Dope Tatort Part 6 - Dope Finke Part 6:
Tatort 073 - Reifezeugnis (GER 1977) R: Wolfgang Petersen
Mit Klaus Schwarzkopf, Rüdiger Kirschstein, Nastassja Kinski, Christian Quadflieg, Marcus Boysen, Judy Winter, Rebecca Völz und Franz-Josef Steffens.
Musik: Nils Sustrate, Buch: Herbert Lichtenfeld, Kamera: Jörg-Michael Baldenius und Hans Schreiber
Dieser sechste Petersen-Finke-Tatort ist wie gesagt der am meisten gehypte, so gehypt, dass er der einzige in der IMDB mit Inhaltsangabe ist, so gehypt, dass die jetzt, 30 Jahre später, einen zweiten Teil oder eine Art Remake davon drehen wollen, das allerdings außerhalb der Tatort-Reihe, jedoch mit einem Teil der alten Besetzung (Quadflieg soll mitspielen, Petersen hat eine Gastrolle angekündigt).
Nun, da das natürlich nix werden kann, sehen wir mal lieber dem Quentin Tarantino Remake von KURZSCHLUSS entgegen, dass er aller Voraussicht nach 2019 drehen wird.
Sieben Filme mit Petersen als Regisseur und Schwarzkopf als Akteur, davon sechs Tatorte, alle gut und zwar in dieser Reihenfolge:
1. Einer von uns beiden
2. Kurzschluss
3. Nachtfrost
4. Jagdrevier
5. Blechschaden
6. Strandgut
7. Reifezeugnis
Wobei man sagen muss, dass die ersten sechs davon tatsächlich zeitlos sind (weil gritty), der siebte jedoch bereits diese gewisse Filmkuck-Art vorwegnimmt, die heutzutage üblich ist, eine Filmkuck-Art, die sich zum einen an emotionalen Effekten orientiert und zum anderen, als zwangsläufigem Ausgleich, an lolita-o-esquen Reizen. Die Story von REIFEZEUGNIS ist im Endeffekt die erste jener Sorte, derer sich das neue deutsche Kino sehr gerne bedient, eine Sorte, die auf jenem Phänomen basiert, was man als Neo-Romantizismus bezeichnen könnte. Eine Sorte, die eine Art dramaturgische Tiefe vorgaukelt, aber in Wirklichkeit mehr in der Oberfläche stecken bleibt, als jeder schmutzig-brutale Grindhouse-Film. Verschlüsselte Egokratie quasi.
Nastassja Kinski ist in dieser Hinsicht die absolut optimale Besetzung. Ihre beinahe poetische Veräußerung besitzergreifender Liebe dürfte insgesamt vielen unbedarften Mädels direkt aus der Seele sprechen und zugleich das Ende der Siebziger erstmals omnipresente Lolita-Syndrom der männlichen Spektatoren in Gänze befriediggen. Somit macht sie all das falsch, was ihr Vater richtig gemacht hat. Sie ist Kläuschens zwangsläufiger Alpha-Gegenpol.
Zudem hat sie in Christian Quadflieg den genauso optimalen Beta-Gegenpol. Quadflieg, dieser schmierige Schleimscheißer, ist ohne Frage der Anti-Klaus. Was Klaus Kinski für das Groove-Kino getan hat, hat der Herr Quadflieg für das deutsche "Rotzblagen-Kino im intellektuellen Mantel" getan.
Aus dieser Perspektive heraus betrachtet, ist REIFEZEUGNIS tatsächlich ein absoluter Schlüsselfilm des teutschen Filmschaffens, da er der erste jener Sorte war, die heute die Filmlandschaft in Teutonien bestimmt, Filme ohne jeglichen Retro-Bezug, entwurzelte Filme ohne jeglichen Bildgroove, wobei REIFEZEUGNIS durchaus Bildgroove besitzt, was wohl an Jörg-Michael Baldenius liegt. Stilistisch gesehen kann man hier keine Vorwürfe machen. Dennoch bringt die Story-Art das ganze in die falsche Richtung und leitet damit Wolfgang Petersens Untergang als rennomierter B-Movie-Künstler ein.
Absleazend: Nur wegen der Rolle als definitiver Schlüsselfilm im Gesamtoutput teutschen Filmschaffens hat dieser Film einen Hype verdient, ansonsten ist er halt der schwächste der 6 Petersen-Finke-Tatorte.
Bearbeitet von Lobbykiller, 20. September 2007, 06:22.