Blood Moon (Video)
Mein übernächster SI-Artikel wird von Actionfilmen handeln, die ich aus der 99-Cent-Grabbelkiste meiner bevorzugten Videothek geborgen habe. Auch einige Horrorfilme sind mir dabei in die Hände gefallen, darunter BLOOD MOON, ein schönes Beispiel für End-80er-Ranz.
Britt Ekland war eine sehr hübsche Schwedin, die dem Agenten mit der Doppelnull begegnete und einem fiesen Zwerg. Jetzt sitzt sie im Gefängnis, brabbelt Unverständliches und bringt den Originaltitel des Filmes – MOON IN SCORPIO – bereits dreimal unter, bevor überhaupt der Vorspann läuft. Nachdem der Anfang des Filmes den Zuschauer in durchaus unheilsame narrative Wirrnis gestürzt hat, erzählt Britt dem Direktor eines Sanatoriums von ihrem frischgebackenen Ehemann Alan (John Philip Law), der von Erinnerungen an seine Vergangenheit als professioneller Schlagetot in Vietnam gebeutelt wird. Es setzt ausgesprochen drollige Vietnam-Flashbacks, bei denen einige der bekannteren Archivmaterial-Vietnamschnipsel mit Szenen aneinandermontiert werden, in denen kostümierte Laien versuchen, durch den Bürgerpark zu laufen, ohne sich auf die Nase zu legen. Das ist nicht leicht, da die gesamte Umgebung mit Trockeneisnebel zugepöllert ist – der Krieg war die Hölle. Alan und seine Kriegskumpel werden uns von Britt der Reihe nach vorgestellt, was sehr lustig ist, da das Drehbuch von dem bekannten Autorenteam Dürr'n'Matt stammt: „Burt, der geborene Soldat, immer in Bewegung. Und Alan, ein Mann voller Zweifel – ein Philosoph!“ Der Philosoph, John Philip Law, leidet obendrein an Schmierchargitis, die Krankheit, bei der man sich vor laufender Kamera in ein Stück Holz verwandelt. Law war mal der Engel in dem tollen BARBARELLA und durfte sein hübsches Gesicht durch eine Reihe von Italowestern tragen, bevor er zum Stammgast in zumeist actionlastigen Videopremieren wurde. Hier wird er Zeuge grauenhafter Kriegsverbrechen (eine vietnamesische Frau wird von Burt umgeschossen und klammert sich sterbend an Laws Bein fest), fällt dann in einen Tümpel und kämpft mit einem Skelett aus Gummi. Auch geht ganz in der Nähe eine Brandbombe los. It's Trauma-time, baby! Natürlich trägt Law einen schweren Rappel davon und bekommt jedesmal Zuckungen, wenn er Wasser sieht. Seine Grimassen sind possierlich anzuschauen und eine Mahnung an die Schrecken des Krieges. Egal, er und Britt heiraten. Bereits auf der Heimfahrt von der Kapelle eröffnet er seiner Ehefrau, daß er die Flitterwochen mit einer Segeltörn einläuten will – nur er, Britt, seine beiden Kriegskumpel und deren Gattinnen. Verständlicherweise hat Britt etwas dagegen, erklärt sich aber schließlich dazu bereit, den Quatsch mitzumachen. Als sie an Bord kommen, werden sie von Burt empfangen, der von William Smith gespielt wird, einem Action-Urgestein. Hier sieht er aus wie der Mann, der in der Grundschule die Milchtüten in die Automaten stellt, und es gibt keinen schmutzigen Witz, den er nicht kennt. Seine Freundin ist eine blonde Schnatze mit einem fürchterlichen Frisurenproblem, das sie gekonnt mit Alkohol bekämpft. Als Law und Britt an Bord kommen, liegt sie barbusig auf dem Deck und redet Unfug. Britts Erzählerstimme kommentiert das überraschenderweise mit: „Es war ein wunderbares Boot, und alle schienen sehr nett zu sein.“ Kumpel Mark sieht aus wie ein kokainsüchtiger Pornoproduzent; seine Freundin Isabel benimmt sich wie ein notgeiles Luder und baggert alle an, sogar den heruntergekommenen Burt. Gespielt wird sie von Playboy-Playmate April Wayne, die in der IMDb zitiert wird mit den Worten: „I have no regrets about any of the work I've done. You have to live life. God gave me a great body and I'm not ashamed of it. It's perfect.“ Ich hoffe, daß auch Robert Quarry so denkt, der einstmals von „American International Pictures“ zum neuen Horrorstar aufgebaut werden und Vincent Price ersetzen sollte. In seinen späteren Jahren ging er gut in die Breite und entwickelte sich zu einem angemessenen Ersatz für Cameron Mitchell, wenn dieser mal keine Lust hatte, in Filmen wie DER BOHRMASCHINEN-KILLER aufzutreten. (Was selten der Fall war.) In BLOOD MOON sitzt er die ganze Zeit über an einem Tisch und läßt sich von Britt ihre Geschichte erzählen. Dazwischen tauscht er sich mit einer Krankenschwester aus: „Was dieser Vietnamkrieg uns schon Patienten beschert hat...“ – „Wo ist der Unterschied? Wenn es nicht der Krieg ist, dann ist es eben das Wettrüsten, die atomare Verseuchung. Es gibt immer etwas, das die Menschen in den Wahn treibt.“ – „Wir müssen es nehmen, wie es ist...“ Es kommt, wie es kommen muß: Ein geheimnisvoller Unhold schnetzelt die Schiffsbesatzung zu Tode. Wer ist der Mörder?
Wen kümmert's? BLOOD MOON ist ein typisches Dumm-Dumm-Geschoß seiner Zeit, das man sich als 99-Cent-Partytape durchaus zu Gemüte führen kann. Qualitativ ist das unterste Kajüte, aber mit Herrn Zion werde ich bei diesem Werk viel Spaß haben – ich muß da mal was anleiern... Abgesehen davon, daß das Drehbuch in punkto Charaktermotivation etwa den Standard von Pixie-Büchern erreicht, liefert es eine befriedigende Anzahl von Trash-Zeilen, bei denen man schon einmal herzhaft aufjault. Regisseur Gary Graver war früher Kameramann im Al-Adamson-Umfeld und durfte auch zweimal mit Orson Welles zusammenarbeiten. Mit seinen Ausflügen ins Pornogenre (für die er das Pseudonym Robert McCallum verwendete) wurde er nur sehr ungern assoziiert, was schade ist, da er dort einige sehr bemerkenswerte Leistungen zustandebrachte, u.a. den netten Porno-Krimi AMANDA BY NIGHT. Seine Ehefrau Jill spielte auch in diversen seiner „trockenen“ Filme mit. In BLOOD MOON ist sie die trunksüchtige Ehefrau von William Smith. Ich weiß nicht, wie ich den Text beenden soll. Deshalb zitiere ich noch einmal Britt Ekland: „Es war ein wunderbares Boot, und alle schienen sehr nett zu sein.“ Wie schon gesagt: 99 Cent.
Bearbeitet von Cjamango, 11. Februar 2008, 12:39.