Cjamango sagte am 26.09.2007, 19:22:
das Problem, das ich damals mit dem Film hatte, kann ich nicht an einzelnen Szenen des Filmes festmachen. Ich halte Spielberg für einen vorzüglichen Techniker, der nicht nur die "altmodische" Art des Hollywood-Filmerzählens beherrscht, sondern auch der neuen Technik einige interessante Effekte abzugewinnen vermag. Haarig wird es meines Erachtens, wenn er versucht, ein immens sensibles Thema wie den Holocaust mit eben dieser erzählerischen Perfektion zu packen. Es schadet für mein Empfinden dem Film massiv, wenn er in fast jeder Szene auf altgewohnte narrative Konventionen zurückgreift, die nur einem Zwecke dienen, nämlich der emotionalen Manipulation des Zuschauers. Wie eine Soap-Opera auf hohem Niveau, sozusagen. Sobald man diese Kniffe beim Gucken durchschaut, kommt einem die Vorgehensweise sehr unangemessen vor. Mir ging das auf jeden Fall so, und die Duschszene ist da nur der augenfälligste Moment gewesen. Der eine wirklich originelle Einfall des Filmes, der aus dem Üblichen hervorsticht, ist der Schluß, bei dem der Regisseur echte Überlebende des Holocausts am Grab des echten Schindler vorbeiflanieren läßt. Das ist sehr effektiv, ich hatte auch Tränen in den Augen, aber gleichzeitig kam es mir auch grausam unpassend und geschmacklos vor, da es knallhart manipulativ war. Ich habe im letzten Monat im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit verschiedene NS-Filme gesehen, darunter auch einige Sachen von Veit Harlan, und die funktionieren ebenfalls als emotionale Überwältungsmaschinen. Deshalb bin ich mir im Moment auch sicherer denn je, daß ich keinen großen Wunsch danach hege, das Seherlebnis mit SCHINDLERS LISTE noch einmal zu wiederholen. Roman Polanskis DER PIANIST gefiel mir zum Beispiel ungleich besser als SCHINDLERS LISTE, denn er sprach mich durch seine Dezenz an, durch die Entscheidung, ohne großes filmisches Tschingderassabumm ein individuelles menschliches Geschick zu schildern, das in seiner Tragik sicherlich stellvertretend ist für die vielen anderen Menschen, die unter dem Regime zu leiden hatten. Ich bin mir im klaren darüber, daß SCHINDLERS LISTE gut gemeint ist, aber er wählt für mein Empfinden die falsche Form und verläßt sich auf Zirkus mit schreienden Nazis, kitschigen Kolorisationseffekten und eben das Cinema-Verité-Einsprengsel am Ende. Das ist aber wirklich nur meine eigene Meinung dazu. Ich verarge niemandem, wenn er es anders empfindet.
Schöne Grüße,
Christian
Hallo Christian,
kann das alles nachvollziehen, zumal ich ja, wie angesprochen, ein eher "ambivalentes" Verhältnis zu dem Film habe- ich kam auf die besagte Szene nur zu sprechen, weil sie mir beim erstmaligen Ansehen des Films (nebem dem Ende, der Ansprache Schindlers, die tatsächlich einfach zu viel ist. Das Ende seiner Filme vermag Spielberg, zumindest nach meinem Dafürhalten, eh nur selten zu gelingen, mit Graus denk ich diesbez. etwa an A.I.) mit am negativsten aufgefallen ist.
Insbesondere, dass einem die "emotionale Manipulation" (wiewohl doch die meisten Filme wohl auf diese hin ausgerichtet sind, Unterschiede gibts doch da letztlich nur im Subtilitätsgrad) in der LISTE, die tatsächlich dampfhammermäßig kommt, sauer aufstoßen kann, leuchtet mir unmittelbar ein; allein, ich hab evtl. in dieser Hinsicht einfach meinen Frieden mit Spielberg gemacht, so erzählt er seine Stoffe eben. Mir gefiel unter anderem, dass die jüdischen Figuren im Film nicht einfach als gesichtslose Opfermasse homogenisiert wurden, sondern deutlich als Individuen erkennbar blieben; die Figur des Göth sah ich eher als Platzhalter für die (trotz der wahnwitzigen ideologischen Grundlagen des NS vorhandene) Willkür des Regimes. Vielleicht schwingt bei mir auch einfach mit, dass ich dem Film zugute halte, das er nach der Soap Opera- esken HOLOCAUST- Serie doch recht früh den Versuch unternommen hat, das Thema filmisch einem breiteren Publikum nahezubringen.
Wie dem auch sei,
ebenfalls schöne Grüsse

Michael
Bearbeitet von Kaffeesatzleser, 27. September 2007, 10:38.