte Wildschweine aufführen) und vergewaltigen die Latino-Haushälterin. Das von den kruden Vorfällen in Teil 1 noch schwer hirngeschädigte Töchterlein wird gekidnappt, ebenfalls vergewaltigt und stirbt bei der Angelegenheit. Für Kersey bedeutet das eine Rückkehr zu alten Tugenden - John Wayne is fuckin´ big leggy...
Während der Kersey-Charakter in Teil 1 noch einen Anflug von Psychopathie mit auf den Weg bekam, richtet sich Bronsons gerechter Zorn in der Golan/Globus-produzierten Fortsetzung zielgenau gegen die Perpetratoren des Unrechts. Den Film als eine Diffamierung demokratischer Grundwerte zu interpretieren, fällt somit nicht nur leicht, sondern ist nachgerade unausweichlich. Da weht ein ganz kalter Hauch aus schwammichten Gefilden. Daß man den Budenzauber nicht allzu ernstnehmen sollte, versteht sich fast von selbst, denn während Regisseur Michael Winner beim ersten Teil noch Wert auf eine einigermaßen nachvollziehbare Charakterentwicklung gelegt hat, werden hier sofort alle Register gezogen: Kersey holt die Magnum aus dem Schrank wie ein echter Mann und schafft Gerechtigkeit bis zur Wurzel. Dem völligen Erfolg des Films als Trash-Actioner stehen nur die überbrutalen und voyeuristisch gefilmten sexuellen Übergriffe entgegen, die wirklich geschmacklos sind und in ihrer Drastik fast schon grotesk. Die Rocker oder Punks oder was auch immer sind strikt Kirmes und führen immerhin den späteren MATRIX- und Shakespeare-Titan Laurence Fishburne mit sich, der sich hier noch seine Filmschüler-Sporen erwarb und fickt wie kein Zweiter. Dem Charles seine Jill (Ireland) spielt hier auch seine Filmfrau, kann aber am moralischen Verfall des Gatten nicht rütteln - der Kater läßt das Mausen nicht. Interessant ist immerhin, daß Bronson wirklich 7 Jahre gealtert zu sein scheint, während seine kopfkranke Tochter nicht älter aussieht als in Teil 1 - Traumata halten jung, so scheint es. Ernst nehmen kann man den Film nicht mehr wirklich. Lediglich die fiesen Rape-Sequenzen wirken in diesem exploitativen Umfeld deplaziert und degoutant. Vincent Gardenia hat wieder einen Auftritt als Bronsons einstiger Erlösungs-Polizist. Die Filmmusik von Jimmy Page (Led Zeppelin, The Yardbirds) ist im Film ganz schnuckelig, im Gesamtwerk des Musikers aber eher banal.
Ich habe mir die alte Fassung angesehen, die etwa 89 Minuten läuft. Die gerade auf DVD veröffentlichte Fassung von MGM läuft nach Cover 75 Minuten, woraus jeder seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Immerhin hat MGM den folgenden Bronson-Todeswunsch-Winner (ein Kracher, wenn ich mich recht entsinne!) in einer ungeschnittenen Version herausgebracht. Auf Video war jener einstmals schwer gebeutelt. In den nächsten Tagen, näch.
Bronson: "Glaubst du an Gott?" - Punk (zitterbibber): "Ja?" - Bronson: "Du wirst ihn gleich treffen!" - PÄNG!!!
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#255
Geschrieben 21. Oktober 2005, 18:28
Paul Thomas Andersons dritter Film hatte mich bereits im Kino sehr begeistert, wesentlich mehr noch als sein unmittelbarer Vorläufer BOOGIE NIGHTS. Schien mir der ältere Film sich bereits stark an Robert Altman zu orientieren (grundsätzlich hohle Charaktere begraben einander fast in einem Wust banaler Details, alle reden gleichzeitig, etc.), so schafft es MAGNOLIA, Altmans SHORT CUTS noch zu übertrumpfen. Ein Freund von mir hat einmal den Begriff des "Multipersonenfilms" geprägt. Damit meinte er jene spezifisch an die neunziger Jahre gebundene Sorte von Kino, in der eine Unzahl scheinbar beziehungsloser Geschichten nebeneinandergestellt wird. Dabei ergeben sich merkwürdige Verflechtungen. Alles hängt irgendwie zusammen. In MAGNOLIA wird das gleich zu Beginn thematisiert in einer sehr spaßigen Montage, die drei unerhörte Zufälle schildert. In einem davon wird ein suizidaler Hochhausspringer von einer ungewollt abgefeuerten Salve aus einem Schrotgewehr voll mittschiffs getroffen, als er gerade am Fenster vorbeirast. Unten war ein Sicherheitsnetz für Fensterputzer aufgespannt – er hätte den Sturz also ansonsten unbeschadet überstanden. Die Person, die die Schrotladung abgefeuert hatte, war seine eigene Mutter, die sich gerade mit ihrem Mann kabbelte und dabei mit einer Flinte herumfuchtelte. „Zufall?“ fragt der Erzähler. Mag er gar nicht glauben. Solchermaßen eingeführt entfaltet sich ein bunter Strauß von Verlierergeschichten, die alle ursächlich nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Es gibt die Geschichte des todkranken Earl Partridge (Jason Robards), der vor seinem Exitus seinen Sohn wiedersehen möchte, mit dem er sich zerstritten hat. Jener (Tom Cruise) hat einen Riesenerfolg mit einer immens frauenfeindlichen Show, die sich „Search & Seduce“ nennt und in sehr zotiger Form frustrierte Männer bedient. Ein blasser Angestellter (William Macy), der einst als Wunderkind gehandelt wurde, begeht einen Einbruch, damit seine Zähne gerichtet werden können. Ein Quizshow-Host hat Krebs und ein düsteres Geheimnis. Ein puritanisch erzogener Cop lernt eine Kokssüchtige kennen und lieben. Und dann die Frösche. Meine Güte, die Frösche. MAGNOLIA breitet alle diese Geschichten sehr ausführlich vor dem Publikum aus. Es wird deutlich, daß die Geschichten alle irgendwie miteinander verknüpft sind. Stets scheitern die Menschen in der Verwirklichung ihres Lebensglücks an dem, was früher gewesen ist und was niemals abgetragen werden konnte, ob aus Dummheit, aus Feigheit, aus Eitelkeit oder aus Stolz. Und dann kommen eben diese mysteriösen Frösche und greifen ein in den scheinbar unvermeidlichen Ablauf der Dinge. Dieses eine phantastische Element des Filmes – ein „froschus ex machina – kann man, wenn man unbedingt möchte, als religiöse Bezugnahme werten – als regelndes Eingreifen einer höheren Macht. Ich sehe es aber nur als ein – wenn auch spektakuläres – Auftreten von etwas, mit dem man nun ganz und gar nicht gerechnet hätte. Das passiert im wirklichen Leben alle naselang. Man nimmt es meistens nicht wahr, doch hier wird man mit der Wucht der 3 Millionen Frösche darauf gestoßen, daß alle stattfindenden Tragödien meistens einen erschreckend banalen Kern haben. Was man daraus macht, bleibt einem letztendlich selber vorbehalten. Ich bin Leuten nicht böse, die sich den Film eine Stunde kürzer gewünscht hätten, aber wer ihn so mag wie ich, wird ihm die Zusatzstunde nicht verargen. Das einzige, was mich etwas gewurmt hat, ist, daß ich mit dem Zeitschema nicht ganz klar gekommen bin und jetzt nicht weiß, ob Macy der blasenschwache Junge gewesen ist, der durch die Quizshows gehievt wurde. Und das Lied von Fiona Apple hätte auch nicht sein müssen. Aber ansonsten proste ich diesem ebenso unterhaltsamen wie vorzüglich inszenierten Film herzhaft zu. Ob das, was geschieht, nun Zufall ist oder nicht, hat er mir nicht beantwortet, aber manchmal sind Formen und Farben einfach schöner, wenn man ihren inneren Zusammenhang nicht kennt.
P.S.: Tom Cruise – muß ich leider sagen – spielt hier absolut großartig. Beste Rolle, in der ich ihn bisher gesehen habe. Ich ziehe den Hut.
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#256
Geschrieben 21. Oktober 2005, 19:21
Von Neil Simon bin ich immer ein großer Fan gewesen. Dies liegt nicht nur an den geschliffenen Dialogen, mit denen er seine Komödien auszustatten pflegt, sondern auch an der Vielfältigkeit, mit der sie für gewöhnlich auftrumpfen. Sein erster Riesenerfolg, BARFUSS IM PARK, war eine romantische Liebeskomödie mit Anleihen beim Boulevardtheater und gelegentlichem satirischem Einschlag. Einige seiner späteren Stücke (fast ausnahmslos verfilmt) schrauben den Bösartigkeitsfaktor so hoch, daß man fast Mitleid mit den Figuren bekommt, z.B. NIE WIEDER NEW YORK. THE PRISONER OF SECOND AVENUE (blöder deutscher Titel: DAS NERVENBÜNDEL) stürzt Jack Lemmon in Arbeitslosigkeit und somit in aggressiven Frust und Zweifel am Sinn seiner Existenz. Und EINE LEICHE ZUM DESSERT ist eine sehr leichte, wenngleich furzkomische Parodie auf literarische Genres. Verbindendes Element ist der jüdische Humor, der in all seinen Stücken zum Einsatz kommt. Mit trockenen Kommentaren werden da turbulente Situationen in ihrer ganzen tragischen Absurdität erfaßt, die Figuren in ihrem wahren Kern getroffen. Was eigentlich ganz und gar nicht komisch ist, erscheint auf einmal als bodenlos grotesk, da es eben diesen verdammten Zwiespalt gibt zwischen dem, als was sich Menschen gerne präsentieren und dem, was sie tatsächlich umtreibt.
PLAZA SUITE mag nicht eine von Neil Simons gelungensten Komödien sein, aber sie ist sehr repräsentativ und sehr komisch. In drei Episoden schildert Simon die Geschehnisse, die sich im prestigelastigen Plaza-Hotel in New York abspielen. Jede Episode wird von Walter Matthau dominiert, der neben Jack Lemmon sicherlich der bevorzugte Simon-Interpret war. (Beide zusammen sah man allerdings nur in dem brillanten EIN SELTSAMES PAAR.) Die erste Episode ist die ernsthafteste und zeigt Matthau als einen langsam alternden Geschäftsmann, der sich mit seiner Frau fast nur noch streitet. Diese Streits sind routinemäßig und scheinen von beiden in ihren Mechanismen akzeptiert zu sein. Maureen Stapleton fuchtelt mit ihren Armen herum wie eine jiddische Tabakladenbesitzerin und will ihrem Mann Gefühle entlocken. Dieser vergräbt sich in seinen Akten und bleibt abends gerne länger weg. Als Kind hätte ich mit so einer Episode noch relativ wenig anfangen können, aber die Präzision, mit der die Schauspieler die Doppelzüngigkeit der ganzen Dialogaustäusche darstellen – unter jeder sarkastischen Bemerkung lauert ein Stück Angst –, ist wirklich atemberaubend. Letzten Endes kann man aus solchen Stories eine Menge über Partnerschaften lernen, wenn die Schmetterlinge im Bauch sich mit der abstumpfenden Unausweichlichkeit der Routine arrangieren müssen. Die Darstellung ist einfach klasse.
Epsiode 2 präsentiert Matthau mit einem lächerlichen Haarteil. Er ist hier der erfolgreiche Hollywoodproduzent Jesse Kiplinger, der nach New York kommt und erst einmal sein geheimes Büchlein abklappert, um was zum Nageln aufzutreiben. Erfolg scheint ihm beschieden bei einem Schulliebchen (ebenfalls groß: Barbara Harris), die ihr eigenes Provinzglück mit Mann und Kind gefunden hat und „nur für 5 Minuten“ bleiben möchte. Jesse zieht alle Register, bis zur kompletten Schamlosigkeit. Dabei nutzt er schulmäßig jede Schwäche in der Lebensgeschichte seines Opfers aus, um sie rumzukriegen. Herzerweichend der Moment, in dem er auf die Tränendrüse drückt: „Ich zeige dir jetzt den wahren Jesse Kiplinger!“ Während seines Vortrages über den Sündenpfuhl Hollywood verriegelt er schon mal präventiv die Türe...
Das große Finale bestreitet dann eine schwarze Groteske über eine Hochzeit zwischen den Kindern reicher Eltern. Matthau spielt einen geradlinig denkenden „Faust auf den Tisch“-Geschäftsmann, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, damit seine Kinder es einmal besser haben als er, wie es so schön heißt. Seine Frau (gespielt von einer hinreißenden Lee Grant) bekommt es als erste mit: Töchterlein hat sich im Klo eingeschlossen und verweigert den Gehorsam. Panik keimt auf, erblüht und fegt wie ein Feuersturm durch das Hotelzimmer. Vater Matthau wird massiv, wirft sich gegen die Klotür und bricht sich dabei fast den Arm. Mutter stürzt herbei, will ihn zurückhalten und zerreißt ihm den sündhaft teuren Frack. Und das geht dann so weiter, bis zur völligen Entgleisung. Mit dieser zum Schreien komischen Episode hat Regisseur Arthur Hiller (= ein Neil-Simon-Veteran) den absoluten Kracher sinnvollerweise am Ende plaziert, aber gerade das Zusammenspiel mit den ganz anders gefärbten Stories vorher sichert dem Film sein Gelingen.
Tut mir leid, wenn der Text etwas humorlos geraten ist, aber ich wollte herausstellen, daß die Basis für diese Komödien in der Unvollkommenheit des Menschengeschlechtes liegt. Wenn man sich in einer sehr klugschwätzerischen Laune befindet, kann man bei Kulturschnöseln vielleicht punkten mit Aphorismen wie „Komödie ist Tragödie plus Zeit.“ Vielleicht ist Komödie auch nur Tragödie mit einer Brezel auf der Nase. Weiterführendes findet man in diesem Auszug aus meiner Magisterarbeit.
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#257
Geschrieben 21. Oktober 2005, 19:36
Dieser Film stammt von Leuten, die plappernde Papageien witzig finden.
Keine Ahnung, ob IT WAITS für das Kabelfernsehen produziert wurde, aber einer der Produzenten ist Stephen J. Cannell, der in seiner Glanzzeit so nette Krimiserien wie „Detektiv Rockford“, „Magnum“ und „Die Schnüffler“ geschaffen hat. Ob auch dieser Monster-Schocker lustig gemeint sein soll, weiß ich nicht, aber er wirkt leider in erster Linie ärmlich. Eine Mischung aus Försterin und Thekenschlampe hat den Job, ein Waldgebiet nahe eines Staudammes zu überwachen, wo jüngst einige Camper verschwunden sind. Ihr Gewissen wird von einem fürchterlichen Unfall gebeutelt, bei dem ihre beste Freundin den Tod gefunden hat. Deshalb hat sie sich dem Trunke ergeben. Dem aufwühlenden Seelenqualm dieser Alki-Schickse widmet der Film etwa seine ersten 30 Minuten. Ihr Ex-Freund kommt auch noch dazu und kehrt den Sigmund Freud heraus. Entzückend. Dann kommt das Monster, macht „Agraah“ und schlachtet verschiedene Personen ab. Obwohl sie in Funkkontakt mit ihren Vorgesetzten steht und mehrere Menschen ausgeweidet worden sind, harrt sie aus, ohne z.B. die Nationalgarde zur Hilfe zu rufen. Ihr Papagei plappert die ganze Zeit komisch gemeinten Tinnef, aber das erwähnte ich ja schon. Das Monster sieht im übrigen sehr unspektakulär aus, wenn es auch über Bärenkräfte verfügt. Ich habe mir irgendwo ein Prachtzitat herausgeschrieben, das ich im Moment nicht finden kann, aber es lautet in etwa: „Es ist ein frustrierter Dämon mythischer Herkunft mit menschlichen Eigenschaften.“ Nee, den kann man getrost stehenlassen. Unrockbar.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#258
Geschrieben 22. Oktober 2005, 00:42
Heute ausgeliehen und einen spaßigen Kalauerlieferanten à la BANG BOOM BANG erwartet. Bekommen: eine für bundesdeutsche Verhältnisse höchst ungewöhnliche schwarze Komödie.
Die Walzers wollen Hochzeit machen. Papa Walzer (Armin Rohde) ist ein reichgewordener Fabrikant, der mit beiden Beinen fest im Wertegefüge des Proletariertums verankert ist. Das wird schon deutlich, als die Gäste zu Beginn des Filmes zusammenkommen - alle machen schwer einen auf reich und vornehm, prollen aber bis zum Gottserbarmen. So richtig ungemütlich wird die Chose aber, als man sich zum Festtagsschmaus in ein Burgrestaurant begibt. Mit dem Inhaber (Uwe Ochsenknecht) verbindet Papa Walzer eine Geschichte gegenseitiger Abneigung. Als die Shrimpscocktails sich als uneßbar herausstellen (der Küchenjunge hat geschlampt!), kommt es zum Eklat: Die beiden Platzhirsche beharken einander, was im friedlosen Abmarsch der Hochzeitsgesellschaft resultiert. Da Pa Walzer die Rechnung nicht begleichen will, setzt der Koch Braut und Brautmutter kurzerhand fest. Diesen Akt spontanen Menschenraubes beantwortet Pa Walzer mit der Schrotflinte, und jetzt geraten die Ereignisse völlig aus dem Ruder...
"Das soll eine Komödie sein?" fragte einer meiner Mitkucker konsterniert. Nach einem fröhlichen Anfang entwickelt sich der Film nämlich alsbald zu einer dramatischen Belagerungssituation à la WER GEWALT SÄT oder ASSAULT - ANSCHLAG BEI NACHT und spielt die Situation auch recht konsequent durch. Nicht ganz so konsequent, wie ich mir dies gewünscht hätte, aber für eine deutsche Komödie ist das schon ganz beachtlich. Richtige Magenhämmer wie einst in DAS FEST werden zwar gemieden, doch es ist schon sehr delektabel, sich den graduellen Verfall der gutbürgerlichen Gesellschaft in das höchst gewaltbereite Neandertalertum mitanzuschauen. Vielleicht liegt das zu einem gewissen Teil an dem belgischen Regisseur Dominique Deruddere, der seine Karriere einst mit der Bukowski-Bearbeitung CRAZY LOVE begann, die mittlerweile zu einer Art Kultfilm geworden ist. Es fällt schwer, sich vorzustellen, welcher deutsche Regisseur die Story einigermaßen straight und ohne nach Hollywood schielende Überdeutlichkeiten über die Bühne gebracht hätte. Besonders gut hat mir die Szene gefallen, in der der halbdemente Großvater Brüngel den S-Klasse-Mercedes eines Restaurantgastes mit einer Handgranate zerlegt! Nö, war schon ganz knorke, der Film...
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#259
Geschrieben 24. Oktober 2005, 16:24
Die zweite Fortsetzung von Michael Winners Lobgesang auf das Faustrecht stellt so etwas wie die Apotheose des Vigilanten-Kinos dar. Waren die vorherigen Übungen in Rechtsbeugung noch mehr oder weniger ernstzunehmen und Grund genug für liberal gesonnene Mitbürger, entrüstet mit den Armen zu wedeln und zu hyperventilieren, so trat die Serie um den gelernten Architekten und Kriegsdienstverweigerer Paul Kersey nun in eine völlig neue Phase ein – die Trashphase! Kerseys Weg führt ihn von der Westküste zurück ins beschauliche New York, aber eigentlich landet er in Disneyland: Schon auf dem Bahnhof wird er angerempelt und -gerüpelt, und als er eine Minute später seinen Freund Charlie anruft, bekommt er akkustisch mit, wie dieser gerade von einer Jugendgang zusammengeschlagen wird. Trotz großer Hast trifft er seinen Kumpel nur noch sterbend an. Die Polizei kommt dann auch noch hinzu und nimmt Kersey hopp, als Tatverdächtigen Nummer Eins. Wie gut ist es da, daß Captain Shryker (Ed Lauter) zwar ein korrupter Bulle ist, aber ein klammheimlicher Fan des Schlagetots: Er setzt ihn auf freien Fuß, damit Kersey im großen Apfel die Würmer herausklaubt. (Dabei setzt sich der wackere Gesetzeshüter über alle Dienstvorschriften hinweg – bei der Polizei tätige Zuschauer werden sich bei dem Film vermutlich ziemlich beölen!)
Und dann folgt die übliche Kette von „rape and revenge“- bzw. „anrempel und revenge“-Tableaus, für die sich Kersey extra einen .475er Magnum-Revolver verschafft, der als handliche Zimmerflak sehr große Löcher reißt. Die Bösewichter werden in DEATH WISH 3 von einem nicht versiegenden Konsortium vorwiegend ethnisch vorbelasteter Kirmesrocker und –punks gegeben, die alle angeführt werden von dem denkwürdig frisierten Fraker. Schön, daß auch die alten Leute, die den Stadtteil Belmont bevölkern, dem Beispiel des konfrontationsfreudigen Senioren folgen und der Zivilbewaffnung frönen. So setzt es dann ein Finale, das Belmont für kurze Zeit zu einem zweiten Beirut macht...
Tja, an Groteskheit übertrifft das Schlußgemetzel – bei dem auch noch lauter Biker auftauchen – selbst Stallones CITY-COBRA mit Leichtigkeit, was wirklich eine Leistung ist! Ob es eine schöne Leistung ist, muß jeder für sich selbst entscheiden, aber für Fans alter Hollywood-Trash-Kanonen stellt DEATH WISH 3 ganz sicher ein komplettes Muß dar – ich habe an einigen Stellen schallend gelacht, und das passiert recht selten bei Filmen dieser Art. Meine Lieblingsszene ist natürlich die Eisszene: Bronson kauft sich ein Speiseeis, wird von einem Schurken angerempelt, der daraufhin davonläuft. Bronson zückt sofort seinen .475er und plaziert ein formschönes Loch im Rücken des brutalen Remplers. Anstatt diesem spektakulären Akt des Überreagierens mit gerunzelter Stirn zu begegnen, freuen sich aber alle Anwohner ganz dolle, jubeln und spenden Applaus... Auch schön fand ich, daß am Schluß, wenn halb Belmont in Schutt und Asche gelegt wird, kein einziger Reporter auftaucht – die scheint das gar nicht zu interessieren, was da abgeht! Die Polizei schickt immerhin einen Hubschrauber, der aber nur dumm rumschraubt und sich aus dem Kampfgetümmel raushält. DEATH WISH 3 findet statt in einer Parallelwelt, in der alte Männer mit Mörsern herumballern und wahre Hundertschaften böser Mitmenschen in volksfestgemäßer Ausgelassenheit füsilieren. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Regisseur Winner diesen groben Unfug ernstgemeint hat. Wenn ja, dann muß man wohl Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit anmelden. Wer einen verregneten Freitagabend mit ruppigen Freunden verbringen will, liegt unbedingt richtig, wenn er diesen Film zusammen mit Chuck Norris´ Dumm-Dumm-Geschoß INVASION U.S.A. reicht. Begleitet von Bier und Knabbergebäck wird das bestimmt ein intensives Gemeinschaftserlebnis mit viel Gejohle.
P.S.: Das frühere Verleihvideo des Filmes war stark gekürzt. Die DVD ist es nicht!
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#260
Geschrieben 25. Oktober 2005, 17:26
Nach DEATH WISH 3 war eine Steigerung der Serie kaum noch möglich. So überrascht es denn auch nicht weiter, daß THE CRACKDOWN (DAS WEISSE IM AUGE, wie er meines Wissens früher auf Video hieß) mit den vorangegangenen Filmen nicht mehr allzuviel zu tun hat, vom Protagonisten mal abgesehen. Paul Kersey hat eine neue Freundin gefunden. Die Tochter besagter Freundin fällt skrupellosen Drogengangstern zum Opfer. Ein reicher Mann, der Drogengangster haßt, erpreßt Kersey zu einer Weiterführung seiner ungesetzlichen Aktivitäten. Kersey erinnert sich an Kurosawa und spielt die Chefgangster gegeneinander aus...
So richtig schlecht ist DEATH WISH 4 nicht. Da ist schon der Steuermann vor, J. Lee Thompson. Ein wenig traurig ist es freilich schon, daß der Regisseur von so bemerkenswerten Filmen wie CAPE FEAR, THE GUNS OF NAVARONE und EYE OF THE DEVIL gegen Ende seiner Karriere solch undifferenzierten Schmodder drehen mußte, der gerade mal den inhaltlichen Anspruch eines Fernsehkrimis erreicht. Mit Bronson hatte er bereits 6 Filme gemacht und war somit Freund des Hauses. Am besten schneidet von den späteren Zusammenarbeiten der beiden Männer wohl DER LIQUIDATOR ab, in dem es Bronson mit einem südamerikanischen Folterspezialisten zu tun bekommt. DEATH WISH 4 ist sauber gemacht, gänzlich überraschungslos und trotz seiner Humorlosigkeit meilenweit entfernt von der Bitterkeit, die zumindest die ersten beiden Winner-Filme von ähnlich gelagerten Genreproduktionen abhob. Hätte statt Charles Bronson ein Chuck Norris oder ein Steven Seagal die Hauptfigur verkörpert, wäre das alles auch ganz in Ordnung gewesen, aber dem alten Haudegen hätte ich doch mehr gewünscht als diese uninspirierte Fortsetzung von der Stange. Wie schon gesagt, nicht wirklich schlecht, aber gemessen an anderen Bronsons nicht der Rede wert.
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#261
Geschrieben 29. Oktober 2005, 02:02
Lausig.
Einige grell durcheinanderschnackende Chickadees fahren ins amerikanische Hinterland, um etwas Spaß zu haben. "Spaß" bedeutet bei den Protagonisten hemmungsloser Geschlechtsverkehr und exzessiver Drogenkonsum. Das könnte man ja noch als menschlich-allzumenschlich bewerten, wären die Protagonisten nicht so dumm. Dumm und nervig. Wie sich herausstellt, geht der Geist eines ehemaligen Western-Outlaws um. Jenen verlangt es nach der Nachkommin seiner einstmals Angebeteten. Um zu ihr zu gelangen, muß er sich durch die unerträglichen Teeniebratzen hindurchmetzeln, aber das gelingt ihm erst nach einer unentschuldbaren Zeit der aggressiv stimmenden Langeweile. Die wenigen Splattereffekte sind die Mühe nicht wert. Der Regisseur hat vorher meistenteils Musik für Computerspiele gefertigt, was denn auch sein wahrer Lebenszweck zu sein scheint. Horrorfilme können es nicht wirklich sein. Das beweisen auch die ungelenken Lynch-Leihgaben und der halbverdaute Katholen-Engelsmurks.
Lemmy von Motörhead hat einen etwa zwanzig Sekunden währenden Gastauftritt, den man nur als Verarsche oder kommerzielles Zugeständnis anerkennen mag.
Scheiße mit Reis.
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#262
Geschrieben 29. Oktober 2005, 02:33
Derselbe Vertrieb wie bei EL CHARRO stand Pate für diesen Versuch eines klassischen Geisterfilmes.
Zeitverschwendung. Allerdings auf einem sehr viel spektakuläreren Niveau als EL CHARRO, denn meine Mitkucker haben nicht nur gestöhnt, sondern manchmal sogar gegröhlt!
Das auf Video gedrehte Werk handelt von einem Jungspund namens Rebecca, die in einer einzigen Nacht beide Eltern einbüßt. Da sie in besagter Nacht mit einem Discoclown gepoppt hat, wabern Schuldgefühle in ihr und sorgen für groteske Auftritte ihrer scheinbar untoten Eltern. Als sie nach einiger Zeit wieder zum Haus der Eltern zurückkehrt, lernt sie den grenzdebilen Stan kennen, der ihr den Samen der wahren Liebe einflößt. Das ist nicht nett von ihm, denn Becky sieht scheiße aus, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Er will halt, und das sei ihm unbenommen. Um zu seinem Stich zu kommen, läßt er viel losen Tönjes los, der von der deutschen Synchronisation mit angemessener Lieblosigkeit behandelt worden ist. Was man morgens zum Postboten sagt, ist liebevoller und macht mehr Sinn. Becky verfällt dem Charme des grimassierenden Hinterland-Chippendale-Tänzers dennoch restlos und baut auf Grund, der keine Häuser trägt. Becky ist nämlich doof. Und häßlich. Sie sieht aus wie eine Landpomeranzen-Version von Paris Hilton. Breite Gesichtsknochen, die Oberarme einer Wurstfachverkäuferin, Hängetitten trotz magerer Beeuterung. Sie wird vom Regisseur (ebenfalls vormaliger Komponist von "direct to video"-Ware) zu extrem unvorteilhaften Akten gezwungen. Das Highlight erfolgt im Grunde genommen zu Beginn des Filmes: Bei ihrem ungelenken Autobums mit einem Discoschlaks schraubt sie ihre hornigen Mocken direkt in den Bildvordergrund. Hatte der Filmemacher eine Rechnung offen? Der Fußfetisch des Anfangssexes wirkt fort bis in den späten Mittelteil des Filmes. War die Aktrice bis zu diesem Zeitpunkt nur urst unattraktiv, so sieht man jetzt andauernd ihre Mauken wabern über den käsigen Gesichtszügen.
Für einen neuen Horrorschocker ist der Film bedauerlicherweise relativ ambitioniert und ruft lauter Fragen wach, die die ungelenke Narrative nicht im mindesten einzulösen vermag. Das ist richtiger Murks im Quadrat. Ohne Vertun.
"Man muß nicht besonders sein, um gut zu sein, oder auch schlecht, im übrigen." (Held)
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#263
Geschrieben 30. Oktober 2005, 12:49
Alle Vöglein sind schon da, als diverse Stadtfräcke unter sachkundiger Führung des Naturburschen Christopher George eine Gebirgstour unternehmen wollen. Dummerweise sind sowohl Vögel als auch sonstiges Getier von einem mysteriösen Virus ganz schubberig im Schädel geworden und lechzen nach Blut. Es dauert nicht lange, bis es zu ersten Übergriffen kommt. Auch gruppendynamische Spannungen treten auf und sorgen für wilde Wogen im bergigen Tann...
Ich habe die DVD dieses alten Gassenhauers von William Girdler für 3 Euro im Supermarkt mitgenommen, und gar zu schlecht habe ich nicht daran getan, denn obwohl die Story keine übermäßig originelle Variation auf das in den 70ern so populäre Genre des Tierhorrors anbietet, weiß das Drehbuch immerhin mit vergnüglich überzogenen Dialogen aufzuwarten, die für manches Schmunzeln sorgen. Die Motivation für den Amoklauf der Fauna ist ziemlich dünn: Einerseits wird von einem Virus geredet, andererseits die angeknabberte Ozonschicht bemüht. Irgendwas mit „Öko“ wird's schon sein. Wichtiger für den Handlungsfluß sind da eh die zahlreichen Pappcharaktere, die direkt aus einem der weniger üppig budgetierten Katastrophenfilme à la Irwin Allen entlehnt zu sein scheinen: Wir haben den grinsenden Naturburschen (Christopher George), eine quirlige Fernsehjournalistin (Georges Gattin Lynda Day), eine jüdische Mama mit ihrem Sohn, ein innen wie außen sonnengebräuntes Teeniepärchen, einen naturverbundenen Indianer und einen zynischen Werbeagenturboß. Als letzterer dreht Leslie Nielsen auf, als gäbe es kein Morgen. Viele meinen ja, er sei erst mit POLICE SQUAD ins Komödienfach gewechselt, aber dieser Auftritt belehrt den Zuschauer eines besseren. Nachdem sein Charakter wenig subtil als Arschloch der Gruppe etabliert worden ist, braucht es nur einen Katzensprung, um ihn zum Vergewaltiger und Möchtegern-Sozialdarwinisten zu machen. (Toll auch sein Anti-Gott-Monolog!) Vom Katzensprung kommt es dann zum Tatzenschwung, und der Mann im Bärenfell ist nicht die einzige schunkeltaugliche Tierattacke, denn auch lustig mit dem Schwanz wedelnde deutsche Schäferhunde und fröhlich durch die Luft gewirbelte Nagetiere gehören mit zum Aufgebot. Überhaupt spielen die Tiere die menschlichen Darsteller mühelos an die Wand. Auch dies finde ich sehr sympathisch.
William Girdler gehörte zu den großen B-Film-Zampanos der 70er. Neben seinem GRIZZLY (so etwas wie das „companion piece“ zu diesem Streifen) drehte er diverse Horror- und Blaxploitation-Streifen, bevor es ihn tragischerweise bereits mit 30 Lenzen aus dem Sattel hob: Eine Hubschrauberkollision machte seinem Leben ein Ende.
Die DVD ist von lausiger Qualität, und auch der Umstand, daß Girdler es unerklärlicherweise für angebracht hielt, einen weichzeichnerartigen Filter zu verwenden, hilft kein bißchen. Für 3 Euro geht das aber völlig in Ordnung. Jetzt hätte ich gerne noch Girdlers Sleaze-Juwel THREE ON A MEATHOOK und seinen ebenfalls kurzweiligen THE MANITOU. (Letzterer kam bei uns u.a. unter dem sehr drolligen Titel SUPERZOMBIE – GEBURT DES GRAUENS heraus...)
William Girdlers offizielle Fanpage findet man hier.
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#264
Geschrieben 01. November 2005, 02:13
Als ich vor langer Zeit meinen Artikel über das VMP-Videolabel schrieb, konnte ich mich nur auf Filme konzentrieren, die ich gerade zur Hand hatte. Natürlich sind mir so einige recht bemerkenswerte Exemplare durch die Lappen gegangen. Eines davon heißt TEUFLISCHE WEIHNACHTEN (US: YOU BETTER WATCH OUT).
Harry Stadler (im Original: Stadling) arbeitet in einer Kinderspielzeugfabrik, und er geht richtig auf in seinem Job. Was ihn wurmt, ist der fortschreitende Verfall der Arbeitsmoral bei der Herstellung qualitativ hochwertigen Spielzeugs. Was ihn auch wurmt, sind die immer unartiger werdenden Kinder. Harry hat nämlich einen gehörigen Schlag seitwärts, seit er in seiner Kindheit die Mama beim Rumknuspern mit dem Weihnachtsmann erwischt hat bzw. nicht schlecht am Gemächt von Knecht Ruprecht. Die Wohnung des erwachsenen Mannes zieren Myriaden von Weihnachtsmannbildnissen und –statuen. Der Fall liegt offen zutage: Harry ist besessen vom Weihnachtsmann! Nicht genug damit, daß er in rotem Puschelmantel durch sein Wohnzimmer tanzt – nein, er hat auch zwei Bücher mit Kindern drin. In dem einen sind die guten, die rechten. In dem anderen die schlechten, denen die Rute droht. Beginnt der Film auch noch relativ verhalten und legt eher eine schwarze Komödie nahe, so wird es jetzt morbid: Mit dem Fernglas stellt der unselige Patron den Kindern nach. Da dem Menschen die soziale Abfederung fehlt, wartet der Betrachter nur darauf, daß ihm die Rentiere durchgehen. Und die Nase von Rudolph färbt sich blutrot...
Ja, diese kleinen New Yorker Filmchen aus den 70er Jahren sind doch immer mein Leib- und Magengericht gewesen! Die meisten der Underground-Filmemacher aus Greenwich Village und Umgebung sehnten sich nach der großen Leinwand, nach dem Spektakel klassischer Manier. Für die meisten reichte es aber nur zu einer Reise nach Pornistan ohne Rückfahrkarte. Manchmal jedoch ging der Stern auf. Im Falle von Regisseur Lewis Jackson haute das nicht so ganz hin, aber TEUFLISCHE WEIHNACHTEN (wie er bei uns auf Video hieß) scheint sich zumindest in den USA zu einem kleinen Kultfilm entwickelt zu haben. Tatsächlich gibt es ja auch nur sehr wenige Horrorfilme mit direktem Weihnachtsbezug. Die schöne Joan-Collins-Episode aus GESCHICHTEN AUS DER GRUFT fällt da ein; der schwer antikatholische Slasher SILENT NIGHT DEADLY NIGHT; und der schmierige und widerwärtige FRÖHLICHE WEIHNACHT, den bei uns die Rute des Weihnachtsmannes der Jurisprudenz ereilte. CHRISTMAS EVIL (so der amerikanische Wiederveröffentlichungstitel) ist eine wahre Kuriosität und eine Überzeugungstat: Mit wenig Geld hat man einen augenscheinlich tief empfundenen Film über das Weihnachtsfest abgedreht, das immer mehr seine wahre Bedeutung verliert. Ein wenig hat mich der Film an SEVEN erinnert, in dem der Mörder John Doe ja auch der Religion zu einer Renaissance verhelfen will, unter Zuhilfenahme drastischer Maßnahmen. Harry ist an und für sich ein lieber Purzel, aber er hat einfach das große „L“ auf der Stirn. Im Raubtierkapitalismus heutiger Prägung kriegt der Mann keine Schnitte. Alle anderen, die die ideellen Werte für Karriere und schnöden Mammon preisgeben, haben nette Familien und plüschige Eigenheime. Es dauert fast 60 Minuten, bis Harry endlich die Rute auspackt: Als er einer angetrunkenen Gesellschaft auflauert, die gerade aus der Christmesse torkelt, wird er erst einmal ausgelacht. Der eine der Lacher kriegt das Schwert eines eisernen Spielzeugsoldaten mitten in den Augapfel, der andere die frohe Botschaft mittels einer Axt mitten in den Bregen gestanzt! Neben solchen drastischen Szenen erlaubt sich der Film Humor (siehe etwa die Versuche Harrys, einen Bungalow durch den Schornstein zu betreten!) als auch Pathos. Wenn Weihnachtsmann Harry am Schluß von fackeltragenden Bürgern verfolgt wird, ist das eine direkte Bezugnahme auf die Dörfler alter „Universal“-Filme, die Frankensteins Monster in den Tod hetzen wollen.
Durch das Internet habe ich herausbekommen, daß der Film inzwischen von Troma auf DVD veröffentlicht wurde – angeblich in einer ungeschnittenen Fassung. Im Handgepäck befinden sich Interviews und Audiokommentare mit dem Regisseur und dem trefflichen Hauptdarsteller, welcher übrigens der leibliche Vater von Fiona Apple ist – johoho!
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#265
Geschrieben 01. November 2005, 16:58
Ein günstiger Wind hat mir sechs brasilianische DVDs mit Filmen von José Mojica Marins in den Schoß geweht. Irgendwie schon lustig: Als ich 18 war, stromerte ich durch Rio de Janeiro und durchwühlte haufenweise Videotheken, um Filme dieses Mannes aufzutreiben. Obwohl seine Werke in Europa nahezu unbekannt waren, galt er in seiner Heimat als Star und (zumindest zeitweise) als Publikumsmagnet. Meine Bemühungen waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Heutzutage kann man sich die wichtigsten Filme alle als US-DVDs ordern oder halt in den mir vorliegenden (untertitelten) Fassungen aus dem Erzeugerland...
Zé do Caixao (gespielt vom Regisseur höchstselbst) ist ein rechter Misanthrop vor dem Herrn. Sein weltlicher Job ist der eines Leichenbestatters, aber in seinem Heimatdorf zittert alles vor dem Mann mit dem Zylinder und den langen Fingernägeln. Zé ist nämlich völlig skrupellos und schreckt nicht davor zurück, Menschen unter die Erde zu bringen, und dies nicht nur mit der Schaufel... Er ketzt gegen Gott, was dem abergläubischen Bauernvolk einen Heidenschrecken einjagt. Als Rebell gegen Gott und die Welt verachtet er alles Schwache und Minderwertige. Nur einem zollt er Tribut – seinen Trieben. Es gelüstet ihn nach der schönen Terezinha, die mit seinem Freund Antonio verbandelt ist. Da Zé verheiratet ist, seine Frau ihm aber keine Kinder gebären kann, bringt er sie kaltlächelnd (na ja, eher scheppernd lachend!) um. Terezinha wird geschändet, und auch andere, die nicht seines Geistes sind, müssen dran glauben. Aber das Gericht der Toten hat bereits sein Urteil über ihn gesprochen...
Unglaublich, daß solch ein Film überhaupt entstehen konnte! 1963, als Marins seinen dritten abendfüllenden Film begann (die ersten beiden waren ein Western und ein Jugenddrama), war das brasilianische Horrorkino praktisch nicht vorhanden. Mit großer Mühe kratzte er das Geld zusammen. Wie er das fertige Produkt dann unbeschadet durch die Zensur hievte, ist mir ein Mysterium – gerade die süffisant blasphemischen Monologe des Misanthropen müssen wirklich harter Tobak gewesen sein für das damalige Publikum. Es gibt einige Splatter-Momente zu bewundern. Als ein junger Pokerspieler Zé do Caixao nicht seinen Gewinn auszahlen will, schneidet ihm dieser ungerührt mit einem abgebrochenen Flaschenhals zwei Finger ab! Besonders igitt fand ich jene Szene, in der Zé seiner Frau eine fette Spinne auf die Brust setzt, die der Darstellerin dann über das Gesicht läuft. Und nein, eine Glasscheibe (wie in DR. NO) war da definitiv nicht im Spiel...
A MEIA-NOITE ist filmisch noch sehr roh und wirkt an vielen Stellen improvisiert, was sich mit der ersten Fortsetzung bereits ändern sollte, aber in vielem ist mir dieser ruppige Erstling sehr ans Herz gewachsen – durch seine Chuzpe, seine konsequente Grundhaltung und seine wütende Effektivität. Das Finale, während dessen Zé für seine Sünden bezahlt, ist – wie auch der Rest des Filmes – relativ unaufwendig gemacht, funktioniert aber aufgrund von Marins´ enthusiastischer Darstellung ganz fabelhaft. Als Einstieg in die theatralische und menschenfeindliche Welt des Zé do Caixao ist dieser Film auf jeden Fall sehr geeignet.
Die DVD enthält etwa 10 Trailer (u.a. für die beiden Erstlinge) und diverse Dokus und Interviews (leider nicht untertitelt). Auch gibt es ein schönes Intro, in dem Zé do Caixao mit wedelnden Fingernägeln (die übrigens echt waren!) seinen Film präsentiert. Ein kleiner Klassiker des Horrorkinos!
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#266
Geschrieben 06. November 2005, 03:00
Ich gehöre ja zu denjenigen, die THE BLAIR WITCH PROJECT gar nicht so schlecht fanden. Erwartet hatte ich vor Betrachten des Filmes exakt gar nichts und fand einen in mancherlei Beziehung recht gelungenen Semiprofi-Gruseler, der eher zu wenig als zu viel zeigte und über den Luxus eines (wie ich ja nun doch finde) recht netten Schlusses verfügte, sowie über die vermutlich hübscheste Rotz-Szene aller Zeiten. Die meisten meiner Bekannten hatten – anders als ich – den immensen Internet-Hype des Filmes mitbekommen und erwarteten nun das gruseligste Spektakel seit Menschengedenken. Das Spektakel blieb aus, und manch einer verließ das Kino mit einem unbefriedigten Gefühl im Bauch, um die Schockschwerenot geprellt, die der Hype zu versprechen schien.
Wer sich für eine unfreiwillige Parodie von BLAIR WITCH interessiert, kann es ja mal mit der Supergurke THE ST. FRANCISVILLE EXPERIMENT versuchen. Statt der einigermaßen akzeptablen Grunge-Kids des Originals werden einem hier typische Slasher-Nulpen als paranormal interessierte Studenten präsentiert, die einen Dokumentarfilm über ein vermeintliches Spukhaus in New Orleans drehen wollen. Es gibt zwei infantile Möchtegern-Tom-Cruises, die andauernd Jokes cracken und sich nicht einmal entblöden, vor laufender Kamera die üblichen Erschrecknummern abzuziehen. Wir haben ein schwarzgelocktes Medium mit Pferdegesicht, das andauernd halbgaren Mumpitz vom „weißen Licht“ daherbrabbelt, das den Zorn im Haus läutern soll. Ganz absurd wird es bei einer studentischen Beisitzerin, deren Daseinszweck im Team völlig unklar ist. Oder nein, halt: Sie hat dicke Titten, blonde Haare und trägt bauchfrei! Außerdem ist sie überaus ängstlich, greint die ganze Zeit wie ein kleines Kind („Wäwäwäwäwä!“) und geht dem Zuschauer alsbald fürchterlich auf die Nerven...
Während BLAIR WITCH leidlich geschickt die Struktur von CANNIBAL HOLOCAUST kopierte, wird bei FRANCISVILLE gar nicht erst versucht, einen „cinema verité“-Eindruck zu erzeugen. Zumindest macht das Material, wenn man den Schluß des Filmes bedenkt, nicht allzuviel Sinn. Stattdessen leuchten sich alle in die Visagen, die letzten Schnittabfälle können dringelassen werden, und die Schauspieler gurken sich gut was zusammen. Die erste Hälfte von FRANCISVILLE besteht fast ausschließlich aus einer Führung durch ein altes, nicht einmal besonders unheimliches Haus. (Unser Keller ist gruseliger!) Die Leute meinen andauernd: „Huh, ich habe etwas gehört!“, der Bimbo kiekst erschreckt, dann öffnet jemand eine Schranktür, und nichts ist drin. Dann fällt irgendwo etwas um, schepperdepper... Diese Übung wird mehrfach durchgeführt, bis es einfach nur noch grotesk wirkt. Immerhin hat Regisseur Nicolaou (Band-Veteran von Sachen wie SUBSPECIES 2 – 4) offensichtlich beschlossen, seinem Publikum auch richtig was zu bieten. Im Unterschied zu BLAIR WITCH wird FRANCISVILLE am Schluß richtig konkret und serviert geisterhafte (und sehr körperliche) Manifestationen, aber die Betonung liegt eher auf „Manni“ als auf „Fest“ – hätte mich auch nicht gewundert, wenn auf einmal Dr. Freudstein um die Kellerecke gebogen wäre...
Abschließend ist festzuhalten, daß auch die Synchro mit einigen schönen Dummerjan-Zeilen aufwartet. Abgesehen vom andauernden „Wir kommen in Frieden!“, mit dem die Geister günstig gestimmt werden sollen, wird über die paranormalen Wesen gesagt: „Mental Angeknackste können plötzlich durchdrehen!“, womit der Sprecher sicherlich recht hat. Geradezu provokativ klingt es, wenn die Protagonisten die Vorgänge andauernd kommentieren mit Sachen wie „Scheiße!“ oder „Was ist denn das für ein unglaublicher Mist hier?“ Mein privater Lieblingsdialog kommt aber, wenn das Medium dramatisch flüstert: „Ihr müßt mit uns kooperieren!“ Der blonde Bimbo meint irritiert: „Wieso, ich kooperiere doch?“ Antwort Medium: „Nein, ich meine diese Wesen!“ Und das Ganze ist ernst gemeint... Weia!
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#267
Geschrieben 07. November 2005, 22:57
Hurra, der Mann mit der Güllepumpe ist da: Auf meiner immerwährenden Jagd nach wochenendlichen Horrorgenüssen greife ich in letzter Zeit immer häufiger ins Bodenlose. Diesmal erwischte es eine kanadisch-britische Kloproduktion mit dem wenig originellen Titel FALLEN ANGELS, frisch auf DVD. Daß die Engel auf die Nase fallen, verraten uns bereits die ersten 10 Minuten: An einem College wird eine junge Dame namens Nell von ihrem Geschichtslehrer vergewaltigt. Als er ihr danach erneut auflauert, kommt es zu einer Feuersbrunst, bei der 30 Schülerinnen tödlich vereenden. Fünf Jahre später kommt eine TV-Produzentin auf den gloriosen Einfall, ein Biopic von dem Vorfall zu drehen. Nell und ihre Schulkameradinnen erklären sich bereit, bei dem Unterfangen mitzumachen (warum auch immer). Und schon bald (nach ca. 60 Minuten!) kommt es zu unerklärlichen Todesfällen...
Ja, es dauert sehr lange, bis der Film Fahrt aufnimmt. Die erste Hälfte besteht fast zur Gänze aus törichtem Geschwätz. Hier zeigt sich aber auch schon die eine große Stärke des Filmes - die Synchro. Die Synchro ist nämlich so zum Gottserbarmen schlecht, daß man fast den Eindruck hat, den Sprachübungen dementer Ex-Straßenbahnschaffner beizuwohnen. Teilweise kann man kaum verstehen, was die erzählen! Meine persönliche Lieblingsstimme hat der vierschrötige Schwarze, der mit einer megatiefen Bimbostimme ausgestattet wurde - ein Wunder, daß er nicht auch einen entsprechenden Namen trägt, Sambo oder so. Auch nicht schlecht ist Michael Ironside, dessen Auftritt in SCANNERS lange her ist. Hier spielt er den Sheriff (Hausmeister?) mit Baseballkappe, der zu Anfang ein Schwert quer durch den Brustkorb bekommt, dann aber eigentümlicherweise wieder auf der Matte steht, als die Dreharbeiten beginnen. Sehr guter Synchronsprecher auch hier. Am Schlimmsten hat es aber den Oberbösewicht Jeff Fahey erwischt, dessen Geschichtslehrer (bevorzugt in grüner Öljacke mit Kapuze, womit er wirklich aussieht wie ein Clown!) ein dunkles Gebrabbel artikuliert, das an Helge Schneiders Ekelstimme erinnert. Und der Mann ist der Backfischschwarm Nummer 1 an der Schule...
Die Heldin (Nell) schaut etwas aus wie eine unscheinbare Version von Christina Applegate und ist ziemlich langweilig. Die blonden Bimbos sind ohnehin Kanonenfutter, und die verbissen auf skrupellos getrimmte TV-Produzentin grimassiert, was ihre Liftings hergeben. Und wer spielt den Regisseur? Überraschung - Kai Wiesinger spielt den Regisseur! Was diesen eigentlich ja recht guten und sympathischen Schauspieler dazu bewogen hat, einen komplett unterernährten Part in einem letztklassigen Slasher anzunehmen, wird wohl sein Geheimnis bleiben, aber FREITAG DER 13. Teil 12 wäre die bessere Wahl gewesen...
Kurzum, wieder 90 Minuten Lebenszeit in den Orkus geblasen. Und wenn jetzt noch meine Augen anfangen, ihre Sehkraft einzubüßen, sitze ich irgendwann blind und verbittert in meinem Baumhaus und weine bittere Tränen, daß ich so viel Zeit an Schmodder wie diesen verschwendet habe...
Murks.
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#268
Geschrieben 09. November 2005, 00:22
Ein Straßenmädchen namens Por (sehr hübsch: die Popsängerin Intira Jaroenpura) hat Ärger mit einem besonders asozialen Drogendealer, der sie zusammendrischt und schwer verletzt in einen See wirft. Im Krankenhaus wird man auf ihre Verbindungen zur Drogenszene aufmerksam. Auch wird bekannt, daß die junge Frau im zweiten Monat ist, was sie bislang noch nicht wußte. Die untersuchende Ärztin - eigentlich dazu verpflichtet, den Fall der Polizei zu melden - beschließt, Fünfe gerade sein zu lassen und die schwangere Frau zu therapieren. Der Fall wird aber dadurch kompliziert, daß der Patientin auf einmal eine offensichtlich sehr tote Frau erscheint. Es gibt nämlich eine Verbindung zu einem zwei Jahre alten Verbrechen, und aus den Augen ist bekanntlich noch lange nicht aus dem Sinn...
Mutterschaft in ihrer ganzen Pracht ist das Thema dieses sehr netten thailändischen Horrorfilmes! Die Protagonistin ist sich nicht ganz klar, ob sie ihren Schlumpf behalten soll, da der Vater - ein Rockmusiker, was sonst - stiften gegangen ist. Mit zurechtgebogenen Drahtbügeln will sie der Frucht ihres Leibes an das werte Leben. Und auch sonst thematisiert der Film die ganze Bandbreite pränataler Paranoia. In gewisser Weise handelt es sich bei THE UNBORN um ein ektoplasmisches Plädoyer für den Schutz ungeborenen Lebkuchens, aber man muß ihm zugute halten, daß er sein Plädoyer auf recht unterhaltsame Weise vollzieht. Hinzu kommt eine einigermaßen sympathische Protagonistin, die sich von einer ziellos herumstreunenden Göre zum Herrn ihres Geschicks aufschwingt - keine nervig kichernden oder auf niedlich machenden japanischen Pipimädchen zu befürchten. Irgendwie rührend fand ich, daß der Film - obzwar er formal mit viel modischen Zutaten prunkt - inhaltlich eine sehr altmodische Geistergeschichte erzählt, in der auch die modernen Charaktere nicht allzuweit vom Aberglauben entfernt sind. Vielleicht steht man in Thailand dem Andersweltlichen noch aufgeschlossener gegenüber, als dies in mehr verwestlichten Regionen Asiens der Fall zu sein scheint. Und gibt es ein langhaariges Geistermädchen mit langem Kleid? Selbstverständlich gibt es ein langhaariges Geistermädchen mit langem Kleid, wenngleich es auch weniger herhalten muß für die Verabreichung von Schocks, als man dies aus vergleichbaren Werken gewohnt ist. Man erwarte bei THE UNBORN bitte kein Meisterwerk des asiatischen Horrorkinos, aber gemessen an den diversen Rohrkrepierern, die ich mittlerweile auf der Suche nach einem neuen JU-ON, RING oder KAIRO bereits bewältigt habe, war das ein sehr akzeptabler und durchaus sympathischer Film von ordentlicher Qualität. Und die deutlichen Argento-Bezugnahmen (vor allen Dingen im vergnüglich artifiziellen und überdrehten Finale!) fand ich auch nicht ärgerlich, sondern eher anheimelnd.
P.S.: Habe zuerst versucht, O-Ton zu kucken, aber hier war die Tonabmischung sehr rätselhaft. Machte aber nix, da die Synchro ganz passabel geworden ist.
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"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#269
Geschrieben 09. November 2005, 03:11
DER EXORZIST 2, HALLOWEEN 3, THE EYE 2... Ich weiß wirklich nicht, was ich von dieser „Fortsetzung“ zu THE EYE von den Pang Brothers halten soll. Der erste Teil war eine teilweise kreuzunheimliche Geschichte über die Grenze zwischen Leben und Tod, die dann in der zweiten Hälfte von einer buddhistischen Reinkarnisationisierungsmoritat abgelöst wurde, um schließlich mit dem Finale von THE MOTHMAN PROPHECIES zu enden. Wirr, aber handwerklich hervorragend und mit einigen Schocks, die mich mehrfach zum Aufschreien gebracht haben. Tom Cruise soll angeblich die Rechte erworben haben.
Teil 2 hat nun gar nichts mit dem ersten Teil zu tun. Es geht um die junge Joey, die ihren Lover verläßt und, da sie hauptberuflich Deppin ist, Schlaftabletten schluckt. Zuviel Schlaftabletten natürlich, wie sich das für eine ordentliche Deppin gehört. Aus irgendeinem Grunde erlangt sie durch diesen Akt des Frevels die Gabe der Heldin aus Teil 1 – sie sieht überall Tote herumlatschen. Die meisten davon hängen einfach lethargisch ab und stören nicht weiter. Nur eine geheimnisvolle Frau will und will nicht weichen. Als Joey feststellt, daß sie ein Kind erwartet, geht der Ärger richtig los...
In der ersten Hälfte des Filmes schüttelte ich andauernd den Kopf und dachte nur: Boah, die haben ja wirklich je-den Effekt vergeigt – was geht da ab? Wer die alptraumartigen Schocks von Teil 1 erwartet, darf weiterwarten, denn der Film plätschert ziemlich vor sich hin. Zwischendurch werden einige weihevolle Schnacks zum Thema Reinkarnation abgelassen, die mich inhaltlich an Wenzel Storchs Priester erinnert haben: „Selig sind die, die es selber sind!“ Der große Irrtum von THE EYE 2 besteht darin, daß er überhaupt als Fortsetzung verkauft worden ist. Die Geschichte um Liebe, Betrug und Wiedergeburt ist an und für sich nicht schlecht, und einzelne Szenen zeigen auch, daß die Macher durchaus den richtigen Weg vor Augen hatten. Doch dann kommen immer wieder die lustlosen Toten, die an Teil 1 erinnern sollen. Alles wird mit grimmig fiedelnder Musik und formalen Spezereien auf die Angstschiene gehievt, wo es eigentlich gar nicht hingehört. Man hätte daraus einen Film à la Oshimas IM REICH DER LEIDENSCHAFT (blöder Titel!) machen können, in dem der Geist nicht wirklich zum Gruseln ist, sondern einfach eine Projektion des geliebten Menschen von einst. Nur hat das rein gar nichts mit dem Horror von THE EYE zu tun und hätte auch einer viel subtileren Herangehensweise bedurft.
Das Schlußbild (ich sage nur: Geburtstraining!) ist ein schönes Beispiel für das Versagen des Films: Ein eigentlich schönes Bild wird durch überakzentuiertes Finalgefiedel mit einem Schrecken versehen, den es einfach nicht besitzt. Dadurch wirkt es dann eher lustig, wie ich auch die „Landeanflüge“ der Geister („Bitte anschnallen, jetzt geht's los!“) zu einer sehr besonderen Art übersinnlichen „muff divings“ beschmunzelt habe. Schade! THE EYE 2 sieht optisch picobello aus, ist erlesen fotografiert und geschnitten und geht trotzdem in die Hose. Hätte man den Fortsetzungsschnokes unterlassen und einen anderen Modus gewählt, wäre daraus unter Umständen ein richtig toller Film geworden. So aber ist das Ergebnis von 9 Monaten Wartezeit ein blauer Schlumpf zwischen den Beinen, und das will man doch wirklich nicht!
P.S.: Das Finale erinnert sicherlich nicht nur mich an Polanskis DER MIETER.
P.P.S.: „Ingo, das ist die reine Karnation! Ou, das perlt aber heute wieder...“
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#270
Geschrieben 28. November 2005, 22:11
Da gehe ich in die Videothek und sehe nicht nur einen, sondern gleich ZWEI neue Steven Seagals! Ist schon Weihnachten?
Jau, es ist Weihnachten, und Seagal ist der Weihnachtsmann, da gibt es nichts... Gleich zu Beginn dieses neuen epochemachenden Direct-To-Video-Geschosses läuft der Mann durch den Wald und findet einen verletzten Falken. Er befreit den kleinen Flattermann und spricht mit ihm. Seagal ist nämlich Naturschützer. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich: Hui, das wird ein richtig lustiger Film! Und dann setzt sich Seagal an den Schreibtisch und verfaßt einen Brief. Und an wen wendet sich der Brief? An ein polnisches Waisenkind, mit dem er korrespondiert, an Vaters Statt. Jetzt dachte ich: Wow, Jackpot!
Leider bleibt OUT OF REACH nicht so gut. Er fällt sogar ziemlich ab. Seagal war hier noch voll in seiner polnischen Phase, und auch wenn der Film mit Leichtigkeit besser ist als die grauenhaften THE FOREIGNER und OUT FOR A KILL, so enthält er zu wenige gelungene Momente und zu wenige veritable Peinlichkeiten, um ihn wirklich verdaubar zu machen. Das polnische Waisenkind gerät in die Hände von türkischen Menschenhändlern, die unschuldige Mädchen an Schweineferkel all over ze planet verschachern. Der vom Film angebotene Oberschurke, Matt Schulze, sieht etwas wie eine bullige Version von Stephen Dorff aus, und da sein Rollenname "Faisal" ist, soll er wohl türkischer Abkunft sein. Warum auch nicht? Steven lacht sich in Warschau eine ortsansässige Polizistin an, die schniek ausschaut und sofort dem Bärencharme des drallen Haudraufs verfällt. Ein kleiner Junge, der den guten Geschmack hat, meistens die Klappe zu halten, macht das Trio komplett. Es gibt einige schwach geschnittene, dafür aber sehr laute Schußwechsel und einen Schwertkampf am Schluß, der für meinen Geschmack zu kurz ausgefallen ist. Der Epilog ist eigentlich das Beste am Film, denn er serviert noch einen Heuler zum Abschluß und schenkt dem Zuschauer danach die Freiheit.
Po-Chih Leong war einst der hongkongesische Ko-Regisseur von Terence Youngs brutalem James-Bond-Rip-Off OPERATION FOXBAT mit Henry Silva. In den letzten Jahren machte er in England den immerhin akzeptablen Vampirfilm DIE WEISHEIT DER KROKODILE mit Jude Law und einer Frau mit einer langen Nase. Bei OUT OF REACH fungierte er wohl als Ersatz für Ringo Lam, dem das Drehbuch zu doof war. Und das will was heißen.
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