Der Monroe ihre dicken Hupen
#181
Geschrieben 27. Oktober 2005, 12:08
Bei diesem vergessenen Backwood-Slasher handelt es sich um einen Film des zuverlässigen Jeff Lieberman (SQUIRM, BLUE SUNSHINE), der gerade eben erst den kleinen aber feinen SATAN'S LITTLE HELPER gemacht und damit eine fast 20-jährige Schaffenspause beendet hat.
Wer vor zwei Jahren WRONG TURN gesehen hat, wird hier ein kleines Deja-Vu erleben, denn Lieberman hat schon Anfang der 80er eine Gruppe Heranwachsender von degenerierten Redneck-Landeiern durch die Pampa jagen lassen. Was bei WRONG TURN als bloßer Kintopp zu entlarven ist, ist bei Lieberman eine ganze Ecke unangenehmer. Nicht etwa, weil er eimerweise Blut über Protagonisten und Zuschauer entleert, sondern es ihm sehr gut gelingt, eine äußerst unheimliche Atmosphäre zu erzeugen, oft indem er den Wald- und Wiesengeräuschen (Vogelgezwitscher etc.) großen Platz auf der Tonspur einräumt und so einen friedlichen Kontrast zu den grotesken Vorgängen liefert.
Zwar gibt es auch hier die für diese Art von Film typischen Beigaben: Den verrückten Suffkopp, der die Protagonisten warnt, von denen jedoch nicht ernst genommen wird; die beknackten Vorwände, unter denen unsere Helden in den Wald gehen; ihre völlige Ignoranz gegenüber offenkundiger Gefahr. Dennoch hat man hier nicht das Gefühl, es ginge nur darum, junges Blut zu vergießen.
Der Killer ist ziemlich garstig, es gibt einen gelungenen Twist und einige wirklich spannende und gut inszenierte Szenen, sowie eben die extra Portion Düsternis. George Kennedy, der hier als Hauptdarsteller gecredited ist, war wahrscheinlich für einen Tag am Set und verabschiedet sich ziemlich sang- und klanglos. Das Finale ist klasse.
#182
Geschrieben 28. Oktober 2005, 09:18
Alles, was man so allgemein an Floskeln über Qualität sowie Sinn und Zweck von Sequels parat hat, trifft auf diese Burt-Reynolds-Klamotte fast prototypisch zu. Schon in den allerersten Sekunden des Films, wenn zwei Cartoonautos, die den Wagen von Bandit und seinem Verfolger Buford T. Justice nachempfunden sind, um die Cartoon-Universal-Erdkugel rasen, weiß man, dass man die nächsten 90 Minuten einem Film beiwohnen wird, der nichts besser kann, als sich auf den zweifelhaften Lorbeeren des ersten Teils auszuruhen.
Nun wäre es an sich eine feine Sache, einfach einen Neuaufguss des Vorgängers zu sehen, doch da ein Sequel einen größeren Profit einfahren sollte als das Original, konnte die Devise auch hier nur "mehr Familienunterhaltung" lauten. So gibt es mehr doofen Humor und statt einer Truckladung Bier muss eine trächtige Elefantenkuh transportiert werden, die dann natürlich auch für allerhand possierlichen Jokus und rührseligen Schmonzes herhalten darf.
Irgendwie wirkt dieser Film wie ein Fußnotenverzeichnis mit Bildern: Buford T. Justice darf direkt bei seinem ersten Auftritt das zur Catchphrase gewordene "sombitch" vom Stapel lassen und man darf darauf wetten, das im Verlauf des Films noch sehr oft zu hören. Sally Field ist auch wieder mit dabei, wieder flieht sie von der Hochzeit mit Junior, dem Sohn des fiesen Sherriffs, weil sie Nachricht von Bandit erhält. Geht's noch unglaubwürdiger? Big Enos Burdette ist mit seinem kleinwüchsigen Sohn ebenfalls am Start, beide tragen wieder komische Klamotten und es hagelt Sprüche auf Kosten des Zwergs. Gähn!
Das einzige wenigstens halbwegs interessante Element (zumindest aus heutiger Sicht) ist der selbstreferenzielle Charakter des Films. Bandit, im ersten Teil ja zumindest schon Lokalprominenz, ist jetzt so etwas wie ein Volksheld, der sich mit entsprechenden, allesamt gefloppten Marketingtricks versucht hat, zu finanzieren (u. a. hat er eine Single aufgenommen). Er trägt sogar eine ausgesprochen hässliche Jacke, auf der sein Name steht. Wie gesagt, das ist für einen Film aus den frühen 80ern schon fast revolutionär, vermag aber natürlich nicht darüber hinwegzutäuschen, dass dieser Film ganz großer Schmutz ist, den man sich aber an Tagen der Krankheit, wenn das Gehirn ganz langsam arbeitet, ganz gut reinpfeifen kann (habs gestern ausprobiert!).
Höhepunkte des Films: Dom DeLuise als italienischer Arzt (zwar albern, aber in diesem Ringelpiez immer noch erträglich) und der Showdown, bei dem dann endlich auch Autos kaputt gehen.
#183
Geschrieben 28. Oktober 2005, 09:44
Hierbei handelt es sich um einen der größten Westernklassiker von John Ford überhaupt, der auf deutsch mit dem doofen Titel DER SCHWARZE FALKE bedacht wurde, und man darf diesen Film, mit den Maßstäben von 1956 gemessen, wohl als ein frühes Plädoyer für Toleranz gegenüber Minderheiten bewerten.
John Wayne ist der fiese Kriegsheld Ethan Edwards, der drei Jahre nach Kriegsende mit einem Sack voll Geld nach Hause zurückkehrt – was er in den drei Jahren getrieben hat, bleibt sein Geheimnis. Auf jeden Fall bringt er einen unglaublichen Hass auf Indianer mit, den er sogleich an dem jungen Martin, einem Achtel-Cherokee, dem er einst das Leben rettete, auslässt. Bald schon bläst ein Stamm der Comanchen zum Kriegszug und entführt des Dukes Nichten, deren Familie abgeschlachtet wird. Mit einer Posse macht sich der Duke auf die Suche: Allerdings nicht, um seine Nichten zu retten, sondern um sie umzubringen, denn sie sind nun in seinen Augen Comanchen und damit "keine Menschen" mehr. Martin, der ihn begleitet, versucht ihn umzustimmen, was sich jedoch als nahezu unmöglich herausstellt.
Ja, das ist trotz einiger lichter Momente ein ziemlich finsterer Film. John Wayne ist mal ganz Abseits seiner strahlenden Heldenrolle zu begutachten, das Mythische, dass seinen Figuren aber immer anhaftet, gibt's aber auch hier: Wo kommt er her (siehe oben), wo geht er hin (siehe letzte Einstellung)? Die Darstellung der Indianer ist natürlich nicht so differenziert wie man sich das heute wünschen würde, die Botschaft bleibt jedoch unmissverständlich. Der Showdown ist ziemlich gewaltig und hält eine besonders fiese Szene vom Duke parat. Ob seine Verehrer ihn auch hier noch als "All American Hero" bejubelt haben?
Auf der DVD ist noch recht hübsches Original-Featurette-Material enthalten. Schon erstaunlich, wie sich die Promotion verändert hat. Das Interview mit Natalie Wood (in Indianerkostüm) findet "am Set" statt - m. E. ist das eher eine Rückprojektion vom Monument Valley oder eine Fototapete – und wird eingeleitet von einer Waschmittelwerbung für ein Waschmittel, das so gut ist, dass es (sinngemäß) "Ehemänner dazu bringt, nur noch nette Sachen zu ihren Frauen zu sagen". Jaja, die 50er – der Film ist da eher schon das Kontrastprogramm.
Der Darsteller des Martin Pawley, Jeffrey Hunter, hat übrigens den Jesus gespielt in KING OF KINGS von Nicholas Ray.
#184
Geschrieben 28. Oktober 2005, 10:30
Kleiner Nachtrag zum vergangenen Wochenende. Diesen Film hatte ich total vergessen. Zu Unrecht, denn REPO MAN ist mit Sicherheit eine der größten Filmperlen der 80er, wenn man einen Draht zum Absurden hat. Schön, dass der Film auch bei uns auf DVD zu haben ist, auch wenn die Gestaltung des DVD-Covers einem doch Zweifel daran kommen lassen, dass die Verantworlichen das auch so gesehen haben.
Emilio Estevez spielt in Alex Cox' Film Otto, einen Jugendlichen Taugenichts, der von Bud, Harry Dean Stanton, zum Repo Man "ausgebildet" wird. Repo Man sind so eine Art Kopfgeldjäger für Autos. Sie "pfänden" Autos von Schuldnern im Auftrag ihrer Gläubiger. Klar, dass dem jungen Otto dieser Job voller Adrenalin und vorsätzlichem Gesetzesbruch gefällt, zumal auch die Geldbörse stets gut gefüllt ist. Bald winkt ein ganz großer Brocken: Ein Auto mit einem radioaktiven Alienleichnam im Kofferraum wird vermisst und unsere Repo Men setzen alles daran, es als erste zu finden. Doch die Konkurrenz ist groß.
So stringent wie sich das hier liest ist das alles nicht, denn Alex Cox bedient sich für seinen Film aus so unterschiedlichen Inspirationsquellen wie Science Fiction/Invasionsfilm, dem Autoklaufilm und Teenfilm und würzt das Ganze mit etwas Westcoast-Punkrock und Endzeitatmosphäre.
So bleibt unter dem Strich ein sehr origineller und witziger Film, der es einem aber auch nicht leicht macht, ihn richtig einzuordnen.
#185
Geschrieben 30. Oktober 2005, 09:45
Mit diesem Burt-Reynolds-Film der frühen 70er, also aus seiner Prä-Schnurrbart-Phase, verknüpfen mich zarte Bande, kenne ich ihn doch schon seit seligen Grundschultagen, da DER TIGER HETZT DIE MEUTE, wie er auf deutsch heißt, eine der tragenden Säulen der damals in der Entstehung begriffenen Videosammlung meiner Eltern war.
Die Eröffnungsszene, in der Ned Beatty als widerlicher korrupter Rednecksheriff zwei Jugendlichen einen Tauchkurs spendiert, hat bei mir jedenfalls schon damals bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber nicht nur aus nostalgischen Gründen hat sich die Anschaffung der DVD gelohnt.
Zur Story: Burt ist Gator McKluskey, der irgendwo in den Südstaaten wegen Schnapsbrennerei im Bau sitzt und erfährt, dass sein kleiner Bruder gemeuschelt wurde (siehe oben). Da er weiß, dass der Sheriff dahintersteckt und seine Hände darüber hinaus auch im lukrativen Geschäft der Schnapsbrennerei schmutzig macht, bietet er dem FBI einen Deal an: Er beschafft Beweise gegen den Sheriff (und erwischt damit den Mörder seines Bruders), dafür wird er vorzeitig entlassen. In Bogan County angekommen, verdingt sich Gator als Fahrer für Roy Boone (Bo Hopkins), dessen Perle (Jennifer Billingsley) sich sogleich an unserem Helden vergeht. Auch zu Sheriff Logan nimmt Gator schnell Kontakt auf ...
Auf deutsch ist dieser straighte, düstere und ernste Südstaaten-Actioner ja mal einfach beknackt betitelt worden. Nicht nur, dass keine Meute gehetzt wird, der vermeintliche Tiger ist ja auch noch ein Alligator. Aber sonst ist hier wirklich alles knorke: Burt ist einfach ideal als tougher Gator und er feiert sich hier noch nicht so sehr auf sich selbst wie in den Schlitzohr-Filmen. Jennifer Billingsley als Südstaaten-Superbitch ist, wie ich finde, smokin' hot und der sonst auf dusselige Versager abonnierte Ned Beatty ist als Fascho-Sheriff so ungemein hassenswert, dass es eine Freude ist.
Darüber hinaus bietet der Film neben aufgemotzten Autos, harten Kerlen und hartem Schnaps auch ernstere Untertöne: Die konservative Redneck-Ideologie, die auch Gator vertritt, bekommt im Verlauf des Films deutliche Risse, als herauskommt, wofür Gators Bruder eigentlich ins Gras beißen musste. Da muss Gator dann doch einsehen, dass die damn hippies doch gar nicht so schlecht sind – aus heutiger Sicht relativiert sich das natürlich wieder ...
Also: Ein entdeckungswürdiger Film, an dem ich lediglich zu bemängeln habe, dass am Ende alles ein bisschen holterdipolter vonstatten geht.
#186
Geschrieben 30. Oktober 2005, 10:31
Mit THE TOMB OF LIGEIA wagte sich Roger Corman im Rahmen seiner Poe-Verfilmungen an eine der weniger bekannten Erzählungen aus des Meisters Feder, die sich aber hinter den anderen Filmen erwartungsgemäß nicht zu verstecken braucht.
Vincent Price gibt Verden Fell, einen reichen Witwer, dessen Frau Ligeia auf dem familieneigenen Grundstück, zu dem auch die Ruine einer Abtei gehört, begraben liegt. Seine Frau hat ihn zu Lebzeiten gut erzogen, denn auch Jahre nach ihrem Tod ist er keineswegs von dessen Endgültigkeit überzeugt. Da sie sich mit ägyptischer Mythologie und derlei Hokuspokus beschäftigte, befürchtet er, dass sie ihre Prophezeiung, eines Tages wiederzukommen, wahr machen könnte. Dass er sich nun ausgerechnet in die hübsche Lady Rowena verlieben muss, sorgt dann auch für Unfrieden in der malerischen Ruine.
Die Corman-Poes zeichnen sich ja in erster Linie durch ihre Ausstattung und spürbare Liebe zur literarischen Vorlage aus. Mit Ausnahme von THE RAVEN, der ja eigentlich kaum als Poe-Verfilmung zu zählen ist, sind alle Filme für Corman-Verhältnisse sehr gediegen und geschmackvoll gemacht. Bei TOMB OF LIGEIA musste ich aber doch einige Male sehr schmunzeln und glaube, eine gehörige Portion schwarzen Humors ausgemacht zu haben. Das ist vor allem in Vincent Prices wunderbarer Darstellung des exzentrischen Fell begründet. Wie der sich hier mit Sonnenbrille (!) von Anfall zu Anfall deliriert ist nicht nur einen Asbach, sondern gleich einen stattlichen Sechsämtertropfen wert.
Beklatschungswürdige Szenen zuhauf: der politisch äußerst unkorrekte Scherz von Lady Rowena zum Beispiel, die Verden Fell trotz seiner Erklärung, eine Überempfindlichkeit für Sonnenlicht mache es ihm unmöglich, ohne Sonnenbrille das Haus zu verlassen, mit der Unbedarftheit eines Dreijährigen mal eben aus Neugier die Brille von der Nase rupft. Ätsch! Wie man ihr überhaupt ein sehr sonniges Gemüt bestätigen muss: Dass sie diesen durchgeknallten, völlig lebensunfähigen und noch dazu von heftigen Bewusstseinsausfällen geplagten Herrn tatsächlich ehelichen will, zeugt von großem Optimismus. Es ist nicht wirklich nachvollziehbar.
Das sonnige Gemüt der Lady Rowena befällt Cormans Film auch formal: Die Nebelschwaden, die noch durch FALL OF THE HOUSE OF USHERoder PREMATURE BURIAL zogen, sucht man hier vergebens. Ein toller, kleiner Film, dessen Drehbuch vom großen Robert Towne geschrieben wurde und auf deutsch den subtilen und poetischen Titel DAS GRAB DES GRAUENS trägt.
#187
Geschrieben 30. Oktober 2005, 10:58
Ein Riesenfilm! Billy Wilders Marilyn-Monroe-Huldigung hält nicht nur die berühmte Szene mit den Beinen der M. und dem Luftschacht bereit, sondern weiß auch durch ihren sprühenden Witz und natürlich die Kurven ihrer Hauptdarstellerin zu begeistern – womit wir wieder beim zugegebenermaßen infantilen Titel dieses Tagebuchs sind (das sind aber auch Dinger!).
Tom Ewell ist der brave Familienvater Richard Sherman, der seine Famile für die Sommerferien aus dem heißen Manhattan ins kühle Maine ausquartiert hat. Das unbeschwerte Strohwitwerdasein kann beginnen – Pustekuchen! Im Appartement über ihm zieht der personifizierte Ehebruch ein und geht sogleich auf Tuchfühlung zu dem hilflosen Herrn. Der ist sichtlich überfordert und stürzt von einem paranoiden Anfall in den nächsten.
The SEVEN YEAR ITCH basiert auf einem Theaterstück und das merkt man, denn die Handlung konzentriert sich beinahe ausschließlich auf das Appartement Shermans und die beiden Hauptfiguren. Dass Billy Wilder es trotzdem geschafft hat, einen Film daraus zu machen, liegt wie schon bei ONE, TWO, THREE in einer Dynamisierung der Dialogebene begründet. War es bei ONE, TWO, THREE noch die hohe Frequenz, mit der James Cagney seine Befehle im Kasernenhofton verschoss, so ist es hier die Veräußerlichung innerer Monologe. Da Richard Sherman allein zu Hause ist, redet er pausenlos mit sich selbst. Dass das nicht völlig in die Hose gegangen, sondern ganz im Gegenteil sehr witzig ist, liegt auch an Tom Ewell, der den biederen, gutmütigen Ehemann, dessen draufgängerische Galanterie sich auf seine Fantasien beschränkt, einfach perfekt drauf hat. Es ist einfach zum Schreien zu sehen, wie er ins Schleudern gerät, als seine Fantasien plötzlich wahr werden.
Dreh- und Angelpunkt des Films ist aber natürlich die Monroe, die hier keinen Namen trägt und mehr oder weniger ihr eigenes Image spielt. Wie sie den armen Richard mit ihrer naiven Art in die Bredouille bringt, ohne es zu bemerken, ist anbetungswürdig. Und die Existenzkrise des Ehemanns wird so erst glaubwürdig: Wir wären alle verloren, wenn Marilyn Monroe in der Wohnung über uns einziehen würde. Die Zivilisation, so wie wir sie kennen, wäre am Ende. No doubt. Ein toller Film und wie ich finde eine der besten Komödien überhaupt – auch heute noch.
Noch zwei Worte zu meiner Freundin: Ohne sie hätte ich diesen Film wohl in hundert Jahren noch nicht gesehen. Und sie hat es mir nicht übel genommen, ungeniert auf die Auslagen der Fleischerei Monroe gestarrt zu haben. Was für eine Frau (meine Freundin meine ich jetzt)!
#188
Geschrieben 30. Oktober 2005, 11:47
Ist ewig lange her, dass ich diesen Film gesehen habe. Nach Betrachtung der englischsprachigen OV muss ich einräumen, dass ich den Film entweder falsch in Erinnerung hatte oder aber die deutsche Version eine ganz andere Wirkung erzielt als die OV. So wirkt HENRY im Original weniger düster und trostlos, teilweise sogar fast heiter – was natürlich relativ ist.
Insgesamt ist und bleibt HENRY natürlich ein ungemütlicher und furchteinflößender Film, allerdings nicht über die vollen 80 Minuten. Der größte Wurf McNaughtons ist mit Sicherheit die Film-im-Film-Idee: Henry und Otis klauen einen Camcorder mit dem sie ihre Morde filmen. Speziell Otis geht ziemlich darauf ab und schaut sich die Morde später sogar in Zeitlupe an. Das ist schon ein ziemlich gruseliger Moment, in dem auch der Unterschied zwischen dem Psychopathen Henry und dem Soziopathen Otis deutlich wird. Mit dieser Idee nimmt McNaughton die Doku- bzw. Dogma-Welle und die damit verbundenen Metafilmelemente und Selbsreflexionsspielchen ugf. zehn Jahre vorweg. Hut ab!
Neben den beiden tollen Hauptdarstellern Michael Rooker und Tom Towles, die ja hiermit zu so etwas wie Kultstars wurden, wird Tracy Arnold gern vergessen, die Otis' Schwester und Henrys Love Interest gibt. Im Grunde ist HENRY nämlich ein Liebesfilm – allerdings einer ohne Happy End.
Nebenbei möchte ich hier noch kurz das fulminante Booklet lobpreisen, dass die ehrwürdige Firma Laser Paradise dem zahlenden Kunden sozusagen als Betthupferl mitliefert. In diesem Booklet lernen wir etwas über die Wirkungsgeschichte des Films und haben teil an solch sensationellen Erkenntnissen wie der, dass McNaughton "die Amerikaner mit seinem Film an ihrer empfindlichsten Stelle" traf, weil Henry Lee Lucas einer der "meistgehaßtesten" Killer der USA sei. Auch filmwissenschaftlich lassen sich die Laser Paradiser kein X für ein U vormachen und haben herausgefunden, dass die "Story" deshalb "sehr düster und bedrückend wirkt", weil "die Inszenierung [...] ohne die üblichen Hollywoodklischees durchgeführt" wurde. Das habe ich sofort nachgeprüft und siehe da: Auf Klischees wie 15-minütige Kaffeepausen, Wohnwagen für die Hauptdarsteller und das Beschriften von so genannten Klappen mit Kreide wurde bei der Durchführung der Inszenierung tatsächlich verzichtet! Vielleicht auch deshalb, weil HENRY gar kein Film aus Hollywood ist?
In kurzen und knappen, aber ungemein präzisen Worten, die an Adorno gemahnen, wird eine Stilanalyse des Films vorgenommen: "Der gesamte Film ist eigentlich sehr unspektakulär ausgestattet und nicht allzublutig, aber dafür umso realistischer und deshalb wesentlich grauenhafter." (Man beachte die beinahe heideggersche Wortschöpfung "allzublutig"!) Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die meisten Morde im Off "passieren", "aber die Details dazu passieren in den Köpfen der Zuschauer." Trotz dieser messerscharfen filmwissenschaftlichen und kulturtheoretischen Analyse wissen die Laser Paradiser, dass hinter jedem Film ein Mensch mit einer Vision steht: "Nur wenige Regisseure haben die Gabe. Einer davon ist John McNaughton [...]"
So, und da mir gerade auch einige Details im Kopf passieren, nehme ich jetzt zur Beruhigung ohne Klischees einen Schluck vom meistgetrunkensten Getränk der Welt: Kaffee ...
#189
Geschrieben 30. Oktober 2005, 16:01
Noch so ein Kindheits-Videojuwel. DAS GESETZ BIN ICH, wie Richard Fleischers Actionfilm von 1974 heißt, ist für mich einer der besten Bronsons überhaupt und ein absolutes Actionhighlight des Harte-Männer-Kinos der 70er.
Bronson ist Vincent Majestyk, ein rechtschaffener Melonenbauer, der schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt kam. Darum wandert er auch sofort in den Bau, als es Ärger gibt: Das großmäuliges Arschloch Kopas (Paul Koslo) zwingt dem guten Herrn Majestyk illegale Arbeitskräfte auf, die dieser gar nicht bestellt hatte. Auch auf gutes Zureden hin lässt sich das Kopas nicht überzeugen, vielmehr greift er zur Waffe. Ein Fehler, denn es setzt sogleich einen sowohl gut gezielten als auch so gemeinten Schlag in die Familienplanung. So findet sich Majestyk im Gefangenentransport ein, bei dem er Bekanntschaft mit dem Mafiakiller Frank Renda macht, der auf dem Weg zu seiner großen Gerichtsverhandlung ist. Doch die Mafia greift ein, es kommt zum Überfall auf den Transport, alles geht schief und schließlich flieht Majestyk mit dem Mafiosi im Schlepptau. Er will einen Deal aushandeln: Er liefert Renda und die Anklage gegen ihn wird fallengelassen, damit er sich endlich wieder seinen Melonen widmen kann, die ungeduldig auf die Ernte warten. Renda seinerseits versucht Majestyk mit dem schnöden Mammon zu erkaufen, prallt jedoch an der Sturheit des gemeinen Melonenbauers und dessen Treue zum Ehrenkodex seiner Profession ab: Lass niemals deine Melonen im Stich! Blöderweise misslingt Majestyks schöner Plan, Renda kann fliehen und schiebt fortan einen ziemlichen Hals auf den Melonenfarmer. Er will Rache, hat aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht ...
Diese für einen solchen Film doch relativ elaborierte Story stammt vom Hardboiled- und Pulp-Papst Elmore Leonard und trägt ungemein zum Erfolg des famosen Streifens bei. Die Figuren sind glaubwürdig, der Spannungsaufbau stetig. Auch Richard Fleischer lässt sich nicht lumpen und überzeugt mit einer rasanten Inszenierung und wohldosierten Actionschüben. Die Schauspieler sind durch die Bank eine Wolke: Bronson sowieso, hier in etwas ungewohntem Milieu (und mit Schiebermütze). Al Lettieri als Frank Renda, den die meisten sicher als Solozzo aus DER PATE oder als Killer aus THE GETAWAY kennen, ist gerade deshalb so gut, weil ihm der Psycho nicht direkt ins Gesicht geschrieben steht, der Deutsche Paul Koslo ist ebenfalls klasse als großmäuliger Feigling Bobby Kopas und Linda Cristal gibt die stolze Latinaschönheit Nancy Chavez, die dem Herrn Majestyk zur Seite steht. Das Tüpfelchen auf dem I ist dann noch die Musik von Charles Bernstein, dessen getragene, sehr edel klingende Komposition den Film zusätzlich aufwertet.
Wer meint, dies sei bloß ein witerer von Bronsons Rachethrillern oder ein weiterer Film der 70er, der das Lied einer schwächlichen Polizei singt, die der Kriminalität nicht mehr Herr wird, sollte sich eines besseren belehren lassen, denn so dumm ist MR. MAJESTYK nicht. Beklagen andere Filme der Zeit meist die Laffheit der polizeilichen Methoden, ist es hier einfach nur das Unvermögen der Bürokratie. Die Motivation Majestyks ist sehr nachvollziehbar: Wer würde nicht handeln wie er, wenn er vor den Überbleibseln des weltgrößten Melonenmassakers stehen würde und von keiner Seite Hilfe zu erwarten hätte ...?
Auch wenn das vielleicht nicht so klingt: Ein Gewinner, von vorne bis hinten und zurück.
#190
Geschrieben 30. Oktober 2005, 18:00
Joh, nu ... Das Erstlingswerk von Jim Jarmusch liefert dem Jarmusch-Exegeten direkt zu Beginn die passende Lesart für alle späteren Jarmuschs: Die Hauptfigur, der jugendliche Drifter Aloysius, kurz Allie, erklärt dem Zuschauer aus dem Off, dass dies hier seine Geschichte sei und eine Geschichte nicht mehr als der Faden, der mehrere mehr oder weniger unverbundene Punkte miteinander verknüpfe.
So präsentiert sich dann auch der Film. Allie schildert einer teilnahmslosen Freundin seine Lebensphilosophie, nie zu lang an einem Ort zu bleiben, um so das Gefühl der Einsamkeit, dass ein ewiger Begleiter ist, zumindest kurzweilig zu überlisten. Er tanzt zu Jazz. Er besucht die Ruine seines Geburtshauses, dass, wie er sagt, im Krieg von den Chinesen zerbombt worden sei. Er trifft einen durchgeknallten Vietnam-Veteran, läuft ziellos umher, besucht seine kranke Mutter in der Heilanstalt, geht ins Kino, versucht sich an ein Filmzitat zu erinnern, klaut ein Auto und begegnet diversen anderen merkwürdigen Figuren. Am Ende fährt er mit der Staten-Island-Fähre nach Paris.
Was wie eine Renaissance der Beat-Ära beginnt, entpuppt sich eher als resignierter Abgesang darauf (der ja der Beatliteratur selbst eigentlich schon inhärent ist). Das vermeintlich freie und abenteuerliche Leben als Drifter ist nämlich eigentlich ziemlich trist, aussichtslos und langweilig. So könnte man PERMANENT VACATION ganz gut mit COMBAT SHOCK im Doppelpack laufen lassen: Beide Filme suhlen sich geradezu in innerstädtischem Verfall und sozialer Tristesse. Die Frage ist aber, ob sich PERMANENT VACATION tatsächlich so ernst nimmt.
Die Figur des Allie ist schlicht ein etwas großmäuliger Träumer, der seinen Lebensstil nicht zuletzt der romantischen Verklärung und absichtlichen Ästhetisierung seines Lebens wegen lebt. Allie ist ein ziemlicher Poser: Er redet möglichst gelangweilt und ohne große stimmliche Variation, kämmt seine raspelkurzen Haare minutenlang vor dem Spiegel, labert jeden an, der ihm über den Weg läuft, sprüht die hässlichsten Grafittis der ganzen Welt und gefällt sich als gesellschaftlicher Außenseiter, träumt aber dann doch wieder den kleinbürgerlichen Traum vom dicken Auto, vom "gangster car". Allie hat gar keine andere Wahl, sein Lebensstil ist nicht frei gewählt.
PERMANENT VACATION ist ziemlich sperrig und es haftet ihm etwas der Mief des studentischen Indie-Kunstfilms an: Musik möglichst perkussiv oder aber natürlich Jazz, ewig lange, statische Einstellungen, viel Handkamera, die schon erwähnten merkwürdigen Gestalten, die den Film bevölkern, der Blick für urbane Ruinen- und Gossenpanoramen, selbstverliebte Monologe, lange gänzlich dialoglose Minuten. Das ist zwar mit knapp 65 Minuten von angemessener Kürze, aber dann doch ein bisschen anstrengend. Lediglich die Autoklauszene fällt heraus und ist gerade deshalb ein absoluter Höhepunkt des Films.
#191
Geschrieben 03. November 2005, 19:43
Ein weiterer hübscher Film aus dem unerschöpflichen Back-Katalog der Shaw Brothers, auch als HAVE SWORD, WILL TRAVEL bekannt und besetzt mit David Chiang und Ti Lung.
Die Story ist wie eigentlich immer zweitrangig und dreht sich um die rechtschaffenen Bewohner des Unbesiegbaren Dorfs – zu denen auch Ti Lung mit seiner Verlobten gehört –, die von einem Finsterling und seiner "Fliegenden Tigerbande" bedroht wird. Zwei Fragen drängen sich auf: Sollte das nicht eher "Bande des Fliegenden Tigers" heißen? Und wenn ja: Warum ist der Tiger im Titel dann gelb? Fragen über Fragen, die Chang Cheh zwar nicht beantwortet, dafür aber David Chiang des Weges schickt, der eben ein Schwert hat und eine Reise tut. So ein Schwertprofi kommt gerade recht, denn der ehrwürdige Meister des Unbesiegbaren Dorfs hat eine Gichtkralle und kann im Kampf nicht mehr helfen. Es folgen die üblichen blutigen Scharmützel, bis am Ende die "Todespagode" gestürmt wird.
So weit, so bekannt und gut. Was den Film aber über den stilvollen Kung-Fu-Spaß, den man von den Shaws ja eh gewohnt ist, hebt, ist das Psychoduell zwischen Ti Lung und David Chiang: Die beiden veranstalten einen Zickenterror, dass es nicht zum Aushalten ist! Ti Lung zieht von Beginn an ne Fluppe, weil er es nicht abkann, dass David Chiang besser mit dem Schwert umgehen kann, während jener so von sich überzeugt und mit dementsprechend wenig Humor ausgestattet ist, dass er auf jede Anfeindung Ti Lungs auch prompt reagiert. So befinden sich die beiden Hauptdarsteller während des gesamten Films in einem nie enden wollenden Schwanzvergleich. Die benehmen sich wie die Kinder! Unglaublich! David Chiang hat auch eine phänomenale Sterbeszene, die fast länger als der Rest des Films ist, zumindest kam sie mir so vor.Der will einfach nicht, dass Ti Lung allein übrig bleibt!
Auch die Synchro möchte ich an dieser Stelle noch würdigen, denn sie schlägt enige Kapriolen: So bewirbt sich der arbeitsuchende David Chiang vergeblich bei eingen "Sicherheitsfirmen". Da wundert man sich dann fast nicht mehr darüber, warum kein Security Service die Dienste dieses Schwert-Paganinis gebrauchen kann. Auch solche Modernismen wie "Geht klar!" können sich die Synchronsprecher nicht verkneifen.
Alles in allem ein wirklich toller Film und sicherlich ein Highlight in Chang Chehs an Höhepunkten nicht armen Schaffen.
#192
Geschrieben 03. November 2005, 21:15
Schön, dass solche eigentlich völlig überflüssigen Perlen wie dieser Frühachtziger-Horrorschund von Philippe Mora auf DVD rauskommen.
Mit Ronnie Cox in einer Hauptrolle relativ prominent besetzt, erzählt dieser dusselige aber nichtsdestotrotz hübsch garstige Film die Geschichte eines Heranwachsenden, der sich aufgrund minderwertigen Erbguts in einen menschenfressenden Riesengrashüpfer verwandelt. So größenwahnsinnig sich das hier anhört, so inbrünstig ernst erzählt Mora die Mär. Zu Beginn gibt es die obligatorische Autopanne im Nirgendwo. Ronnie Cox lässt seine Frau im Wagen zurück (Warum muss in diesen Filmen eigentlich immer unbedingt jemand beim Auto bleiben?), die entlässt den Hund in den dunklen Tann (zweites Fragezeichen), läuft dann hinterher (???) und wird verdientermaßen von einem entstellten Irgendwas, von dem man nur Beine oder Arme sieht,
vergewaltigt. Dann kommen die Credits und man hat Zeit über das Gesehene zu reflektieren.
Aber dann: 17 Jahre später (man ahnt Fürchterliches ...): Der Sohn des obigen Paars leidet an unerklärlichem Gehirndings. Die Ärzte rätseln: Es müsse eigentlich ein genetischer Defekt sein, aber das Erbgut der Eltern sei ja einwandfrei, es sei denn ... Also macht sich das Elternpaar auf die Reise an den Ort der damaligen Geschehnisse deep in the heart of Mississippi, um den damaligen Vergewaltiger ausfindig zu machen. Während sich der durch BEIM STERBEN IST JEDER DER ERSTE Backwood-erfahrene Cox mit seinem Eheweib und der Hilfe vom Sheriff, Peckinpah-Veteran L. Q Jones, durch Backwoodklüngel und die finstere Familiengeschichte der Curwins durchwuseln, bildet der Sohnemann eine ganz eigene Form postpubertärer Akne aus: Jede Nacht von finsteren Mordtrieben geplagt, beginnt er die Familienmitglieder oben genannter Sippe zu meucheln. Dabei macht der sowieso nicht gerade mit Schönheit gesegnete Michael (der deutsche Titel DAS ENGELSGESICHT zeugt von beißender Ironie) ganz bedenkliche Verwandlungen durch, die nach drei Morden in einer der spektakulärsten Effektsequenzen seiner Zeit münden. Wie da dank schöner Bubbleeffekte Michaels Kopf nach ausgiebigem Pulsieren auf die Größe eines Fernsehers anwächst und dazu noch sein Rücken aufplatzt, ist schon aller Ehren wert und versöhnt für so manches Klischee und nicht ausgelassene Fettnäpfchen.
Warum das Ganze???? Ich will nicht zu viel verraten, aber es dreht sich um Sex, Rache, Mord und Nekrophagie ... und um Menschen, die sich ohne erkennbaren Grund in menschengroße Grillen verwandeln. Wie schon gesagt, ist das eigentlich ausgesprochen dämlich, aber eben doch durchaus spannend und mit angemessenem Ernst erzählt, relativ ruppig und so splatterig, wie das kurze Zeit später, der Film ist von 1982, schon nicht mehr möglich war.
Handwerklich ist THE BEAST WITHIN eh einwandfrei: Regisseur Philippe Mora würde ich jetzt vielleicht nicht gerade als "Filmemacher" bezeichnen, aber in den 70ern war er mal nah dran: Er drehte einen Film mit Dennis Hopper, als den sonst keiner haben wollte: MAD DOG MORGAN – schöner Kopfschuss zu Beginn. Später hat er dann sogar zwei Filme mit meinem Held Reb Brown gemacht: den unterirdischen HOWLING II: STIRBA – WEREWOLF BITCH, dessen Höhepunkt eine zu miesem 80er-Synthierock wiederholt gezeigte Brustentblößung von Sybil Danning ist, und DEATH OF A SOLDIER (kenn ich noch nicht). Und HOWLING III hat er auch gemacht. Das Drehbuch basiert tatsächlich auf einem Roman und ist von Tom Holland, der später als Regisseur mit den hübschen FRIGHT NIGHT-Filmen sowie CHUCKY, DIE MÖRDERPUPPE zwei ziemliche Hits gelandet hat, bevor er in den Strudel von Stephen-King-Verfilmungen und TALES FROM THE CRYPT-Episoden für HBO geriet.
THE BEAST WITHIN ist mit Sicherheit kein Klassiker, aber definitv eine Wiederentdeckung wert und mit dem Vergessene-Perlen-Bonus versehen.
#193
Geschrieben 06. November 2005, 09:38
Zwar hat Chang Cheh hiermit keinen Piratenfilm vorgelegt, aber dennoch unterscheidet sich THE BOXER FROM SHANTUNG ziemlich von seinen sonstigen Historienepen. Die Handlung dieses Gangsterfilms spielt schätzungsweise im Shanghai des frühen 20. Jahrhunderts und erinnerte mich hier und da an eine asiatische Version von De Palmas SCARFACE.
Das Landei Ma Yong Zhen (Kuan Tai Cheng) kommt mit seinem Freund in die große Stadt, um dort groß rauszukommen. Sein Vorbild ist der stilbewusste und smarte Tan Zhi (David Chiang in einer Art Gastrolle), ein Unterweltboss, dem halb Shanghai gehört. Die andere Hälfte gehört den vier Meistern, mit denen sich Ma Yong Zhen sofort anlegt. Da er über herausragende kämpferische Fähigkeiten verfügt, gelingt es ihm, den vier Meistern einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen und so langsam zur dritten Unterweltkraft aufzusteigen: Nur an Tan Zhi will er sich nicht vegreifen. Doch wie das so ist: Crime doesn't pay, der Traum vom Ruhm wird teuer bezahlt.
Wer KUNG-FU HUSTLE gesehen hat, der wird in diesem wirklich fantastischen Film die Inspirationsquelle für die Axe-Gang finden, denn die Schergen der vier Meister kämpfen am liebsten mit handlichen Beilen: Das Finale ist eine entsprechend blutige Angelegenheit, bei der Ma Yong Zhen dann auch zeigen kann, was in ihm steckt: Er will einfach nicht sterben. So musste ich doch an Tony Montana denken, wie er vom Koks benebelt und von Kugeln durchsiebt "I take all your fuckin' bullets!" herausschreit ...
Der Film ist mit zwei Stunden recht lang aber ungemein unterhaltsam und spannend und Fights gibt es ebenfalls reichlich. Hervorzuheben ist noch der Score, der sehr dynamisch ausgefallen ist und der Handlung ziemlich einheizt. Lustig auch die Creditsequenz: Hinter der Schrift werden Fotos von Shanhai abgefilmt. Leider hatte man wohl nicht allzu viele Bilder zur Auswahl, denn die wiederholen sich doch nach sehr kurzer Zeit ...
#194
Geschrieben 07. November 2005, 18:27
Wahrscheinlich ist es ja komplett unnötig, über diesen Film etwas zu schreiben, darf man ihn doch wohl mit Fug und Recht als einen der größten Filmklassiker aus Hollywoods Goldener Ära (und überhaupt!) bezeichnen.
Billy Wilder beweist mit SUNSET BOULEVARD, dass er auch nichtkomödiantische Stoffe zu meistern weiß: Zu Beginn schwimmt erstmal eine Leiche im Pool, die uns sodann in einer Rückblende erzählt, wie es zu ihrem traurigen Ende kam. Der erfolglose Drehbuchschreiber Joe Gillis (William Holden) gerät bei der Flucht vor seinen Gläubigern auf das heruntergekommene Anwesen der Stummfilmdiva Norma Desmond, deren Ruhm ebenso gebröckelt ist, wie die Fassade ihres ehemaligen Palastes. Umgeben von Bildern und Andenken aus einer längst vergangenen Zeit träumt sie von einer Rückkehr ins Filmgeschäft, unterstützt durch ihren Butler (Erich von Stroheim) – ihren ehemaligen Ehemann und Regisseur Max von Mayerling –, der alles tut, um die Träume seiner Diva am Leben zu halten, sogar die Fanpost schreibt er und täuscht seine Herrin so darüber hinweg, dass sich längst keiner mehr an sie erinnert. Und Joe Gillis kommt Norma Desmond gerade recht: ein junger, gutaussehender, mittelloser Mann, der auch noch schreiben kann. So soll er das selbstverliebte Drehbuch der alternden Schauspielerin umschreiben und ihr zu einer ruhmreichen Rückkehr auf die Leinwand verhelfen. Doch natürlich kommt alles ganz anders.
Wilders Film lässt dem Zuschauer ein wahres Wechselbad der Gefühle ein: von tragikomisch über beängstigend bis hin zu todtraurig reicht die Palette. Vor allem die Figur der Norma Desmond – fantastisch dargestellt von Gloria Swanson, einer "echten" Stummfilmschauspielerin – ist faszinierend und offenbart
tiefste Abgründe, ebenso wie ihr Butler Max. Es war für mich ein echter Schock, als Max dem ahnungslosen Joe gesteht, dass er einst Normas Ehemann war: Das sind ja wohl mal lose Sitten! Auch das Setting, der verwilderte Hollywoodpalast, stellt den idealen Hintergrund für die Geschichte da, die von Verfall geistiger wie körperlicher Art, von vergangenen besseren Zeiten, von Tod und Erinnerung handelt.
Freunde des klassischen Hollywoodkinos werden sich außerdem über die Gastauftritte solcher Legenden wie Cecil B. DeMille, Buster Keaton oder Hedda Hopper freuen, die allesamt sich selbst spielen. So ist SUNSET BOULEVARD aus heutiger Sicht gleich doppelt wertvoll: War er für seine Zuschauer 1950 schon ein Fenster in längst vergangene Zeiten, so ist der Blick für den heutigen Betrachter gleich zweimal gebrochen. Und filmhistorisch ist Billy Wilders Film sicherlich auch deshalb so interessant, weil es sich um ein recht frühes Beispiel eines Metafilms handelt – und ein recht kritisches noch dazu! Famos!
#195
Geschrieben 08. November 2005, 18:58
Die wunderbare Shaw-Brothers-Collection hat einen weiteren Höhepunkt: Shan Huas SOUL OF THE SWORD, der mit Ti Lung (ach, nee), Feng Ku und Norman Chu besetzt ist. Ti Lung ist der Namenlose, der, seit er als Kind beobachtete, wie ein Schwertkämpfer vom König der Schwerter im Duell gemeuchelt wurde, keinen sehnlicheren Wunsch hat, als selbst gegen diesen König anzutreten. Natürlich kommt ihm eine Frau in die Quere und die sieht der Geliebten des toten Schwertkämpfers verdächtig ähnlich, was etwas komisch ist, schließlich folgte sie ihrem Lover damals durch einen beherzten Schwertstreich freiwillig ins Jenseits. Und bald schon kommen dem Namenlosen die ersten Zweifel, ob die Liebe zu einer Frau ihn nicht ebenso beim Schwertkampf beeinträchtigen könnte wie einst den Herausforderer des Königs der Schwerter ... (hat übrigens nichts mit Schwerte zu tun)
VERTIGO auf chinesisch oder so ähnlich. Spaß beiseite, tatsächlich erstaunt die westliche Prägung des Films: Der Handlungsaufbau ist relativ stringent und lässt allzu wild verknotete Subplots aus und selbst die Motivationen der Figuren sind für westliche Zuschauer einigermaßen nachvollziehbar. Gewürzt wird das zum Teil recht blutige Treiben außerdem durch einige Ausflüge in fleischige Gefilde, die für diese Art von Film und diese Zeit doch eher ungewöhnlich sind. Passend dazu erzählt ein Märchenerzähler noch eine skurrile Geschichte über ein Ehepaar, das sich gegenseitig die Geschlechtsteile bemalt. Echt wahr!
Shan Huas Film ist von 1977 und so gibt es schon eine ziemliche Schlagseite zum New-Wave Hongkong-Kino: Die Kung-Fu-Einlagen deuten spätere Strippenzieher-Großleistungen schon an, die Choreografien sind insgesamt ausgefeilter als in den früheren Shaw-Brothers-Filmen.
Also eine durchaus lohnenswerte Entdeckung: Tolle Schwertkämpfe, ein famoser Ti Lung, Verrat, Leidenschaft, Blut, Tod und finstere Geheimnisse sind nur einige der Zutaten für diesen rundum schmackhaften Film.
#196
Geschrieben 09. November 2005, 18:35
Shaw Brothers Classics die 427te. Die imdb nennt als Regisseur dieses international als THE WEB OF DEATH benannten Films Chor Yuen, was ich mal als Trugschluss hinstellen möchte, ohne das wirklich verifizieren zu können. Die deutsche Hülle weiß als Regisseur jedenfalls Chu Yuan zu vermelden, was sich zugegebenermaßen sehr ähnlich anhört. Zu Informationen möchte ich den Leser hiermit herzlich einladen.
Nach den ganzen hochklassigen Kung-Fu-Spektakeln der letzten Einträge geht es mit der SPINNE etwas trashiger zu: Der böse Clan der fünf Gifte entwendete vor 100 Jahren die Spinne der fünf Gifte aus dem Besitz des Wu-Tang Clans, um sie vor der Welt zu verbergen. Anlässlich eines großen Boxerwettkampfes wollen die Wu-Tangs aber ihre Spinne wiederhaben, weil sie mit ihrer Hilfe unbesiegbar sind. Doch der Clan der fünf Gifte verweigert die Herausgabe. Bald schon gibt es ein munteres Intrigenspiel um den Besitz der Spinne, die nicht nur gelb leuchtet und Strahlen verschießt, sondern auch ein Netz, das den, den es berührt, sofort in einen blutigen Klumpen verwandelt.
Die Effekte um die Spinne sind schon eine Wolke: Wenn die bis an die Zähne bewaffneten Schwertkämpfer um diese kleine Vogelspinne herumtapsen und sich einer nach dem anderen abmurksen lassen, ohne auf die Idee zu kommen, einfach einen Eimer über die böse Spinne zu stülpen, weiß man, warum die Chinesen heute keine Weltmacht mehr sind. Sie kapitulieren vor der Durchschlagskraft des Kleintiers. Wie ein Mönch angesichts der Bedrohung anerkennend zuzugestehen weiß: "Die Spinne ist wirklich gut!" Sehr geil auch, dass diese Spinne, mit deren Hilfe man gut und gern nach der Weltherrschaft greifen könnte, nur deshalb verborgen bleiben soll, weil sonst die "Boxerwelt auf den Kopf gestellt werden könnte". Und noch etwas bleibt dem westlichen Zuschauer verborgen: Warum ist der Clan der fünf Gifte (die haben sogar einen "Nebel der fünf Gifte"!) eigentlich der böse, wo die doch verhindern wollen, dass jemand in den Besitz des todbringenden Tieres gelangt?
Damit das hier nicht falsch rüberkommt: THE WEB OF DEATH ist ein feiner Film, dessen Story allerdings eine harte Schlagseite Richtung Fantasy hat. Wer Shaw-Brothers-Filme mag, wird auch hier seinen Spaß haben: Die Story ist spannend und beinhaltet sogar eine gelungene Indiana-Jones-artige Sequenz, die Kostüme sind bunt und die Settings ein Traum. Geil ist auch der Plastiknippes, der beim Clan der fünf Gifte umsteht und so aussieht, als hätten die sich aus einem Halloween-Kostümfundus bedient. Und ihr Anführer sieht aus wie Prince Ital Joe. Auch auf liebgewonnene typische Handlungselemente wie Mann/Frau-Verwechslungsspielchen muss man nicht verzichten und die Fights sind natürlich ganz groß.
Einziger Wehrmutstropfen: Es fehlt ein Star vom Kaliber eines Ti Lung, David Chiang, Jimmy Wang Yu oder Gordon Liu. So darf man sich dann nur über Ku Feng freuen (und Norman Chu in einer Nebenrolle).
P.S. Ich möchte hier nur mal ganz dezent erwähnen, dass ich hinter der deutschen Titelgebung bei diesen Filmen latenten Rassismus durchschimmern sehe. Oder wie ist das sonst zu verstehen, dass wirklich in jedem Titel das Attribut "gelb" mit eingebunden werden muss?
#197
Geschrieben 17. November 2005, 18:32
... und nochmal Shaw Brothers und ich hoffe, ich langweile niemanden. Ich könnte im Moment jedenfalls ewig so weitermachen und auch dieser, international THE SHADOW WHIP betitelte, eher schwache Film ändert daran nix.
Inszeniert von Lo Wei, hat aber auch dieser Film seine Meriten, die den Kung-Fu-Film-Skeptiker vielleicht überzeugen könnten; der Fan wird sowieso bei der Stange gehalten. Oberstes Plus für Anfänger: die knackige Laufzeit von knapp 75 Minuten, bei der selbst ein Chinese es sich nicht leisten kann, sich inhaltlich zu verzetteln. Die Story ist schon fast skizzenhaft zu nennen – deshalb schenke ich mir auch den Abriss – und hetzt von Kampf zu Kampf, wobei große Mengen böser Menschen von gezielten Schwert- und Peitschenhieben, aber auch listigen Speerwürfen dezimiert werden, was ja fast immer schön anzusehen ist, wenn man sich auf die Poesie des tänzerischen Massenmords einlassen kann – bei den Shaw Brothers wird es ja eh selten wirklich brutal, alles wirkt eher märchenhaft-naiv. Hervorzuheben ist außerdem die winterliche Schneelandschaft, in der der Film spielt und die SHADOW WHIP von anderen Vertretern seiner Zunft auch optisch unterscheidet.
Leider muss man an diesem Film doch tatsächlich einige technische Unzulänglichkeiten bemängeln: So wird der Montagetechnik mit dem Begriff "holprig" noch zu viel des Guten getan. Vielleicht ist das Ganze auch auf die mangelhafte Qualität des Ausgangsmaterials zurückzuführen, was ich aber nicht glaube, da IVL CELESTIAL, auf deren Shaw Brothers Collection ja auch die deutschen DVDs basieren, sich damit rühmt, alle Filme komplett neu digital gemastered zu haben. Sehr bizarr ist auch eine Kampfszene, die minimal schneller läuft – achtet man nur auf den zentralen Kämpfer sieht das ganz gut aus; die Illusion ist aber dahin, wenn man das hektische Gehampel der Schergen im Hintergrund verfolgt.
Der wirklich letzte Mangel ist die Besetzung: Cheng Pei-Pei sieht zwar adrett aus, ist aber doch eher Nebenfigur und Yueh Hua (Huey Lewis?) hat nicht ganz das Zeug zum Hauptakteur. So bleibt nur der stets verlässliche Ku Feng in der typischen Schurkenrolle übrig.
#198
Geschrieben 21. November 2005, 18:13
Wie bei fast allen Einträgen zu den DVDs aus der deutschen Shaw-Brothers-Collection gibts hier auch als erstes wieder einen Kommentar zum Titel: Wer hat sich denn das nun wieder ausgedacht? Es grenzt ja schon an ein Wunder, dass es nicht DAS GELBE HÖLLENTOR DER SHAOLIN heißt, dennoch kann man nach dem Film nur ganz ernüchtert feststellen: Nein, hier gibt es weit und breit kein Tor, schon gar keins, das zur Hölle führt. Aber Shaolin, ja, die gibt es. Also zum Thema: Irgendein fieser Ming-Dynastie-Herrscher will die Shaolin-Mönche vernichten, weil sie ihm mit ihren Kampfkünsten ein Dorn im Auge sind. Leichter gewollt als getan, sind sie doch äußerst unangenehme Gegner. Ein schlauer Plan muss her: Da die Shaolin sich in Nord- und Süd-Shaolin unterteilen und beide in Konkurrenz zueinander stehen, sieht der Bösling die Möglichkeit, beide Gruppen gegeneinander auszuspielen. Er lädt also von beiden Gruppen jeweils die drei besten Kämpfer ein, um sie gegeneinander antreten zu lassen. Doch siehe da: Die Süd-Shaolins haben nicht den Hauch einer Chance. Während sich die Nord-Shaolins über ihren Sieg freuen, meuchelt der finstere Herrscher die Süd-Shaolins und lässt die Mönche glauben, die Nordlichter seien die Täter. Solch ein Vergehen wollen die Südländer natürlich nicht ungestraft auf sich sitzen lassen. Nur Rache kann die Schmach abwenden. So werden die drei besten Süd-Shaolins zur Ausbildung geschickt, um mit speziellen Techniken gegen die Nordlichter anzutreten.
Trotz des historischen Hintergrunds steht in diesem Film von Chang Cheh, INVINCIBLE SHAOLIN, ganz klar die Kampfkunst im Vordergrund und es ist ziemlich beachtlich, was seine sechs Hauptdarsteller da so vom Stapel lassen. Ein großer Teil der Story dreht sich um die Ausbildung, was ich ja fast immer sehr gern sehe. So kommen hier feine chinesische Trainingsmethoden zum Einsatz sowie die allseits beliebten Motivationstechniken. Das ist von Altmeister Cheh wie immer äußerst stilsicher in Szene gesetzt und dann und wann hübsch übertrieben: Nachdem der Süd-Shaolin, der den Mantis-Stil lernen soll, es geschafft hat, Liegestütze auf seinen Daumen zu machen – und das ist kein Trick, der Typ kann das wirklich! –, macht er auch noch einen einarmigen Kopstand – ebenfalls auf dem Daumen (das ist natürlich getrickst)! Der kann echt alles.
Die Geschichte - die auf wahren Begebenheiten beruht - nimmt einen recht tragischen Verlauf. Die verfeindeten Shaolin erkennen die Falle nicht und rennen blind in ihr Verderben. Natürlich werden auch die ewigen philosophischen Themen um Bestimmung, Schicksalsgläubigkeit und den freien Willen angeschnitten. Gerade letzterer hat natürlich angesichts der rigiden moralischen und sozialen Kodes keine Chance, was sich der Finsterling geschickt zunutze zu machen weiß.
Ein toller Kung-Fu-Film, der auch über furiose Kampfeinlagen hinaus etwas zu bieten hat, wenn man dafür einen Blick hat. Für Freunde des nutzlosen Wissens noch ein interessantes Faktum am Rande: Die Kampfeinlagen wurden allesamt improvisiert. Unglaublich! Die Besetzung kommt ohne die ganz großen Namen aus, überzeugt aber durch markante Gesichter und die entsprechende Athletik.
#199
Geschrieben 21. November 2005, 23:59
Old School Galore!!! Neben den ganzen Historienepen um kostümierte Recken, die gegen böse Kaiser in den Kampf ziehen um nebenbei die Philosophie der Kampfkunst rein zu halten, nimmt sich KING BOXER aus wie das schwarze Schaf in der Familie. Hier ist Kung-Fu in erster Linie dazu da, um seinem Gegner ordentlich die Schnauze zu polieren.
Chao Chi-Hao (Lo Lieh) ist ein hoffnungsvoller, aufstrebender Kämpfer, dem ein bisschen der Feinschliff fehlt, um ein ganz großer zu werden. Sein Lehrmeister schickt ihn deshalb auf eine renommierte Schule, wo Chao nach einiger Zeit sein Talent unter Beweis stellen kann. Leider gibt es im Ort noch eine andere Schule, die sich die leidige Konkurrenz vom Leib schaffen will. Dazu ist den Fieslingen buchstäblich jedes Mittel recht: Noch nicht einmal vor der Kollaboration mit den Japanern schrecken sie zurück. Wer weiß, wie sehr die Japaner den Chinesen verhasst sind, weiß auch, dass man tiefer eigentlich gar nicht mehr sinken kann. So muss der gute Chao einige klassische Angriffe über sich ergehen lassen: seine Mitstreiter werden dezimiert, sein Lehrmeister ermordet, seine Hände gebrochen. Doch am Ende steht er in einem Kampf um Leben und Tod seinen Feinden gegenüber und kann zeigen, dass Rache Blutwurst ist und am besten durch gezielte Handkantenschläge vor die Zwölf hergestellt wird.
Ja, die Story ist durchaus archetypisch. Doch KING BOXER ist kein dreistes Rip-off, sondern the real deal. 1972 war er unter dem Titel FIVE FINGERS OF DEATH ein früher Kung-Fu-Hit in den Staaten, noch vor ENTER THE DRAGON. Lo Lieh der Hauptdarsteller war einer der ersten internationalen Kung-Fu-Stars und spielte u. a. auch in Europa, z. B. in Margheritis IN MEINER WUT WIEG ICH VIER ZENTNER. Die Story erinnert ziemlich stark an Bruce Lees FIST OF FURY, der auf deutsch, glaube ich, DIE TODESFAUST DES CHENG LI heißt.
Es gibt einige wirklich herausragende Szenen: die zahlreichen ruppigen, äußerst schmerzhaften Fights, die Szene in der Chaos Mitschüler (und Rivalen) die Augen ausgepiekst werden sowie sein blinder Angriff am Schluss, die Auftritte der fulminant miesen Japaner, von denen zwei aussehen wie die unehelichen Söhne Bigfoots, das Turnier in der Freilichtarena, das an TRUMAN SHOW erinnert, weil man deutlich sieht, dass der vermeintlich "freie" Himmel tatsächlich auf eine Studiowand aufgemalt ist, und natürlich die Szenen, in denen Chao seine rotglühende Iron Palm einsetzt. Und wer sich schon immer gefragt hat, wo Quentin Tarantino die KILL-BILL-Sirene her hat, wird nach diesem Film ebenfalls etwas schlauer sein.
Regisseur Cheng Chang-Ho bzw. Chang-hwa Jeong beendete seine Karriere nur ein paar Jahre später, 1977, jedenfalls datiert Imdb seinen letzten Eintrag auf dieses Jahr. Unter den zahlreichen anderen Einträgen finden sich eine Menge koreanischer Filme. Scheint ein nicht uninteressanter Regisseur zu sein, jedenfalls hat er mit diesem Klopper einen echten Glückseligmacher hingelegt. Groß!
#200
Geschrieben 30. November 2005, 16:01
Der zweite Anlauf, nachdem mir eben die Verbindung abgeschissen ist. Schade, wäre ein fulminanter Eintrag geworden, jetzt reicht es nur noch für den "zweiten Anzug" wie der sprachbegabte Fußballkommentator sagen würde.
DISCIPLES, zu deutsch ERBEN DER 36 KAMMERN DER SHAOLIN, ist der dritte und finale Teil von Lau Kar-Leungs Trilogie, deren erster Teil THE 36TH CHAMBER OF SHAOLIN einen der absoluten Kung-Fu-Film-Klassiker darstellt und ihren Hauptdarsteller Gordon Liu zu Starruhm und den Rollen in KILL BILL VOL. 1 und 2 verhalf.
Lau Kar-leung (oder auch Liu Cha-liang) ist für zahlreiche Filme aus dem Hause Shaw als Choreograf in Erscheinung getreten und darf wohl als einer der Erfinder des modernen Kung-Fu-Kinos bezeichnet werden. Mit seiner Trilogie (der zweite Teil lautet RETURN TO THE 36TH CHAMBER) zollte er dem Legendären Shaolinmönch San Te Tribut, der einst die Kung-Fu-Ausbildung säkularisierte. Darum dreht sich ja dann auch der erste Teil. In den beiden Nachfolgern begibt sich Lau Kar-leung, der selbst im klassischen Shaolin-Kung-Fu ausgebildet wurde, auf eher komödiantisches Terain, ohne jedoch mit turbulenten Kung-Fu-Einlagen zu geizen, deren Hauptdarsteller er im dritten Teil dann auch ist.
Er spielt den kantonesischen Volkshelden Fong Sai-Yuk, den auch Jet Li in zwei von Corey Yuen inszenierten, nach diesem Helden betitelten Filmen Anfang der 90er spielen durfte. Die erste halbe Stunde von DISCIPLES drängt jedoch eher den Vergleich mit den deutschen PEPE, DER PAUKERSCHRECK-Filmen auf: Fong Sai-Yuk hat keine Lust auf Schule, stattdessen blödelt er herum, sehr zum Ärger von Lehrern und Eltern. Am Ende ist er mit seiner Schlitzohrigkeit und seinem ausgeprägten Kung-Fu-Talent jedoch immer der lachende Gewinner, was seine Erzieher zur Weißglut und dem Entschluss treibt, ihn als Erziehungsmaßnahme ins Shaolinkloster zu schicken. Da er von seinen Talenten jedoch sehr überzeugt ist, geht er bald eigene Wege: Nachts schleicht er sich aus dem Kloster um in einer Siedlung der verfeindeten Manchus seine Künste zum Besten zu geben. Die Manchus schmieren dem jugendlichen Wirbelwind fleißig Honig ums Mäulchen und fordern ihn begeistert auf, wiederzukommen. Dahinter steckt jedoch weniger Begeisterung als vielmehr pure Berechnung: Die Manchus wollen nämlich das Geheimnis des Shaolin-Kung-Fu erlangen, um sich zur Herrschaft aufzuschwingen. San Te (wieder einmal Gordon Liu) eilt Fong Sai-Yuk und seinen Freunden jedoch zur Hilfe und besiegt mit diesen die Manchus in einem wirklich spektakulären Finale, das - wie die Teile zuvor - ganz ohne Leichen auskommt.
Wie gesagt: Wer Hong-Kong-Humor scheut oder eine Fortsetzung des Klassikers erwartet, sieht sich wahrscheinlich enttäuscht. Wie ja überhaupt Hong-Kong-Humor dazu verdammt ist, westliche Gemüter auf ewig zu scheiden in die, die nicht müde werden, das dem Hong-Kong-Humor inhärente Blöde frenetisch zu bejubeln, und die, die es total saukomisch finden, wenn ein Junge seinen Pillemann in einen Apfelkuchen steckt. Das Training im Kloster spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle, wie überhaupt es erst nach einer guten halben Stunde Kung-Fu zu sehen gibt. Zugegeben, das Erzähltalent ist sicherlich nicht das, wofür man sich an Lau Kar-leungs Filme erinnern wird. Dennoch hat er seinen Lehrern ein würdiges Denkmal gesetzt, was wohl in erster Linie sein Ziel war. In den dargebotenen Kung-Fu-Szenen bekommt man einiges geboten, so etwa einen phänomenalen Zweikampf zwischen Gordon Liu und Lau Kar-leung, in denen sich die beiden mit zwei kleinen Holzbänken bekämpfen. Die Koordination und Beweglichkeit, die die beiden hier an den Tag legen, ist einfach beeindruckend.
Auch im Finale geht es ordentlich zur Sache und Fans der Auf-Brettern-übers-Wasser-lauf-Sequenz des Originals bekommen noch mal eine Steigerung zu sehen. In allen drei Filmen wird die Kunst der Bewegung geradezu zelebriert, was sie auch über ihren eigentlichen historischen Hintergrund hinaus interessant macht.
Insgesamt finde ich den dritten Teil schon am schwächsten. Aber nach anderthalb Stunden purem Vergnügen ist diese Feststellung nur was für Spielverderber und Statistiker.
#201
Geschrieben 30. November 2005, 16:50
Das Schöne daran, sich neue Genres zu erschließen, ist ja auch, zu merken, wie das Fremdartige und Unbekannte langsam vertraut und verständlich wird und einem plötzlich Dinge auffallen, für die man vorher gar kein Auge frei hatte. Ich genieße es auch immer, mir das notwendige enzyklopädische Wissen anzueignen. So weiß ich jetzt zum Beispiel, dass die sechs Hauptdarsteller des von mir kürzlich besprochenen DAS HÖLLENTOR DER SHAOLIN die sogenannten Venoms sind: eine Gruppe von Kung-Fu-Kämpfern, die Chang Cheh entdeckte, um auch mal andere Hauptdarsteller als Ti Lung und David Chiang zu offerieren.
Die Venoms, die vor allem aufgrund ihres ersten gemeinsamen Films FIVE DEADLY VENOMS bzw. FIVE VENOMS zu ihrem Namen kamen, spielen auch in diesem direkten Nachfolger zu ihrem Debüt die Hauptrolle. CRIPPLED
AVENGERS ist wohl einer dieser Filme, bei denen schon bei der ersten Kontakt-aufnahme die Fronten geklärt sind: Entweder man setzt alle Hebel in Bewegung, um diesen Film zu sehen, in dem Wissen, da etwas ganz Großes geboten zu bekommen, oder man winkt ab, verzieht das Gesicht, murmelt kurz
"Schund" und geht ins Kunstkino um sich einen veritablen Langweiler anzu-
gucken, natürlich "nicht so'n Kommerzscheiß".
Die ersten drei Minuten hätten bei Ridley Scott schon ein Dreistundenepos gefüllt: Drei Schergen stürmen das Haus von Black Tiger Dao (Chen Kuan-Tai), hacken dessen Frau die Beine und seinem Sohn die Arme ab, aus Enttäuschung darüber, dass er nicht persönlich zugegen ist. Die Frau ist sogleich tot, der Sohnemann trägt sein Leid wie ein Mann - Nerven aus Drahtseil! Der Papa kommt nach Hause, schwört Rache und verspricht dem lethargischen Sohn, Stahlarme für ihn zu basteln und ihm tödliches Kung-Fu beizubringen. Ein Schnitt und schon hüft besagter Sohnematz (Lu Feng) stattlich gereift und mit saugeilen Stahlarmen ausgestattet (die auch schießen können!) durch das heimische Gemüse und demonstriert seine tödlichen Skills. Papa Dao ist derbe geflasht und lässt den Filius gleich die Nachkommen seiner einstigen Peiniger verkrüppeln. Darob hätten Papa und Sohnematz eigentlich ein beschauliches Leben fristen können, doch der Hass hat sich tief in sie hineingefressen. Jeder, der dem Sohn aufgrund seiner Behinderung auch nur ein bisschen dumm kommt, bekommt sogleich, was er nicht zu verdienen geglaubt hatte. So werden die vier Venoms nacheinander geblendet, entbeint, taubstumm und schwachsinnig gemacht, weil sie so dumm waren, den Stahlarm anzurempeln oder ihn doof anzugucken. Mit Rachegedanken machen sich die vier auf die Suche nach einem Kung-Fu-Meister, der ihnen eine Ausbildung (und Stahlbeine) verpasst, um sie für die Rache zu schulen.
Ja, so etwas gibt es. Und ja, so etwas wurde von Chang Cheh inszeniert, allerdings nach seiner anspruchsvollen Phase, die ja auch John Woo inspirierte (hmmm, wenn ich es mir richtig überlege, hat den ja wohl auch Chehs Trashphase inspiriert). Nach dem wirklich nicht in Worte zu fassenden Beginn berappelt sich der gute Herr Cheh zwar noch einmal und schaukelt den Film doch noch würdevoll nach Hause, dennoch kann man nicht anders als dem Film einen wohlverdienten Platz auf der Galerie einzuräumen, auf der auch solche Wuchtbrummen wie MASTER OF THE FLYING GUILLOTINE oder EBOLA SYNDROME stehen. Der schlechte Geschmack wird hier zum Prinzip gemacht. Dabei ist das alles durchaus stilsicher inszeniert. Wenn Schmied Wei (Lo Meng) taubstumm gemacht wird, setzt effektiv die Tonspur aus, ein Effekt, der in Kampfszenen auch gerne mit Toneffekten kontrastiert wird. Auch die Ausbildungssequenz bietet einige wunderbare Sequenzen, so die beinahe tänzerische Einlage des Blinden (Philipp Kwok) und des Schwachsinnigen (Sheng Chiang), die mit Eisenringen trainieren.
Um in alleroberste Trashregionen vrozudringen, hätte es nicht nur eines schlechteren Regisseurs bedurft, sondern auch des Mutes (und der technischen Möglichkeiten) mit dem Titel Ernst zu machen. Wenn Sun Chien erstmal seine Eisenbeine verpasst bekommen hat, hat man de facto keine Krüppel mehr vor sich, sondern eben Schauspieler, die so tun als ob. Und gerade die Taubstummheit lässt sich als kämpferisches Handicap eigentlich gar nicht darstellen. Sheng Chiang, der den Schwachsinnigen gibt, erhält überhaupt kein Sondertraining und darf einfach als Comic-Relief wirken. So gewinnt der Film dann vor allem über seinen politisch überaus unkorrekten Humor und nicht über Blutspritzerei und Gore. Hier darf man sich als Westeuropäer, der sich gern und oft auf die Aufklärung bezieht, doch darüber wundern, was in anderen Ländern so als Humor durchgeht. Da nehmen sich selbst solche Schwulenhetztiraden, wie sie Bully Herbig regelmäßig verbrechen darf, als überaus handzahm aus.
Auch wenn dieser Film sicherlich nicht der beste Film von Cheh oder den Shaws ist, sollte jeder Interessierte sich auf die Suche nach ihm begeben, denn so was bekommt man wirklich nicht alle Tage zu Gesicht. Großes Tennis!
#202
Geschrieben 01. Dezember 2005, 10:41
So unmittelbar nach CRIPPLED AVENGERS ist dieser Film gleich doppelt bemerkenswert. Nicht nur, dass es sich dabei um einen äußerst europäisch anmutenden, düsteren und unterkühlten Rachethriller handelt, was für einen Film aus Hong-Kong ja per se schon ungewöhnlich ist, er ist auch noch brilliant in Szene gesetzt von Chang Cheh, der damit beweist, dass es durchaus möglich ist, innerhalb von knapp zehn Jahren das ganze Spektrum von Arthouse bis Grindhouse abzudecken und in beiden Bereichen Meisterschaft zu beweisen.
Die Story von VENGEANCE! (zu deutsch KUAN - DER UNERBITTLICHE RÄCHER)
ist sparsam und erinnert an die Leone-Western um den Namenlosen oder meinetwegen auch an Melvilles DER EISKALTE ENGEL.
Der Schauspieler Guan Yulou (Ti Lung) bekommt mit, wie der schmierige
Kung-Fu-Schulen-Besitzer Feng (Ku Feng) seine Braut anmacht, die allerdings gar nicht so abgeneigt ist. Der temperamentvolle Mime überfällt daraufhin Fengs Schule und haut ein paar Leute zu Klump. Fengs Rache lässt nicht lange auf sich warten: Er versammelt die städtische Elite um sich und schmiedet einen finsteren Mordplan, der schon bald erfolgreich abgeschlossen wird. Nach qualvollem Kampf, in dessen Verlauf der Mime geblendet wird, findet er sein blutiges Ende. Doch die Rache lässt nicht lange auf sich warten, Teil 2: Yulous Bruder Xiaolou (David Chiang) marschiert ins Städele und stattet nacheinander jedem, der an der Ermordung seines Bruders beteiligt war, eine Stippvisite ab.
Mehrere Dinge fallen ins Auge: Die Geschichte ist in einer chinesischen Großstadt der 1920er-Jahre angesiedelt, was dem Film schon rein äußerlich einen anderen Anstrich verleiht. Chang Cheh ergeht sich in recht ungewöhnlichen Regieeinfällen. So wird die Ermordung Yulous mit seinem Bühnentod im Theater parallelmontiert. Die Kampfszenen werden außerdem durch zahlreiche Zeitlupen "aufgepeppt". Die Musik - folkloristische Percussivsounds - mutet im Kontext des Films extrem artifiziell und enervierend an; besonders etwa in einer Kampfszene zwischen Xiaolou und zwei Mordbuben, die auf der Theatertoilette stattfindet. Überhaupt David Chiang: Sein gegen seine sonstigen strahlenden Helden gebürsteter Rächer brachte ihm prompt einen Award in Hong-Kong ein. Schon sein erster Auftritt macht klar, dass der Mann keinen Spaß versteht und kommt, um sich zu beschweren: Regen setzt ein und seine Schritte hallen laut und monoton durch die Straßen. Mixmaster Fulci hätte seine Freude gehabt.
Die Atmosphäre dieses Films ist extrem ungemütlich. Wem der Sinn nach buntem Thrill steht, wird hier nicht fündig werden, stattdessen aber mit Elend und Verdammnis reich beschenkt werden. Es gibt keine Sympathiefiguren, vielleicht mit der Ausnahme von Xiaolous Herzdame Zhenfang; doch man ahnt, dass sich das gemeinsame Glück nicht erfüllen wird - dafür hat Xiaolou einfach den falschen Weg gewählt. Auch Ti Lung kommt nicht gut weg. Eitel und von Eifersucht zerfressen, macht er nach der eigentlich harmlosen Anmache von Feng gleich ein überdimensionales Fass auf - dabei sieht ein Blinder, dass es seine nymphomane Frau gar nicht wert ist: Die hat gleich nach dem Tod von Mr. Ti den nächsten Kerl im Bett und ist auch über dessen auf dem Fuß folgenden Tod nicht lange Gram. Next one, please! Verrat, Heimtücke, Gier und Gewissenlosigkeit dominieren das versammelte Personal - kein freundliches Menschenbild.
So gibt es auch in den Kampfszenen keine tänzerische Eleganz zu bestaunen. Hier
wird Brachialgewalt angewendet und blutigst gestorben. Ein Fest für Filmfreunde und eine mehr als lohnenswerte Entdeckung, nicht nur für Shaw-Brothers-Fans. In einer winzigen Nebenrolle ist Chen Kuan-Tai zu sehen (BOXER FROM SHANTUNG, CRIPPLED AVENGERS). Er macht in diesem Film keine Ausnahme: Er stirbt.
#203
Geschrieben 02. Dezember 2005, 11:37
Bei genauer Betrachtung muss ich etwas ernüchtert einräumen, dass dieser Film es ohne sein zugegebenermaßen großartiges Konzept nie zu seinem Status gebracht hätte: Man nehme fünf (beziehungsweise sechs) charismatische Kung-Fu-Wonneproppen, teile jedem ein Tier und einen mit diesem verbundenen Kampfstil zu, setze ihnen lustige Masken auf, die an die mexikanischen Catchermasken erinnern und lasse sie aufeinander los. So gibt es den Skorpion, die Schlange, den Gecko, die Kröte und den Tausendfüßler. Ersterer ist der Superkicker Sun Chien, zweiter Wai Pak, dessen Snakestyle-Kung-Fu etwas von Akupressur hat, der Gecko ist Philipp Kwok, der Wände hochlaufen kann, die unverwundbare Kröte ist der Muskelprotz Lo Meng und Lu Feng gibt den Tausendfüßler oder den "Mann mit den 1000 Händen". Diese fünf wurden nacheinander vom berüchtigten Five Venoms Clan ausgebildet, der einen äußerst miesen Ruf genießt, sodass der Geheimhaltung halber keiner vom anderen wissen darf. Sheng Chiang ist in allen fünf Stilen ausgebildet worden, kann deswegen keinen so richtig und soll sich auf die Suche nach seinen Vorgängern machen, von denen zwei leider finstere Pläne hegen.
Das verspricht auf dem Papier furiosen Kung-Fu-Camp, was die ersten zehn Minuten, in denen jeder der fünf seine Styles representen darf, auch einlösen. Danach verliert sich das Ganze jedoch etwas in dem naiven Versteckspiel um die Geheimidentitäten, die schon von Anfang an längst kein Geheimnis mehr darstellen. Es gibt relativ wenig Fights, was schade ist, denn wenn die fünf mal loslegen, ist das mehr als hübsch anzuschauen. So können erst die letzten fünf Minuten an die Eröffnungssequenz anknüpfen, die 80 Minuten dazwischen sind ein endloser Tease, der nur hier und da mal mit Handfestem unterbrochen wird, so etwa einer feinen, fanatsievollen Folter für die Kröte.
Wenn man im Hinterkopf hat, welche Rezeption dieser Film zum Beispiel im East-Coast-Hip-Hop erfahren hat, ist das eigentlich ein bisschen wenig. Hier hat man sich wohl vor allem von der Grundidee blenden lassen - der genauen Zuweisung eines fest umrissenen Stils, eines Namens und einem damit verbundenen Outfit -, die man dann auch begeistert aufgegriffen hat, man denke nur an den Wu-Tang Clan, der diesen Film bestimmt auswendig herbeten kann. Insofern insgesamt schon irgendwie Pflichtprogramm, aber nicht ganz der Kracher, den ich nach INVINCIBLE SHAOLIN, dem bisher besten Venoms-Film, und dem spaßigen CRIPPLED AVENGERS erwartet habe.
Ergänzung zum Schluss: Die Namensangaben in meinem Eintrag zu den CRIPPLED AVENGERS stimmen, glaube ich, nicht. Und zu den FIVE VENOMS sollte noch gesagt werden, dass Ku Feng, der Riccardo Pizzuti der Shaw Brothers, hier natürlich auch mitmischt.
#204
Geschrieben 03. Dezember 2005, 20:34
Ein weiterer feiner Shaw-Brothers-Film von Lau Kar-leung mit Chen Kuan-Tai in der Hauptrolle, Lo Lieh als Master White Brows aka Pai Mei (siehe auch KILL BILL VOL. 2), Lily Li und Gordon Liu in einem Gastauftritt.
Interessanter als die Story - der böse Manchu-Mönch Pai Mei besiegt den guten Shaolin-Mönch, zerstört dessen Kloster und zwingt die Shaolin-Rebellen so in den Untergrund; Rebell Hong Xi-guan (Chen Kuan-Tai) trainiert wie ein Teufel, um die richtige Technik zu erlangen, die notwendig ist, Pai Mei zu töten - sind die vielen Details der Handlung: Zunächst einmal wird das Motiv wiederholt, dass eine Frau (Lily Li) so einen starken Stand hat, dass es unmöglich scheint, ihre Knie auseinander zu bringen. Das taucht schon in eher unverfänglicher Weise in Lau Kar-leungs DISCIPLES OF THE 36TH CHAMBER auf, hier erhält es aber einen eindeutig sexuellen Anstrich. Nachdem Hong Xi-guan Fang Yun-Chun (Lily Lis Charakter) geehelicht hat, verdirbt diese ihm nämlich mit besagtem Talent die Hochzeitsnacht: Er kann schlicht ihre Beine nicht spreizen. Erst nach einem Trick in Nacht Nr. 2 (er kitzelt sie), gelingt es ihm, ihre Beine auseinander zu bekommen - er zeugt prompt einen Sohn. Eine wunderbare Szene, die nicht halb so plump ist, wie sich das jetzt vielleicht anhört.
Überhaupt die Frauen im Hong-Kong-Kino: Frauenrollen sind dort deutlich stärker angelegt als in Hollywood. Eigentlich kamen erst mit Jimmy Wang-Yu dort die Kerle zu ihrem Recht, auf der Leinwand aufzuräumen. Vorher waren Frauen die Helden dieser Filme, ohne jedoch gleich zu sigourney-weaveresken Ripleys zu werden, die nur deshalb überleben, weil sie zum Mann mutieren. Hier ist es etwa völlig in Ordnung, dass Chen Kuan-Tai gegen Lily Li im Zweikampf antritt und keine Rücksicht auf ihr Geschlecht nimmt, sondern vielmehr ihre Kampfkunst respektiert und sie behandelt wie einen ebenbürtigen Kämpfer. Und Lily Li behält trotzdem alle spezifisch weiblichen Züge, ohne weibisch zu sein.
Der Film legt insgesamt großes Augenmerk auf die innerfamiliären Beziehungen zwischen Vater, Mutter und Sohn. Nachdem Chen Kuan-Tai auch das zweite Mal gegen Pai Mei versagt hat - der nur dann verwundbar ist, wenn man ganz bestimmte Punkte seines Körpers zu einer bestimmten Uhrzeit trifft -, muss sein Sohn das Werk des Vaters vollenden. Das gelingt ihm jedoch nur, indem er die Stile seines Vaters - den Tiger-Style - und den der Mutter - den Crane-Style - verbindet. Ja, das hört sich zunächst einmal alles wie völlige Spinnerei an. Kennt man aber chinesische Traditionen wie z. B. die traditionelle chinesische Medizin - weiß man, dass hinter all diesen scheinbar absurden Ideen ein Fünkchen Wahrheit steckt.
Das ändert natürlich nix daran, dass es für einen Europäer ein Freudenfest ist, wenn Kämpfer um Kämpfer bei dem Versuch, Pai Mei gepflegt in die Kronjuwelen zu treten, scheitert. Nicht nur, dass es dem Weißhaarigen nichts ausmacht, wenn man ihn solchermaßen traktiert (an Familienplanung kann ein Mönch eh kein großes Interesse haben), nein, er schaffte es auch noch, seine Hoden so einzusetzen, dass er die Gliedmaßen seiner Gegner damit festhalten kann. Über solche Körperbeherrschung kann man hierzulande nur staunen und verschämt zu Boden blicken, wenn man nach 2 Gläsern Bier schon wieder das Pipi in den Augen stehen hat.
Nicht der beste Lau Kar-leung, aber ein hochinteressanter und unterhaltsamer Film, der auch (natürlich) mit seinen Kung-Fu-Einlagen zu überzeugen weiß.
#205
Geschrieben 05. Dezember 2005, 09:53
Nach anfänglicher Skepsis bin ich dann doch dem Bann der Animationsfilme verfallen. Mit Ausnahme von ICE AGE, den ich ziemlich blöd finde, haben mir bisher wirklich alle Streifen dieses noch recht jungen Genres gefallen. Ich sollte vielleicht einschränken: Es geht hier in erster Linie um die Werke aus dem Hause Pixar und Dreamworks. Von MADAGASCAR habe ich schon im letzten Jahr auf irgendeiner DVD ein Featurette gesehen und war begeistert. Im Kino habe ich den neuen Dreamworks-Streifen leider versäumt, gestern konnte ich Versäumtes nachholen.
Es gibt gewohnte Qualität, die hier aber eine Weile braucht. Nach 15 Minuten dachte ich schon, den ersten echten Flop seiner Art im Player zu haben, doch der Film fängt sich dann mit den gewohnt wunderbaren Animationen, zum Teil unglaublichen Gags - ich denke hier vor allem an die Salzwasser-Cocktail-Party - und den zur Hochform auflaufenden Sprechern. Ben Stiller gibt Alex, den vom Ruhm im Zoo verwöhnten Löwen, der mit der Wildnis zunächst so gar nix anzufangen weiß, dann aber viel zu viel, Chris Rock ist die eigentliche Hauptfigur Marty, ein Zebra in der Midlife Crisis, David Schwimmer gibt Melman, eine hypochondrische Giraffe und Jada Pinkett-Smith ist Gloria, das burschikose Nilpferd. Die großartige Idee aus dem Nilpferd eine Big Black Mama zu machen, wird leider etwas verschenkt, denn Jada Pinkett-Smith hat kaum lustige Zeilen.
Das trifft auf MADAGASCAR aber insgesamt zu: Der Film ist weniger eloquent als zum Beispiel SHREK oder auch die INCREDIBLES von der Konkurrenz, gefällt sich eher als bunte, turbulente Slapstick-Komödie und auf diesem Bereich macht er seine Sache auch wirklich gut.
Es gibt haufenweise tolle Charaktere in diesem Film, man denke nur an die Schimpansen - einer spricht vornehmstes Oxford-Englisch, einer Gebärdensprache -, die schlagwütige New Yorker Oma, die Pinguine, Julien, den König der Lemuren (Gesprochen von Ali G bzw. Sacha Baron Cohen) oder Maurice, seinen Berater (Cedric the Entertainer). Die Tierwelt Madagaskars mit seinen merkwürdigen Halbaffen eignet sich hervorragend für einen solchen Film und die göttliche Partyszene, die von der Mitt-90er-Dancefloor-Totgeburt "I like to move it" von One-Hit-Wonder Reel 2 Reel bestritten wird, beweist, dass Eurodance für die Verwertung in solchen Filmen geradezu prädestiniert ist.
Reueloses Vergnügen.
#206
Geschrieben 05. Dezember 2005, 10:18
Die feine Sphere-Box von Anchor Bay ist ja eine würdige Veröffentlichung für die im Horrorgenre sicher beispiellose PHANTASM-Reihe. Schade, dass es mit dem Multimillionen-Dollar-Budget für Coscarelli und Avary nicht geklappt hat, denn die ganze abstruse Story um den Tall Man, seinen Planeten und die Versklavung der Menschheit wäre es ja durchaus wert gewesen. Man darf sicher gespannt sein, was da noch passieren wird - an Fürsprechern hat es Coscarelli bisher ja nicht gemangelt, leider saßen die nur immer an der falschen Stelle.
PHANTASM oder DAS BÖSE ist der - unverklärt betrachtet - äußerst merkwürdige Einstieg für die Serie. "Einstieg" ist das richtige Wort, denn der ganze Film erweckt den Eindruck, nur das Intro für Kommendes zu sein. Die Geschichte entwickelt sich äußerst zügig, dennoch erhält der Zuschauer so gut wie keine Erklärungen darüber, was eigentlich vor sich geht.
Neben der schon erwähnten ungewöhnlichen Symbolik, mit der sich der Film sehr enttschlossen zwischen die Stühle Horror und Science Fiction setzt, sind es vor allem die sehr echten Charaktere, die diesen Film und die ganze Serie zu dem machen, was sie ist. Michael, sein Bruder Jody und der Eisverkäufer Reggie sind Leute, mit denen man gern runhängen würde, nicht weil sie so viel toller, schlauer, schöner und cooler sind als die echten Freunde, sondern weil sie in diesen erlesenen Kreis so gut reinpassen würden. In nur wenigen Szenen verleiht Coscarelli ihnen eine Tiefe, die für dieses Genre wirklich nicht selbstverständlich ist, das überwiegend von potenziellen Opfern mit großen Brüsten und kleinem Hirn bevölkert wird.
Da fallen auch die teilweise unüberzeugenden Effekte nicht negativ ins Gewicht - es zählt ausnahmsweise nur der gute Wille. Das einzige, was mich etwas stutzig gemacht hat und was ich ganz anders in Erinnerung hatte, ist der gemogelt wirkende Plottwist am Ende: Alles war nur ein Traum, ausgelöst durch den Tod des Bruders. Da kann vielleicht die Kommentarspur Aufschluss geben.
Freue mich, die Teile 2 - 4 nachzuschieben. Danach gehts dann auch weiter mit den Shaws.
#207
Geschrieben 05. Dezember 2005, 13:39
Das Gute an Beziehungen: Man ist manchmal gezwungen, Filme zu sehen, vor denen man sich zuvor Jahre lang gedrückt hat, die sich dann aber als durchaus gelungen entpuppen. So ging es mir mit THE FULL MONTY, der seinerzeit ein kleiner Überraschungshit im Kino war, Robert Carlyle als Hauptdarsteller berühmt machte und alle zum Schwärmen brachte, die "ehrliches, kleines Kino mit echten Charakteren" mögen. Genau diese Art Kino bzw. seine Zuschauer veranlasst mich immer dazu, das Weite zu suchen. Ich finde nichts schlimmer, als mit Leuten in einem Raum gefangen zu sein, die sich nicht einfach einen Film angucken können, sondern mit ihrem Besuch ein politisches Bekenntnis verbinden. Schon das wissende Lachen, das freilich nie ganz entspannt ist, sondern immer etwas von "hört her, ich habe diesen Witz verstanden" hat, lässt mich zum Hellboy werden. Deshalb habe ich mir THE FULL MONTY nie angeschaut. Und weil mich Filme über männliche Stripper überhaupt nicht interessieren.
Ein Fehler, denn THE FULL MONTY ist einfach eine feine Komödie, die um ihren sozialkritischen Hintergrund nicht viel Aufhebens macht und einfach eine witzige Geschichte erzählt, die vor allem von den tollen Hauptdarstellern getragen wird.
Eigentlich funktioniert THE FULL MONTY auch nicht anders als ca. eine Million anderer (meist US-)Komödien: Man nehme ein paar liebenswerte Loser, gebe ihnen eine Mission, lasse sie die typischen Rückschläge und Schwierigkeiten erleiden, nur um sie dann am Ende triumphieren zu lassen. Hier zeigt sich, dass sich das von oben angeprangerter Zuschauerschar gefeierte europäische Kino tatsächlich oftmals nur in Oberflächlichkeiten vom verteufelten US-Mainstream unterscheidet. Hier z. B. der britische Lokalkolorit, der deutlich rüdere Umgangston seiner Hauptfiguren und das Casting von durchschnittlichen, normalen Typen, statt geschniegelter Hollywoodbeaus.
Es gibt einige wirklich gute Gags, ebenso wie die obligatorischen Rührseligkeiten, die hier aber weniger spekulativ wirken als in vergleichbaren Werken. Eine wirklich gelungene Komödie, die gottseidank nie ein Remake erfahren hat.
#208
Geschrieben 05. Dezember 2005, 22:11
Der zweite, deutlich höher budgetierte Teil der Serie fügt dem schon im ersten Teil
betriebenen Stilmischmasch noch eine weitere Facette hinzu, denn über weite Strecken präsentiert sich PHANTASM II als reiner Action-Film mit Horror-Anleihen.
So gibt es eine im Action-Genre schon typische - und im Horrorfilm z. B. bei EVIL DEAD 2 verwendete - Bis-an-die-Zähne-mit selbstgebastelten-Mordwerkzeugen-bewaffnen-Sequenz, deren Höhepunkt die von Reggie konstruierte vierläufige Schrotflinte ist, mit der dann im Showdown auch hübsch dekorativ vier Killerzwerge schleimig in den Tod geschickt werden.
Das höhere Budget macht sich vor allem in den besseren Production Values und den überzeugenderen und wesentlich deftiger ausgefallenen Special Effects bemerkbar. Die Atmosphäre indes ist ähnlich finster wie im ersten Teil und erinnert vor allem wegen des gelungenen Synthiescores an die Carpenter-Filme.
Bei "hochbudgetiert" sollte man hier jedoch keineswegs in TERMINATOR- oder WATERWORLD-Kategorien denken. Auch PHANTASM II ist kleines B-Kino, was sich dann hier und da auch mal negativ bemerkbar macht. So wandelt die Story zwar auf sehr apokalytischen Bahnen, gezeigt wird aber bestenfalls eine Miniapokalypse. So werden auch einige Fragen aufgeworfen: Wenn der Tall Man bereits ganze Landstriche entvölkert hat, warum ist das dann noch niemandem aufgefallen? Und der Riesenfriedhof, auf dem sich unsere Helden zum Teil rumtreiben, kann auch unmöglich zu einem Ort gehören, der nur 891 Einwohner zählt.
Gemessen am Spaß, den dieser Film bringt, der sauberen Inszenierung, den guten schauspielerischen Leistungen (James LIVING IN OBLIVION Le Gros ersetzt den Michael Baldwin aus Teil 1) und dem gebotenen Einfallsreichtum wäre es aber sehr kleinlich, dem Film aus diesen kleinen Mängeln einen Strick zu drehen. Ich finde PHANTASM II ein Stück runder als den Vorgänger, der dafür der unheimlichere Film ist. Mit Teil 3 sollte es noch ein Stück weiter Richtung Fun-Action-Splatter gehen, bevor Coscarelli mit dem vierten Teil (auch budgetbedingt) wieder zum minimalistischen Horror zurückkehren sollte. - Zumindest habe ich das so in Erinnerung. Näheres dazu folgt in Kürze.
#209
Geschrieben 06. Dezember 2005, 02:50
Dieser Vorläufer von Zhang Yimous Film (die Gemeinsamkeiten beschränken sich allerdings auf den Titel, natürlich auf die weapon of choice und möglicherweise ein oder zwei Szenen, die Yimou zitiert - ich möchte auf diese These aber nicht festgenagelt werden) stammt von Shaw-Legende Chang Cheh und wurde 1969 runtergekurbelt. Zwei Jahre zuvor hatte Cheh mit dem ONE-ARMED SWORDSMAN das Kung-Fu-Genre revolutioniert, das vorher tatsächlich von weiblichen Hauptfiguren dominiert wurde. THE FLYING DAGGER (beziehungsweise dessen DVD-Cover) bietet zwar die Martial-Arts-Vorreiterin Cheng Pei-pei (den meisten wahrscheinlich als Jadefuchs aus CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON bekannt) als Hauptdarstellerin an, eigentlich hat sie aber nur eine größere Nebenrolle und darf nur selten beherzt zum Schwert greifen. Was sschade ist, denn ihr Kampfstil mutet überaus elegant an.
Die Story dreht sich um den Green Dragon Clan, dessen Anführer ganz gut mit dem Wurfdolch umgehen kann, und der marodierend und plündernd durch die Lande zieht. Auch die Familie von Cheng Pei-pei fällt ihm zum Opfer. Den verletzten Onkel im Gepäck, versteckt sich die Sippe in einem Gasthof, während sich der Bösewicht auf die Suche nach ihnen macht. Dabei kommt ihm jedoch ein einsamer Krieger in die Quere, der junge Yang (Lo Lieh), der mit dem Wurfdolch auch nicht gerade schlecht ist. Er erklärt sich bereit, den Flüchtigen beizustehen, fordert dafür aber ganz ungentlemanlike eine Nacht mit der holden Schönen, die das gar nicht so gut findet. Am Ende zieht der geläuterte Held von dannen, ohne gepoppt zu haben, obwohl die Dame da eigentlich gar nix mehr gegen einzuwenden hat.
Die Handlung ist - wie man an meiner Nacherzählung unschwer erkennen kann - relativ straight: keine tausend Nebenfiguren, die für Verwirrung stiften, keine Subplots, keine Comedyeinlagen. Chang Cheh erzählt die Story ohne viel Firlefanz und wie bei ihm ja eigentlich üblich, ohne (absichtlichen) Humor. Das ist schön anzusehen, vor allem, wenn er bei den zahlreichen Fights schön mit dem Kunstblut rumsaut, aber auch ein bisschen dröge, denn die Story bietet wirklich überhaupt keine Winkelzüge, die einen länger beschäftigen könnten. Einzig der ambivalente Charakter Lo Liehs bietet eine bisschen Reibungsfläche.
Das herausstechendste Element ist sicher die Eröffnungssequenz des Films, die in wunderbarem Schwarzweiß erstrahlt, und die Figur Cheng Pei-peis kraftvoll einführt, was der Rest des Films dann aber nicht so richtig einlösen will.
Kein ganz großer Kracher also, natürlich aber auch meilenweit davon entfernt, als schlecht bezeichnet werden zu können. Und wer der Magie der Shaws einmal verfallen ist, will sowieso alles von ihnen sehen.
#210
Geschrieben 09. Dezember 2005, 14:02
Jimmy Wang Yu - auch bekannt als Wang Yu - wurde als Chang Chehs ONE-ARMED SWORDSMAN bekannt. Weder schauspielerisch noch kämpferisch besonders begabt, ist es vor allem Jimmy Wang Yus eigentümliches Gesicht und seine unterkühlte Ausstrahlung, die ihn in den Filmen der Shaws zum Star machten. Was auf sein Schauspiel zutrifft, gilt auch für seine Regiearbeit bei THE CHINESE BOXER (zu deutsch u. a. WANG YU - SEIN SCHLAG WAR TÖDLICH): Was Wang Yu an inszenatorischem Talent und technischer Raffinesse fehlt, macht er durch Einsatz wieder wett, und findet sozusagen über den Kampf ins Spiel.
Die Story ist einfach und dient erneut nicht zur Völkerverständigung: Die Kung-Fu-Schule, an der auch Lei Ming (Jimmy Wang Yu) lernt, wird von einem ehemaligen abtrünnigen japanischen Karateka überfallen, der im Verlauf mit seinen henchmen - darunter Lo Lieh als Kita - alles kurz und klein prügelt und sowohl Schüler als auch Meister mit seinem unbesiegbaren Karate ins Jenseits schickt. Nur Lei Ming überlebt und erinnert sich an die Worte des Meisters: Nur die Iron-Palm- und Light-Step-Technik kann Karate besiegen. Lei Ming trainiert besessen und macht sich, mit einer Chirurgenmaske (!) getarnt, ans blutige Geschäft der Vergeltung.
THE CHINESE BOXER ist im Gegensatz zu anderen, verspielteren Shaw-Brothers-Filmen schon fast die Rosskur: Hier werden Schädel beherzt zermalmt, Brustkörbe zerquetscht und Gesichter bekommen eine Generalüberholung verpasst. Das Blut fließt und spritzt nur so. Die Kampfszenen sind zwar roher als etwa in den Schwertkampffilmen mit Ti Lung und David Chiang oder späteren Fantasy-Kung-Fu-Filmen, das heißt aber nicht, dass sie realistisch wären: Vor allem Lo Lieh als Superkarateka zieht hier eine Show ab, die vom Allerfeinsten ist: Gleich bei seinem ersten Auftritt tritt er ein Loch in die Decke und bevor er sich in der Kung-Fu-Schule der Schüler annimmt, prügelt er erst mal die Zimmereinrichtung zu Klump. Nein, die Japaner kommen auch in diesem Film nicht gut weg.
Insgesamt hat dieser Film mehr mit einem KING BOXER gemein als mit den Filmen, für die die Shaws sonst so verehrt werden, aber gerade das macht ihn so reizvoll und rückt ihn eher in die Ecke eines MASTER OF THE FLYING GUILLOTINE. Einen lustigen Faux-Pas gibt es für aufmerksame Zuschauer: Im dem Flashback, in dem sich Lei Ming daran erinnert, wie er die Karateka bezwingen kann, wird dreist gemogelt. Aufgepasst!
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