"Now it's dark!"
#661
Geschrieben 31. März 2005, 20:22
Regie: Francis Ford Coppola
Der Einfluss den Michelangelo Antonionis BLOW UP auf das moderne Kino gehabt hat, wird mit diesem Film, den Coppola zwischen seinen beiden Paten-Filmen eingeschoben hatte und der ich als Kommentar auf Antonionis Film verstehe, allzu deutlich. Das wird mir persönlich deshalb bewusst, weil sich gerade in den 70ern Filmemacher, wie eben Coppola, aber auch Dario Argento (PROFONDO ROSSO) und ganz besonders Brian De Palma (BLOW OUT, SNAKE EYES), mehr oder weniger direkt immer wieder in ihren Filmen auf BLOW UP bezogen haben. Als ich Antonionis Film im vergangenen Jahr das erste Mal selber sah, konnte ich ihn noch nicht so recht einordnen, aber er ging mir auch nicht mehr aus dem Kopf.
Da sich Antonionis Film mit dem Bild an sich und der Reaktion des Betrachters auf dieses auseinandersetzt, befasst sich Coppolas Film auf den anderen Aspekt des Kinos. Den Ton. Worte, Wortfetzen, Geräusche…und die technischen Gerätschaften eben diese aufzuzeichnen.
Im Zentrum des Films steht der freiberufliche Abhörspezialist Harry Caul (Gene Hackman), der zu Beginn des Film mit seinem Team ein junges Pärchen auf einem öffentlichen Platz in San Fransisco belauscht. Später an seiner Wirkungsstätte filtert er dann Störgeräusche und Verzerrung von den Bändern der Observierung um so ein klar verständliches Band seinem Klienten übergeben zu können. Das zunächst unverfängliche Gespräch des Pärchens, welches sich zunächst um Dinge aus ihrer unmittelbaren Umgebung kreist, bekommt sehr schnell den Anflug eines Geheimnisses, als sie befürchten müssen, dass sie jemand umbringen könnte.
Genau wie in dem berühmten Vorbild Antonionis ist Coppola mehr daran interessiert, eine Charakterstudie seines Protagonisten durchzuexerzieren, als das er sich auf eine Kriminalhandlung festlegen möchte. War der Fotograf aber noch eine sehr extrovertierte Persönlichkeit, die nie vor neuen Bekanntschaften zurückgescheut hat, so ist der Abhörspezialist in diesem Film hier eine ganz und gar introvertierte Person, deren manische Besessenheit von Privatsphäre im krassen Gegensatz zu seiner Profession steht. Stets unauffällig mit Anzug, transparenten Regenmantel, Brille und Schnurbart erregt Caul nicht sehr viel Aufmerksamkeit und ist darüber im Grunde auch froh. Eine besondere emotionale Bindung zu einem Menschen oder gar zu seinem Beruf hat er nicht. Das macht es deshalb für ihn auch nicht schwer, bis an die Spitze seiner Zunft aufzusteigen.
Allmählich gerät sein Leben aus den Fugen. Plötzlich scheinen Personen, die er eigentlich nur flüchtig kennt einiges über ihn zu wissen. Wann sein Geburtstag ist, wo er früher gearbeitet hat etc. Zu den Neugierigen gehören auch Kollegen aus seiner Zunft.
Das und der von ihm mitgeschnittene Dialog des Pärchens sind langsame für eine emotionale Veränderung bei Caul verantwortlich. Früher hat es ihn nicht gekümmert, was in den Gesprächen, die er mitgeschnitten hat, angesprochen wurde. Doch die Verzweifelung in der Stimme der Frau scheint den gefühlskalten Mann doch zu berühren.
Von dem brisanten Inhalt und der Bedeutung des Bandes, dass Harry Caul einem Firmenboss abzuliefern hat, einmal abgesehen, sind die Dinge, die Coppola anwendet um seinen Filmcharakter die Daumenschrauben anzulegen, zwar nicht ganz so subtil und manches Mal auch etwas übertrieben dargestellt, aber die letzte Einstellung (phänomenal!) ist schon ein recht herber Schlag in die Magengrube. Nicht so sehr für den Zuschauer, sondern eher den Charakter der Filmfigur betreffend.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#662
Geschrieben 04. April 2005, 11:50
Regie: Terry Jones
Die Wikinger sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Aber zu ihrer Verteidigung muß man doch anmerken, dass sie es auch nicht gerade besonders leicht haben. Schon seit ewigen Zeiten wird der Himmel von Nebel und dunklen Wolken verdeckt, was sich, was für ein Wunder, ziemlich auf die Gemüter der Nordmänner zu legen scheint. Sich patriarchalisch gebärdende Väter, die ihrem Söhnen ständig ins Wort fallen und doch nur alte Geschichten wiedergeben, die sie schon mindestens dreihundert Mal erzählt haben. Oder Vater und Mutter, die ihren Sohn, einen Bullen von Mann, mit allerlei Maßregelungen bedenken, bevor sie ihn in die Schlacht ziehen lassen. Ist aber alles wohl doch nicht so schlimm, weil man Abends bei diversen Trinkgelagen doch noch ordentlich die Sau nach Wikingerart raus lassen kann.
Aber wir haben noch nicht die Bekanntschaft von Erik (Tim Robbins) gemacht. Dieser träumerische Zeitgenosse kann der gängigen Freizeitbeschäftigung der Wikinger wie z. B. Raub, Mord, Brandschatzung und Vergewaltigung nicht sonderlich viel abgewinnen. Viel eher möchte er ausziehen und die Situation seines Dorfes, irgendwo nahe des Polarkreises gelegen, verbessern. Nachdem er sich von einem Medium entsprechende Konsultation eingeholt hat, mobilisiert er eine Truppe zusammen, um in das ferne Hy-Brasil zu reisen, wo er hofft ein geheimnisvolles Signalhorn zu erlangen, mit dem er ins sagenumwobene Land der Götter, Asgard genannt, gelangen kann. Die Götter sollen mal dafür sorgen, dass endlich mal wieder die Sonne scheint.
So bis Minute fünfundvierzig hat Terry Jones die Zügel fest in der Hand und ich bin fast geneigt zu behaupten, eine doch recht nette Fantasy-Komödie zu sehen. Aber just zu dem Zeitpunkt als Jones selbst als König Arnulf auftritt, verliert er sein ursprüngliches Ziel je aus den Augen. Das hat jetzt gar nicht mal so sehr mit Geschmack zu tun, aber wenn sich bis dahin eine solche Mühe gibt um liebenswert verschrobene Figuren und Umgebungen zu etablieren und dann mit verunglückten Slapstickeinlagen daherkommt, hat man zumindest bei mir verloren. Man erwartet irgendwie, dass jetzt nach diesem merklichen Durchhänger noch irgendetwas Besonderes kommen muss, aber entweder sind Jones zum Ende hin einfach die Ideen, das Geld oder gar beides auf einmal ausgegangen. Vielleicht hat es aber auch mit der Person Jones an sich zu tun. So sehr ich ihn als Sketchautor schätze, scheint er mir ein höchst unsicherer Regisseur zu sein, wenn er überhaupt einmal außerhalb der Python-Gruppe aktiv ist. Bei Terry Gilliam, der sich schon sehr früh von der Gruppe gelöst hat, ist deutlich eine übergeordnete Thematik zu finden, die sich, von JABBERWOCKY einmal abgesehen, durch alle seine Filme zieht. Jones ist höchstens daran interessiert historische Gesellschaftsformen zu karikieren. Das gelingt ihm in LIFE OF BRIAN zur Gänze, hier aber nur bis zur Hälfte. Schade…
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#663
Geschrieben 06. April 2005, 09:02
Regie: Toshiya Fujita
Die Mission lautet: Quentin Tarantinos Einflüsse aufspüren, die er u. a. in KILL BILL Vol. 1 verarbeitet hat. Der gute Mann hat in seiner Zeit als Videokassettensortierer so ziemlich jeden Schund gesehen, den man sich antun kann. Aber man muss ihm mal wirklich zugute halten, dass er seine ganzen Einflüsse so hervorragend in die dünne Geschichte seines Zweiteilesr eingebaut hat, dass es die Originale bei mir zwangsläufig sehr schwer haben. Dazu gehört auch THRILLER – EN GRYM FILM, dessen Hauptperson äußerlich Pate für den von Daryl Hannah gespielten Charakter der Elle Driver stand. Ich gebe mich ja an und für sich schon mit recht wenig zufrieden, aber es geschieht doch recht selten, dass mich die Erzählung einer Geschichte so dermaßen annervt, wie in diesem, gerade erwähnten, schwedischen Exploitation-Film.
Nun also "Lady Snowblood", die nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich durchaus als Doppelgängerin des „half-Japanese, half Chinese-American army brat“ O-Ren Ishii durchgehen könnte. Yuki (Meiko Kaji), so heißt sie mit bürgerlichen Namen, ist genau wie die Braut und wie das schwedische Mädchen auf Rache aus. Den Blutzoll sollen drei Männer und eine Frau zahlen, die ihren Vater niedergemeuchelt haben und darüber hinaus noch dafür sorgten, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt dem Schock eben dieser vor lauter Agonie erlag.
Nun, wirklich besondere Worte kann man über diesen Film nun eigentlich nicht verlieren. Ganz nett, würde ich mal behaupten, aber mich hat er nun nicht gerade aus den Socken gehauen. Die simple Rachegeschichte schlägt dafür einfach viel zu viele Haken, die völlig unnötig sind. Dabei hätte man durchaus mehr aus der Geschichte herausholen können. Wackelige Kameraführung, einige mir völlig unverständliche Kameraschwenks, in einigen Nebenfiguren schrecklich klischeehaft überzeichnet und ein streckenweise grauenvoller Schnitt…da kommt bei mir nicht so recht Freude auf.
Es gibt wirklich nur wenige Sachen, die mir auf Anhieb gefallen haben. Die Szene an dem steinernen Küstenabschnitt als Yuki eines ihrer Opfer zur Strecke bringt. Und natürlich den von Meiko Kaji selber gesungenen Song. Aber den hört man ja auch in KILL BILL Vol. 1.
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#664
Geschrieben 08. April 2005, 23:07
Regie: Jonathan Demme
So ungefähr zwanzig bis dreißig Minuten braucht man schon um zu wissen auf welche Reise Jonathan Demme den Zuschauer mitnehmen will. Es erfordert schon einiges an Geduld und Konzentration die ganzen Informationen und Hintergründe so zu platzieren um sich nicht später völlig verwirrt die Frage zu stellen, was da sich da jetzt auf dem Bildschirm abspielt.
Hier spielt sich nämlich ein cleverer, wenn auch weit hergeholter Polit-Thriller ab, der vom technischen und formalen Standpunkt aus gesehen schon einmal allererste Sahne ist.
Maj. Ben Marco (Denzel Washington), ein Veteran aus dem ersten Golfkrieg, ist davon überzeugt, dass sein ehemaliger Untergebener, und jetziger Kandidat für das Amt des Vize-Präsidenten, Raymond Shaw (Liev Schreiber), eine Marionette des Großkonzerns Manchurian Global ist und wittert eine Verschwörung, die das Ziel hat, den gerade gewählten US-Präsidenten durch ein Attentat aus dem Weg zu räumen, um so ihren Mann an der Spitze der Regierung zu platzieren. Die Ausgangssituation des Films ist hierbei der Dreh- und Angelpunt der Inszenierung und des gesamten Spannungsbogens. Mithilfe hochmoderner medizinischer Gerätschaften wurde die Einheit von Marco so konditioniert, dass Shaw am Ende als Kriegsheld gefeiert wird und von da an den, von seiner herrschsüchtigen Mutter Eleanor Shaw (Meryl Streep) herbeigesehnten, politischen Weg einschlägt, der ihn an die Spitze der Regierung führen soll. Doch ganz gleich wie stark der Einfluss der modernen Medizin auf die Konditionierten gewirkt zu haben scheint, so kommen doch Träume über die wahren Geschehnisse immer aus dem Unterbewusstsein hoch. Während es Marco gelingt sich dem Zugriff zu entziehen, werden andere Soldaten der Einheit mithilfe verschiedenster behördlicher und nichtbehördlicher Mittel mundtot gemacht. Er hingegen hat nun mit dem Problem zum kämpfen, ob er wirklich an dem Golfkriegssyndrom leidet oder ob tatsächlich etwas hinter der Sache stecken könnte.
Demme trommelt im Grunde das gleiche Team von Profis, welches man schon in THE SILENCE OF THE LAMBS bewundern konnte, vor und hinter der Kamera zusammen und hält einen dann kontinuierlich, gut einhundert Minuten jedenfalls, bei der Stange. Ob es nun an dem komplizierten und so ziemlich in jede Richtung laufenden Plot liegt, dass es einige logische Ungereimtheiten gibt ist dabei ja noch zu verschmerzen, aber es ist leider betrüblich mit anzusehen, wie lange es Demme doch gelingt, sich diesem durch und durch amerikanischen Film so lange wie möglich zu entziehen, nur um dann vor dem Finale doch noch einen Pathos zu etablieren, der das spannende Ende etwas schmälert.
Nichtsdestotrotz ein stellenweise sehr mitreißender Thriller, der unheimlich Lust auf das Original von John Frankenheimer macht, welches ich nicht kenne und das die Bedrohung aus dem Filmtitel sogar geografisch wortwörtlich wiedergibt.
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#665
Geschrieben 10. April 2005, 10:08
Regie: Jerry Schatzberg
Vom gleichen Studio herausgebracht, aber in der Thematik völlig anders als THE FRENCH CONNECTION angelegt, beschäftigt sich dieser Film nicht mit einer Kriminalgeschichte, sondern mit dem Milieu und den darin lebenden Protagonisten direkt. Und zwar nicht mit den Drogencops, sondern den Süchtigen. Hat man beim beinahe alles überstrahlenden Film von William Friedkin manches Mal das Gefühl, und das soll jetzt gar nicht mal negativ klingen, es mit einer perfekten Showeinlage zu tun, was ich zum einen auf das charismatische Spiel der Darsteller und die Inszenierung im cinéma-verité-Stil zurückführe, so sehr überrascht bin ich von Schatzbergs zurückhaltender Inszenierung. Hier gibt es keine extravaganten Kamerapositionen, ausgefeilte Schnitttechniken oder gar eine dramatisch unterstützende Filmmusik. Schatzberg ist mehr an einer unangenehmen Schilderung von Einzelschicksalen interessiert. Dabei baut er in seiner Geschichte allerlei Ecken und Kanten ein, bei denen man wirklich unruhig auf seinem gemütlichen Sessel hin und herrückt. Ja, ich bin wirklich froh nicht in einen solchen Teufelskreis zu gelangen. Aber man sieht doch auch, wie blitzschnell man dort hinein gelangen kann.
Die Darsteller, allen voran natürlich Al Pacino und Kitty Winn, spielen sich dermaßen sensationell den Arsch ab, dass es eine wahre Freude ist. Man kann kaum die Augen vom Bildschirm nehmen, so sehr ist man davon gefesselt. Unglaublich die Szene, als Helen, gespielt von Kitty Winn, aus der Entzugsklinik zu ihren Freunden wiederkommt, in die sie ein Polizist gesteckt hat, und nur so tut als ob sie auf Droge sei. Wie da einerseits die Illusion der Schauspielerei im Film gegenüber den Zuschauer und ihr Verhalten gegenüber ihren Freunden gebrochen wird, fand ich spitze.
Darüber hinaus gibt es noch viele Storytwists und äußerst gelungen ausgespielte Szenen. Nicht gerade ein Film, den man sich oft ansehen kann, da er doch sehr an die Substanz geht, aber ein beachtliches Stück von modernem amerikanischen Kino ohne Sentimentalitäten oder gar Verharmlosungen des Sujets.
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#666
Geschrieben 11. April 2005, 20:32
Regie: Sergio Sollima
Nach einer Ewigkeit und bestimmt mehr als drei Tagen habe ich mich mal wieder einem Italo-Western anvertraut und wurde einerseits vom “Gehetzten der Sierra Madre“ nicht enttäuscht, aber auch nicht so mitgerissen, wie ich das zuerst erwartet hätte. Immerhin ist hier Sergio Sollima am Drücker und dessen Handvoll Filme, die ich bis jetzt sehen konnte, fand dich doch sehr, sehr unterhaltsam. Das ist bei diesem zwar nicht anders, doch leider fehlt es dem Film an dem gewissen Quäntchen an Extravaganz um mich in Verzückung bringen zu können.
Jonathan Corbett (Lee van Cleef) verdingt sich seinen Lebensunterhalt als Kopfgeldjäger und nimmt den Auftrag eines Industriellen an, der ihm ermöglicht den Posten eines Senators in Washington zu erkaufen, einen Mexikaner zu suchen, der ein junges Mädchen geschändet und anschließend umgebracht haben soll. Nun entwickelt sich zwischen Corbett und dem Mexikaner Cuchillo (Tomas Milian) ein ständiges Katz- und Mausspiel bei dem der schlitzohriger Latino es immer wieder schafft, sich dem Zugriff Corbetts zu entziehen. Diese Szenen machen gut eine Stunde des Films aus und es macht durchaus Laune dem beizuwohnen auch wenn man weiß, dass Cuchillo ganz eindeutig unschuldig ist.
Es ist schon eine Freude Milian und van Cleef beim Spielen zu zuschauen. Grandios als van Cleef in dem Bordell ordentlich von Huren u. Freiern vermöbelt wird oder Milian von den Ranchmitarbeitern, deren Chefin sich vorher noch mit Cuchillo im Bett vergnügt hat, in den Schweinedreck geschmissen wird. Den Erich-von-Stroheim-Verschnitt Baron von Schulenberg und den messerwerfenden Mönch sollte man an dieser Stelle auch noch erwähnen.
In solche und andere Situationen werfen Sollima und Co-Autor Sergio Donati die beiden Protagonisten noch häufiger, aber optisch so richtig glanzvoll ist der Film leider nur in zwei Momenten. Darüber hinaus ist aber wieder mal witzig herauszufinden, welche Nebendarsteller aus anderen Western sich hier wieder die Klinke in die Hand geben.
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#667
Geschrieben 13. April 2005, 18:43
Regie: Sergio Sollima
Es wurmt mich ein wenig nicht zu einer abschließenden Meinung zu dem wohl interessantesten Western in der formidablen, von Koch Media veröffentlichten, Box zu kommen, da nämlich zu lesen ist, dass es sich zwar um eine ungekürzte Kinofassung handelt, aber Sollima auf Druck des Produzenten immer noch mehr als zwanzig Minuten aus dem Film herausschneiden musste. Diese Schnitte machen sich im Film sehr bemerkbar, da sie ihn unfreiwillig zur Episodenhaftigkeit degradieren. Doch Sollimas Vorhaben als solches, ist noch immer erkennbar.
Der lungenkranke Geschichtsprofessor Brad Fletcher (Gian Maria Volonté) reist der Gesundheit zuliebe nach Texas um sich in der trockenen Luft auszukurieren. Eine Rückkehr in sein soziales Umfeld nach Boston schließt er aus. Die Begegnung mit dem verwundeten Banditen Solomon „Beauregard“ Bennet (Tomas Milian), der ihn als Geisel nimmt, bringt aber das Leben zurück in seinen Körper. Er ist nicht nur von der Person des Outlaws fasziniert, sondern auch von dessen Taten und Grundeinstellung zum Leben. Zunächst etwas geistesabwesend, schließt er sich Solomon an, der eine neue Bande gründen will und sich kurz darauf in sein Versteck flüchtet.
Nach LA RESI DEI CONTI wird auch in “Von Angesicht zu Angesicht“ deutlich, dass Sollima nicht gewillt ist mit platten Genrekonventionen zu arbeiten. Mag der Vorgänger mit seiner doch recht einfach anmutenden Geschichte vom Kopfgeldjäger, der einen Mörder und Vergewaltiger jagt, noch ganz eindeutig dem Genre des Westernfilms zu zuordnen sein, so stellt hier Sollima das gängige Schema völlig auf den Kopf. Der gebildete Professor übernimmt mehr und mehr die Kontrolle über die Bande des Outlaws und nimmt sich seine Bedürfnisse wie er sie gerade braucht. Der Outlaw hingegen ist ob der Taten seines Gegenübers angewidert, obwohl diese sich gar nicht so sehr von seinen früheren unterscheiden.
Dann gibt es auch noch den Doppelagenten Siringo (William Berger), der den Auftrag hat Beauregard und seine Bande auszuschalten. Um seine Deckung zu wahren nimmt er auch den Tod unschuldiger Menschen auf.
Ein ziemlich außergewöhnlicher Western, dem die immer noch vorhandenen Kürzungen leider etwas geschadet haben.
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#668
Geschrieben 15. April 2005, 10:55
Regie: Bryan Singer
Bei diesem Film handelt es sich um eine doppelte, wenn nicht sogar dreifache, Verarschung. Eine äußerst methodische, präzise und aus diesem Grunde, an, von der Handlung ablenkenden, Nebenattraktionen leider recht arme Krimifarce. Ein ziemlicher Geniestreich, der wohl ganz alleine Drehbuchautor Christopher McQuarrie zu zurechnen ist, wenn man sich vor Augen führt, dass Bryan Singer sich im Dschungel der Comic-Filmadaptionen verloren hat. Der hatte meiner Meinung nach das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mit McQuarrie vorher schon einen Film gemacht zu haben. Warum McQuarrie nun keine Drehbücher mehr schreibt…?
Ich schreibe das jetzt hier größtenteils für mich, also rate ich jedem, der den Film noch nicht gesehen hat und dem das Verraten des Filmendes ganz gehörig gegen den Strich geht, jetzt das Lesen des Beitrags abzubrechen.
Mit der Figur des Verbal Kint, kongenial von Kevin Spacey gespielt, hat McQuarrie sicherlich den größten Lügenbold des amerikanischen Kinos der 90er Jahre auf die Zuschauer losgelassen. Übrigens nicht nur auf die Zuschauer alleine, sondern auch auf die Figuren in der Geschichte selbst und darin liegt die doppelte bzw. dreifache Verarsche begraben. Es ist jetzt eine Sache ob die Filmemacher nur daran interessiert sind, das Publikum an der Nase herumzuführen, aber wenn eine Filmfigur wie Verbal Kint dazu geschaffen wurde, das Publikum, seinen Verhörer, den Zollbeamten Dave Kujan (Chazz Palmentieri), seine vier kriminellen Kollegen und so ziemlich jeden anderen auf der Welt etwas vorzuspielen, dann sollte man sich doch ein klein wenig intensiver mit so einer Geschichte beschäftigen.
Da sitzt nun der dümmliche Krüppel Verbal, einer von zwei Überlebenden eines Massakers im städtischen Hafen, in einem Büro der Polizei der Stadt San Pedro und dichtet sich eine kühne Story zusammen. Wie er und vier andere Kriminelle von der Polizei in New York eingelocht und verhört wurden, um dann, nachdem sie aus dem Gewahrsam entlassen wurden, sich an dieser mit einem Raub zu rächen und dann an die Westküste fliegen, wo sie schließlich einen Auftrag des sagenumwobenen Gangsterbosses Keyser Söze gezwungen sind anzunehmen.
Verbal Kint, der wie sich ja am Ende herausstellt, ein Meister darin ist, seinen Zuhörern gehörig Sand in die Augen zu streuen, reimt sich seine Geschichte, seine Version der Geschehnisse, die vielleicht so passiert sind, zusammen und schmückt sie ordentlich aus.
Es ist auf den ersten Blick verwirrend, wenn selbst Verbals Kumpane in der Sache den Anwalt Keyser Sözes (Pete Postlethwaite) Kobayashi nennen oder, gerade erst in L. A. angekommen, einen Deal für Redfoot erledigen. Und dann auch noch die Fabel um den türkischen Verbrecherkönig Keyser Söze.
Wie Verbal Dave Kujan mit seiner Geschichte in den Bann gezogen hat, dieser verlangt schließlich von ihm „Convince me. And tell me every last detail.“, so hat auch McQuarrie den Zuschauer förmlich an den Eiern. Im Nachhinein wird aber auch klar, dass Verbals komplexe, fast von vorne bis hinten erstunkende und erlogene, Geschichte am seidenen Faden gehangen hat. Nicht nur blitzt manches Mal die Wahrheit oder eine Zweideutigkeit auf (z. B. in der Art wie Spacey seine Rolle in bestimmten Momenten spielt), auch droht Verbals facettenreiche Unternehmung zweimal beinahe zu scheitern. Einmal als McManus (Stephen Baldwin) die Waffe gegen den Anwalt „Kobayashi“ richtet und als das Fax mit dem Phantombild Keyser Sözes bei der Behörde ankommt.
Und wieso erzählt Verbal Kint nun eine so komplexe Geschichte ohne sich dabei auch noch in Widersprüche zu verstricken? Um die Aufmerksamkeit von sich zu lenken. Am Ende frisst ihn Kujan aus der Hand. Zumindest bis die Auflösung der Geschichte folgt.
Für mich sicherlich einer der besten Filme, die in den 1990er Jahren aus den USA kamen. Gemessen an dem mehr als geringen Budget von fünfeinhalb Millionen Dollar, ist das was da auf die Leinwand gebracht wurde ein absolutes Wunderwerk von erstklassiger Regiearbeit, formidabler Schauspielkunst, der natürlich ein vernünftiges Casting vorausging und das Vertrauen in eine tolle Story und deren anders kaum vorstellbaren Umsetzung.
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#669
Geschrieben 17. April 2005, 10:39
Regie: Curtis Hanson
Den hier habe ich mittlerweile auch schon bis zur Vergasung gesehen, aber, hey, der Streifen macht immerhin ungeheuer viel Laune und ist für mich so etwas wie die Spitze eines Dreigestirns von hervorragenden Filmen, die im selben Jahr wie dieser, die amerikanischen Kinos heimsuchten.
Wie bemerkt der gute Sid Hudgens (Danny De Vito), Herausgeber des auf allerlei Verfehlungen aufstrebender und etablierter Stars spezialisierten Hush-Hush-Magazine, im Vorspann des Films, unterlegt mit Postkartenansichten der Stadt Los Angeles, ganz richtig: man verkauft ein Image übers Radio, Fernsehen und das Kino. Das verkauft im Prinzip fast jeder der Charaktere, die diesen Film bevölkern. Ich glaube es gibt vielleicht nur zwei Figuren, die man als eindimensional bezeichnen kann. Der Rest verbirgt entweder seinen wahren Charakter vor den Augen des Zuschauers und somit gegenüber den anderen Figuren oder macht im Verlaufe der Story eine Verwandlung durch.
Mit außerordentlich viel Grandezza und Sinn für schöne Bilder inszeniert, scheut Hanson auch nicht davor, wenn er ordentlich Sleaze und übermäßige Härten in der Story einbringt. Die messerscharfen Dialoge zeichnen sich durch eklige Zweideutigkeit und eine gehörige Portion Zynismus aus, wohingegen die brutalen Aktionen von Polisten und Verbrechern von einer geradlinigen Kompromisslosigkeit zeugen. Da stopft der Frauenbeschützer Bud White (Russell Crowe) den Kopf des schmierigen Staatsanwalts, der sich vorher noch angeödet über seinen Bettgesellen geäußert hat, mehrmals in die Toilette oder Ed Exley (Guy Pearce) ballert im Finale ohne Rücksicht auf Verluste, auf zwei schon am Fuß verletzte Gangster.
Neben den beiden Australiern Pearce und Crowe sind sich Kevin Spacey als lässige Dean-Martin-Kopie und Kim Basinger als Veronica-Lake-Kopie sicherlich die Hauptattraktionen dieses Films. Doch auch die kleinen Nebenfiguren wie Pierce Patchettt (David Strathairn) und Stansland (Graham Beckel) wissen in ihren kurzen Auftritten Eindruck bei mir zu hinterlassen. Von James Cromwell als Cpt. Dudley Smith will ich erst mal gar nicht anfangen.
Obwohl ich den Film nun schon sehr oft gesehen habe, ist mir heute im Abspann das erste Mal der Name Pablo Ferro aufgefallen, der die Schrifttypen des Vorspanns entworfen hat. War mir dessen nicht bewusst, weil sie nicht, wie sonst bei ihm eigentlich erkennbar, langgezogen waren.
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#670
Geschrieben 18. April 2005, 14:02
Regie: Eli Roth
Nach noch nicht einmal fünf Minuten schon angenervt. Nach sieben weiteren Minuten dann ausgemacht.
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#671
Geschrieben 18. April 2005, 14:03
Regie: Luchino Visconti
Im Nachhinein bin ich doch froh nicht die teure Edition sondern nur die 1,70-€-Discountvariante erstanden zu haben, denn sonderlich gefallen konnte mir Viscontis großangelegtes Epos einer sizilianischen Familie und ihres patriarchalischen Oberhauptes nämlich nicht. Dabei empfand ich ihn jetzt gar nicht mal so aufdringtlich oder sonderlich bieder, aber wenn ich ihn zum Beispiel mit dem zehn Jahre älteren MORTE A VENEZIA vergleichen würde, dann tun sich da für mich schon Abgründe auf.
Wie ich letztens noch in der Dokumentation über C’ERA UNA VOLTA IL WEST erfahren habe, war dieser Film ein veritabler Flop für Visconti und das Ende des Neorealismus im italienischen Kino, so ähnlich wie etwa Michael Ciminos HEAVEN’S GATE zwanzig Jahre später in Hollywood. Woran das liegt kann ich nicht sagen, aber wenn es nach mir geht, dann braucht der Film ewig lange bis er auf den Punkt kommt. Gewiss, Kameraarbeit, Schauspieler, Inszenierung sind perfekt, aber mich beschlich manches Mal so das Gefühl, als ob Visconti an der gleichen Lethargie leidet, wie die von Burt Lancaster bravourös verkörperte Titelfigur.
So schön es außerdem auch noch ist einige andere Darsteller in dem Film zu Gesicht zu bekommen, die in einigen Jahren ein reichhaltiges Betätigungsfeld im Spaghetti-Western haben werden, so erschrocken war ich doch, die hier ziemlich hässlich aussehende Claudia Cardinale zu erblicken.
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#672
Geschrieben 19. April 2005, 22:12
Regie: Takashi Miike
Da ist mir gestern zu später Stunde doch glatt meine Verleih-DVD von "The City of Lost Souls" im Player verreckt. So was kann ich ja nun schon gar nicht ab. Das ist schon deswegen schlimm, weil mir der Film zwar überhaupt gar nichts mitzuteilen hatte, aber es so ungeheuer lässig und unterhaltsam schaffte, mich fünfzig Minuten auf den Sessel zu fesseln.
Heute Nachmittag landete als ausgleichende Gerechtigkeit dann noch mal "Graveyard of Honor" im Player und so war die Welt wieder in Ordnung. Zumindest auf dieser Seite des Videoschirms. Auf der anderen ging es dafür ordentlich drunter und drüber, dass es mich doch mehrere Male heftig zusammenzucken ließ.
Rikuo Ishimatsu (Goro Kishitani) schafft es wortwörtlich vom Tellerwäscher zum Yakuza. Dazu ist nur ein Holzstuhl nötig, den er einem Killer über den Kopf zieht, der in dem Lokal in dem Ishimatsu arbeitet, einen Yakuza-Boss erledigen will. Schon darf der aufbrausende Ishimatsu mit dem Yakuza-Boss Sake trinken, zieht sich aber von einigen älteren Kollegen Missgunst zu, die lange dafür „gearbeitet“ haben um den Aufstieg in der Organisation zu schaffen. Doch es ist nicht lange Eitel Sonnenschein. Ishimatsu wittert Verrat, als er von seinem Boss um eine hohe Summe Geld bittet (man erfährt später, dass er damit das Etablissement kaufen wollte, in dem seine Frau arbeitet), ihm aber gesagt wird, dass dieser sich mit seiner Geliebten in einem Badeort zurückgezogen hat (in Wirklichkeit war der Boss aber mit Schmerzen beim Zahnarzt). Ishimatsu rastet aus und greift das Oberhaupt eines anderen Syndikats an. Für diesen Übergriff verfällt er in Ungnade und taucht mit Hilfe eines Knastkollegen mit seiner Frau unter.
Ich glaube es ist nicht untertrieben zu sagen, wenn man feststellt, dass der Charakter des Ishimatsu sein Leben auf der Überholspur verbringt. Alles was er tut, tut er konsequent, aber dabei nicht nur mit einer selbstzerstörerrischen Arroganz. Er reist auch andere mit in den Abgrund.
Es ist schon ziemlich bitter, wenn jede Aktivität Ishimatsus nur auf einen Irrtum zurückzuführen ist. Das weiß nicht er, aber der Zuschauer. Die Eindrücke, die man während des Films aufnimmt sind durch die phänomenalen Bilder und den intensiven Darstellerleistungen erschreckend direkt. Sie drängen sich zwar immens auf, aber schrecken vor der letzten Konsequenz auch nicht zurück.
Und was Goro Kishitani als Darsteller leistet kann man erst gar nicht hoch genug bewerten. Was er als die Filmfigur Ishimatsu leistet, ist natürlich in jeglicher Hinsicht spektakulär, aber in den wenigen Momenten von Ruhe macht er seinen Körper, vor allen sein Gesicht, zum Spielball von Miikes Inszenierung. Doch der ruht sich nicht alleine auf ihn aus. Wahnsinn!
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#673
Geschrieben 21. April 2005, 22:15
Regie: Alfred Hitchcock
In der Mitte ziemlich einschläfernd, aber ansonsten inhaltlich herausragend.
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#674
Geschrieben 23. April 2005, 18:03
Regie: George Roy Hill
Das ist mal wieder perfekte Samstag Nachmittag Unterhaltung. Ja okay, man sollte bei so einem schönen Wetter natürlich lieber draußen sitzen, aber wenn man mit dem Schwager mal eben drei Stunden Holz gesägt hat, dann ist man irgendwo auch erst einmal von der Sonne bedient. Dann lässt man sich gerne von so einem routiniert abgedrehten Film, bei dem die Darsteller mit sichtlicher Spielfreude agieren, doch sehr gerne zwei Stunden unterhalten.
Stören tut es mich zwar nicht sonderlich, aber die seltsame Optik des Films, die viele Szenen in gleichbleibender Schärfe ausspielt, war seinerzeit im amerikanischen Kino wohl eher nicht Gang und Gäbe. Das hat aber wohl auch mit der historischen Einordnung des Films in die Zeit der Großen Depression zu tun. Auch die Wischblenden fand ich ganz hübsch, auch wenn sie eigentlich keine besonderen Zweck zu erfüllen haben. Ganz überraschend war in einer Szene zu beobachten, wie der Film für den Bruchteil einer Sekunde eine Kamerafahrt rückwärts rasend schnell beschleunigt. In der heutigen Zeit wird das ja dermaßen verschwenderisch eingesetzt, so dass es nichts mehr Besonderes zu sein scheint, aber hier in dieser Situation passte es doch hervorragend. Ausstattungstechnisch ist dieser Studiofilm wieder mal erste Sahne.
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#675
Geschrieben 25. April 2005, 16:26
Regie: Philip Kaufman
Die Junginspektorin Jessica Shepard (Ashley Judd) gerät mehr und mehr ins Visier der Ermittlungen der Polizei von San Fransisco, als ihre One-Night-Stands ermordet aufgefunden werden. Das Gesicht ist übelst zermatscht und auf den Handrücken der Opfer finden sich immer Brandwunden von ausgedrückten Zigaretten. Sie selbst ist sich nicht sicher, ob sie nicht doch die Mörderin ist, denn ihr promiskuitiver Lebensstil, vor allem ihr reichlicher Alkoholkonsum sorgt dafür, dass sie einen Blackout nach dem anderen hat und danach die Leichen auftauchen.
In den ersten zwanzig Minuten habe ich fast befürchtet es hier mit einem knallharten feministischen Statement zu tun zu haben. Eine sehr ausführliche Exposition, die nicht nur den Charakter der Polizistin ausführlich vorstellt, sondern auch die anderen Figuren in den Story platziert, was bei gerade einmal neunzig Minuten Spielzeit sehr viel ist. Es ist allerdings sehr bitter, wenn man aus der an sich guten Story, nur noch in der Lage ist einen halbseidenen Thriller mit ziemlich gelangweilten Darstellern (Andy Garcia, Samuel L. Jackson) zusammenzimmert. Klischeehaft ist da noch die mildeste Untertreibung.
Aber es gibt auch einige positive Sachen zu vermelden. Wie in INASION OF THE BODY SNATCHERS hat Kaufman auch hier wieder ein gutes Auge für interessante Locations in San Fransisco. Die Momente in denen Ashley Judd unter Alkoholeinfluss steht, sind in filmischer Hinsicht natürlich keinerlei Neuland, immerhin aber die einzigen Ausbrüche aus der Konventionalität. Fast könnte man meinen, man befindet sich im Kopf einer Person, die die Handlung träumt, aber dieser Weg wird niemals ausgeführt. Die Geschichte in einer völlig geschlossenen Welt, so das kaum einmal ein Gefühl des Mitfieberns zu mir nach draußen dringt. Es ist mehr das übliche Spiel vom Vorstellen von möglichen Verdächtigen und falschen Fährten bis man die Katze dann nach achtundsiebzig Minuten aus dem Sack lässt. Der Grund für das ganze ist, sagen wir es mal vorsichtig, seltsam. Der Film ist zwar nichts für den hohlen Zahn, sondern eher routinierte Thrillerkost. Nicht mehr, nicht weniger.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#676
Geschrieben 27. April 2005, 16:00
Regie: John Carpenter
John Carpenter und die Langsamkeit. Die finde ich bei ihm äußerst sympathisch. Im Zeitalter von Schnittorgien solch Schlaftabletten wie GHOSTS OF MARS herauszuhauen ist schon äußerst gewagt. Gut zwanzig Jahre vorher hat der gute Mann nämlich nichts anderes gemacht. Das fängt mit seinem Erstling ASSAULT ON PRECINCT 13 an und zieht sich dann quer durch alle seine Filme. Was natürlich automatisch den Blick auf die Charakterisierung seiner Figuren lenkt. Und da ist Carpenter schon sehr oft aufs Glatteis geraten.
In dieser Adaption des gleichnamigen Stephen-King-Romans verguckt sich der scheue Arnie Cunnigham (Keith Gordon) in einen roten 58er Plymouth Fury, der fortan nur die schlechten Seiten seiner Persönlichkeit verstärkt. Mit Hilfe des Wagens schafft er es nämlich gegenüber seinen herrschsüchtigen Eltern aufzubegehren und denen einen Denkzettel zu verpassen, die ihn in der Schule ständig fertigmachen.
Für gut vierzig bis fünfzig Minuten geht Carpenters Inszenierung des Porträts des unsicheren Arnie, der mit Hilfe des mysteriösen Autos eine gehörige Portion Selbstbewusstsein abbekommt, auf. Für ihn zählt nur noch das Auto. Fast nichts ist ihm noch wichtiger. Weder sein bester Kumpel oder seine Freundin, geschweige denn die eigenen Eltern. Doch die Glaubwürdigkeit der Story leidet zusehends in der zweiten Hälfte was durch das behäbige Tempo nur noch verstärkt wird. Man merkt wie Carpenter hier die Aufmerksamkeit für die Figuren manches Mal völlig aus den Augen verliert. Ganz offensichtlich hatte er hier Angst vor der eigenen Courage bekommen und wollte lieber sein Publikum mit dem Horror bedienen, der ihn einst so erfolgreich gemacht hat. Von Horror ist leider weit und breit nichts zu sehen. Nur ein Erstaunen, wenn plötzlich das Auto ein Eigenleben zu führen scheint. Das ist schade, zumal der Film ansonsten sehr schick fotografiert worden ist und mich in einer Szene an den Videoclip zu Radioheads „Karma Police“ erinnert hat.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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#677
Geschrieben 29. April 2005, 15:14
Regie: Steve Beck
08/15-Horrorthriller der weder mit besonders Gespür für Atmosphäre, Schauspielerführung oder Story heruntergekurbelt worden ist. Entweder man versucht den fehlenden Inhalt mit Ironie zu kaschieren oder mit miserablen Effekten von der Inhaltslosigkeit abzulenken.
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#678
Geschrieben 30. April 2005, 15:48
Regie: Brian De Palma
Nach immerhin neun Jahren kann man sich jetzt schon einmal die ernsthafte Frage stellen, inwieweit man dieses Tom-Cruise-Vehikel eigentlich zum Gesamtwerk De Palmas zuordnen möchte. Ist das überhaupt ein Brian-De-Palma-Film? Beinhaltet er die Themen, die er seit Anfang der 70er immer wieder aufgegriffen hat und verdient er daher diese Bezeichnung überhaupt? Alle diese Antworten kann ich mit „Ja!“ beantworten.
Einmal von dem zugrundeliegenden Plot abgesehen, welcher dem Spionagefilm-Genre zugerechnet werden muss, ist der Film voll mit den Sachen, die man in so ziemlich jeden Thriller von De Palma davor und auch danach ausmachen konnte. Die Verspieltheit mit allerlei technischen Gadgets, Verschleierung von Identitäten und deren finale (wortwörtliche) Demaskierung, die Kontrolle des Bildausschnitts, das Etablieren von langen Plansequenzen, sorgfältige Auswahl von Drehorten etc. pp.
Macht das nun wegen Tom Cruise, um dessen Figur Ethan Hunt sich ja diese gesamte Filmhandlung dreht, aber auch noch einen guten Thriller aus? Jein, weil De Palma in so manchen Situationen die Kontrolle entgleitet. Entweder sind wichtige Informationen aus den Film im Entschnitt eliminiert worden oder aber die Dinge, welche die Charaktere zu ihren Schlussfolgerungen bringen, können filmisch kaum dargestellt werden. Es gibt auch hier und dort die eine oder andere physikalische Unmöglichkeit, aber immer wenn es darum ging Naturgesetze aus den Angeln zu heben, war sich das Kino ja nie zu schade dafür.
Wie kommt zum Beispiel die Ratte in das Belüftungssystem der CIA-Zentrale in Langley? Die müsste ja eigentlich ständig den Alarm auslösen, wenn sie über den, mit einem Lasergitter bewährten, Einstieg des Computerraums tippelt. Nun, immerhin ist sie ja für eine ziemlich atemberaubende Spannungsspitze verantwortlich, von daher ist ihre bloße Anwesenheit und auch ihr herausgeschnittener Tod zu verschmerzen. Selbst das Auffangen der Schweißtropfen, die über Hunts Brille abperlen, dürfte eigentlich zu einer Gewichtsverlagerung führen und ihn so, den mit Drucksensoren ausgestatteten Boden, berühren lassen.
Von den unlogischen Aspekten jetzt mal abgesehen, muss ich immer erfreut feststellen, wie hervorragend De Palma „seinen“ Film bis in die kleinste Nebenrolle besetzt hat. Besonders bemerkenswert ist hier sicherlich Vanessa Redgrave in der Rolle des Waffenhändlers Max hervorzuheben. Das ihre Besetzung eine Verbeugung vor Michelangelo Antonionis BLOW-UP sein soll, dürfte wohl kaum zu übersehen sein. Außerdem weiß mich Danny Elfmans sehr percussionorientierte Filmmusik, die das Originalthema von Lalo Schifrin clever einbezieht, immer wieder zu begeistern.
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#679
Geschrieben 02. Mai 2005, 21:22
Regie: Alexandre Aja
Das ist einer jener Filme bei denen das Diskutieren über sie viel mehr Spass macht, als sie sich anzuschauen. Und da ist der Hund auch schon begraben. Oder der Knackpunkt für mich, der mir bei der heutigen Sichtung durch den Kopf ging.
Wenn man sich den Film einmal angesehen und ihn auch verstanden hat (was ich jetzt einmal von mir behaupten kann), was bringt es dann noch ihn mehr als zweimal anzuschauen? Denn erstens kreist der Film ja um ein Figurendreieck und, zweitens, wartet jetzt auch nicht gerade mit einem allzu abwechslungsreichen Aufbau auf, der einen bei einer wiederholten Sichtung noch einmal mitreißen könnte. Dafür sind die Eindrücke, die sich beim ersten Mal aufbauen viel zu direkt und unmittelbar, als das sie einen noch einmal überraschen könnten.
Damit möchte ich den Film jetzt nicht Schlechtreden, denn das ist er keineswegs, nur stellt sich bei nicht mehr derselbe Schauer wie z. B. bei THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE ein, in dessen Liga er mitspielen will. Gewiss die Story ist ungeheuer clever aufgebaut und mit genügenden und sehr deutlichen Hinweisen ausgestattet worden (das Gespräch im Auto, nachdem Marie aufgewacht ist), so daß eigentlich nur noch die formale Umsetzung des Ganzen diskussionswürdig wäre.
Der Schnitt ist tadellos, in den deftigsten Momenten genau so angesetzt, dass man nicht jedes grässliche Detail erkennen muss. Kamera- und Schauspielerführung unterwerfen sich gänzlich der Erzählung der Story. Es wird fast ausschließlich auf Bildinhalt Wert gelegt, so dass man kaum Leerlauf mit Nebensächlichkeiten zu befürchten hat. Ich hatte das Gefühl es hier mit einem sehr körperlichen Film zu tun haben. Das beziehe ich zum einen darauf, wie die Darsteller mit sich selbst und untereinander umgingen, und wie sie im Kamerabild eingefangen wurden. Der Elektrosoundtrack mit seinen tranceartigen, als auch hämmernden Klangelementen, grub sich mir bei dieser zweiten Sichtung viel stärker ins Gehör.
Wer auf eine Auflösung hofft, dem empfehle ich den Beitrag von Fabse. Da steht einiges über die sexuelle Motivation der Hauptfigur drin, dem ich zustimmen möchte, aber er hat noch genug Geheimnisse zum Entdecken offengelassen.
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#680
Geschrieben 04. Mai 2005, 22:12
Regie: Darren Aronofsky
Lange vor mich hergeschoben, aber dann jetzt doch endlich mal gesehen. Dabei kenne ich den Nachfolger REQUIEM FOR A DREAM schon seit gut drei Jahren. Dieser profitierte ja schon davon, das er von einem kleinen Studio produziert wurde, aber dieses Erstlingswerk, völlig unabhängig produziert, hat bei mir ebenso wuchtig eingeschlagen, wie seinerzeit der Nachfolger.
Maxmilian Cohen (Sean Gulette) hockt ständig in seiner kleinen Wohnung im Stadtteil Chinatown von New York und versucht besessen genau dasselbe, was viele Gelehrte und Wissenschaftler auf der ganzen Welt schon Jahrtausende vor ihm vergeblich versucht haben zu ergründen: seine Umwelt nur anhand mathematischer Formeln zu verstehen, im Endeffekt sogar so zu fühlen. Eine ziemlich nüchterne Lebenseinstellung, die der gute Max da hat. Im Verlauf des Films setzt Aronofsky die verschiedensten Kniffe ein, um Max das Leben buchstäblich zur Hölle zu machen. Isolation, Paranoia, Halluzinationen. Alles äußerst dankbare Stilmittel für einen Thriller, der formal ziemlich famos umgesetzt worden ist. Jedes Bild springt mich dabei wie eine Raubkatze an. Zwar hat solche Thriller mittlerweile ziemlich oft vorgesetzt bekommen, aber dieser hier sägt ziemlich hartnäckig am Sockel von Filmen wie THE CONVERSATION oder TAXI DRIVER. Alles Filme über einsiedlerische, junge weiße Männer, die sich von ihrer Umgebung abschotten und äußerst gestresst reagieren, wenn sie Kontakt zu anderen Menschen pflegen müssen, die ihnen in irgendeiner Art und Weise fordernd gegenüber treten. In ihrer Profession würde man sie aber wohl als Koryphäen bezeichnen.
Womit wir auch schon bei meinem Angstthema Mathe angelangt werden. War mir und wird wird wohl immer verschlossen bleiben, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man ohne die Mathematik wohl nicht das „Leben“ hätte, welches man nun hat. Es hat mir sehr gefallen, wie Aronofsky den Charakter des Max, der seine Heldenverehrung für Pythagoras und ? offen auslebt, so konditioniert hat, dass ihm bei den komplexesten Formelbearbeitungen jedes Mal wortwörtlich der Schädel brummen tut. Hände zittern. Also schnell mal ein paar Pillen einwerfen und wieder ran die Arbeit. Wenn da nur nicht zwei Fraktionen wären, die Max, der ja eigentlich mit niemanden etwas zu tun haben will, den Mund wässerig machen. Einmal der superduper leistungsfähige Chip der Wall-Street-Mitarbeitergruppe, mit dem er seine Arbeit nach einem Reinfall wieder aufnehmen kann oder die jüdische Kirchengruppe, die ihm anhand des hebräischen Alphabets, ein „plausibles“, innerhalb mathematischer Gesetzmäßigkeiten wohlgemerkt, System aufzeigt.
Ein sehr gut gefilmter und gespielter Psychothriller, der viel Geist aus dem Kino der 70er Jahre atmet und es in eine zeitgemäße Inszenierung zu verpacken versteht. Jede nachfolgende Sichtung dürfte wohl zu weiteren Entdeckungen führen, vom eigentlichen Vergnügen mal abgesehen.
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#681
Geschrieben 05. Mai 2005, 16:33
Regie: Mark Pellington
Ein Film über Terrorismus in Amerika, der nicht mit einem Bilderkanon des gängigen Katastrophenfilmschemata aufwartet, sondern sein Thema in ein Thrillerkonzept einzubinden versucht. So könnte man diesen Film in einem Satz beschreiben. Nach dem 11.09.2001 haben ja viele der große Effektfilme einen ziemlich bitteren Beigeschmack erhalten. Munter knallten Meteoriten in die Wolkenkratzer der Skyline von New York oder wurde das Weiße Haus von einem Energiestrahl eines außerirdischen Raumschiffs vernichtet. Ja, an solch vermeintlich unschuldigen Bildern hatte man bis zu diesem Datum wahrlich seine helle Freude, bis sich jemand von diesen Bildern hat inspirieren lassen. Das waren arabische Terrorristen, doch hier kommt der Feind aus dem eigenen Land.
Während man sich sicher sein kann, dass man es beim islamistischen Terror mit einem durchorganisierten Netzwerk zu tun hat, so spricht man, wenn es Amerikaner sind, immer von einem Einzeltäter. Er hat alles selbst geplant und auch selbst durchgeführt. Das wurmt Michael Farraday (Jeff Bridges), der an der Universität von Washington einen Kurs in Amerikanischen Terrorismus abhält. Er ist verbittert. Seine Frau, eine Beamtin des FBI, ist vor einigen Jahren bei einem Einsatz ums Leben gekommen und er fühlt sich von der Regierung ob seines Verlustes im Stich gelassen. Dieses Ereignis nimmt nicht nur ihren gemeinsamen Sohn Grant schwer mit, sondern belastet auch seine intime Beziehung zu einer jungen Studentin sowie zu einem ehemaligen Arbeitskollegen seiner Frau. Doch sein Leben gerät immer mehr aus den Fugen, als ein gewisser Oliver Lang (Tim Robbins) und dessen Familie im Haus gegenüber einziehen. Dessen Sohn liest er zu Beginn des Films schwer verletzt auf der Straße auf. Dann wundert er sich, warum sein Nachbar in seinem Arbeitszimmer Baupläne von großen Gebäuden ausliegen hat. Völlig perplex reagiert er, als er herausfindet, dass der Name seines Nachbars nicht sein wirklicher ist.
So ca. achtzig Minuten bekommt man einen unglaublich facettenreichen und sehr gut ausgearbeiteten Film zu sehen, der dann in seinem Tempo leider merklich anzieht. So als ob man dem Zuschauer versichern will, dass man es hier tatsächlich mit einem Thriller zu tun hat. Das ist schade, denn die bis dato aufgebaute Logik innerhalb des Films wird mit dem zunehmenden Tempo einige Male auf eine harte Probe gestellt. Angst vor der eigenen Courage? Bleibt nur noch die Frage, ob die reale Paranoia, mit welcher der Film beworben wird, entweder den Regisseur oder den Drehbuchautor gepackt hat. Diese Momente der Verzweiflung, von Jeff Bridges hervorragend dargestellt, wirken in ihrer schnellen Abhandlung nämlich kontraproduktiv. Nicht nur Michael Faraday ist verwirrt, sondern auch ich als Zuschauer. Das liegt aber nur daran, weil der Regisseur nicht mehr gewillt ist weitere Informationen preiszugeben. Das rächt sich dann auch an einer Stelle im Epilog.
Auf dem Höhepunkt der Story, dem Aushängeschild des gesamten Films aber, macht Pellington alles richtig. Da packt er ganz tief in die Trickkiste und lässt ein wahres Inferno an technischen Kniffen los. Zeitlupe, Lichtspielereien, finstere Klangkulisse…das passt. Zum Schluss überwiegen trotz einiger Ungereimtheiten, aber die positiven Aspekte und mir gefällt der Panasch der Macher, diesen Mainstream-Film so enden zu lassen wie er es tut.
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#682
Geschrieben 05. Mai 2005, 22:44
Regie: Howard Hawks
Howard Hawks’ Monumentalfilm ist auf der einen Seite ein visuelles Spektakel par excellance, da er die noch junge Technik des Cinemascope in seinen Massenszenen brillant einzusetzen versteht, auf der anderen Seite ist er aber auch ein unglaublich einfältig geschriebenes und daher unfreiwillig komisches, weil ernst gemeintes, Drama.
Ganz lebendig ist mir die Erinnerung an Martin Scorseses Behauptung in seiner Dokumentation über das amerikanische Kino, dass man hier sehen kann, wie die alten Ägypter lebten, an was sie glaubten und was sie geschafft haben. Das stimmt, wenn man diese Aspekte aus der Filmstory ausklammert und sie als reines Kino betrachtet. Es gibt wirklich beeindruckende Beweise, die diese Behauptung untermauern: der Rückkehr des Pharao nach einem Feldzug zu Beginn des Films, die Beerdigungsprozessionen, der Bau der Pyramide und das Finale des Films. Da ist der Zuschauer ganz allein mit den großartigen Bildern und der überschwänglichen Musik von Dimitri Tiomkin.
Den Rest der Spielzeit ist der Film hier und da unglaublich schrecklich. Die Auffassung, welche die Filmschaffenden vom täglichen Leben am ägyptischen Hofe hatten, kann man bestenfalls als einfältig bezeichnen. Was Drehbuch, Regie u. Schauspieler betrifft, haben sich die Beteiligten da ganz sicher nicht mit Ruhm bekleckert. Wenn man dann auch noch die plärrende deutsche Synchronisation dazurechnet, ergibt das ganz großes Tennis und reichlich Arbeit für mein Zwerchfell. Denn Langeweile kommt bei dem Film nicht so schnell auf. Da sinniert der liebe Pharao (Jack Hawkins) über seinen Goldreichtum und bekommt von seinen Schwärmereien schon eine enge Unterhose. Den Baumeister Vashtar (James Robertson Justice), von dem er verlangt, dass er ihm ein sicheres Grabmal baut, schmettert jede Vergünstigung ab, aber sobald mit dem Tod seines Volkes gedroht wird, nimmt er emotionslos den Befehl an. Göttlich!
Richtig interessant wird die Palasthandlung als Prinzessin Nellifer (Joan Collins) auftritt. Pharao ist inzwischen klamm an Geldmitteln (!) für den Bau seiner Pyramide und erwartet Tribut von allen eroberten Gebieten. Zypern schickt ihm die Femme fatale und die verdreht nicht nur dem Pharao den Kopf, sondern stachelt auch einen Wachmann (Sydney Chaplin, ja ein Sohn von Charles) zum Putsch an. Für Schwerterklirren ist also gesorgt.
Achso...die Kabel-1-Ausstrahlung des Films war schrecklichst...natürlich falsches Bildformat und grässlichst in der Bild- und Tonqualität. Das der Film bereits für seine Kinoauswertung vor beinahe fünfzig Jahren schon gekürzt wurde merkt man ihm deutlich an. Ob es ihn wirklich besser oder schlechter gemacht hat, kann ich nicht sagen, da er aufgrund seiner Machart doch schon reichlich Patina angesetzt hat. Aber so alle Jubeljahre kann man sich an einem freien Nachmittag schon mit dem Film vergnügen. Bei mir war das zumindest der Fall.
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#683
Geschrieben 06. Mai 2005, 22:24
Regie: Stanley Kubrick
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#684
Geschrieben 07. Mai 2005, 21:31
Regie: Hugh Hudson
Als ich vor einigen Monaten ein paar Minuten aus dem Ur-Film mit Johnny Weissmüller gesehen habe, erschrak es mich, wie hässlich das damals verfilmt worden ist. Fast die gesamten Dschungelszenen wurde im Studio mit großen Rückprojektionen realisiert. Das hat mir so ziemlich jede schöne Erinnerung an die alten Filme zerstört. Dahin die schöne Illusion…
Diese weitere Verfilmung des Edgar-Rice-Burroughs-Buches hatte ich zwar schon einmal gesehen, aber die Erinnerung daran war völlig verblasst. Und da er gerade im Fernsehen lief, habe ich die Gelegenheit sofort genutzt. Jetzt ist allerdings auch schon wieder ein Tag vergangen und die Eindrücke, die ich während der Sichtung hatte, beginnen ebenfalls zu verblassen.
Wenn ich das richtig mitbekommen habe hat man es hier weitestgehend mit einer werkgetreuen Adaption des weltberühmten Romans zu tun, der sich allerdings in einigen wenigen Punkten von der Handlung im Buch unterscheidet. Nach einem recht seltsamen Prolog, wird man dann direkt in den Dschungel Afrikas und somit in die eigentliche Geschichte geworfen.
Mit fast zweieinhalb Stunden Laufzeit recht üppig bemessen, ist gerade der erste Teil, nämlich das Heranwachsen des jungen Tarzan in der Sippe der Menschenaffen, das Faszinierenste an dem Film. Hier merkt man den Einfluss von Drehbuchautor Robert Towne (CHINATOWN), dessen erste Drehbuchhälfte fast vollständig auf nonverbale Verständigung setzt.
Nachdem John Clayton (Christopher Lambert), so ein Geburtsname mit Hilfe des belgischen Wissenschaftlers Phillippe D'Arnot (Ian Holm) in die Zivilisation und in seine Heimat Schottland zurückkehrt, merkt man wie beinahe uninteressant und beliebig der Film zu werden droht und es auch teilweise wird. Hier muss er sich entscheiden ob er ein Leben in der ihm völlig fremden und anwidernden Zivilisation leben will oder zurück in den Dschungel will. Irgendwie seltsam das Towne und vor allen Dingen auch Hudson da nicht genügend mehr zu bieten haben als das, was sie im Film zeigen.
Was mir von diesem Film allerdings sehr wohl hängen bleiben wird,ist die phänomenale Maskenarbeit von Rick Baker, die grässliche Fehlbesetzung der Andie MacDowell, das zuweilen umwerfend komödiantische Spiel Ian Holms und der absolut herausragende Ralph Richardson, der, in einer seiner letzten Filmrollen, allen die Schau stiehlt. Mit achtzig Jahren jede Aufnahme so an sich zu reißen und sich mit solch einem Filmtod zu „verabschieden“…groß!
Über Christopher Lambert, der hier seine einzig relevante Figur neben HIGHLANDER zum Besten gibt, kann ich mich nicht beklagen, aber ihn auch nicht loben, denn dafür hat er eine viel zu undankbare Rolle abbekommen.
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#685
Geschrieben 09. Mai 2005, 08:39
Regie: Hershell Gordon Lewis
Das Interesse meinerseits gegenüber diesem Film war schon immens. Da wird ein vierzig Jahre alter Film aufgrund gewaltverherrlichenden Inhalts beschlagnahmt und kurze Zeit darauf die Petition des Vereins medialog gestartet, welche, mithilfe einer Filmwissenschaftlichen Stellungnahme zur Beschlagnahmung des Films, versucht...ja…was denn eigentlich? Den Film wieder frei zu bekommen? Oder den Paragraphen 131 Strafgesetzbuch in eine Diskussion über Medienwahrnehmung zu etablieren. Nach fast einjähriger Wartezeit, solange ist es schon her, dass die Petition dem Deutschen Bundestag zur Prüfung vorgelegt wurde, ist bisher noch nichts zu hören oder zu lesen gewesen. Und auch erst jetzt, fast ein Jahr nach dem Kauf der DVD, sah ich mich endlich mal dazu veranlasst, diesen bösen Film anzuschauen.
Und? Nichts und. Nichts besonderes. Typisches Genrefutter. Wäre jetzt nicht allzu tragisch, wenn der Film, wie so viele tausend andere vor und nach ihm, in Vergessenheit geraten würde. Der Delikatessenhändler Fuad Ramses ermordet alleinstehende junge Frauen und entnimmt den Leichen Körperteile um so der ägyptischen Göttin Ishtar zu huldigen. Als eine Kundin in seinem Geschäft eine Gesellschaft geben will und Fuad Ramses um einen Vorschlag ersucht, schlägt dieser, aufgrund von „Hypnose“, eine Festmahl zu Ehren der Göttin Ishtar vor. Erfreut nimmt die Frau den Vorschlag an, passt es doch ins Interesse ihrer jungen Tochter, die an einem Abendkurs über ägyptische Geschichte teilnimmt.
Die Polizei tappt natürlich im Dunkeln, aber wie der Zufall es will, ist einer der ermittelnden Beamten romantisch mit ebenjener Tochter verbunden und begleitet sie eines Abends zu dem Kurs. Als kurz darauf ein Opfer Fuad Ramses’ einen Angriff schwer verletzt überlebt und einen wagen Hinweis geben kann, zählt der Polizist Zwei und Zwei zusammen. Was für ein kriminalistisches Genie.
So ziemlich alles an diesem Film würde ich nach meinem Empfinden als schlecht bezeichnen. Die einfältig vorgetragene Geschichte, die hundsmiserablen Darsteller und Dialoge, die amateurhaften Spezialeffekte mit reichlich Kunstblut u. undefinierbaren, wabbelnden Massen, die verschiedene Organe repräsentieren sollen. Das Ganze ist dann noch mit einer minimalistischen Filmmusik unterlegt. Paukenschläge, Orgelklänge…low budget allenthalben. Es kommt nur bei den Mordanschlägen Fuad Ramses’ zu Außergewöhnlichem. Da kein Geld für extravagante Requisiten vorhanden war, muss der Schnitt die Hauptarbeit in diesen Momenten übernehmen. Am besten hat mir aber die Schriftzug im Haupt- und Schlusstitel gefallen, der langsam von Blut überlaufen wird.
Ansonsten regiert die Langeweile, die für mich erst am Ende mit zwei Bemerkungen und Gesten gebrochen wird. Da verschwindet die unfreiwillige Komik und Lewis zwinkert deutlich in Richtung Publikum. Das aus Leichenteilen bestehende Festmahl wird von der Polizei beschlagnahmt, woraufhin die Gastgeberin gedankenverloren sagt, dass ihre Gäste dann wohl mit Hamburgern vorlieb nehmen müssten. Und zum Schluss, nach erledigter Arbeit, stecken sich die Polizisten erst mal ’ne Fluppe in den Mundwinkel.
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#686
Geschrieben 11. Mai 2005, 23:20
Regie: Alex Proyas
Das ist so ziemlich der egalste Film, den ich in den letzten Monaten gesehen habe. Hier wird mehrere Male sehr kühn emotionale tiefe vorgetäuscht wo überhaupt keine zu finden ist. Hier wird sich großzügig bei Filmen aus der unmittelbaren, wie auch länger zurück liegenden Vergangenheit bedient um somit einen einigermaßen exotischen Look vorzutäuschen, der die inhaltlichen Mängel ausbügeln soll. Im Film selbst sind fast ausschließlich gelangweilte Darsteller anzutreffen, die nichts aus ihren Rollen machen, geschweige denn außergewöhnliches zu tun bekommen. Drapiert wird das ganze dann noch mit stellenweise hundsmiserablen Spezialeffekten und einer fast pausenlos aufspielenden Filmmusik.
Das einzig Außergewöhnliche, welches mir aufgefallen ist, war eine Kamerafahrt auf eine runde Fensterscheibe, die Proyas aus THE CROW hier zitiert hat. Zum Glück ist der Spuk nach nur neunzig Minuten vorbei.
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#687
Geschrieben 12. Mai 2005, 20:14
Regie: Ridley Scott
"God wants it!"
Ich war nicht sonderlich begeistert über die Vorstellung, Orlando Bloom in der Hauptrolle, in der tragenden Rolle, dieses Monumentalfilms zu sehen. Dieser Jungspund, der gerade einmal mit dem miserablen PIRATES OF THE CARRIBEAN: THE CURSE OF THE BLACK PEARL so etwas wie eine Hauptrolle hatte, ist mit seinem Aussehen natürlich dazu prädestiniert in solche Rollen zu schlüpfen. Ob sie ihm passen hängt dann aber einzig und alleine vom Regisseur ab. Hat man einen cleveren Mann wie Ridley Scott, dann setzt man ihn so in Szene, das der Nachteil zu einem Vorteil wird. Aber von nichts kann auch nichts kommen. Orlando Bloom kann schon etwas. Er muss spielen, er kann spielen. Und er spielt.
In der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Kreuzzug, Ende des 12. Jahrhunderts spielend, erzählt der Film die Geschichte vom jungen Ritter Balian von Ibelin (Orlando Bloom), der die von Christen besetzte Stadt Jerusalem gegen die Sarazenen verteidigen muss. Hört sich jetzt so an, wie jede andere Monumentalfilmgeschichte vorher, aber schließlich ist ja hier Ridley Scott am Werke und der hat in der Vergangenheit ja nur ganz selten in den Eimer mit brauner Masse gegriffen. Also hängt wieder einmal alles von einem vernünftigen Skript ab, welches die Figuren mit reichlich Hintergrund ausstattet. Der junge Balian fristet zu Beginn ein recht karges Leben als Hufschmied. Seine junge Frau hat sich nach dem Tod des ihres Kindes das Leben genommen. Sein Vater Godfrey (Liam Neeson), den er bis heute nicht kannte, bietet ihm an, ihn nach Jerusalem zu begleiten um den dortigen König zu unterstützen. Großes Verlangen verspürt er nicht, aber als er einen im Affekt Priester tötet, sieht er sich genötigt das Angebot des Vaters anzunehmen.
Balduin (Edward Norton), von Lepra gezeichneter König der Stadt Jerusalem, versucht die Stadt gegen religiöse Vorurteile zu regieren, aber in der Gestalt Guy de Lusignans (Marton Csokas), verheiratet mit Sibylla (Eva Green), der Schwester des Königs, gibt es einen Kriegstreiber in der Stadt. Dieser schickt immer seinen Strohmann Reynald (Brendan Gleeson) vor, wenn es gilt die Moslems anzugreifen. Als eine Karawane der Moslems von Reynalds Männern niedergemetzelt wird, greift die Armee der Sarazenen, angeführt von Saladin, die schon seit mehreren Monaten die Stadt Jerusalem in einem weiten Belagerungsring eingekesselt haben, an.
Tja, beste Hollywood-Unterhaltung mit politischer Botschaft, so könnte man den Film in einem kurzen Satz erklären, aber das würde diesem außergewöhnlich schön inszenierten Film wohl nicht gerecht werden. Scott unterlässt es nicht, die jene Zeit in Worten, Gesten und Taten darzustellen. Das er dabei eine Brücke in die heutige Zeit zu schlagen versucht, ist eine heikle Angelegenheit, aber gerade noch so vertretbar. Gott will das Dieses oder Jenes in seinem Name geschieht. Diesem "Irrtum" erlagen die Menschen damals. Dem erlegen sie noch heute. Botschaft verstanden.
Ja, der Film atmet viel von der visuellen Wucht von GLADIATOR. Und auch von anderen Filmen der jüngeren Vergangenheit, die mit monumentalen Bildern mal mehr, mal weniger geschickt, umgegangen sind. Das muss nun nicht schlecht sein, denn die Geschichte ist eine andere, die Zeit ist eine andere. Wir befinden uns hier nicht im Römischen Reich, sondern im Zentrum des Glaubens von zwei Weltreligionen. Aus diesem Grund hält sich Scott erstaunlich zurück was große Schlachtszenen betrifft. Gewiss, die Bilder sind erlesen, aber niemals so als das sie völlig überladen wirken. Innerhalb der Bilder bewegen sich die Figuren fast immer in glaubwürdigen Situationen. Der einzige Knackpunkt ist, das die Figur des Balian zum Beschützer der Stadt Jerusalem wird und mit cleveren Ideen, die Armee der Sarazenen den Mauern der Stadt fernhält. Wie soll ein einfacher Hufschmied über solche mathematischen Kenntnisse wie Entfernungen Bescheid wissen? Sicherlich der schlimmste Logikfehler, der wohl auf Kürzungen im Filmschnitt zurückzuführen ist. Auch deshalb nimmt man ihm nicht so sehr die große Ansprache bei der Belagerung der Stadt ab.
Davon mal ab überzeugt der Film davor und auch danach mit vielen Eindrücken und ganzen Szenen bei mir. Spielfreudige Darsteller wie Brendan Gleeson (zum Schiessen wie er in seiner Zelle rumtanzt) oder auch Jeremy Irons, welche sich in ähnlichen Rollen wie Oliver Reed oder Richard Harris zuvor in GLADIATOR wiederfinden, runden den positiven Gesamteindruck ab.
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#688
Geschrieben 13. Mai 2005, 21:52
Regie: Herschell Gordon Lewis
Meine zweite Begegnung mit dem Schaffen von Herschell Gordon Lewis stand unter deutlich besseren Vorzeichen. Zum einen ist die Story wesentlich interessanter und der Zustand unter dem ich diesen Film gesehen habe, möchte ich einfach als ideal bezeichnen. Leicht schläfrig, mit leichten Einnickphasen. Doch wie schon bei BLOOD FEAST hapert es auch hier wieder einmal an guten Darstellern und ganz am Ende fehlt dann der gewisse Kniff, mit dem man den Film hätte enden lassen müssen. Bis dahin tut Lewis aber sehr viel um mich bei der Stange zu halten.
Montag (Ray Sager), der Magier, veranstaltet Abend für Abend vor sensationslüsternem Publikum klassische Zaubertricks wie das Zersägen einer Person in zwei Hälften, die Funktionsweise einer Guillotine, Schwerter schlucken und ähnliches. Die Utensilien, die er bei seinen Kunststücken mitverwendet, sind moderne Gerätschaften wie z. B. eine Kettensäge oder eine Stanzmaschine. Aktiv bezieht er das Publikum in seine Zaubertricks mit ein, benutzt er doch Frauen bei den eigentlichen Demonstrationen und lässt vorher immer wieder männliche Zuschauer die diversen Gerätschaften auf ihre Echtheit überprüfen. Kurze Zeit nachdem die jeweilige Veranstaltung beendet wurde, erliegen die zunächst unversehrten Frauen genau jenen Verletzungen, die ihnen bei Montags Illusionen zugefügt wurden.
Träume sind Illusionen, Filme sind Illusionen, Zaubertricks sind Illusionen…ein reichhaltiges Betätigungsfeld, dass sich Herschell Gordon Lewis für diesen blutdurchtränkten Film ausgesucht hat. Bis zum, nach meinem Empfinden, verkorksten Ende, bin ich geneigt mich von seinem Film und seinem Inhalt begeistern zu lassen. Lewis benutzt Kamera und Schnitt dazu, die Illusionen nicht nur darzustellen, sondern sie, vor allem in der Eröffnung bei Montags Selbstversuch mit der Guillotine, zu entlarven. Mich würde einmal interessieren, inwieweit sich Lewis von der Hypnosethematik hat beeinflussen lassen, denn hier ist sie ein Hauptelement der gesamten Spielfilmhandlung.
Die Leistungen der Darsteller sind, im direkten Vergleich mit BLOOD FEAST, schon als zufriedenstellender zu bezeichnen. Vor allem Ray Sager in der Rolle des Magiers Montags, befindet sich mit seiner Darstellung in genau dem Umfeld das einer Illusion nahe kommt.
Der einzige Knackpunkt, den ich an dem Film sehe ist das Ende. Wie lässt man eine Illusion (den Film) enden? Lewis entscheidet sich dafür, den Einfluss der Hypnose unter dem jede Figur gestanden hat, zu unterbrechen und den Film somit wieder auf eine Ebene zurück zu holen, die unserer Wirklichkeit am nächsten kommt. Man hätte den Film auch auf subtilere Art und Weise enden lassen können, aber die Aufnahme eines aus der Rolle springenden Stücks Film (oder einem ähnlich gearteten Trick) erschien wohl aufgrund des knappen Budgets nicht durchführbar.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
"The movie never changes. It can't change. But everytime you see it, it seems different because you are different. You see different things." (12 Monkeys)
#689
Geschrieben 15. Mai 2005, 14:14
Regie: Glen Morgan
Hat Crispin Glover eigentlich jemals eine Hauptrolle gespielt? Ernsthaft…ich habe den bisher immer nur in Nebenrollen gesehen oder in kleinen Parts, die nichts mit der eigentlichen Story des jeweiligen Films, in dem er gerade auftauchte, zu tun hatten. Vielleicht ist es gerade dieser Umstand, der dieses Remake eines Films aus den 70ern Jahren, so interessant für mich gemacht hat.
Die Story ist recht schnell erzählt. Willard Stiles, Angestellter einer Firma, die sein vor einigen Jahren verstorbener Vater mitgegründet hat, führt ein recht jämmerliches Außenseiterleben. Von der schwer kranken, senilen Mutter (Jackie Burroughs) verhätschelt, vom Chef (wieder mal den Kotzbrocken gäbend: R. Lee Ermey) ständig heruntergeputzt zu werden ist wahrlich nicht sehr schön. Einen wirklichen Freund, geschweige denn eine Freundin hat er in seinem Leben bisher noch nicht gehabt, da erscheint es selbst ihm seltsam, dass er mit den im Keller des Hauses lebenden Ratten nicht nur Freundschaft schließt, sondern sie bald zu seinem Lebensinhalt macht. Wenn mit ihm übel umgesprungen wird, erfassen die Ratten entweder seine Gefühlslage oder reagieren auf einen direkten Befehl von ihm und stürzen sich auf den Übeltäter.
Der Originalfilm mit Bruce Davison in der Rolle des Rattenbeschwörers Willard (sein Bild als Willards Vater taucht einige Male auf) ist mir gänzlich unbekannt, von daher ist mir ein Vergleich zwischen den beiden Hauptdarstellern und den beiden Filmen nicht möglich. Crispin Glovers Darstellung changiert über manische Ausbrüche, die mich an seine kleine Rolle als Lulas Cousin Dell in WILD AT HEART erinnern („I’m making my lunch!“) und eine Verletzlichkeit, die wiederum Johnny Depps Charakter aus EDWARD SCISSORHANDS entliehen zu sein scheint. Irgendwo dazwischen, aber eher mehr in Richtung Tim Burton, kann man auch den Film an sich ansiedeln. Sehr schöne Sets und eine passende Musikuntermalung runden meine positiven Gesamteindruck ab. Klar, der Film ist maßlos übertrieben und die schöne Laura Elena Harring, die irgendwo im Film herumtobt ist im Grunde völlig überflüssig, aber so für zwischendurch ist der Film durchaus goutierbar.
Großartig die Szene, als sich R. Lee Ermey, bei Überstunden im Büro, mehr für Internetpornoseiten als für sein Excel-Programm interessiert. Und Jackie Burroughs, die schon in David Cronenbergs THE DEAD ZONE eine ähnliche Rolle als Christopher Walkens Filmmutter innehatte, hat mich bei ihrer ersten Szene erschrocken.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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#690
Geschrieben 18. Mai 2005, 17:15
Regie: Russ Meyer
“Gib mir den alten Glauben wieder, denn das ist gut für mich!“
Tja, vor fünfzehn, sechzehn Jahren war das Programm von RTL plus noch richtig frivol. Da lief Samstags entweder ein bayrisches Sexfilmchen oder die Eis-am-Stiel-Reihe in der bereits fünften Wiederholung und Sonntag abends Tutti Frutti. Das kann es doch nicht sein. Da krümmt sich bei mir kein Sackhaar. Bis, ja, bis auf einmal ein Film von Russ Meyer ausgestrahlt wird. Was zum Teufel ist denn das? Diese wilden Kameraeinstellungen, die Aufnahmen von Gegenständen, die nicht so recht etwas mit der Handlung zu tun zu haben scheinen. Diese Frauen…diese Frauen. Das sind keine Hügel, das sind Gebirge. Ich bin fünfzehn, ich habe meine erste feste Freundin und sie macht mich nicht so sehr kirre, wie diese Vollweiber, die da auf dem Fernsehschirm herumspringen. Sie kichern, sie lachen, sie hüpfen. Sie hüpfen…wenn es ein Film geschafft hat mich schneller erwachsen werden zu lassen, dann war es sicher dieser hier. Und dann überspiele ich einige Kassetten. Nur noch eine Aufnahme von Meyers letzten, von diesem Film, wird mich für ungefähr vier oder fünf weitere Jahre begleiten. Dann ist Sense. Bis ich endlich vor einigen Monaten erfahre, dass diese wunderbaren Streifen ihren Weg aufs Silberscheibchen finden werden. Mittlerweile festgestellt, dass man diesen Scheiben vom technischen Standpunkt gesehen in die nächste Abfalltonne kloppen könnte, aber dann könnte sich ja jemand anderes daran aufgeilen und ich könnte nicht mehr diese ungeheuer gewinnbringende deutsche Synchronisation hören. Die reicht vom schmierigsten Sleaze, über so ziemlich jede Absurdität, bis hin zum perfekt getimten Mitstöhnen. Es wird so ziemlich alles beim Namen genannt. Wer hier nicht dabei ist (schließlich wird der Film mit „Deutschland erwache“ auf der Tonspur eröffnet), der kann sich sonntags Rosamunde Pilcher anschauen. Ja, selbst der billigste Schrott wurde in den 70ern anständig, hier und da vielleicht sinnverfälschend, synchronisiert. In den heutigen Direct-to-video-Zeiten ist diese Kunst fast vollständig verschwunden.
Nun…Smalltown, USA. Nettes Städtchen mit vielen unglaublichen Gestalten. Russ Meyer gewährt uns einen Blick hinein in seine Vorstellung von Amerika. Und was für ein Amerika…Dreh- und Angelpunkt dieses nicht enden wollenden Potpourris an blankem Wahnsinn ist das junge Ehepaar Lamar (Ken Kerr) und Lavonia (Kitten Natividad). Er arbeitet sich von Montags bis Freitags den Arsch auf einem Schrottplatz ab, während er abends fleißig einen Fernkursus im Selbststudium absolviert. Eigentlich müsste es zwischen den beiden ja rund laufen, wenn Lamar nicht eine etwas andere Vorstellung davon hat, wie er seine ehelichen Pflichten bei Lavonia erfüllen muss. Er bevorzugt nämlich eher den Einlass durch die Hintertür und er ist sich nicht zu schade, sich diesen auch mit Gewalt zu nehmen. Irgendwo ist es da verständlich, dass Lavonia so langsam davon die Schnauze voll hat und sich ihre Befriedigung in außerehelichen Aktivitäten sucht. Sie lässt wirklich nichts anbrennen, aber ist in der Wahl ihrer Liebhaber doch wählerisch. Da muss dann schon mal der Vertreter für Sexutensilien Semper Fidelis (Michael Finn), Smalltowns Abfallzar Peterbuilt oder der Jüngling Rhett dran glauben. Lamar sieht, wie es Schrottplatz Sal (June Mack), seine Arbeitgeberin richtig feststellt, einem guten Fick nie ins Auge, was ihn zunehmend unglücklich macht. Weder hilft ihnen Ezra Lavender, Zahnarzt und Eheberater in seiner Person, seines Zeichens auch noch eine Tunte, oder eine, in Verkleidung als spanische Stripperin, getarnte Attacke von Lavonia. Vielleicht hilft ja Schwester Eufula Roop (Ann Marie), Besitzerin von „Rio Dio“-Radio und ihre Sendung, die Heilung durch „Radio auflegen“ verspricht.
Russ Meyers letzter im Kino ausgewerteter Film ist, wenn man seine Vorgänger betrachtet, so ziemlich die Quintessenz dessen, was ihn vorher schon ausgemacht hat. Neunzig Minuten werden dazu genutzt eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte zu erzählen, die von einer Sexszene zur nächsten führen soll. Jede ist aberwitziger in der Gestaltung der Einstellungen, mit zu Jubelstürmen hinreißenden Ton- und Musikeffekten.
Russ Meyer, der Mann mit seinem Fetisch für große Brüste, die tumbe Männerwelt und so ziemlich jede andere Absonderlichkeit, schießt mit seinem pechschwarzen Humor in so ziemlich alle Richtungen und verfehlt das Ziel niemals. Mir klappt bei einigen der Ungeheuerlichkeiten, die er sich hier und anderswo erlaubt, immer noch die Kinnlade herunter. Sehr schade, dass diese Art Kino mit dem Aufkommen von Video und Hardcore-Pornographie völlig verschwunden ist. Dieser Umstand hat Meyer sehr mitgenommen, denn ihm ist bewusst gewesen, dass er sich den Gesetzen des Marktes hätte anpassen müssen, um weiter solche Filme zu machen.
"Time kills critics my dear." (Lisztomania)
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