filmtagebuch
#181
Geschrieben 13. August 2004, 10:49
unglaublich wie viel der film beim zweiten sehen gutmachen konnte, godard nimmt mit den zwischentiteln geschehnisse vorraus, lenkt das interesse so ein wenig mehr auf die famose inszenierung und die für die geschichte unwichtigen gespräche, zitiert bei dreyers jeanne arc, deren leidensgeschichte parallelen aufweist (den film kenn ich zwar noch nicht, aber die geschichte), das ende ist so vorraussehbar, alle dämme brechen, wenn godard fast die ganze poe-geschichte "the oval portrait" vorlesen läßt, zugleich verneigung vor seiner damaligen frau und seiner anderen liebe, dem kino, interessant natürlich die verschiedenen kameraperspektiven bei gesprächen, die nana fast immer vom gesprächspartner isolieren, grandios auch die eingeschobene "dokumentation" über prostitution, eigentlich ist der ganze film ein puzzle aus vielen kleinen genialen einfällen und szenen
#182
Geschrieben 13. August 2004, 13:11
stellenweise saß ich mit offenem mund vorm bildschirm, manchmal machte sich eine gänsehaut breit und einmal hatte ich tränen in den augen, all das angesichts des visuellen reichtums, der schönheit, perfektion, ideenreichtums, experimentierfreudigkeit, emotionalität und brillianz dieses filmes, wenn vertov schreibt: "wir säubern die filmsache von allem was sich einschleicht, von der musik, der literatur und dem theater, wir suchen ihren nirgendwo gestohlenen rhythmus und finden ihn in den bewegungen der dinge. wir fordern: weg von den süßdurchfeuchteten romanzen, weg vom gift des psychologischen romans, weg aus den fängen des liebhabertheaters, weg mit dem rücken zur musik, weg ins reine feld, in den raum der 4 dimensionen. auf zur suche nach ihrem material, ihrem jambus, ihrem rhythmus!", dann hat er das mit diesem meisterwerk geschaffen, mehr will ich nicht schreiben, selber anschauen und sich fragen, ob sich das kino zurückentwickelt!
#183
Geschrieben 14. August 2004, 15:51
kann man sich gut ansehen, ist aber nichts allzu besonderes, dazu viel zu geleckt und klischeehaft, bißchen gore erheitert die ein oder andere szene, ende ist etwas mißlungen, vorspann das beste am film, zombies, die rennen, sind langweilig und uncool, naja, mir gefiel das tcm remake um längen besser
#184
Geschrieben 14. August 2004, 22:16
direkt noch einmal gesehen, hab mich mehr oder weniger dazu drängen lassen, keinerlei neuer erkenntnisse, wie zu erwarten, danach noch ein paar szenen aus shaolin soccer geschaut
#185
Geschrieben 15. August 2004, 09:39
bin schockiert über meine begeisterung, fassbinder schafft hier ein unglaublich intelligentes und durchdachtes werk, mithilfe eines ziemlich extremen teleobjektivs tilgt er die dritte ebene und kann sich so völlig auf die zweidimensionale anordnung der elemente konzentrieren, das ermöglicht interessante kompositionen, porträtiert die flächigkeit der kleinbürgerlichen gedankenwelt (die größtenteils fehlende kamerabewegung erzeugt ein engegefühl) und entfremdet im sinne brechts (die artifizielle sprache ebenso) das geschehen, die karge ausstattung und die schwarz-weiß fotografie erfüllen ähnliche zwecke, die wiederholung verschiedener ereignisse/motive (sex, geld, prostitution, bier, karten, scheiße reden ) und die beschränkung auf wenige schauplätze (insgesamt vielleicht 6 oder 7) kreieren eine atmosphäre der langeweile und leere, das zusammenschlagen des gastarbeiters als projektion der eigenen ängste und als produkt eines lebens ohne sinn, noch nie besser porträtiert und das von einem 23-jährigen, riesig
#186
Geschrieben 15. August 2004, 20:31
im nachhinein vielleicht keine gute idee diesen film so kurz nach vertovs film zu sehen (kleinen seitenhieb gibt es auch), war zu erwarten, dass er da ein wenig verblasst und deswegen in diesem beitrag wahrscheinlich auch weitaus schlechter wegkommt als er ist, mir schien er ein wenig zu verspielt, zu lustig ob des ernsten themas, dessen er sich annimmt, zumindest zu beginn, gegen ende werden die vergleiche drastischer, die form radikaler, zweifelsohne gibt es schöne bilder, schöner als in vielleicht 99,9 % aller anderen filme, aber sie wirken auf mich durch die frische erinnerung an mann mit der kamera nur schwach, ein film, dem ich in ein paar monaten auf jeden fall noch eine chance geben muss, fazit: bitte nicht nach vertovs film schauen, obwohl es vermeindlich passend ausschaut, ansonsten: dicke empfehlung, da steckt was drin (wie in vigos betragen ungenügend, wenn dort, meines erachtens nach, weniger als hier)
#187
Geschrieben 16. August 2004, 09:20
hat mir viel besser gefallen als beim ersten sehen vor gut anderthalb jahren, einige szenen sind mir aber auch diesmal fremd geblieben, bis zur 60, 65 minute ist der film bis auf die szene mit den 360 wenden grandios, dann kommt dieses marxististische powerpärchen (der schwarze und der algerier) und anschließend noch die revolutionären kannibalen, das wirkt auch diesmal viel zu sehr gekünstelt und möchtegern avantgardistisch, die erste szene und die berühmte stauszene haben sich einen platz in der beste szenen ever liste jedoch redlich verdient, insgesamt, wider erwarten, eher positiv
#188
Geschrieben 16. August 2004, 21:22
La Chute de la maison Usher
habe extra die poe geschichte vor dem film gelesen, um eventuell zu vergleichen, wie so oft, wenn ich mal in die hier herumstehende gesamtausgabe schnuppere, frage ich mich, warum ich das nicht öfter tue, die geschichte also sehr gelungen, und der film, der im übrigen noch das ovale portrait miteinbezieht, wodurch ein optimistisches ende erlaubt wird (hab mich im übrigen gefragt, ob dieser kurzgeschichte nicht eine der kunst inhärente angst zugrundeliegt und diese als übersteigerte mimesis zu verstehen ist)? puhhh, nach dem erlösenden wort "fin" erstmal schnell alle lichter angeknipst und durchgeatmet, sehr, sehr atmosphärisch und sauspannend, leider leidet der film an einigen typischen krankheiten der stummfilmära, er erklärt einfach zuviel (sogar das ende wird äußerst unsubtil vorweggenommen), vorallem die zwischentitel hemmen fluss und geschwindigkeit, schade, vorallem wenn man bedenkt, dass der film mit 4-5 locker ausgekommen wäre (ohne die übrigen wäre der film noch straffer, zumal stellenweise die stimmung regelrecht zerstört wird, schade drum), was seine visualität schon andeutet, zeitlupe, kamerawinkel und -entfernung, mehrfachbelichtung und licht werden so perfekt benutzt wie ich es in einem so alten film selten gesehen habe, es entsteht eine traumartige atmosphäre, die der vorlage voll und ganz gerecht wird, für mich der film, den manche in vampyr sehen, lange nicht mehr so gezittert und gleichzeitig erstaunt über technische brillianz, wenn irgendwie möglich, unbedingt sehen (vielleicht vorher die zwischentitel rausschneiden )
#189
Geschrieben 17. August 2004, 11:36
das ist einer der manipulativsten und zugleich perfektesten filme (perfekt im sinne von erfüllung seiner aufgabe), die ich bisher sehen durfte, er gibt sich voll und ganz als dokumentarfilm, mehrfach wird betont, dass der film die wahrheit zeigt und dass das deutsche volk lediglich aufgeklärt wird, man greift auf vermeindliche archivaufnahmen zurück, aussagekräftige (natürlich falsche) statistiken, anschauliche graphiken, karten, dazu ein kommentierender erzähler, vergleiche, zahlreiche, vermeindlich einleuchtende beispiele, auschnitte aus anderen filmen, fotos von berühmten juden, historisches hintergrund"wissen", all das verschmilzt zu einem visuell ansprechenden, in der länge genau richtigen, nie langweilig werdenen film, der mithilfe von montage und anderen filmischen mitteln wie mehrfachbelichtung noch einiges an wirkung gewinnt, inhaltlich ist das natürlich völliger blödsinn, aber man kann sich kaum ausmalen welche wirkung der film auf einen menschen hat, der mit dem antisemitismus liebäugelt (selbst heute), es werden sämtliche antisemitische tiraden der letzten jahrtausende ausgepackt (das zeigt ja schon der titel), sei es der jude als parasit, als gottesschänder (dieser punkt tritt zweifelsohne aufgrund der naziideologie selbst etwas in den hintergrund), entarteter künstler oder nach gewinn hechelnder händler und dem wird immer wieder der mythos des ariers entgegengestellt, das ist vielleicht der film, den moore als vorbild hat, dessen wirkung er jedoch nie erreicht, schwer natürlich den film als meisterwerk zu bezeichnen, aber genauso schwer dies nicht zu tun (eigentlich unnötig zu erwähnen, dass ich kein antisemit bin)
#190
Geschrieben 20. August 2004, 10:57
selbst auf primitivster betrachtungsweise auffallend: die atemberaubene schönheit der auserlesenen bildkompositionen und farben, jede einstellung ist ein genuss, ein kunstwerk, dann die unheimliche vielschichtigkeit des films, die durch den titel schon angedeutet wird (lang verachtet den produzent, der lang, bardot ihren mann, der den kommerziellen film usw,), man kann die geschehnisse auf die homer-sage beziehen (das legt manch schnitt nahe), man kann sie als godards absage ans hollywoodkino bezeichnen (auch wenn das stellenweise eins zu werden scheint, also godard und hollywood), man kann seine interpretation auf den beobachtungen des mannes mit dem plan aufbauen (hier einzusehen)
#191
Geschrieben 20. August 2004, 21:03
allein die eröffnungssequenz verlangt dem zuschauer einiges ab, 10-15 flugzeugen sieht man bei einer landung zu, wohlgemerkt nacheinander, das ist einerseits provokation des eventuell eh desinteressierten zuschauers, andererseits herzogs eigener versuch das gefilmte im griff zu halten (später wird das durch vielerlei wiederholt, vorallem durch bewusste betonung des filmseins des werkes), wobei wir schon bei einem zentralen thema des films wären, interaktion zwischen mensch und natur, der kryptische kommentar passt vorzüglich zu den stellenweise enorm schönen bildern, obwohl er eigentlich inhaltlich antithetisch daherkommt, leider blieb mir der film an manchen punkten etwas fremd (nach kurzem reinhören in den audiokommentar muss gesagt werden, dass herzog das scheinbar selbst empfindet und glücklich darüber scheint) und ich würde nicht zögern zuzustimmen, wenn ihn jemand als äußerst schwierig bezeichnet
#192
Geschrieben 22. August 2004, 11:12
ziemlich perfekter film, der sich ein wenig als westliche rashomon variante versteht und ultimative wahrheit anhand des extremsten beispiels infrage stellt, visuell ist der film wahrscheinlich aufgrund seiner kammerspielstruktur maßlos unterschätzt, schon zu beginn und im weiteren verlauf immer wieder wird der zuschauer selbst in die rolle eines (bzw. des) richtenden, noch wichtig, dass die 90 minuten wie bei kaum einem anderen film wie im flug vergehen, super
#193
Geschrieben 26. August 2004, 11:17
II rêve d'échafauds en fumant son houka.
Tu le connais, lecteur, ce monstre délicat,
- Hypocrite lecteur, - mon semblable, - mon frère !
nach "kurzem" reinschauen: rimbaud enttäuscht leicht, jarry erheitert böse, baudelaire übertrifft alle.
#194
Geschrieben 27. August 2004, 12:11
einen amerikanischen mythos wie donald duck als hitler (mussolini und japanischer staatschef kommen noch hinzu) darzustellen (den mythos zu beflecken und quasi "angst" zu schüren) und in einen propagandafilm übelster sorte zu packen, was kann subversiver sein? da erreicht man alle gesellschaftlichen schichten jeglichen alters, deswegen daumen hoch
#195
Geschrieben 27. August 2004, 13:44
im wahrsten sinne des wortes einschläfernd
#196
Geschrieben 28. August 2004, 10:47
ziemlich armseliger versuch einer fundamentalistischen, antisemitischen religionsanschauung authenzität zu verleihen, highlights: judas wird von imaginären zombiekindern verfolgt, ein zwittriger teufel brüllt sich die seele aus dem leib und huscht immer mal wieder mit braindeadartigem baby subtil durchs bild, jesus hat den heute handelsüblichen tisch erfunden, vogel hackt gotteslästerer ein auge aus, römer sind größtenteils gewaltgeile irre, ansonsten: blut, folter, jesus, langweile, gewalt, folter, langeweile, langeweile, blut, jesus, folter, gewalt, bähhhhhhhhh, kurz: scheiße
#197
Geschrieben 28. August 2004, 13:05
nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut, was wiederum überhaupt nichts gutes bedeutet, bin eingeschlafen (kurz, max. 10 minuten im mittelteil), ist einfach zu konventionell, um irgendwie zu begeistern
#198
Geschrieben 28. August 2004, 15:31
endlich wird man sich in hollywood seiner triebe und seines könnens bewusst, mit das beste, was die traumfabrik im neuen jahrtausend zustande gebracht hat, so sollte der unterhaltungsfilm aussehen
#199
Geschrieben 30. August 2004, 15:10
eingeschlafen
#200
Geschrieben 31. August 2004, 22:16
vorallem durch rasanten, gut abgestimmten schnitt und scharfe symbole und vergleiche sehr suggestiver film, der durch seine innovative, einer collage stellenweise nicht unähnlichen herstellungsart zusätzlich anziehend wirkt, leider kenn ich mich in der tschechischen geschichte nicht all zu gut aus, um das werk letzlich völlig zu durchdringen, aber auf jeden fall weckt der film das interesse auf die weiteren filme svankmayers, die ich mir dann morgen ansehen werde (wahrscheinlich), wenn er dann noch solche sätze losläßt wie "surrealismus ist keine ästhetik, sondern eine philosophie", dann muss man ihn doch einfach liebhaben , besonders interessant, vorallem im hinblick auf freudsche einflüße (das sah mir durch die plakativität und plattheit der bezüge beinahe wie eine kritik oder auch liebenswürdige hommage aus) auf den tschechischen surrealismus schienen mir die ausschnitte aus down to the cellar, gibst da eine dvd (wie siehts überhaupt aus mit dvds)?
#201
Geschrieben 04. September 2004, 10:36
schon viel versierter in technischer hinsicht und dramaturgisch weitaus fließender und unterhaltsamer als shivers, cronenberg zieht seine bekannten themen durch, verbindung von geist und körper ist hier untrennbar, was sich in der verkörperlichung der geistigen fähigkeit der telepathie zeigt, es deutet sich so etwas wie eine unfähige vaterfigur an, welche eventuell mehr für die pathologischen konsequenzen verantwortlich ist als es die tabletten oder medikamente sind, gefällt mir außerordentlich gut, auch wenn cronenberg immer noch ein bißchen am üben war, potenzial erkennt man
#202
Geschrieben 05. September 2004, 11:11
eigentlich kaum etwas verstanden, aber zutiefst fasziniert, zum einen von der brillianz, die cronenberg hier technisch gesehen auf allen ebenen erreicht, von der suggestivkraft der bilder und der radikalität der erzählperspektive (wahrscheinlich gerade das macht einen interpretativen zugang zum film fast unmöglich), beide daumen hoch
#203
Geschrieben 06. September 2004, 17:18
erstmal was allgemeines über godard, man hört immer experimentell, genial, intelligent usw., aber nur sehr selten sagt jemand etwas über die atemberaubende schönheit der bilder, deswegen nur mal so: godardsche bilder=schön, der film an sich ist traumhaft, selten einen so kompakten und intelligenten film gesehen, godard webt gespräche über kommerz, existentialismus, kommunismus, reflexionen über nichtig- und wichtigkeit der sprache in eine fragmentarische geschichte einer pariser prostituierten, die häufig unterbrochen wird durch ansprachen der schauspieler an den zuschauer oder durch eine flüsternde erzählerstimme, beides vertrauenserregende mittel, das ganze wirkt wie ein unsortiertes, aber höchst anregendes essay, ein bewusster bruch mit godards früherem werk, hier deutet sich schon vieles an, was er in weekend deutlicher (aber auch einfacher) formuliert und vieles wird deutlicher, was sich in früheren filmen andeutet, hier gibt es auch noch diesen unglaublichen willen zum experiment, der mich dazu bringt diesem film, wie schon bout de souffle als wundertüte zu bezeichnen, der hat alles, was man braucht
#204
Geschrieben 09. September 2004, 19:34
erstens möchte ich mal was zur interpretation eines surrealen kunstwerks sagen, ich finde es falsch, wenn jemand einzig eine psychoanalytische herangehensweise als legitim bezeichnet (wie das hier im forum mal passiert ist, weiß aber nicht mehr wer und wo), das impliziert, dass der film surrealistisch entstanden ist (was surreal endstanden ist, muss nicht surreale merkmale tragen, automatisch verfasste texte können sicherlich asurreal im auftreten sein), was zweifelsohne nicht unbedingt der fall sein muss, dieses faktum müßte vorallem die postmodernisten bzw. anhänger der autorentheorie barthes u.a. davon abhalten dem werk eine andere interpretationsmöglichkeit zu negieren, was wiederum andeuten soll, dass die psychoanalytik auch ein werkzeug sein kann, aber nicht das einzige, der film beinhaltet den schönsten schnitt der filmgeschichte, als der erschossene plötzlich im wald die nackte schulter der frau streift (ich denke kenner des films kennen die szene), das erstaunliche am film ist, dass er surreal ist und zugleich surrealismus erklärt, es gibt szenen, die deutlicher nicht sein könnten, die sich in revolver verwandelte bücher, der schnitt durchs auge als verbindung zweier ebenen, "dem traum und der realität in einer art surrealität" (ok, das ist nicht deutlich, aber sicherlich eine mögliche interpretation), deswegen zurecht zu beginn, die szene kündigt an, was der film ist und als was er verstanden werden kann, der versuch sich der frau sexuell zu nähern, der durch eindeutige symbole wie klavier und priester daran gehindert wird, dann ist der film einfach stark, schön und hach, das alles immer wieder aufs neue und mit neuen kleinen entdeckungen, definitiv für mich, nach dieser sichtung, der größte film aller zeiten
#205
Geschrieben 10. September 2004, 19:11
man kann die exposition getrennt vom restlichen film betrachten und gleich in doppelter hinsicht interpretieren, zum einen ist es bezeichnenderweise bunuel selbst, der das auge zerschneidet, er erreicht mit folgendem, dem eigentlichen film, die symbiose zwischen realität (das gesunde) und traum (das zerschnittene auge), bunuel ist zum anderen zugleich der "allgemeine künstler", der acht jahre (die texteinblendung, die dem prolog folgt ist "acht jahre später") vor dem restlichen film, nämlich 1921 mit der veröffentlichung von les champs magnetiques (somit der "entdeckung" des automatismus, der in den ersten tagen des surrealismus quasi gleich diesem verstanden wurde, siehe erstes manifest) den weg für den surrealismus überhaupt freimacht, was folgt ist wie schon im gestrigen beitrag erwähnt zugleich surreal und den surrealismus in all seinen facetten erklärend, es werden eindeutig psychoanalytische begriffe visualisiert, es drängt sich auf an manch einer stelle von kastrationsangst, es, ich, (zumindest die doppelte verwendung des schauspielers mit völlig verschiedenem charakter deutet darauf hin) oder vom überdominantem vater zu sprechen, gleichzeitig spürt man de sadesche einflüße und ekel vor kultur, kirche und kunst (der film ist eigentlich äußerst "unfilmisch" wie viele filme bunuels), all das verpackt in surrealer traumatmosphäre, dann die einblendung 16 jahre früher, das könnte durchaus indiz für die tragische rolle des 1. weltkriegs bezüglich der entwicklung des surrealismus sein, ich weiß nicht, wie ich meine verehrung diesem film gegenüber in worte fassen soll, alles andere verblasst förmlich vor der schieren brillianz und kraft dieses films, könnte ich täglich und täglich anschauen (zehnte sichtung in circa einem jahr und 3 monaten könnte das durchaus schon gewesen sein, und die abstände werden immer kürzer )
p.s.: der film verfügt auch über eins der schönsten bilder, die je auf celluloid gebannt wurden, und zwar ziemlich am ende, wo rechts im bild die faust des mannes hereinragt und links der kopf der schmunzelnden frau, würd ich mir auf der stelle an die wand nageln, 1 meter mal 1m33 oder so (wenn das also einer irgendwie in vernünftiger qualität hat--->pn)
und zwar hier http://www.subcin.com/chienandalou.jpg unten in der mitte ist ein still aus der einstellung
#206
Geschrieben 11. September 2004, 21:28
die bildkadrierung wirkt beinahe mathematisch berechnet, ist von symmetrien gekennzeichnet und in kombination mit den leeren, kargen räumen und den blassen, trostlosen farben von fast unmenschlicher kälte, den blick unweigerlich auf das geschehen lenkend, was sich bis auf wenige, aber bedeutende änderungen, mit dem buch sades deckt, der film spielt zur zeit des nationalsozialismus im faschistischen italien, dadurch ermöglicht werden zitate und anspielungen auf künstler und philosophen wie nietzsche, baudelaire u.a., die gleichsetzung der faschisten mit den helden des romans wirkt im ersten moment (und folgenden) einfach platt, zudem wird dadurch eine philosophische auseinandersetzung des zuschauers mit den thesen der faschisten (und somit den der de sadeschen romanfiguren) beinahe unmöglich, zu fest verankernd im denken die gleichung faschisten=idioten, zu nah der zeitliche rahmen und zu omnipräsent die kraft (und stellenweise auch die schiere schönheit) der bilder, die in gewisser weise dem langweiligen, monotonen stil de sades diametral gegenüber stehen, bezüglich der plattheit muss eine erneute sichtung klärung schaffen, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein derart gefeierter und verehrter künstler wie pasolini derart den "gutmenschen" (sprich kommunisten ) raushängen läßt, das ende ist dann durch den point of view shot durch die ferngläser, welche den zuschauer dann erstmalig zur wirklichen reflexion zwingen, äußerst gelungen, fazit der ersten und sicherlich nicht letzten sichtung: formal erhaben, inhaltlich überraschend platt (da lass ich mich gern eines besseren belehren) und stellenweise schon sehr aufwühlend und direkt
#207
#208
Geschrieben 14. September 2004, 16:26
ich wollte mich dem film ja dialektisch nähern und seine zerfahrene struktur so austricksen, während diesem versuch kam es mir manchmal so vor als ob ich mir einige dinge zurechtbiege, um meine methode durchzubringen, insofern weiß ich nicht ob die herangehensweise überhaupt legitim, somit das ergebnis lesenswert ist, ich versuche trotzdem mal eine art skizze meiner gedanken, zunächst muss der film in zwei stücke geteilt werden (these und antithese), diesen wechsel sehe ich ungefähr bei minute 60 (mann und frau im bett, schnitt, mann fällt herunter, frau weg), hier wird auch die inszenierung beweglicher und dunkler (zuvor beinahe statische bilder), die situation spitzt sich dramaturgisch zu, so erste hälfte also these, schilderung einer patriarchischen gesellschaft mit unterdrückter frau, die quasi verobjektiviert wird (wird sprichwörtlich zum (golf)spielball in diesem falle), alle wichtigen gesellschaftlichen positionen mit männern besetzt, frau wird durch casting gesucht, alles sehr latent, aber doch offensichtlich, immer wieder durchbrochen von verstörenden bildern, die die antithese vorwegnehmen (antithese in these schon vorhanden als teil eines ganzen, dieser teil der hegelschen dialektik wird hier visualisiert, gilt ebenso umgekehrt), antithese, die die these negiert: gewaltsamer ausbruch der frau aus dem patriarchat, wird wieder negiert durch das fehlende happyend und nun liegt es am zuschauer das ganze zu synthetisieren und "aufzuheben" (im dreifachen hegelschen sinne), der film fordert den zuschauer also und ist so oder so phänomenal gemacht und der debile miikehumor anderer werke fehlt gottseidank auch fast gänzlich, ich hoffe ihr habt mich ungefähr verstanden
#209
Geschrieben 17. September 2004, 15:21
ich war noch nie so kurz davor einen film abzubrechen, weil er mich physisch und psychisch derart stark berührt hat, kopfschmerzen, ekelgefühl, schlimmer als bei irreversibel, interpretatorisches oder nur beurteilendes bin ich im moment noch nicht fähig zu verfassen, erstmal fertig
#210
Geschrieben 18. September 2004, 20:02
hat während dieser, der dritten, sichtung fast völlig seine faszination und atmosphäre verloren, verstehe nun, neben denen, die den film als meisterwerk, auch die, die ihn als langweilen trash bezeichnen, es gibt momente, die sind fantastisch, es gibt momente, die sind einfach schlecht, zusammen ergibt das ein äußerst ambivalentes filmerlebnis
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