"All is full of Love..."
#121
Geschrieben 11. September 2005, 22:36
USA/Kanada: 1994, R: Diverse
DVD, OmU
2x24 Unsere kleine Stadt (Our Town)
Nette Kannibalen-Folge, aber an einigen Stellen wurde der Stoff und sein Potential etwas zu stiefmütterlich behandelt und wirkte eher unfreiwillig komisch. Soziale Bedeutung erlangte die Folge wieder hintergründig durch die Darstellung der Kannibalen-Gemeinde als eine Mikro-Gesellschaft begriffen im Zerfall - jedenfalls gemessen an ihren eigenen moralischen Grundsätzen.
2x25 Anasazi (Anasazi)
Der obligatorische Cliffhanger des arg überzeichneten Schlusses der Folge geht mal gehörig auf den Sack. Ansonsten ist diese Folge eher mittelmäßig. Sie krankt an einer etwas hastigen und künstlichen Inszenierung - aber sie hat ihre Momente: das letzte Treffen von Mulder und seinem Vater, der tief in der Verschwörung drinhängt (die Familien sind ein sehr interessanter Aspekt der Serie), die Konfrontation zwischen Mulder und Krycek und natürlich die Entdeckung eines Haufens ziemlich toter Aliens. Zur Abwechselung wurde mal mit denen rumexperimentiert - Mulder entdeckt Anzeichen für Impfungen. Der ganze Viren-Impfungs-Plot ist wichtig für die Mythologie.
Was mich schon immer an dieser Folge befremdet hat, war dieses Reservat in New Mexico mit seinem roten Gestein, in dem der geheimnisvolle Zugwaggon liegt. Etwas stimmte nicht. In den Specials wurde mir endlich gesagt, was: Da das alles in der Umgebung von Vancouver gedreht wurde, mussten sie eine ganze Steinlandschaft mit roter Farbe besprühen. Dieses landschaftliche Zeichen war wohl leider notwendig, um den Alien-Plot mit den Indianern zu verknüpfen, was grafisch über das symbolisch vorbelastete "Klischee-Gestein" geschah ...
Gesamteindruck
Fertig - und zufrieden! Mehr als das... erfreut und beeindruckt von dem hohen Standard, den Akte X für TV-Serien etabliert(e). Wenn man das von der formellen und inhaltichen Qualität aus betrachtet, darf man natürlich nicht vergessen, kurz einmal "Twin Peaks" zu würdigen, ohne die Akte X wohl nicht möglich gewesen wäre. Atmosphärische und ikonsiche Referenz schien mir da sehr eindeutig die Folge "Der Zirkus" (Humbug). Die zweite Staffel ist auch der Start-Schuss zur Mythologie, die sich wie ein roter Faden durch die Doppelfolgen zieht. In dieser Staffel wirkt der ganze Handlungsstrang noch unausgereift und chaotisch. Das wird sich sogar noch verschlimmern, dafür werden die Folgen jedoch zu inszenatorischen Highlights - Kino-TV. Außerdem mag ich doch die Anprangerung einer exekutiven Verschwörung so sehr...
Die unabhängigen Einzelfolgen waren zumeist exzellent und überdurchschnittlich. Die hohen Ansprüche nach der ersten Staffel werden geradezu tänzelnd überboten. Das schönste ist, dass man Mulder und Scully so abgedrehtes, wissenschaftliches Fachgerede in den Mund legt, dass sich meist sogar noch sinnig anhört und - verdammt noch einmal - Interesse daran weckt. Kluge Serie...
bekay
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#122
Geschrieben 11. September 2005, 23:06
UK/USA: 2004, R: Alfonso Cuarón
DVD, Synchro
Mal wieder gesehen ... und mal wieder verzaubert. Nicht etwa von Potter's Zauberrute, sondern von der souveränen, handwerklich ausgereiften und düsteren Inszenierung, die sehr nachhaltig wirkt und sehr episch geraten ist. Ich kann den dritten Teil der Reihe, ganz unabhängig von den guckbaren, aber weit unterlegenen ersten Zwei, wirklich nur jedem ans Herz legen, der mal erleben will, wie ein Film von Beginn an richtig aufdreht und bis zum Schluss des verflucht kreativen Abspanns keine Längen hat. Ich spiele damit auf Zeit an, die vergeht, und man merkt es gar nicht. Was der Film schnell vergehen lässt, macht er auch zu seinem immanentesten Motiv. In Hogwarts tickt ein riesiges Uhrwerk, dessen Pendel drohend vor einem Tor hin- und herschwingt (es gibt einige verrückte Kamerafahrten durch die Zahnräder), ständig hört man ein regelmäßiges Ticken in der Tonspur, entweder als Hintergrundgeräusch oder von John Williams eingearbeitet in den Soundtrack, die Übergänge der Jahreszeiten ist fließend und ideenreich aufbereitet. Die Geschichte ist durchdrungen von der linearen Entwicklung in der Zeit, aber auch von ihrer bewussten Manipulation (soviel sei verraten). 1 Buch, 1 Film, 1 Jahr ... Chronologie ist Rowlings größter Verbündeter in der hysterischen Erfolgsgeschichte um eine drei Knirpse, die langsam erwachsen werden - ja, in der Zeit eben. Aber in einer streng getakteten. Das der Film so bewusst hintergründig mit diesem Prinzip umgeht, ist eine feine Sache!
bekay
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#123
Geschrieben 13. September 2005, 23:37
USA: 1976, R: Brian De Palma
WDR, Synchro
Schon 1976 (und nicht erst Ende 90er) also war das Schulmassaker in den Medien angekommen - oder was ist dieser Film sonst als Ursachenforschung für den Ausbruch plötzlicher Gewalt gegen Mitschüler und Lehrer? De Palma kleidet seine Geschichte in eine ungewöhnliche Mischung aus kitschigen Klischee-Bilder und auserlesenen, wirklich klugen Einstellungen, und konzentriert das komplette Tempo, die gesamte Inszenierung auf den Höhepunkt beim Abschlussball.
Die Handlung auf seinen religiös-mystischen Subtext zu reduzieren, oder ihn nur darauf zu beziehen, würde dem Film nicht gerecht werden, wäre wohl auch garnicht im Sinne eines De Palmas. Schon wie er am Anfang genüsslich in den Bildern der duschenden Frauen im Umkleideraum schwelgt, setzt einen formalen Gegenpunkt gegen etwaige Interpretationen, warum denn nur der "Teufel" in die Carrie gefahren ist. Ihre übersinnlichen Kräfte sind m.E. nur eine Funktion, um zu zeigen, zu welchen Handlungen (bzw. deren Folgen) Menschen in einem bestimmten Umfeld fähig sind. Es hätte wohl keinen Unterschied gemacht, wenn Carrie eine Waffe gezogen und sich durch den Schulball geknallt hätte. Doch zugegeben, die übersinnlichen Spielereien haben das Gemetzel natürlich auf eine spannende Art bedrohlicher gemacht. Trotzdem: der Film gewinnt in der aktuellen Zeit des Schulmassakers eine faszinierende Brisanz. Er erzählt von dem Zustand einer Gesellschaft, in der etwas gewaltig falsch läuft. Hinterfotzige Doppelmoral, wohin man schaut: in der Religion, im Schulsystem, im bürgerlichen Haus. Amen.
bekay
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#124
Geschrieben 15. September 2005, 00:34
HK: 1992, R: John Woo
dt. DVD (ems), OmU
Nicht von den verlogenen Moralisierungen, die John Woo meint betreiben zu müssen, ablenken lassen; einfach nur die Bilder bestaunen. Nicht die Schusswechsel an sich sind es, die seine Gewaltorgien so extrem ansehnlich machen, sondern die explodierenden und zersplitternden Gegenstände. Holz, Glas, Papier, alles wird in seine Einzelteile zerlegt, fliegt dem Zuschauer aus verschiedensten Richtungen entgegen, sprengt den Bildraum gleich mit. Action ohne Schnickschnack, manchmal in unglaublich langen Plansequenzen, die schon fast eine Kunst hinter dem Effekthandwerk vermuten lassen. Nicht auf die degenerierte Geschichte achten - ja ja, für nen Freund knallt man auch mal einen mehr ab ein Schmarrn... aber wie schon gesagt, nicht drüber nachdenken. Lieber genauer hinschauen, wenn das Gewaltballett in Perfektion ausbricht. Hier leben ein paar Männer ihren chauvinistischen Spieltrieb aus - von Jungs für Jungs gemacht...
bekay
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#125
Geschrieben 18. September 2005, 10:29
USA/Deutschland: 2002, R: Rob Marshall
DVD, Synchro
Formal teilweise unheimlich öder und steriler Film, weil er insgesamt mehr wie ein abgefilmtes Muscial als wie ein Film wirkt - nicht nur in den brillianten Gesangseinlagen und Choreographien, die ja meistens auf einer wirklichen oder imaginären (sagen wir symbolischen) Bühne stattfinden. Inhaltich weiß er gerade dadurch zu gefallen - starke Allegorie auf das Leben als Spektakel... und damit auch Charakterisierung des Zeitgeistes der amerikanischen 20er. Der journalistische Subtext ist immer noch aktuell und bezieht seine Kraft und seinen Humor wohl auch eher aus heutigen Verhältnissen.
Godzilla und die Urweltraupen
Japan: 1964, R: Ishirô Honda
DVD (Marketing), Synchro
Der 4. Godzilla-Film führt eine Motte ein, derer sich die Reihe wohl noch oft bedienen wird. Ist aber nicht weiter schlimm, ich mag das Insektenvieh Mothra, auch wenn es natürlich die Fights weniger handgreiflicher werden lässt. Ihr Raupenstadium ist aber wirklich ärgerlich - bestand der finale "Kampf" nur aus Fernangriffen mit Kokon-Sekret... bis Big G vollständig verpuppt war und wie ne Mumie dreinschaute. Das Feindbild wird klar umrissen: Atombomben und Kapitalismus. Dass es Honda ernst ist mit seinen naiven Botschaften, zeigt der Konflikt zwischen den zwei Geschäftsmännern gegen Ende - da gibt es schon mal richtig was auf die Omme, bis die Fresse blutet, und es wird auch vor Waffe und Mord nicht zurückschreckt. Das Freundbild findet man schnell in den drei Protagonisten wieder: der Reporter, die unterwürfige Fotografin (sie hat aber als Frau die besänftigende und friedenstiftende Stimme) und der Professor - ehrlicher Journalismus und selbstlose Wissenschaft sind in der Verantwortung. Irgendwo dazwischen stampft Godzilla durch die Pampa - ob nun als personifizierte Rache der Natur oder Versinnbildlichung des egoistischen und modernen Menschen oder beidem, denn es hängt ja beides irgendwie zusammen...
bekay
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#126
Geschrieben 20. September 2005, 12:56
Japan: 1971, R: Yoshimitsu Banno
DVD (Marketing), Synchro
Spätestens ab dem Vorspan (und das ist ziemlich früh), wurde mir klar, dass dies ein völlig anderer Godzilla werden würde - dort trällert eine Japanerin wie in einem James Bond Vorspann mit ihrer röhrigen Stimme ein Liedchen vor verrückten, wabernden Popart-Texturen. Währenddessen immer wieder Einblendungen von Müllmassen. Schon der Anfang war so eigentümlich, der ganze Film sollte es noch werden. Und er hat unglaublichen Spaß gemacht. Ein echtes Kind der ganzen geistigen Bewegungen der ausgehenden 60er und beginnenden 70er. Gegner Godzillas ist diesmal Hedora oder, wie es in der Eindeutschung genannt wird, Hydrox - ein schleimiges Müllwesen, entstanden aus unseren Chemie- und Industrieabfällen. Klarer Fall: Versinnbildlichung der menschlichen Umweltzerstörung, die in Form dieses Wesen andeutet, dass diese schon außer Kontrolle geraten ist. Das ganze wird durch sehr amüsante Trickfilmchen mit gewissem Lehrcharakter noch einmal verstärkt zum Ausdruck gebracht (verrückt...). Überhaupt spielt der Film zu gern mit rein graphischen Elementen, Texturen und dem mediatisierten Bild. Nächster Punkt ist die Erzählung - Hauptaugenmerk liegt auf einem kleinen Jungen und seinen Eltern. Jedenfalls scheinen mir ihre Aktionen weniger plakativ und unlogisch als in "G & Urweltraupen", realistisch motivierter geht es hier zur Sache. Und letzter Punkt: Godzilla ist vom zerstörerischen Sinnträger zur coolen, kommerzialisierten Actionfigur geworden. Er ist nun der hilfsbereite Retter der Menschen. Schablonenhafte Posen (wie das Streichen seiner Tatze über die Schnauze), sein hampelhaftes Auftreten aus dem Nichts und seine Verbindung zu dem Jungen machen ihn menschlich und freundlich, nehmen ihm allerdings jegliche Gefahr und Majestät. Nicht weiter schlimm, die Öko-Botschaft übernimmt hier ja Hydrox. Und dafür ist der Film auch sehr unbeschwert zu schauen. Es hätte natürlich nur noch gefehlt, wenn er sich in der letzten Einstellung umdreht und verschmitzt in die Kamera spricht: "Deswegen, liebe Kinder, spart immer schön Wasser und trennt den Müll!"
Verrückteste Sequenz: So ein Party-Jungspund, dessen vorhandene Verbindung zur Protagonisten-Familie unklar bleibt, meint, dass sie jetzt - da Hydrox eh ganz Japan vergiften wird - auf dem Fujijama eine Riesenfete steigen lassen müssten. Mit Tanz und Musik ergeben sie sich ihren Schicksal - nichts gegen den Tod tun, sondern ihn freudig erwarten. Dann sitzen also ein paar junge Leute um ein Feuer und er spielt wehmütig auf seiner Akkustik-Gitarre - und wird aufgezogen, da nicht einmal 100 Menschen gekommen sind. Plötzlich hält er eine feurige Hippie-Rede, aus dem Nichts erscheint eine Band in dem Bildkader und spielt funky music. Aus den Büschen und von allen Seiten kommen nun jugendliche Party-Geile gerannt, die alle zufällig in der Nähe des Fujijamas waren - nun wird wild um das Lagerfeuer getanzt. Zwei Einstellungen werden in das Rumgetanze geschnitten: Eine Halbnahe erfasst alte Menschen, die wie Geister, hinter hohen Gräser versteckt, das Treiben ausdruckslos beobachten - Generationskonflikt? Wut oder Neid über das lebensmüde Abfeiern?
Verrückt...
bekay
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#127
Geschrieben 26. September 2005, 14:51
Japan: 1975, R: Ishirô Honda
DVD (Marketing), Synchro
Ich habe weder den Teufel gesehen, noch die auf dem Marketing-Cover erwähnten King Kong oder Konga. Aber so falsch ist das ja gar nicht, denn eigentlich ist es ja egal mit wem sich der (immer noch) Retter Japans prügelt, solange er es tut. Und diesmal kracht es gewaltig in Teufelskü …. äh- Godzillas Revier. Wrestling- und Box Einlagen vom Feinsten, Modellzerstörungen, wohin das Auge reicht. Der 15.Godzilla-Teil (und gleichzeitig Ishiro Hondas letzter Beitrag zur Godzilla Reihe) ist wirklich ein ganz imposantes Monsterfilmchen.
Und der Plot vereint alles, was so ein Trash-Patchwork braucht, um richtig Spaß zu machen: Faschistoide und böse lachende Außerirdische in Silberpapier gewickelt, die die Erde vom Menschen befreien wollen, den Mad Scientist, den Good Scientist, das Frankenstein-Motiv (in Form der süßen Tomoko Ai, die als Schauspielerin wohl leider nicht so Fuß fassen konnte), die tragisch endende Liebe, Interpol, unterirdische und hochtechnisierte Basen. Der Film ist mit Ideen zugestopft, die die dramaturgischen und inszenatorischen Schwächen perfekt kaschieren. Und natürlich gibt es nette Kloppereien. Godzilla gerät bei zwei Gegnern allerdings etwas ins Hintertreffen. Und auch die Botschaft, die sonst immer naiv schmückendes Beiwerk war, wird hier etwas vernachlässigt. Eigentlich symbolisieren nur die Außerirdischen bzw. ihre Pläne mit der Menschheit und Erde eine recht kurze und reichlich öde Kritik an den Menschen – und die Lautsprecherdurchsagen bei den Massenfluchtszenen … denn diese warnen vor Plünderungen, welche mit militärischer Gewalt sanktioniert werden. Hier wurde doch ein ganz interessanter Aspekt der modernen Massengesellschaft geschnitten, der uns zuletzt wieder in New Orleans in all seiner Realität vor Augen geführt wurde.
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#128
Geschrieben 26. September 2005, 15:32
USA: 1992, R: David Lynch
TV (arte), Synchro
Willkommen in Twin Peaks, einem abgelegenen, kleinen, himmlischen US-Ort an der kanadischen Grenze, den höllische Kreaturen von innen und außen bedrohen - und in dem sich die beliebte Ballkönigin auch schon mal gegen Geld durchficken lässt. Dieser Film beschreibt die letzten Tage im Leben von Laura Palmer, abwesende Hauptprotagonisten der zwei Staffel starken Serie "Twin Peaks". Wie die Serie gezeigt hat, führen die meisten Bewohner ein Leben an der bürgerlichen Oberfläche, hinter dem sie ihre viel dunkleren Seiten verstecken, verdrängen oder auch ausleben. Dieses Thema haut natürlich niemanden vom Hocker, aber Lynchs grafisch explizite Ausführung des Doppellebens der Laura Palmer eben schon. Ihm und einer unglaublich schwankenden Darstellung von Sheryl Lee (zwischen genial und grauenvoll) ist die Zeichnung einer durch und durch tragischen Figur gelungen, die ihren Weg durch die Hölle nicht mehr stoppen kann.
Die mitreißend montierte Mordsequenz am Ende ist dann auch noch letzte Belohnung für Serienfans, deren Form zwar sichtlich schockiert, aber deren Inhalt auch die rätselhafte Lücke der Serie als Initiationspunkt schließt, und damit an den Ort des Beginns zurückkehrt. Die Narration wird kohärent geschlossen, obwohl Lynch den Film als abstrakte Semantik- und Symbol-Orgie beginnen lässt, gespickt zwar mit furiosen Gastauftritten, aber gänzlich dem Mimesis-Konzept entsagend, stattdessen mit internen Bedeutungszuweisungen spielend. Habe ich alles nicht verstanden, aber war trotzdem begeistert ob des skurillen Charakters dieses Segments. Wahrscheinlich werden sich einige interne Sinnbeziehungen klären, wenn ich mal die zweite Staffel gesehen habe. Aber hier gibt sich Paramount ja genauso geheimnisvoll wie die Serie und der Film selbst.
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#129
Geschrieben 29. September 2005, 12:40
Japan: 2002, R: Masaaki Tezuka
DVD (RC4 Eastern Eye), OmU
Der vorvorletzte Big G enttäuscht. Trotz ganz sympathischen Darstellern und wirklich guten Modellen und Kostümen fehlt hier einfach der Pepp: Die Kloppereien sind reichlich öde - Mensch, hier soll es was auf die Fresse geben. Stattdessen verkeilen sich Godzilla und sein mechanisches Gegenstück wie zwei Boxer, die am Ende ihrer Kräfte sind (dieses Umarmen-Phänomen). Und es gibt viele Raketen, Laser-Strahlen etc. - sieht zwar gut aus, aber sollte zweitrangig in so einer Produktion sein. Die naive, aber stets kompromisslose und eindeutige Botschaft (gegen Krieg, Umweltverschmutzung oder Atomenergie) wurde gegen einen beliebigen, substanzlosen Wischi-Waschi-Emotionsweichspüler ausgetauscht. Wenn man schon auf den amüsanten, altmodischen Moraltick verzichtet, dann doch bitte vollkommen - und dann müssen auch die Kämpfe richtig überzeugen. Schade, war wohl nichts...
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#130
Geschrieben 04. Oktober 2005, 00:06
Japan: 1984, R: Koji Hashimoto
DVD (RC2 Marketing), Synchro
Fast 10 Jahre nach dem 15. Teil kehrt Godzilla zurück - zwar ohne Regisseur Honda oder Komponist Ifukube; doch mindestens fast so gut wie beim großartigen Erstling. Der Film missachtet sowieso alle dazwischen liegenden Abenteuer, in denen sich Gojira langsam zum trendy Retter entwickelt hat. Und so ist eigentlich auch nur ein Vergleich mit dem Ur-Film angebracht - denn an den will er anschließen. Und er kann es erstaunlicherweise auch! Erstaunt bin ich deswegen, weil ich so einen ernsthaften Film kann nicht mehr erwartet habe. Die Reihe hat sich ja in ein Latex-Paradies für Wrestling-Fans entwickelt (und wird es nach diesem Film auch wieder) - dagegen ist nichts auszusetzen, macht das doch auch gehörigen Spaß, den Monstern beim Kloppen zuzuschauen. Doch so eine bedrohliche Atmosphäre und realistische Inszenierung wie sie Koji Hashimoto hier hinlegt - das hat nur Honda mit dem Ersten geschafft.
Das Drehbuch ist denkbar einfach: Godzilla kehrt zurück - wie (nach dem er in Teil 1 eigentlich endgültig beseitigt wurde) bleibt unklar. Er sucht Quellen für seinen Atomenergie-Hunger und landet letztendlich in Tokio. Er vergeht sich dann natürlich an den sehr liebevollen und detaillierten Modellbauten. Die Protagonisten sind sehr prototypisch: Der Wissenschaftler, "die" Frau (als Hilfskraft beim Wissenschaftler angestellt), ihr Bruder (=Familie), der Reporter, der das Herz "der" Frau erobert. Der Artikel ist in Anführungszeichen, weil das Frauenbild recht katastrophal geraten ist. Aber darum soll es hier nicht gehen. Weitere Fraktionen: Der Regierungsstab, der über die Entscheidungsgewalt hinaus auch als personifizierte vernünftige Geisteshaltung Japans Bedeutung erlangt, und die zwei verfeindeten Parteien des kalten Krieges, Russland und die USA. Der politische Aspekt ist ausgeprägt - und das funktioniert ganz gut: der Film stellt Japan als Land dar, das der Atomkraft als Waffe vollkommen entsagt hat - und somit seine Lektion im Gegensatz zu den anderen Nationen gelernt hat. Im übertragenen Sinne ist Japan in diesem Film durchaus ein Mittler und Schlichter des kalten Krieges... interessant!
Tja, wenn das Drehbuch so simpel ist, was ist dann so toll? Zum ersten eine knackige Inszenierung, die nichts überstürzt, Godzillas Auftauchen sehr spannend gestaltet und ihn an sich äußerst bedrohlich und undurchschaubar macht. Wenn der Journalist und "die" Frau zu Fuß durch das verwüstete Tokio fliehen, verfolgt von dem stampfenden Riesenvieh, dann muss ich sagen - so was gab es in der handwerklichen Qualität auch noch nicht. Und der Film versteht es Godzilla semantisch sehr vielseitig zu besetzen: Er ist entfesselte Natur (Vorspann mit den Lava-Massen), er ist Produkt des Menschen (besonders stark zu sehen bei seinem ersten, richtigen Auftreten bei dem Atomreaktor), er ist instinktives Tier und zum Ende hin ist er voll und ganz tragische Figur - unwissentlich haben wir ihm Existenz gegeben, die wir ihm vorsätzlich wieder nehmen wollen... ein kurzer und großartiger Schluss!
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#131
Geschrieben 07. Oktober 2005, 00:09
Japan: 1966, R: Kihachi Okamoto
DVD (Criterion), OmeU
Wie schnell 2 Stunden vergehen können. Okamoto präsentiert die relativ einfache Geschichte um den kaltblütigen - oder "bösen" - Samurai Ryunosuke Tsukue in erlesenen Bildern - jede Einstellung sieht nach einem Kraftakt der Komposition aus und versprüht eine Erhabenheit sondersgleichen. Auch gibt es ständige Spielereien mit der Schärfe, bei der manchmal bis zu drei Tiefenebenen scharf gestellt sind. Ästhetisch ist der Film ein Genuss. Wucht trifft dann eher auf die Kampfsequenzen zu - allesamt äußerst sorgfältig choreographiert und mit einer Konzentration durchgeführt, dass man große Augen macht. Die unglaublichen Plansequenzen, innerhalb derer meist nicht wenige fallen, legen Zeugnis vom sorgfältigen Handwerk ab.
Inhaltlich gibt sich der Film etwas unentschieden. Im Grunde genommen handelt es sich um die Darstellung eines Schurken ohne Skrupel oder Gewissen. Trotz ungewohnter Perpektive, die ein solcher Hauptprotagonist mit sich bringt, sind seine Handlungen, die ihn als das absolut Böse definieren, psychologisch unmotiviert. Als Drama gibt der Film wenig her, da kann auch die großartige Endsequenz nichts mehr retten, in der er in einem symbolischen Raum mit seinen Opfern konfrontiert wird, die ihn als Schatten wie Geister verfolgen. Das kann die Figur auch nicht aus ihrer Eindimensionalität retten. So ist es nur konsequent, den Film offen mit einem halbtoten und wild wütenden Ryunosuke zu beenden, der in aller Simplizität sein Wesen ausdrückt: das Töten. Auch wenn der Schluss anfangs sehr abrupt und befremdlich auf mich wirkte. Denn der Film hat dramaturgisch eigentlich einen Endgegner für Ryunosuke aufgebaut - bleibt dem Zuschauer aber den Finalkampf mit diesem schuldig. Besonders dieser Aspekt des modernen Erzählens - mit Zeitsprüngen, Ellipsen, "unwichtigen" Charakteren und Figurenkonstellationen, die irgendwie alle zusammenhängen (Pulp Fiction Phänomen) - passt letztendlich nicht zum einfachen Plot.
Trotzdem: Kurzweilig und wunderschön
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#132
Geschrieben 29. Oktober 2005, 13:35
Japan: 1988, R: Isao Takahata
DVD, Synchro
Die Sichtung liegt schon eine Weile zurück, aber der Film wirkt nach ... er wirkt immer nach. Und ich will dieses Tagebuch auch einmal frech dafür nutzen, eine Empfehlung auszusprechen - wer diesen Film noch nicht gesehen hat, sollte dies schleunigst nachholen. Es ist der einzig "wahre" Anti-Kriegs-Film. Die Darstellung der Opfer-Seite - weit ab vom dröhnenden Gedonner der Maschinengewehre und Panzer - lässt etwaiig mögliche Aufgeilungen an der Ästhetik der Action gar nicht erst zu, die ein jeder Soldaten-Film nun mal mit sich bringen kann. Und dass dieses Meisterstück in Form eines Trickfilms geschieht, sollte niemanden abschrecken. Nein, ganz im Gegenteil - es steht für die unglaubliche Kraft, die filmische Formen entwickeln können, die sich vom klassischen, fotorealistischen Abbildungsprinzip entfernen. Studio Ghibli macht das, was es am Besten kann: eben einen sauguten Film. Wo Hayao Miyazaki eher fürs Grobe (meint positiv: Epische) verantwortlich ist, zeigt uns Isao Takahata ganz unprätentiös und mit einfachen visuellen Mitteln, wie im Krieg die Unschuld verloren geht - ein letztes Aufleuchten des Lebens, was mit den Glühwürmchen zu Grabe getragen wird.
Wenn ich sage, dass die Unschuld verloren geht, dann ist dies eigentlich falsch - denn sie siegt letztendlich. Die Geschwister Seita und Setsuko entfliehen dem Krieg und wollen ihre kindliche Unschuld unbeschmutzt lassen. Sie spielen, sie lachen, sie schwelgen in Erinnerungen. Weil sie sich dieses naive Gemüt erhalten, müssen sie sterben, denn der Krieg hat keine Verwendung für solche Menschen. Egoismus und kalkulierte Kälte herrschen - nicht nur zwischen den Fronten, sondern auch auf der gleichen Seite. Dass die beiden Hauptprotagonisten sterben werden, verrät der Film gleich am Anfang - somit zerstört er geradzu genüsslich jegliche Hoffnung auf ein Happy End. Das wird es hier nicht geben - Hoffnung findet ihr bei Spielberg und Konsorten, hier gibt es nur Wahrheit ... und die tut weh. So wird man von dem Film empfangen. Sogleich wird jeglicher positiver Moment vom unausweichlichen, in Aussicht gestellten Ende konterkarriert. Das macht die echte Tragik aus - da muss sich "Die Letzten Glühwürmchen" über weite Teile nicht auf kitschige, überbordende Musik oder visuelle Spielereien verlassen. Der reine Inhalt ist schockierend genug. Ende.
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#133
Geschrieben 09. Dezember 2005, 00:03
Japan: 2004, R: Katsuhiro Ôtomo
DVD, Synchro
Diese Filmsichtung war so eine der ganz ambivalenten Art. Denn was der Film auf der grafischen Seite zu bieten hat, zerstört er mit einer monströs schlechten inhaltlichen Seite. Ja, es ist einer der schönsten Animes: Die Hintergründe - mit soviel Liebe zum Detail gestaltet. Die Computereffekte - sehr einfühlsam mit den 2d-Zeichnungen verbunden. Die Bewegungen - butterweich und realistisch. Man sieht dem Film seine 8 Jahre Produktionszeit an. Aber bei diesem immensen Aufwand kann man ja wohl mehr erwarten als ästhetisch aufpoliertes State of the Art. Scheinbar wohl nicht, denn der Inhalt hinkt der formellen Seite stets nach.
Plot? Ja, worum geht's denn nu? Wahnsinniger versucht auf der ersten Expo Mitte des 19. Jahrhunderts .... ja - ähm ... er versucht eben wahnsinnig zu sein. Gelingt ihm nicht ganz, denn der volle Wahnsinn kommt erst mit 3 Steam Balls (nicht zu verwechseln mit den Dragonballs - von den gibt es auch mehr) - er hat leider nur zwei. Den Letzten besitzt sein Sohn - der unglaubliche, unbesiegbare Steamboy "auf, auf und davon". Es handelt sich aber nicht um eine Superhelden-Comic-Verfilmung, wie man annehmen könnte. Der Titel ist wohl eher eine Metapher auf die junge technische Wissenschaft (Stichwort "Dampf" und so). Also wie haben ein historisches Setting mit rauchenden Schornsteinen und Fabriken etc.pp. ihr wisst schon. Das ganze wird verbunden mit soner Mechanik-Science-Fiction. Hört sich auf den ersten Blick immer gut an, ist seit "Wild Wild West" aber berechtigterweise doch eher verpönt. Set und Plot abgearbeitet.
Charaktere - man ist bei den Animes ja durchaus Typisierungen gewöhnt, aber was einem hier an langweiligen und öden Klischess aufgetischt wird, geht dann kaum noch. Die Oberflächlichkeit kann so gar nicht zur Identifizierung und zum Mitgefühl einladen.
Am traurigsten ist es um den Subtext bestellt bzw. wird dieser als plakativer Dauerappell ausgesendet: Das alte, naive Lied von der Unbefangenheit der Wissenschaft, ihrer ethischen Veranwortung usw. Das mag ja richtig sein. Und wichtig noch dazu. Aber es ist eine Utopie. Und da wirkt das ständige Herumgetrete auf dem Thema dann doch eher anachronistisch (das Thema an sich ist es nicht) - besonders in der bevorstehenden Zeit von finanziell umfangreich unterstützen Elite-Unis.
Was bleibt, sind schöne Bilder...
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#134
Geschrieben 18. Dezember 2005, 00:11
USA: 1999, R: Spike Jonze
DVD, OmU
Also hier das erste große Drehbuchprojekt von Charlie Kaufman, der mich schon mit seiner Schreibe von Adaption und Eternal Sunshine of the Spotless Mind begeistern konnte. Auch dieser Film ist ein kleines Meisterwerk, dessen schier unglaublich verrückte Grundidee mit äußerst interessanten Themen und bekannten Handlungsmotiven verbunden wird. Wie auch in Adaption, der ja auf diesen Film hier explizit Bezug nimmt, vermischen fiktionale und reelle Ebene - aus letzterer stammen John Malkovich und Charlie Sheen, die im Film sich selbst spielen. Die erstere Schiene wird von Lotte und Craig Schwartz besetzt, ein Ehepaar mit öko-alternativ-Style und finanziellen Problemen. Der Maske, aber auch ihren Fähigkieten als Schauspieler verdanken John Cusack und Cameron Diaz, dass sie diese verschrobenen Charaktere so traumhaft skurril darstellen. Wie auch immer, das Paar steckt in einer Geld-Krise. Also nimmt Craig, seine Leidenschaft und eigentliche Bestimmung ist das Puppenspielen, einen Job als Aktensortierer an - ungewöhnlichweise im 7 1/2. Stockwerk eines Hochhauses. Also einer Art Zwischenwelt. Ein Ort zwischen den eigentlichen Orten. Dieses kleine Detail sollte man nicht nur als amüsantes Gimmick ansehen, sondern den impliziten Symbolismus durchaus als thematischen Faden betrachten, der in bisher genannten Kaufman-Drehbüchern immer eine Rolle spielt. Jedenfalls entdeckt Craig hier die Pforte zu John Malkovichs Gehirn. Ein lohnenswerter Nebenverdienst stellt sich in Aussicht, den Maxine Lund, auch eine Angestellte in dem ominösen Stockwerk, schnell entdeckt. Sie ist tough, zynisch und gehört zu der von ihr erdachten Kategorie von Menschen, die sich nehmen, was sie wollen.
Die Charaktere, allesamt interessant und wunderbar dargestellt, sind nun da. Ihre Beziehungen zueinander sind - an sich - bekannte Handlungskonstruktionen. Craig und Lotte haben sich beide in Maxine verliebt - ihr Eheleben köchelte sowieso nur noch auf Sparflamme. Die Pforte in Malkovichs Hirn wird nun als vermittelndes und entfremdendes Element zwischen diese Beziehungen geschaltet. Maxine liebt Lotte - aber nur wenn sie in Malkovichs Körper steckt. Craig hingegen weist sie ab. Das macht ihn eifersüchtig - auch ein bekanntes emotionales Motiv. Er wiederrum lernt Malkovichs Körper wie eine Puppe zu steuern. Was Maxine wieder total scharf auf Craig-Malkovich macht. Wie sehen also die alte Beziehungskiste wie durch eine Art Filter - diese abwegigen Ideen des Kaufman - und können zum melodramatischen Teil des Plots eine Distanz gewinnen, die durchaus mehr Raum zum Reflektieren darüber lässt.
Neben diesem Aspekt wird der Film auch noch zu einem impliziten Lehrstück über Moral und Kunst. Wenn Craig zu Anfang des Films mit einer Puppe den "Dance and Despair & Disillusionment" vollführt und später nocheinmal mit Malkovich, wird schnell klar, welches Thema durch diese Parallelisierung gestreift wird: Der Mensch als Puppe. Malkovich wird gesteuert und augenutzt. Einmal damit Craig mit Maxine zusammen sein kann, aber auch, um der unterschätzten Kunstform des Puppenspielens mit Hilfe des Ruhms des besetzten Schauspielers Auftrieb zu verschaffen. Anders weiß er sich also aus seiner emotionalen und künstlerischen Krise nicht zu helfen. Dieser Umstand macht ihn durchaus zu einer tragischen Figur. Der Film streift also weitreichend verschiedene Diskurse - und das mit so einer frischen & ungewöhnlichen Dramaturgie und einem unprätentiösen formellen Stil, das mir nicht viel übrig bleibt: Ganz groß!
Kommentar-Thread
#135
Geschrieben 21. Dezember 2005, 13:04
Neuseeland/USA: 2005, R: Peter Jackson
Kino, Synchro
Ich werde einmal eine eher fragmentarische Bewertung vorlegen, die sich intensiv auf meine Empfindungen und Eindrücke stützt. Erstens mal, weil die FTBs ja auch das sein sollen, und zweitens, weil es gar nicht anders geht. Und der erste Punkt wirkt ganz entscheidend: 4 Stunden Brutto im Kino zu sitzen, das hält mein Kopf nicht aus. Da kommen schnell Kopfschmerzen, trockene Augen und Erschöpfung. Das nimmt den Film viel seiner Wirkung. Und das liegt nicht am Film selbst und seiner - zugegeben - etwas übertriebenen Länge, sondern an meiner Kondition. So wollte der Film ja zu mir durchdringen, aber da lag soetwas wie ein grauer Schleier zwischen mir und der Leinwand, bzw. dem Fenster zur Welt, die PJ geschaffen hat.
Diese Welt, und das muss einfach gesagt werden, ist groß und authentisch. Da werden Bilder aus dem 30er-New-York zur Zeit der großen Depression gezaubert, das ist einfach nur bestaunenswert. Und das gilt eigentlich auch für den Rest des Films, also für die Sciffahrt und Skull Island. Sets und Computereffekte, hier wird wieder eine gelungene Symbiose vorgelegt, alles lebt, vibriert und bebt. Es ist keine kalte Augenwischerei, es ist eine detailierte und lebendige Welt. Ich habe es zwar nur erahnen können, denn da war ein Schleier, aber dieser Film und sein Regisseur glauben an den Zauber des Kinos und wollen verzaubern. Pures Specktakel, reine Sensation, die ihren Wert aber aus einem Anspruch auf Kitsch und Naivität zieht. Das ist der Unterschied zu anderen Groß-Produktionen heutzutage, wo jeder und alles zuerst immer "cool" sein muß, dann kommt der Rest. Hier ist jeder und alles zum Ersten altmodisch - natürlich auf zwei Ebenen: erstens ist es der Zeit der Diegese zu verdanken, zweitens auch der charakterlichen Tiefe der Charaktere - die ist nämlich nicht da. Wir haben an jeder Ecke Stereotypen so wunderbar altmodischen Typs. Das ist gut für den Film, den in erster Linie ist seine visuelle Wucht so atemberaubend, dass richtige Charaktere nur stören würden. Das erste Mal hatte ich einen offenen Mund und große Augen als die Venture durch die Felsen von Skull Island driftet. Die Dino-Stampede war ein Spektakel schlechthin. King Kong wütet durch New York - was für eine archaische Materialschlacht. Und mein persönlicher Liebling: Der Todeskampf mit dem Krabbelzeugs. Hier wurde eine ganz besondere poetische Theatralik aufgebaut. Die ganze Art der Szene, mit Verwenung von Zeitlupe und minimalistisch-tragischen Musikeinsatz, signalisierte: Das ist kein Kampf ums Überleben, sondern ein Kampf in den Tod. Hier hat mich der Film gehabt, er hat mich gepackt.
Aber das wäre alles ehrlich gesagt so egal, wenn es das Herzstück nicht geben würde. PJ fährt doch tatsächlich eine nachvollziehbare Romanze zwischen nem Riesenaffen und einer Frau auf. Geht doch gar nicht, könnte man meinen. Doch, es geht. Und das haben wir einer unbeschreiblich realistischen Animation des King Kong zu verdanken. Und einer unbeschreiblich gut spielenden Naomi Watts, die es schafft im selben Film wie ein tot gedroschenes Stück Fleisch und die Muse schlechthin auszusehen. Und einer absolut altmodischen und naiven Romantik, die aber funktioniert. Ganz ohne Worte. Nur Blicke und der gemeinsame Moment zählen. Ganz einfache Emotionen, absolut nachvollziehbar dargestellt. Jegliche ruhigen Szenen zwischen den Beiden ist Kino pur. Schönster Moment der Tanz auf dem gefrorenen See im Central Park. Es ist ganz simpel - und der Höhepunkt der Schöne-und-das-Biest-Metaphorik. Die sind eben gemeinsam glücklich und scheren sich ein Dreck um die Welt. Eigentlich hätte ich am Ende heulen müssen, aber mein Schädel tat mit so weh...
Für dieses Herzstück verzeihe ich dem PJ eigentlich alles, was er denn versaut hat. Wie auch bei Herr der Ringe ist der Schnitt und die Szenenfolge manchmal katastrophal zusammenhangslos. Mal nass, mal trocken, mal hier, mal da. Aber das verpufft angesichts der Visualität und inneren Integrität der Szenen an sich.
Der Film hat mich jedenfalls überrollt wie ein Zug, er ist überladen und vollgestopft mit Details. Es ist zuviel auf so lange Zeit. Gerade am Ende habe ich nur noch gestarrt, und eigentlich nur an der Oberfläche des Bildes gekratzt. Ich konnte die Einstellungen bald nicht mehr würdigen, so erschlagen haben sie einen. Die Verschnaufpausen zwischen Ann und Kong hätten da etwas ausgewogener verteilt werden können. Der Film kann trotzdem viel. Und er wird bei einer nächsten Sichtung wachsen, da bin ich mir sicher. Denn ein einmaliges Schauen reicht kaum, um all das zu sehen, was "King Kong" so lebendig macht...
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#136
Geschrieben 29. Dezember 2005, 04:16
USA: 2004
DVD, OmU
LOST - das ist auf den ersten Blick "Robinson Crusoe" in Serienformat. Und das wirkt wohl zuerst wie ziemlicher öder Abenteuer-Stoff. Nichts hingegen läge ferner. Wenn Serien nur "wirtschafltiche Kunden-Bindungs-Produkte" sind, dann ist dies eines der interessantsten und innovatisten Bindungs-Konzepte. Zuerst will ich dem allgemeinen Konzept von Serien auf den Grund gehen: und hier gibt es zwei Arten - die fortschreitende und die repetitive Serie. Letztere lässt sich so wunderbar in den 80ern finden: Das A-Team und der Knight Rider. Jede Folge in sich abgeschlossen, gleiches bis ähnliches Konzept ständig wiederholend, wenig bis keine Entwicklung über die Folgen hinaus. Der progressive Typ scheint mir in den 90ern beliebter geworden zu sein. Man denke nur an TWIN PEAKS, die erste Staffel wirkt eigentlich wie ein zusammenhängendes Ganzes, welches einfach in Teile zu je 45 Minuten geschnitten wurde. Heutzutage kann man seine Serien eigentlich gar nicht mehr repetitiv konzipieren. Veränderungen - meist tiefgreifende - über die einzelnen Episoden hinaus sind unverzichtbar geworden. Gleichzeitig ist ein wiederholendes Element - das Serielle der Serie (dem auch das "Minderwertige" der Serie zu verdanken ist) - nicht unwichtig, will man die Kunden nicht verscheuchen. Gut, TWIN PEAKS ist eine Ausnahme, hier fehlt jegliches Gerüst, jegliche Stabilisierung und jede Folge ist wichtig (deswegen halte ich die auch für so außergewöhnlich). Was wäre AKTE X aber ohne - ja eben - die Akte, also den Fall, oder Carrie Bradshow (SEX AND THE CITY) ohne ihre Kolumne. Hat man mal eine Folge verpasst, gibt es immer noch eine gewisse Sicherheit. Also die Wiederholung geht ganz interessante Ehen mit der Progression ein. Das ist bei LOST nicht anders. Aber die Sicherheit ist hier eine rein formelle - und deswegen eigentlich auch keine. Denn - abgesehen von den ersten beiden Episode - hat jede Folge die gleiche Struktur, die aber inhaltich alles andere als stabilisiert - diese Struktur ist wichtigstes Element der Serie und spannendes Mittel, Charaktere aufzubauen und zu dramatisieren. Dazu später mehr.
Kommen wir zur Serie selbst: Sie beginnt jedenfalls absolut spektakulär. Und unvermittelt. Jack - Hauptprotagonist - schlägt die Augen auf und liegt irgendwo in tropischem Gestrüpp. In dieser Exposition folgt die Kamera nur ihm - und vor ihm breitet sich ein unheilvolles Katastrophen-Szenario aus. Ein brennendes Flugzeug-Wrack am Strand, kreischende Menschen, Rauch, Chaos. Jack hetzt von Ort zu Ort - hilft, wo er kann. Es wirkt schon ein bisschen befremdlich, dass er der einzige ist, der einen kühlen Kopf bewahrt. Aber er ist der Doc. Und somit nimmt er für die Mikrogesellschaft, die dort auf der Insel entstehen wird, eine wichtige Rolle ein. Nach dem hektischen und wirklich toll inszenierten Auftakt, beruhigt sich die Lage ein bisschen. Die "Abgestürzten" versuchen, die Situation zu sondieren. Dabei wird schnell klar, dass etwas nicht stimmt auf dieser Insel. Und mir als Zuschauer wurde freudig klar, dass diese Serie kein reines Abenteuer-Spektakel wird. Durch das Hintertürchen werden nämlich Mystery-Elemente eingeschmuggelt. Und eben interessanterweise attraktiv gemacht - und das obwohl doch der Boom, der mit TWIN PEAKS/AKTE X begann, auch schnell wieder versiegte. Es wird eben höchst mysteriös: Eis-Bären, Flüster-Stimmen, Wunder, "Andere", wandelnde Tote. Die Insel scheint wie eine andere Dimension, eine andere Realität. Und so kommt zu dem obligatorischen "Mensch vs. Natur" noch das "Mensch vs. Mysterium". Hier gilt nicht nur "Überleben", sondern gleichzeitig auch "Geheimnisse Lüften". Da dies alle ahnen, bilden sich nun eben erste Strukturen zwischen den "Gestrandeten", Rettung wird immer unwahrscheinlicher. Die Serie macht dahingehend deutlich, dass dieser Absturz und das eigentlich unmögliche Überleben einen Neuanfang für alle bedeutet. Sie müssen sich nun miteinanader arrangieren, sich helfen, sich neu ausrichten.
Vielleicht soviel zur progressiven Handlung, die gerade bei den Mystery-Elementen mehr Fragen aufwirft als ansatzweise beantwortet. Es bleibt vieles unglaublich nebulös, aber deswegen auch ungemein spannend. Viel wichtiger ist aber ein zweiter Aspekt der Serie, für den oben erwähnte Struktur zentral ist. Denn jede Folge wird zu einer Charakterstudie eines bestimmten Protagonisten. Jede Episode gehört einer gewissen Figur: In 4 bis 5 kurzen und prägnaten, zusammenhängenden Flashbacks erfahren wird etwas aus ihrer Vergangenheit, ihrer Zeit vor dem Absturz, vor dem Neuanfang. Dabei wird eine meist einmalige Dramaturgie für die einzelne Folge entwickelt, denn Vergangenheit und die progressive Gegenwart, also die Handlung auf der Insel, beziehen sich aufeinander. Oft auf einer emotional-charakterlichen Ebene, aber der Bezug kann sich auch auf den Mystery-Plot ausweiten. Es kann parallelisiert werden, konterkariert, symbolisiert. Die Flashbacks erhalten unmittelbar Bedeutung in ihrer aktuellen Einbindung. Die Charaktere, die wir erst ab dem Zeitpunkt ihres Daseins auf der Insel kennen und sich entwickeln sehen, können durch die Vergangenheitsfragmente plötzlich neu definiert, klarer oder undurchsichtiger werden. Über dieses dramatisierende Element wird auch der dritte und letzte Konflikt "Mensch vs. Mensch", der sich zwangsläufig entwickelt, richtig gewürzt. Und obwohl die Flashbacks einer Episode nur einer Figur gewidmet sind, gibt es hier und da interessante Schnittstellen zu anderen Charakteren oder der aktuellen Handlung - ein fein psychologisiertes und organisches Ganzes wird hier netzartig gewebt. Und das alles in einer knackigen Kinoinszenierung, die allerdings selten in eine Selbstzweckhaftigkeit abdriftet.
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#137
Geschrieben 20. Januar 2006, 01:45
Großbritannien: 1985, R: Tobe Hooper
DVD, OmU
Das hätte ja mal eine Trash-Granate vor dem Herrn werden können, blieb dann aber lieber auf gefälligen mittleren Niveau. Die Grundidee ist charmant, reichert sie doch den Vampir-Mythos mit Sci-Fi-Elementen an. Gegen Ende hin wird sich auch noch frech beim Zombie-Genre bedient, allerdings wirklich nur rein formell. Eins kann man den Film nicht nehmen, und zwar seine postmoderne Genre-Struktur, die auf mich sehr erfrischend wirkte. Aber so richtig mitreißend war der nur zu Beginn und am Ende, die Mitte stellt sich gerade als dramaturgische Durststrecke dar. Das erste und letzte Drittel verlässt sich vollkommen auf die Effekte - und die sind eben einfach großartig für die Mitte der 80er. Und der Anfang kann mit 2 weiteren, großen Vorteilen punkten - den Brüsten der Alien-Blutsaugerin. An den Beiden hängt dann zwar eher eine mittelmäßig agierende Mathilda May, aber so lange sie so unbeeindruckt und nackend durch die Forschungsräume schlendert, kann man sich schon prächtig amüsieren.
Das Problem mit dem Film beginnt, nachdem die Nackte sich verdünnisiert hat. Bis dahin konnte man ein paar nette Saugereien beobachten, die die Opfer recht blutleer und steinalt aussehen ließen. Das schöne daran war, dass die nur für zwei Stunden so tot rumlagen, dann allerdings - unter Verwendung einer schier unglaublichen Maske oder aufwendigen Puppe - wieder froh und munter unter uns weilten. Das hat mir gefallen. Dann beginnt allerdings der Mittelteil, in dem Colonel Tom Carlsen (Steve Railsback), Colonel Colin Caine (Peter Firth), Dr. Fallada (Frank Finlay) und der Innenminister Großbritanniens (Aubrey Morris) eine Art John-Sinclair-und-Sherlock-Holmes-Konglomerat bilden und sich mit allerlei esoterischem Quatsch auf die Suche nach der Entflohenen machen. Dabei nimmt man sich absolut ernst und selbst Patrick Stewart stimmt mit ein. Über die dümmlichen Dialoge und Handlungen wird keine selbstironische Miene verzogen und Steve Railsback und Patrick Stewart dürfen sich dann sogar knutschen - na super! Ziemlicher Humbug, für den dann auch der Schluss nicht so richtig entschädigen kann, in dem London von Zombie-Vampir-Horden überrannt wird und im grafisch expliziten Chaos versinkt. Und zusätzlich ein recht plakatives, erzwungenes Happy-Sad-End, das einen doch recht hilflos auf der Couch sitzen lässt. Der Film hätte bei seiner massiven Stückwerkelei ruhig ein bisschen selbstreflexiver und unernster sein dürfen...
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#138
Geschrieben 04. Februar 2006, 01:30
USA: 2003, R: Michael Bay
DVD, Synchro
Bays "Best of" verschießt sein ganzes Pulver in der ersten Hälfte: Die Autoverfolgungsjagd und das Shoot-Out mit den Rastas (welches sich einer entfesselt kreisenden, digitalen Kamera bedient) sind atemberaubende Action-Sequenzen. Sie nehmen die von der Matrix-Trilogie geschaffene Hürde ästhetischem Specktakel-Schaffens mit einer Leichtigkeit und werden wohl eine Weile unerreicht bleiben. Sie sind polierte "Oberflächlichkeit", doch zugleich roh und wild. Jedenfalls sehr wirksam. Nicht, dass ich sowas nicht toll fände. Das Tempo ist beachtlich, der Gewaltfaktor saftig, die Kamerafahrten absolut ästhetisiert und sinnfrei. Das Bild steht nur noch für sich und ist einfach (da). Aber soweit kommt dieser Film wirklich fast nur in den zwei genannten Szenen. Darüberhinaus ist er gerne an Rechtfertigungen für die präsentierten Gewalttätigkeiten interessiert, und diese dringen in die reine Bildlichkeit ein - und infizieren diese gleichsam.
Der Film will moralisch sein, er will uns eine böse und eine gute Seite zeigen. Und wenn zu Anfang der böse, russische Drogenhändler irgendeinen überdosierten, kollabierenden Disco-Spacken auf die nasse Straße wirft, um ihn dort ach so elendig verrecken zu lassen, dann ist das so auffällig menschenverachtend, bösartig und kaltblütig, dass es einem die Schuhe auszieht. Unsere beiden Helden, das schwarze Power-Duo Miamis, die strahlenden Drogenfahnder Mike Lowrey (Will Smith) und Marcus Burnett (Martin Lawrence) handeln in keinster Weise anders. Sie spielen auch kalkulierend mit den Leben ihrer Gegner. Eigentlich sind sie die Verbrecher, die recht unbeeindruckt von moralischen Grundsätzen, Menschenrechten, Völkerrecht, ja den rechtsstaatlichen Grundsätzen an sich, Menschen foltern, morden und abknallen. Und bis hierhin hätte ich auch keine Probleme damit: Den Held zum Antihelden machen, zu dem, was er eigentlich bekämpft... aber hier wehrt sich der Film mit aller Kraft! Das Handeln der Polizisten kriegt eine Rechtfertigung, die es nicht geben dürfte. Sie ist pathetisch, verstaubt, bürgerlich: Freundschaft und Familie.
Erstens sind die beiden Detectives ganz dicke Freunde - zwar mit Problemen, klar, aber die lassen sich aus der Welt schaffen. Und für einen Freund tötet es sich nicht nur besser, nein, es bleibt gleich völlig straffrei. Zweitens gilt das gleiche für die Familie: Der gesamte Showdown - übrigens recht standardisiert und öde inszeniert - findet aufgrund von Familie statt. Ramba-Zamba in Kuba samt Massenmord und kompletter Dorfvernichtung - gestattet, schließlich geht es hier um ein(!) Familienmitglied, die gute Schwester von Marcus. Man kann amoralisches Handeln doch nicht moralisch entschuldigen. Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz. Das ist die wahre widerliche Komponente von BAD BOYS II.
Vielleicht sehe ich das zu ernst, aber unter diesen Umständen macht auch das schönste Oberflächen-Bild keinen Spaß mehr und verliert seinen sinnfreien Status. Der Action-Film hat aber wohl immer seine Probleme mit der Legitimation der Action. Und wenn diese asozial und löchrig wie hier ist, dann kriege ich so meine Probleme...
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#139
Geschrieben 06. Februar 2006, 01:37
Italien/Frankreich: 1968, R: Sergio Corbucci
DVD, Synchro
Leichen pflastern seinen Weg - ein verdammt unbequemer Italo-Western. Wo Leone seine interessanten Themen (wie das Aussterben der Helden) noch romantisch verklärt, gibt es bei Corbucci gleich keine Helden mehr. Schwarz/Weiß-Malerei kann man hier keine finden. Denn sowohl der Haupt-Protagonist Silence (Jean-Louis Trintignant) als auch sein Gegenspieler, Kopfgeldjäger Loco (Klaus Kinski), sind Mörder - Mörder, die das Gesetz auf ihrer Seite haben. Ersterer ist nur vordergründig der hilfsbereite Samariter, eigentlich sind tief verborgene, egoisitische Rachegelüste der Motor seiner Handlungen. Zweiterer tötet für Geld, aber wohl auch aus Mordlust.
Im eisigen Setting der schneebedeckten Gipfel Utahs kann Corbucci nun seinen Subtext - der von Moral und Recht handelt - genüsslich ausbreiten. Die für Westernverhältnisse neuartige Umgebung unterläuft die Strutkuren des Genres ja kaum, sondern transponiert sie nur auf eine höhere Ebene. Neben wunderschönen Panorama-Einstellungen, geben der Schnee und die kargen Landschaften auch symbolisch noch einiges mehr her. Der Film erzählt nämlich von einer kalten Welt. Von einer Welt, in der zwar Recht herrscht, dieses aber auf unmoralische Weise instrumentalisiert werden kann. Und wenn das Gesetz auf diese Weise unterminiert wird, dann haben wird es eigentlich mit einer gesetzlosen und anarchistischen Welt zu tun. Il Grande Silenzio endet mit einem blutrünstigen Massaker, welches vom geltenden Recht geschützt ist. Jedenfalls wenn am es als reine Handlungs-Form versteht. Diese Sicht der Dinge konterkarriert Corbucci mit einer Gegeninstanz: dem moralischen und gutherzigen Sheriff Burnett (Frank Wolff). Für seine pragmatische und an der Gemeinschaft orientierte Art, die Probleme zu anzugehen, ist der Wilde Westen wohl noch nicht bereit.
Weil Silence als Sympathieträger aufgebaut wird, ist sein Sterben reichlich unkonventionell - und hat mich überrascht, nein, fast schockiert. Doch ideologisch ist das sehr konsequent: in einer gewalttätigen Welt kann es keinen Sieger geben, denn der Sieger ist die Gewalt selbst. Indem sich Corbucci hier gegen die Film-Konvention entscheidet und den Zuschauer nicht in die "mummelige" Genre-Struktur entlässt, macht er dieses Problem plastisch.
Auch wenn der Film kaum so ausgefeilt fotografiert ist wie Leones Western, gehört er trotzdem zu den innovativen und unvergesslichen Vertretern seines Genres. Auch Morricones Score sticht hervor - ungewohnt unkitschig und ohne Helden-Pathos oder Final-Hymnen.
Schlichtweg ein Meisterwerk.
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#140
Geschrieben 02. März 2006, 09:25
Spanien: 2004, R: Brad Anderson
DVD, OmU
Farbenleer war der Film, sehr öde, und fast schon grau, überall leere, bedrohliche Flächen - so alles von der alegorischen Sorte, das irgendeine diffuse depressive und leblose Atmosphäre aufbauen soll. Auch Trevor Reznik (Christian Bale) wird immer dünner, auch hier steckt sinnbildlich eine Botschaft: Der Mensch bzw. das Individuum verschwindet, bis es nicht mehr da ist. Trevor Rabin arbeitet in einer schwarzen Fabrik: Nicht minder eine Synekdoche der Eingebundenheit des Menschen in die (Post-)Industrie-Gesellschaft. Dieser Zustand erfährt dann eine Spiegelung auf gesellschaftlicher Seite, auf der sich plötzlich auch alle Menschen um Trevor herum gegen ihn verschwören, wie die Maschinen ihn umstellen. Er erscheint nur noch wie ein namenloses Rädchen in größeren, ihm unbekannten Prozessen. All diese etwas ausgelutschten Subtexte werden aber einfach durch eine noch ausgelutschtere Auflösung vertauscht: Wie bei einem Deus Ex Machina werden alle Sinnbilder einer psychologischen Eindeutigkeit zugeführt; Schuld und Verdrängung spülen die guten Noir-Ansätze des Filmes weg...
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#141
Geschrieben 27. März 2006, 21:41
USA: 1979, R: Don Coscarelli
DVD (Anchor Bay), OmeU
Horror-Klassiker ist schnell gesagt. Hier soll es sich auch um einen handeln. Ob das gerechtfertigt ist, kann ich erst einmal schwierig beurteilen, denn auch wenn ich schon immer ein Interesse am Genre gehabt habe, kenne ich mich nicht besonders gut in ihm aus. Immerhin hat es der Film auf 3 Fortsetzungen gebracht, was ja schon einmal etwas wert ist.
Der Inhalt ist schnell erzählt: Die Brüder Michael und Jody sind Waisen. Als ein Kumpel vom älteren Jody stirbt, ist dies der Beginn unheimlicher Ereignisse. Auf dem Stadtfriedhof samt Krematorium treibt der Tall Man sein Unwesen. Er bedient sich der Leichen, um sie - jetzt wird's gut - auf die halbe Größe zu schrumpfen und auf seinem Heimatplaneten als Zombie-Sklaven zu mißbrauchen. Es ist klar, dass man sich das nicht bieten lassen kann. Michael überzeugt Jody und seinen Freund Reggie - gegen jegliche Genre- bzw Filmkonvention der "Ich glaube dir nicht bis es knallt"-Regel - schnell von den harten Tatsachen. Und so stürzen sich die Drei in den Kampf. Der Plot tut dem Spaß natürlich keinen Abbruch, ganz im Gegenteil...
Die Montage (besonders in chronologischer Hinsicht) ist nicht gerade auf Konsistenz oder Logik bedacht - gerade zu Beginn und am Ende ist die Szenenfolge eher nebulös und verzahnt verschiedene Zeitebenen und Ereignisse, deren Auflösung in einer verständlichen Fabel unmöglich ist. Aber bei oben resümiertem Plot: sowas von egal. Nein, lasst die Geschichte und mittelmäßigen Schauspieler einmal mehr Mittel zum Zweck sein. Regisseur Don Coscarelli verlässt sich voll und ganz auf seine Bilder. Eines dieser ist die Ikone dieser Horror-Reihe (ohne gibt es die Reihen ja oftmals nicht): Der Tall Man, wohl ein Außerirdischer, dem Titel nach verhältnismäßig groß, unglaublich intensive physische Präsenz, kahle Stirn, graue, glatte Haare, redet wenig, wenn, dann richtig (schön tief). Darsteller Angus Scrimm muss wenig spielen, einfach nur da sein, reicht, um seine Rolle wunderbar in Szene zu setzen. Auch sonst setzt der Film wunderbar in Szene: Die (Nacht-)Settings werden großartig ausgeleuchtet und die Objekte vor der Kamera fantasievoll angeordnet. Bei den Schauplätzen sei der Raum im Krematorium zu nennen, der als Portal zu dem fremden Planeten genutzt wird: Leuchtendes Schneeweiß, kontrastiert von aufeinadergestapelten, schwarzen Tonnen (wohl die Brutkästen für die giftigen Arbeitszwerge). Das ist zwar unglaublich simpel, aber mithin äußerst wirkungsvoll im bewegten Bild. Zur Kameraarbeit (die übrigens auch von Regisseur Coscarelli übernommen wurde) bleibt mir eine gewisse Szene einfach im Kopf hängen: Michael und der Tall Man stehen sich gegenüber, etwa 10 Meter voneinader entfernt, etwas versetzt. Allerdings wird diese typische Antithese nicht von der Seite gefilmt, sondern über Michaels Schulter hinaus (ihn sieht man nur von hinten, den Tall Man tiefer im Bildraum in Frontalansicht). Während sie sich nun in Etappen nähern, wird das im Bild speziell über die Versetzung der beiden deutlich, die perspektivisch schmelzt.
Optische Raffinesse gibt's im Film viel zu bestaunen, und das ist seine große Stärke... prächtig amüsiert, und oft auch nur fasziniert!
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#142
Geschrieben 27. März 2006, 22:30
Großbritannien: 1966, R: Terence Fisher
DVD, OmU
Dieser dritte Dracula-Film der Hammer-Studios - und der zweite mit Chritopher Lee in der Rolle des blutsaugenden Grafen und Regisseur Terrence Fisher - hat für mich um einiges besser funktioniert als DRACULA (1958). Ich will diesem Klassiker ja nicht zu nahe treten, aber ich fand den schlichtweg öde - Lee ist sowieso ein ziemlich mittelmäßiger Darsteller, und der Film kam mir mit der Zeit leblos vor. Selbst der gute Cushing konnte es nicht retten: ein Kammerspiel sollte es sein, aber dies konnte einfach nicht von den Schauspielern geleistet werden. BLUT FÜR DRACULA besticht vor allem durch die Dynamik der Figuren - schon allein das Doppelehepaar Kent/Kent kann sich stichelnder-weise durch die gotischen Kulissen und urigen Wälder bewegen, was gewisse Spannungen aufbaut. Andrew Keir als Vater Sandor ist ein guter Van-Helsing-Ersatz, zusätzlich nicht so kalt und rational wie der Cushing. Der Diener des Grafen, Klove, mag das Ensemble um eine weitere interessante Figur bereichern, der für viele Wirrungen und Plot-Impulse sorgt. Dracula kommt erst spät im Film dazu - kein Verlust, wie ich finde. Ist doch seine Auferstehungssequenz effektvoll umgesetzt, und der Lee - wie schon gesagt - einfach in keiner Weise in der Lage, die Bedrohung der Dracula-Figur darzustellen. Den Gentleman-Teil meistert er ja ganz gut.
Das Katz-und-Maus-Spiel fand ich hier einfach inspierirender umgesetzt als im erster Hammer - bei Ausstattung, Kamera und Musik nehmen sich die beiden nicht viel: sind eben wunderbar.
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#143
Geschrieben 03. April 2006, 00:45
USA: 1984, R: Wes Craven
DVD (UK), OmeU
Ein Vergleich mit dem 5 Jahre davor entstandenen PHANTASM drängt sich ja schon auf - da ich den vor Kurzem gesehen habe und er auch den Beginn einer Horror-Reihe markiert. Auch wenn diese nicht so lange andauerte wie der Terror von Herrn Krueger. Und wenn ich schon ganz oberflächlich rangehe, stinkt Freddy ab. Halt, das wäre falsch - Freddy ist dem Tall Man als Ikone seiner eigenen Film-Reihe schon ebenbürtig, aber der Film A NIGHTMARE ON ELM STREET ist schlichtweg unterlegen. Der Film schafft es absolut nicht, seine in den ersten 20 Minuten brilliant aufgebaute Atmosphäre zu halten. Wes Craven verschießt sein ganzes Pulver am Anfang des Films: Schon allein die Idee, den Film mit einem Teil des Mythos Freddy Krueger zu starten, macht diese Figur so stark und interessant. Die Szene, in der er sich seinen Klingen-Handschuh anfertigt, wird in einem verkleinerte Ausschnitt mit dicken schwarzen Rändern gezeigt - so wird signifikant, dass es sich um eine andere Stufe der Realität handelt. Hier hat Freddy noch gelebt, war noch nicht der Schlächter, der die Teens in ihren Alpträumen aufsucht. Dieser kurze Rückblick führt uns in eine Zeit, bevor er von den Eltern einer beschaulichen Straße irgendwo in einer US-Stadt gelyncht wurde. Der Freddy, wie wir ihn kennen, ist also aus dem Drang nach Vergeltung für die an ihm begangene Selbstjustiz geboren. Doch machen wir uns nichts vor - dieser Aspekt geht dem Film meilenweit am Arsch vorbei. Craven lässt die Teenager lieber in Schlafanzügen durch irgendwelche mit zahlreichen Rohren bestückten Kellerräume stapfen - was nun auch sinnbildlich für die verschlungene Alptraum-Welt stehen soll. Dieses Motiv (samt dem brennenden Ofen, der ja Freddys "Geburtsort" symbolisiert) ist fester Bestandteil der Reihe. Hier ist das alles noch ziemlich öde in Szene gesetzt. Im Endeffekt hat das auf mich viel weniger alptraumhaft gewirkt, als sich die Macher wohl wünschten. Auch hier sticht der Anfang hervor: Tina Gray (Amanda Wyss) ist in einer Totalen zu sehen, der Raum um sie herum ein trister Tunnel, plötzlich erfasst die nächste Einstellung ein vorbeilaufendes Schaf. Das Surreale und die Trostlosigkeit - hier fand ich mich in einer wirklich beängstigenden Welt wieder. Tinas Ableben ist kurz darauf auch schon beschlossene Sache - Freddy überrascht sie in einer Gasse mit "offenen Armen" (die Idee der 5,6-Meter-Spannbreite als verzerrtes Abbild eines Menschen hat mir gefallen), dann springt er aus dem Nichts hervor, um prompt zu zeigen, was für'ne gräßliche Fratze hinter seiner eigentlich schon verschmorrten und vernarrbten Gesichtshaut steckt. Insgesamt gute Ideen, die dann in einer infernalen Mordsequenz gipfeln, die mich schlichtweg geschockt hat. Tina wird von unsichtbaren Klingen zerschlitzt und von Geisterhand an die Decke gezerrt, obwohl sie schon halbtot ist. Dieses grausame "doppelte" Bearbeiten ist äußerst effektvoll umgesetzt und war dann auch schon das Highlight des Films, der danach gen Tal absteigt.
Hauptdarstellerin Heather Langenkamp, die die Nancy gibt, ist die Einzige der Jugend-Clique, die überleben darf - sie war übrigens sexuell enthaltsam. Sie leistet sich während des Finales recht routinierte, aber dann auch nicht gerade sonderlich überraschende oder fesselnde Hetzkampagnen mit Krueger. Johnny Depp, der hier sein Schauspieldebüt gibt, stirbt auch nicht aufsehenerregend - wird in ein Loch seines Bett gezogen, das daraufhin Liter über Liter Blut an die Decke "spuckt". Nee, ich weiß nicht - riesige Blut-Wellen hatten wir auch schon in Kubricks SHINING: da haben die als Stilmittel auch gewirkt, hier war das Ganze zu bedeutungsarm, um einen aus der Reserve zu locken.
Ach ja, der Film gehört zu der verbreiteten Sorte "Ich glaube dir nicht bis es knallt" (im Gegensatz zu PHANTASM: "Ich glaube dir damit es knallt"). Gut, hier hat das Nicht-Glauben z.T. auch seine Berechtigung. Denn dass die Traumwelt zu einer Bedrohung werden kann, ist eben nicht leicht bewiesen. Das Spiel mit den Realitätsebenen beherrscht der Film ganz souverän, auch wenn die Konstruktion, in welcher Ebene sich was abspielt, im Nachhinein schnell aufgelöst wird. Von Laufbildern der Moderne, in denen verschiedene Ebenen verschwimmen, kann man nicht sprechen - vielmehr von einem postmodernen Implementieren des Spiels mit den Ebenen in die Handlung.
Was bleibt: Klassiche 20 Minuten und Freddy Krueger. Was abgeht: eine schrecklich profane 80er Atmosphäre, in der weder eine Ästhetik noch Spannung Platz haben & dudelnder Synthie-Sound (in beiden Aspekten hat PHANTASM handwerklich die Nase vorn)!
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#144
Geschrieben 04. April 2006, 11:20
Großbritannien/USA 2005, R: Mike Newell
DVD (dt.), OmU
An die künsterlerische Integrität des Alfonso Cuarón, der den GEFANGENEN VON ASKABAN zu etwas Besonderem gemacht hat, kommt der vierte Teil der Potter-Reihe nicht ran. Er versteht es aber durchaus, die Düsternis zu übernehmen, sie aber nicht so zu ästhetitisieren und spielerisch zu inszenieren. Vielmehr hält ein neuer Realismus in die Reihe Einzug, der sich vom dritten und den schmierig-glatten und sterilen ersten zwei Teilen absetzt. Mike Newell beweist stets ein Auge für das opulente und leicht übertrieben farbgefilterte Bild, aber besonders für die Inszenierung seiner Charaktere. Die neue Direktheit der Szenen spiegelt sich ja auch im Erwachsenwerden des Dreiergespanns Harry, Ron und Hermine. Newell schafft es neben dem diesmal sehr umfangreichen Action-Teil, der im Bestehen des Trimagischen Turniers besteht, die ganzen beginnenden pubertären Umtriebe und Gefühlsregungen gewitzt und doch auch mit ernsten Untertönen darzustellen. Das ist alles ist sehr spaßig - ich muss dem Film sogar eine faszinierende soghafte Wirkung attestieren. Und dazu trägt auch der gehetzte Anfangsteil bei, dem sogar ich, als Nichtleser des vierten Buches, die starken Komprimierungen angemerkt habe.
Die Handlung kann als reichlich komplex beschrieben werden - dass man sie nicht verstehen könnte, wie man so gelesen hat, kann ich nicht ganz verstehen. Überhaupt kann ich dieses manchmal perverse Festhalten an der Fabel und geile Chronologisieren und Nachbeten der Fakten, wie es einige Buch-Fans scheinbar betreiben, nicht gutheißen. Mir ist das schon in Fanforen der Serie LOST aufgefallen - da wird um jedes Grübchen Tatsache bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Sinnbildern, Emotionen und Atmosphäre gekämpft. Auch der geneigte Buchleser kämpft um jeden Fakt (und beklagt sein Fehlen im Film), und verschließt sich scheinbar den eher "diffusen" Kategorien eines kulturellen Produktes. Das unterminiert die künsterlische Qualität des Films und seine ganz eigene Seele. Für mich fühlte sich der Film gut an.
Das Finale soll hier auch einmal gesondert hervorgehoben werden. Das faszinierende (vielleicht auch etwas zu selbstverliebte) Spiel des Ralph Fiennes als wiedergeborener Lord Voldemot (=böser Obermotz) lässt einen ziemlich beunruhigt zurück. Die Idee, ihm digital die Nase gegen eine platte Gesichtslandschaft mit zwei Riech-Schlitzen einzutauschen, bildet das verunmenschlichte Menschliche verdammt gut ab. Und die Konfrontation zwischen ihm und Harry ist düster und spannend inszeniert (hier hat mir auch gefallen, dass der Film-Harry das erste Mal den Arsch in der Hose hat und entschlossen handelt). Einfach nur gutes Kino!
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#145
Geschrieben 28. April 2006, 00:43
Japan: 2004, R: Mamoru Oshii
DVD, Synchro
Ich glaube, um meinen Eindruck adequat zu beschreiben, muss ich auf etwas groberer Sprache zurückgreifen: Scheiß' Film. Unsägliches, unerträgliches Machwerk - kalt wie Eis, leer, seelenlos, unatmosphärisch. Ich muss mich erst einmal beruhigen, denn ich war so sauer, dass der Film nach so vielen Lobpreisungen nichts war. Ja, er sieht verdammt gut aus, nein, atemberaubend und faszinierend - und das war auch das Einzige, was mich vom Abbruch der Sichtung abgehalten hat. Hülle, er bleibt eine kalte Hülle. Das ist natürlich auch äußerst ironisch, dass der Film, der sich genau mit diesen Thema beschäftigt, mit dem Menschen, der Maschine und der Hülle, leer bleibt.
Ich habe nichts verspürt, was mir hätte gefallen können, den ganzen Film über. Nein, ganz im Gegenteil, die Dialoge und Aussagen empfand ich als so störend und deplatziert wie selten in einem Film. Entweder waren ganz unangenehme Tendenzen zu einer Prollkultur mit hippen Sprüchen zu spüren (etwas - dieser Versuch, cool zu sein - was der erste Teil niemals nötig hatte) oder die Philosophie aus dem Kaugummi-Automaten (und in gewisser Art auch über ihn) wurde an den Mann gebracht - Descartes, Konfuzius, Milton, Bibel. Jeder hat ein kleines Gedichtchen, Sprüchlein oder Mini-Zitat auf Lager, das er an passender Stelle unheimlich tiefgründig von sich geben darf. Aufgesetzt, das Ganze wirkt so aufgesetzt. Philosophie hat eigentlich schon der erste Teil nicht betrieben, sondern ging, wie auch die Anime-Serie Stand Alone Complex und wohl auch dieser Film, von einer Prämisse aus: Der Gleichwerdung von Mensch und Maschine, das Erreichen der Ununterscheidbarkeit von Individualität und Programm bzw. die Infragestellung ihrer Differenz. Den Begriff, der diese Differenz ausmacht, ist so wunderbar nebulös gewählt, wie sich die Filme auch geben: Ghost. Die Zitate und manchmal bis zur Banalität reichenden Aussagen, mit denen man als armer Zuschauer meist regelrecht bombardiert wird, stellen immer nur diese eine Frage: Können Maschinen Menschen sein? Oder sind Menschen Maschinen? Ghost in the Shell und die Serie, die in einer Art Paralleluniversum zu den Kinofilmen spielt, haben sich wenigstens noch mit den politischen und sozialen Implikationen dieser Grenzwertigkeit, die als gegeben vorrausgesetzt wird, beschäftigt - mit Machtkämpfen der exekutiven Instanzen beispielsweise, oder den neuen Herausforderungen einer durch und durch technisierten Gesellschaft. Innocence jedocht bleibt zu vage, zu konzentriert, seine Grafikwelt pompös zu gestalten, um uns überhaupt irgendetwas von Wert zu erzählen, ob nun explizit oder implizit.
Die Handlung ist ein schrecklich unausgereiftes Gerüst, komplex, aber nicht willens, diese Komplexität auch auszuführen und ihr Platz zu machen. Nein, der Plot gibt nur so reduzierte und essentielle Informationen frei, dass ich nach einem Drittel des Filmes schon nicht mehr wusste, wer etwas warum macht. Am Ende hat das Robo-Nutten-Unternehmen dann ein ganz böses Verbrechen begangen - ich weiß allerdings nicht genau, worin es bestand. Überhaupt war das Finale höchst befremdlich: Major Kusanagi, am Ende des ersten Teil hat sie sich aus dem Staub gemacht, kommt hier plötzlich aus heiteren Himmel auf die Erde geflogen - wortwörtlich. Zusammen mit Batou bildet sie nun die konfuziansiche Mödereinheit - philosophierender und metzelnder Weise bestreiten sie das letzte Level. Game Over!
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#146
Geschrieben 02. Mai 2006, 11:49
USA: 1941, R: Alfred Hitchcock
DVD, OmU
"Oh Baby, ich war's nicht - lass uns schnackeln gehen!"
Ja gut, das Ende war dann schon enttäuschend (hatte jedoch nichts mit dem Auteur, als vielmehr mit dem Studio zu tun) - aber bis dahin lässt Hitchcock seine zwei Haupstdarsteller Joan Fontaine und Cary Grant vor erlesen photographierten Studiobauten zu äußersten Höchstformen auflaufen. Erstere steht im Mittelpunkt dieses Filmes, der aus ihrer Perspektive konstruiert ist. Ihr Verdacht wird schnell unserer - nein, er ist unserer, da die Informationen, die ihr hingeworfen werden, alarmierend sind. Sie gipfeln langsam in der "ultimativen Verdächtigung", der des Mordes. Hitchock steigert die Suspense langsam, aber in konzentriert konsequenten Bahnen.
Lindas "sicheres" Wissen um ihren Mann Johnnie beschränkt sich zwar den ganzen Film über darauf, dass er ein unverantwortlicher Spieler und luftiger Lebenskünstler ist, der keinen Penny besitzt. Aber das sollte ja nicht das Problem sein - ist ja schließlich Liebe; oder Freud. Bei Hitchcock gehören psychoanalytische Strukturen ja zum Grundrepertoire. Besonders sollte man eine sehr fremdartig wirkende Szene im Kontext betrachten (am Anfang des Filmes): Eine Totale fängt einen kargen und windigen Hügel ein, auf dem Lina McLaidlaw und der Playboy Johnnie Aysgarth stehen. Letzterer eindeutig zur Tat schreitend, die sich wehrende Frau gewalttätig umfangend. Die Ambiguität dieser Einstellung ist enorm: Erstens ist es ein eindeutiger Beweis für die Zwielichtigkeit und Gewaltbereitschaft Grants Figur. Hier wird einer der größten Gegensätze zur positiven Auflösung des Films aufgebaut. Zweitens hätte Linda danach allen Grund, diesem Arschgesicht den Laufpass zu geben. Als sie nach dieser Auseinandersetzung jedoch zurück ins Landhaus der reichen Eltern kommt, wird sie Zeuge eines Gesprächs: Mutter und Vater streiten sich um den "Frauentyp" ihrer Tochter. Sie wird eine Altjungfer bleiben, meint Mutti - Papi (streng-militant) setzt dagegen, dass sie eben gebildet sei und sich nicht so für die Männer interessiere. Solch eine sexuelle Deklassierung lässt sich Linda nicht bieten, und läuft Johnnie mit offenen Armen entgegen. Hier gibt Hitchcock eher den Hinweis, dass sie nichts ahnend in diese Beziehung getrieben wurde (und damit das Potential, dass sie einen großen Fehler begangen hat). Auch bleibt der Vater als mahnende Repräsentation patriarchalischer Macht, dem man als Tochter Rechenschaft schuldig ist, immer bestehen - durch das symbolische Porträt von ihm in strenger Militär-Tracht. Interessant ist natürlich, dass durch den vom Studio lancierten Schluss der Patriarchat gestürzt wird. Relativierend wird dann aber Cary Grant als Prototyp des Mannes projeziert, zu dem frau immer wieder zurückrennt wie ein treuer Hund, trotz aller Mängel. Nun genug über diesen Diskurs... (bin da sowieso kein Spezialist )
Handwerklich geht es einmal mehr absolut routiniert und niveauvoll zu, wie in bisher allen von mir gesehenen Hitchcocks. Der Rhythmus des Films ist streng, steigt langsam, dennoch stetig. Das "sichere Wissen" Lindas wird mit bedrückenden Vermutungen gepaart. Hitchcock legt eine Spur nach der anderen, die Johnnie als Mörder identifizieren, genauso Koinzidenz sein könnten. Aber Hitchcock weiß mit bedrohlicher Atmosphäre zweitere Möglichkeit unwahrscheinlicher zu machen. Dabei bedient er sich sinnbildlicher Spielereien, wie symbolischen Schattenspielen im Haus der Aysgarth' oder dem berüchtigten leuchtenden Milchglas. Und was dann bleibt, ist ein etwas enttäuschender Ausstieg, der eben auch Abstieg ist. Sonst sehr sehenswert.
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#147
Geschrieben 05. Mai 2006, 01:21
USA: 2005, R: Steven Spielberg
DVD, OmU
Ray Ferrier (Tom Cruise) ist ein amerikanischer Durchschnittsarbeiter, von seiner Frau (Miranda Otto) getrennt, die sich einen reichen Macker angelacht hat. Nun leiht er sich 'mal seine zwei Kinder für's Wochenende. Der ältere Robbie (Justin Chatwin) steht eher auf Kriegsfuß mit seinem Vater, die junge Rachel (Dakota Fanning) hat nicht sonderlich viel gegen ihn, muss sich aber nicht unbedingt mit ihrem Proll-Daddy abgeben. Die Aussichten für das gemeinsame Wochenende mithin: eher unrosig. Halb so wild, die Rettung naht in Form von dreibeinigen Riesenmaschinen außerirdischer Herkunft, die einfach mal alles auslöschen, was ihnen vor die Linse gerät. Die Familie muss bei Spielberg wieder vereint werden - koste es, was es wolle. Und so sei es auch. Eben selbst, wenn der eigentliche Vater gar nicht mehr dazu gehört. Aber er übernimmt die Verantwortung, mit der er es am Anfang nicht ganz so ernst genommen hat, und geht voll und ganz in der Funktion des Vaters auf.
Gleich zu Anfang fällt das ungewohnte Objekt des spielbergschen Blicks auf: Tom Cruise als stinknormaler Hafenarbeiter. Er kriegt das ganz gut hin mit der Durschnittlichkeit. Die Sets tun ihr übriges: runtergekommenes Reihenhaus, mit Blick auf eine große Brücke. Billige Lage, preiswerte Wohnung, kleiner Lohn. Spielberg will uns die Invasion "von unten" präsentieren. Wer das ganze "von oben" betrachten will, z.B. mit dem amerikanischen Präsidenten, der höchstpersönlich in Kampfjets den Aliens nachjagt, der hat ja Independence Day. Spielbergs Prämisse, etwas holzhammermäßig, aber durchaus adequat in der ersten Szene metaphorisch ausgedeutet, ist eine andere - sie hat kein Platz für Patriotismus oder Heldentum. Dementsprechend ist der Cruise eher selten Held (ganz ohne geht's bei ihm dann doch auch nicht) - und wenn, dann meist nur um seiner Kinder Willen. Breitspurig die Menschheit retten zu wollen, das würde ihm nicht in den Sinn kommen. Denn nicht einmal Gott kann helfen, das symbolisiert jedenfalls das große Stein-Kruzifix, das einer der Tripods beim Auferstehen aus der Erde federleicht abschüttelt.
Der Film verliert nicht viel Zeit, Figuren und Orte, die sowieso bald darauf weggeblasen werden, vorzustellen. Als der erste Tripod aus seinem Schlaf geweckt wird, ist auch erst eine Viertelstunde vergangen. Und ab diesen Moment hat der Film mich mit all seiner Wucht getroffen. Mit einem unvergleichlichen Tempo & teilweise sensationellen (Licht-)Effekten wird die absolut präzisierte und geradezu mechanisch ablaufende Auslöschung der Menschen dargestellt. Panik, Flucht, Entsetzen - die Prämisse der Sicht von unten hält Spielberg gerade in der ersten Filmhälfte eisern aufrecht. Deswegen ist dieser Teil auch so stark. Optische Finesse lässt diese Perpektive so real wirken: die wacklige Handkamera wird souverän, nicht übertrieben eingesetzt; eine Plansequenz, in der sich die Kamera mehrmals um ein fahrendes Auto dreht und das Gespräch der Insassen einfängt, lässt auch die Form hektisch werden; der Angriff der Armee auf einen Tripod bleibt dem Zuschauer, ungewöhnlich entrückt, hinter einem Berg verborgen (eine militärische Perpektive wird erst gar nicht eingenommen); das Bild kommt matt und etwas kontrastarm daher, neigt zu starken Überstrahlungen der hellen Flächen. Positiv dabei ist, dass man es beim Schieben an den Farbreglern nicht übertrieben hat. Und: die dreibeinigen Invasionsmaschinen werden brachial in Szene gesetzt. Ich machte immer große Augen, als die plötzlich angestampft kamen, und hatte ein leichtes Kribbeln im Bauch. Audiovisuell ist War of the Worlds eine Wucht und entwickelt einen ganz eigentümlichen Stil, der weitab irgendeiner glatt-öden, hochpolierten Ästhetik einzuordnen ist.
Jeder für sich und Aliens gegen alle - so ungefähr lässt sich der Subtext der ersten Hälfte umschreiben. Spielberg hält uns den Spiegel vor und entlarvt den Menschen als grausames Wesen - egoistisch und gewalttätig. Die Menschenmasse als dysfunktionales, gebrechliches Gebilde, dass sich, wenn nicht von außen, von innen zerstört. Diese Klarheit der Aussagen bricht zusammen, als Vater und Tochter beim großen, auch leicht verwirrten Tim Robbins unterkommen. Ab da flacht die Handlung etwas ab - die Flucht ist vorüber und es ist nicht mehr ersichtlich, worauf der Film hinaus will. Die Szenen bleiben spannend und knackig inszeniert, aber sind thematisch disparat. Da sind die Außerirdischen im Keller, hier eine riesige blutbespühte "countryside", Cruise macht so 'nen riesigen Tripod fast im Alleingang fertig, und plötzlich ziehen Menschen an einem Strang bzw. an Cruise' Bein. Es wird schwammig und gemeinplatzig, mitunter kitschig. Und bevor man sich versieht, wird der Film plump & plötzlich beendet. Das ist schon schade, der hätte richtig groß werden können.
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#148
Geschrieben 11. Mai 2006, 00:02
USA/Kanada: 2000, R: Mary Harron
DVD, OmU
Patrick Bateman (Christian Bale) sagt am Ende des Films "There is no catharsis". Er meint seine seelische Leere, die er auch schon am Anfangs des Films beschreibt: Äußerlich scheint er ein Mensch zu sein, aber im Inneren ist kein Gewissen, kein Gefühl - nur automatisierte Mechanismen einer pervertierten Leistungsgesellschaft (perfekt verinnerlicht, aber selten angewendet, da diese mit sich selbst nichts mehr anfangen kann) und Filme, gerne Pornos und wohl auch Klassiker des Terrorkinos (Texas Chainsaw Massacre). Diese zwei Komponenten lassen Bateman zum Killer werden: ein postmodern-nachahmender Killer, aber auch jener, der die Regeln dieser Gesellschaftsform - wie Konkurrenz, Materialität und Patriarchalität - nur einen Schritt weiter geht. Innerhalb dieser Lebensform, in der das Individuum gleichgültig wird, kann es auch keine Strafe geben - weil es keinen individuellen Täter gibt: Das Geständnis wird zum Scherz, die Austauschbarkeit zum Alibi. Und so hält der Schluss keine Läuterung für Bateman bereit - der Film allerding genausowenig eine für den Zuschauer. "Gesellschaftskritik" will er sein, ganz offensichtlich. Er will uns vor Augen führen, wie verdorben und kaputt der Mensch schon ist. Und natürlich will er uns von diesem Pfad abbringen. Das könnte er durch Katharsis, aber: "There is no catharsis". All die Problemchen des upper class Yuppies berührten mich wegen ihrer humorisitischen Überzogenheit & Unwichtigkeit - wie der Kampf um die stilsicherere Visitenkarte - eher peripher. Identifikation war nicht möglich, herzhaftes Lachen schon: Ich empfand American Psycho als höchst komisch. Dieser Eindruck - gar intendiert - wollte kaum zu den toternsten Untertönen samt absoluten Bekenntnischarakter der Off-Monologe (zu Beginn und zum Schluss) passen. Diese Unentschiedenheit zwischen ernsthafter Schocktherapie und verspielter Lockerheit der Mordszenen löst eine Grundspannung aus, die den Subtext des Films verwischen. Da hilft dann auch kein brillianter Christian Bale, der sich die Seele aus seinem gestählten Körperkult-Körper spielt...
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#149
Geschrieben 22. Mai 2006, 22:47
USA: 1993, R: Richard Compton
DVD, OmU
Als ich heute den Pilot-Film von J. Michael Straczynskis Science-Fiction-Serie Babylon 5, die es auf 5 Staffeln gebracht hat, anschaute, war ich fast schon etwas entsetzt: Dieser Film war mittelfristig öde und hochgradig hässlich designt, zusätzlich dilletantisch geschnitten. Zum einen wird das an einem niedrigen Budget liegen und der Tatsache, dass hier noch ein unausgereiftes Projekt vorlag. Das ist so, weil der Pilotfilm unabhängig von der Serie, also ein Jahr früher, gedreht wurde. Eine gewisse Unsicherheit, vielleicht auch Erfahrungslosigkeit der Mitwirkenden kann hier hineinspielen. Zum anderen würde ich meinen negativen Eindruck auf einen Fakt stützen, der vielleicht überraschen mag: war der Pilotfilm produktionsseitig noch wackelig, war das gedankliche Projekt Babylon 5 absolut ausgereift. Schon Mitte der 80er hatte Straczynski seine Ideen zu Papier gebracht, Anfang der 90er die Story-Arc über fünf Jahre/Staffeln ausgearbeitet. Ich will damit klar machen, dass Babylon 5 einem rationalen Weltbild entspringt, eine absolut rationalistische Serie ist. Zuerst die Idee, der Verstand, dann der Rest. Das ist vernünftig. Aber gleichzeitig ist es die Unterwerfung der Erzählung unter das Erzählte. Stil, Formen, Farben und Atmosphäre sind weniger wert als die Geschichte. Der Pilotfilm zeigt das vielleicht am Deutlichsten. Ich will ihm kaum eine eigene Ästhetik absprechen, die hat jeder Film und jede Serie. Doch hier ist sie so uninspiriert, so beliebig und dilletantisch, dass es geradezu abschreckend ist. Vielleicht ist das auch noch dem Zeitgeist der 90er geschuldet oder, wie schon erwähnt, dem Budget. Ich konnte mich aber nie des Eindrucks erwehren, dass alle folgenden Staffeln auch an dieser "Lieblosigkeit" der Form & der Mittel des Erzählens kränkelten. Herzblut dagegen wurde in den Plot gesteckt, in dem die meisten Fakten während der kompletten Serie wie die Zahnrädchen einer Feinmechanik ineinander greifen. Und genau dieser Umstand war das Einzige, was mich bei dem Film bei der Stange hielt: Da ich alle fünf Staffeln kenne, war es eine Freude, all die Hinweise (und auch Ungereimtheiten) auf Späteres zu entdecken, die für den Neuling allesamt Geheimnisse sind. Für mich sind sie Beweis der gedanklichen Geschlossenheit und faktisch-dichten Diegese der Serie, für ihn meist der Einstieg in die Abhängigkeit vom Fakt, der Wunsch, alles über dieses Universum zu wissen, alles, was der Erzähler ganz offensichtlich vorenthält.
Dieser Erzähltypus, ich würde es das (post)moderne Epos nennen, steht in engem Zusammenhang mit dem progressiven Serien-Typ, ist aber kaum deckungsgleich mit ihm. Man denke nur an TWIN PEAKS, in der die durchaus sehr zusammenhängende Geschichte mehr Vehikel für ontologische und ästhetische Spielereien ist. Was ich eigentlich sagen wollte, nach dem ich den Pilotfilm gesehen habe, was mir am Herzen liegt, ist Folgendes:
(1) Das (post)moderne Epos in seiner rationalistischen Ausprägung kann durchaus ein Erlebnis sein. Babylon 5 ist es jedenfalls für mich. Mögen viele der Einzelfakten und -Handlungen nur Klischees sein, ist die Kopplung als logisches Ganzes das Reizvolle bzw. das erfüllte Versprechen, dass alle Geheimnisse gegen Ende gelöst werden. Das bringt schon eine gewisse Befriedigung mit sich. Da die Serie aber nun einmal eng mit einem marktwirtschaftlichen Bestreben verbunden ist, schwingt immer die Gefahr der Kulturindustrie mit - dass das Versprechen mit dem Versprechen eingelöst wird, der Wunsch durch den Wunsch erfüllt wird usf.
(2) Dieser Erzähltypus ist, wie Peter Greenaway sagen würde, der Tyrannei des Textes untergeben. Er macht nichts, was man nicht auch mit Worten erzählen könnte. Er nutzt sein eigenes Medium, den Zauber der Bilder nicht aus. Oder: Er vergisst vor lauter Taktgefühl die Melodie...
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#150
Geschrieben 24. Mai 2006, 23:33
Deutschland: 2006, R: Christian Ditter
Kino (Sneak)
Die erste Sneak im Leben und man gerät an so einen ominösen deutschen Film, von dem man noch nichts gehört hat. Er wurde mit irgendwelchen Geldern gefördert - stand im Vorspann. Hier in Deutschland wird ja nur gefördert, was schon da war. Dicker, klebriger Einheitsbrei. Wir haben es hier mit einem Teenie-Liebesfilm zu tun. Henrik (Francois Göske) ist verknallt in Valeria (Paula Schramm). Die nimmt allerdings an einem deutschen-französischen Austauschprogramm teil. Um seiner Flamme nahe zu sein, fährt er mit einer Gruppe jugendlicher, verträumter Frankreich-Liebhaber in das Land, dessen Muttersprache er kaum bis gar nicht mächtig ist. Viele Wirrungen und einiges an Gefühlsaufbrausen (am besten im Regen) braucht es, bis der Film dann mit dem Kuss endet. Der, der von Anfang an absolut sicher war. Und so sind wir schon bei Genrekonventionen. Das Genre darf durchaus bestimmen, wie die Handlung eines Filmes verläuft - das ist eine seiner originären Funktionen: den Zuschauer zu orientieren. Wenn eine Geschichte allerdings so eine müde Kopie des prototypischen Genreablaufs ist, so vollkommen inspirationslos vor sich hinplätschert, ist das schon schade. Besonders wenn man bedenkt, dass der Film einiges an Potentialen hatte: da wären einmal die beiden frischen Jungdarsteller Francois Göske und Paula Schramm, den man durchaus ins ernsthafte und unverbrauchte Geicht schauen kann. Es gibt hier einiges an Schuss-Gegenschuss-Material, welches durch seine Natürlichkeit besticht - trotz aufgesetzter Dialoge. Der Film an sich changiert äußerst geschickt zwischen der sehr frivol-lockeren Darstellung der Feier-Stimmung und einigen bestechenden Abbildungen der Natur & des französischen Landlebens. Einige Einstellungen sind von ausgewählter, fast extraordinärer Schönheit. Es wird viel mit natürlichen Licht gearbeitet, der Rahmen erfasst die profilmischen Elemente weitab von einem Studio fast in kitschiger Manier - doch selten will er selektiert wirken, eher zufällig vorbeischauend. Eben nur, dass die vorgestanzte Geschichte diesen schönen Bildern in keinster Weise gerecht wird. Mein letzter Punkt gilt der französischen Kultur - hier bietet der Film neben ganz typsichen Klischees an einigen Stellen wirklich interessante Einblicke in länderspezifische Unterschiede.
Pure Genre-Kost - auf Jugend-Stufe transponiert und hier und da mit vorhersehbaren Humor ausgestattet. Nett anzuschauen, ja. Richtig gestört haben mich nur einige sehr auffällige Anschlussfehler im Editing, und ein kurzer Auftritt von Christian Tramitz, der äusserst untalentiert einen Französischen-Lehrer mimt und über das Level von Fäkalsprache und lachhaften Pseudeakzent nicht hinauskommt.
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