Der Monroe ihre dicken Hupen
#391
Geschrieben 01. Juni 2006, 12:31
Die Herren der HPLHS (i.e. Howard P. Lovecraft Historical Society) haben einen echten Notstand erkannt: Der Bedarf nach einer originalgetreuen Lovecraft-Verfilmung nach unzähligen gescheiterten Versuchen oder anmaßenden "Inspirationsbehauptungen". Hier bekommt man das, was draufsteht: eine Lovecraft-Erzählung, die sich als echte Literaturverfilmung bezeichnen darf und von echten Kennern und Liebhabern ins Leben gerufen wurde. Und weil solche mit komischen Verballhornungen, Modernisierungsversuchen und Abwandlungen nix am Hut haben, wurde Lovecrafts CALL OF CTHULHU dann auch gleich mal so umgesetzt, wie es der Meister selbst zu seiner Zeit wohl getan hätte, hätte er die Möglichkeit dazu gehabt: als Stummfilm.
Diese Art der Umsetzung ist dann auch faszinierender als der Film selbst, der mit zwei Problemen zu kämpfen hat: Erstens ist CoC wie viele Lovecraft-Geschichten eine Metaerzählung - es passiert eigentlich nix, die Hauptfigur liest oder hört lediglich, was passiert ist. Der zweite Kritikpunkt hängt unmittelbar mit dem ersten zusammen: Lovecrafts Geschichten entziehen sich eigentlich einer Visualisierung, handeln unterschwellig eher von dem Schrecken, der in der Vorstellung Gestalt annimmt. Nicht, weil sie besonders subtil wären, sondern weil ihre grafischen Beschreibungen "leer" sind. Wenn zum Beispiel von "zyklopischen Städten" die Rede ist, beflügelt das zwar die Fantasie und schreit geradezu nach Bildern, diese gründen sich aber mehr auf einem Gefühl, denn auf einer tatsächlich möglichen Übersetzung der Worte. Teilweise gelingt es den Filmemachern außerordentlich gut, Bilder für das zu finden, was eigentlich nicht zu bebildern ist. Wenn einer der Seeleute in der Stadt R'lyeh in "einem Winkel verschwindet, den es eigentlich gar nicht geben dürfte" (der Satz, der mich aus allen mir bekannten Lovecraft-Gerschichten immer am meisten fasziniert hat), ist das wirklich überzeugend umgesetzt, obwohl es eigentlich unmöglich ist, eine Geometrie abzubilden, die sich unseren Vorstellungen völlig entzieht. Beim Anblick von Cthulhu selbst hingegen, nach der Vorlage von Lovecrafts Zeichnungen gestaltet, will sich der Schrecken nicht einstellen, der die Protagonisten von Lovecrafts Geschichten schon befällt, wenn sie seinen Namen nur hören.
Dennoch: Die technische Umsetzung des Films ist einfach wundervoll und zeigt wie veil Liebe und Arbeit in die Fertigstellung dieses Films geflossen ist. Die Simulation eines Originalstummfilms gelingt sehr gut und trifft die Stimmung der Geschichte, auch wenn man hier und da erkennt, dass dieser Film mitnichten aus den 20ern stammt - auch weil man auf einige einfache Effekte (Überblendungen, Abblenden etc.), die zu Stummfilmzeiten so noch nicht möglich waren, nicht verzichten wollte. Was man nicht vergessen sollte: Es steckt einiges an Augenzwinkern in diesem Film, der sich weniger Ernst nimmt, als Lovecraft selbst das wohl getan hat. Und er macht auf jeden Fall Lust auf mehr in diesem Stil. Nur von dem Gedanken, tatsächlich das vorzufinden, was man sich beim Lesen der Geschichten ausgemalt hat (oder eher das, was man sich nicht ausmalen konnte), sollte man sich verabschieden. Die Großen Alten bleiben ein Mysterium.
#392
Geschrieben 03. Juni 2006, 09:12
Der dritte Teil der Frankenstein-Reihe ist tatsächlich der erste, in dem sich das typische Sequel-Feeling einstellt. Dies liegt wohl daran, dass BRIDE OF FRANKENSTEIN ja noch einen Teil der Geschichte von Mary Shelleys Roman miterzähtl und somit mehr die zweite Hälfte eines Films ist. SON hingegen hat diese typische konstruierte Sequel-Geschichte, um den Sohn des Wissenschaftlers, der an die alte Wirkungsstätte seines Vaters zurückkehrt, nur um bald schon dessen alte Forschungen gegen jede Vernunft fortzusetzen – zur Skepsis der Dorfbewohner und zur Freude Ygors (Bela Lugosi), dem Dorfkrüppel, selbst so etwas wie ein Monster, der die Schöpfung des Barons braucht, um Rache für seine gescheiterte Hinrichtung zu nehmen.
SON versammelt eine ziemlich stattliche Besetzung, die seinerzeit so etwas wie die absolute Creme dargestellt haben muss: Karloff als Monster, Lugosi als Ygor, Basil Rathbone als Frankensteins Sohn und Lionel Atwill als Inspektor Krogh, der nazihafte (aber gute) Polizist des Ortes, dessen steifer behandschuhter Holzarm ihn zu Marotten zwingt, die sehr an Dr. Strangelove aus Kubricks Film erinnern.Die erste Hälfte des Film ist wirklich fantastisch und bietet viel fürs Auge. Der gotische Charme der Original-Universals ist einem expressionistischen Stil gewichen: Finstere Schatten werden an die Wände geworfen und das Treppenhaus in der Eingangshalle des Schlosses lässt einen an einen Escher-Albtraum denken. Leider schläft der Film dann, wenn es eigentlich so richtig losgehen soll, etwas ein. Vieles passiert im Off und wirkt überstürzt, so als habe man sich beim Drehen mit der Zeit verkalkuliert. Die hervorragenden Leistungen der Akteure retten aber darüber hinweg – vor allem Atwill und Lugosi fressen jede Szene –, ebenso wie die tollen Settings und das hübsche Finale, in dem Frankensteins Monster dem Atwill den Holzarm abreißt. Immer noch einer der besseren dritten Teile.
#393
Geschrieben 04. Juni 2006, 09:53
OK, nach dem sehr, sehr feinen dritten Frankenstein-Film geht's mit GHOST voll in die Jauche. Die Dorfbewohner haben sich mal wieder zu einem Lynchmob zusammengerottet, um den doch noch sehr lebendigen Ygor zu killen, der in Frankensteins Burg sitzt und darauf wartet, dass das Monster wieder aufwacht. Das tut es auch, aber erst, nachdem besagte Dörfler ein schönes Stück aus der Burg gesprengt haben. Ygor pult den Unhold aus einem Block Schwefel, der offensichtlich auch für Anti-Aging- und Beauty-Zwecke benutzt werden kann, denn das scheußliche Antlitz des Monsters ist einem sehr distinguiert erscheinenden Gesicht gewichen: Nee, ist einfach nur der Chaney! Sogleich beschließt Ygor mit dem Monster nach Vasaria zu trampen, um dort den Bruder des Sohns von Frankenstein aufzusuchen (ist also quasi SON OF FRANKENSTEIN PART 2), damit er dem Monster neue Lebenskraft einflöße. Das Monster verursacht aber wieder die übliche Panik, obwohl es doch nur spielen will, hmhm. Am Ende ist das Hirn von Ygor im Körper vom Monster gelandet, das damit natürlich unendlich gemein und fies geworden ist. Doch Gottseidank kann man einen Film ja immer mit einem Hausbarnd und einstürzenden Deckenbalken beenden, sodass das nicht so ein großes Problem ist.
War SON noch wunderbar anzuschauen, atmosphärisch und mit einem eigenen visuellen Stil versehen, ist GHOST einfach gar nix. Der Film spielt die meiste Zeit in völlig unspektakulär anzusehenden Wohn- und Schlafzimmern, Cedric Hardwicke ist als Frankenstein denkbar, weil er einfach total unsympathisch ist, und die Szene, die den Titel rechtfertigt und in der dem Sohnemann der Geist des Papas erscheint ist so schlecht gemacht und billig, dass es weh tut. Schade, denn die Story um Ygor und das Monster hätte ja nochmal was hergegeben. Chaney macht seine Sache ganz gut, kann aber erwartungsgemäß nicht gegen Karloffs Monster anstinken. Ich war froh als es vorbei war, das nächste Sequel HOUSE OF FRANKENSTEIN, in das ich schonmal reingelugt habe, sieht da schon wieder ganz anders aus.
#394
Geschrieben 04. Juni 2006, 10:11
Wieder ein besonders finsterer Fall für den übergewichtigen Kriminalpsychologen Fitz: Ein 17-jähriges Mädchen, schwanger, wird vollgepumpt mit Tabletten und mit obskuren Zeichnungen auf dem Körper auf der Straße aufgelesen und verstirbt wenig später im Krankenhaus. Kurz vor ihrem Tod stammelt sie merkwürdiges Zeug, ist aber sonst zu keiner Aussage zu bewegen. Dahinter steckt eine merkwürdige Sekte, deren einziger Zweck darin zu bestehen scheint, dem Gründer, einem Lehrer im besten Alter, junges Fleisch zur Seite zu stellen.
An der Dramaturgie hat sich nix geändert, was bedeutet, dass der Zuschauer von Anfang an weiß, wer der Täter ist, und mit Spannung der Auflösung beiwohnen darf. Wie immer kommt Fitz dem Übeltäter mit kombinatorischem Scharfsinn aber auch einer gehörigen Portion Arschloch-Sein auf die Schliche. Was anders ist in dieser Folge: Fitz' Privatleben rückt etwas mehr in den Hintergrund, mehr Zeit wird auf den Fall verwendet. Darüberhinaus wird das Täterspektrum der Serie um einen besonders abgefeimten Gesellen (und einen Kreis nicht minder geckenhafter Mithelfer) erweitert, während es zuvor meist eher tragische Gestalten waren, die sich vom Schicksal zum Verbrechen genötigt sahen. Das verleiht der Episode einen gänzlich neuen Aspekt, denn hier kriecht einem das ein oder andere Mal eine Gänsehaut über soviel Abgezocktheit und Scheinheiligkeit über den Rücken. Am wichtigsten aber: 150 Minuten hochklassige Unterhaltung ohne Durchhänger.
#395
Geschrieben 05. Juni 2006, 11:56
Die letzte Folge der zweiten CRACKER-Staffel endet mit einem besonders fiesen Cliffhanger. Nachdem man sich in der ersten Staffel an die Hauptfiguren gewöhnen konnte, werden diese in der zweiten ganz schön durch den Fleischwolf gedreht. Das verleiht der Serie aber eine größere Kontinuität und bietet neben den brilliant gescripteten Fällen eine weitere interessante Ebene, auf der die Serie nicht mider gut funktioniert.
In dieser sechsten Folge geht es um einen Serienvergewaltiger und wie man das bereits gewohnt ist, wird das Thema "Vergewaltigung" hier auf einem beachtlichen intellektuellen Niveau behandelt. Mit dem Schachzug, dieses mit dem nicht minder heiklen Thema des Alltagsrassismus zu verschränken, haben sich die Macher vor eine Aufgabe gestellt, die gradezu dazu prädestiniert ist, unzureichend, peinlich und platt auszufallen. Umso mehr ist man erstaunt, wie gut das alles gelingt. MEN SHOULD WEEP ist weitaus mehr als nur ein Krimi, sondern hat so einiges zu sagen und das immer auf eine immens unterhaltsame Art und Weise. Diese Serie ist wirklich einer der seltenen Fälle, in dem das Thema nicht den ökonomischen Zwängen unterworfen wurde, sondern es sich genau andersherum verhält. Dafür spricht wieder einmal die Laufzeit von zweieinhalb Stunden, die – man glaubt es kaum – wie im Flug vergehen.
#396
Geschrieben 05. Juni 2006, 12:56
Nach dem miserablen GHOST OF FRANKENSTEIN hat man sich für diesen letzten Eintrag der Serie noch einmal am Riemen gerissen. Doch halt: Eigentlich ist HOUSE kein Sequel der Frankenstein-Reihe, sondern eher die Fortsetzung von FRANKENSTEIN MEETS THE WOLF MAN, dem Crossover-Film von Universal, der mancherorts aber auch als zweiter Teil zum WOLF MAN angesehen wird. Verwirrung allerorten!
Zur Story: Dr. Niemann (Boris Karloff) sitzt mit dem Buckelmann Daniel im Knast, wo er über die Fortsetzung der Experimente Frankensteins sinniert. Blöderweise brachten ihn drei Kollegen hinter Gitter und so steht ihm der Sinn nach Rache, ein Wunsch. der sich hinter Kerkermauern nicht so recht umsetzen lassen will. Zum Glück stürzt bei einem Gewitter eine Mauer ein und so flieht Niemann mit seinem Gehilfen, dem er verspricht, ihm einen schönene Körper zu verpassen, wenn er erstmal das Labor seines Vorbilds erreicht hat. Auf dem Weg begegnen sie dem Schausteller Lampini, der Draculas Skelett mit sich führt, das sich Karloff zueigen macht, um seinen ersten Widersacher zu töten. Dracula wird gegeben von John Carradine mit Schnäuz – klare, aber sympathische Fehlbesetzung –, der von Niemann flugs wieder entsorgt hat, nachdem er seine Schuldigkeit getan hat. In Visaria (sonst hieß es immer Vasaria) gabeln die beiden Delinquenten eine holde Zigeunerin auf und finden in Frankensteins Ruine schließlich Larry Talbot und das Monster. Zu dem Ärger mit der lynchwütigen Bevölkerung und der Unlust Talbots weiterzuleben, gesellen sich die Eifersüchteleien Daniels, der mitansehen muss, wie seine Zigeunerdame dem Wolfsmann schöne Augen macht. Am Ende ist der Wolfsmann von seinem Fluch erlöst, erschossen von seiner Geliebten, und der böse Dr. Niemann wird vom Monster in den Sumpf geschleppt.
Ein feiner Film, der in seiner postmodernen Verquickung unterschiedlicher Mythen erstaunlich modern wirkt und angenehme Kurzweil bietet. Für Freunde des Universal-Horrors gibt es eine Art Best-of-Programm zu bestaunen, auch wenn die Tiefe des Original-Frankensteins oder von dessen Sequel natürlich nicht erreicht wird. Aber das durfte man wohl auch nicht erwarten. Well done!
#397
Geschrieben 06. Juni 2006, 12:41
DER AUSSENSEITER und ich zu Joseph Zitos Russenkracher RED SCORPION zu sagen haben.
#398
Geschrieben 06. Juni 2006, 21:01
Mein Einstieg ins Öhwre von Val Lewton resp. Jacques Tourneur mit diesem Film ist gleichzeitig eine ausgewetzte Scharte, die mich seit der Kindheit verfolgt, denn der Film lief mir das erste Mal im Grundschulalter über den Weg. Irgendwie hat's nie geklappt, diesen Film zu sehen, umso schöner war es gestern, denn der Zombie-Klassiker ist wirklich ein Gedicht, das man mit Worten eigentlich nur zerreden kann. Beeindruckt haben mich zum einen die Dialoge, die bis auf einige latente Rassismen, die man wohl dem Zeitgeist zuschreiben muss, kein bisschen veraltet oder unzeitgemäß erscheinen, sondern erstaunlich differenziert sind. Vor allem die weibliche Hauptfigur fällt deutlich aus dem damals überpräsenten Bild des schwachen Frauchens. Und dann ist da natürlich diese unbeschreiblich Stimmung, die über dem Film hängt wie der Duft des Meerwassers über der karibischen Insel, die den exotischen Hintergrund darstellt. Wirklich umgehauen hat mich die Szene, in der die Hauptfigur mit der zombiefizierten Hausdame des Nachts durch die Zuckerrohrfelder stapft, um zum Voodootempel zu gelangen. Wie es Tourneur hier gelingt, allein durch den Einsatz der Tonspur den Eindruck von Räumlichkeit zu erzeugen, ist einfach phänomenal und absolut lehrbuchreif - die wenigen, aber dafür wunderschönen Settings tun ihr Übriges. Ganz, ganz groß. Nach dem Film hatte ich ds Gefühl, gleich die nächste Sichtung hinterherschieben zu müssen, das passiert selten genug.
#399
Geschrieben 09. Juni 2006, 10:45
Boris Karloff macht als Leichenräuber Gray aus diesem sonst etwas unspektakulären Film ein Großereignis. Basierend auf Stevensons Geschichte geht es hier um zwei Mediziner, die auf illegal beschaffte Leichen zur Verfeinerung ihrer Fähigkeiten angewiesen sind. Um ihren Pakt mit dem finsteren Gray zu rechtfertigen, wird ein kleines Mädchen eingeführt, die seit einem Unfall gelähmt ist und das Herz des jungen Studenten Fettes gewinnt, der den etwas ruppigen Akademiker McFarlane davon überzeugt, sie zu operieren. Doch dazu müssen sie eben fleißig üben, was etwas problematisch ist, da das Experimentieren mit Leichen verboten ist.
Es gibt wenig wirklich gruselige Szenen, Robert Wise' Film ist eher ein period piece denn ein klassischer Grusler. Lediglich das Ende, wenn der nervlich zerrüttete McFarlane, dessen Schicksal ihn an den fiesen Gray kettet, glaubt, den Leichnam seines Erzfeindes neben sich zu haben, atmet etwas gotischen Horror. Dennoch unterhält der Film recht angenehm und vermeidet die sonst zu dieser Zeit üblichen Inszenierungsklischees weitestgehend. Bela Lugosi hat eine schöne Rolle abbekommen, die, wenn man seinen Konkurrenzkampf mit Karloff im Hinterkopf hat, durchaus selbstreflexive Züge trägt. Die beiden treffen in einer Szene direkt aufeinander und auch wenn Karloff sich hier sonst jede Szene zu Eigen macht, weiß sich Lugosi doch zu behaupten - was man von seiner Filmfigur allerdings nicht behaupten kann ...
#400
Geschrieben 12. Juni 2006, 19:11
Lars von Trier hat mit DOGVILLE mal wieder einen Film gemacht, der sowohl inhaltlich wie formal für Gesprächsstoff gesorgt hat und der mit abgespreiztem Finger Wein schlürfenden Feuilletonisten in unkontrollierbare Ejakulationen stürzte. Tatsächlich ist sein Experiment so experimentell nicht, von Trier hat ein Theaterstück inszeniert und mitgefilmt, dazu nur rudimentäre Kulissen aufgebaut und mit allerhand formaler Abstraktion – Schrifteinblendungen, Schrift als Bestandteil des Bühnenbilds, Voice-Over-Erzähler etc. – ganz auf den Brecht'schen Verfremdungseffekt gesetzt. Klar, zwischen der neuen deutschen Beziehungskomödie, dem xten Remake eines eigentlich belanglosen Horrorfilms und typischer Hollywoodschmonzette wirkt das reichlich genial und ausgefallen – und man täte von Trier sicher Unrecht, wenn man seinen Film auf solche vordergründigen Aspekte reduzieren würde. Trotzdem ist mir DOGVILLE etwas zu thesenhaft gewesen: Die Laufzeit von 180 Minuten scheint durch den Stoff eigentlich nicht gerechtfertigt – der Film ist wohl vor allem deshalb so lang, um am Ende die gewünschte Reaktion beim Zuschauer zu erzielen. So wird zweieinhalb Stunden lang Leid angehäuft, bis man es nicht mehr aushalten kann und den finalen Gewaltausbruch laut beklatschen möchte. Doch, huch, da hat mir von Trier ja mal wieder ganz gemein den Spiegel vorgehalten! Durch den stark gleichnishaften Tonfall und die märchenartige Dramaturgie kommt dieses "aufwühlende" Ende aber alles andere als überraschend. Und was mich am meisten gestört hat: Wenn die Menschen so scheiße sind, wie in diesem Film dargestellt, warum macht man dann überhaupt Filme? Hier wird im Sinne der Message alles über Gebühr gedehnt und übertrieben. Natürlich erfüllt das am Ende seinen Zweck und deshalb kann man sich DOGVILLE auch genau ein Mal anschauen. Kein schlechter Film, bestimmt nicht, aber irgendwie kann man das Thema auch behandeln, ohne dermaßen überkandidelt daherzukommen ...
#401
Geschrieben 15. Juni 2006, 22:34
Die Sichtung dieses Films, der mich seit meiner Kindheit verfolgt (in der ersten BRAVO, die ich mir gekauft habe, erschien ein Bild dieses Films im Fernsehprogramm, das damals noch satte drei Programme umfasste), den ich aber erst jetzt endlich zu fassen bekommen habe, gestaltete sich etwas schwierig. Durch die Fußball-WM zu Spätsichtungen gezwungen, hat mich das eher schleppende Tempo dieses Films immer vorzeitig in den Schlaf gezwungen, sodass letztlich vier Anläufe nötig waren, diesen Hammer-Film endlich mal zu Ende zu gucken.
Statt auf den Hammer-typischen klassisch strukturierten, dramaturgisch konzentrierten Horror zu setzen, bemüht sich CURSE um epische Breite. Hier wird eher ein Drama mit den Mitteln des Horrorfilms erzählt, der tatsächliche Werwolfanteil der Geschichte beschränkt sich eigentlich auf die letzten zwanzig Minuten. Vorher gibt es eine breit ausgeführte Vorgeschichte, die die Genese des späteren Wolfsmenschen Leon (Oliver Reed) erzählt. Das hat zwar den unbestreitbaren Effekt, dass den Vorgängen ein ungemeines Gewicht verliehen wird, andererseits drängt es die Werwolfgeschichte ziemlich an den Rand, was man bei einem Film mit diesem Titel eher nicht vermutet. Hauptdarsteller Oliver Reed tritt erst nach gut 50 Minuten zum ersten Mal in Erscheinung, was den Film in zwei Hälften reißt. Und da sei dann schon die Frage erlaubt, ob diese Struktur so sinnvoll ist.
Die Werwolfszenen sind hübsch geworden, verfehlen auch ihre tragische Wirkung nicht, fallen aber von den Effekten her fast noch hinter den WOLF MAN zurück. Auch hier wird mit Überblendungen gearbeitet, allerdings nur mit Blick auf die Hände, die Metamorphose des Gesichts wird lediglich mit einem kurzen Zwischenschnitt angedeutet. Vielleicht würde eine zweite Sichtung des Films - diesmal an einem Stück - einen stärkeren Eindruck hinterlassen, denn ich hatte den Eindruck, dass Fisher die emotionale Seite des Geschehens sehr wirkungsvoll betont, so überwiegt aber doch die Enttäuschung. Ist aber auch schwer für einen Film, der einem seit mehr als zwanzig Jahren als Phantom im Kopf herumspukt ...
#402
Geschrieben 15. Juni 2006, 22:49
Ich hatte nach diesem Klassiker eine hitzige Diskussion mit zora darüber, ob dieser Film nun dem Film Noir zugerechnet werden kann oder nicht. Ich finde, dass viele Elemente des Films diesem Genre entliehen sind, die Zuordnung somit rechtfertigen, allerdings in ein Noir-untypisches Ambiente verlegt wurden, was diese Zuordnung wieder problematisch macht, da der Noir sich sicher stärker als andere Genres über Oberflächenmerkmale definiert. BAD DAY AT BLACK ROCK hat keinen Detektiv als Hauptfigur, keine Liebesgeschichte, er spielt nicht in der Großstadt und es regnet auch nicht. Auf der anderen Seite haben wir auch hier eine Hauptfigur mit unbekannter Vergangenheit, die einen Mord aufklärt und dabei auf ein verzweigtes Netz von Korruption und Verlogenheit stößt. Dazu ist Sturges' Film so allegorisch angelegt, dass man gar nicht umhin kommt, hier - wie auch beim Noir - den psychologischen und politischen Subtext zu suchen. Dazu gibt es einen Showdown bei Nacht und eben den Ort Black Rock, der seine Schwärze schon im Namen trägt.
MacCreedy (Spencer Tracy) kommt in den winzigen Ort in der Wüste um einen Japaner zu suchen, der ganz in der Nähe zu Hause sein soll. Der Zug mit dem er das Örtchen erreicht, hat seit vier Jahren nicht mehr dort gehalten, sein Besuch scheint also von einer göttlichen Instanz gewollt zu sein. Und MacCreedy stößt auf einen Ort, der alles daran setzt, seine finstere Vergangeheit zu verdrängen. Denn die "braven Bürger" sind alle zu Mittätern in einem gemeinen und rassistischen Mord geworden und mögen es gar nicht gern, wenn Fremde ihre Nasen zu tief in ihre Angelegenheiten stecken.
Ein sehr dichter, komprimierter und vielschichtiger Thriller, der durch die famose Darstellerriege den letzten Kick bekommt: Spencer Tracy als einarmiger MacCreedy ist zum Niederknien, Robert Ryan als Fiesling gut wie immer und die noch recht jungen Ernest Borgnine und Lee Marvin haben so richtig schöne Arschloch-Rollen abbekommen. Zeitlos und gut.
#403
Geschrieben 17. Juni 2006, 15:09
Frenando Di Leos bei uns als DER TRIEBMÖRDER betitelte Streifen, ist Italo-Sleaze in Vollendung. Zur unfassbar hohlen Story – ein Killer geht in einem Sanatorium für geistig überstrapazierte Damen umher – gesellen sich ein irgendwie abwesend wirkender Klaus Kinski, der hier mehr am ordentlichen Sitz seiner Frisur interessiert scheint als an sonst etwas – mehr als einmal streicht er sich durch das wallende Haupthaar –, sowie einige im wahrsten Sinne des Wortes saftige Überschreitungen der Grenze zum Hardcore. Der Film ist Exploitation in Reinkultur, die im der DVD als Bonus angehängten Interview an den Regisseur neunmalklug gestellte Frage, warum er denn Sex und Gewalt miteinander zu verquicken trachtete, so blöd, dass selbst Di Leo sich für die Beantwortung zu schämen scheint. Wie er sowieso offenkundig nicht so ganz verstehen kann, warum ein paar verrückte Amerikaner so ein Gewese um diesen Film machen, der zwar formal recht ordentlich ist – der Schnitt ist beizeiten sehr desorientierend und originell, die beatige Musik wunderbar und es gibt auch ein paar schöne Bilder zu bestaunen, insgesamt überwiegt aber doch das Gelächter. Das vermittelte Frauenbild ist zum Schießen: So spielt Rosalba Neri die nymphomanische Immergeile, der es ständig zwischen den Beinen juckt und die noch nicht einmal pennen kann, ohne sich lasziv durchs Bett zu wälzen und lüstern zu stöhnen. Sie hat auch eine beinahe surrealistische Duschszene: reine Poesie! Ihre Ausrede gegenüber dem Oberarzt "I just wanna make love" kontert dieser klassisch aus mit der unbezahlbaren Antwort: "Your desire to make love is excessive!" Es gibt natürlich ein Lesbenpärchen, eine Lebensmüde, die von ihrem Gatten in das Sanatorium gezwungen wird, und eine gut sortierte Waffenkammer, aus der sich der Killer fleißig bedienen darf. Das ist so blöd, dass man seine helle Freude hat.
#404
Geschrieben 17. Juni 2006, 18:07
Als Baby wird der kleine Drew von einem Schwertkampf-erprobten Japaner aus einem Flugzeugwrack gerettet und reift unter dessen Ägide zum kernigen Bundfaltenhosenträger mit Samurai-Ausbildung (David Bradley) heran. Der echte Sohn des Japaners, der aufbrausende Kenjiro (Marc Dacascos), ist ziemlich angepisst und geht zur Strafe zur Yakuza, die sich mit türkischen Opiumhändlern einlässt, die wiederum finstere Cagefights veranstalten. Eigentlich geht es aber um ein wertvolles Schwert, das Drew von Kenjiro geklaut wird und das er natürlich wiederhaben will.
Bemerkenswert ist dieser BLOODSPORT-Nachzieher aus verschiedenen Gründen: filmhistorisch, weil sich an ihm der Niedergang der Cannon vom mit großzügigen Budgets jonglierenden Actiongroßmeister hin zum Produzenten bescheidener Videothekenware abzeichnet. Waren die früheren Stars der Cannon wie Bronson oder Norris auch keine schauspielerischen Großmeister, so funktionierten sie aber als mythisch überhöhte Mannsbilder und Heldenfiguren, was den späteren Cannon-Stars und Antischauspielern wie Dudikoff oder noch eklatanter David Bradley völlig abgeht. Dieses Manko versucht Sam Firstenberg in AMERICAN SAMURAI mit ansehnlichen Splatter-Einlagen wettzumachen. Sehr beachtlich, was es hier an Blutfontänen, abgetrennten Gliedmaßen, klaffenden Wunden und Eigenoperationen zu bewundern gibt. Sind die Kämpfe sehr ordentlich inszeniert, so ist aber vor allem augenfällig, wie klischeehaft und blöd die Story voranschreitet. In einer Szene betuppen Drew und sein Love Interest einen türkischen Polizisten: Sie führt diesen unter einem Vorwand aus dem Raum, Drew kann in der Zwischenzeit die gewünschten, aber verweigerten Unterlagen einsehen. Wenig später wählt die Kamera einen anderen Bildausschnitt desselben Raumes und es wird deutlich, dass die ganze Zeit eine weitere Person anwesend gewesen sein muss, die von dem ganzen Geschehen aber offenkundig einfach nichts mitbekommen hat!
Zum wirklich großen satirischen Erlebnis wird AMERICAN SAMURAI aber durch Bradley und den mit ihm immer gegenwärtigen schwulen Touch des Filmes. Die Szene, in der ein Albtraum ihn aus dem Bett treibt und er mit schweißüberströmten Hardbody und in knappem rotem Slip mit dem Schwert vor dem Bett rumpost, ist einfach alles. Der Schwertfetischismus Drews und Kenjiros wird da fast schon zwangsläufig zum sublimierten Penisvergleich und in einer anderen Szene wird Drew – voll konzentriert beim Training – von seiner Fotografenfreundin konsequent als "Samurai Hunk" bezeichnet. Die müssen doch einfach gemerkt haben, wie das rüberkommt! Ansonsten werden viele Elemente von BLOODSPORT einfach übernommen – bis hin zum vollbärtigen amerikanischen Doofproll, der damit, dass er sich mit David Bradley anfreundet, natürlich sein Todesurteil unterschrieben hat. Die Musik ist schwülstig und eine langatmige Sexszene gibt es auch, bei der Bradley bestimmt gedoubelt wurde: Sein Gesicht sieht man dabei jedenfalls nicht.
#406
Geschrieben 20. Juni 2006, 12:07
Um es mit den Worten des großen Filmjournalisten und -schaffenden Andreas Bethmann zu sagen: Dies ist der einzige Dracula-Film der Dracula-Endlosreihe ohne Dracula. Und das gereicht diesem Film durchaus zum Vorteil, weil es vom übermächtigen Vampirfürsten und dessen Darsteller Christopher Lee ablenkt, den Fokus auf die Geschichte und ihr allegorisches Potenzial einstellt und sich so des seriellen Charakters entledigt.
Die junge Marianne (Yvonne Monlaur) reist durchs finstere Transsylvanien und kommt über Umwege ins Schloss der Baronin Meinster, die ihren Sohn (David Peel) in Ketten gefangen hält. Yvonne ist bald dem Charme des jungen Mannes verfallen und befreit ihn. Ein Fehler, denn er ist ein gefährlicher Vampir, der sich bald daran macht, die Frauen des Örtchens zu seinen Vampirsklavinnen zu machen. Zum Glück kommt Dr. Van Helsing (Peter Cushing) bald vorbei ...
Wie in allen Hammer-Vampirfilmen ist auch hier der sexuelle Subtext allgegenwärtig. Genau genommen wird sogar sehr offen ausgesprochen, dass der Biss mit dem Liebesakt gleichzusetzen ist. Kein Wunder, dass Van Helsing sehr schockiert ist, als er feststellen muss, dass auch er gebissen wurde. Der Übereifer, mit dem er sich den Biss erst mit einem glühenden Holzscheit ausbrennt und dann mit Weihwasser ablöscht, lässt sich da gleich viel besser einordnen. Unter der Regie von Terence Fisher ist ein sehr atmosphärischer und farbenfroher Film entstanden, der relativ schnell zur Sache kommt und viel Abwechslung bietet. Die Eingangsszene und die Auferstehungssequenz der ersten Vampirdame gehören sicher zu den gelungensten Szenen im gesamten Hammer-Oeuvre und auch das Finale bietet einen tollen Einfall. Ach ja: Zu Beginn tritt ein dunkel gewandeter, dustinguierter Herr auf, dessen Erscheinen nicht weiter erklärt wird, der aber ganz augenscheinlich einiges Interesse daran hat, Yvonne zum Schloss zu führen. Ob das vielleicht ein Gastauftritt des Vampirfürsten ist?
#407
Geschrieben 20. Juni 2006, 19:14
Ein kleiner, fast vergessener US-Exploiter aus den 70ern, der – so erfahren wir im Intro von Joe Bob Briggs – damals Tobe Hooper mächtig in Angst versetzte, kam er doch kurz vor dessen Meilenstein mit dem amerikanischen Bundesstaat und dem benzinverbrauchenden Werkzeug im Titel heraus. Die Angst war unbegründet, weil WARLOCK MOON nicht ganz den bleibenden Eindruck hinterließ. Dennoch ist der kleine Schocker von Regisseur William Herbert ganz gut gelungen, hat zwei überdurchschnittlich talentierte Hauptdarsteller zu bieten (Laurie Walters und Joe Spano), weist einige deutliche Parallelen zum Zeitgenossen auf und kann mit einem bitterbösen Ende punkten.
Die Stundentin Jenny (Laurie Walters) wird von dem sympathischen John (Joe Spano) angequatscht und zu einem Picknick eingeladen. Auf dem Rückweg landen die beiden in einem alten, längst geschlossenen Spa, in dem nur noch ein altes Mütterchen haust. Doch mit dieser Dame stimmt irgendwas nicht, wie Jenny bald schon merkt (und zu spüren bekommt) und spuken tut es auf dem Anwesen scheinbar auch noch. John weist das alles ins Reich der Märchen und beschwichtigt, dennoch ist seine Angebetete alles andere als begeistert, als er sie erneut dorthin einlädt. Und siehe da: Ihre Befürchtungen sind alles andere als abwegig, denn sie soll der Hauptgang in einem grimmigen Ritual werden ...
Kannibalismus, dysfunktionale Familienstrukturen und ein mansonesker Blutkult sind die Zutaten für dieses bekömmliche Süppchen, dem die ganz großen Momente fehlen, der aber dafür viele kleine hat. Die Auftritte des axtschwingenden Mordbuben erinnern mächtig an Leatherface' entschlossenes Auftreten, statt eines Knochenraumes gibt es eine martialisch anmutende Großküche und einen Raum mit nem Kreis auf dem Boden. Einer der zwei finalen Plottwists wird in einer äußerst clever gescripteten und von Joe Spano ebenso umgesetzten Szene eingeläutet und ein paar feine Schocks setzt es auch.
Kein vergessener Klassiker, aber durchaus eine Wiederentdeckung wert – vor allem für Freunde des amerikanischen 70er-Grindhouse-Kinos (das hier aber relativ geschmackssicher daherkommt).
#408
Geschrieben 23. Juni 2006, 11:42
Auf Papua-Neuguinea (is klar!) stehen einige schlechte Schauspieler in einer Fabrik rum und spielen Wissenschaftler, was bedeutet, dass sie auf große Schaltpulte mit vielen Knöpfen gucken und sich gegenseitig ihre Ratlosigkeit versichern. Als zwei von ihnen eine tote Ratte finden, die plötzlich wieder lebendig wird, ist Aschermittwoch nah. Vor allem, als die Ratte dem einen unter den Strahlenschutzanzug krabbelt (!!!) und in seinem Helm ein Massaker anrichtet. Danach strömt grüner Dampf aus, der Oberprofessor spricht die letzten, mahnenden Worte auf Tonband, dann setzt recycelte Goblin-Musik ein und ein harter Schnitt folgt. Bruno Mattei reißt den Zuschauer aus dem Sitz und hinein in ein Geiseldrama: Ökoterroristen halten irgendein Haus besetzt. "Öko" nicht nur, weil sie hehre Ziele verfolgen (irgendwas mit Umwelt halt), sondern vom vielen Kraut essen auch ziemlich langsam drauf sind. Die Superspezialeinheit – mit Blaumännern als lustiges Viergestirn der Klempnerinnung verkleidet – entert problemlos das Haus, macht alle platt und danach erstmal Urlaub: die Waffen nehmen sie natürlich mit, Ehensache! Wieder ein Schnitt: Ein Ehepaar mit faulendem Kind und Journalistenpärchen (er hat eine Kamera) fährt durch die Gegend. In einer Mission trifft man auf ein paar Zombies. Das faulende Kind isst den Papa auf, da kommt auch schon die Spezialeinheit und rettet den Tag. Die Journalistin kennt sich im Urwald bei den "savages" zum Glück super aus, packt ihre Fußbälle aus und malt sich in den Stammesfarben an. So wird man von den Wilden freundlich empfangen – die Welt zu Gast bei Freunden, feel the love generation! Leider verwandeln sich die Eingeborenen bald auch in Zombies (nachdem sie vorher ein bisschen Kannibalenfilm-style in tierischem Gekröse gewühlt haben). Eine Kugel in den Kopf ersetzt den Zimmermann, die Hatz geht weiter. Nach einer Pause im Altersheim, wo sich alle besonders bescheuert verhalten – langsam müssten die ja mal wissen, was los ist – findet man die Fabrik vom Anfang. Der große Schock: Die Wissenschaftler arbeiteten an einer Lösung für die Überbevölkerung. Na, das ist ja mal sauber in die Hose gegangen. Die letzten Überlebenden werden aufgegessen, die Journalistin bekommt die Augen durch die Mundhöhle raus gerissen, was eine radikale Neuinterpretation des alten Satzes "Von hinten durch die Brust ins Auge" darstellt. Das apokalyptische Ende – die Zombies sind auch schon bei uns – hat Mattei sich auch nicht selbst ausgedacht, aber egal. Wenigstens ist der Film irgendwie zu Ende gegangen.
In Jamie Russells lesenswertem BOOK OF THE DEAD werden in Zusammenhang mit Romeros Zombiefilmen die Begriffe "apocalypse of reason" bzw. für Fulcis Zombiedreier um GLOCKENSEIL/GESITERSTADT/FRIEDHOFSMAUER "apocalypse of narration" eingeführt. In Matteis ödniserregendem Spektakel überkreuzen sich die beiden, allerdings anders als gedacht: Die "reason" verabschiedet sich schon kurz nach Beginn, die "narration" bricht nur wenig später zusammen. Die eigentlich nicht uninteressante Idee, in der Mattei die Rassenthematik alter Zombiefilme (I WALKED WITH A ZOMBIE; WHITE ZOMBIE) und die soziale Komponente der neueren Vertreter des Genres zusammenbringt, verschwindet unter einem Wust bescheuerter Charaktere, mieser Knallchargen, uninspirierter Regie und grottiger Spezialeffekte. Das ist in Verbindung mit Bier und gutgelaunten Freunden bestimmt ein feiner Spaß. Allein gestalten sich die hundert Minuten aber sehr, sehr zäh.
#409
Geschrieben 25. Juni 2006, 09:35
Hitchcocks Riviera-Krimi hatte ich irgendwie immer als Bilderbogen im Gedächtnis, obwohl ich ihn glaube ich noch nie wirklich ganz gesehen habe. Das ist ja so ein typischer Film, den man auf jeden Fall schon mal im Fernsehen aufgeschnappt hat, auch vor 20 Jahren schon. Mir war schon klar, dass es sich hier nicht um einen Thriller handelt, sondern eher um eine beschwingte Krimikomödie, trotzdem hat mich das Interesse nach einiger Zeit einfach verlassen. Der Geschichte um den ehemaligen Juwelendieb John Robie, der plötzlich unter Verdacht steht, weil er einen späten Nachahmer gefunden hat, und nun versucht, diesen dingfest zu machen, mangelt es einfach an wirklich spannenden Momenten. Zwar wird zu Beginn noch die Möglichkeit offen gelassen, dass Robie tatsächlich selbst der Dieb ist, doch Hitchcock macht da irgendwie nix draus. Herausragend sind lediglich die tollen Dialoge zwischen Grant und Grace Kelly, bei denen die Funken nur so sprühen und gegen die moderne Filmflirts zum müden Austausch abgedroschener Platitüden verkommen. Schön gefilmt ist das Ganze natürlich auch – sowieso ist TO CATCH A THIEF weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein, ich hatte aber irgendwie von allem mehr erwartet. Höhepunkt ist eine tolle Verfolgungsjagd, die unter Beweis stellt, dass Männer es HASSEN, auf dem Beifahrersitz zu sitzen, und in der ein Huhn eine wichtige Rolle spielt. Ach, eigentlich ist der Film doch toll ...
#411
Geschrieben 28. Juni 2006, 18:06
Als Achtziger-Action-Fan kommt man an diesem Urvater militärischer Propaganda wohl kaum vorbei, aber auch historisch ist dieser Film, der 1967 unter der Regie von John Wayne und Ray Kellogg entstand, hoch interessant, ist er doch der einzige (!) Film, der für den Vietnamkrieg warb und zwar zu einer Zeit, als die Öffentlichkeit begann, vehement gegen diesen Krieg zu protestieren. Die Intention dieses Films steht also über allem und lässt sich während des ganzen Films kaum verleugnen. Schon die Eingangsszene, in der Journalisten in einer Pressekonferenz "auf Linie" gebracht werden, macht deutlich, in welche Richtung dieser Film in den kommenden 135 Minuten gehen wird. Eine klare durchgängige Narration gibt es dann auch nicht, der Film lässt sich eher als episodisch beschreiben und besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen. Der erste schildert die Geschehnisse in einem Stützpunkt der Amerikaner inmitten des Feindgebiets, bei denen der system- und kriegskritische Journalist Beckworth von der Richtigkeit des amerikanischen Einsatzes überzeugt wird. Die zweite Hälfte bietet dann die obligatorische Heroisierung der tapferen amerikanischen Soldaten, die sich bei einer geheimen Mission bewähren dürfen.
Erstaunlich ist, was die konservativen Kräfte unter "Argumentation" verstehen. Was Wayne als Hauptargument FÜR den Einsatz anzubieten hat (und was den Journalisten letztlich überzeugt), ist letztlich die Empathie mit den armen Vietnamesen, die vom Vietcong brutal gemeuchelt werden – der Film wendet hier für die VC ganz ähnliche Strategien an, wie knapp 20 Jahre zuvor im Indianerwestern. Das muss umso mehr erstaunen als in der den Film einleitenden Pressekonferenz der Krieg als Maßnahme gegen die geplante kommunistische Weltherrschaft gerechtfertigt wird. Und auch die Art wie hier moralische Argumentation je nach Belieben ein- oder ausgeblendet wird, ist beachtlich: Auf der einen Seite gilt die "Wo gehobelt wird, fallen Späne"-Devise, auf der anderen sind die Vietcong Barbaren und brutale Killer. Der "kritische" Journalist erkennt die Richtigkeit des Krieges in dem Moment an, in dem er die Leiche eines kleinen Mädchens sieht, dem er kurz zuvor eine Halskette geschenkt hat. Rein persönliche Rachegefühle werden hier zur Rechtfertigung eines Krieges.
Die Charakterisierung der Green Berets als tapfere Humanisten und die der VC als brutale Sadisten zieht sich durch den ganzen Film. So tappen unsere Helden in mehrere fiese Booby Traps, während sie sich mit so fairen Mitteln wie Messern ins Kreuz zu helfen wissen. Am Ende ist es wieder die reine Rührseligkeit, die den Zuschauer auf die Seite des Militärs holen soll. Als ein kleiner vietnamesischer Junge erfährt, dass sein Freund, der Soldat Petersen, bei einem Einsatz ums Leben gekommen ist, nimmt der Duke ihn bei der Hand, setzt ihm das grüne Barrett auf und wandert mit ihm am Strand in den Sonnenuntergang, während die Hymne der Green Berets ertönt. Das hätte der Führer kaum besser hingekriegt.
Zwar ist THE GREEN BERETS von der Maulsperre verursachenden Plumpheit eines INVASION USA weit entfernt, doch da sich John Waynes Vehikel ja als aufklärerischverstand, muss die Schlichtheit der hier dargebotenen Schlussfolgerungen doch erstaunen. Inszenatorisch ist dieser Film als Vorstufe pseudodokumentarischer Kriegsfilme zu erkennen, wenn auch nicht stilistisch, so doch zumindest in seiner Erzählstruktur. Die Actionszenen sind relativ aufwändig aber auch sehr spannungsarm, was man ja eigentlich honorieren muss. Doch immer wieder schleichen sich unglaubliche Klöpse in den Film, wie der, als der kleine Vietnamese mitten im Granathagel seinen toten Hund beerdigt und einen Grabhügel hinterlässt, der nur wenige Sekunden später von Springerstiefeln plattgetrampelt wird. Im Krieg ist kein Platz für Tierfriedhöfe. Böse, böse Welt.
#412
Geschrieben 29. Juni 2006, 12:37
Regisseur Mark Robson drehte für Val Lewton diese wunderbare, schaurigen Allegorie auf den zweiten Weltkrieg im letzten Kriegsjahr. Boris Karloff gibt den griechischen General Pherides, der ein strenges Reigiment führt und von allen nur der "Watchdog" genannt wird. Er ist die strenge Vater- oder auch Gottesfigur für seine Armee. Als er den Reporter Oliver Davis mit auf eine nah liegende Freidhofsinsel nimmt, um das Grab seiner Frau zu besuchen, findet er dieses nicht nur leer vor, sondern stößt auch auf Leben auf der eigentlich ausgestorbenen Insel. Eine Gruppe von Menschen hat es sich im Haus eines Schweizer Archäologen bequem gemacht. Die beiden lassen sich erschöpft von der Reise nur zu gern überreden, eine Nacht im Haus zu verbringen. Doch schon am nächsten Morgen gibt es eine schlechte Nachricht: Einer der Gäste ist an einer gefährlichen und ansteckenden Krankheit verstorben. Pherides ruft seinen Arzt und befiehlt den Anwesenden, dass sie das Haus und die Insel nicht verlassen dürfen, um die Pest nicht nach draußen in Pherides' Herr zu verschleppen. Gemeinsam wartet man auf den warmen Scirocco, der die Erreger abtöten wird. In der Zwischenzeit greift die Krankheit immer mehr um sich und der eigentlich so rationale General lässt sich mehr und mehr vom Aberglauben der Hausherrin Kyra anstecken, die befürchtet, dass der Vorvolokar umgeht – ein vampirisches Wolfswesen. Und bald glaubt man auch zu wissen, hinter wem sich dieses Halbwesen versteckt ...
Die politischen Implikationen sind, denke ich, relativ deutlich, ohne dass ISLE OF THE DEAD seine Verwurzelung in der Schauerromantik darüber verleugnen würde. Über dem ganzen Film liegt die finstere Ahnung des Todes: Er beginnt mit einer Hinrichtung, verfolgt die Protagonisten auf ihrem Weg über das mit Leichen übersäte Schlachtfeld bis zur Fredhofsinsel und endet schließlich im munteren Sterben auf der Insel. Das dort gelegene Haus des Archäologen erinnert dann auch mehr an eine Durchgangsstation ins Totenreich. Der knochige Boris Karloff ist die Idealbesetzung für den Todesboten Pherides, der, gerade weil er sich als Beschützer begreift, alle ins Unglück stürzt. Das Finale, mit der durch das Dickicht spukenden Mrs. St. Aubyn gehört wohl zu den schaurigsten Momenten, die man damals auf Film gebannt hat, und wie in I WALKED WITH A ZOMBIE ist auch hier besonders das Geschehen auf der Tonspur bemerkenswert – neben den (alb)traumhaften BIldern, versteht sich.
#413
Geschrieben 29. Juni 2006, 12:55
Deodatos DER SCHLITZER reiht sich nahtlos in die von Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT beeinflusste Reihe von Italothrillern ein – bezeichnenderweise spielt David Hess dann auch den Chef-Psychopathen. Darf man hinter LAST HOUSE eine Selbstanklage des Bürgertums erkennen, wird HOUSE ON THE EDGE OF THE PARK aber eher vom Geist des Klassenkampfes beflügelt. Oder doch nicht?
Der Brutalo, Vergewaltiger und Automechaniker Alex (David Hess) macht sich fertig für das Wochenende. Im Schlepptau hat er seinen etwas minderbemittelten Freund Ricky (John Morghen). Kurz bevor die beiden auf die Piste wollen, trifft ein betuchtes Pärchen mit einer Autopanne ein. Alex verguckt sich sogleich in die Dame und es gelingt ihm, den beiden eine Einladung zu der Privatparty abzuschwatzen, zu der sie auf dem Weg sind. In dem schicken Haus angekommen, machen sich die anwesenden Schnösel gleich über den etwas dusseligen Ricky lustig und ziehen ihm beim Pokern das Geld aus der Tasche. Bald wird es Alex zu dumm und mit Rasiermesser und roher Gewalt beginnt er seine Racheaktion, die allerdings ein eher unvorhergesehenes Ende nimmt.
Deodatos Film ist was die Darstellung grafischer Gewalt angeht meilenweit von seinem CANNIBAL HOLOCAUST entfernt, dennoch weht derselbe Hauch von Pessimismus und Menschenhass durch seinen Film. DER SCHLITZER ist schwer zu ertragen, weil es keine Sympathiefiguren gibt, mit denen man mitleiden könnte. Alex ist ein widerlicher Gewalttäter, der noch während der Credit-Sequenz ein für den weiteren Verlauf der Handlung nicht ganz unwichtiges Verbrechen begeht. Sein Kumpel Ricky ist zwar eigentlich harmlos, wird aber unter der Führung seines Freundes unberechenbar. Und die Schnösel sind ekelhafte Geldmenschen und Manipulatoren, die sich auf Kosten Schwächerer einen Spaß machen wollen. Doch da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
DER SCHLITZER stieß mit seiner Mischung aus Gewalt und Sex beim Jugendschutz auf wenig Begeisterung, obwohl es nur wenige blutige Momente gibt, die allerdings durch ihren Realismus umso mehr schmerzen. Man muss sich etwas durch diesen Film hindurch quälen, auch deshalb, weil er einen sehr gleichmäßig verlaufenden Spannungsbogen hat, der wenig Varianten bietet, was allerdings wie die Faust aufs Auge zum Geschehen passt. Der Score von Riz Ortolani trumpft mit einem zuckersüßen Titelsong auf, der im Kontest des Filmes eine äußerst bittere Note erhält.
#414
Geschrieben 03. Juli 2006, 00:02
Nach dem dritten Teil der RAMBO-Reihe verabschiedete Stallones sich aus dem Genre, zu dessen maßgeblichen Begründern er in den Achtzigern zählte. Der Versuch, mit Komödien Fuß zu fassen oder in dramatischeren Filmen zu gefallen, schlug fehl. 1993 war dann noch einmal alles beim Alten: Unter der kompetenten Regie von Renny Harlin begab sich Stallone ins Actiongenre zurück. Dass dieses sich seit dem Kulminationspunkt mit RAMBO 3 1988 und dem wenig später erfolgten politischen Klimawandel erheblich verändert hatte, ist CLIFFHANGER jedoch deutlich anzusehen. Die bösen Russen sind zwar nicht minder gemeinen Verbrechern gewichen, diese haben jedoch rein pekuniäre Interessen. Und aus dem Vollblutsoldaten und Profimörder John Rambo ist der brave Mountain Ranger Gabe Walker geworden, der sich in Selbstzweifeln suhlt, seit er der Freundin seines besten Freunden und Kollegen Hal (Michael Rooker) bei ihrem Absturz in die Tiefe in die Augen sehen musste. Seine Freundin und Kollegin Jessie (Janine Turner) hat er verlassen, um zu sich selbst zu finden, Kumpel Hal hat ihm seinerseits den Rücken zugekehrt. Zum Glück kommen die ultrafiesen Böslinge unter der Führung von Oberpsycho Qualen (John Lithgow) daher und zwingen den hadernden Gabe zur Besinnung in schwindelnder Höhe. Und ab geht's ...
CLIFFHANGER bewegt sich zielsicher zwischen Action- und Abenteuerfilm und weiß darüber hinaus die Kulisse der italienischen Alpen als Rocky-Mountains-Ersatz äußerst effektiv einzusetzen. Von der Struktur her ist Harlins Film nicht weit von DIE HARDER entfernt, den der Finne zuvor abgekurbelt hatte. Wie John McClaine wird auch Gabe Walker rumgewirbelt, vermöbelt, Abhänge runtergeschubst, ohne Jacke in den dicksten Schnee geschickt und wenn's gar nicht anders geht, schmeißt man ihm auch schon mal ne Lawine auf den Kopp. Wo aber Willis als Supercop Ironie und "Why me?"-Humor ins Spiel bringt, inszeniert Harlin um Stallone herum eine Passionsgeschichte um die Selbstfindung eines Mannes – eine Nummer, die wohl niemand so gut bringt wie Stallone. Es gibt wirklich einige atemraubende Szenen, wie überhaupt der Film relativ hart zupackt. Der Prolog ist hochdramatisch und färbt mit seinem tragischen Ende den ganzen folgenden Film düster ein. Das Bild der Freundin, ihr Blick in dem Moment als sie in die Tiefe stürzt und weiß, dass sie sterben wird, verfolgt mich seit der Erstsichtung und hat mir auch heute wieder einen Schauer über den Rücken gejagt. Demgegenüber steht dann aber das absurde Finale, das wieder Kintopp in bester Hollywood-Manier bietet. Ich mag diesen Film. Und es war wahrscheinlich der letzte Streifen, in dem Stallone nochmal (fast) der Alte war.
#415
Geschrieben 04. Juli 2006, 15:01
Zu Tony Scott habe ich ein fast genauso gespaltenes Verhältnis wie zu seinem Bruder. Auch seine Filme scheinen manchmal fast unter der formalen Last zu zerbrechen, die auf ein zerbrechliches erzählerisches Gerüst gepackt wird. Oder plakativer: Die Filme der Scotts machen viel Wind um (fast) nichts. Bei Tony finde ich das nicht ganz so schlimm, weil er wenigstens nicht als Meisterregisseur gefeiert wird. Die etwas unoriginelle Eingangsthese von mir ist vielmehr Tenor in der Tony-Scott-Rezeption. So kann man viele Rezensionen zu MAN ON FIRE lesen, in denen von der formalen Meisterschaft Scotts berichtet wird, die allerdings einer Geschichte voller Klischees gegenübersteht. Das Tückische: Das kann man durchaus so sehen, nur scheint genau diese Diskrepanz wesentlich für das Verständnis des Films zu sein.
MAN ON FIRE beginnt wie ein beliebiges Rührstück, dem allerdings ein im postmodernen Fragmentierungswahn befindlicher Schnittmeister heftig zu Leibe gerückt ist. Creasy (Denzel Washington) ist ein alkoholabhängiger Ex-Supersoldat, der noch einmal einen großen Auftrag bekommt. Im gefährlichen Mexico-City soll er die Tochter des reichen Industriellen Samuel Ramos (Mark Anthony) beschützen. Wie der Hollywood-Film so spielt, schafft die süße Pita (Dakota Fanning) es, das Herz des grummeligen Loners zu gewinnen. Umso schwerer trifft ihn dann, dass er ihre Entführung nicht verhindern und nach missglückter Lösegeldübergabe ihre Ermordung erleben muss. Weil der erste Mensch, der ihm seit langem Liebe entgegenbrachte, tot ist, begibt er sich auf einen unerbittlichen Rachefeldzug ...
Scotts Film erinnert strukturell an den Rape & Revenge-Film: Auch hier wird im ersten Drittel emotionale Bindung zu den Figuren aufgebaut, bevor diese Bindung dann durch einen harten Einschnitt zerstört wird. Der folgende Rachefeldzug wirkt auf den Zuschauer wie eine Befreiung. Doch auch in Scotts Film folgt auf die vordergründige Katharsis die Ernüchterung, denn der Triumph ist weder Hauptdarsteller Creasy noch dem Zuschauer vergönnt. Am Ende steht wieder einmal die Erkenntnis, dass Gewalt ein trügerisches Heilmittel ist. Einmal in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten, entwickelt es eine Eigendynamik, die einen nicht mehr klar sehen lässt. Der Glaube, es kontrolliert anwenden und seine Konsequenzen absehen zu können, wird bitter enttäuscht.
Auch formal setzt Scott dieses Thema sehr geschickt um. Zum einen, weil er den Zuschauer an der schmerzhaften Erfahrung Creasys teilnehmen lässt. MAN ON FIRE ist kein kühl kalkulierter Thesenfilm. Auch der Film ist buchstäblich ON FIRE. So wie Creasy vor Zorn schier zerbirst, so zerreißt es auch den Film in seine Fragmente. Ein souveräner Standpunkt ist im Schnitt- und Bildgewitter nicht mehr einzunehmen, die Perspektive verschwimmt und das schafft vor allem Distanz. Aus dieser Distanz erwächst dann mehr und mehr die Erkenntnis, sich auf dem Holzweg zu befinden, wenn man diesem Creasy ohne Vorbehalte zujubelt beim Killen ...
Um zur Ausgangsthese zurückzukommen: MAN ON FIRE hat mich ziemlich beeindruckt. Wer sich auf den Standpunkt zurückzieht, hier sei zwar ein großer Techniker, aber nur ein mäßiger Geschichtenerzähler am Werk, hat einiges übersehen. Und in noch einem Punkt konnte ich beim Sehen Vorurteile abbauen: MAN ON FIRE beweist, dass Denzel doch ein Schauspieler ist.
#416
Geschrieben 04. Juli 2006, 15:06
Viel Spaß!
#417
Geschrieben 05. Juli 2006, 00:14
Elwood P. Dowd ist anders. Vordergründig ein ganz normaler Typ, verzweifeln seine Schwester Veta (Josephine Hull, eine der beiden Tnten aus ARSENIC AND OLD LACE) und Nichte Myrtle (Victoria Horne) an ihm, weil er jeden ihrer sozialen Kontakte mit einer merkwürdigen Marotte vergrault: Sein bester Freund ist Harvey, ein über 1,80 Meter großer Hase, der ihn überall hin begleitet, den aber nur er sehen kann. Als Elwood eine große Party seiner Schwester mit seinem Freund platzen lässt, hat sie die Faxen dicke und lässt ihn in ein Sanatorium einliefern. Weil die Gute aber selbst ein wenig hysterisch ist, ihr Bruder aber überaus normal wirkt, wird er entlassen und sie stattdessen eingewiesen. Zwar fällt der Fehler bald auf, jedoch ist Elwood erst einmal frei und die Krankenschwester Miss Kelly (Peggy Dow) und Dr. Sanderson (Charles Drake) machen sich daran, den Herrn zurück in die Behandlung zu holen, um ihn von seinem Wahn zu befreien.
Der Film lässt relativ lang offen, wohin er sich entwickeln wird. Steht am Ende die Heilung des freundlichen aber etwas weltfremden Elwood oder stellt sich gar heraus, dass dessen Wahnvorstellung einen wahren Hintergrund hat? Wer die Moralstücke Frank Capras kennt, weiß, dass eher letzteres der Fall sein wird. Aber auch wieder nicht ganz. Es geht um die kleinen Verrücktheiten, die jeder mit sich herumträgt und die der Film als integralen Bestandteil der Persönlichkeit betrachtet. Was aus heutiger Sicht auffällt, ist, wie sehr das Funktionieren des Films auf Verhaltensweisen beruht, die heute auch ohne Zugabe eines großen Hasen merkwürdig auffallen würden. So ist Elwood ein übermäßig höflicher Mensch, der schon durch seine große Rücksichtnahme auf seine Mitmenschen als Sonderling auffällt. Ist er zu jedem Menschen überaus freundlich – ständig lädt er sozial niedriger stehendere Menschen zu sich nach Hause ein –, ergreifen die Freunde seiner Schwester, die der gehobenen Gesellschaft angehören, sofort die Flucht, wenn der "Verrückte" wieder mit seinem Hasen ankommt.
Am Ende stellt sich die Frage, was besser ist: ein Leben abgestumpft vom Sinn für die Realität oder lieber das Dasein, das von der Illusion von der alle Grenzen sprengenden Freundschaft zu den Menschen geprägt ist. Ja, das ist nicht unkitschig und die Antwort fällt dem rationalitätsfreundlichen Besucher dieses Forums nicht schwer. Dennoch ist HARVEY ein sehenswerter Film und das liegt vor allem an Jimmy Stewart, der diesen Film hell erstrahlen lässt. Ist er sonst als das komplette Gegenteil Elwoods bekannt, erfüllt er diesen Charakter doch sehr glaubwürdig mit Leben. Sein Elwood ist nirgendwo ganz zu Hause, aber immer er selbst. Und er ist von dem Glauben an die Freundschaft erfüllt.
Insgesamt fehlt für den ganz großen Erfolg die Filigranität des oben erwähnten Frank Capra, dennoch ist das ein schöner Film, der mit seinem Thema erstaunlich modern umgeht und dies auch in seinen tollen Dialogen widerspiegelt.
#418
Geschrieben 05. Juli 2006, 23:11
Hat Tony Scott einem ja schon mit MAN ON FIRE gehörig den Boden unter den Füßen weggezogen, tritt er mit DOMINO nochmal nach. Ließ er es in ersterem Film noch vergleichsweise langsam angehen, hagelt in DOMINO von Minute eins an ein Schnittgewitter auf den Zuschauer nieder, das sich gewaschen hat. Es gelingt ihm so, deutlich zu machen, wie sehr der Versuch einer posthumen Biografie – denn als solche gibt sich DOMINO aus – von Legendenbildung, Perspektive und Konstruktion geprägt ist. Immer wieder werden Szenen der Biografie der realexistierenden Kopfgeldjägerin Domino Harvey (Keira Knightley) im Verlauf des Films relativiert, revidiert und umgedeutet, sodass am Ende nicht mehr klar ist, was vom Gesehenen nun wahr oder erfunden ist. Die Biografie wird hier nicht als Versuch der möglichst exakten Annäherung an eine "Wahrheit" verstanden, sondern als reine Fiktion. Der Film hat keinen chronologischen Ablauf, sondern springt munter hin und her, die Fragmentierung der einzelnen Szenen durch Scotts extrem artifiziellen Schnitt findet sich so auch auf einer höheren Ebene wieder und macht es nahezu unmöglich, einen zusammenhängenden Überblick über den erzählten Zeitraum zu gewinnen. Auch die extreme Stlisierung des Geschehens – im Vergleich zur Film-Domino sah die echte Domino, die am Schluss kurz in die Kamera grinst, deutlich weniger süß und modelhaft aus – ist ein Hinweis darauf, was von der authentifizierenden Unterzeile "based on a true story" zu halten ist.
DOMINO ist gegenüber MAN ON FIRE der kompliziertere Film, da er keiner gängigen Genredramaturgie folgt und ein romantisches Eintauchen in die Erzählung absolut unmöglich macht. Interessant ist der Film nicht zuletzt als Kommentar zu den zahlreichen, scheinbar nicht aus der Mode kommenden Reality-Shows. Viele der verwendeten Erzähltechniken – Schrifteinblendungen, Grafiken, Video-Footage – erinnern an die diversen Reality-Crime-Shows. Wer bisher nicht wusste, was er von diesen zu halten hat, ist nach diesem Film vielleicht schlauer. Es sei denn, er hat sich von Tony vorzeitig ausknocken lassen.
#419
Geschrieben 06. Juli 2006, 23:44
Charles Bronson ist Arthur Bishop, ein eiskalter Berufskiller. Präzise und mit bewunderungswürdiger Leidenschaftslosigkeit verrichtet er sein finsteres Tagwerk. Abends besucht er seine Ex (Jill Ireland), die ihm erzählt, wie sehr sie ihn vermisst, und ihm alte, nie abgeschickte Liebesbriefe vorliest, bevor sie sich dann nach dem Beischlaf als Prostituierte ausweist, die nur ein mit dem Killer einstudiertes Spielchen abzieht. Der langjährige Mitarbeiter seines Vaters, Harry McKenna, wird von ihm ohne ein Achselzucken über den Jordan befördert, als dieser ihn um Hilfe bittet. Arthur Bishop ist ein echtes Schwein, ein kaputter Nihilist, der sich um gar nichts mehr Gedanken macht. Da das Morden dennoch so ein einsames Geschäft ist, freut er sich als Harrys Sohn Steve (Jan-Michael Vincent) sich als echter Leidens- und Gesinnungsgenosse entpuppt. Sofort nimmt er ihn unter seine Fittiche, sehr zum Ärgernis seiner Auftraggeber ...
THE MECHANIC ist wohl einer der finstersten und unfreundlichsten Filme, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Michael Winner, sonst Garant für zwar spannende aber auch immer etwas holprig inszenierte Actioner, legt hier einen seiner rundesten und besten Filme ab. Der ganze Film ist beinahe ruhig, die Mordaufträge werden nicht mit großem Bombast aufbereitet, sondern ebenso kühl und spannungsarm abgehandelt wie die Hauptfiguren ihre Arbeit verrichten. Der absolute Gipfel der Amoral wird erreicht, als Arthur und Steve völlig teilnahmslos dem Selbstmordversuch eines unglücklich in Steve verliebten Mädchens beiwohnen. Ohne irgendwelche Anstalten zu machen, sie von ihrem Treiben abzuhalten oder ihr gar Trost zu spenden, rechnen sie ihr kühl vor, wie lange sie nach dem Öffnen der Pulsadern noch zu leben hat. Die beiden sind der Hit auf jeder Party! Doch auch die vermeintliche Freundschaft zwischen den Wonneproppen entpuppt sich als vorgetäuscht. Wer hier wen betuppt, verrate ich aber nicht. Die Seelenverwandtschaft zwischen Mördern führt eher nicht zu ewiger Glückseligkeit, so viel ist klar.
Man könnte Winners Film vorwerfen als Spannungsfilm komplett zu versagen. Dann würde man aber leugnen, dass er als solcher offensichtlich nicht konzipiert ist. THE MECHANIC ist ein bedrückendes Psychogramm mit Actioneinlagen. Anders als etwa in den Filmen Peckinpahs zeichnet Winner ein noch wesentlich hoffnungsloseres Bild der Menschheit, denn hier gibt es wirklich überhaupt keine übergeordneten Werte mehr, es herrschen nur noch die Gebote der Pragmatik. Ein hartes Stück Brot und ein verdammtes Meisterwerk.
#420
Geschrieben 07. Juli 2006, 11:26
Der Russe Nikolai (Dolph Lundgren), ein ehemaliger Spetnaz, muss mitansehen, wie seine Famile von dem fiesen Drogendealer Sasha ermordet wird. Bei dem anschließenden Rachefeldzug lässt er Sasha mit einer Kugel im Kopf zurück und setzt sich in die Vereingten Staaten ab, wo er sein Geld nun als Automechaniker verdient. Als eine russische Frau ihn aufsucht, um ihn zu beauftragen ihre entführte Tochter zu befreien, lehnt er ab, denn mit seiner kriegerischen Vergangenheit hat er längst abgeschlossen. Doch als die Mutter ihm das Bild des Entführers unter die Nase hält, schlägt Nikolai ein: es ist der totgeglaubte Sasha ...
Zwischen den müden Billigheimern, mit denen uns Seagal mittlerweile am Fließband behelligt, großbudgetierten MATRIX-Klonen und familienfreundlicher aseptischer Eventfilme à la M:I 3 sind in den letzten Jahren beinahe unbemerkt einige kleinere Actionproduktionen an die Gestade heimischer Videotheken geschwappt, die eine Wiedergeburt des B-Actionfilms anzukündigen scheinen. Nach Ringo Lams IN HELL und Philippe Martinez' WAKE OF DEATH beschert uns mit Lundgren eine Actionikone der Achtziger seine Vorstellung davon, wie ein B-Actioner im Jahre 2006 auszusehen hat. Was an den drei genannten Filmen auffällt, ist wie düster diese Vision ist. Die comichafte, überzogene und ideologisch verbrämte Popcorn-Action der Achtziger ist einem finsteren und desillusionierten Ausblick auf die Welt nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Siegeszug der Globalisierung gewichen, die postmoderne Ironie, der Humor und die Zitatenfreude des Actionfilms der Neunziger einem alptraumhaften Ausblick auf unsere Welt. Dass Lundgrens Charakter hier denselben Namen wie sein RED-SCORPION-Held trägt und wie dieser Spetnaz-Soldat war, lässt sich zwar als Anspielung verstehen, fungiert hier aber nicht als Insiderwitz für Nerds, sondern macht noch einmal das Programm dieses Films deutlich: Die Zeiten haben sich geändert, aus dem Bilderbuchhelden von einst ist ein gebrochener, auch äußerlich gezeichneter Mann geworden, der nicht mehr bereit ist, sich einem höheren (und trügerischen) Ideal zu unterwerfen. Die Gewaltorgie, zu der sich THE MECHANIK entwickelt, lädt nicht zum Mitgröhlen und Biertrinken ein, im Gegenteil: Hier ist alles schmutzig und schmerzvoll, die Guten sterben genauso blutig und sinnlos wie die Bösen, die Aussicht auf die pekuniäre Entlohnung wiegt schwerer als der zweifelhafte moralische Sieg und der Ruhm. Bei der großen Familienzusammenführung am Schluss des Films ist der "Held" Nikolai dann auch gar nicht mehr anwesend. Er hat seinen Job getan – aus rein egoistischen Gründen –, alles andere interessiert ihn nicht mehr.
THE MECHANIK ist in seiner Konsequenz absolut beeindruckend. Neigt man vorher vielleicht dazu, den hünenhaften Schweden hinter der Kamera zu belächeln, so muss man neidlos anerkennen, wieviel Gespür für die Dynamik des Genres er besitzt. Der Mann hat in zwanzig Jahren vor der Kamera mehr oder weniger talentierter Actionregisseure nicht nur viel gelernt, sondern auch eine sehr eigene Vorstellung dessen entwickelt, was ein Actionfilm leisten kann und soll. Der Film präsentiert sich als beinahe durchgehendes Actionspektakel, unnötige und aufgesetzte Handlungselemente hat Lundgren klugerweise gleich ganz weggelassen und serviert dem Zuschauer somit genau das, was dieser von einem solchen Film erwartet. Nichts verwässert seine Geschichte um Mord und Totschlag, Verzweiflung und Gefühlskälte – all das kommt in den spannend inszenierten und darüberhinaus äußerst brutalen Action-Set-Pieces viel stärker zum Tragen als in verzwirbelten Subplots. Nach Betrachtung des Films muss man sich schon darüber wundern, warum der kreative Ursprung des NBAFs (Neuen B-Action-Films) außerhalb der USA zu suchen ist: Ringo Lam ist Chinese, Philippe Martinez Franzose und Lundgren selbst Schwede. Ob sich diese Entwicklung des Actionfilms nur als Sturm im Wasserglas entpuppt oder tatsächlich eine Trendwende darstellt, wird die Zukunft zeigen. Man darf durchaus gespannt sein.
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