Muxmäuschenstill - 20.08.2005, DVD (RC2)
Originaltitel: Muxmäuschenstill (DE 2004)
Regie: Marcus Mittermeier
Wertung: 9/10
Mux hat eine Mission: Der selbst ernannte Weltverbesserer will seinen Mitmenschen wiede Ideale und Verantwortungsewusstsin beibringen - und bläst zum Kampf gegen Fehltritte aller Art: Big Mux is watching you! Mit makellos gebügeltem Hemd verfolgt der Saubermann Schwarzfahrer und Schwimmbad-Pinkler, Falschparker und Graffiti-Sprayer. Mux räumt auf in den Straßen Berlins, begleitet von seinem treuen Gehilfen, dem Ex-Langzeitarbeitslosen Gerd, der die Heldentaten mit einer Videokamera dokumentiert. Doch auf seinem Kreuzzug gegen Unrecht und Gleichgültigkeit wird der Westentaschen-Sheriff bald selbst zum Gesetzesbrecher.
Ein deutscher Film, der mich sehr beeindruckt hat und mir noch einige Zeit im Kopf herumschwirren wird. Dafür schon einmal ein dicker Pluspunkt und ein herzliches Kompliment an Herrn Mittermeier, der mir bis dato nicht wirklich bekannt war. Doch "Muxmäuschenstill" ist sein erstes großes Kinoprojekt und wurde auch völlig zu Recht in mehreren Kategorien mit dem Max Ophüls Preis und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Mux sieht sich als Weltverbesserer, aber es fällt sofort auf, dass jede gute Tat von einem Gesetzesbruch seinerseits überschattet wird. Das ist zu Beginn eher unscheinbar, wird von Minute zu Minute aber klarer und findet seinen Höhepunkt gegen Ende des Filmes, wo Mux selbst zu einem dieser Menschen wird, denen er seit Jahren den Krieg erklärt hat.
Der amateurhafte Stil trägt sein Übriges dazu bei und lässt den ganzen Film sehr authentisch wirken: die Handkamera erzeugt ein Gefühl von Vertrautheit, Nähe, Originalität. Sie zeigt einem die wahre Welt und man fragt sich desöfteren, ob die gerade gezeigten Menschen Schauspieler sind oder ob wirklich nur die Straße Berlins gefilmt wurde. Und die Szene im überschwemmten Gebiet bei der großen Flut damals zeigt einem ebenfalls, wie nah das ganze "Projekt" an der Realität ist.
Ich wurde sehr an die Dogma-Philosophie erinnert, auch wenn technische Mittel zum Einsatz kamen und wohl lediglich die Kameraführung einigermaßen in das Manifest von Trier's und Vinterberg's passen würde. Aber es wird keine Effekthascherei betrieben (mit einigen kleinen Ausnahmen) und man kann sich vollends auf den Inhalt konzentrieren, was ja bei vielen Filmen heute beinahe ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint.
Ich bin mir momentan noch unsicher, wie ich das gerade Gesehene bewerten und in das richtige Leben einordnen soll: Ist die Welt wirklich so schlecht, dass es einen bzw. mehrere "Weltverbesserer" braucht, die auch nur Selbstjustiz üben und selbst die gleichen schlechten Taten begehen? Oder steckt in jedem von uns ein kleiner Mux, der nach einem perfekten Leben für sich und seine unmittelbare Umwelt wünscht und alles dafür tun würde?
Auch wenn Mux ein Einzelgänger ist, so sucht er trotz allem nach einer Person, die ihm nahe ist, die unverdorben ist und unschuldig ihr Leben lebt. Doch letztendlich stellt sich dieser Mensch als jemand anders heraus; als jemand, der nicht in das eigene Schema passt und nur einer von vielen ist. Einer von diesen Vielen, denen er den Krieg erklärt hat.
Dieser "Kreuzzug gegen das Unrecht" erinnert vor allem im letzten Drittel an das faschistoide Denken im dritten Reich: der Werbespot für "www.denunziant.com" propagiert den totalitären Überwachungsstaat, jeder soll sich beobachtet fühlen und keiner darf sich sicher sein, ungestraft davonzukommen, was auch immer er für ein Verbrechen begeht.
Und das stimmt doch nachdenklich wenn man sieht, wie einfach so etwas geschehen könnte. Wie einfach es ist, den "Anderen" anzuschwärzen und sich dadurch besser zu fühlen. Und vor allem um selbst in einem guten Licht dazustehen.
Wie heißt es doch so schön? "Auge um Auge, Zahn um Zahn"...
PS: Es ist nun fast ein Jahr er, dass ich hier zuletzt geposted habe. Ich hatte einfach nicht mehr die Muse dazu, meine gesehenen Filme nochmal schriftlich zu durchdenken. Doch heute, nach Muxmäuschenstill, bekam ich wieder Lust darauf, meine Gedanken zu fixieren und sie der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Auch wenn diese Öffentlichkeit nur aus einer Hand voll Leuten bestehen mag: der Gedanke, dass es gelesen wird, erfüllt seinen Zweck und lässt in mir ein kleines Gefühl von Zufriedenheit entstehen.
Ich werde jetzt wieder hoffentlich öfter etwas zu meinen cineastischen Entgleisungen schreiben, auch wenn ich leider nur sehr selten zum Gucken komme. Aber wenn, dann werdet ihr es hier (höchstwahrscheinlich) lesen dürfen