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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen - Filmforen.de - Seite 18

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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen


776 Antworten in diesem Thema

#511 Cjamango

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Geschrieben 10. November 2007, 01:58

Welcome To The Jungle (DVD)

Vier Daytona-Beach-Asis fahren nach Neuguinea, um dort nach einem verschollenen Rockefeller-Sohn zu suchen. Dabei begegnen sie Kannibalen. Die Grundidee ist dermaßen beknackt, daß man vielleicht etwas daraus hätte machen können. Und hätte ich Brot und hätte ich Wurst und hätte ich Butter, dann könnte ich mir ein leckeres Wurstbrot bauen. Um es kurz zu machen: Das war der langweiligste Kannibalenfilm, den ich jemals gesehen habe. Den größten (und einzigen) Schock erlebte ich mit dem Abspann, denn der Film stammt von Jonathan Hensleigh, der vorher das recht knackige THE PUNISHER-Remake gemacht hat und als Drehbuchautor immerhin für DIE HARD 3 verantwortlich zeichnet, dem man alles nachsagen kann, nur nicht, daß er langweilig wäre. Bei WELCOME TO THE JUNGLE (bzw. CANNIBALS, wie er bei uns auf DVD heißt) hatte ich den Eindruck, einige unbegabte Amateure hätten CANNIBAL HOLOCAUST geguckt und sich gesagt: Das können wir auch. Irrtum. Ich habe wirklich keine Ahnung, was sich Hensleigh dabei gedacht hat, denn die ersten 45 Minuten passiert eigentlich nichts anderes, als daß die völlig hohlen Protagonisten ununterbrochen dummschwätzen. Gelegentlich hinterfragen sie auch ihre Existenz, was dann zu besonders lustigen Klunkern führt. Meine Mitguckerin vertrieb sich die Zeit damit, sich Rezepte für die Zubereitung der Deppen auszudenken. Wir kamen überein, daß man die Leute erst einmal ordentlich weichklopfen muß. Falls Hensleigh die unsympathischen Hanswurste als Identifikationsangebote für den Zuschauer gedacht hat, so kann ich nur sagen: Gebt dem Mann keine Axt. Wahrscheinlich sollen die Nulpen so unerträglich sein, doch dann bleibt immer noch das Faktum bestehen, daß der Film seinem Publikum eine Menge zumutet. Warum soll es interessant sein, was sich eine Horde von Bacardi-Werbung-Primaten zu erzählen hat? Warum soll man sich um deren Wohlergehen sorgen? Was für ein Mumpitz. Verglichen mit JUNGLE war selbst der nicht minder xenophobe und obendrein erzkonservative TURISTAS eine echte Spaßpackung, da er zumindest Action servierte, aber JUNGLE macht einfach alles falsch. Die Kannibalen sind eindeutig die Gewinner des faden Spektakels, denn sie sind schweigsam, würdevoll und verrichten ihre Arbeit mit großer Zielstrebigkeit. Ich halte es für möglich, daß der Regisseur diesen Eindruck sogar angestrebt hat, aber selbst dann bleibt der Film eine beeindruckend öde und attraktionslose Angelegenheit, deren lahmer Schlußgag dann auch nichts mehr reißt. Ich ziehe die Null.

Bearbeitet von Cjamango, 10. November 2007, 02:01.

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#512 Cjamango

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Geschrieben 10. November 2007, 11:02

The Return (DVD)

Sarah Michelle „Buffy“ Gellar spielt eine junge Frau, die nach Texas düst, um für ihre Firma einen Vertragsabschluß zusammenzufrickeln. Da sie ihre Kindheit dort verbracht hat, verbinden sie schöne Erinnerungen mit der Region. Um so überraschender ist es für sie, als sie auf einmal Visionen bekommt, die eindeutig unerfreulichen Charakter besitzen. Als sie den stillen Farmer Terry kennenlernt, findet sie ihn sympathisch, spürt aber auch, daß er ein finsteres Geheimnis an seinem Busen trägt. Könnte er in einer Beziehung zu ihrer Vergangenheit stehen?

Überraschend gut. Nach dem Totalausfall mit den Kannibalen war THE RETURN auf jeden Fall eine gute Wahl, denn obwohl die Story an sich wenig originell ist, wird sie doch hinreichend spannend erzählt, und der Regisseur verzichtet auch auf unangemessenen Firlefanz, um sie künstlich aufzuwerten. Wenn man ruhige Mystery-Thriller mag, die auch ein oder zwei richtige Verjager zu bieten haben, wird man von THE RETURN anständig bedient. In der IMDb kommt er jedenfalls viel zu schlecht weg. Die Schauspieler sind gut ausgewählt, die texanische Landschaft finde ich ohnehin immer sehr fesch. Nimmt man noch einen schön altmodischen und unaufdringlichen Soundtrack hinzu, gibt es eigentlich nichts, was ich Böses über den Film sagen könnte. Sehr okay. Wer Schangel möchte, soll sich lieber THE REAPING ansehen – da habe ich sehr gelacht...
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#513 Cjamango

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Geschrieben 20. November 2007, 16:26

Bug (DVD)

Agnes White hat eine Menge Probleme am Hacken: Kokain, Einsamkeit und einen gerade aus dem Gefängnis entlassenen Ex-Mann, der nicht nur ein muskelbepackter Schläger ist, sondern obendrein klammert. Um sich etwas abzulenken, fängt sie eine Geschichte mit dem schüchternen Peter an, der zu den wenigen Männern gehört, die nicht primär an Sex interessiert sind. Das allein hätte sie schon stutzig machen sollen, doch was sich dann entwickelt, schlägt sicherlich alle Prognosen um Längen. Peter erweist sich nämlich als massiver Paranoiker, und wie das so häufig ist mit Wahnvorstellungen – sie sind ansteckend...

Auf dem „Fantasy-Film-Fest“ rief William Friedkins neuer Film sehr unterschiedliche Reaktionen hervor, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß die meisten einen Horrorfilm erwartet haben. BUG ist die Verfilmung eines Theaterstückes, das sich mit dem Wesen und Wirken von Paranoia befaßt. Man kann wirklich nicht behaupten, daß Friedkin es seinem Publikum leicht macht, denn eine ganze Zeit lang ist überhaupt nicht klar, wohin die Reise geht. Die erste Dreiviertelstunde verfolgt man das Geschehen als eine Art Psychodrama, das von Menschen handelt, die man nicht unbedingt kennenlernen muß. Dann erfolgt ein großer Knall, und der Film ruckelt blitzartig in Richtung schwarzer Komödie. Das fand ich nun interessant, denn wie grotesk und hysterisch die Charaktere sich im Finale auch benehmen mögen – es handelt sich um eine durchaus akkurate Abbildung des Krankheitsbildes, das wohl jeder schon einmal in abgeschwächter Form bei anderen Leuten mitbekommen haben dürfte. Da bekommen selbst die nebensächlichsten Alltagsgeschehnisse eine neue, ins System passende Bedeutung, und selbst der Pizzabote wird zum Sendboten des Bösen. Nie wieder Langeweile! Tatsächlich muß solch ein Verhalten für einen Außenstehenden bizarr und lächerlich erscheinen, weswegen es wohl die richtige Entscheidung war, dick aufzutragen. (Man hätte hier sogar noch dicker auftragen können – es wäre trotzdem realistisch gewesen. Mein Lieblingssatz: „Ich bin die Super-Mutter-Wanze!“ Huiuiui...) Ich nehme mal an, daß die meisten Zuschauer, die mit dem Film unzufrieden waren, eine andere Erwartungshaltung hatten, da man Friedkin immerhin mit THE EXORCIST verbindet. Tatsächlich ist der einzige andere Horrorfilm von Friedkin, der mir auf Anhieb einfällt, sein ziemlich lausiger DAS KINDERMÄDCHEN, der knietief im Kitsch watete und eigentlich nur Stephen King für Arme anbot. BUG hingegen ist ziemlich originell, wenn auch eine sehr anstrengende Packung. Es dauerte tatsächlich eine ganze Weile, bis ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte. Für Zartbesaitete gibt es eine sehr malerische Szene, in der sich der Protagonist mit einer Zange einige Zähne herausreißt, weil er davon ausgeht, daß die Regierung ihm Käfernester in die Zähne implantiert hat. Da zieht man sich als Zaungast schon mal gerne zurück. Egal, ein durchaus gescheiter Film, der sich seinem Publikum – Achtung, Wortspiel! – aber nicht eben anwanzt. Gute Schauspieler. Gefiel mir.
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#514 Cjamango

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Geschrieben 20. November 2007, 16:27

Halloween (2007) (so'n Multiplex, Gelsenkirchen)

Von Rob Zombie halte ich ja eigentlich eine ganze Menge, aber sein Remake von John Carpenters HALLOWEEN halte ich leider für ziemlich überflüssig. Die erste Hälfte ist für sich gesehen gar nicht schlecht und enthält neben einigen knalligen Sachen, wie man sie von Zombie erwarten durfte (William Forsythe als White-Trash-Vater!), auch einige recht gute Szenenfolgen. Das Resultat von Michael Myers´ Mord an Krankenschwester Sybil Danning etwa demonstriert, was Zombie kann, wenn er nur will. Auch finde ich Michaels ersten Mord (an einem renitenten Klassenkameraden) ziemlich wirkungsvoll und erschreckend. Leider aber verbindet man natürlich einiges mit dem Charakter. Für mich war HALLOWEEN immer ein Klassiker meiner frühen Jugend, und während mir die Unkenrufe ob seiner Unlogik und grundsätzlichen Unoriginalität auch einleuchten, so empfand ich die Eindimensionalität der Myers-Figur und ihre quasi übernatürliche Unsterblichkeit als Trumpfkarte. Zombies Film bürstet die Unlogik weitgehend hinaus und beraubt die Figur damit ihrer mythischen Eigenschaften, macht sie zu einem stumpfen Metalhead-Prollo mit viel Wut im Herzen. Das macht das Remake sicherlich zu einem soziologischen Leckerbissen, aber besser funktionieren tut die Geschichte darum keinesfalls. Warum zum Beispiel hat man sich die Mühe gemacht, Michael zu einem Zwei-Meter-Trumm umzufunktionieren, der einen auch im wirklichen Leben bereits durch seine Erscheinung in Angst und Schrecken versetzen würde? Der alte Myers hatte seine Maske und sein Atmen, und das reichte, um ihn als ultimativen Butzemann, als „boogey man“ zu kennzeichnen. Im Remake ist die Maske recht redundant und der Glaubhaftigkeit abträglich, die der Film ja wohl irgendwie anpeilt. Michael Myers als glaubhaften Serienmörder – will man das denn überhaupt? Rob Zombies HALLOWEEN ist sicherlich nicht langweilig, und auch die vielen Gastauftritte von Genregrößen halten einen schon wach, aber spätestens zur zweiten Hälfte, wenn dann die altbekannte Story in geraffter Form mit nur wenigen Überraschungen rekapituliert wird, setzte bei mir der Überdruß ein. Ich wünsche mir mal ganz dolle, daß Zombie sich für seinen nächsten Film wieder auf einen eigenen Stoff besinnt, denn da könnte er wieder gewaltig bei mir punkten. Was HALLOWEEN angeht, so hat der alte Carpenter-Film mir einfach viel mehr Spaß gemacht. War charmanter, freundlicher und letztlich auch fantasievoller. Schöne Halloween-Unterhaltung halt.
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#515 Cjamango

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Geschrieben 01. Dezember 2007, 11:01

Black Book (DVD)

Paul Verhoevens neuestes Werk befaßt sich mit den Erlebnissen einer jungen niederländischen Jüdin, Rachel, die 1944 vor den Nazis fliehen will. Beim Fluchtversuch wird ihre Gruppe von einem Spähtrupp gestellt und fast vollständig ausgemerzt. Ihre ganze Familie fällt dem Gemetzel zum Opfer. Sie findet Unterschlupf bei einigen Widerstandskämpfern, die aber schon bald ebenfalls ins Fadenkreuz der Besatzer geraten. Auf ihrer Flucht hatte Rachel aber bereits die Bekanntschaft von Hauptsturmbannführer Müntze gemacht, dem Chef des SD. Diese Zufallsbegegnung soll sie nun zum Wohle der inhaftierten Widerständler ausnutzen und die Mata Hari spielen. Sie erklärt sich dazu bereit, doch ihre Tätigkeit wächst ihr schon bald über den Kopf...

Mit dieser Rückkehr zu seinen Wurzeln (die auch von einer Zusammenarbeit mit seinem alten niederländischen Mitstreiter Gerard Soeteman gekennzeichnet wird) überforderte mich Verhoeven zunächst arg, da ich eine auf Authentizität bedachte Vorzeigeproduktion erwartet hatte, die sich dem Thema Judenverfolgung in behutsamer Weise nähern würde. Daß solch eine sozusagen historisch abgesicherte Herangehensweise nicht notwendigerweise zum ersehnten Ziel führen muß, sieht man zum Beispiel an Hirschbiegels gruselig mißlungenem DER UNTERGANG, dessen musealer Nazi-Bilderreigen nicht nur nach einiger Zeit fürchterlich langweilt, sondern einen eigenen Blickpunkt vermissen läßt. Stattdessen schimmert eine zutiefst dubiose Faszination mit den auf Augenhöhe gerückten historischen Figuren durch, die durchaus vergleichbar ist mit der ambivalenten Haltung vieler sogenannter „Antikriegsfilme“ zu den Kriegsgreueln – die Gewalt ist ja fürchterlich schrecklich, aber sie stellt eben doch den Attraktionspunkt solcher Filme dar. Die moralische Bewertung fällt deswegen eher fadenscheinig und aufgesetzt aus. Im Falle von DER UNTERGANG geriet das für mein Empfinden zu einer hasenfüßigen Kutschfahrt durch das Reich der Dämonen, deren Veronkelung des Führers irgendwo zwischen grotesk und unappetitlich schwankte. Ein klarer Standpunkt wäre hier sinnvoller gewesen, aber vielleicht auch riskanter.

Da lobe ich mir die klassische Hollywood-Herangehensweise, die Anti-Nazi-Botschaft im Rahmen eines Unterhaltungsfilmes zu transportieren, der sich nicht wirklich um die historische Authentizität kümmert, aber dafür eindeutig klarstellt, wo der Frosch die Locken hat. GESPRENGTE KETTEN und ähnliche Sachen fallen einem da ein, und Verhoeven begibt sich direkt in die Tradition dieser Filme, angereichert mit sorgfältiger Detailschilderung und der von diesem Regisseur gewohnten zynischen Beurteilung des Menschen an sich. Beginnt BLACK BOOK als subjektive Schilderung des Schicksals einer Jüdin, die sich der allgegenwärtigen Barbarei entziehen will, so wird schon bald klar, daß Verhoeven nicht vor hat, es seinem Publikum allzu leicht zu machen. So eklig die Nazi-Figuren auch immer sein mögen (besonders Waldemar Kobus als sadistischer Lüstling und Christian Berkel als glatzköpfiger Bürokrat brillieren da), so ambivalent wirken die Motive der alles andere als glorifizierten Widerstandskämpfer, deren Haß auf Nazis von einem verletzten Nationalstolz angetrieben scheint, der auch eine gehörige Portion Antisemitismus mit einschließt, sobald ihm Gelegenheit gegeben wird, sich zu zeigen. Nach Kriegsende wird das ganz besonders deutlich, da Verhoeven die niederländische Bevölkerung nicht gerade verkitscht. Stattdessen zeigt er, wie das erlittene Leid zusammen mit sozialem Frust in der wiedergewonnenen Freiheit herausbricht und sich in Gewalt und einer Freude an der Abwertung anderer artikuliert, die jener der Nazis in nichts nachsteht. Das ist nicht hübsch anzusehen, und dafür bin ich Verhoeven dankbar, denn es macht klar, daß soziale Fehlentwicklungen wie Nazi-Deutschland das Produkt einer ganzen Reihe von Faktoren sind, die man erst einmal erkennen muß, um sie am Erblühen zu hindern. Verhoeven scheut bei seiner Geschichte vor einer deftigen Räuberpistole ebensowenig zurück wie vor psychosexuellen Beobachtungen, die eher an Visconti oder Brass gemahnen als an naturalistischere Betrachtungen wie etwa Polanskis sehr aufwühlenden DER PIANIST. BLACK BOOK wird in seiner Ruppigkeit kaum die Sorte Film sein, die Schulklassen vorgeführt werden wird, aber es könnte nichts schaden, denke ich. Beeindruckt war ich auch vom Umstand, daß den kollaborierenden Nazis von einigen Alliierten gestattet wurde, bereits vor Kriegsende verhängte Todesurteile zu vollstrecken. Ob das der historischen Realität entspricht, vermag ich nicht zu beurteilen, aber es entsteht das Bild einer moralisch höchst komplizierten Situation, deren Bewertung eben nicht beim äußeren Augenschein stehenbleiben darf. Mich hat immer sehr genervt, daß der furchtbare Irrlauf jener Tage nur allzu bereitwillig reduziert wird auf das wie auch immer motivierte Fehlverhalten einiger weniger Monster, und wenn diese Monster entmachtet sind, wird alles wieder gut. So war das nicht, und so kann man einen ähnlich grausigen Unfug auch nicht am Wiedererstarken hindern. Manch einem Betrachter mag BLACK BOOK in seiner Fixierung auf die „unterhaltsamen“ Elemente etwas zu „läppsch“ erscheinen, aber er ruft intensive Reaktionen hervor, und es sind die richtigen Reaktionen, glaube ich.

Bearbeitet von Cjamango, 01. Dezember 2007, 11:05.

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#516 Cjamango

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Geschrieben 01. Dezember 2007, 11:02

Hatchet (DVD)

IQ unter 20 darf jetzt gehen und sich HATCHET angucken! Und das meine ich nicht einmal negativ, da ich eine Menge Spaß gehabt habe bei diesem Debil-Entertainment. Ein paar junge Leute, die sich auf dem Mardi Gras in New Orleans vergnügen, kommen auf die ganz hervorragende Idee, eine Horror-Sumpffahrt mitzumachen, die in den direkten Einzugsbereich des deformierten Serienkillers Victor Crawley führt. Agraaah, ruft's aus dem Tann, und der Butzemann hält Einkehr mit Instrumenten seiner Wahl...

HATCHET kokettiert schon im Untertitel mit seiner Rückwärtsgewandtheit und liefert einen Slasher alter Schule, natürlich aus dem etwas herablassenden Blickwinkel des akademisch gebildeten Fans von einst. Die von der DVD-Firma Anchor Bay präsentierte Knallschote gibt sich redlich Mühe, die alten Klischees anzureichern mit neuem Gekaspere. Dabei fallen nur einige Gags eindeutig durch, während vieles zugegebenermaßen ganz lustig ist. So ist der Fremdenführer der Tour ein chinesischer Gelegenheitsgauner, der auf Baron Samedi macht und selber absolut keinen Bock darauf hat, sich alltäglich mit dummen Touristen herumzuschlagen. Ein Asiate, der auf Ghetto-Schwatter macht – nicht schlecht, habe ich so noch nicht gesehen. Muß man das sehen? Eher nicht, aber ich habe schon ziemlich geschmunzelt. Einer der beiden Helden ist zudem ein Schwarzer, der die verkrampften Bemühungen des Tourleiters angemessen kommentiert: „Onkel Remus trifft Bruce Lee – danke, daß du mich mitgenommen hast!“ Es gibt zwei Pornotrullas, von denen die eine bei „Buffy“ mitgespielt hat und die andere stolz behauptet, an der New Yorker Filmschule gewesen zu sein. (Als Türstopper?) Das Gesplattere stammt von John Carl Buechler und ist heftiger als alles, was ich in den ungeschnittenen FREITAG DER 13. gesehen habe. Keine Ahnung, warum sich die Fans immer noch über die Zensurhölle Deutschland beklagen – da ist teilweise wirklich ganz Feierabend. Während ich den ständig zunehmenden Sadismus in neuen Ami-Gruslern der Post-SAW- und –HOTZEL-Generation sehr mißtrauisch beäuge (die Unrated-Fassung von TCM: THE BEGINNING – yohoho!), so finde ich das Gemansche in Fun-Splatter-Sachen wie dieser hier relativ harmlos. Finde es nur lustig, da solche Filme wie THE BURNING immer noch beschlagnahmt sind, während quantitativ wesentlich drastischere Angelegenheiten mittlerweile problemlos im Fernsehen laufen. (Nispels TCM ungeschnitten auf Pro 7 – erneut: yohoho!) Wer alte Slasher mag und sich partymäßig blutrot berieseln lassen möchte, liegt mit HATCHET nicht allzu verkehrt. Prädikat: uga, uga.

Bearbeitet von Cjamango, 01. Dezember 2007, 11:07.

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#517 Cjamango

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Geschrieben 01. Dezember 2007, 12:13

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada (DVD)

Oh, Tommy Lee Jones macht jetzt Filme. Hmmh, wird das jetzt Clint Eastwood oder eher Kevin Costner?

Es wurde Clint Eastwood. THREE BURIALS ist ein ganz hervorragender Film, der sich mit dem gewaltsamen Ableben eines mexikanischen Lohnarbeiters befaßt, der im texanischen Grenzgebiet tot aufgefunden wird, mit Löchern an Stellen, an denen die Natur keine vorgesehen hat. Die Polizei tappt im Dunkeln, aber da es sich beim Verblichenen um einen Tagelöhner handelt, besteht auch kein unmittelbarer Handlungsbedarf, und der Mex wird kurzerhand verscharrt. Da es aber tatsächlich jemanden gibt, der sich um das Leben und den Tod des Melquiades Estrada schert, kommt der Leichnam wieder ans Tageslicht und begibt sich auf eine wundersame Reise...

Anders als der zwar nicht minder vorzügliche, aber sehr viel prosaischere LONE STAR von John Sayles bedient sich THREE BURIALS einer vertrackten Erzählstruktur, die bereits Geschehenes und vermutlich Gegenwärtiges wild durcheinanderwürfelt, dadurch andeutend, daß die Ursachen untrennbar mit ihren Folgen verwoben sind. Erst im zweiten Teil befindet sich der Betrachter wieder auf sicherem Terrain, wenn der Leichnam durch die Wüste geritten wird. Hauptfiguren der postmortalen Odyssee sind ein Rancher (Tommy Lee Jones) und ein junger Grenzbulle (Barry Pepper), die sich niemals über den Weg gelaufen wären, hätte es da nicht einen unschönen Unfall mit einer Wumme gegeben. Warum es diesen Unfall gibt, wird ebenfalls anschaulich geschildert, denn der Grenzbulle ist ein frustrierter Zausel, der seine hübsche Frau nicht wirklich versteht und einen lamentabel beschränkten Horizont hat, der nicht weit über seinen Kurzhaarschnitt und die Mündung seines Gewehrs hinausreicht. Bei einer Mexikaner-Einfang-Aktion bricht er einer Flüchtigen die Nase; seine Frau beschläft er am Herd, sich nicht daran stoßend, daß sie nur die Kiste hinhält. Vermutlich ist er nicht mal ein schlechter Kerl. Er ist nur unsagbar dumm. Daß er mit den Grenzen seiner Kompetenz konfrontiert wird, liegt eben an Rancher Tommy Lee Jones, der mit dem Tagelöhner Melquiades Freundschaft geschlossen hatte, und der fest davon überzeugt ist, daß mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Und nein, Regisseur Tommy Lee wird hier nicht religiös. Er zeigt ausgesprochen nachdrücklich, was mit der fleischlichen Hülle so alles passiert, wenn das Leben entfleucht ist. Die Morbidität von ALFREDO GARCIA wird aber nicht angesteuert. Stattdessen wird der ständige Verfallsprozeß des Körpers kontrastiert mit den Bemühungen Jones', dem Verstorbenen seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Er möchte das nicht alleine tun, sondern auf diesem Wege einige Dinge klarstellen. Und so kommt auch der Grenzbulle zu einer Lektion der besonderen Art. THREE BURIALS ist ein ruhiger und schöner Film, der sehr viel von einem „road movie“ hat. Es geht um eine Suche und die Veränderungen, die dabei mit den Protagonisten vor sich gehen. Wie üblich ist der Weg dabei viel wichtiger als der Schlußpunkt der Reise. THREE BURIALS ist eine Art Western, nur daß es hier nicht darum geht, einen neuen Kontinent zu erschließen und zu verteidigen. Vielmehr geht es darum, dem Gerangel des Lebens einen Sinn abzutrotzen, und der erschließt sich eben nicht aus einer simplen Ursache-Wirkung-Kette, sondern aus dem, was man daraus macht. Hat mich wirklich gefreut, daß Tommy Lee Jones´ Leinwanddebüt als Regisseur ein Gewinner ist. Das Drehbuch stammt von Guillermo Arriaga, von dem auch AMORES PERROS und BABEL stammen. Der Soundtrack von Marco Beltrami ist ebenfalls was fürs Schatzkästchen.

Der hat mich ziemlich weggeblasen - schön!

Bearbeitet von Cjamango, 01. Dezember 2007, 12:17.

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Geschrieben 01. Dezember 2007, 12:15

Seraphim Falls (DVD)

Gleich noch ein guter Western, und zwar einer von eher klassischem Zuschnitt. SERAPHIM FALLS erzählt eine überaus simple Geschichte, die Geschichte einer Verfolgung: Gideon (Pierce Brosnan) stellt bei seinem Ritt durch verschneites Gelände eines Tages fest, daß Leute hinter ihm her sind, die ihm ans Leben wollen. Die Gruppe der Verfolger (Kopfgeldjäger? Gesetzeshüter? Banditen?) wird angeführt von einem sinistren Zeitgenossen namens Colonel Carver (Liam Neeson), der von einem Furor angetrieben wird, der weit über Gesetzeshunger hinauszugehen scheint. Der Großteil des Filmes hält die Auflösung vor dem Zuschauer geheim. Fakt ist, daß Gideon verfolgt wird, und was immer er angestellt haben mag, so wirkt er doch wesentlich sympathischer als seine Häscher, die sich zusammensetzen aus stupiden Söldnerwesen und dem puritanisch wirkenden Carver. Man weiß, daß es zu einem Showdown kommen wird und das Geheimnis gelüftet, aber wie das passiert, werde ich hier natürlich nicht verraten, denn anschauen solltet Ihr Euch den Film selber. Es lohnt sich nämlich.

Regisseur David von Ancken hat vorher hauptsächlich für das amerikanischen Fernsehen gearbeitet. Sein erster Langfilm ist überaus gut inszeniert, vermeidet MTV-Überfallästhetik, bemüht ruhige Bilder, behält aber eine ständige Grundspannung bei. Das Drehbuch verwendet Motive des klassischen Rachewesterns, führt sie aber schließlich zu einem überraschenden und ganz und gar unklassischen Ende, das den moralisch ambivalenten Beigeschmack des amerikanischsten aller Genres (= Revision und Verklärung der eigenen Pioniergeschichte) auf intelligente Weise kommentiert. Die Darstellung der Gesellschaft jener Tage wirkt sehr verläßlich, sehr realistisch. Teilweise bekommt dieser Realismus einen herben Beigeschmack. Zu Anfang des Filmes etwa bekommt Brosnan eine Kugel in den Pelz, hat eine ausgesprochen ungemütliche Zeit damit, seinen Verfolgern zu entkommen, und muß dann noch die Wunde verarzten, was in unerquicklichen, aber sehr stimmigen Details vorgeführt wird. Die Wahl der beiden Protagonisten, Pierce Brosnan und Liam Neeson, ist ungewohnt, aber effektiv, und auch die Nebenrollen sind glänzend besetzt, mit Leuten wie Ed Lauter, Tom Noonan, Xander Berkeley und Michael Wincott. Anjelica Huston hat einen schönen Gastauftritt als mythisches Element des Filmes, eine Fee, die sich aber sehr unfeenhaft verhält. Was soll ich sagen, ich mag Western, und es ist schön, daß sie jetzt wieder in parodiefreiem Umfeld gedeihen. Und wenn sie so gut sind wie SERAPHIM FALLS, lasse ich mir das gerne gefallen!
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Geschrieben 22. Dezember 2007, 11:02

Das perfekte Verbrechen (DVD)

Anthony Hopkins spielt einen reichen Irgendwas namens Crawford, der seine seitenspringende Ehefrau mit einem Revolver auf die Intensivstation befördert. Bereits am Tatort wird er geschnappt, bleibt aber ganz gelassen und unterschreibt brav ein Geständnis. Als der junge Staatsanwaltsgehilfe Willy Beachum den Fall übertragen bekommt, riecht das nur nach einer formalen Angelegenheit, die gerade mal einen Nachmittag in Anspruch nehmen wird. Tja – falsch gedacht: Crawford widerruft sein Geständnis und verlangt, sich selbst verteidigen zu dürfen. Für Beachum scheint es auf einen juristischen Zirkus hinauszulaufen, aber schon bald ahnt er, daß Crawford hochintelligent ist und den ganzen Kasus bis in alle Einzelheiten vorbereitet hat. Und bevor er sich's versieht, wird der kleine Fall für ihn lebensbedrohend...

Ein sauber gefilmter und angenehm altmodisch konzipierter Gerichtsthriller, der seine vertrackte Columbo-Geschichte mit einer wohltemperierten Dosis trockenen Humors anreichert. Man mag es als irregeleitet betrachten, ausgerechnet den mittlerweile auf geniale Verbrecher abonnierten Hopkins in die Rolle des Gattinnenschinders zu packen, aber der Schauspieler gibt sich redlich Mühe, seinen Lecter außen vor zu lassen, und in einigen Großaufnahmen wirkt er schon recht furchterregend. Das Tolle an Crawford ist, daß er wirklich ein komplettes Schwein ist und den ganzen Fall ausgesprochen genießt: Ehefrau liegt mit irreparablen Gehirnschäden im Hospital und wartet auf ihre Beförderung zum menschlichen Gemüse, die Polizei tappt im Dunkeln, und die Juristen tanzen nach der Melodie des Masterminds. Crawford ist ein richtig eitler Fatz. Sein junges Gegenstück, Beachum (ausgezeichnet gespielt von Ryan Gosling), entspricht ihm in dieser Hinsicht sogar, denn der kleine Yuppie ist ein Streber und eine recht skrupellose Braunnase, die nur das berufliche Fortkommen im Kopf hat. Nun ja, in der Not erweist sich der Mann, und auch hier entdeckt der frischgebackene Jurist, daß es Dinge gibt, die wichtiger sind als der neue Porsche. Doch ob er es noch früh genug lernt? Regisseur Gregory Hoblit macht seine Sache gut und verzettelt sich nicht in formalen Schnickschnackereien, was zumindest seinen Horrorkrimi DÄMONISCH (FALLEN) noch etwas kompromittiert hatte. FRACTURE hat allerdings auch ein deutlich besseres Drehbuch, und den Schauspielern kann man nichts Schlechtes nachsagen. Hopkins sieht halt ein wenig aus wie ein fleischgewordenes Räuchermännlein, aber ein guter Schauspieler ist er, da gibt es nichts. Man füge noch eine ungewöhnlich gute Musik von Mychael und Jeff Danna hinzu, die etwas klingt nach Michael Nyman, der gerade auf einem Bernard-Herrmann-Trip ist, und man hat eine sehr angenehme Unterhaltung für die Weihnachtsfeiertage – kein Überflieger, aber sehr solide und gescheite Unterhaltung.
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#520 Cjamango

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Geschrieben 01. Januar 2008, 14:19

Transformers (DVD)

Michael Bay – ein Mann und seine Vision.

Komisch, bei solchen Filmen komme ich mir immer vor wie ein Taxameter, nur daß statt der Fahrkosten IQ-Punkte runterklackern. Worum geht's? Da ist so ein Würfel, der sich Allspark nennt und der Welten erschaffen kann. Vor langer Zeit ist det Dingen auf der Erde verschütt gegangen, weshalb auf einmal lauter Roboter vom Mars aufkreuzen, um das Teil aufzuspüren. Bei der Gelegenheit hauen sie alles zu Klump, was ihren Weg kreuzt. Es gibt gute Roboter und böse Roboter, aber das ist egal, denn sie sind alle ziemlich unsympathisch. Auch ein junger Bursche spielt mit, Sam Nitwitty, aber der ist auch unsympathisch. Kann die Menschheit überleben? Ist das überhaupt wünschenswert?

TRANSFORMERS ist repräsentativ für die neue Art des Hollywood-Kinos: am Reißbrett entworfener Krach, der mit dem Gehirn des Publikums das anstellt, was ein von Kopf bis Fuß tätowierter Gewaltverbrecher namens Klaus-Jürgen im Knast mit meinem Po anstellen würde. Vielleicht ist dieser Krach tatsächlich repräsentativ für die heutige Zeit. Die Informationsdichte, die Bild- und Tonspur übermitteln, suggeriert Vielfalt und koksgeschwängerte Allmachtsfantasien, aber in Wirklichkeit geht es nur um das komplette Zukleistern der Gehirnwindungen des Betrachters, auf daß man seine Ware möglichst geschickt in der Bedürfnisstruktur des Zuschauers plazieren kann. TRANSFORMERS kann man ausdeuten als Warnung vor den Gefahren einer aus den Fugen geratenen Technisierung des Planeten oder derlei Kohl, aber die Professionalität, mit der Hollywood Subtexte vortäuscht, erinnert ein klein wenig an die Orgasmen altgedienter Pornodarstellerinnen nach dem hundertsten Lifting. Der Film wirkt frisch, ist aber mausetot und ohne jeden Charme. Schade eigentlich, denn jeder dieser sehr kostenaufwendigen Filmkolosse beschäftigt unzählige von wirklich exzellenten Künstlern und Technikern, die alle zusammenlegen, damit solch ein Mist dabei herauskommt.

Was steckt alles drin? Wir haben einen eBay-Jungkapitalisten mit Entjungferungsproblem, der im Laufe des Filmes zum Mann wird, weil er die Menschheit retten muß, und mit den Herausforderungen wächst bekanntlich der Mensch. Dumm nur, daß er zu einem Drescher pathetischer Phrasen wird. Klunkern wie „Ohne Opfer gibt es keinen Sieg!“ kommen ihm leicht über die Lippen, und das entspricht in etwa dem Mulch, der den Techno-Lippen der „guten“ Roboter entfleucht. Analog zu dem Kriegsspielzeug, das dem Film zum Vorbild gereicht hat, hält sich der unangenehm altklug plappernde Jungmann ein schickes Auto als Sexersatz, und auch wenn ihm vom Drehbuch eine Werbefilmschönheit ohne Bauch und Po beschert wird als Lohn für mutiges Tun, ist doch klar, daß er von seinem eigenen Technik-www-Fetisch nicht wird lassen können. Und warum auch? Die Zielgruppe von TRANSFORMERS ist nicht einmal halb so alt wie ich, besitzt im Gegensatz zu mir mp3-Player, iPods und Hochleistungsrechner und hält den Schlüssel zur Welt in den Händen. Daß man mit dem Schlüssel allein nicht viel anfangen kann, demonstriert der Film nachdrücklich, denn bei all dem kriegsverniedlichenden Rabatz (Golfkrieg, anyone?) hält er nichts, aber auch rein gar nichts in seiner hanebüchenen Story parat, was man seinen Kindern mit auf den Lebensweg geben möchte. Die einzige Lektion, die Bay und seine Spießgesellen vermitteln, ist, daß man sich aus dem Wissen der Jahrhunderte ein kleidsames Outfit schneidern kann, mit dem man all jene zu beeindrucken vermag, die leicht zu beeindrucken sind. Warum zuhören, wenn man sich genausogut einen Walkman aufs Ohr klemmen kann? Warum nachdenken, wenn man sein Gehirn an der Eingangstür abgeben kann? Echte Gefühle schaffen Risiko, ihre Simulation hingegen Behaglichkeit. Krach allenthalben, bei dem einem Hören und Sehen vergeht.

Schrott mit Soße.

Bearbeitet von Cjamango, 01. Januar 2008, 14:20.

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Geschrieben 04. Januar 2008, 11:29

Dogville (DVD)

Ich bin ein großer Fan von Filmen, die mir ein völlig neues Seherlebnis anbieten. Dies ist zweifellos der Fall bei Lars von Triers DOGVILLE, der schon in der ersten Einstellung die gesamte Titelstadt präsentiert, aus einer 90-Grad-Vogelperspektive, die etwas an die Über-Kopf-Sicht der „Grand Theft Auto“-Spiele erinnert. Obwohl vom Erzähler etabliert wird, daß es sich um ein kleines, verarmtes Dorf im amerikanischen Hinterland handele, sieht der Betrachter lediglich ein mit Kreide auf den Boden einer Bühne gemaltes Muster von Straßen und Häusern, fein säuberlich beschriftet. Auch eventuelle „Dekoelemente“ wie Stachelbeerbüsche oder Hunde werden behauptet, aber nicht gezeigt. In dieser denkbar reduzierten Kulisse spielt sich der gesamte 3-Stunden-Film ab, und was das Bemerkenswerte ist – er ist überhaupt nicht langweilig.

Die sehr simplen Mechanismen, die das Dorf Dogville am Laufen halten, werden anschaulich illustriert am Beispiel eines Fremden, der in das System eindringt: Die hübsche Städterin Grace (Nicole Kidman) taucht auf, befindet sich scheinbar auf der Flucht vor Gangstern, die nach ihr fahnden. Sie läuft dem Dorfintellektuellen Thomas Edison über den Weg, der beschließt, ihr zu helfen. Er formuliert das als eine Art Spiel, denn er möchte seinen Dörflern (=Versuchsobjekte für seine Ideen) beweisen, daß ihre rustikale Verschlossenheit vor allem Neuen in Wirklichkeit nur eine antrainierte Fassade ist: Er organisiert für Grace zwei Wochen, in denen sie den Einwohnern beweisen kann, daß sie eine Bereicherung für die Gemeinschaft darstellt. Und tatsächlich, die offenbar aus reichen Verhältnissen stammende Grace gewinnt die Herzen der Gemeinde im Sturm, durch Hingabe, Kooperationswillen und die Fähigkeit, ein anderes Wertesystem als das ihre aufzunehmen. In der frommen Ortschaft herrschen Liebe und Eintracht. Doch dann schlägt die Stimmung um...

Bis zu einem gewissen Punkt wirkt DOGVILLE wie ein christliches Erbauungswerk über das Gute im Menschen, das selbst härteste Lebensbedingungen nicht aus dem Fleisch herausbekommen. Doch dann entwickelt sich die Story zu einer Art „Besuch der alten Dame“, nur ungleich härter und vertrackter. In den USA nahm man Lars von Trier die Bezugnahme auf die eigene puritanische Historie sehr übel – es hagelte wütende Proteste. So sei das ja gar nicht gewesen, und der Ausländer wisse ja gar nicht, wovon er redet. Tatsächlich präsentiert der Film ein sehr allgemeingültiges Lehrstück über den Zwiespalt zwischen dem, was die Leute sagen und glauben wollen, und dem, was ihnen ihre Natur aufzwingt. Das Unglück, dessen schleichende Entwicklung der Film beschreibt, entsteht aus diesem Zwiespalt und der Unkenntnis der eigenen Natur. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Bezugsfigur Thomas Edison: Er ist ein junger Mann, der sich über die Dorfgemeinschaft erhaben fühlt und hehre moralische Ideen pflegt. Er betrachtet sich als Schriftsteller, obwohl er noch niemals etwas zu Papier gebracht hat. Obwohl er von Gemeinwohl und Moral ununterbrochen redet, benutzt er sowohl die Dorfgemeinschaft als auch Grace nach Strich und Faden. Der Lauf der Geschichte degradiert ihn von so etwas wie dem moralischen Orientierungspömpel der Stadt zu einem Hanswurst, und am Ende hat er seine wahre Bestimmung gefunden, als echter Einwohner von Dogville. Der Schluß des Filmes wirkt wie eine Verkehrung klassischer Rachegeschichten à la EIN MANN SIEHT ROT, nur daß hier der Sieg eine Niederlage darstellt.

Die sehr eigenwillige Gestaltung des Filmes ist etwas, woran man sich als Zuschauer rasch gewöhnt. Sie stellt eben einen völligen Verzicht auf schmückendes Beiwerk dar, auf die Attraktionen und die formalen Elemente, mit denen Filme für gewöhnlich ihre „Moral“ aufbauen. Es geht nur noch um die nackte Geschichte und die Figuren, und der Zuschauer wird von einem allwissenden Erzähler auf sehr elegante Weise durch die Vorgänge gelotst. Daß der Erzähler den Schalk im Nacken hat und nicht alles so meint, wie er es sagt, merkt man erst später. Doch dann ist es zu spät – man steckt schon drin. Dogville geht vor die Hunde.

Ganz vorzüglich.
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Geschrieben 04. Januar 2008, 12:01

29 Palms (2003) (DVD)

Ein junges Pärchen fährt mit einem Auto durch die kalifornische Wüste, vögelt, zankt und nervt den Zuschauer.

Ein Vergleich mit Michelangelo Antonionis ZABRISKIE POINT ist insofern statthaft, als es sich hier um ein Bild der USA handelt, daß sich ein Ausländer macht. Während aber Antonionis „road movie“-Sichtweise des mythenbehafteten Landes prachtvoll anzuschauen ist und über interessante Figuren verfügt, konfrontiert der streng allegorische 29 PALMS sein Publikum mit zwei völlig unsympathischen Figuren, die überhaupt keine Ahnung zu haben scheinen, was sie eigentlich wollen. Das ist ihr gutes Recht – man weiß das ja häufig selber nicht oder sitzt schnöden Trugbildern auf. Nur...ob man sich das dann auch im Kino anschauen mag? Nach etwa einer halben Stunde dachte ich nur noch: Oh Gott, schmeiß´ die Nervtrulla endlich raus! So gut pimpern kann niemand, als daß man sich das ständige Gejammere noch länger ziehen würde. Nach etwa eineinviertel Stunden schmeißt er sie endlich raus, aber dann nimmt er sie wieder mit! Immerhin überraschend kommt das apokalyptische, wirklich garstige Ende, das man so oder so deuten kann. Ich schätze mal, daß es um Menschen geht, die ihren Bezug zur Natur verloren haben und verzweifelt danach fahnden. Die amerikanischen Schauplätze legen nahe, daß auch das veränderte Bewußtsein nach 9/11 was damit zu tun haben könnte. Keine Ahnung. Die Kamera ruht auf den gewählten Einstellungen ellenlang aus, bis man meint, ein interessantes Detail gefunden zu haben. In der richtigen Gemütsverfassung mag der Film sogar funktionieren, aber für mich war er einfach nur bodenlos langweilig. Faßbinders KATZELMACHER z.B. handelt auch von langweiligen, unlustigen Leuten und bildet das entsprechend ab, aber die Leute sind einem zumindest nicht aktiv unsympathisch. 29 PALMS wirkt verzweifelt und nihilistisch und demonstriert nur, wie man in einem riesigen Land verloren gehen kann, wenn man nur noch sich selber sieht. Aber das kann jeder an sich selbst erfahren, wenn er schwer verkatert morgens zur Tankstelle wankt, um Zigaretten zu holen. Ich konnte aus dem Film jedenfalls keinen erkennbaren Nutzen ziehen. Vielleicht ergeht das anderen anders.
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Geschrieben 11. Januar 2008, 21:12

The Flock (DVD)

Erroll Babbage (Richard Gere) hat nicht nur einen putzigen Namen, sondern auch einen undankbaren Job – er darf Sexualstraftätern nach ihrer Entlassung auf die Finger schauen, ob sie ihre Augen nicht allzu liebevoll auf Frauen oder Kinder richten. Die jahrzehntelange Beschäftigung mit gestrauchelten Menschen hat in ihm viel Schmerz und Wut erzeugt, und auch ein mörderischer Schuldkomplex plagt ihn, hat er doch einmal zuviel die Augen zugedrückt. Als Resultat traut er nun niemandem mehr, faßt seine Schutzbefohlenen nicht mit Glacé-, sondern mit gußeisernen Handschuhen an. Seiner Nachfolgerin, die er einarbeiten soll (Claire Danes), sind seine Methoden zu ruppig und ein Teil des Problems. Sie hat halt noch viel zu lernen. Und Babbage geht richtig über Bord, als ein weiteres Mädchen in der Nachbarschaft nicht nach Hause kommt...

Ein besserer Titel für THE FLOCK wäre 8CM gewesen, denn ähnlich wie im erzkonservativen 8MM kreist alles um die Vorstellung Otto Normalverbrauchers von normaler Sexualität und den Abweichungen von derselben. Mit Andrew Lau hat man sich den denkbar falschen Regisseur an Bord geholt. Wenn es darum geht, chromglänzende Hardware über die Straßen Hongkongs quietschen zu lassen oder Asiaten in Zeitlupe durch die Gegend segeln und ballern, ist Lau unser Mann. Aber ein ernsthaftes Psychodrama kriegt er nicht auf die Reihe. Das hier ist mal so richtig danebengegangen. Zu Anfang mutmaßte ich noch, der Film sei richtiger Dreck, zumal er die Methoden Geres mit dem Geschnetz (brutal, demütigend) recht unreflektiert schildert. Dann relativierte ich meine Meinung zusehends, zumal das Drehbuch anzudeuten schien, daß der Gere-Charakter schlicht und ergreifend selber geisteskrank ist, ein Opfer seines Berufsstandes. Aber oho, der Film ist ein Simulant! Und zwar in fast jeder Hinsicht. Er gaukelt Betroffenheit vor mit den Opfern von sexuellen Gewalttaten, beutet den Schauwert von sexueller Gewalt aber in einigen recht saftigen Szenen weidlich aus. Dabei erwischt es wieder einmal die Männer und Frauen, die weitab vom Gänseblümchen wildern: Wer Latex liebt und Leder, ist bestimmt auch im wirklichen Leben ein Unhold, vögelt kleine Kinder und hat dieses merkwürdige Zucken im Gesicht. Eines der Verkommenheitshighlights dieses Films besteht in einem Moment, in dem eine Frau einer anderen Frau (Opfer, gefesselt) lüstern über das Gesicht leckt – schudder! Also, das ist so dämlich – mir fehlen die Worte! THE FLOCK besitzt leider nicht den Mumm, die Abfahrt zum Sleaze-Paradies zu nehmen und Gere wild um sich ballern zu lassen, am besten mit einer AK-47. Und für ein Psychodrama ist der Film entschieden zu spekulativ und schlicht zu beknackt. Ich habe wirklich keine Ahnung, welcher schwarze Buddha Gere geritten haben mag, diese Rolle anzunehmen, da sie sich wirklich in dem Klischeebild des Polizisten erschöpft, der von seiner Arbeit korrumpiert wird. Claire Danes spielt sehr in Ordnung, wird aber völlig verschwendet. Insgesamt ein sich selbst viel zu ernst nehmender Murks, der mit einem Thema Schindluder treibt, das wirklich eine andere Behandlung verdient hätte. Und am Schluß gibt es auch noch ein religiöses Aufflackern, womit immerhin der Grundton, wenn schon nicht der Unterhaltungswert von 8MM erreicht wird. Und Lau sollten sie eher die Rappelkiste inszenieren lassen, als ihm noch mal ein ernsthaftes Projekt in die Hand zu geben. Was für ein Humbug!

Bearbeitet von Cjamango, 11. Januar 2008, 21:16.

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Geschrieben 18. Januar 2008, 16:58

Shoot 'Em Up (DVD)

Ich fürchte, ich werde allmählich zu alt für so 'nen Quatsch...

Ein Fremder ohne Namen (Clive Owen) wird ungewollt Zeuge der Hinrichtung einer jungen Frau, die ein ungewöhnlich häßliches Baby mit sich führt. Die Ereignisse zwingen ihn dazu, etwa zwei Billionen Leute zu erschießen und das kleine Wurm, um das es geht, an sich zu nehmen. Dabei erfährt er Unterstützung von einer laktierenden Domina, die nicht nur wie Monica Bellucci aussieht, sondern auch von ihr gespielt wird. Anführer der mordgierigen Meute, von der die kleine Ersatzfamilie gejagt wird, ist ein ehemaliger „forensischer Verhaltensexperte“ (Paul Giamatti), der jetzt für düstere Leute mit politischen Ambitionen arbeitet.

Aber die Story gerät eh bald aus dem Blickfeld, da alles wild durcheinander ballert, bis auch der kleinste narrative Fitzel komplett unwichtig geworden ist. Regisseur Michael Davis hat vorher den leidlich niedlichen Highway-Horrorfilm MONSTER MAN gemacht, der ein oder zwei amüsante Späße aus dem politisch unkorrekten Bereich enthielt. SHOOT 'EM UP nun serviert ein ganzes Sortiment solcher „sick jokes“ und stellt sie in den Kontext einer vollkommen sinnfreien Unterhaltung, wie man sie normalerweise von „Frei ab 12 Jahre“-Filmen erwarten würde. Statt launiger James-Bond-Abenteuer setzt es aber ein stockbrutales Draufdreschen, das bereits in den ersten paar Minuten Bodycount wie Reizüberflutung hoch oben auf der Skala positioniert und den ganzen Film über versucht, das bereits Gezeigte noch zu toppen. Einige Kalauer sind dabei nicht schlecht, gehen aber ziemlich verschütt in dem konzeptfreien Krach. Man gewöhnt sich sehr bald an den Modus Operandi, und wenn dem Helden dann irgendwann (Italowestern-style) vier Finger vor der Kamera umgebogen werden, läßt einen das merkwürdig kalt, denn man stumpft doch sehr bald ab. Der „Held“ des Filmes ist ein vergrämter Moralist, ein wenig wie der „Punisher“, nur daß bei jenem die Gewaltanwendung noch wie eine Krankheit, wie etwas Schmuddeliges und Übles erschien. In SHOOT 'EM UP ist es völlig okay, einem aufdringlichen Transvestiten ein Intimpiercing aus dem Genitalbereich zu reißen, denn die Gewalt wird einem eh präsentiert wie die neue Hennes-und-Mauritz-Reklame. Ob man das bedenklich findet oder nicht, ist wohl Ermessenssache. Ich gehe eh davon aus, daß solche Filme nicht das Problem sind, sondern eher die Leute, die aus ihnen die falschen Schlüsse für die Gestaltung ihres realen Lebens ziehen. SHOOT 'EM UP fand ich in erster Linie blöd. Die Reizüberflutung, die auch den ausgeglichensten Betrachter zum Hibbeln bringt, hatte bei CRANK noch Methode und gehörte sozusagen zum Konzept. Bei SEU hingegen gibt es kein Konzept, nur noch ein langweiliges Übertrumpfen und Hochleistungsgetue. Ich habe vor kurzem den gar nicht mal so unähnlichen und ebenfalls massiv gewalttätigen Comic-Strip „Preacher“ gelesen, der mir ausgesprochen gut gefallen hat. Was aber im Medium des Comics funktioniert, haut auf der Leinwand nicht mehr hin, da man dort von den Bildern erschlagen wird. Man hat keine Zeit, kurz zu reflektieren und die kunstvoll gemalten Bilder und das, was hinter ihnen steckt, einzuordnen. Es prasselt nur noch auf einen ein und zerdrischt damit jeden Effekt, den die einzelnen Vorgänge möglicherweise haben könnten. Das Ergebnis ist ein professionell gemachter, aber leider auch völlig vager und wertefreier Brei, der Gefühle vortäuscht, die er nicht wirklich besitzt. Owen und Giamatti sind feine Schauspieler, denen ich eindeutig bessere Filme wünsche. Der hier ist Murks – da helfen auch Motorhead und Iggy nichts mehr.
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Geschrieben 26. Januar 2008, 01:35

Dead Girl (DVD)

Ich habe in letzter Zeit eine Menge Schrott gesichtet, über den ich gar nichts geschrieben habe. Mittelmäßigen, sich selbst erledigenden Schmonzes, der sich entweder selbst als Trash diskreditierte oder über zu hoch gesteckte Ansprüche stolperte. DEAD GIRL ist eine lobenswerte Ausnahme.

Wer einen traditionellen Grusler erwartet, sollte lieber Abstand nehmen. DEAD GIRL beginnt denkbar deprimierend, mit einer nicht mehr ganz jungen Frau, die zusammen mit ihrer halbdementen und aggressiven Mutter ein Haus in der Pampa bewohnt. Bei einem Spaziergang nach draußen findet Arden eine Frauenleiche. Die Polizei wird gerufen, die eigentümliche Arden kommt ins Fernsehen und wird sofort von einem Sleazer (Giovanni Ribisi) angebaggert. Der Sleazer vögelt sie durch, wenn auch nicht ohne Probleme, denn Arden möchte gerne gedemütigt werden. Sie ist es so gewohnt. Von ihrer Mutter. Männer hatte sie wahrscheinlich noch keine. Und das ist dann auch schon die erste Episode.

DEAD GIRL ist nämlich eine Art Episodenfilm. Alle Episoden erzählen scheinbar zusammenhanglose Etappen aus dem Leben von Frauen, aber alle hängen schließlich mit dem toten Mädchen zusammen. Man ahnt das schon sehr früh, aber dem Film auf dem Weg zu folgen, ist sehr faszinierend. Regisseurin Karen Moncrieff war früher selber Schauspielerin, und das merkt man an dem Stellenwert, den sie ihren Akteuren zugesteht. Jeder einzelne Akteur (und darunter sind echte Hochkaräter, wie Piper Laurie, Mary Beth Hurt, Mary Steenburgen und Marcia Gay Harden) bekommt den Raum, seinen jeweiligen Charakter zu entwickeln. Da DEAD GIRL erfreulicherweise intelligent gemacht ist, lohnt sich das auch. Ein Partyfilm ist er mit Sicherheit nicht, denn er handelt von Einsamkeit, vergeudetem Leben und frustrierter Gewalt, aber wenn man seine DVD-Beute ernstnehmen möchte, ist DEAD GIRL ein ausgeprochener Gewinner. Der Film riecht etwas nach dem „Sundance Festival“, aber das möchte ich nicht gegen ihn halten. Nach all dem Müll, der mir in letzter Zeit untergekommen ist, freut mich so ein gut und sorgfältig gemachter Film immens.

Noch einer, den ich mir als Original besorgen werde.
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Geschrieben 26. Januar 2008, 01:37

Tödliche Versprechen (Schauburg, Gelsenkirchen-Buer)

Bei Filmen von David Cronenberg tue ich mich immer etwas schwer. Der Mann ist einer meiner Lieblingsregisseure, und wann immer ein neuer Film von ihm herauskommt, peitscht mich immer die Angst, er könne mir nicht gefallen. Man wird so ungern enttäuscht. Schier ins Unerträgliche gepeitscht wird diese Angst vom Umstand, daß mich Cronenberg eigentlich noch nie enttäuscht hat. Irgendwann, so rumpelt es in mir, muß das erste Mal doch kommen.

Es läßt weiter auf sich warten. Ich habe bei EASTERN PROMISES mit offenem Mund im Kino gesessen und war begeistert. Stumm begeistert, sehr im Unterschied zu den Prollos, die sich wie üblich um uns herumgesellt hatten und auf platzende Köpfe warteten. Auf der Leinwand wurde das Schicksal einer jungen Krankenschwester in London geschildert, die den letzten Stunden einer Frau beiwohnen muß. Schwanger und verzweifelt übergibt sie sich der Hilfsbereitschaft ihrer Mitmenschen, von der sie bis zur Stunde offenbar noch nicht viel Positives mitbekommen hat. Ihr Kind wird geboren, die Mutter stirbt. Die Krankenschwester, Anna, versucht nun, Näheres über die Identität von Mutter und Kind herauszubringen. Wie sie selber stammte die Verstorbene aus Rußland und ist in schlechten Kreisen gelandet. In ihrer Hinterlassenschaft findet sich ein Tagebuch, das Anna aber nicht übersetzen kann, da sie die Sprache ihrer Herkunft nicht mehr versteht. Ihr Onkel und ihre Tante helfen ihr beim Übersetzen. Es ist eine Geschichte von Elend und Vergewaltigung, die das kleine Buch enthält, und wie sich herausstellt, hat Annas neuer Freund Nikolai sehr viel mit der Geschichte zu tun. Und mit dem organisierten Verbrechertum...

EASTERN PROMISES ist größtenteils ein ruhiger und unspektakulärer Film. Er liefert ganz zu Beginn die blutige Exekution eines Gangsters und am Schluß einen sehr ungewöhnlichen Nacktkampf in einem türkischen Bad, der mit einem Schockeffekt endet, der mich laut hat aufkeuchen lassen. Die Darstellung der verschiedenen ethnischen Gruppen in dem Film ist sehr eindimensional – eben so eindimensional, wie sich die dargestellten Segmente dieser Gruppen selber präsentieren. Von manchen Zuschauern wurde dem Film diese Reduzierung verargt, was mich doch sehr stark an William Friedkins deutlich schlichteren CRUISING erinnert hat. Damals waren die Lederschwulen sauer, daß sie von dem Film als eitle, flanierende Abziehbilder gezeigt wurden. Mich hatte schon damals gewundert, ob die Kritiker jemals in ihrem Leben in einer Disco zugegen gewesen waren, wo Unsicherheit und Geltungsbedürfnis erfahrungsgemäß Stammgäste sind – der Fleischmarkt läuft eben so, egal ob gay oder hetero. EASTERN PROMISES hat zwar eine weibliche Protagonistin, handelt aber mindestens ebenso ausführlich von den männlichen Figuren, die alle hart zu sein versuchen in einer Welt, die nun mal nicht nach ihren Regeln tanzt. Man kann so hart und brutal sein, wie man möchte – das Leben ist trotzdem härter und putzt einen weg, wenn man seine eigenen Gesetze schmiedet. Es findet sich immer jemand, der den Selbstbetrug aufdeckt. Nikolai, zum Beispiel, ist nur der Chauffeur von Russenmafiosi, will aber ein Kingpin werden und hat seine eigenen Geheimnisse im Busen. Sein Gesicht – brillante Leistung von Viggo Mortensen, der nicht zu Unrecht für den Oscar nominiert wurde – ist eine stählerne Maske, aber man muß nur einmal den Russenboß (gespielt von Armin Müller-Stahl) sehen, mit all seiner trügerischen Großvater-Freundlichkeit, um zu merken, daß nur komplette Unmenschlichkeit in diesem Haifischbecken was reißt. Der Sohn von Müller-Stahl, Vincent Cassel, ist offensichtlich latent homosexuell, haßt Schwule und leidet darunter, daß sein Vater ihn nicht für voll nimmt. Er steht drauf, die ukrainischen Schlampen richtig derbe ranzunehmen und als Fickgemüse zu benutzen. Anna will nur dem Baby eine Familie verschaffen, doch die wohnt weit entfernt in Rußland, und der Vater ist Schmutz und Dreck.

Cronenbergs Filme haben immer die Eigenschaft gehabt, einem roten Faden zu folgen. EASTERN PROMISES handelt nicht von den Monstern und Mutanten des phantastischen Kinos, sondern von ihren realen Entsprechungen: Menschen, die ihre Identität verloren haben, sich ihre Identität simulieren, und für die Wahrung des Scheins zum Äußersten bereit sind. Wie üblich holt Cronenberg aus seinen Schauspielern alles heraus. Mortensen, Naomi Watts und Cassel sind exzellent. Im Original standen den Schauspielern angeblich auch Sprachtrainer zur Verfügung, die ihnen die dialektalen Feinheiten verschiedener russischer Volksgruppen nahebrachten. Die deutsche Synchro ist ebenfalls ungewöhnlich gut geraten und läßt den Film funktionieren. Ich brauche noch eine Zeit lang, um den Film richtig zu verdauen, aber toll finde ich ihn schon jetzt – da gibt es kein Vertun.
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Geschrieben 29. Januar 2008, 14:08

The Touch Of Her Flesh (DVD)

Die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts erlebten den Aufstieg des sogenannten „nudie cuties“ und eine Fülle von Filmen, in denen weibliche wie männliche Nacktheit als zuschauerziehende Attraktion angeboten wurde. Gleichzeitig mußte sich die Prüderie der Zensurbestrebungen einiger Bundesstaaten mehr und mehr in die Ecke drängen lassen. Zunächst geschah dies noch auf der Grundlage eines amüsanten Etikettenschwindels: Filme, die etwa von den Geschehnissen in sogenannten Nudistencamps handelten, gaben vor, lediglich Natürlichkeit und ein soziologisch bedeutsames Alternativmodell zu gängigen gesellschaftlichen Prinzipien zu dokumentieren. Mit Sex hatte das alles angeblich gar nichts zu tun. In Wirklichkeit war es freilich nur die Aussicht auf entblößte Brüste in Leinwandgröße, die die Leute in Scharen in die Kinos trieb. Nach einigen Gerichtsprozessen durfte dann das Feigenblatt fallen – Sex wurde zum Thema der Filme. Und da der Anreiz, den nackte Menschen darstellten, bald zu verblassen begann, wurden auch andere Sensationen in die Lichtspiele eingebracht, namentlich eine Verflechtung von Sex & Crime. Die „Roughies“ waren geboren.

Daß ich von Filmemacher Michael Findlay bis jetzt nur seinen berüchtigten Horrorfilm SNUFF und den auf charmante Weise unterproduzierten Bigfoot-Schocker SHRIEK OF THE MUTILATED gesehen hatte, lag vor allen Dingen daran, daß es sehr schwierig ist, seine Filme aufzutreiben. Bei seiner Ehefrau Roberta hat man es da schon leichter, da ihre Horror- und Pornofilme sich einer mehr oder weniger berechtigten Popularität erfreuen. Nun hatte ich endlich mal die Gelegenheit, Michaels 1967 bis 1968 produzierte Roughie-Trilogie zu sehen, die mit THE TOUCH OF HER FLESH begann, und was soll ich sagen – Hammer!

Der stilvolle Schwarzweißfilm, der die Serie einläutete, erzählt die Geschichte von Richard Jennings, gespielt von Findlay höchstselbst. Jennings hat ein Buch über Waffen geschrieben, das ihn auf Waffenkongressen überall in den Staaten zum begehrten Redner macht. Seiner Frau Claudia ist das sehr recht, denn sie hat einen Liebhaber, Steve. Doch der Kater kehrt überraschend nach Hause zurück und ertappt die Mäuse beim Tanzen. Entsetzt flüchtet er auf die Straße und läuft direkt vor ein heranpreschendes Auto. Bei dem Unfall verliert er ein Auge und landet im Rollstuhl. Verbittert, entmannt und voller Haß und Selbstverachtung zieht er sich in den Schmollwinkel zurück. Er wird zum aktiven Frauenfeind, und als er seinen ersten Mord begeht, merkt er, daß er seine Berufung entdeckt hat: Er will die Welt von Schmutz & Übel befreien. Und natürlich konzentriert sich seine neugewonnene Misogynie erst einmal auf die Frau, die ihm die Ehre geraubt hat...

TOUCH OF HER FLESH quillt über vor exzentrischen Bildern, macht die ganze Welt (von New York City und Umgebung) zu einem Noir-Panoptikum, in dem sich Menschen tummeln, die vergeblich versuchen, ihr großes Glück zusammenzubauen. Jennings wirkt da wie ein Kastenteufel, der den Leuten das gibt, was sie sich im Grunde ersehnen. Wäre die Trilogie nicht von einem schelmischen Humor durchzogen und einer durchaus beabsichtigt wirkenden grotesken Note, müßte man sich um Herrn Findlay direkt Sorgen machen. In der vorliegenden Form aber handelt es sich bei TOUCH um ein hochgradig delektables und – gemessen am niedrigen Budget und dem ästhetischen Standard damaliger Autokinoware – ausgesprochen ansehnliches Gespinst aus Fetisch-Sexszenen und augenrollendem „crazy man act“. Findlay wirkt dabei ausgesprochen überzeugend und mal so richtig verbiestert. Die Gewaltdarstellungen sind sehr artifiziell und in ihrer offensichtlichen Harmlosigkeit eher belustigend. Daß jemand den Sadismus dieser Filme als anstößig empfindet, halte ich für unwahrscheinlich. In den Folgeteilen, THE CURSE OF HER FLESH und THE KISS OF HER FLESH, hat Jennings seinen Rollstuhl mit einem coolen Gehstock vertauscht und rückt der sündigen Weiberwelt u.a. mit vergiftetem Sperma zuleibe. Auch bemerkenswert eine Szene, in der sich ein vormaliges Opfer an ihm rächen will und mit Hilfe eines Bindfadens eine sinnvolle Verbindung zwischen seinem Dödel und einer Schrotflinte herstellt. Die daraus resultierende Sexszene bezieht ihren Reiz daraus, daß Jennings nicht „reagieren“ darf, weil ihm ansonsten die Männlichkeit stiften geht – ätschebätsch! Sehr innovativ fand ich den Vorspann von CURSE, der auf die Wand eines Kneipenklos geschmiert ist, inmitten anderer eindeutiger Botschaften...

Kurz und gut: Lustvoller Sleaze, dessen mögliche Widerlichkeit von einem ausgeprägten Sinn für das Spielerische abgemildert und für Fans solcher Filme genießbar gemacht wird. Wer alte Doris-Wishman-Filme wie BAD GIRLS GO TO HELL mag, wird bei der FLESH-Trilogie sein Halleluja finden, und auch im Zusammenspiel mit den „Coffin Joe“-Filmen von José Mojica Marins kann ich mir die Aktivitäten von Mr. Jennings sehr gut vorstellen. In den Filmen gibt es ein Wiedersehen und vor allen Dingen -hören mit Frau Roberta, und auch John Amero von den Amero-Brüdern taucht auf, mit denen das Ehepaar noch des öfteren zusammenarbeiten sollte. Der New Yorker Exploitation-Underground war wirklich eine sehr faszinierende Angelegenheit. Michael drehte noch eine ganze Reihe anderer Sexploiter sowie einige Pornos (einer davon in 3-D!), bevor er 1977 bei einem tragischen Helikopterunfall auf dem Dach des PanAm-Gebäudes ums Leben kam. Da war es dann leider endgültig vorbei mit Richard Jennings, Frauenfeind und Berater in Fragen des stilvollen Meuchelns...

Bearbeitet von Cjamango, 29. Januar 2008, 14:12.

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Geschrieben 29. Januar 2008, 14:40

Evil Come, Evil Go (DVD)

Ein früher Westküsten-Sexploitation-Veteran war Walt Davis, unbesungen, aber immer noch in Gestalt von diversen „crotch operas“ der siebziger Jahre nachvollziehbar. Seine Aktivitäten erstreckten sich von Softcore-Streifen à la THE DICKTATORS bis zu vorsätzlicher Ferkelware, die er gelegentlich sogar selbst in Szene setzte. Die Liste seiner Teilnahmen an abendfüllenden Filmen wie auch kurzen „Loops“ dürfte noch bedeutend länger sein, als dies die IMDb vermuten läßt. Die von ihm selbstinszenierten Filme verfügen meistens über einen leichten, unbeschwerten Grundton, mit Ausnahme selbstverständlich des berüchtigten Splatterpornos SEX PSYCHO, in dem er sogar homosexuellen Sex praktiziert. (Letzteres eine ausgeprochene Seltenheit in den heterosexuell orientierten Werken jener Tage.)

Aber auch Davis hatte augenscheinlich Lust darauf, mal einen „normalen“ Film zu drehen. Er tat sich mit „Johnny Wadd“-Erfinder Bob Chinn zusammen und drehte EVIL COME, EVIL GO, einen reizvoll aus der Art geschlagenen Hybriden irgendwo zwischen Serienmörder-Psychothriller und Sexploitation.

EVIL COME: Schwester Sarah Jane ist vom Geist des Herrn beseelt und will mit dem Flammenschwert ihrer Mumu ihr ganz privates Gospel unter die Menschheit tragen. Zu fröhlicher Country-Musik (Eigenkompositionen für den Film!) wird klargestellt, wie das geht: Sie greift sich in Autobahnraststätten oder Schmuddelbars Herren der Schöpfung ab, spitzt sie an bis zum Gottserbarmen und weidet sie dann fachgerecht aus. Das macht sie aber nur nachts. Tagsüber stellt sie sich in einer Art Heilsarmee-Gewand an die Straßenecke und dudelt auf ihrem Akkordeon. Dabei lernt sie die vollschlanke Penny kennen, die ebenfalls schwer einen an der Murmel hat. Da Penny keine Männer mag und leicht beeinflußbar ist, sucht sie ein Alphaweibchen und meint, dies in Schwester Sarah Jane entdeckt zu haben. Gemeinsam macht man sich auf, die Männerwelt letal abzurocken. Doch nichts ist von Dauer...

EVIL GO: Man kann kaum sagen, der Film wäre ein verschollener Klassiker des Horrorgenres. Wohl aber weiß er zu gefallen durch seine Exzentrizität. Einige drastische Sexszenen mit nicht immer attraktiven Akteuren weisen darauf hin, daß die Macher von Haus aus pornogestählt sind, aber gleichsam merkt man dem Film an, daß es den Crewmitgliedern sehr gefallen hat, mal „was anderes“ zu machen. EVIL EVIL geht splattermäßig in den wenigen Mordszenen in die Vollen, gibt sich ansonsten aber redlich Mühe, seine Hauptfigur glaubhaft zu gestalten. Schwester Sarah Jane wirkt wie eine psychopathische Extremversion der Sektenprediger, die die Vereinigten Staaten bereits seit Beginn ihres Bestehens durchstreift haben. Wie grotesk ihre „holy roller“-Attitüde auch wirken mag – solche Leute gibt es, und zwar beunruhigend viele davon! Daß ausgerechnet Pornofilmemacher sich mit diesem Thema befassen, leuchtet ein, da moralische Heuchelei und andauernde Drangsalierungen in der P-Industrie der 70er an der Tagesordnung waren. Der Film offeriert ein buntes Potpourri aus christlichem Liedgut, darunter „Glory Glory Hallelujah“. Schwester Sarah Jane singt halt gerne. Heutigen Horrorfilmfans dürfte das Tempo, das der Film anschlägt, zu gemächlich sein, aber wer Lust hat auf einen morbiden und teilweise hübsch riskanten Horror-Roadmovie, kann sich mal mit der DVD befassen, die den Film in ordentlicher Qualität präsentiert. Ich habe ja ein ausgeprochenes Faible für Seventies-Horror...

Bearbeitet von Cjamango, 29. Januar 2008, 14:44.

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Geschrieben 06. Februar 2008, 11:54

Prey (2007) (DVD)

Familie Newman macht Urlaub in Afrika, genießt die warme Sonne und die drolligen Tiere, die überall am Wegesrand stehen. Bei einer Privatexkursion versucht Stiefmutter Amy, das Herz ihrer renitenten Stieftochter Jessica zu gewinnen, die ihren Daddy nicht verlieren will. Bevor sich zwischen den beiden Frauen etwas Sinnvolles herausmendeln kann, kommt es zu einem Eclair, als der kleine David pinkeln muß: Ein Löwe greift an und verwandelt den Reiseführer in kleine Schnipsel. Die kleine Familie (minus Papa) sitzt nun fest, umgeben von hungrigen Raubkatzen. Was tun? Sich fressen lassen?

Das wäre eigentlich eine gute Idee gewesen, denn PREY leidet im wesentlichen darunter, daß man den Löwen bei der Verrichtung ihrer Arbeit alles Gute wünscht. Die Löwen: prachtvolle, elegante Tiere, die nichts anderes machen, als den Gesetzen der freien Wildbahn zu ihrem Recht zu verhelfen. Gesetzeshüter im Naturpelz – wo gibt es das schon? Die Menschen: deplazierte Ruhestörer, die keinen Tacken Respekt vor der Natur haben und sich in ihrer Schimmerlosigkeit als Herren ihres Geschicks wähnen. Tatsächlich nicht einmal dazu in der Lage, simple zwischenmenschliche Unstimmigkeiten zu lösen. Diesen Unstimmigkeiten räumt PREY viel Zeit ein, und ich befürchte, daß die Figuren dem Zuschauer sympathisch sein sollen. Sind sie aber nicht. Tochter Jessica ist blond, für ihr Alter ziemlich doof und quengelt andauernd herum. Ganz schlimm wird das, als die Situation haarig, um nicht zu sagen: pelzig wird. Ich hätte dem halslosen Zwerg links und rechts eine gescheuert. Die Löwen hätten diese Situation schnell bereinigt. Als Problemlöser sind sie sozusagen naturbegabt, und die Hyänen und später die Bakterien hätten dann den Rest besorgt. Da der südafrikanische Regisseur Roodt offenbar keinen brauchbaren Drehbuchautor am Start hatte, benehmen sich die Charaktere wie die Narren und scheinen wie versessen darauf zu sein, sich in lebensbedrohliche Situationen zu bringen. Das nimmt teilweise den Charakter einer unfreiwilligen Komödie an. Wie blöd kann man sein? Als „Monster“ kann man den (etwa drei) Löwen attestieren, daß sie hübsch aussehen. Sie wirken nur nicht wirklich bedrohlich. Wie üblich dürfen sie herhalten als potentiell bedrohliche Geschöpfe, denen der simple Umstand, daß sie einen Menschen bei Bedarf ratzfatz aufreißen können, zum schwarzen Peter gemacht wird. Dabei sind sie so schön und anmutig! Und sie sind hungrig. Ich habe mit den Löwen gelitten, denn sie haben ihr Festtagsmahl direkt vor der Schnauze, kommen aber nicht ran, weil es eingebüchst ist, und kein Büchsenöffner in der Nähe. Wie gemein und selbstsüchtig. Da Roodt schon in früheren Filmen bewiesen hat, daß er ein Apartheid-Gegner ist, werden die wenigen Schwarzen, die mal vorbeischauen, wenigstens nicht als Bösewichte, sondern lediglich als genehme Zwischenmahlzeit dargestellt. Das ist aber schon der einzige Pluspunkt, den der Film anzubieten hat. Wer sich PREY dennoch ausleiht, kann sich ja mal den Spaß machen, alle Dinge aufzuzählen, die die Protagonisten verkehrt machen. Mein persönlicher Favorit ist: Wenn man denn schon einmal den Schlüssel für den Jeep wiedergefunden hat, ohne Bremse wie ein Besengter durch die Serengeti preschen, bis man zweihundert Meter weiter in eine Böschung fährt und hängenbleibt. Da habe ich lauter gebrüllt als die Löwen. Erneut: Wie blöd kann man sein? Dieser Film geht der Frage nach.
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Geschrieben 06. Februar 2008, 12:22

Der Nebel (Multiplex, Gelsenkirchen)

Die Kombination von Stephen King und Frank Darabont hat ja schon im Falle von DIE VERURTEILTEN und THE GREEN MILE für gute Kinounterhaltung gesorgt. DER NEBEL setzt diese schöne Tradition jetzt fort: Ein junger Vater, der mit seiner Familie nach Neuengland gezogen ist, besucht mit seinem kleinen Sohnemann einen ländlichen Supermarkt. Plötzlich zieht der titelgebende Nebel auf. Irgendetwas ist in diesem Nebel. Es ist nicht nett. Es ist sogar absolut tödlich. Was tun?

Das ist die simple Ausgangssituation von THE MIST, der seine Stärke dadurch erhält, daß er sich sehr lange Zeit läßt, bevor die Bedrohung konkret wird. Wenn sie den Eingeschlossenen immer unmißverständlicher bewußt gemacht wird, besitzt der Film die Schlauheit, den Zuschauer wie die Protagonisten immer noch in kompletter Unklarheit zu lassen, was da eigentlich vor sich geht. Riesige Tentakel, merkwürdige Tiere – what the...? Das Augenmerk der Narrative liegt auf den Bemühungen der Menschen, ihre Situation irgendwie zu meistern. Das wird auch recht glaubhaft und sinnvoll entwickelt, wie auch das langsame Aufwallen von Panik und Gruppenbildung sehr nachvollziehbar geschildert wird. Das Drehbuch enthält einige schöne misanthropische Dialogzeilen, die die gruppendynamischen Entwicklungen angemessen kommentieren. Nicht alle Menschen verhalten sich edel. Genaugenommen verhält sich kaum jemand edel, sondern versucht im Moment der Gefahr nur, seine eigene Haut zu retten. Und wenn keine Hoffnung mehr da zu sein scheint, wendet man sich dem gläubischen Schnickschnack zu. Marcia Gay Harden glänzt als religiös fanatisches Dorforiginal, das am Anfang noch jedermanns Lachnummer ist, aber mehr und mehr zum Alphaweibchen mutiert. Auch ansonsten ist der Film ansprechend besetzt, ruhig und unaufdringlich inszeniert und verbreitet mit den spärlichen Monsterauftritten genau das richtige Maß an Bedrohlichkeit, das man braucht, um die menschliche Story des Filmes packend zu halten. Insgesamt ein Film, der bei mir während des Ansehens gewachsen ist. Zu Beginn hielt ich ihn noch für nette, ansprechende Feierabendunterhaltung. Dann wurde er zunehmend richtig spannend. Und das Ende ist ein völliger Mund-offen-vor-Staunen-Kracher, ein Klassiker im Horrorgenre. Kurz und gut, bei THE MIST kann man wirklich nicht viel verkehrt machen. Und das Kinopublikum war endlich einmal wieder richtig still und gesittet – toll!

Bearbeitet von Cjamango, 06. Februar 2008, 12:24.

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Geschrieben 11. Februar 2008, 12:38

Blood Moon (Video)

Mein übernächster SI-Artikel wird von Actionfilmen handeln, die ich aus der 99-Cent-Grabbelkiste meiner bevorzugten Videothek geborgen habe. Auch einige Horrorfilme sind mir dabei in die Hände gefallen, darunter BLOOD MOON, ein schönes Beispiel für End-80er-Ranz.

Britt Ekland war eine sehr hübsche Schwedin, die dem Agenten mit der Doppelnull begegnete und einem fiesen Zwerg. Jetzt sitzt sie im Gefängnis, brabbelt Unverständliches und bringt den Originaltitel des Filmes – MOON IN SCORPIO – bereits dreimal unter, bevor überhaupt der Vorspann läuft. Nachdem der Anfang des Filmes den Zuschauer in durchaus unheilsame narrative Wirrnis gestürzt hat, erzählt Britt dem Direktor eines Sanatoriums von ihrem frischgebackenen Ehemann Alan (John Philip Law), der von Erinnerungen an seine Vergangenheit als professioneller Schlagetot in Vietnam gebeutelt wird. Es setzt ausgesprochen drollige Vietnam-Flashbacks, bei denen einige der bekannteren Archivmaterial-Vietnamschnipsel mit Szenen aneinandermontiert werden, in denen kostümierte Laien versuchen, durch den Bürgerpark zu laufen, ohne sich auf die Nase zu legen. Das ist nicht leicht, da die gesamte Umgebung mit Trockeneisnebel zugepöllert ist – der Krieg war die Hölle. Alan und seine Kriegskumpel werden uns von Britt der Reihe nach vorgestellt, was sehr lustig ist, da das Drehbuch von dem bekannten Autorenteam Dürr'n'Matt stammt: „Burt, der geborene Soldat, immer in Bewegung. Und Alan, ein Mann voller Zweifel – ein Philosoph!“ Der Philosoph, John Philip Law, leidet obendrein an Schmierchargitis, die Krankheit, bei der man sich vor laufender Kamera in ein Stück Holz verwandelt. Law war mal der Engel in dem tollen BARBARELLA und durfte sein hübsches Gesicht durch eine Reihe von Italowestern tragen, bevor er zum Stammgast in zumeist actionlastigen Videopremieren wurde. Hier wird er Zeuge grauenhafter Kriegsverbrechen (eine vietnamesische Frau wird von Burt umgeschossen und klammert sich sterbend an Laws Bein fest), fällt dann in einen Tümpel und kämpft mit einem Skelett aus Gummi. Auch geht ganz in der Nähe eine Brandbombe los. It's Trauma-time, baby! Natürlich trägt Law einen schweren Rappel davon und bekommt jedesmal Zuckungen, wenn er Wasser sieht. Seine Grimassen sind possierlich anzuschauen und eine Mahnung an die Schrecken des Krieges. Egal, er und Britt heiraten. Bereits auf der Heimfahrt von der Kapelle eröffnet er seiner Ehefrau, daß er die Flitterwochen mit einer Segeltörn einläuten will – nur er, Britt, seine beiden Kriegskumpel und deren Gattinnen. Verständlicherweise hat Britt etwas dagegen, erklärt sich aber schließlich dazu bereit, den Quatsch mitzumachen. Als sie an Bord kommen, werden sie von Burt empfangen, der von William Smith gespielt wird, einem Action-Urgestein. Hier sieht er aus wie der Mann, der in der Grundschule die Milchtüten in die Automaten stellt, und es gibt keinen schmutzigen Witz, den er nicht kennt. Seine Freundin ist eine blonde Schnatze mit einem fürchterlichen Frisurenproblem, das sie gekonnt mit Alkohol bekämpft. Als Law und Britt an Bord kommen, liegt sie barbusig auf dem Deck und redet Unfug. Britts Erzählerstimme kommentiert das überraschenderweise mit: „Es war ein wunderbares Boot, und alle schienen sehr nett zu sein.“ Kumpel Mark sieht aus wie ein kokainsüchtiger Pornoproduzent; seine Freundin Isabel benimmt sich wie ein notgeiles Luder und baggert alle an, sogar den heruntergekommenen Burt. Gespielt wird sie von Playboy-Playmate April Wayne, die in der IMDb zitiert wird mit den Worten: „I have no regrets about any of the work I've done. You have to live life. God gave me a great body and I'm not ashamed of it. It's perfect.“ Ich hoffe, daß auch Robert Quarry so denkt, der einstmals von „American International Pictures“ zum neuen Horrorstar aufgebaut werden und Vincent Price ersetzen sollte. In seinen späteren Jahren ging er gut in die Breite und entwickelte sich zu einem angemessenen Ersatz für Cameron Mitchell, wenn dieser mal keine Lust hatte, in Filmen wie DER BOHRMASCHINEN-KILLER aufzutreten. (Was selten der Fall war.) In BLOOD MOON sitzt er die ganze Zeit über an einem Tisch und läßt sich von Britt ihre Geschichte erzählen. Dazwischen tauscht er sich mit einer Krankenschwester aus: „Was dieser Vietnamkrieg uns schon Patienten beschert hat...“ – „Wo ist der Unterschied? Wenn es nicht der Krieg ist, dann ist es eben das Wettrüsten, die atomare Verseuchung. Es gibt immer etwas, das die Menschen in den Wahn treibt.“ – „Wir müssen es nehmen, wie es ist...“ Es kommt, wie es kommen muß: Ein geheimnisvoller Unhold schnetzelt die Schiffsbesatzung zu Tode. Wer ist der Mörder?

Wen kümmert's? BLOOD MOON ist ein typisches Dumm-Dumm-Geschoß seiner Zeit, das man sich als 99-Cent-Partytape durchaus zu Gemüte führen kann. Qualitativ ist das unterste Kajüte, aber mit Herrn Zion werde ich bei diesem Werk viel Spaß haben – ich muß da mal was anleiern... Abgesehen davon, daß das Drehbuch in punkto Charaktermotivation etwa den Standard von Pixie-Büchern erreicht, liefert es eine befriedigende Anzahl von Trash-Zeilen, bei denen man schon einmal herzhaft aufjault. Regisseur Gary Graver war früher Kameramann im Al-Adamson-Umfeld und durfte auch zweimal mit Orson Welles zusammenarbeiten. Mit seinen Ausflügen ins Pornogenre (für die er das Pseudonym Robert McCallum verwendete) wurde er nur sehr ungern assoziiert, was schade ist, da er dort einige sehr bemerkenswerte Leistungen zustandebrachte, u.a. den netten Porno-Krimi AMANDA BY NIGHT. Seine Ehefrau Jill spielte auch in diversen seiner „trockenen“ Filme mit. In BLOOD MOON ist sie die trunksüchtige Ehefrau von William Smith. Ich weiß nicht, wie ich den Text beenden soll. Deshalb zitiere ich noch einmal Britt Ekland: „Es war ein wunderbares Boot, und alle schienen sehr nett zu sein.“ Wie schon gesagt: 99 Cent.

Bearbeitet von Cjamango, 11. Februar 2008, 12:39.

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Geschrieben 09. März 2008, 13:05

30 Days Of Night (DVD)

In Alaska gehen für einen Monat die Lichter aus. Ein letztes Mal über schneebedeckter Kruste mit der Liebsten den Sonnenuntergang bewundern. Danach dann entweder die Bettdecke über den Kopf ziehen und Winterschlaf halten oder im Dunkeln munkeln. Das kann sehr romantisch sein. Wenn nun aber grauenerregende Kreaturen kommen, die die ganze Ortschaft, in der man wohnt, auslöschen wollen, kann Dauerfinsternis zu einer erheblichen seelischen Belastung führen. Das erlebt Dorfsheriff Eben Oleson (Josh Hartnett), der eigentlich vor hat, über den Finstermonat eine ruhige Kugel zu schieben und so nebenbei seine Ex-Freundin wiederzugewinnen. Stattdessen: Vampire, Vampire, Vampire. Man kennt das ja. Und was die Viecher nerven...

Tja, 30 DAYS OF NIGHT macht klar Schiff im Land der Eisheiligen. Die Vorlage – eine „graphic novel“ – kenne ich wieder einmal nicht, aber man muß dem Film schon lassen, daß er es geschafft hat, mich und meine Freundin richtig zu verjagen. Ironie und sonstiger relativierender Klimbim liegt dem Film fern. Ist man zu Anfang noch versucht, sich über die Blixa-Bargeld-Schreie der bösen Kreaturen und ihr Pancake-Makeup lustig zu machen, so gefriert der Spott sehr bald, denn die grimmigen Besucher sind übel, übel, übel. Die machen keine Gefangenen und sind mal so richtig gefährlich. Wirken Vampire in neueren Horrorschockern (vgl. etwa KÖNIGIN DER VERDUMMTEN, Uncle Ben's Anne Rice) meistens wie unselbstbewußte Schockrocker mit starkem Hang zur Selbstinszenierung, verschwindet die Affinität zur letzten Gothic-Nacht sehr rasch hinter dem hungrigen, gierigen Drang der Invasoren zur völligen Vernichtung allen Lebens – was nicht schnell genug auf den Bäumen ist, wird gerissen. Dabei wirken sie wie eine Mischung aus Vampiren und den aus unzähligen DVD-Premieren sattsam bekannten Zombies, denn vernichtet werden können sie nur mit Kopf-ab. Der häufig eingesetzte „Shutter-Effekt“ (=wildes Gewackel, scharfe Kontraste, metallische Farben) erinnert an 28 DAYS LATER, und ähnlich bedrohlich kommen die überzeugten Nicht-Vegetarier auch rüber. Neu ist die recht effektive gutturale Fremdsprache, mit der die Wesen sich unterhalten – das klingt ein wenig so, als würden die Worte nicht aus dem Mund gedrückt, sondern eher in ihn hineingesaugt. Im Unterschied zu ähnlich gelagerten Filmen aus der jüngeren Zeit durfte ich das Ungemach der Helden jedenfalls wieder richtig Ernst nehmen, und das liegt auch an der recht kompetenten Inszenierung. Regisseur David Slade hat vorher nicht nur diverse Aphex-Twin-Videos gemacht, sondern auch den nervenzerrüttenden Psychothriller HARD CANDY. In 30 DAYS OF NIGHT wird die begrenzte Lokalität der von Schneemassen eingeschlossenen Ortschaft und die prekären Lichtverhältnisse auf ausgesprochen wirkungsvolle Weise genutzt. Es gibt einige formale Leckerli, unter anderem eine tolle Über-Kopf-Kamerafahrt, die die Verheerungen protokolliert, die die Ortschaft ertragen muß – Gemetzel aus 100 Meter Höhe ist keine Actionnummer mehr, sondern nur noch beklemmend. Also: Keine Kasperei, sondern schockgefrosteter Horror, bei dem einem das Blut in den Adern rasch unter Null gerät. Nichts für zarte Nerven. Cooler Film. Wird gekauft.
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Geschrieben 09. März 2008, 13:38

Sunshine (DVD)

Nein, es handelt sich nicht um eine Wiederbelebung der alten „Like ice in the sunshine“-Reklame! Wegen des zahmen Titels und der „Ab 12“-Freigabe bin ich an diesem SF-Thriller eher mißtrauisch vorübergegangen, aber der Name Danny Boyle hat mich dann doch dazu bewogen, dem Film mal eine Chance zu geben. Und zu recht, denn während man es sicherlich nicht mit einem Klassiker des SF-Kinos zu tun hat, handelt es sich doch um eine dezent nostalgische und teilweise recht spannende Angelegenheit aus dem Land der Raumschiffe und der dem Untergang geweihten Erdkugeln.

Die Hitze der Sonne geht nämlich zur Neige. Damit man auch in Zukunft noch „Good Day Sunshine“ singen kann, wird eine 8-köpfige Raumschiffcrew ins All geschickt, um den glimmenden Bullerball mit einigen strategisch günstig plazierten Sprengungen wieder auf Vordermann zu bringen. Wie immer in solchen Fällen erweisen sich die seelischen Belastungen einer jahrelangen Reise als idealer Nährboden für psychosoziale Spannungen. Auch sind diverse Faktoren falsch kalkuliert worden, was zusätzlich für Unbilden sorgt. Und dann kommt noch ein ALIENeskes Notsignal hinzu, das von einer vor Jahren entsandten und totgeglaubten Expedition stammt...

SUNSHINE funktioniert ein wenig wie die naiven Öko-SF-Thriller aus den 70er Jahren, etwa SILENT RUNNING. Die einigermaßen realistische Schilderung der Befindlichkeit der Schiffsbesatzung geht dann mehr in Richtung ALIEN, während die musikalische Berieselung in die 80er Jahre weist – Boyle halt. Und einige Elemente des Filmes gehören dann eher in die Liga der klassischen „space operas“, so Richtung „Blinder Passagier, und der Luftvorrat geht allmählich zur Neige“. Das alles funktioniert ausgesprochen gut und ist dank guter Schauspieler auch recht ernstnehmbar. Was den Hang des Filmes zum Philosophieren angeht (die Sonne als transzendentaler Fokus für Menschen, denen alles Transzendentale angesichts völliger Technisierung abhanden gekommen ist), so stört das nicht, sondern erinnert ebenfalls an idealistische 70er-Jahre-Sci-Fi. Als milde störend empfand ich lediglich das etwas konfuse Finale. Ich weiß, wenn ich mir einen Film ansehe, ja ganz gerne, was gerade vor sich geht. (Vielleicht war ich auch nur zu angeschickert, kicher.) Auch hätte man sich das Auftauchen eines Schrumpelmonsters im Schlußakt eigentlich knicken können. Das wirkte so, als hätten die Produzenten kalte Füße bekommen und auf einem traditionellen Butzemann bestanden. Aber gemessen an meinem Mißtrauen, mit dem ich an den Film herangegangen bin, wurde ich angenehm überrascht von einem kurzweiligen und auf angenehme Weise anachronistisch wirkenden Weltall-Thriller. Sehr okay.
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Geschrieben 25. März 2008, 11:16

American Gangster (DVD)

Aufstieg und Niedergang von Frank Lucas, Drogenhandel-Kingpin und Menschenfreund.

Gangster-Epen mag ich an und für sich total gerne. Es ist ja nicht uninteressant, warum einige Mitmenschen – anstatt etwa Klavierstimmer oder Brezelbäcker zu werden – „auf die schiefe Bahn geraten“ und sich für ein Leben der Brutalität und des Verbrechens entscheiden. Der Frage, warum das so ist, geht AMERICAN GANGSTER leider nicht hinreichend nach und entscheidet sich stattdessen für einen dekorativen Bilderbogen, und da als Regisseur dieses üppig budgetierten Werkes Ridley Scott verantwortlich zeichnet, sieht der Bilderbogen natürlich auch sehr schniek aus. „Gefällig“ ist das Wort. Trotzdem fühlte ich mich beim Betrachten merkwürdig uninvolviert, war mir der Werdegang des Protagonisten doch abseits der sensationalistischen Details – Sex & Crime – relativ egal. Es wird angedeutet, daß Lucas – der aus einer armen schwarzen Familie in North Carolina stammt – einen merkwürdigen Mix aus Überlebenswut und kaufmännischem Gebahren beigebracht bekam, letzteres von seinem Mentor, einem mittelgroßen Gangster namens „Bumpy“. Er ist zielstrebig, familienbewußt und diszipliniert. Teilweise wirkt er sogar recht sympathisch, wenn er nicht gerade jemanden auf offener Straße mit einem Schuß in den Kopf exekutiert. Doch fällt es schwer, Verständnis für den erfolgreichen Herren aufzubringen, und Denzel Washington bekommt eigentlich nicht viel zu tun. Vielleicht rächt sich hier ein klein wenig die ambitionierte Zweiteilung der Erzähllinie, da neben der Gangstergeschichte auch die Geschichte der Gesetzeshüter dargereicht wird am Beispiel des ehrlichen Cops Richie Roberts (Russell Crowe mit gruseliger Frisur). Auch über Roberts wird während der immensen Laufzeit des Filmes eine Menge an Randdetails ausgeschüttet. So erfährt er Probleme damit, daß er 1 Million Dollar Verbrechergeld gefunden hat, diese dann aber auch tatsächlich abgeliefert hat, anstatt sich die Sonne Hawaiis auf den Bauch brennen zu lassen. (Das war der für mich einzige wirklich originelle Faktor der Geschichte: Ein Cop, der seinen Außenseiterstatus dadurch verdient, daß er ehrlich ist...) Seine Ehe ist auch schon den Bach runtergegangen, und man darf dem Sorgerechtstreit um den gemeinsamen Sohn beiwohnen. Hmmh. In einem dicken James-Ellroy-Roman funktioniert so was immer – warum hier nicht? In gewisser Weise erinnerte mich der Film an ein Fußballspiel zweier überaus begabter Mannschaften, die sich gegenseitig neutralisieren und bei denen man dann das Gefühl hat, man könne noch eine Stunde weiterspielen – es würde doch nichts dabei rumkommen. AMERICAN GANGSTER klotzt ran mit attraktiven Details – so kennen wir die 70er – und will doch mehr sein als nur ein Post-Blaxploitation-Actionfilm. Es hätte ihm aber m.E. gut zu Gesichte gestanden, genau das sein zu wollen, denn die wahre Geschichte des realexistierenden Frank Lucas läßt sich vermutlich nicht angemessen in einen glitzernden Hollywoodfilm hineinpacken. Brian de Palmas SCARFACE erzählt zum Beispiel zweieinhalb Stunden lang knalligen Hokomoko mit höchstens ideellem Realitätsbezug, funktioniert aber glänzend. AMERICAN GANGSTER fummelt unsäglich lange mit der Exposition seiner Hauptfiguren herum und kommt dann erst in der letzten Stunde etwas in Fahrt. Da hilft es auch nichts mehr, wenn der historische Hintergrund (Vietnamkrieg, Nixon) noch eingestreut wird, denn er wirkt mehr wie all das lokalkoloritische Zierat, aus dem der Film zum größten Teil besteht. Die dramatische Wucht eines DER PATE erreicht der Film in keinem Moment. Weswegen ich auch eingestandenermaßen enttäuscht bin, denn erwartet hatte ich nach dem Trailer eine ganze Menge. Gut anzuschauen ist der Film in jedem Fall, keine Frage, und eine mit COTTON CLUB vergleichbare Katastrophe findet hier auch nicht statt, aber er hätte halt das Zeug dazu gehabt, einer von meinen Lieblingsfilmen zu werden, und sehr viel mehr als hübsche Inzidenzien habe ich hier nicht gesehen. Vielleicht war meine Erwartungshaltung auch zu hoch – na ja.
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Geschrieben 25. März 2008, 11:19

Until Death (DVD)

Komisch, aber dieser „Direct to DVD“-Quatsch mit Jean-Claude Van Damme hat mir deutlich mehr Spaß bereitet als AMERICAN GANGSTER. Woran liegt das?

Erst mal zur Handlung: Anthony Stowe (VD) ist Drogenbulle, und dies in mehr als einer Hinsicht, denn die Nadel steckt dem Mann bei der Ausübung seiner Dienstpflichten regelmäßig im Arm. Der große Affe auf der Schulter gehört aber noch zu seinen geringsten Problemen, denn obendrein ist seine Ehe am Kollabieren, er hat es sich mit so ziemlich allen Kollegen verdorben, und sein Erzfeind ist sein ehemaliger Partner Callahan (Stephen Rea), und der ist ihm stets eine Nasenlänge voraus. Zu allem Überfluß wird ihm auch noch eine Kugel verpaßt, und zwar direkt unters Kinn, Austritt oben auf der Schädelkapsel. Doch Stowe ist nicht kaputtzukriegen und kommt langsam wieder auf die Beine. Wird er seinen Showdown bekommen? You bet, sailor!

UNTIL DEATH ist eine vergleichbar kleine Produktion, die sich lustige Kapriolen leistet, die nicht alle funktionieren, aber immerhin für ein ungewöhnliches Seherlebnis sorgen. Zuerst einmal wird Star Van Damme sorgsam gegen den Strich besetzt und so demontiert, daß man den arroganten Dressman-Athleten von einst fast schon bedauert. Es ist wirklich nicht Stowes Tag (Monat, Jahr). Damit wir uns recht verstehen: Van Damme ist natürlich nicht Robert de Niro, aber er macht seine Sache ausgesprochen gut, vergleichbar etwa mit dem ebenfalls überdurchschnittlichen IN HELL, wo er nie für möglich gehaltenes Schauspieltalent bewies. Als Stowe wirkt er bis zu seiner Wiedergeburt als Cop etwa so, als habe er mindestens drei Nächte auf Speed durchgemacht. Der Mann ist ein Wrack, und er besitzt wirklich ein ausgesprochenes Talent dafür, sich in die Sülze zu reiten. Das Gimmick mit dem Koma verleitet den Betrachter zu Spekulationen darüber, ob so etwas in der Realität denn vorstellbar wäre: Eine Kugel quer durch den Schädel, an den Sehnerven vorbei, vermutlich durch die Zunge – kann man so etwas denn einigermaßen schadlos überstehen? Die Antwort kann nur lauten: Fuck die Realität – Van Damme kann! Regisseur Simon Fellows hatte vorher mit VD den von mir eher wohlgelittenen SECOND IN COMMAND gemacht, der mir mit seinen Krisengebietskamera-Faxen irgendwann sehr auf den Geist ging. In UNTIL DEATH macht er eigentlich das meiste richtig und verkneift sich formale Spielereien, konzentriert sich auf die Handlung des ordentlichen Drehbuchs. Für mich funktionierte die Übung. Das ist die Art von Film, von der Steven Seagal im Moment nur träumen kann. Actionfans müssen nicht träumen – sie können in die Videothek gehen und sich den Film ausleihen. Was ich auch nachdrücklich empfehle. Der kann was.
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Geschrieben 25. März 2008, 15:36

Diamond Dogs (DVD)

Ach, du meine Güte. What happened?

Ein schwedischer Star in einer in der inneren Mongolei gedrehten kanadisch-chinesischen Koproduktion mit einem rumänischen Regisseur. Why not?

That's why: Xander Ronson (Dolph Lundgren) ist ein Mann von ungewisser Abkunft, der nach dem ganz großen Job sucht. Aus irgendeinem Grund ist er dafür in die Mongolei gefahren, wo er sich mit Wetten und Schaukämpfen mehr schlecht als recht über Wasser hält. Eines Abends erscheint ein reiches, tuckiges Männlein mit einem Zopf, der einwärts gekrümmt ist und aussieht wie ein Dutt, und bietet ihm eine Menge Geld dafür, daß er ihn auf einer Art Schatzsuche begleitet. Es geht um einen religiösen Wandteppich, einen sogenannten Tanka. Und natürlich gibt es eine Reihe von Finstermännern, die den Lappen ebenfalls haben wollen, darunter einen russischen Schurken mit einem lustigen Kinnbärtchen. Doch der Fluch des Teppichs ereilt (fast) alle...

Au weia. Nach dem überdurchschnittlichen THE MECHANIK kommt der große Schwede hier mit einer Gulliproduktion an, deren Dilettantismus schon erstaunlich ist. Der Regisseur kann nichts, rein gar nichts. Die „Inszenierung“ erscheint rein zufällig und läßt den Film passagenweise wirken wie ein „Making of“. Die Schauspieler sind entweder am Unter- (Lundgren) oder am Überchargieren (alle anderen). Man hätte zumindest den pittoresken Schauplatz auf seine Attraktionen hin abklopfen können, aber bis auf einen Tempel am Schluß des Filmes Fehlanzeige, und der sieht eigentlich auch nicht viel beeindruckender aus als der Märchenpark Walsrode. Ein klein wenig erinnert der Film in seinem Wagemut, auch noch „Indiana Jones“-Elemente in die Vorgänge einzuweben, an die megabilligen Früh-80er-Videopremieren, in denen ja auch ständig Leute auf der Suche nach irgendwas waren (vgl. DAS GEHEIMNIS DES GOLDENEN GNUS), aber dieser Anachronismus trägt natürlich keine 90 Minuten, und so bleibt schließlich nur die Hoffnung auf den nächsten Film. MISSIONARY MAN kann aber nur besser sein. Sage ich mal so.

Bearbeitet von Cjamango, 25. März 2008, 15:39.

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#537 Cjamango

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Geschrieben 01. April 2008, 10:40

No Country For Old Men (UCI, Bochum)

Llewelyn Moss (Josh Brolin) wohnt mit seiner jungen Frau in einem Trailer-Park so vor sich hin. Gelegentlich geht er in die Wüste und jagt. Bei einer solchen Aktion stößt er auf die Zeugen eines Gemetzels: tote Mexikaner, zwei tote Managertypen. Auch findet er einen Lastwagen voll mit Heroin und einen Aktenkoffer voller Geld. Das Heroin ist'n bißchen schwer; das kriegt er jetzt nicht so mit. Aber den Aktenkoffer, den läßt er nicht verkommen. Da Moss zwar White Trash ist, aber kein Idiot, ist ihm klar, daß die Besitzer des Geldes vermutlich alle Hebel in Bewegung setzen werden, um an die Sore ranzukommen. Der Hebel heißt in diesem Fall Anton Chigurh (Javier Bardem), ist Psychokiller und hat eine Art portable Druckluftpumpe bei sich, mit der er Leuten Projektile ins Gehirn klopft. Außerdem philosophiert er gern mit seinen Opfern in spe. Und schon bald zeigt sich, daß Moss´ Griff nach dem Goldkessel am Ende des Regenbogens ihn in Teufels Küche bringt...

Tscha, dies ist einer jener Filme, in die ich mit Riesenerwartungen hineingegangen bin, und was soll ich sagen – sie wurden übertroffen! Von den Coen-Brüdern halte ich sowieso eine ganze Menge. Schon ihr Regiedebüt BLOOD SIMPLE war große Klasse und gehört zu den besten neueren Noir-Thrillern, die mir untergekommen sind. Ihre Karriere war – anders als etwa bei Cronenberg, einem weiteren Favoriten von mir – durchaus wechselwarm und enthielt auch mal deutlich schwächere Produktionen, in denen ihre Neigung zur Verspielheit etwas mit ihnen durchging. Filme wie BARTON FINK, THE BIG LEBOWSKI und MILLER'S CROSSING sind aber einfach nur Juwelen, die bei wiederholtem Betrachten immer wieder aufs Neue großen Spaß bereiten. Das wäre wirklich ein Merkmal, das mir bei den Filmen der beiden auffiele – die Sachen tragen kaum ab. NO COUNTRY FOR OLD MEN nun ist für mich ihr bislang bester. Ich habe zwei Stunden lang im Kino gesessen und mich einfach nur gefreut, war baff über die Zielgenauigkeit, mit der die Szenen inszeniert sind. Da gibt es rein gar nichts, was ich mir anders wünschen würde – Maßarbeit von hohen Gnaden. Die Vorlage von Cormac McCarthy kenne ich noch nicht, aber das wird sich sehr bald ändern. NO COUNTRY erzählt seine Geschichte sehr gemächlich und unspektakulär. Wäre der Regisseur ein Stümper, hätte das in sehr langen zwei Stunden resultiert. Tatsächlich aber ist der Film rattenspannend und erzeugt eine Aufmerksamkeit im Betrachter, die ihn fast das Gras wachsen hören läßt. Am deutlichsten gelingt dieser Coup in einer Passage im Mittelteil, als Moss in einem Hotel Unterschlupf gesucht hat und ihm klar wird, daß der Killer ihn aufspüren wird. Fast zwei Minuten lang hört man fast gar nichts, nur leise Hotelgeräusche, Schritte, Quietschen. Dann verändert sich etwas, man *weiß* einfach, daß der Killer kommt. Unglaublich inszeniert; etwas Vergleichbares habe ich, glaube ich, noch niemals gesehen. Die Spannung wird stets begleitet von extrem trockenem und teilweise sehr hartgesottenen Humor, der aber niemals den wohlfeil zynischen Charakter annimmt, der in den Arbeiten der unbegabteren Tarantino-Epigonen vorherrscht. In NO COUNTRY übernimmt der Humor eine kommentierende Funktion und schärft den Blick für die grausige Absurdität der Vorgänge – ein gewaltiges Gehampel um das große Glück. Moss denkt, er habe den Jackpot gelandet, einen Ausgang aus dem trostlosen Leben in einer Wüstenei. Doch das Geld erweist sich zunehmend als Sprengladung, die nicht nur ihn, sondern auch alle Leute in seiner unmittelbaren Umgebung in den Abgrund zu reißen droht. Killer Chigurh (glänzend gespielt von Bardem, der einen unglaublichen Haarschnitt zum Besten trägt) fungiert als eine Art Kastenteufel, der mit seinen Opfern gerne Schicksal spielt. Wenn der Mann eine Münze rausholt, ist das Spiel eigentlich schon fast vorbei. Tommy Lee Jones gibt einen alternden Sheriff, der seinen Posten innehat, seitdem er ein ganz junger Mann war. Er ist in seinem Job alt geworden und versteht die Welt nicht mehr. Früher war das Verbrechen noch eine leicht berechenbare Komponente, die die Normalität eher bestätigte als in Frage stellte. Es *paßte* irgendwie. Jetzt sucht sich das Böse im Menschen irrationale Formen des Ausdrucks, die ihn nur noch verwirren und beängstigen. Er kennt sein Land nicht mehr. Die jungen Männer wollen allen Sätteln gerecht werden und mit Gewieftheit und Kompetenz ihre Chancen wahrnehmen, so sie sich bieten, aber tatsächlich ist es eher der Zufall, der Gewinner und Verlierer bestimmt. NO COUNTRY ist ein Gewinner, und das ist sicherlich kein Zufall, sondern das Werk von Filmemachern, die ganz genau wissen, wie man eine spannende Geschichte optimal erzählt, die überraschen, ohne Kunststückchen auspacken zu müssen. Das ist gar kein Zufall, sondern einfach eine Bombenarbeit. Da fällt mir gar nichts mehr zu ein – ins Kino gehen, anschauen!

Ich ziehe die 10...

Bearbeitet von Cjamango, 01. April 2008, 10:44.

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#538 Cjamango

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Geschrieben 06. April 2008, 10:21

Storm Warning (DVD)

Ein junger Anwalt und seine französische Freundin begeben sich in Australien auf eine kleine Schippertörn. Dabei geraten sie in seichtes Gewässer und stranden schließlich mitten im schönsten Unwetter an einer Insel. Bei ihren Erkundungsversuchen werden sie Zeuge eines Mordes. Da sie nicht sonderlich helle sind, suchen sie Zuflucht auf einer kleinen Farm, die auch die einzigen Bewohner der Insel beherbergt – zwei grenzdebile Hillbilly-Brüder und ihr Monster von Vater. In kürzester Zeit machen die beiden Protagonisten eine Wandlung durch vom Yuppie zum Opfer. Der männliche Bestandteil des Paares gerät sogar zum Opfer de luxe, sprich: Opfer mit von Gewehrlauf zerschmettertem Bein. Aber seine französische Freundin ießt niescht auf den Kopf gefallen und holt zum Gegenschlag aus...

Australischer Outback-Schocker, der zwar leidlich ansprechend gestaltet ist – mit Sicherheit besser als die vorangegangenen Filme des Regisseurs, DÜSTERE LEGENDEN und SCHREI, WENN DU KANNST –, aber schon sehr bald in das Fahrwasser bekannterer Filme gerät und dort ähnlich strandet wie seine beiden Helden. Das Drehbuch stammt von Everett de Roche, der so etwas wie der australische Genreveteran ist und drehbuchtechnisch an den meisten dort produzierten Horrorfilmen der „Goldenen 70er“ beteiligt war, z.B. PATRICK, LONG WEEKEND und TRUCK DRIVER. Wie bei Filmen des TCM-Gewerbes üblich, konzentriert sich die Story auf die pittoreske Ausschmückung des Psychopathen-Gegenentwurfes zur grauen Normalität. Hier sind es völlig heruntergekommene Whitetrasher, die in der Abgelegenheit ihrer Insel eine Marihuanaplantage unterhalten und ihre ganze Zeit damit zu verbringen scheinen, Plastikpuppen zu vögeln, Tierpornos zu kucken und sich gegenseitig zu vermöbeln – auch ein Lebensentwurf! Der Patriarch des Clans wird gespielt vom im wirklichen Leben sehr nett ausschauenden John Brumpton, der zu einer Art Alptraum-Version von Tünnes umgestaltet worden ist, dem Typen, der immer am Hauptbahnhof mit der „Racke Rauchzart“-Flasche ringt. Stetige Kindesmißhandlung hat auch seine Brut zu feigen, gemeinen Wieseln mit mangelnder Körperhygiene werden lassen – schlimm! Natürlich gibt es wie immer eine gewisse Grundspannung zu verzeichnen, die sich aus unentwegten Demütigungen und der Androhung von Vergewaltigung resultiert, aber mittlerweile ärgere ich mich eher über solche Strategien, da man als Zuschauer ähnlich mißhandelt wird wie die Protagonisten – wenn man jemandem in den Bauch haut, hat man unweigerlich dessen ungeteilte Aufmerksamkeit. Die tatsächlichen Gewaltakte des Filmes beschränken auf nur wenige Szenen, in denen dann allerdings mal wirklich ganz Feierabend ist. Für die unvermeidliche Vergewaltigung hat sich die „Opferfrau“ etwas zugegebenermaßen äußerst Geschicktes einfallen lassen, was den Schurken zu einem ausgesprochen unglücklichen Schurken werden läßt, aber jo mei. Insgesamt habe ich in letzter Zeit bei weitem Schlechteres gesehen, aber wenn ich mich an den wirklich hervorragenden LONG WEEKEND zurückerinnere, ist das nichts. Und WRONG TURN-Filme gibt es dieser Tage eindeutig zu viele.

Bearbeitet von Cjamango, 06. April 2008, 10:24.

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Geschrieben 06. April 2008, 10:21

Jeder stirbt! (DVD)

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber dies ist der erste Film der DVD-Firma MIB (= „Medienvertrieb in Buchholz“), der mir wirklich gefallen hat. Seit einiger Zeit bemühe ich mich ja um die cineastische Ausschmückung bunter Wochenenden zu viert, bei denen ein gewisser Schwerpunkt auf Horriblem und Gruseligem liegt. Die Videothek ist regelmäßig vollgestopft mit neuen Horrorschockern mit aufregenden Covern, und nach dem Motto „Jung geübt, alt getan“ kucke ich da gerne mal rein und schaue, was Amiland so Neues hervorgebracht hat. Zu etwa 95 Prozent handelt es sich aber um dilettantische Grütze, und Erzeugnisse der Firma MIB umsteuere ich mittlerweile aus Prinzip. Bei JEDER STIRBT machte ich mal eine Ausnahme, da der Regisseur Buddy Giovinazzo heißt und der Hauptdarsteller James Russo. Und was soll ich sagen: Ein guter Entschluß!

Russo spielt einen amerikanischen Schweißer namens Mickey, der in einem Milieu verkehrt, in dem mißliebige Zeitgenossen schon einmal in Plastikplanen eingewickelt in Kofferräume gesteckt werden, um „body dump“-technisch entsorgt zu werden. Unromantisches Gangstertum, fiese Leute, mit denen nicht gut Kirschen essen ist. Da Mickey bei besagten Rauhbeinen mit 90000 Dollar in der Kreide steht, kommt es ihm sehr gelegen, als auf einmal wohlhabende deutsche Kumpels anrufen und ihn zu einem Wiedersehen in Berlin überreden wollen. Mit jenen verbindet ihn eine stürmische Geschichte: Bei einem Besäufnis stürzte der damalige Austauschschüler Mickey nämlich die Treppe herunter und brach sich seinen Arm, was ihn zum Krüppel auf Lebenszeit machte. Seine deutschen Freunde waren daran nicht ganz unschuldig, aber die Sache ist 20 Jahre her und der Drops gelutscht. Man trifft sich und kumpelt ordentlich, reißt sogar eine möglicherweise minderjährige Discobumse auf, die in das todschicke Art-Deco-Eigenbau-Haus der reichen Deutschen gebracht wird. Durch Schnappes und Drogen kommt es zu einem Unfall mit Todesfolge. Die Polizei zu rufen, erscheint allen Beteiligten nicht als die Kaiserlösung. Doch was tun? Und die Nacht wird sehr lang...

Giovinazzo hat einst den Underground-Klassiker COMBAT SHOCK gemacht, der nach wie vor der vermutlich beste Film ist, der jemals von „Troma“ herausgebracht wurde. Es gestaltete sich für Giovinazzo sehr kompliziert, die Finanzierung für weitere Projekte aufzubringen. Auf der Grundlage von Stars wie Russo oder Tim Roth schaffte er es, das düstere und recht hervorragende Gangsterdrama UNTER BRÜDERN (NO WAY HOME) zu realisieren, aber davon abgesehen ergaben sich in New York scheinbar nicht allzuviele Möglichkeiten, so daß er nach Berlin umsiedelte. So kam es, daß er einige Auftragsarbeiten für das deutsche Fernsehen erledigte, z.B. einige Folgen für „Tatort“. Auch fand er einen Verlag, der seine Romanaktivitäten förderte. Sein „Life Is Hot In Cracktown“ wird derzeit verfilmt. JEDER STIRBT nun entstand bereits 1999, und es ist schon recht verwirrend, daß er anscheinend erst jetzt herausgebracht wird, zumal es sich um eine deutsche Koproduktion handelte und Heino Ferch mitspielt. Neben Ferch hatte Giovinazzo noch den vierschrötigen britischen Theaterschauspieler Steven Waddington zur Verfügung. Ornella Muti rundet das verkommene Quartett ab. Worauf sich der Originaltitel THE UNSCARRED („Die Narbenlosen“) bezieht, kann ich nur mutmaßen. Ich denke einmal, daß er auf den Umstand anspielt, daß Mickey zum Krüppel geworden ist, während seine Kumpels von einst in mondänen Wohlstand hineingeschliddert sind, dabei aber alles andere als makellose Existenzen führen. Mickey selbst (Russo, der selbst als „Der große Schlumpf“ noch beeindruckend wäre!) ist alles andere als ein strahlender Held, sondern ein durch und durch existentialistischer Zeitgenosse, der die Realitäten sieht, und die sind alles andere als rosig. Nach etwa 20 Minuten wird der Film mehr oder weniger zu einem Kammerspiel und startet dann richtig durch. Eine ausgesprochen gelungene Low-Budget-Produktion mit guten Schauspielern, die überraschenderweise auch noch gut eingedeutscht wurde – auch nicht gerade ein Erkennungsmerkmal von MIB-Releases. Das Bildformat ist leider nicht das richtige, was aber nicht nachhaltig stört, da der Film eindeutig etwas taugt. Fans düsterer Thrillerdramen dürfen auf jeden Fall beherzt zugreifen.

Bearbeitet von Cjamango, 06. April 2008, 10:28.

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Geschrieben 14. April 2008, 21:06

The Living And The Dead (DVD)

Hier handelt es sich weniger um einen Horrorfilm als um ein Psychodrama, in dessen Mittelpunkt ein geistig zurückgebliebener junger Mann namens James steht, der zusammen mit seiner todkranken Mutter und seinem Vater in einem riesigen Anwesen auf dem Lande wohnt. Die Mutter wird ambulant versorgt, während der Vater versucht, die problemgeschüttelte Familie zusammenzuhalten. Eines Tages jedoch muß er das Haus aus beruflichen Gründen verlassen, und das führt zur Katastrophe...

Wer eine Spaßpackung erwartet, sollte ganz entschieden die Finger von diesem Film lassen. Zu Beginn war ich noch milde degoutiert, zumal ich befürchtete, die Geschichte würde sich zu einem erstklassigen Beispiel von Behindertendiskriminierung entwickeln. Tatsächlich nimmt der britische Regisseur Simon Rumley den Fall sehr ernst. In der IMDb steht, ihm sei die Idee für das Drehbuch gekommen, als er Zeuge des Todes seiner Mutter wurde. THE LIVING AND THE DEAD quillt über vor Schuld, Überforderung und all den Dingen, denen man sich in solchen Situationen ausgesetzt sieht. Der Umstand, daß es sich beim Protagonisten um einen geistig Behinderten handelt, der für seine Taten kaum verantwortlich zu machen ist, spiegelt das Verhängnisvolle einer solchen Situation wider, in der man einfach nur noch komplett hilflos ist, was auch immer für Eindrücke auf einen einschlagen. James kann nicht ermessen, was das Richtige und was das Falsche ist. Er fühlt Liebe, will nicht alleingelassen werden, und auf alles, was die Geborgenheit seiner Ignoranz bedroht, reagiert er mit Gehampel und mit Panik. Die Schauspieler leisten dabei absolut Bemerkenswertes. Ich habe mir den Film im Original angeschaut und kann nicht ermessen, was auf der deutschen Tonspur angestellt worden ist. In der IMDb sind die Zuschauermeinungen, wie zu erwarten, sehr gespalten. Beeindruckt hat mich allerdings die Zuschrift einer ehemaligen Psychiatrieschwester, die dem Film größtmögliche Authentizität zubilligt, ihn allerdings auch für eine harte Packung hält. Exzellent inszeniert, exzellent gespielt. Und der Film ist tatsächlich recht human, da er den geistig Behinderten nicht einfach als Butzemann mißbraucht, sondern ihn glaubhaft und nachvollziehbar macht. (Im Zusammenhang mit dem Schauspieler Leo Bill gab es eine Szene, in der ich sogar wegkucken mußte. Eine Szene mit Spritzenbezug. Spritzen nerven mich normalerweise nicht, auch im wirklichen Leben. Bei dieser Szene werden allerdings die meisten Zuschauer wegkucken, denke ich mal...) Nicht für jedermann, möchte ich mal sagen, aber mich hat der Film außerordentlich beeindruckt.

Als Doppelpack mit dem spanischen TRAS EL CRISTAL gut vorstellbar. Wer jenen Film kennt, weiß, was das heißt.

Bearbeitet von Cjamango, 14. April 2008, 21:06.

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