"Now it's dark!"
#541
Geschrieben 29. September 2004, 11:11
Regie: Peter Greenaway
Der amerikanische Architekt Stourley Kracklite (Brian Dennehy) reist mit seiner jungen Frau Louisa (Chloe Webb) nach Rom um dort eine Ausstellung des berühmten französischen Archtitekten Etienne-Louis Boulleé zu leiten. Doch massive finanzielle Probleme, sein Verdacht, daß seine Frau eine Affäre mit einem jüngeren Rivalen haben könnte und schwere Bauchschmerzen trüben mehr und mehr seine Sinne.
Nachdem für mich etwas schwer zugänglichen, aber immer noch wunderbaren THE PILLOW BOOK, ist dieser Film von Peter Greenaway sehr viel leichter zu verdauen, aber in seiner metaphorisch/allegorischen Erzählweise deswegen nicht gerade anspruchsloser. Mit diesem dritten Film von Greenaway bekomme ich schon einen ziemlich genauen Eindruck von den Geschichten, die Greenaway, neben seinem Verständnis von Kunst, auf die Leinwand zu bringen gedenkt. Ihn interessiert das Verhalten der Upper Class und ihrer manisch depressiven Einstellung vehement, so scheint es mir. In THE COOK, THE THIEF, HIS WIFE & HER LOVER ein sadistischer Restaurantbesitzer, der alles und jeden terrorisiert, der nicht nach seiner Pfeife tanzt - hier ein Architekt, der immer mehr den Bezug zu seiner Arbeit verliert. Erst denkt er, daß seine Bauchschmerzen durch giftige Feigen zurückzuführen sind. Auf dieselbe Art hat Livia, die Ehefrau des römischen Cäsaren Augustus, dessen Grabstätte Kracklite fasziniert, versucht ihren Ehemann umzubringen. Außerdem schreibt er an dem von ihm veehrten Architekten Boulleé, der schon seit fast zweihundert Jahren tot ist, Briefe mit vielen persönlichen Gedanken und fotografiert wie ein Besessener die Bäuche von Roms antiken Statuen, die nach Männern geformt sind.
Es ist mehr als ein Hochgenuß dem Treiben zwei Stunden seiner Zeit zu widmen, was zum einen an der superben Kameraarbeit und Musik, als auch an den hervorragenden Darstellern liegt. Brian Dennehy spielt diese Hauptrolle bis zur Selbstaufgabe und zeigt schmerzhaft, daß er bis zu diesem Zeitpunkt wohl noch nie richtig von einem Regisseur gefordert worden ist. Und die Italienerin Stefania Casini macht ihrem Ruf als Betthupferl wieder einmal alle Ehre.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#542
Geschrieben 29. September 2004, 18:52
Regie: Richard Donner
Nach sehr langer Zeit habe ich mich mal diesem Filmchen wieder gewidmet. Wenn man den Streifen völlig unvoreingenommen und ohne Kenntnis das erste Mal zu Gesicht bekommen würde, kann man nicht schlecht staunen, wie ungefähr zehn Minuten vergehen in denen man nicht weiß, was es mit den beiden Hauptfiguren auf sich hat. Die werden nämlich zunächst in völlig privaten Situationen eingeführt. Roger Murtaugh (Danny Glover) liegt entspannt in der Badewanne und plötzlich stürmt seine Familie überfallartig mit einer Geburtstagstorte herein. Heute wird er fünfzig Jahre alt. Noch viel mysteriöser ist Martin Riggs (Mel Gibson). Der wacht nach einer durchzechten Nacht in seinem Wohnwagen am Strand auf und begibt sich erst mal zur Toilette. Beim Pinkeln gibt er sich sofort die nächste Dose Bier in den Schlund.
Kurz darauf sieht man die beiden bei ihrer Arbeit. Sie sind beide Cops mit Haut und Haaren. Beide sind sie hervorragend in ihrem Job. Doch in unterschiedlicher Art und Weise. Murtaugh wägt seine Handlungen vorher genau ab, während Riggs ein selbstmordgefährdeter Hitzkopf ist. Am nächsten Tag werden die beiden zu einem unfreiwilligen Team, daß einen großen Rauschgiftfall aufzuklären hat.
Was den Streifen von anderen Cop-Filmen unterscheidet ist, daß viel Wert darauf gelegt wurde die Charaktere mit einer Vergangenheit und einem Gerüst auszustatten, welches sie einerseits zu einem Team zusammenschweißt, sie aber andererseits auch in Lebensgefahr bringt. Beide holt ihre Vergangenheit als Soldaten im Vietnam-Krieg auf unterschiedlichste Art Heim. In krimineller als auch in psychologischer Form.
Das schweißt die beiden ungleichen Partner fürs Leben zusammen, wie man an den drei Nachfolgefilmen sehen kann. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es damals im Kino gewirkt haben muß, die ganzen Familienszenen bei den Murtaughs das erste Mal gesehen zu haben. Da kommt sofort eine sehr lockere Familienatmosphäre auf, die heute wieder zu einigen Lachern (Rappen beim Abendessen, Rogers Motorboot) bei mir führte. Immer wieder wird die Verschiedenheit von Riggs und Murtaugh hervorgehoben, aber durch die locker leichte Art bekommt man sehr schnell mit, daß die beiden untrennbar zusammen passen.
Aber so ganz kann der Film seinen Herkunft als reißerische Actionunterhaltung dann doch nicht verbergen, wenn sich die Gangster die älteste Tochter von Murtaugh schnappen. Ohne Rücksicht auf den Verlust der Dienstmarke, ballern sich die beiden Cops durch die Reihen der Schurken, daß mir so manches Mal die Augen übergingen. Wenn man da mal logisch über die Konsequenzen nachhaken sollte, würden einem bei der Auflösung sicher die Haare zu Berge stehen.
Im Nachhinein ist mir manchmal ziemlich unverständlich, wie Donner den Streifen abgedreht hat. Einige Sequenzen scheinen mir sehr wohl durchdacht, bei anderen scheint er entweder nur draufgehalten oder wild improvisiert zu haben. Das macht den Streifen stellenweise ziemlich roh und direkt, weit weg von jeglichem Hochglanz vor dem die Reihe aber gegen Ende selbst nicht mehr ganz gefeit war.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#543
Geschrieben 30. September 2004, 11:49
Regie: Gualtiero Jacopetti & Franco Prosperi
Nach der Dokumentation THE GODFATHERS OF MONDO habe ich erst einmal vor der unvollständigen Werkschau-Box von Blue Undergound zurückgeschreckt. Vielleicht deshalb, weil mir die ersten drei Filme bis auf einzelne Abschnitte nicht so sehr zugesagt hatten. Sie wirkten mit ihrem voyristischen Blick auf die Kuriositäten der damaligen Zeit ziemlich altbacken. Ein Attribut, daß die beiden Macher selber bestätigt haben, weil das Fernsehen diese Aufgabe nun übernommen hat. Durch diese Übersättigung stellt sich aus diesem Grund kein Überraschungsmoment mehr ein und die wirklich besonderen Momente gehen daher leicht unter. Aber der vorliegende Film verhält sich da ganz anders.
Nachdem sich die Kolonialmacht Großbritannien Anfang der 1960er aus großen Teilen Schwarz-Afrikas zurückgezogen, weil die Übergriffe der einheimischen Bevölkerung gegen die weißen Einwanderer zunehmend in Gewalttätigkeiten ausarteten, wird der afrikanische Kontinent von der plötzlich gewonnenen Freiheit mehr als überfordert. Allenthalben regiert ein mörderischer Kampf um die Macht in den führerlosen Staaten. Verschiedene Volksgruppen bekämpfen sich gegenseitig, Minderheiten werden unterdrückt, Plünderungen, Mord und Brandschatzung sind an der Tagesordnung. Auch die Fauna des Kontinents wird fast bis zur Ausrottung von den Unruhen heimgesucht. Der Kontinent will ernährt werden. Da kann man sich reichhaltig bei Mutter Natur bedienen.
Ein heißes Eisen ist der Film, keine Frage. Zeigt er doch mehr als anschaulich wozu der Mensch fähig ist, wenn man ihm in seiner Gier nicht Einhalt gebietet. Die Bilder, welche Jacopetti, Prosperi und ihre Mitarbeiter in den drei Jahren, die sie in Afrika eingefangen haben, sind dabei nahezu unbeschreiblich:
- Massakrierungen an unterschiedlichsten Volksgruppen in den verschiedensten Teilen Schwarz-Afrikas
- die Okkupation von Farmen ehemaliger Kolonialbewohner
- Massakern gegen so ziemlich jede afrikanische Großtierart angefangen beim Afrikanischen Elefanten, Flußpferden, Gazelle und Antilopen, großen Viehherden
- die Ohnmacht der Wildreservats-Angestellten, die dem Aufbringen der einstmalst geschützten Gebiete tatenlos zusehen müssen u. v. m.
Wie ein Anachronismus müssen damals noch die traumartigen Bilder aus Südafrika gewirkt haben, daß erst ein Vierteljahrhundert später an die schwarze Bevölkerung zurückgegeben wurde.
Einen eindeutigen Schuldigen an diese Geschehnissen wird man wohl auf beiden Seiten nicht ausmachen können. Nur in einem kleinen Nebensatz versteckt, lässt sich so etwas wie eine Verantwortlichkeit für eine Seite herauslesen. Ansonsten setzt es für so ziemlich jede Seite Dresche.
Im Grunde bin ich ziemlich niedergeschmettert, weil der Film so ziemlich jede Graumsamkeit des Menschen an seiner Umwelt präsentiert. Die vor allem durch die phänomenale Filmmusik von Riz Ortolani (die in zwei Sequenzen ganz eindeutig im gleichen Idiom wie an Elmer Bernsteins Thema zu THE MAGNIFICENT SEVEN gehalten ist) und die unglaubliche Kameraarbeit nur noch forciert wird. Das ist bis an die Grenze des Erträglichen manipulativ und herausfordernd.
Mir fallen in den vorliegenden DVD-Fassungen (englische Version und der Director's Cut) auch einige Unterschiede auf. Zunächst einmal ist zu sagen, daß sich der italienische Kommentator weniger geschwätzig gibt, als in der englischsprachigen Version. Auch ist der Director's Cut mit seiner rund elf Minuten längeren Spielzeit wesentlich stimmiger und arbeitet einige Details deutlicher heraus, die man für die englische Fassung unterschlagen hat.
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#544
Geschrieben 30. September 2004, 23:01
Regie: Richard Donner
Irgendwie habe ich gerade einen kleinen Lauf mit Kriminalreißern...ich weiß auch nicht. Riggs (Mel Gibson) und Murtaugh (Danny Glover) legen sich in der ersten Fortsetzung der Reihe, mit den Herrenmenschen vom südafrikanischen Konsulat in Los Angeles an. Die haben ihren fiesen Verbrechergriffel in für den Zuschauer ziemlich undurchsichtigen Aktivitäten drin. Irgendwie, irgendwo und irgendwann kommen die beiden Freunde denen auf die Schliche. Ist wohl eher, was auch nicht weiter geklärt wird. Auf jeden Fall geht es wieder einmal um Drogen. Drogengeld um genauer zu sein. Deswegen müssen Riggs und Murtaugh den Babysitter für den Geldwäscher und ungefähr dreimillionenmal "OK, OK, OK" quasselnden Leo Getz (Joe Pesci) geben. Und das gefällt den beiden gar nicht.
Die Erfolgsformel des ersten Films wird auch hier beibehalten und die reißerische Action ist noch um einiges heftiger gegenüber dem Vorgängerfilm. Nach noch nicht einmal der Hälfte der Spielzeit verschwindet Murtaughs sympathische Familie aus dem Film. Die haben ihren Zweck als schützenswerte Institution erfüllt nachdem man mit ihnen wieder mal einen herzlichen Spaß hatte. Dafür lässt es Donner in der Folgezeit ganz schön krachen. Der Film wirkt schon um einiges kontrollierter, ist aber im noch genauso irrsinnig übertrieben. Da fliegt Riggs mit Getz und einem Verbrecher kurzerhand durch ein Hotelzimmerfenster im siebten Stock und landet glücklicherweise in einem Swimmingpool.
Wenn dann nach und nach die Kollegen der beiden Cops von den Verbrechern umgelegt werden, haben Riggs und Murtaugh ein gutes Alibi im Finale wenigstens keinen der arischen Mistkerle am Leben zu lassen. Da ballert Riggs ein ganzes Magazin leer oder lässt einen schweren Seecontainer auf einen im Prinzip besiegten Gegner fallen. Und Murtaugh pfeift auf seine Weise auf die diplomatische Immunität des Bosses der Bande (Joss Ackland).
Wie schon beim ersten Film gilt: Bloß nicht alles logisch hinterfragen. Patsy Kensit, die dünnstimmige Konkubiene der Rockstars endet als Wasserleiche, die Stooges hauen sich noch immer gegenseitig auf die Glocke und am Ende ertönt ein beschwingter Song von George Harrison...ich fand's gut.
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#545
Geschrieben 01. Oktober 2004, 16:06
Regie: Prof K
Fünfundzwanzig Kurzfilme zu fünfundzwanzig Zitaten von populären Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Autoren, Philosophen, Monarchen, Diktatoren, Filmregisseure, Wissenschaftlern. Deutlich sichtbar über einen sehr langen Zeitraum geplant und entstanden werfe ich mich ins kalte Wasser eines Autodidakten (ich hoffe, die Beichnung trifft zu). Wenn ich an den Versuch denke, einen kleinen Horrorfilm mal eben am Wochenende ohne Drehbuch abzudrehen (die Idee hatte ein Kollege eines Kollegen), dürfte dem beim Anblick dieser Filmsammlung der kalte Schweiß ausbrechen. Meine Eindrücke zu den Filmen sind wie folgt:
1. Walter Whitman: Bei der Musik habe ich mich erschrocken.
2. Moses: Ja...
3. Adolf Hitler: zynisch u. gehässig
4. Albert Einstein (1): Spielt BATTLESTAR GALACTICA nicht eigentlich in der Vergangenheit?
5. Wolfgang Amadeus Mozart: KASPAR HAUSER lässt schön grüssen.
6. Jürgen Wegmann: Drollig.
7. William Shakespeare:
8. Eugen Drewermann: Spricht mich nicht an.
9. Wilhelm II.: Nein.
10. Arthur Schopenhauer: Großartig.
11. Louis de Funes: Der Louis hätte aber keine Fritten gegessen.
12. Karl Kraus: Stimmt.
13. Orson Welles:
14. Jean-Luc Godard:
15. Alejandro Jodorowsky: Genauso rätselhaft wie der Maulwurf selbst.
16. Ludwig van Beethoven: Gewagt.
17. Franz Kafka:
18. Herbert Achternbusch: Das sage ich dem Tobe Hooper.
19. Peter Greenaway: Er nun wieder.
20. Ingmar Bergman: Unbeschreiblich.
21. William Shakespeare: Stimmt.
22. Heinrich Heine: Wundervoll.
23. Friedrich von Schiller: Großartig.
24. Albert Einstein (2):
25. ?: Wer da so alles mitgeholfen hat.
Bei einigen Abschnitten habe ich die Intention des Machers nicht durchschauen können. Damit möchte ich nicht die Leistung an sich in Frage stellen. Offensichtlich hat er hier seine persönlichen Erfahrungen einfliessen lassen, die bei mir keine Reaktion ausgelöst haben. Das war bei sechs Filmen der Fall. Die neunzehn anderen Beiträge haben dafür erheblichen Eindruck hinterlassen. Und jetzt will ich den guten Prof K nicht weiter in Verlegenheit bringen.
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#546
Geschrieben 01. Oktober 2004, 16:08
Regie: Tony Scott
Lee Donowitz: "Who the fuck is Dick?"
Elliott Blitzer: "You...you...you want me...to suck his dick?"
Es muß sich wohl um den Tarantino-Faktor handeln, den das ist so ziemlich der einzige Film von Tony Scott, dem jüngeren Bruder von Ridley Scott, den ich etwas abgewinnen. Ich kann ihm sogar recht viel abgewinnen, denn als ich PULP FICTION seinerzeit im Kino sah, hat mir diese wilde Zitatenmischung der popkultureller Einflüsse sehr gefallen. Nicht anders verhält es sich bei diesem ein Jahr vorher entstandenen Streifen um Tagedieb Clarence (Christian Slater), der sich in die Prostituierte Alabama (Patricia Arquette) verknallt und mit ihr nach Los Angeles durchbrennt.
Mir kommt Clarence so ein bißchen wie Quentin Tarantino selbst vor. Er arbeitet in einem Comicladen, sieht sich gerne Hong-Kong-Streifen an, hört bevorzugt Elvis Presley, von dem er in Zwiegesprächen auch Ratschläge annimmt. Ja, der Typ lebt ziemlich abgeschottet in seiner eigenen Welt. Kein Wunder, daß er es schwer hat Frauen anzumachen. Immer mit derselben Masche.
Das sich dann Alabama, sie ist Prostituierte seit vier Tagen und glaubt noch an die wirkliche, romantische Liebe, in ihn verknallt ist natürlich so schmalzig, wie es nur in einem Liebesfilm sein kann. Beides scheinen wohl Typen zu sein, die dringend einander brauchen und sich zur richtigen Zeit getroffen haben.
Damals dachte ich mir nur, was das jetzt für ein bescheuerter Film ist, bis man zum ersten Mal Alabamas Zuhälter Drexl (Gary Oldman) sieht. Er ist ein Weißer, der sich für einen Schwarzen hält. Mit Dreadlocks, einigen Narben im Gesicht, einem blinden Auge und ordentlicher Sonnenbankbräune kann man das natürlich nicht erreichen. Und genauso spielt Oldman den auch. Er ist nur einer von gut einem Dutzend der verschrobensten Karikaturen, die sich in diesem Zwei-Stunden-Film die Türklinke in die Hand geben. Da hätten wir noch Dick (Michael Rappaport), einen angehenden Schauspieler, der für eine Rolle in der Fernsehserie "T. J. Hooker" vorspricht, seinen Zimmerkumpel Floyd (göttlich: Brad Pitt), der ständig an der Wasserpfeife hängt, der Filmproduzent Lee Donowitz (Saul Rubinek), der bevorzugt B-Filme auf den Markt wirft, jede Menge Bullen und die italienische Mafia, die hinter dem Koks her sind, welches Clarence und Alabama in den Schoss gefallen ist.
Als die ersten Schüsse wie Kanonendonner den Raum erfüllten ist man natürlich voll bei der Sache. Drexl ballert mit einer Schrotflinte zwei Dealer über den Haufen (inkognito: Samuel L. Jackson), Clarence ballert Drexl um und so weiter und so fort. Passt diese wilde Mischung zusammen? Normalerweise nicht, aber das ist ja auch kein normaler Film.
Es gibt in dem Film eigentlich eine Sequenz, die so überhaupt nicht herein passt, aber als Zeitstreckung im Nachhinein Sinn macht und für sich alleine schon unglaublich ist. Clarences Vater (Dennis Hopper) bekommt es in dieser elfminütigen Szene mit Mafiagangstern und dem Anwalt Vincent Coccotti (brilliant: Christopher Walken) zu tun. Erst ist es eine ganz normale Verhörszene, aber mit der Geschichte über die Sizilianer und die Mauren bekommt sie eine surreale Note, welche die Aufmerksamkeit ungemein hochschraubt.
Der Stilmix aus Liebesgeschichte, Mafiaepisode, Krimireißer und Komödie macht auch vor der abwechslungsreichen Musikauswahl nicht halt. Rockabilly, zuckersüße Xylophonmelodien, Hardrock und noch ein bißchen Klassik...mir hat's gefallen (tagesformabhängig).
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#547
Geschrieben 02. Oktober 2004, 18:59
Regie: Rolf Olsen
"War ein Gruß vom General."
Fraktionszwang ist ja verboten, aber Filmforenzwang noch nicht. Nachdem der Streifen nun schon seit einigen Wochen hier euphorisch die Runde gemacht hat, habe ich mich auch nicht lumpen lassen und ziemlich günstig eine DVD bei ebay abgestaubt. Der Text den Sailor Ripley bei buio omega verfasst hat, unterschlägt in seiner Sachlichkeit fast völlig die Tatsache, daß der Streifen eine absolute Hammergranate in Sachen politischer Unkorrektheit ist.
Heinz Klett (Raimund Harmstorf), ziemlich zynisch sadistischer Krimineller, der immer einen flotten Spruch auf der Lippe hat, wird von zwei italienischen Kumpels aus dem Gefängnis befreit und plant kurz darauf schon einen Banküberfall. Mit der erbeuteten Kohle soll es in ein fernes Land gehen, wo man die Füße hochlegen kann. Seine Mitstreiter sind zum einen sein Kollege Luigi, dessen deutsche Freundin Heidi (Christine Böhm) und ihr Bruder Christian (Amadeus August), der seinerseits von der Bullerei gesucht wird, weil er vom Bund desertiert ist.
Olsen scheut sich überhaupt nicht, den Film von Beginn an auf die Überholspur zu bringen und ihn dort zu halten. Von einem zynischen Spruch Kletts geht es zur nächsten hanebüchen zusammengestückelten Actionszene. Interessant finde ich ja, wie Olsen bei Kletts Komplizen so etwas wie Sympathie erzeugt, die eine Teilnahme an dem Banküberfall verständlich macht, diesen aber nicht rechtfertigt. Heidi schiebt in ihrer Firma ständig Überstunden, Luigi wird ständig von seinem Chef verarscht und Christian hat sich mit 'nem Oberfeldwebel angelegt, der ihn auf dem Kieker hatte.
Aber ernst kann man den Streifen überhaupt nicht. Die kolportagenhafte Inszenierung und dieses gnadenlose übertriebene Spiel ist für mich schon so etwas wie eine grelle Satire. Die Polizisten, Angehörige der Bankgeiseln und Schaulustige brabbeln so klischeehafte Sachen in die Kamera, daß man sich nur noch vor Lachen schütteln kann. Dem gegenüber stehen die spekulativen Gewaltübergriffe von Klett, der gegen alles und jeden seinen brutalen Machotaten durchzusetzen versteht.
Nicht nur die unglaublich Sprüche von Raimund Harmstorf sind ein Grund sich diesen Actionreißer anzutun, sondern auch die absolut haarsträubenden Situationen. Erst mal die Generalprobe zum Banküberfall, die beinahe schiefgeht. Da wird ein Armeelaster mit zwei amerikanischen G. I.'s in einem verlassenen Waldweg zum Anhalten gezwungen. Die Amis sprechen einen solchen üblen Deutschakzent, daß ich vor Lachen auf dem Boden gelegen habe. Als die Amis gerade fertig gemacht worden sind, kommt zufällig noch ein Polizeiauto vorbei. Ganz schön viel Betrieb auf so einem verlassenen Waldweg.
Im Prinzip kann man schon sehr früh davon ausgehen, daß die Bande nicht damit davonkommen wird. Aber was da bis zum Ende abgezogen wird, ist schon der absolute Wahnsinn.
Neben Raimund Harmstorf, der seine Rolle des durch und durch miesen Verbrechers so richtig mit Genuß zu spielen scheint, finde ich vor allem Ernst Hilbich in der Rolle des Nervenbündels absolut fantastisch. Alleine diesen Streifen anzuschauen ist schon ein Vergnügen, aber mit ein paar Kollegen, Bier und Chips ist das ein noch viel größerer Brüller, wie ich heute Nachmittag feststellen konnte.
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#548
Geschrieben 03. Oktober 2004, 10:00
Regie: Werner Herzog
Irgendwie wusste ich erst nicht so recht, was Werner Herzog mit diesem Film von mir eigentlich wollte. Nach dem recht malerischen Anfang in dem kleinen Dorf in Ostpolen im Mai 1932 wird der Schmied Zishe Breitbart (Jouko Ahola) von einem Talentsucher im Zirkus entdeckt, wo er seine enormen Kräfte zur Schau stellen muß, um die Rechnung für eine von ihm zertrümmerte Wirtsschänke bezahlen zu können. Zuerst widerwillig, aber dann voller Neugier macht sich Zishe auf den Weg nach Berlin, wo er in das Varieté-Theater des dänischen Adligen Hanussen (Tim Roth) vermittelt wird. In dessen "Palast des Okkulten" soll er vor allem der High Society Berlins, Filmstars, Reichen und der Elite der Nationalsozialisten als unterhaltendes Kontrastprogramm dienen. Doch Hanussen, der sein Theater mit fast schon diktatorischer Hand führt und auch die Nazis mit seinen Hypnoseneinlagen um den kleinen Finger gewickelt hat, macht Zishe sehr schnell deutlich, daß dessen Herkunft als Jude ihm nur schaden würde.
Wie im Kino Werner Herzogs üblich erzählt auch dieser Film von dem Aufbegehren des Individuums gegen eine übermächtigen Gegner. Zishe Breitbart lehnt sich nicht nur gegen seinen Protegé Hanussen auf, sondern will danach auch sein Volk aufrufen, gegen die drohende Gefahr durch die Nazis zu kämpfen. Doch auf dem Weg den er bestreitet sorgt er für reichlich Schaden. Vor allem bei seinem jungen Bruder Benjamin, bei der Pianistin Martha in die er sich verliebt hat und auch bei Hanussen selbst, der als Jude unerkannt hoch in der Gunst der Nazis steht.
Es sind ganz eindeutig die Beziehungen von Zishe zu seinem jüngeren Bruder Benjamin, den er über alle Maßen für seine Klugheit bewundert, und Hanussen, den er mit seinem Aufbegehren zum Tode verurteilt.
Im Nachhinein kann ich dem Film nicht ähnliche Bewunderung abgewinnen, was zum größten Teil an Jouko Ahola liegt, der die gesamte Geschichte und in der Figur des Zishe Breitbart, die seither in jüdischen Liedern besungen wird, zu tragen hat. Die immesen Gewichte, die er zu stemmen hat sind sicher nicht das Problem, sondern eher die hier und da vorhandene Unentschlossenheit mit der Werner Herzog in manchen Sequenzen zu Werke geht. Mir wurde das einfach nicht klar worauf er denn jetzt eigentlich hinaus will.
Mir ging auch dieses schablonenhafte Rumgepolter der Nazi-Gäste im "Palast des Okkulten" eher auf die Nerven. So etwas kennt man schon aus zig anderen Filmen oder den beliebigen Guido-Knopp-Dokumentationen. Wenn es aber darum geht den Ort an sich als ein großes Theater der Täuschung zu inszenieren, ist Herzog auf der sicheren Seite.
Irgendwie habe ich etwas anderes erwartet zumal die malerischen Anfangsszenen und der poetische Schluß eigentlich mehr versprechen.
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#549
Geschrieben 03. Oktober 2004, 17:00
Regie: Steven Soderbergh
Fast könnte man meinen, daß der Film aufgrund seines Alters in seiner Thematik altbacken daherkommt, aber wenn ich auf mein persönliches Umfeld blicke und erkenne, wie auch hier verklemmt reagiert wird und auch keine offene Konversation geführt wird, ist die Thematik doch immer noch aktuell.
Nun könnte man dem natürlich vorhalten, daß sich der Film ganz explizit an ein Porträt der amerikanischen Gesellschaft Ende der 1980er-Jahre klammert, aber das ließe sich zumindest anhand der Einstellung der Dreiecksbeziehung Ann/John/Cynthia widerlegen. Ich habe, zum Teil auch am eigenen Leib, erfahren, daß sich in der komplexen Beziehung zwischen Mann und Frau niemals etwas ändern wird. Das wird, wenn die Probleme einmal offen ans Tageslicht kommen, immer zu einer Zäsur führen.
Völlig anders wirkt da das Verhalten von Graham (James Spader) auf mich. Nach einem persönlichen Trauma, von dem wir erst gegen Ende des Films erfahren, welches ihn auf eine lange Odyssee durch die Vereinigten Staaten geführt hat, kehrt er als instabile Persönlichkeit in seine Heimatstadt zurück. Seine Unfähigkeit zu einer sexuellen Interaktion mit anderen Personen hat ihn aufgrund des Traumas dazu getrieben, Videobänder von Frauen aufzunehmen, die über ihre sexuelle Vergangenheit, ihre sexuellen Wünsche und ihre sexuellen Grenzen sprechen. Die Frage, die sich hier nun stellt: was bezweckt Graham mit diesen Bändern? Sind sie für ihn nur eine Wichsvorlage, wie man in einigen Szenen annehmen muß oder sind sie für ihn eine Therapie um sein Trauma zu verarbeiten oder ist gegenüber John (Peter Gallagher) von Rache angetrieben? Selbst diese Vermutung kann man in einigen wenigen Momenten des Films annehmen.
Ein Gedankengang von mir dreht sich auch um die psychologische Wirkung dieser "Sexgespräche", die in einer völlig entspannenden Haltung auf Grahams Couch stattfinden. In der Reihenfolge des Films sind es Cynthia (Laura San Giacomo), Ann (Andie MacDowell) und Graham, die diesen (emotionalen) "Höhepunkt" erreichen. Für John wird sich dieser Höhepunkt nicht vollziehen. Ihn bleibt am Ende aufgrund ständiger Selbstverleugnung fast nur noch Bitterkeit. Doch auch für ihn gibt es so etwas wie eine Heilung, ein Licht am Ende des Tunnels.
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#550
Geschrieben 05. Oktober 2004, 13:26
Regie: Terence Malick
Ich hatte gedankliche Auffrischung nötig, denn den Film hatte ich bisher nur einmal gesehen und das war schon mehr als ein Jahr her. Sofort beschwörte er Assoziationen zu anderen, ähnlichen Filmen herauf. BONNIE AND CLYDE oder PAPER MOON kamen mir in den Sinn. Auch TRUE ROMANCE, der wie die beiden erstgenannten eine ähnliche Konstellation hat und sich ganz deutlich, um nicht zu sagen dreist, in der Filmmusik bei diesem Film hier bedient.
Inspiriert von einem realen Fall aus dem Jahre 1958 erzählt dieser Film die Geschichte vom jungen Herumtreiber Kit Carruthers (Martin Sheen), der mit dem noch jüngeren Mädchen Holly (Sissy Spacek) flüchtet nachdem er ihren Vater (Warren Oates) erschossen hat, der eine Beziehung zwischen den beiden unterbinden wollte. Die beiden flüchten aus dem kleinen Kaff Fort Dupree, Texas ziemlich ziellos durch die Gegend. Sie bauen ein Baumhaus, besetzen dreist Häuser. Aber immer wieder machen sie, Kinder die sie noch sind, Fehler und müssen deswegen ihre Flucht fortsetzen.
Ich war drauf und dran den Film auszumachen, weil er mir erst überhaupt nicht das geben wollte, was ich insgeheim erwartete (was das eigentlich war, kann ich nun auch nicht mehr sagen). Er teilt seine Botschaft überhaupt nicht offensichtlich mit, was mir zunächst überhaupt nicht klar werden wollte. Kit und Holly leben noch in ihrer Kinderwelt, sie sind noch nicht reif für die Welt der Erwachsenen, aber sie hantieren mit Dingen der Erwachsenenwelt ohne einen Sinn für die Auswirkungen, die diese haben. Da wird eine Pistole oder ein Gewehr einfach so zum Fischfang benutzt und kurt darauf werden damit diejenigen aus dem Weg geräumt, die ihnen im Weg stehen. Das geschieht so plötzlich, so gänzlich unstilisiert, daß es mich zunächst in meinen Erwartungen vor den Kopf stieß. Aber Malick lässt keinen Zweifel daran, daß es für die beiden kein Entkommen geben wird. In der letzten Nacht, als sie zu einem tragischen Lied von Nat King Cole tanzen, ist das Schicksal schon besiegelt. Sie wollten aus ihrem banalen Leben ausbrechen und zumindest Kit ist das am Ende gelungen. Ihn erwartet der Tod auf dem elektrischen Stuhl. Holly heiratet den Sohn ihres Anwalts. Das Ende eines kurzen, heftig gelebten kindlichen Traumes abseits der Realität.
Richtig stimmig kommt mir das alles trotzdem nicht vor, da mir das konsequente Ausklammern der unmittelbaren Umgebung, die das Pärchen durchschreitet nicht so gefallen will. Und die ständige Erzählstimme von Sissy Spaceks Filmcharakter geht mir mit ihrem schlimmen Akzent auch irgendwann auf die Nerven.
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#551
Geschrieben 05. Oktober 2004, 22:49
Regie: Mark Herman
Eine zunächst nicht vordergründig von der politisch/wirtschaftlichen Situation geprägte Tragikomödie über eine Bergmannskapelle in einer kleinen englischen Stadt, die aber vor allem zum Ende hin in eine hollywoodartige Schiene abdriftet. Mit ziemlich halbseidender Kritik an Gott, Margret Thatcher und den Bossen vom Bergbau. Dabei legt beim vielversprechenden Anfang noch so viel Wert auf eine ordentliche Charakterisierung.
Für Danny (Pete Postlethwaithe) gibt es nichts anderes mehr als die Musik. Schon längst pensioniert hängt er einem großen Traum nach. Mit seiner Blaskapelle einmal in der Royal Albert Hall in London spielen und den großen Landespokal gewinnen, der jährlich unter den Amateurskapellen Englands vergeben wird. In der mehr als hundertjährigen Geschichte der kleinen Kapelle wäre das der Höhepunkt schlechthin. Doch bei den Kumpels in der Kapelle macht sich schlechte Stimmung breit, weil die örtliche Grube geschlossen werden soll. Nur eine Abstimmung aller Bergmänner kann die Arbeitsplätze erhalten.
Vor allem in der ersten Stunde weiß der Film zu gefallen, aber danach geht die Mischung Tragödie, Komödie und dem mehr als realitätsfernen Finale überhaupt nicht mehr auf. Zumal der Film bei zum Finale in ein deutliches Spannungsloch fällt. Bis zu diesem Zeitpunkt straff inszeniert bekommt man aber trotzdem kein sehr genaues Bild von den Ereignissen. Da gibt es eine kleine Liebesgeschichte zwischen der in ihre Heimatstadt zurückgekehrten Gloria (Tara Fitzgerald), die nicht nur in der Kapelle spielt, sondern auch noch für die Grubenleitung einen Rentabilitätsplan erstellt, und Andy (ziemlich farblos: Ewan MacGregor), dessen einzige Beschäftigung Billiard spielen zu sein scheint.
Dannys Sohn hingegen hat sich bei einem Streik vor über zehn Jahren, bei dem auch schon die Schließung der Grube drohte, hoffnungslos verschuldet und ist nun einerseits zwischen seiner Familie, der Verpflichtung gegenüber den Gläubigern und dem Ansehen seines Vaters hin und hergerissen.
Bis zu einem gewissen Grad sehr unterhaltend stimmt am Ende die Balance überhaupt nicht mehr. Die Grube ist am Ende zwar zu, aber man hat ja schließlich die Musik in die man sich trotz aller widrigen Umstände flüchten kann. Und das kann irgendwo nicht funktionieren.
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#552
Geschrieben 06. Oktober 2004, 22:44
Regie: Steven Soderbergh
Mit dem vor etwas mehr als einer Woche sechzig Jahre alt gewordenen Schauspieler Michael Douglas bin ich rückblickend in meiner cinephilen Laufbahn aufgewachsen. Ich sah ihn an der Seite von Karl Malden durch "Die Straßen von San Fransico" nach Verbrecher jagen, ich erlebte ihn an der Seite von Kathleen Turner in ROMANCING THE STONE (als Indiana-Jones-Verschnitt) und THE WAR OF THE ROSES (letzteren seinerzeit im Kino), als von Glenn Close heimgesuchten Ehebrecher in FATAL ATTRACTION, als aalglatten Börsenhai in WALL STREET, wieder als Cop auf den Straßen San Fransicos und im Bett Sharon Stones in BASIC INSTINCT, als Mann, der es leid ist immer herumgestoßen zu werden (FALLING DOWN), als gerissener Jäger in THE GHOST AND THE DARKNESS, als grasrauchender Literaturdozent in WONDER BOYS und als Börsenmakler in THE GAME, der sich auch ein undurchsichtiges Spiel einlässt. Vielleicht ist Douglas einer der wenigen Darsteller, die mich in ihren Rollen bis jetzt jedes Mal überzeugen konnten. Meine fünfte und bisher letzte Kinobegegnung mit Michael Douglas stellte dieser Drogen- und Politthriller von Steven Soderbergh dar.
Darin spielt Douglas, übrigens einer unter mehr als einem dutzend Protagonisten, einen ehemaligen Bundesrichter, der nun in Washington eine hohe Stellung bekleidet, die es mit dem Krieg gegen Drogen aufzunehmen gedenkt. Doch seine Arbeit nimmt er, angesichts der Drogenabhängigkeit seiner jungen Tochter, kaum wahr und schmeißt am Ende zum Wohle seiner Familie diesen Job hin. Der Film bürdet sich mit der mehr als schweren Aufgabe, den Krieg gegen die Drogen auf insgesamt drei Fronten verständlich zu machen. Da ist es leider vonnöten viele Vereinfachungen, Zeitsprünge und die eine oder andere Unklarheit hinzunehmen. Man kann nicht sagen, daß Soderbergh da auf ganzer Linie bei mir mit seiner Message nicht ankommt, aber einen Film zu bewerkstelligen dessen endgültige Aussage ist, daß der Krieg gegen Drogen überhaupt nicht zu gewinnen ist, ist schon ein starkes Stück. Ich stelle mir da gerade wieder vor, wie sich die ganzen Hollywoodstars, die sich doch recht farblos für wenig Geld verkaufen und das dann noch als große Kunst verkaufen wollen. Von einem realistischen Film kann man hier schon gar nicht sprechen, wenn Soderbergh seine drei Erzählstränge in verschiedenen Farbtönen taucht. Kaltes Blau, dreckiges Gelb und ein "realer" Farbton. Das hilft nur die verschiedenen Erzählstränge voneinander zu unterscheiden, wird aber selten dazu eingesetzt um die Stimmung zu überhöhen.
Es gibt nur wenige Schauspieler, die es verstehen ihren Figuren ein wirkliches Leben einzuhauchen, an das man sich einige Zeit noch erinnern kann. Die verschmitzt ironische Darstellung des General Salazar von Tomas Milian, Miguel Ferrer als Kronzeuge in einem Drogenprozess, Benjamin Bratt als Chef eines Drogenkartells und Benicio del Toro, der sich als Polizist an der amerikanisch/mexikanischen Grenze zwischen zwei Fronten wiederfindet und eben Michael Douglas. Sie schaffen es kontinuierlich herauszustechen und jeder noch so leeren Szene Leben einzuhauchen.
Ein sehr wechselvolles Filmempfinden zwischen Brillianz, Dilletantismus und Langeweile.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#554
Geschrieben 10. Oktober 2004, 21:07
Regie: Danny DeVito
Man hat es heutzutage weiß Gott nicht leicht sich eine schöne Wohnung aussuchen zu können. Das spürt auch das frisch verheiratete Pärchen Alex (Ben Stiller) und Nancy (Drew Barrymore). Doch die beiden haben Glück. In Brooklyn finden sie ein schönes zweistöckiges Häuschen im alten Stil gehalten. Perfekt um endlich eine Familie zu gründen, perfekt für Alex, der so endlich seinen zweiten Roman schreiben kann. Sie verlieben sich sofort darin und kaufen es völlig überteuert. Allerdings haben sie im zweiten Stock eine Untermieterin, die nette alte Mrs. Connelly (Eileen Essel), die anscheinend jenseits der Hundert ist. Schon in der ersten Nacht schlägt die Freude in Frust um. Die schrullige alte Dame sieht mit Vorliebe immer nachts Fernsehen und nervt tagsüber Alex mit Klempnerarbeiten, Gängen zur Apotheke oder zum Supermarkt. Da lässt sich freilich kein Buch schreiben. Ziemlich erfolglos versuchen die beiden die alte Dame davon abzuhalten zu lärmen oder sie anderweitig zu nerven. Und nachdem es die Dame geschafft hat das Leben der beiden völlig zu ruinieren, beschließen sie sie umzubringen.
Nach Danny DeVitos Erstlingsfilm THE WAR OF THE ROSES hatte ich eigentlich wieder so eine ähnliche Komödie erwartet. Schräg, tiefschwarz und bitterböse. Der Ton ist etwas milder, aber immer noch so schön politisch unkorrekt, daß die Geschichte nichts für einfache Seelen ist. Während ein handfester Ehekrieg irgendwo noch nachvollziehbar ist, ist der Versuch eine alte Dame umzubringen schon ein starkes Klops, den man erst mal schlucken muß. Das fällt allerdings nicht so leicht, weil der Humor den Boden reinen Slapsticks verlässt und reichlich geschmacklos wird. Da wird dann noch versucht solchen Momente mit Popsongs konter zu karieren (Spandau Ballet's "True"). Erst in der zweiten Hälfte, als es darum geht die alte Dame loszuwerden, bekommt der Film nicht nur richtig Fahrt, sondern hat auch seine stärksten Augenblicke. Der Profikiller (einer von Kim Catralls Stechern aus SEX AND THE CITY), den die beiden anheuern, hinterlässt seine Visitenkarte in einer Porno-Videokassette namens "Ass Patrol" ( ), deren Produzent er war. Autsch!
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß der Film in den beiden Hauptrollen fehlbesetzt ist. Drew Barrymore ist wenigstens noch zu einigen variablen Gesichtszügen fähig, aber Ben Stiller läuft ständig mit einem völlig gelähmten Gesichtsausdruck, der pure Langeweile ausstrahlt herum. DeVito selbst findet in der ersten Hälfte nur sehr schwer zu einer richtigen Balance der Szenen. Die brilliantesten sind dann gerade auch die Sachen, die nichs mit der eigentlichen Filmhandlung zu tun haben. Ein befreundetes Paar von Alex und Nancy erwartet ebenfalls Nachwuchs, nur erkennt man den Babybauch der Frau, die im vierten Monat schwanger ist überhaupt nicht, weil sie so schrecklich dünn ist. Oder wenn sich Alex ins Starbuck's Cafe zurückzieht um einen seinen Roman zu schreiben und alle Tische von anderen Schreiberlingen besetzt sind. Das sind die wenigen Glanzmomente, des Films und die schmerzlich an die Genialität von THE WAR OF THE ROSES erinnern. Ein leider nur sehr unstetes Vergnügen.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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#555
Geschrieben 13. Oktober 2004, 20:42
Regie: Roger Corman
Ha, da hat der Roman Polanski die sehr unheimliche Portrait-Szene in THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS doch glatt aus diesem Edgar-Allen-Poe-Grusler geklaut. Schlimm finde ich das nicht, denn bei beiden Filmen verbreiten diese Szenen ein ziemliches Unbehagen bei mir. Beim Polanski-Film ist es die unheimliche Musik, beim Corman-Film die sehr deutlichen Schilderungen von Roderick Usher. Doch zum Anfang...
Philip Winthrop (Mark Damon) ist zu Usher Castle gekommen um seine junge Verlobte Madeleine Usher (Myrna Fahey) endlich mit nach Boston zu nehmen und sie dort zu heiraten. Doch sie wird von ihrem älteren Bruder Roderik (Vincent Price), einem ziemlich angsterfüllten Nervenbündel, wie eine Gefangene gehalten. Roderick ist der festen Überzeugung, daß die Familie Usher unter einem schrecklichen Fluch leidet, der auch sämltliche Vorfahren auf verschiedenste Art und Weise ins Unglück stürzte. Drogenabhängigkeit, Wahnsinn, Mordlust...so ziemlich jede Grausamkeit hat das eine oder andere Familienmitglied heimgesucht. Vor diesem Unglück will Philip seine Verlobte retten, aber der Wahnsinn bricht in Roderick Usher so stark aus, daß sich ihm kaum jemand entziehen kann.
Ich war ja erst ziemlich skeptisch ob der Streifen etwas wird. Aristokratisches Benehmen und der näselnde Vincent Price haben mir eine Sichtung des Films schon zweimal verdorben. Doch die nuancierte Darstellung von Price, der der festen Überzeugung ist, daß die gesamte Familie dem Untergang geweiht ist, macht den Film erst aus. Leider ist der Rest ziemlich unausgewogen. Die Stimmung ist richtig, aber die restlichen Darsteller sind nicht richtig angeleitet worden. Zumindest nicht in der Art, die bei mir eine erschrockene oder angespannte Reaktion auslösen könnte. Wenn ich den Film einzig an Price festmachen müsste, wäre er phänomenal, aber so ganz will ich mich nicht auf ihn festlegen. Mark Damon überzeugt mich nur in einer Szene völlig und Myrna Fahey scheint mir völlig desinteressiert.
Als kleiner Bengel hätte ich mich sicher mehr gefürchtet, so bleibt nur ein wohliger Schauer von etwas kurzer Dauer. Diese verdammte Nüchternheit...
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#556
Geschrieben 14. Oktober 2004, 20:35
Regie: Gaspar Noe
BUMM!
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#557
Geschrieben 16. Oktober 2004, 15:28
Regie: David Lynch
Man merkt diesem Film schon sehr deutlich an, übrigens genauso wie THE STRAIGHT STORY, daß er nicht aus der Feder von David Lynch stammt. Warum sich Lynch ausgerechnet diesen Film und vier Jahre später DUNE ausgesucht hat kann ich mir nur so erklären, daß er sich zunächst einen Namen schaffen wollte und nicht als derjenige galt, der diesen schrägen Kunstfilm ERASERHEAD aus dem Ärmel geschüttelt hat.
Sehr frei nach der wahren Geschichte des Engländern Joseph Merrick (im Film John genannt und von John Hurt gespielt) inszeniert, erzählt der Film die sehr oft zu Tränen rührende Geschichte eines schrecklich deformierten Menschen, der in London, Ende des 19. Jahrhunderts vom aufstrebenden Arzt Frederick Treves (Anthony Hopkins) aus der unmenschlichen Tortur eines Monstrositätenschaustellers befreit wird und die letzten Jahre seines vorher unter entsetzlichen Bedingungen aufgezwungenen Lebens in Frieden, Ruhe und menschlicher Würde verbringt.
Bei all der unverhohlenen Sympathie, welche man der armen Seele sofort entgegenbringt, ist die Stimmung der Menschen, die ihn fortan umgeben von einer sehr merkwürdigen Ambivalenz erfüllt. Man hat ganz gewiss keinen Zweifel, daß sein "Besitzer" Mr. Bytes (Freddie Jones) ein schlechter Mensch ist, der mit ihm nur Geld verdienen will oder an den Nachtportier, der ihn seinen Saufkumpanen des Nachts vorführt. Selbst Dr. Treves kann man nicht ohne weiteres als einen Freund Merricks bezeichnen. Immerhin führt er auch des öfteren vor. Seinen Ärztekollegen, der adligen Gesellschaft Londons etc. Mit solch reichlich komplexen Themenfeldern setzt sich der Film ganz gewiss nicht auseinander und wenn er es denn einmal doch tut, dann immer auf eine viel zu einfache Weise.
Ob das nun an David Lynch liegt, der zu dem bereits vorliegenden Drehbuch Ergänzungen machte, die man deutlich im Film spüren kann, wage ich zu bezweifeln. Ihm geht es mehr darum mit der Schwarz/Weiß-Kamera, dem hervorragenden Set-Design und der Musik eine märchenhafte Stimmung heraufzubeschwören. Das gelingt ihm vorzüglich und macht den Film ästhetisch äußerst wertvoll, aber es kann nicht über die Schwächen im Inhalt hinwegtäuschen.
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#558
Geschrieben 16. Oktober 2004, 21:13
IL MULINO DELLE DONNE DI PIETRA (Italien 1960) - Kino (Schauburg)
Regie: Giorgio Ferroni
Eingeleitet u. a. durch den sehr stimmigen Trailer von I TRE VOLTI DELLA PAURA. Pierre Brice begibt sich in diesem Gruselfilmchen, noch vor seiner Zeit als Winnetou, in ein kleines holländisches Dörfchen. Was er da eigentlich vorhat weiß anscheinend er selber nicht. Und ich erst recht nicht. Auf jeden Fall will er dort Professor Gregorius Wahl besuchen, der in der "Mühle der steinernen Frauen" ein kleines Gruselkabinett betreibt und auch noch Unterrichtsstunden in Bildhauerei gibt. Völlig hin und weg ist der gute Pierre als er die adrette Elfi, Tochter des Professors, erblickt. Schwups landen die beiden sofort im Bett, doch schon bei seiner Ankunft muß er doch eigentlich merken, daß hier etwas nicht stimmt. Tut es nämlich wirklich nicht, denn Elfi ist trotz ihres gesunden Aussehens eine Untote, die nur durch ständige Bluttransfusionen ihre gesunden Teint behalten kann.
Prof. Wahl lockt mit Hilfe seines Bildhauerei-Kurses immer wieder junge Mädchen in die Falle und durch seine Erpressung von Doktor Bolem (Wolfgang Preiss), der ziemlich scharf auf Elfi ist, ist er sich nicht nur dem Überleben seiner Tochter bewusst, sondern bekommt darüberhinaus immer wieder neuen Figuren für sein Gruselkabinett.
Dank dieser konfusen Handlung versagt auch recht schnell jeglicher Spannungsaufbau, was allerdings zur Folge hat, daß man sich wunderbar auf die unfreiwillige Komik konzentrieren kann, die den gesamten Streifen durchzieht. Es wird vor allem sehr stark deutlich, daß Pierre Brice absolut nichts kann und sein größtenteils versucht gequälter Gesichtsausdruck oder panische Angst bei mir für Lachanfälle sorgt. Allerdings versteht es der Film zeitweise eine sehr schöne Atmosphäre zu vermitteln, die an die späteren Großtaten eines Mario Bava erinnert. Das Ende hat mehr als eindeutige Bezüge zu James Whales FRANKENSTEIN.
DEATH WISH (USA 1974) - Kino (Schauburg)
Regie: Michael Winner
Zweiter Film und ziemlich haushoher Punktsieger in der Kategorie "Granatenstarke Unterhaltung durch Selbstjustiz" ist der eiskalte und schwarzhumorige Ein Mann sieht rot. Was mich an DIRTY HARRY, einer richtig großen Hollywood-Produktion eines Routiniers wie Don Siegel gestört hat, nämlich die offensichtliche Selbstverliebtheit, das macht dieses Vigilante-Vehikel mit Kalle Bronson mehr als wett. Und die davor laufenden Trailer zu DEATH WISH II, CHATO'S LAND und THE EVIL THAT MEN DO sowieso...
Paul Kersey (Charles Bronson) begibt sich auf nächtliche Safari in den Parks und Untergrundbahnen der Stadt New York, als seine Frau und seine Tochter einem Verbrechertrio (angeführt von Schlacks Jeff Goldblum) zum Opfer fallen. Die Ehefrau tot, die Tochter in einem katatonischen Zustand mutiert Bronson allerdings nicht von Jetzt auf Gleich zur Kampfmaschine. Erst einmal wird ordentlich der gebrochene Mann in Bronson hochstilisiert, was übrigens an dessen mimischen Fähigkeiten spurlos vorüber zu gehen scheint. Dann werden dramaturgische Mittel ausgepackt, die aus dem unbedarften Architekten einen knallharten Racheengel machen sollen. Wenn das alles wirklich so einfach wäre...
Mitnichten macht sich Kersey nun auf die Suche nach den Mördern seiner Ehefrau, sondern nimmt sich gezielt jeden Kleinkriminellen vor. Er schlendert im winterlichen Central Park umher und erregt so die Aufmerksamkeit von Fixern oder Messerspezialisten. Wie die "Ratten", so werden sie von der Polizei genannt, sehr schnell feststellen, ist es auch ziemlich Scheiße mit einem Messer zu einer Schießerei zu kommen.
Ach, ja die Polizei...die wird durch einen verschnupften Inspektor (Vincent Gardenia) repräsentiert. Der ist recht gut darin, die Identität des Racheengels aufzudecken. Anscheinend ein Könner in seinem Fach, der sich nicht gerne in die Karten schauen lässt, aber vor seinen Vorgesetzten letztendlich doch kuschen muß. Nicht eingreifen, denn schließlich sorgt der Rächer dafür, daß die Kriminalität stark heruntergeht.
Ich kann mir gut vorstellen, was für Wellen der Streifen damals geschlagen hat. An psychologischen Erklärungen ist der Film (fast) nicht interessiert und setzt statt dessen auf reißerische Action, die selbst mir noch die Kinnlade herunterfallen lässt.
Fazit: ich bin nicht das erste und letzte Mal dabei gewesen. Und Schnarchende soll man nicht wecken.
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#559
Geschrieben 19. Oktober 2004, 20:22
Regie: Roger Corman
> Das ist die zweite Poe-Verfilmung von Roger Corman und wie schon in HOUSE OF USHER gibt Vincent Price wieder eine Galavorstellung seines Grusel-Könnens. Das wertet für mich im Nachhinein auch die erste Zusammenarbeit der beiden für mich auf.
Auf mich wirken die ersten zwanzig Minuten wie eine Variation des Anfangs vom erstgenannten Film. Hier begibt sich ein stets griesgrämig dreinschauender Mann (John Kerr) zum Schloß von Nicholas Medina (Vincent Price) um sich über den plötzlichen Tod seiner Schwester (Barbara Steele) zu informieren. Die ist nämlich an einem Herzstillstand gestorben, ausgelöst durch unermessliche Furcht. Der Grund ist wieder einmal in der Vergangenheit zu suchen. Nicholas Medinas Vater Sebastian galt als der unmenschlichste und sadistische unter den Folterern der Inquisition und die Folterkammer in den Kellergewölben des Schlosses zeugt noch von der regen Aktivität, die dort einst herrschte. Nun ist Nicholas zum einen von diesen schrecklichen Geschehnissen seelisch vorbelastet und wird plötzlich von Vorahnungen heimgesucht, die ihn glauben lassen, daß seine geliebte Ehefrau noch am Leben ist. Er hört sie durch die Gänge gehen, sie das Cembalo spielen oder ihn seinen Namen rufen.
Mit ziemlichen Erstaunen konnte ich letztens feststellen, daß der Film von der FSK nicht für Jugendliche unter 18 Jahren freigegeben wurde. Den Streifen hatte ich glaube ich als Zehnjähriger im Fernsehen gesehen und mich entsprechend gegruselt. Dabei waren es nicht einmal die Szenen, die für mich sehr deutlich eine solche Freigabe rechtfertigen, sondern die letzten fünf Minuten. Da liegt der Bruder gefesselt auf einer Pritsche und über ihm schwenkt eine große messerscharfe Klinge an einem Pendel befestigt bedrohlich über seinem Torso. Die Szene ging mir mehr als fünfzehn Jahre nicht mehr aus dem Kopf. Die Schlußeinstellung mit der Eisernen Jungfrau, die Tim Burton fast vierzig Jahre später in SLEEPY HOLLOW wiederverwendet war mir allerdings nicht mehr in Erinnerung.
Der Weg zu diesem beeindruckenden Finale, ist bis dahin sehr stimmungsvoll vorbereitet worden. Das hatte ich so nicht erwartet und hat mich sehr gut unterhalten. Völlig vergessen hatte ich auch die Tatsache, daß hier unter der Oberfläche ein ziemlich perfides Spiel getrieben wird. Einen Hinweis darauf findet man, ziemlich beiläufig, in der ersten Flashback-Sequenz.
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#560
Geschrieben 23. Oktober 2004, 14:53
Regie: Ralph Thomas
Man bräuchte bestimmt ein halbes Dutzend Hände um jede James-Bond-Imitation aufzuzählen, die nach dem phänomenalten Erfolg der Filme, vor allem aber nach GOLDFINGER, über britische als auch amerikanische Kinoleinwände und Fernsehschirme hereinbrach. Keine Frage in den Hochzeiten des Kalten Krieges hatte das Agentenfilm-Genre auch seine Blütezeit und so einiges habe ich als kleiner Stepke auch davon im Fernsehen mitbekommen.
Dieser mir bisher unbekannte Film lächelte mich in seiner DVD-Inkarnation so hübsch mit seinem rosafarbenen Cover und dem provokanten deutschen Titel an, da habe ich mich doch nicht weiter lumpen lassen. Das Gesicht der etwas betagten Kassierin erstarrte zu einer ausdruckslosen Maske, angesichts der mit einem Bikini und Harpunen bekleideten Mädels, die gezeichneterweise vom Cover posierten. Mein Gesicht hat sich während der Sichtung allerdings nicht zu einer ausdruckslosen Maske verwandelt, sondern war von sehr fröhlichem Grinsen und einigen Lachern verzerrt. Süffisant und jovial, frech ironisch und mit einer gehörigen Prise Frivolität ausgestattet dürfte der Streifen heute sicherlich keine Moralapostel mehr aufschrecken, aber temporeich ist das immer noch.
Unschlagbar ist schon mal als aller erstes die Besetzung. Der spätere Italo-Exploitation-Spezi Richard Johnson (ZOMBI 2) gibt den lässigen Agenten Hugh Drummond und Nigel Green (THE IPCRESS FILE, JASON AND THE ARGONAUTS) einen leicht zum Größenwahn neigenden Ölbaron, die sich bei einer besonderen Partie Schach im Finale den Garaus machen wollen. Der Ölbaron hat es sich nämlich mit einer ganzen Truppe weiblicher Killer in den Kopf gesetzt, die Weltherrschaft zu erlangen. So was muß natürlich vereitelt werden. Die beiden besten Killer sind die blonde Irma Eckmann (Elke Sommer) und die rothaarige Penelope (Sylvia Koscina). Die setzen nicht nur Harpunen, Messer, explodierende Zigarren und Maschinengewehre ein, sondern verdrehen auch mit ihren umwerfenden körperlichen Attributen, die sie in modischen Kleinteilen sehr anschaulich präsentieren, ihren Opfern den Kopf.
Ganz großartiges Canasta tischt mir der Film in fast jeder Situation auf. Ein gewisser Leonard Rossiter, der in BARRY LYNDON das ziemlich zweifelhafte Vergnügen hatte gegen den Titelhelden in einem Duell anzutreten ist ein ziemlicher Überraschungsgast. Ich habe einige Zeit gebraucht um ihn einordnen zu können. Der Streifen ist ganz schwer in Ordnung. Entweder wenn sich Gert Günther Hoffmann in bewährter Synchromanier am Kopf kratzt oder die adrette Penelope mal wieder ihren kleptomanen Neigungen nachgeht.
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#561
Geschrieben 25. Oktober 2004, 15:30
Regie: Robert Aldrich
Also diesen knallharten Männerfilm von einem knallharten Regisseur hatte ich eindeutig knalliger in Erinnerung. Auf Geheiß der alliierten Kriegsführung, genaumgenommen der amerikanischen, die in Großbritannien die Invasion in der Normandie vorbereitet, erhält Major Reizman (Lee Marvin) den Auftrag einen Trupp Soldaten auszubilden, die ein im französischen Inland gelegenes Schloß, welches zur Verlustierung von hohen Nazi-Offizieren dient, zu stürmen und für reichlich Aderlass beim Feind zu sorgen. Man erhofft sich durch dieses Kommandounternehmen die feindlichen Truppen erheblich zu schwächen. Die Sache hat allerdings einen Haken: die zu rekrutierenden Soldaten sind allesamt von einem Militärgericht verurteilte Strafgefangene, die entweder lebenslänglich ins Zuchthaus müssen, mehrere Jahrzehnte Zwangsarbeit vor sich haben oder demnächst am Galgen baumeln. Im Prinzip also genau die Truppe, die sich richtig motiviert in ein solches Unternehmen stürzen würde.
Der Film gliedert sich in vier Abschnitte, denen eigentümlicherweise eine etwas unstete Gewichtung verliehen wird und darum auch recht unterschiedlich bei mir wirken: Rekrutierung, Ausbildung, Übungseinsatz und Kampfeinsatz. Nach dem sehr vielversprechenden Anfang reitet der Film in seinen beiden Mittelakten ziemlich langatmig davon, weiß meine Geduld ein ums andere Mal auf die Probe stellte. Die hin und wieder ironischen Ausschmückungen helfen allerdings ungemein Sitzfleisch anzusetzen. Drollig ist die Abnahme der Ehrenformation durch einen "General" und die "Erstürmung der Feindzentrale" beim Übungseinsatz.
Da es ein knallharter Männerfilm ist, wird man deswegen auch mit dem who-is-who der stahlharten männlichen Darsteller versorgt, die Hollwood seinerzeit aufzubieten hatte. Lee Marvin, Charles Bronson, Telly Savalas, Robert Ryan, Ernest Borgnine, John Cassavetes, George Kennedy, Donald Sutherland, Jim Brown...etc., etc. Fehlt eigentlich nur noch John Wayne, aber der fetzte sich lieber durch altbackene Western.
Frauen treten nur in zwei Szenen auf und sind dann auch nur als Sexualobjekte inszeniert. Einmal eine Wagenladung Bordsteinschwalben, welche den Abschluß der Ausbildung versüßen soll und dann ein deutsche Lieschen, welches vom bibelfesten Südstaaten-Schizo Telly Savalas in dolchartigerweise penetriert wird ("Schrei, du Schlampe!"). Da gibt sich der Film dann als das, was er wirklich ist - ein äußerst zweifelhaftes Vergnügen, das einige Fortsetzungen nach sich zog. Zum Ende hin, wird der Film nicht nur megaspannend, sondern auch ziemlich nihilistisch.
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#562
Geschrieben 27. Oktober 2004, 22:52
Regie: Robert Rodriguez
Was ich hier über diesen Film von Tarantino-Spezi Robert Rodriguez geschrieben habe, enstand wohl unter dem Eindruck eines arbeitsreichen Tages. Betrachtet man den Film mit nüchterner Ruhe und Sachlichkeit, so wird man mit Erschrecken feststellen, daß der Film nicht nur kostengünstig abgedreht worden ist, sondern auch so ausschaut.
Nach den ersten zehn, eigentlich recht viel versprechenden Minuten, schlägt Rodriguez mit seiner Inszenierung die völlig falsche Richtung ein. Er hat zwar wenige und auch nur spartanische Sets zur Verfügung, doch wählt er statt einigen weiter entfernten Einstellungen immer nur Nahaufnahmen oder Halbtotalen der Geschichter der Darsteller. Da er auch noch selber für den Schnitt verantwortlich ist, gibt das in den größtenteils öden Dialogszenen ein ziemliches Durcheinander von eben diesen Aufnahmen. Hat man es hier mit einem Drama auf Kammerspielniveau oder einem Actionfilm zu tun? Das geht mir nach dreißig Minuten dermaßen auf die Nerven, daß man für den ersten Shootout richtig dankbar ist. Das Finale des Films mit dem Bruderherz ist ein schlechter Scherz. Die ganze Zeit wird darauf aufgebaut, um die ganze Spannung in einer weißen Überblendung zu zerstören.
Das was ich bei der Erstsichtung vor über einem Jahr geschrieben habe, lässt sich von meiner Warte aus deswegen nicht mehr halten. Ist die Kamera einmal etwas weiter weg, versteht es Rodriguez überhaupt nicht den Raum auszufüllen oder überhaupt ein Gefühl für Entfernung zu schaffen. Antonio Banderas versteckt sich in einer kurzen Szene hinter einem Metallfass um den Wurfmessern von Danny Trejo zu entgehen. Nur versucht man vergeblich herauszufinden, wie groß die Entfernung zwischen den beiden überhaupt ist.
Heute fiel mir übrigens auf, daß der Film im Grunde wie eine Kopie von DJANGO daherkommt. Der eine schleppt einen Sarg, der andere trägt einen Gitarrenkoffer. In beidem befindet sich die jeweiligen Meinungsverstärker der Filmhelden. Den eben genannten Italowestern werde ich auch nochmal einen genaueren Prüfung unterziehen, da er mir völlig aus dem Gedächtnis entgangen ist.
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#563
Geschrieben 01. November 2004, 10:15
Regie: Richard Donner
"Eindeutig zu alt für den Scheiß."
So langsam ist jetzt wirklich mal gut...das hat sich wohl auch Mel Gibson gedacht, der aber ein ziemlich hohes Salär erhalten haben muß um sich hier die Fresse von Hong-Kong-Export Jet Li polieren zu lassen.
Riggs und Murtaugh geraten wieder einmal völlig zufällig, sie schippern mit der Nervensäge Leo Getz nachts auf Rogers Boot im Hafen von Los Angeles umher und werden beinahe von einem großen Schiff über den Haufen gefahren. Zuerst sieht es so aus, als ob es die beiden mit einer Bande von professionellen chinesischen Schleusern zu tun bekommen, aber in Wirklichkeit will der von Jet Li gespielte Triade mit chinesischem Falschgeld vier große Verbrecherbosse freikaufen. Das wird alles so kompliziert und unlogisch verschachtelt, daß es dann irgendwann zugunsten der krachigen flugs fallengelassen wird. Schließlich müssen ja die Fetzen fliegen. Das tun sie in dem zwei Stunden langen Film, aber recht armselig, denn irgendwo muß ja noch eine Balance mit der stetig anwachsenden Familie von Riggs und Murtaugh geschaffen werden. Riggs' Freundin Lorna (Rene Russo) ist schwanger, aber er geht einer Heirat aus dem Weg. Murtaughs älteste Tochter erwartet ebenfalls ein Kind, aber ihr Vater darf nicht wissen, daß der Vater ein Polizist ist. Da solche charakterlichen Details schon in den ersten drei Filmen nicht weiter hinterfragt wurden, verlässt man sich wieder auf die komödiatische Variante. Allerdings nicht nur bei den beiden Cops, sondern auch in der Gestalt des heimlichen Schwiegersohns von Roger, dem Polizisten Lee Butters (Chris Rock). Mir geht die Figur und auch der Schauspieler ziemlich auf die Nerven.
Im Prinzip war ich hier völlig auf der Seite von Jet Li. Der hätte den beiden Mistböcken Riggs und Murtaugh die Sprüche herauskloppen sollen. Denn bei all den flotten Sprüchen, welche die beiden raushauen kommen für ein großen Hollywood-Film ziemlich rassistische Töne auf. Murtaugh macht sich Sorgen, daß der Vater seines Enkelkindes hoffentlich ein Schwarzer ist, Butters macht sich über Afghanen lustig und Riggs stolpert reichlich unbeholfen von einer Szene in die nächste. Der Streifen tanzt mit seinem immer größer werdenden Ensemble auf zu vielen Hochzeiten. Es wird mit zuvielen Bällen jongliert, von denen viel zu viele fallengelassen werden.
Nur Jet Li überzeugt in seinen wenigen Szenen vollkommen und Joe Pesci öffnet mir mit seiner Geschichte über "Fröschi" die Augen. Weg mit Riggs und Murtaugh, diesen mittlerweile unsympathisch gewordenen Flachwichsern.
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#564
Geschrieben 02. November 2004, 21:41
Regie: Michael Moore
Ein sehr clevere, manchmal etwas über das Ziel hinaus schießende, aber doch immer unterhaltsam bleibende Abrechnung von Dokumentar-Demagoge Michael Moore mit der republikanischen Regierung im Allgemeinen und mit der Person des George W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, im Besonderen.
Während BOWLING FOR COLUMBINE noch mit einem uramerikanischen Thema aufwartete und THE BIG ONE von den .... erzählte, war ich doch gespannt, wie sich Michael Moore einer Thematik zuwendet, die im Großen und Ganzen mir bekannt ist, die aber wohl ein sehr großer Teil der amerikanischen Bevölkerung nicht zu kennen scheint. Wirklich neues hat er mit seinen Gegenüberstellungen von politischer Macht und finanziellen Interessen wahrhaftig nicht zu bieten, aber der Zusammenhang zwischen der Familie Bush und der Familie des Attentäters Osama bin Laden war auch für mich eine Überraschung. Während bei einigen die Kinnladen durch solche Enthüllungen nach unten fallen dürften, habe ich entweder still in mich hinein gelacht oder lauthals geprustet. Die in den Mund oder in die Gedankengänge der Regierung Bush gelegten Worte strotzen nur so vor ätzender politischer Satire und dem Aufzeigen von (möglichen) Wahrheiten, daß eigentlich kein Auge trocken bleiben dürfte.
Das die politischen Ereignisse sich in der letzten Zeit überschlagen haben, dafür kann der Film nichts, oder vielleicht alles. Das lässt in auf der einen Seite ziemlich rasch alt werden, was zumindest seinen Inhalt betrifft, ihn aber auch als Zeitdokument konservieren.
Michael Moore macht es in seiner Herangehensweise sehr richtig nicht nur die Regierung um George W. Bush zu karikieren, sondern auch die sogenannte Koalition der Willigen gehörig durch den Kakao zu ziehen. Selbst der friedliebende, souveräne Staat Irak wird an einem sonnigen Märztag eingeführt bevor es Bush in der Nacht krachen lässt. In Afghanistan hat er seine Aufgabe (nicht) erfüllt, also muß wenigstens der andere Übeltäter, der überhaupt keine Verbindungen zur El Kaida besitzt gestürzt werden. Ein Krieg gegen Terrorrismus und Massenvernichtungswaffen wandelt sich in einen Krieg für die Freiheit. Komisch das die Gründe anfänglich ganz andere waren. Aber das amerikanische Volk ist mit den gezielten Einschüchterungen ja schon längst auf Kriegskurs gebracht worden. Überall droht Gefahr...im Fitnessstudio, auf Rinderweiden, vor der saudischen Botschaft.
In Europa kennt man einige Bilder von zerbombten Zivilsiedlungen im Irak oder Afghanistan. Da kennt man auch einige Bilder getöteter US-Soldaten. Das dürften in den USA bestimmt nicht der Fall sein. Da beschwört eine Frau Allah nach Rache, auf das er die Häuser der Amerikaner anzünden möchte...in diesem Moment dürfte es einigen mehr als nachvollziehbar sein. Und wenn die Lügengeschichten der Regierung Bush auch die Familien zuhause umstimmen, ist man doch irgendwo heilfroh, daß es noch Verstand auf der Welt gibt.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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#565
Geschrieben 04. November 2004, 21:38
Regie: Ishirô Honda
Vor gut zehn/zwölf Jahren war die Monster-Nachmittagsmatineé auf Sat 1 zu einem ganz festen Termin in meinem Fernsehkonsum avanciert. Da liefen reichlich japanische Monsterfilme aus der Schmiede der Toho Studios. Da schlugen sich die irrwitzigsten Viechereinen gegenseitig die Köpfe ein und auch der liebe Godzilla nebst Nachwuchs war mir schon geläufig. Nur den Ur-Film hatte ich bis heute nicht zu Gesicht bekommen. Wahrscheinlich hatte ich aber die amerikanische Fassung des Films, die zwei Jahre später um mehr als zwanzig Minuten gekürzt und mit Raymond Burr als Sprecher/Schauspieler besetzt, gesehen, aber an die hatte ich auch keine Erinnerung.
Die Nachricht, daß in diesem Sommer in den USA eine neue Kopie der japanischen Ur-Fassung in einigen Städten als Roadshow-Präsentation lief, hatte mich sehr erfreut, denn das bedeutete zwangsläufig, daß bald mit einer DVD zu rechnen ist, die über eine lesbare Untertitelspur verfügt.
Das amphibische Dinosauriermonster Gojira wird durch submarine Atombombentests der Japaner aus den Tiefen des Pazifik an die Oberfläche befördert und sorgt für reichlich Kleinholz. Zuerst muß ein kleines Küstendorf dran glauben, später liegt halb Tokio in Schutt und Asche bzw. gleicht einem Meer aus Flammen. Das ist das Grundgerüst der eigentlichen Story, die sich von anderen "Kaiju-Eiga"-Filmen nicht sonderlich unterscheidet. Das Militär und die Wissenschaftler, die verzweifelt versuchen das gigantische Untier zu vernichten, gehen dabei absolut naiv und maßlos übertrieben vor, daß ich vor körperlichen Schmerzen schon aufschreien muß. Da wird ein Großteil der Küstenlinie mit Unterwasserbomben zugepflastert, was natürlich keine Wirkung hat, da eigentlich niemand weiß, wo sich das Ungeheuer aufhält. Dann gibt es noch die Schnapsidee die Bucht von Tokio mit einem elektrischen Zaun zu schützen, der mehrere hundert Meter tief und dreißig Meter hoch ist. Dieser Zaun entpuppt sich kurz darauf als simple Hochspannungsleitungen, wie man sie auch hier in Deutschland kennt. Autsch!
Zu allem Übel versteift sich der Film im Großteil seiner Handlung auch noch auf ein zähes und völlig unwichtiges Familiendrama. Der leitende Wissenschaftler Dr. Kyohei Yamane (Kurosawa-Spezi Takahsi Shimura, IKIRU) hadert ständig damit, daß einige einmalige Gelegenheit zum Studium dieses Wesens durch die Maßnahmen des Militärs zunichte gemacht wird. Sein zukünftiger Schwiegersohn Dr. Daisuke Serizawa (Akihiko Hirata) hat darüberhinaus eine geheimnisvolle Waffe entwickelt, die, wenn sie leichtfertig eingesetzt werden würde, das Ende der Welt heraufbeschwören würde. Das kann dieser jedoch nicht zulassen. Noch ein Mann mit einem moralischem Dilemma.
Gemeinhin eilte mir dem Film ja vorraus, daß er als Metapher auf das japanische Trauma der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu verstehen ist. Das ist zumindest dann spürbar, wenn sich das Monster auf seinem Zerstörungsweg durch die Stadtdistrikte Tokios befindet. Den größten Teil seiner Spielzeit beschwört der Film bei mir jedoch ein reichlich naives Zeitbild herauf, welches von gräßlicher Unlogik, Unwahrheiten und katastrophalen handwerklichen Fehlern durchtränkt ist, die ein ums andere Mal das Sehvergnügen trüben. Dabei gibt es in einigen Szenen eine durchaus existentielle Auseinadersetzung mit den Themen Atomangst, Kriegstraumata und dem Drang nach notwendiger Wahrheit.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#566
Geschrieben 07. November 2004, 18:24
Regie: Josef von Sternberg
Nachdem vor einigen Wochen der letzte bedeutende Film Josef von Sternbergs, THE SHANGHAI GESTURE, auf Arte gezeigt wurde und mich ob seiner Häßlichkeit und Konventionalität doch sehr erschreckt hat, habe ich diesen Film noch mal aus dem Schrank ausgegraben und war gespannt, ob er mich überzeugen konnte. Die letzte Sichtung lag immerhin mehr als zwei Jahre zurück.
Und sofort von der ersten Minute an versteht es der Film mich zu fesseln. Rasant wird die Handlung mit Schnitten, Schrifttafeln und Ortswechseln vorangetrieben. Manchmal bleibt kaum Zeit Luft zu holen und die gerade gewonnenen Eindrücke sich setzen zu lassen. Und die Eindrücke die sich einem hier auftun sind mannigfaltig. Sehr frei nach den Tagebüchern der russischen Zarin Katharina der Großen entwirft von Sternberg seine ganz eigene (alp)traumhafte Version vom Kreml. Massive Eichentüren, die von mehreren Bediensteten aufgedrückt werden müssen, Chimären, die jeden Winkel des Palastes sinister zu bevölkern scheinen, surreale Wandmalereien und Poträts des orthodoxen Christentums sind die Kennzeichen eines mehr als detailversessenen und akribischen Produktionsdesigns. Die darin agierenden Schauspieler sind Karikaturen ihrer berühmten Persönlichkeiten, die fast ausnahmslos meisterhaft von der Regie im Bild platziert werden. Die phänomenalen Kostüme sind ein wahres Fest für die Augen. Die Musik zitiert variantenreich die 4. Sinfonie Peter Tschaikowskys, den Sommernachtstraum von Mendelssohn und die Fanfaren des Walkürenritts von Richard Wagner. Die Kamera ist ein genauer Beobachter, steht aber deswegen nicht still, sondern folgt dann und wann in angemessenen Abstand dem außergewöhnlichen Treiben.
Die Geschichte von Katharina der Großen (Marlene Dietrich), die sich den Thron Russlands erbeutet wird dabei kontinuierlich mit Ironie und Schrägheit erzählt, die voll und ganz auf den Einfluß von Sternbergs zurückzuführen ist. Diese Ironie ist dabei nicht alleine auf die Dialoge beschränkt, sondern ist auch in vielen exakt komponierten Einstellungen und Ausstattungsgegenständen vorhanden. Dieselbe Ironie war auch in den ersten zwanzig Minuten von THE SHANGHAI GESTURE deutlich auszumachen, nur sah dieser im Vergleich mit dem Dietrich-Film blass aus, da sich die Ironie nur auf die Dialoge beschränkte.
Nur im weit ausschweifenden Finale wird man mit etwas zu vielen Aufnahmen von Pferden strapaziert, die durch die Hallen, Gänge und Treppen (!) des Kremls gallopieren.
Am Rande sei noch erwähnt, daß dieser Film, die sechste von sieben Zusammenarbeiten von von Sternberg und der Dietrich, ein kommerzieller Flop für das produzierende Studio Paramount war.
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#567
Geschrieben 08. November 2004, 23:52
Regie: Richard Kwietniowsky
"Ribs, no sause, and a Coke."
Nicht der erste Arthouse-Film, der mit recht guten Darstellern aufwarten kann, aber hier in Deutschland nur in geringer Kopienanzahl und auch nur mit Untertiteln gezeigt wurde. Da mir kein Kino in meiner näheren Umgebung bekannt war, welches den Film überhaupt zeigen wollte, war wieder einmal der Weg über den Onlinehandel zu beschreiten. Und siehe da...recht günstig fündig geworden.
Die einzige deutschsprachige Rezension über den Film gibt aber allerdings nicht genau das wieder, was man von dem Film erwarten könnte. Da war von konzentriertem und eindringlichen Spiel des Hauptdarsteller Philip Seymor Hoffman die Rede, aber im Grunde gibt er sich genauso wie die gesamte Inszenierung der Geschichte. Sehr zurückhaltend, unterkühlt, auch nüchtern und ohne übertriebene Spitzen. Auf einer wahren Begebenheit in Toronto im Zeitraum 1980-82 basierend, spielt Hoffman den Bankangestellten Dan Mahowny, einen zwanghaften Spieler, der seine Wettschulden damit begleicht, indem er seine exponierte Stellung ausnutzt und zusätzlich Darlehen entweder auf Konten von Geschäftskunden aufnimmt oder Phantomkunden schafft. So kann er seiner Spiel- u. Wettsucht ungehindert frönen.
Der Film hat bei mir streckenweise zu massiven Problemen geführt was die Glaubwürdigkeit der Handlungen von Mahowny betrifft. Nicht nur das er ständig über das Wochenende mal eben nach Atlantic City jettet um sich im Casino ausnehmen zu lassen, auch der finale Gefühlsausbruch gegenüber seiner Lebensgefährtin Belinda (Minnie Driver) am Ende, als alles aufgeflogen ist, ist mangels Szenen, die einen Grund für seine Zwanghaftigkeit erkennen lassen können, ziemlich übertrieben. Das ist aber auch wirklich die einzige Szene, die mir richtig negativ aufgefallen ist.
Wenn allerdings diese Zwanghaftigkeit dargestellt werden muß, punktet der Film sehr bei mir. Wenn z. B. Mahowny seinem Arbeitskollegen mit dem er einmal im Casino ist, eine bestimmte Summe mit der Anweisung übergibt, ihm das Geld unter keinen Umständen zu geben, kommt er später doch zu ihm und fordert es barsch von ihm ein, weil er mittlerweile blank gezogen wurde. Diese und einige andere großartige Szenen sind es, die den Film sehenswert machen. Bis auf die oben beschriebene Szene ist der Film sehr präzise und mit richtigem Gespür inszeniert worden.
Eine, vor allen Dingen am Ende, sehr bittere Fallstudie, die sich mehr mit dem wie, als mit einem warum beschäftigt. In weiteren Rollen sind noch Mary Chukin, John Hurt und Sonja Smits zu sehen.
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#568
Geschrieben 11. November 2004, 00:41
Regie: Phil Alden Robinson
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#569
Geschrieben 11. November 2004, 22:38
Regie: David Lynch
Als ich diesen Film das erste Mal gesehen habe, muß ich ehrlich zugeben, daß ich ihn nicht verstanden habe, aber trotzdem von den Skurrilitäten sehr gut unterhalten wurden. Das zweite Mal habe ich ihn mir aus reiner Langeweile angeschaut und nicht weiter drüber nachgedacht, aber jetzt, nach der dritten Sichtung, behaupte ich, daß sich mir die Struktur des Films und sein Inhalt voll und ganz erschlossen hat.
Zuerst kam mir das Edgar-Allen-Poe-Zitat "Ist alles was wir sehen oder scheinen, nur ein Traum in einem Traum". Das lässt sich sehr gut auf die Struktur des Films beziehen, der sich fast zwei Stunden lang als Traumsequenz darstellt. Dabei muß es sich nicht zwangsläufig um eine lange Traumsequenz handeln, sondern auch um mehrere. Dessen kann man sich einfach nicht sicher sein.
Was sich mir anfangs verwirrend in den Weg stellte, waren die ganzen Querverweise, die sich durch den ganzen Film ziehen. Eine Erklärung dafür kann ich zumindest in meinen eigenen Träumen finden und ich bin mir ziemlich sicher, daß sich Lynch auch so erklären würde, wenn er über den Film befragt werden würde. Von den wenigen (Alp)träumen, die sich in meinem Gedächtnis eingebrannt haben stechen immer wieder Personen und Dinge hervor, die ich aus meinem unmittelbaren Umfeld kenne, mit denen ich täglich in Berührung komme. Genau das gleiche Schema läßt sich auf die von Naomi Watts gespielte Hauptfigur des Films übertragen.
Sie ist eine anstrebende Schauspielerin, die eine erotische Beziehung zu einer Kollegin hat, die sich aber für eine große Filmrolle an einen jungen Regisseur heranschmeißt. Enttäuschung, Eifersucht und Rache. Das sind die Emotionen, die in ihr hochkommen. Sie beschließt sie umbringen zu lassen. Nachdem der Job erledigt ist verliert sie sich in ihrer Wohnung in Phantasien um ihre Geliebte, die fast die gesamte Spielzeit des Films ausmachen. Und in diesen Phantasien tauchen dann Personen in anderen Rollen auf, werden Identitäten getauscht, werden Vorahnungen und Rückbesinnungen geäußert. Vieles davon verläuft sich in Sackgassen. Falsche Fährten die Lynch ausgelegt hat. Nicht um zu verwirren, sondern um aufzuzeigen, daß die Erinnerung an das Unterbewußte sehr oft trügt. Oder einfach das man sich der traurigen Realität entziehen möchte.
Und selbst in der Stadt der Träume oder der Traumfabrik, wie man es nun nennen möchte, zeigt Lynch erst etwas, um es dann doch als Fassade zu enttarnen. Selbst wenn man meint, sich in der Realität aufzuhalten, kann man sich dessen nie sicher sein. Die Flashbacks nach der "Silenzio"-Sequenz sprechen da eine deutliche Sprache. Von der ziemlich einfachen Auflösung des Films kann man halten was man will, aber der verschlungene Pfad zu diesem Ziel ist das was ihn überhaupt erst ausmacht. Es ist für mich jetzt etwas traurig, dieses Labyrinth schon fast auswendig zu kennen. Als weiteres Mosaikstückchen zum bisherigen Schaffen von David Lynch ist er allerdings eine willkommene Bereicherung.
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#570
Geschrieben 13. November 2004, 12:30
Regie: William Friedkin
Direkt nach dem Fox-Logo sollte einem an den rasanten Vorspann und der pochenden Filmmusik mit polizeiähnlichen Trompetengeräuschen klar werden, daß hier keine 08/15-Krimikost verabreicht werden wird. Zumindest nicht was die Präsentation angeht, denn die Story des Films ist so simpel, daß man wirklich nur an der Umsetzung scheitern kann. Zwei New Yorker Bullen, "Popeye" Doyle (Gene Hackman) und "Cloudy" Russo (Roy Scheider) kommen einen international agierenden Drogenring auf die Schliche und wollen mit dessen nächsten großen Lieferung von Heroin, die Drahtzieher einbuchten.
Ich will da jetzt gar nicht mal so sehr auf die historische Bedeutung des Films abschwenken und damit langweilen, daß der Streifen einige Oscars, unter anderem den für den Besten Film eingeheimst hat, auf einem wahren Fall aus den 1960ern beruht, und seitdem als Klassiker gehandelt wird. Schon alleine das Wort "Klassiker" will deutlich machen, daß etwas auf einem Sockel steht und deshalb alles andere überthront. Das birgt die Gefahr, daß manches unaufgreifbar oder, besser noch, nicht kritisierbar wird, weil es ja an dessen Sockel rütteln könnte, was ja nicht gestattet sein sollte.
Diesen Film möchte ich einmal davon ausnehmen, da er den Zahn der Zeit mehr als ordentlich überstanden hat und nicht lange fackelt bevor er zur Sache kommt und das wo es notwendig ist konsequent draufbleibt. Man wird sofort in die Handlung katapultiert. Eine Exposition wird auf das allernötigste beschränkt und wenn man nicht aufpasst, übersieht man Kleinigkeiten. Das ist vor allem dann sehr bedauerlich, wenn man den Film nur ein einziges Mal sieht und ihn dann wieder vergisst. Gerade mehrere Sichtungen fügten bei mir zu gänzlich neuen und nuancierten Eindrücken, die manchmal in dem ruppigen Cinema-Verité-Stil untergehen.
Für mich war es heute auch wieder erstaunlich festzustellen, daß Friedkin eine simple Beschattungssequenz ohne großen Firlefanz in die Waagschale wirft und mit Schnitten bzw. Kameraschwenks dafür sorgt, daß man als Zuschauer genau weiß wer wo ist. Wenn sich dann allerdings der Beschattete dem Blickfeld entzieht ist das gerade so noch in einem Augenblinzeln auszumachen.
Ich möchte den Film jetzt gar nicht mal so sehr als "filmische Adrenalinspritze" reduzieren, die einem dabei hilft die letzten miesen Filme zu kompensieren. Denn das kann dazu führen auch so manche Schwäche in dem Film aufzutun, die ich aber überhaupt nicht entdecken konnte/wollte.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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