Der Monroe ihre dicken Hupen
#841
Geschrieben 01. Juli 2007, 13:49
Regie: Gil Kenan
Die Kinder in DJs Straße haben ein Problem: Kaum landet ihr Spielzeug auf dem Rasen vor dem Haus des cholerischen Mr. Nebbercracker, ist es verloren, weil der alte Herr mit äußerster Vehemenz gegen das unerlaubte Betreten seines Grudnstücks vorgeht. Als Nebbercracker plötzlich in einem weiteren seiner Anfälle verstirbt, scheint der Spuk endlich beendet. Doch das Haus des alten Mannes führt ein unheimliches Eigenleben ...
Der Animationsfilm MONSTER HOUSE trägt deutlich die Handschrift seiner Produzenten Spielberg und Zemeckis, was ihn wohltuend von Artverwandten aus den Häusern Pixar oder Dreamworks abhebt. MONSTER HOUSE erinnert mehr als an andere Animationsfilme an Highlights des Jugend- und Kinderfilms der Achtzigerjahre: Mit seiner Mischung aus Grusel, Abenteuer und Komödie haut er eine ähnliche Kerbe wie etwa Richard Donners THE GOONIES. Das ist auch die Stärke dieses Films: Anstatt auf einzelne witzige Figuren zu setzen und um diese einen standardisierten Plot zu stricken (siehe etwa MADAGASCAR oder auch ICE AGE), steht bei MONSTER HOUSE die Story eindeutig im Vordergrund. Und die ist wirklich prächtig, hält zahlreiche unheimliche und in einem solchen Film eigentlich nicht zu vermutende abseitige Momente, gut getimete Gags und unvorhersehbare Storywendungen bereit. Was Kenans Film aber besonders adelt und von den vielen mittlerweile am Fließband produzierten Animationsfilmen ebenso unterscheidet wie von anderen von den Studios ausgespieenen Filmmonstrositäten: Er hat Seele. Die Figuren sind echte Menschen, nicht bloß Karikaturen in einem Paralleluniversum. Das Schicksal des Mr. Nebbercracker, das sich erst zum Schluss in seiner ganzen Wucht entfaltet, ist nicht gerade leichter Stoff und macht MONSTER HOUSE dann durchaus auch für Erwachsene goutierbar, die mit Kinderkram sonst nix am Hut haben. Überhaupt muss man sagen, dass sich MONSTER HOUSE auch als "normaler" Spielfilm gut gemacht hätte, auch wenn man dann um einige wunderbare Details wie dieses betrogen worden wäre: Als der Computernerd "Skull" in der Spielhalle besucht und beim Zocken von "Thou art dead" gestört wird, erhascht man einen Blick auf die Grafik jenes Spiels, die sogleich an den guten alten C-64er denken lässt. Klar: In einer "realen" Welt, die aussieht wie ein Computerspiel, muss die diese bloß abbildende Computerspielebene technisch entsprechend runtergeschraubt werden. Schon sind wir beim technischen Aspekt: MONSTER HOUSE ist natürlich eine Augenweide, glänzt mit etlichen tollen Bildern und "Kameraeinstellungen", die man zwar mittlerweile erwarten darf, aber dennoch nicht immer in dieser Vollkommenheit bekommt. Und dass dem O-Ton-Gucker das Vergnügen durch die gut aufgelegten Sprecher – u. a. Steve Buscemi, Jon Heder, Fred Willard, Kevin James und Maggie Gyllenhaal – versüßt wird, muss ebenfalls nicht extra erwähnt werden. Dicke Empfehlung!
#842
Geschrieben 01. Juli 2007, 14:29
Regie: Wolfgang Petersen
Der kasachische Führer Radek (Jürgen Prochnow) wird von einer Einheit russischer und us-amerikanischer Soldaten aus seinem Palast entführt und in Russland eingesperrt. In einer Rede anlässlich dieses Ereignisses verspricht der amerikanische Präsident James Marshall (Harrison Ford), dass die USA künftig mit einer Intervention gegen Terrorregime nicht mehr warten werden, bis sie unmittelbar selbst betroffen sind. Vorerst gilt es jedoch noch einmal mehr, die eigene Haut zu retten: Denn auf dem Rückflug aus Moskau erobern kasachische Terroristen unter Führung von Ivan Korshunov (Gary Oldman) die Air Force One und fordern die Freilassung Radeks. Doch da haben sie die Rechnung ohne den Präser gemacht ...
Dass die beiden Vorzeigedeutschen Hollywoods, Wolfgang Petersen und Roland Emmerich, den "American Way of Life" besser verinnerlicht haben als viele Amerikaner, lässt sich lückenlos aus ihren Filmen schließen und ist längst kein Geheimnis mehr. Dass sie sich damit auch das Talent zum Selbstbetrug und eine zwangsläufig verzerrte Realitätswahrnehmung angeeignet haben, bezeugte Petersen als er sich anlässlich der Veröffentlichung von AIR FORCE ONE in einem CINEMA-Interview zu der Blödheit herabließ, das Alleinstellungsmerkmal seines Films darin zu sehen, dass bei ihm kein Araber, sondern ein Russe der Bösewicht sei. Wirklich revolutionär! Tatsächlich ist an AIR FORCE ONE gar nix in irgendeiner Art und Weise besonders – wer ein bis zwei Polit-Action-Thriller gesehen hat, kann den Ausgang jeder Szene punktgenau vorhersagen –, außer seine Naivität und Einfältigkeit, die mir den Film sofort ans Herz geschweißt hat. Präser James Marshall ist ein Kerl von echtem Schrot und Korn, hat in Vietnam mehr Kampfeinsätze geflogen als irgendein anderer und räumt deswegen mit den Terroristen an Bord seines Flugzeugs ganz allein auf, während sowohl die eigenen Leute, die wichtig palavernd um einen großen Tisch im Weißen Haus sitzen, als auch die Bösen ihn in einer Rettungskapsel auf dem Weg in die Sicherheit wähnen. Das ganze Konzept des Films ist unfassbar dämlich (wenn auch natürlich recht routiniert umgesetzt) und populistisch, also genau das richtige für Petersen, der mithilfe von Jerry Goldsmiths pathetischem Score mächtig auf die Tränendrüse drückt und den durch patriotische Gefühle verursachten vorzeitigen Samenerguss geradezu heraufbeschwört. Highlight des Films ist eindeutig das Finale, wenn der Präser an einer Rettungsleine hinter dem rettenden Flugzeug hinterhergezogen wird. Wie man solch haarstäubenden Kintopp ohne jegliche Ironie inszenieren kann, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Ebenso wie die Tatsache, dass hier renommierte Schauspieler wie William H. Macy, Glenn Close (als Vizepräsidentin erinnert sie mich irgendwie an Sabine Christiansen) oder Dean Stockwell gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich plädiere nach wie vor für ein Remake mit 18er-Freigabe mit Steven Seagal in der Hauptrolle. Damit würde man Petersens Film nachträglich das verdiente Denkmal setzen.
#843
Geschrieben 02. Juli 2007, 11:06
Regie: Danny Boyle
Nach dem Tod der Mutter ziehen der kleine Damian und sein älterer Bruder Anthony mit ihrem Vater in eine schicke Neubausiedlung am Rande von Manchester, ein Leben des gehobenen Mittelmaßes. Beide Brüder haben unterschiedliche Methoden, mit der neuen Situation umzugehen: Damian glaubt an Gott und seine Heiligen, die ihm in lebhaften Visionen erscheinen, mit ihm sprechen und ihn zum Guten bewegen. Sein Bruder ist eher ein Rechner, interessiert sich für Finanzen und blockt ansonsten jedwede aufkeimende Emotion ab. Das seelische Tohuwabohu findet seine Entsprechung auf der politischen Ebene: die Umstellung vom Britischen Pfund auf den Euro steht kurz bevor. Und mitten in diese Situation fliegt ein Koffer voller alter Pfundnoten scheinbar vom Himmel genau in Damians Hände. Wohin mit dem Geld? Beide Brüder finden ganz unterschiedliche Antworten auf diese wichtige Frage. Aber als plötzlich der "rechtmäßige" Besitzer des Geldes auftaucht, muss auch der Vater eingeweiht werden ...
Danny Boyle drehte diesen Film nach 28 DAYS LATER, dessen Erfolg er leider nicht wiederholen konnte. MILLIONS ist an den Kinokassen ziemlich untergegangen und ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass er in Deutschland überhaupt veröffentlicht worden ist. Da hat das Marketing ganze Arbeit geleistet. Nach dem Film weiß man, dass Danny Boyles Film es in dieser Welt einfach schwerhaben musste. MILLIONS ist keinem einzelnen Genre zuzurechnen, er vereint komödiantische Elemente, ebenso wie solche des Dramas oder der Satire und auch thematisch ist MILLIONS alles andere als einfach: Wer hat heute schon Lust, sich moralphilosophische Reflexionen im Kino anzuschauen, vor allem, wenn dabei die Freuden des Konsums und der wundersamen Geldvermehrung aufs Korn genommen werden? In Boyles (also in unserer) Welt ist der Altruist (über das Begriffspaar Altruismus/Egoismus und seine Sinnhaftigkeit kann man trefflich streiten, ich verkneife mir das an dieser Stelle aber mal) der Naivling, der für seine Gutherzigkeit verlacht wird, während derjenige, der nur seinen eigenen Vorteil und Profit im Kopf hat, sich in guter und großer Gesellschaft befindet. Während also Damian sein Geld den Bedürftigen und jenen, die er dafür hält, zukommen lässt und sich mehr und mehr den Zorn seines Bruders zuzieht, verfällt selbst Dorothy, die hauptberuflich für eine Wohltätigkeitsorganisation Geld sammelt, dem Goldrausch. Diese an die morality plays eines Frank Capra erinnernde Geschichte wird von Boyle mit dem von ihm gewohnten visuellen Spielereien verbunden, sodass MILLIONS nicht nur Stoff zum Nachdenken, sondern auch zum Schwelgen bietet. Ein wirklich schöner Film, dem ich durchaus auch Potenzial für weitere Sichtungen zuspreche. Schön, geistreich, rundum empfehlenswert.
#844
Geschrieben 03. Juli 2007, 10:27
Regie: Ruggero Deodato
Robert Harper (Massimo Foschi) und sein Kumpel Ralph (Ivan Rassimov) lassen sich in den Dschungel fliegen, um dort eine verlorene Forschergruppe zu finden. Stattdessen gehen sie ebenfalls verloren: Ein paar Kannibalen – ein Stamm, der noch lebt wie in der Steinzeit – vergreift sich am Buschpilotenpärchen der beiden und zwingt sie zur Flucht durchs Dickicht. Dabei werden sie getrennt und Robert in der Folge von den Kannibalen aufgegriffen, die ihn zwar als "Vogelmensch" anbeten, ihn aber trotzdem in ein Felsloch sperren. Doch bald gelingt ihm die Flucht, die Kannibalen dicht auf den Fersen ...
ULTIMO MONDO CANNIBALE machte sich als nominelles Sequel zu Umberto Lenzis MONDO CANNIBALE zu schaffen und darf heute als Fingerübung Deodatos für sein bevorstehendes magnum opus CANNIBAL HOLOCAUST betrachtet werden. Im Gegensatz zu diesem macht es ULTIMO MONDO CANNIBALE dem Zuschauer noch relativ leicht, sich zu positionieren: Deodatos Film bemüht sich eines recht straighten Abenteuerfilmplots, der seine Geschmacklosigkeiten eher sparsam dosiert. Die erste Hälfte des Films darf geradezu als "gediegen" bezeichnet werden. Erst wenn Harper sich in Gefangenschaft befindet, steigert sich auch das Streitpotenzial: Erst setzt es die obligatorische Tierschlachtung (die ist hier besonders ekelhaft), dann schließlich auch den Griff ins Gekröse in Verbindung mit den üblichen Rassismen. Gegenüber der Gewalt nimmt in Deodatos Film jedoch der Sex eine wesentlich größere Bedeutung ein, wird geradezu als Mittel der Unterdrückung eingeführt: Wenn Harper das erste Mal begutachtet wird, reißen ihm die Kannibalen die Unterhosen herunter und vergreifen sich kichernd an seinen Genitalien, später schleicht sich eine der Kannibalenfrauen an seinen Käfig, um ihn zu befriedigen. Zum Dank nimmt Harper sie dann mit auf die Flucht, wo er den Spieß umdreht: Nun fällt er über sie her, nimmt sie brutal von hinten. Statt Ablehnung erfährt Harper danach jedoch umso größere Zuwendung: Die domestiztierte Wilde serviert ihm am nächsten Morgen ein hübsch hergerichtetes Frühstück. Die Rache der Kannibalen trifft dann auch als erstes die Abtrünnige, die im splatterigen piece de resistance sehr detailverliebt zerpflückt wird. Deodatos Film stellt den Zuschauer wie gesagt nicht vor eine solch große Herausforderung wie sein CANNIBAL HOLOCAUST, weist aber schon den Weg (etwa mit den authentifizierenden Texteinblendungen zu Beginn und am Schluss). Als scharfkantiger Unterhaltungsfilm weiß ULTIMO MONDO CANNIBALE aber dennoch zu gefallen, vor allem das Finale sorgt für den ein oder anderen beklemmenden Moment. Bis auf seine genreinhärenten Blödheiten ist ULTIMO sehr sauber inszeniert ist und kann zudem mit einigen wirklich "schönen" Momenten aufwarten, z. B. diesen, in dem die Kannibalen ihren "Vogelmenschen" das Fliegen lehren oder jenen, in dem Harper sich dem Menschenfleisch nicht mehr länger verweigern möchte. Zum Verständnis des Kannibalenfilms ist Deodatos Werk eh unerlässlich, für Interessierte darüber hinaus ein guter Einstieg.
#845
Geschrieben 04. Juli 2007, 00:00
Regie: Ralf Gregan (als Ilja von Anutroff)
Am VERTRETERINNEN-REPORT zeigen sich schon die Spätfolgen der immensen Ausschlachtung des Report-Konzepts, dass sich mit dem SCHULMÄDCHEN-REPORT – wahrscheinlich inspiriert durch die italienischen Mondo-Filme – als so kassenträchtig erwiesen hatte. Das Label "Report" ist bei diesem Film schon nicht mehr viel mehr als nur das. Anstatt einer sich in populistischen sozialpsycholgischen Betrachtungen zum Zustand der Gesellschaft ergehenden Fake-Documentary sieht sich der Zuschauer einem stinknormalen Episodenfilm gegenüber, der sich dem glamourösen Berufleben des Vetreters widmet. Der Etikettenschwindel geht mit den vollmundig versprochenen "Vertreterinnen" weiter: Wahrheitsgemäß müsste es VERTRETER-REPORT FEAT. VERTRETERIN heißen, denn fünf männlichen Vetreterepisoden steht eine Vertreterinnenepisode gegenüber. Jene Vertreterin ist die Hauptdarstellerin des Films, deren Figur sich zu Beginn bei einem Vertreterkongress einfindet, weil sie einen Einstieg in diese hoffnungsvolle Branche sucht. Am liebsten möchte sie Zeitungsabos verkaufen, doch irrtümlicherweise landet sie im Tagungsraum der Unterwäschevertreter. Bei diesen geht es locker zu: In einem vollkommen verqualmten, holzgetäfelten Raum sitzen behornbrillte Altnazis und begeifern die Mädels, die nur im Slip vor ihnen auf dem Tisch flanieren. Unserer Hauptfigur dämmert bald, dass sie hier falsch ist, aber erst nachdem sie per neumodischem Networking ihre große Karriere-Connection knüpft, die ihr dann die Ehre der Abschlussepisode beschert. Vorher muss sie sich von einem anderen Vertreter den Weg zeigen lassen, der ihr zum Dank während der folgenden Sitzung an Beinen und am Vaginalbereich herumgrabbeln darf. Solcherlei Abwechslung ist auch dringend nötig, denn die durch die Anwesenheit der hübschen Dame mächtig aufgeplusterten Vertreter schöpfen aus dem Fundus ihrer Erfahrungen. Dieser hat zwar nichts mit dem Verkauf von Zeitschriften zu tun, sondern eher mit der Bereitstellung bestimmter Körperteile, doch der Obervertreter weiß jede Episode durch einen gekonnten rhetorischen Schlenker zum Thema der Veranstaltung zurückzubringen. Das ist zwar durchaus witzig, wie da suggeriert wird, dass hinter jeder Tür eine verzweifelte Frau oder ein geiles Gör sitzt, die nur auf den allzeit bereiten Zeischriftendealer warten – hier knüpft der Film eindeutig an das in EROTIK IM BERUF und WAS MÄNNER NICHT FÜR MÖGLICH HALTEN zurechtgezimmerte Frauenbild an –, insgesamt erweist sich das Thema aber als nicht gerade abendfüllend, zumal die Episoden kaum variieren. Erst zum Schluss kommt ein bisschen Freude auf: In der vorletzten Episode bändelt der junge Vertreter mit der Tochter eines Sexualpsychologen-Ehepaars an. Das schreit nach Ausschlachtung und so kommt es auch. Während sich der Vertreter von der Mama "therapieren" lässt, schaut sich der Papa das wüte Treiben per Überwachungskamera auf dem Bildschirm an. Jaja, die Psychologen ... Die letzte Episode stellt unsere Heldin vor die Aufgabe endlich mal eine zufrieden stellende Anzahl von Aboverkäufen vorzuweisen. Jetzt kommt ihr die Connection vom Anfang zugute. Der Unterwäschevertreter-Tycoon lädt sie zu einer "Seance" in sein Haus ein, bei der sie prompt das Glück hat als "Medium" fungieren zu dürfen. Das bedeutet, dass alle Teilnehmer ihr erst mit Plastikhänden am Stiel den Körper schuppern zu dürfen, bevor alle sich vor Geilheit windend übereinander herfallen. Für einen ganzen Film ist das aber ein bisschen wenig, vor allem zu wenig Wahnsinn. Dass einem Mittdreißiger als sich ihr Taschengeld aufbessernde Studenten verkauft werden, reicht einfach nicht aus.
#846
Geschrieben 04. Juli 2007, 11:34
Regie: Jürgen Roland
Warum der Kiez in der Report-Reihe nicht fehlen darf, erklärt Jürgen Roland gleich zu Beginn, indem er auf die zahlreichen St.-Pauli-Filme anspielt. Rolf Olsen dürfte sich geschmeichelt gefühlt haben. Statt sich wie in seinen Polizeifilmen und -serien auf knallhart Recherchiertes zu verlassen, gibt es im ST. PAULI REPORT fast ausschließlich Menschliches, Allzumenschliches, wobei die Waage zwischen Sex und Crime stets ausgeglichen bleibt. Jürgen Rolands "Report" bemüht sich vordergründig um Unparteilichkeit und einen sachlich-nüchternen Ton, der jedoch häufig mit dem mitschwingenden "Ach ja, so isser, der St. Paulianer" kollidiert: Es wird romantisiert, bis der Arzt kommt und die anklagenden Worte scheinen aus reinem Pflichtbewusstsein eingeflochten worden zu sein. Roland neigt zum Fragmentarischen: Die Episödchen sind von unterschiedlicher Länge, bestehen manchmal nur aus einer einzigen Szene und vermischen "Faktisches" (etwa die längere Episode über den "Fall Puhl") mit Singulär-Privatem (die Geschichte über die rechtschaffene Frau, die vor die Tatsache gestellt wird, dass ihre jüngere Schwester anschaffen geht. Der didaktische Grundton schleicht sich dabei auch immer wieder in die Dramaturgie der einzelnen Szenen, die zum Teil so zurechtgebogen werden, dass sie zu Rolands Thesen passen. So entsteht ein Bild St. Paulis, dass sich zwar aus vielen kleinen Steinchen mosaikartig zusammensetzt, das aber dennoch eher dem Klischee entsprechend dürfte. Ob sich dieses Bild mit dem St. Pauli der Gegenwart deckt, darf doch bezweifelt werden. Es geht relativ gelassen zu auf Rolands Kiez: Wenn mal jemand ums Leben kommt, ist das eher ein Einzelfall und hat mit dem "Geschäft" des Stadtteils wenig zu tun. Und die Prostituierten kriegen höchstens mal eine gewatscht von ihrem Loddel, das war's auch schon und interessiert keinen, weil es eben zum guten Ton gehört. So hinterlässt Rolands knallharter Report einen sehr unentschlossenen Eindruck: Auf der einen Seite gibt er sich alle Mühe, St. Paulis Ruf als Sündenpfuhl zu wahren (schließlich ist es jener, der die Menschen überhaupt ins Kino treibt), auf der anderen tritt er immer wieder an, das kriminelle Treiben auf dem Kiez zu bagatellisieren und dem St. Paulianer einen Status als sympathischem Sonderling, bei dem man mal ein Auge zudrücken muss, zu verleihen. Wenn sich eine Bordsteinschwalbe mal vor Gericht wiederfindet, so rettet sie die Schnodderschnauze vor größeren Ärgernissen und alle lachen. Jaja, so isser der St. Paulianer. Ein Hauch von Ohnsorg weht durch Rolands Film, der erhobene Zeigefinger, der einem in anderen Reports bis weit in den Verdauungstrakt vordringt, ist hier nur noch Pose, hinter der sich nichts mehr verbirgt. Jürgen Rolands Film ist herrlich harmlos und bietet 85 Minuten Kurzweil. Das ist doch was.
#847
Geschrieben 04. Juli 2007, 23:21
Regie: Walter Boos
Dedicated to Our Man in Munich, djmacbest
Der Film beginnt nnach bester Report-Tradition mit Impressionen der Weißwurstmetropole und einem Kommentator, der nach dem üblichen touristischen Schnickschnack zum eigentlichen Thema des Filmes kommt: den Mädchen, und zwar besonders jenen, die mit großen Träumen nach München kommen. Stattdessen finden sie aber meist nur geifernde Männer, die in der bayrischen Hauptstadt besonders wenig Zurückhaltung kennen, weil sie sich die reine Lebenslust auf die Fahnen geschrieben haben. Manchmal kommt in letzter Sekunde ein bayerisch sprechender Schwarze in Lederhosen und mit Tirolerhut zur Hilfe (wie im Prolog), was mit den anderen passiert, die nicht so viel Glück haben, schickt sich der Film an zu berichten. Los geht es mit der französischen Fremdenführerin, die erzählen will, wie sie zu diesem Beruf kam. Das tut sie nicht, stattdessen erfährt der Zuschauer von den erotischen Verwirrungen, die sie in ihrer Gastfamilie stiftet. Die frivolen Späße der Episode finden ihren Höheßunkt als der angespitzte (und noch nicht rangelassene) Sohn die zahlreichen Verehrer der Französin in einem Schuppen einsperrt und den Vater mit Schrotflinte und Hund holt. Jenem erzählt er ein Marder befinde sich in dem Verschlag und nachdem der Hund seinen Teil der Arbeit verrichtet hat, brennt Papa einem der Übeltäter noch eine Ladung Schrot auf den Arsch. Jo mei, so san's, die Bayern! Weitere Episoden erzählen von einem kühlen weiblichen Nordlicht, das in ihrer Mittagspause zwielichtige Massagesalons unterhält, und von einem Kindermädchen, das von der bisexuellen Ehefrau abgeschreckt ihr Heil beim Ehemann sucht und seinen Penis findet. Die letzte und interessanteste Geschichte präsentiert Ingrid Steeger mit Schwarzhaarperücke (ich habe sie zuerst gar nicht erkannt) als freches Früchtchen, das – seiner Zeit weit voraus – nach München gekommen ist, um "Publicity" zu bekommen. Dafür schmeißt sie sich gleich an einen Pressefotografen ran, den sie zu einer erotischen Fotostrecke überredet und sich nebenbei ordentlich von ihm durchziehen lässt. Aber der Ruhm geht so schnell wie er kam: Die Leute haben die Schnauze voll von der Ingrid, der Fotograf hat den nächsten heißen Feger am Start, den er sogar sein Auto fahren lässt. Das durfte die Steeger nicht. MÄDCHEN, DIE NACH MÜNCHEN KOMMEN ist nach den letzten doch eher müden Einträgen in die Report-Reihe wieder ein richtiger Knaller, wofür nicht zuletzt der zotige und deftige Mundart-Humor zuständig ist ("Was a Fotz'n!"). Und die Damen, die hier in jeder Episode mit tödlicher Sicherheit die Klamotten verlieren, um sich im Liebesspiel auf diversen Matratzen zu räkeln, sind von erlesener Attraktivität. Den Höhepunkt markiert die Steeger, die damals, Anfang der Siebziger, wirklich umwerfend gut aussah. Sein Ziel, von den vielen geplatzten Träumen und gescheiterten Existenzen zu berichten, verfehlt der Film meilenweit: Die meisten Episoden enden mit Berufs-, Liebes- und Kinderglück. Das ist so erstaunlich undramatisch, dass es einfach nur Spaß macht. Und ich weiß nach Sichtung dieses (auf der DVD von Kinowelt leider geschnittenen) Juwels auch, dass ich am Wochenende, wenn ich mit zora in München weile, ganz schön auf meine Gattin aufpassen muss. Die Münchener sind ein wirklich gerissenes Völkchen ...
#848
Geschrieben 05. Juli 2007, 15:42
Regie: Sidney J. Furie
Der jugendliche Doug Masters (Beefhead Jason Gedrick) hängt am liebsten auf dem Gelände der Air Force in Colorado Springs herum, wo sein Vater, Colonel Ted Masters (Tim Thomerson), ein Leben als tapferer Jetpilot fristet. Dougs größter Wunsch ist es, in der Pilotenakademie aufgenommen zu werden, doch leider wurde er bisher immer abgelehnt. Bei einem Einsatz seines Vaters in der Nähe eines arabischen Schurkenstaates gerät dieser nun in Gefangenschaft und soll in drei Tagen hingerichtet werden, aber niemand unternimmt etwas. Da wendet sich Doug an den schwarzen Colonel Charles "Chappy" Sinclair (Louis Gossett jr.): Gemeinsam beschließen sie die Turbanträger mit ihren Kampfflugzeugen aufzumischen und den Papa rauszuhauen ...
Ein alter Bekannter von mir war infolge einer Erkältung abhängig von Nasenspray geworden. Er hatte dieses kleine Fläschchen immer bei sich und musste mehrmals am Tag etwas von dessen Inhalt in seine Nase jagen. Über die Jahre hatte er seine Sucht soweit "im Griff", dass der Anteil tatsächlichen Nasensprays in der Flasche geringer wurde und immer mehr einfaches Wasser den Inhalt ausmachte. Bei der Sichtung des zweiten Kampffliegerfilms des Jahres 1986 (nach TOP GUN) fiel mir dieser Bekannte mit seinem gestreckten Nasenspray wieder ein, denn auch IRON EAGLE hat nur ganz wenig Substanz, die mit viel, viel Schickschnack auf sage und schreibe 110 lange Minuten gestreckt wird. Dass sich das Kampfpilotendasein und Dogfights am Firmament meines Erachtens nur sehr bedingt für einen zünftigen Actionfilm eignen, habe ich in meinem Eintrag zu TOP GUN schonmal erläutert, bei IRON EAGLE wird das eh schon hoffnungslose Unterfangen durch die schlicht miserable Inszenierung der Actionsequenzen und die sackdumme Story zusätzlich torpediert. Die Montage entbehrt jeglichen Timings und Rhythmusverständnisses, sodass die Flugszenen nicht nur noch unübersichtlicher werden als sie sowieso schon sind, sondern das wenige, was tatsächlich passiert, auch noch völlig undramatisch erscheint. Spannung kommt zu keiner Sekunde auf, zumal Regisseur Sidney J. Furie zum Zeitpunkt des Finales den Bogen und die Geduld der Zuschauer eh schon völlig überspannt hat. 90 lange Minuten dauert es nämlich, bis diese infantile Fliegerposse endlich den Arsch hochbekommt. Interessant ist IRON EAGLE für den Freund der Achtziger-Action dennoch: Wie hier das Medium des Kinderfilms (nichts anderes ist IRON EAGLE streng genommen) für üble Propaganda missbraucht wird, ist schon mehr als kaltschnäuzig. Einmal fällt sogar ganz explizit der Name Reagans, dem zugute gehalten wird, dass er sich im Gegensatz zu seinem weicheiigen Vorgänger nicht von irgendwelchen Terroristen auf der Nase herumtanzen lasse. Leider sitzt aber nicht Ronnie am Hebel in Sachen Dougs Papa, sondernd wie immer diverse sesselpupende Bürokratenärsche, die wieder einmal im Weg sind, wenn tapfere Amerikaner Hilfe brauchen. Gut, dass es noch solche Leute wie Doug und Chappy gibt (und Schauspieler wie Louis Gossett jr., die sich für keinen Scheiß zu schade sind), sonst wäre Amiland längst von Barbaren überrannt worden. Innerhalb von drei Tagen planen die beiden zusammen mit Dougs nerdigen Freunden die Invasion, gehen im Luftwaffenstützpunkt ein und aus und benutzen die fadenscheingsten Tricks, um gestandene Arbeitskräfte an der Nase herumzuführen und das nötige Equipment zu bekommen. Ehrlich, beängstigender als die Vision, dass ein amerikanischer Pilot von Arabern gefangen genommen werden könnte, finde ich die Vorstellung, dass irgendwelche gelangweilten Kinder ohne größeren Aufwand einen Düsenjet entwenden können und damit Krieg spielen. Am Ende, wenn der Dreikäsehoch Doug die Kriegsmaschine des Schurkenstaats im Alleingang und auf eigene Faust außer Gefecht gesetzt hat, werden er und Chappy (der trotz Absturzes am Ende wieder von den vermeintlich Toten auferstehen darf) nicht nur unbehelligt laufen gelassen, nein, dem guten Doug wird schließlich auch der bislang verweigerte Zugang zur Akademie ermöglicht. Mein Gott, ist das alles bescheuert ... und viiiiel zu lang außerdem.
#849
Geschrieben 08. Juli 2007, 18:08
Regie: Walter Boos
Zu Beginn schwadroniert der obligatorische Kommentator über die Lust am Blick durchs Schlüsselloch, während uns eben jener auch visuell unter fischaugenhaft verzerrten Crediteinblendungen serviert wird. Zum Glück haben sämtliche in der Creditsequenz Beobachteten ihre Liebes- und Spielwiese in Türnähe aufgebaut, sodass dem Auge des Betrachters einiges geboten wird. Nach diesem gelungenen Einstieg geht es hinein in die erste Episode dieses Films, dessen "Thema" wieder mal gar keines ist, sondern lediglich ein Alibi, um dieselben schlüpfrigen Anekdötchen erzählen zu können wie in allen anderen Reports auch. Das macht aber nix, denn im vorliegenden SCHLÜSSELLOCH-REPORT sind die einzelnen Segmente besonders putzig und debil geraten. Schon die erste Episode, die von dem Rheinländer erzählt, der seine Tante in München besucht, ist ein Triumph des deutschen Humors: Der Iserlohner spricht waschechtes Kölsch, muss in Ermangelung eines Gästebetts in der Badewanne (!!!) schlafen und bekommt bald schon Besuch von seinen geilen Cousinen, während sich Tantchen im durchsichtigen Nachthemdchen einen schuppert. Geweckt durch das geräuschintensive Liebesspiel steht bald das Tantchen im Badezimmer und fordert Befriediung ein. Ihren Höhepunkt findet die Episode, wenn der gutgläubige Neffe beim Anblick der sich lasziv windenden Tante fragt: "Wat is Tantschen? Haste Bauchschmächzen?" Auf diesem Niveau geht es weiter, unter anderem mit der Geschichte einer unerträglich miserabel chargierenden Blondine, die ihren studentischen Freund aushalten muss und dafür schon bald zwielichtige Methoden in Erwägung zieht. So landet sie bei einem natürlich schwulen Fotografen, der in seinen zehn Minuten Screentime Sprüche für drei Filme abfeuert. Das schwarze Model, das sich Sekt über den Prachtkörper gießen muss, bekommt die unsterbliche Anweisung: "Nicht nur über die Flöten, über das ganze Geschlamp!" Herrlich! Unsere Blondine indes ist zu doof, um für ein Foto zu posieren, und pornografische Bilder will sie auch nicht machen lassen, weshalb ihre Agentin sich erst die Klagen des Fotografen anhören muss – "Was hast du mir denn da für eine Krücke geschickt?" – und ihr dann einen weniger verfänglichen Job anbietet: Blondie soll die Liebhaberin eines reichen Geschäftmanns werden. Damit hat sie interessanterweise keine moralischen Probleme, gerät aber bald schon in Schwierigkeiten, weil der Angespitzte nicht von ihr lassen kann und plötzlich bei ihr zu Hause auftaucht. Diese Episode lebt neben dem schon erwähnten Fotografen vor allem von der unerträglichen Hauptfigur, die so dermaßen langweilig und prüde ist und außerdem unentwegt eine Leidensbittermiene aufsetzt, dass man sich fragen muss, warum sie sich überhaupt für diese Branche entschieden hat. Beim Geschäftsmann rennt sie damit jedenfalls offene Türen ein: "Du bist so passiv. Das gefällt mir!" Sehr hübsch ist auch die Geschichte der zwei Loser, die ein williges Mädchen in einem Fernseherkarton an der Vermieterin vorbei in ihr Zimmer schmuggeln und sich dort höchst ungeschickt an ihr versuchen, die mit Abstand absurdeste Geschichte dreht sich aber um einen Spanner, der auf dem Campingplatz sein Glück sucht. Von erbosten Ehemännern gejagt, ergreift er die Chance, in die Rolle eines Inspektors vom Gesundheitsamt zu schlüpfen, was ihm ungeahnte Möglichkeiten eröffnet: Weil nämlich das Wasser angeblich verseucht sein soll, muss er die Waschräume mitsamt der sich dort reinigenden Damen begutachten. Und jeder weiß, dass eine ausführliche Brustabtastung zum Basishandwerk des kompetenten Gesundheitsämtlers gehört ... SCHLÜSSELLOCH-REPORT ist einer der lustigsten seiner Art und so spektakulär, dass selbst zora sich dem Charme des Gebotenen nicht entziehen konnte. Zwar ist die DVD von Kinowelt geschnitten, doch das tut der Freude keinen Abbruch. Meiner Meinung nach lohnt allein dieser schwule Fotograf die Sichtung ...
#850
Geschrieben 08. Juli 2007, 18:52
Regie: Len Wiseman
Zum vierten Mal ist Bruce Willis als John McClane zur falschen Zeit am falschen Ort. Im Vorfeld gab es hitzige Debatten, ob das Vorhaben, den Film mit PG-13-Rating zu veröffentlichen, nicht durch Missachtung des Films abgestraft gehört. Jetzt ist LIVE FREE OR DIE HARD (im Unterschied zu enjoy finde ich den Titel großartig) draußen und man darf sich abregen: zum einen, weil er in Deutschland wie alle seine Vorgänger immer noch frei ab 16 ist, zum anderen, weil man konstatieren darf, dass das PG-13-Rating bis an seine Grenzen ausgereizt wurde. Ja, es fließt etwas weniger Blut als in Tiernans und Harlins Beiträgen zur Serie, dennoch ist Wisemans Film von durchaus rabiater Härte und kann einen beträchtlichen Body Count vorweisen. Keine Spur von Kinderfilm, lediglich die Anwesenheit von Justin Long als Sidekick mag man als Zugeständnis an die Jugend interpretieren. Was jedoch viel wichtiger ist: LIVE FREE OR DIE HARD ist ausgezeichnet, trifft den typischen DIE-HARD-Ton sehr genau und verkneift sich viele Blödheiten, die in anderen Actionfilmen mittlerweile an der Tagesordnung sind: übermäßige CGI-Effekte statt schmerzender Stunts, nervende comic reliefs (noch besser hätte mir Wisemans Film gefallen, hätte man Kevin "vorhersehbar" Smith aus dem Film entfernt) wüste Avid-Schnittorgien, sprich alles, was so gern unter der Floskel des "style over substance" firmiert. Stattdessen gibt es exzellent gescriptete und choreografierte Action-Set-Pieces und zahlreiche typische DIE-HARD-Momente, die einem die Freudentränen in die Augen treiben. Was Teil 4 der Reihe aber wirklich adelt, ist die Tatsache, dass er sich einen sehr schön entwickelten Subtext gönnt. John McClane als Relikt der Achtzigerjahre, quasi als später Nachfahre der alten Westernhelden, wird hier sehr konsequent gegen die "Postmoderne" gestellt. Sein Gegner ist kein ihm ebenbürtiger Psycho vom Schlage eines Hans oder Simon Grubers oder eines General Ramon Esperanza, mit dem sich McClane auf Augenhöhe begegnet, sondern ein etwas blasser Jüngling, der sich einer ganzen Horde von henchmen bedienen muss, um McCalne auch nur annähernd in Gefahr bringen zu können. Der Mangel an "echten Typen", der in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen konstatiert wird, findet in der Zeichnung des Computerexperten Thomas Gabriel seine filmische Entsprechung. Dieser Aspekt des Films rückt Wisemans Film durchaus in die Nähe des anderen großen und nicht minder famosen "Rentnerfilms" des Jahres, ROCKY BALBOA. So clever die Idee, McClane mit der hypermodernen Bedrohung des Computerterrorismus zu konfrontieren, jedoch auch ist, so riskant ist dieses Thema auch für einen Film: Im Gegensatz zu Bombenattentaten, Geiselnahmen oder Flugzeugentführung handelt es sich um eine schleichende, nicht direkt sichtbare Bedrohung – die natürlich gerade deshalb eine so große Herausforderung für den Asphaltcowboy McClane darstellt. In LIVE FREE OR DIE HARD wird dieses Problem geschickt gelöst, werden sehr treffende (und beunruhigende) Bilder für die Computerbedrohung gefunden. Und so steht der Actionachterbahn dann nichts mehr im Wege. Len Wiseman drückt über die gesamte Spielzeit so sehr auf die Tube, dass die Zeit wie im Flug vergeht. LIVE FREE OR DIE HARD greift die SPEED-Idee eines spielfilmlangen Showdowns auf und hangelt sich von Höhepunkt zu Höhepunkt und verkneift sich Durchhänger völlig (noch ein Zugeständnis vielleicht an die ADS-geplagte Jugend?). Bruce Willis gibt als McClane alles und darf im Unterschied zu seinen Gegnern auch wieder ordentlich bluten und schwitzen. Er ist auch in diesen klinisch sauberen Zeiten eben immer noch ein echter Held der Arbeit.
#851
Geschrieben 08. Juli 2007, 19:20
Regie: Steven Spielberg
Das München-Wochenende mit zora fand seinen gebührenden Abschluss mit dem Besuch des Filmmuseums, in dessen Kinosaal am Samstagabend Spielbergs Haifischfilm gezeigt wurde, der nicht nur mein All-Time-Favorite ist, sondern wohl auch der von mir am häufigsten gesehene Spielfilm überhaupt. Da die letzte Sichtung schon gute 7 Jahre zurückliegt, musste man mich um eine Auffrischung nicht lang bitten. Ich fasse mich kurz: Steven Spielbergs JAWS ist für mich einer von ganz wenigen schlicht perfekten Filmen, vielleicht der beste Film, den die Traumfabrik je hervorgebracht hat. Dass er keinerlei Makel hat, wäre freilich etwas zu wenig. Vielmehr begeistert die Kunstfertigkeit, mit der Hollywoods Wunderkind seine archetypische Geschichte erzählt, wie es ihm gelingt, Erzählökonomie (man beachte den gottbegnadeten Schnitt des Films!) und Stilbewusstsein unter einen Hut zu bringen. Allein wie Spielberg den wenigen Raum der "Orca", Haifischjäger Quints Nussschale, nutzt, ist beispiellos. Ehrlicherweise muss man einräumen, dass das Gelingen des Films nicht allein dem Genius Spielbergs zuzuschreiben ist: Was sich zwischen den drei Hauptdarstellern Scheider, Dreyfuss (Spielbergs alter ego) und Shaw abspielt, rechtfertigt den überstrapazierten Begriff der "Magie" endlich einmal. Die berühmte (und von Hollywoods Lieblingsdarwinist Milius geschriebene) USS-Indianapolis-Szene lässt mir auch nach über 20 Jahren (ich sah den Film zusammen mit dem Papa im zarten Alter von 8) immer noch die Kinnlade runterklappen, heute vielleicht noch mehr als früher. Angesichts der schwindlig machenden Präzision dieses Films möchte ich außerdem noch betonen, wie sehr mich Stimmen ärgern, die die Haieffekte bekritteln: Für mich ist das Erbsenzählerei und außerdem schlicht haltlos. Der Hai sieht in 99 % seiner Einsätze absolut furchteinflößend aus und weitaus besser etwa als die Computerfische aus Harlins DEEP BLUE SEA. Da zeigt sich wieder, was die zunehmende Computerisierung (und Standardisierung) des Hollwoodkinos mit der Wahrnehmung angerichtet hat: Der genormte Blick dringt gar nicht mehr in die Tiefe, sondern prallt gleich an der Oberfläche ab, wenn diese nicht den vorgefertigten Vorstellungen entspricht. Bevor ich mich jetzt jedoch anhöre wie John McClane in LIVE FREE OR DIE HARD, mache ich Schluss, weil man über JAWS eigentlich eh nix mehr sagen muss. Der Film ist da draußen und sollte von jedem gesehen werden, der sich annähernd für Film interessiert. Und zwar wieder und wieder.
#852
Geschrieben 10. Juli 2007, 10:03
Regie: Ernst Hofbauer
Ein freches Pärchen, das in den ersten fünf Minuten des Films keinen einzigen normalen Satz hervorbringt, sondern sich nur in schrecklichen Synchronzoten zu artikulieren weiß, trifft sich in der Wohnung des momentan abwesenden Herrn Ficker (muhahahaha) zum Beischlaf. Leider kommt dem Geschlechtsakt erst der unbegründete "Feuer!"-Ruf eines Nachbarn in die Quere, dann der Männe selbst, der, anstatt seine Nudel zu versenken, lieber mit albernen Sexgeschichten vom Leder zieht, um seine Freundin "in Stimmung" zu bringen, was eigentlich komplett unnötig ist. Dennoch berichtet er von einem geilen Schulmädchen, dass sich vom Whiskey berauscht gleich auf der Tanzfläche der Diskothek von einem fiesen Schnurrbartträger befummeln lässt und schließlich unter ihm auf ihrem Bett landet. Der Sex ist dann nicht so die Wolke, sondern artet zum schmerzhaften Gerangel aus und in Folge ist die Gute dann, wie sie es selbst bezeichnet, "versaut". Überall sieht sie nur noch Nackte, der Gedanke an Sex behrrscht ihr Denken und treibt sie schließlich vereinsamt an den Flaschenhals guter deutscher Kräuterschnapsspezialitäten. Aber schließlich kommt doch noch der Richtige des Weges und alles ist im Lot. Ob das Liebesglück sie auch dazu veranlasst, das potthässliche Dackelposter abzunhemen, dass ihre Bude ziert, lässt Hofbauer aber offen: Definitiv ein Film, der mehr Fragen offen lässt als er beantwortet. Weitere Episoden drehen sich um den italienischen Pizzabäcker Enzo, dessen Schauspieler man auch schon aus dem SCHLÜSSELLOCH-REPORT kennt. Hier leidet der natürlich immergeile Südländer darunter, dass alle von ihm immer nur Pizza wollen, er sich aber brennend nach "amore" sehnt, wie er mehrfach nachdrücklich zu bestätigen weiß. Seine Freundin darf aber noch nicht poppen, weil es die Mama verboten hat, so bleibt ihm nur, seine nach Liebe schreiende Eichel an ihrem Kapernstrauch zu reiben. Da er dies in einem Käfer mit beschädigter Bremse tut, gibt es schon bald einen denkbar undenkbaren Unfall, der dann doch die ungewollte Penetration begünstigt. Ätsch! Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Hofbauer widmet sich nicht nur dem debilen Kalauer, tief in ihm drängt es der Kunst entgegen. Deswegen widmet er sich in einer Episode der Kunststudentin, die von ihrem Malereiprofessor dafür gelobt wird, dass sie sieht "wie ein Mann". Talent benötigt Förderung, ganz klar, und so landet sie mit ihrer Staffelei im Haus des Profs, der sich mit entblößtem Geschlecht auf der Couch als Model versucht. Seine scharfe, unerbittliche Kritik – er mahnt sie, ihn nicht mit schlaffem Glied zu malen – leitet eine leidenschaftliche Liebschaft ein, die dem Gesetz der Serie zufolge aber enttäuscht werden muss. Als unsere Schülerin eines Tages zum Prof nach Hause kommt, erwischt sie diesen beim Bodypainting-Kurs mit gleich drei Kursteilnehmerinnen. Das ist ihr dann im wahrsten Sinne des Wortes zu bunt und sie nimmt Reißaus. Weit kommt sie aber nicht, denn schon an der Haustür läuft sie dem Profsohn in die Arme, der sich gleich als echter Gentleman und "the one" erweist. Glück gehabt! Weitere Episoden entführen den Zuschauer ins bayrische Hinterland, wo noch der Klassenkampf zwischen Bauern und "Großkopferten" tobt und droht, den Keil zwischen zwei in Liebe entflammte Jugendliche zu treiben, und in ein Büro in dem sich die beiden dort arbeitenden Herren abwechselnd mit der Frau des anderen zum Seitensprung treffen. Eine Masseuse, die Abtragung der Schulden fordert, ist auch am Start, was leider nicht zu den großen Turbulenzen führt, die man sich vielleicht wünscht. Da war der Hofbauer beim Verfassen des Drehbuchs wohl schon mit seinen Gedanken beim nächsten Softsexfilmchen. Zwischen all diesen bedingt lustigen Späßen versucht das Pärchen vom Anfang immer noch, zur Sache zu kommen, doch immer wieder kommt die hartnäckige Nachbarschaft dazwischen, etwa der unsensible und ungeschickte Zahnarzt nebenan oder die den Ficker besuchenden Damen, die sich erst abwimmeln lassen, nachdem man den Pillermann durch den Briefschlitz gesteckt und sie davon überzeugt hat, dass der Herr des Hauses gerade abwesend ist. Die ätzende bayrische Oma (die in allen diesen Report-Filmen mitzuspielen scheint) kriegt zum krönenden Abschluss noch ihren Kronleuchter auf den Dez, dann ist der Spaß nach knapp 80 Minuten zu Ende, ohne große Spuren hinterlassen zu haben.
#853
Geschrieben 10. Juli 2007, 10:45
Regie: M. Night Shyamalan
Cleefland Heep (Paul Giamatti) ist der stotternde Hausmeister eines großen, um einen Pool gebauten Apartementkomplexes. Jener Pool macht ein paar Probleme, denn er zieht nächtliche Bader an, die außer etwas Schlick im Filter keine Spuren hinterlassen. Doch Cleefland kommt dem nächtlichen Treiben auf die Schliche: Eines Nachts entdeckt er eine junge Frau namens Story (Bryce Dallas Howard) am Schwimmbecken, die er bei sich aufnimmt. Sie entpuppt sich als magisches Märchenwesen, als Narf, die verzweifelt versucht, in ihre Welt zurückzukehren. Das ist nicht so einfach, denn auf dem Rasenstück im Innenhof lebt ein gräsernes Wolfswesen, das nur darauf wartet die Wassernymphe zu vertilgen. Die Sage, die eine koreanische Bewohnerin Cleefland erzählt, beinhaltet die Lösung: Er braucht die Hilfe bestimmter Mitbewohner, um Story die Rückkehr zu ermöglichen ...
Man kann nicht behaupten, Shyamalan sei mit seinem aktuellen Film den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, im Gegenteil. Die Kritik hat nur wenig Gutes in LADY IN THE WATER gefunden, als Regisseur und Drehbuchautor hat er es sich zudem auch branchenintern mit seinem vielleicht etwas übermotivierten Gehabe – Shyamalan besetzt sich selbst als Autor eines Buches, das die Welt verändern wird, und schreibt einen verknöcherten Filmkritiker als Witzfigur ins Drehbuch – verscherzt. LADY IN THE WATER ist im höchsten Grade streitbar, gleichzeitig muss man dem Film jedoch bescheinigen, in der gegenwärtigen Filmlandschaft ziemlich einzigartig zu sein. Im Grunde genommen ist LADY IN THE WATER ein Märchen, das als solches von bestechender Naivität ist. Die Welt ist nur durch das Kollektiv zu retten, in dem jeder einzelne eine wichtige Funktion einnimmt. "Everything has its purpose" – diese teleologische Auslegeung der Welt findet sich auch in allen anderen Filmen Shyamalans, jedoch konnte er seine Vorstellungen hier erstmals verwirklichen, ohne seinen Zuschauern das unvermeidliche Twist Ending verwirklichen, das spätestens bei THE VILLAGE wie ein unerwünschtes und nachträglich angeklebtes Gimmick anmutete. In LADY IN THE WATER wartet der Zuschauer vergeblich auf eine Erklärung, die das Unbegreifliche auf den Boden der Ratio stellt. Man muss sich einlassen auf Shyamalans Märchen. Mir ist das nicht schwer gefallen, weil der Mann schon immer ein exzellenter Erzähler gewesen ist und dieses Talent auch LADY IN THE WATER beflügelt. Immer wieder reflektiert er sein eigenes Medium: In LADY IN THE WATER geht es nicht zuletzt ums Geschichtenerzählen und um das Geschichtenhören. Das Gelingen von Cleeflands Mission hängt ganz entscheidend davon ab, dass er die Zeichen richtig zu interpretieren weiß – damit ist er ein typischer Shyamalan-Held. Leider steht sich der Regisseur bei LADY IN THE WATER manchmal selbst im Weg: Er neigt dazu, alles doppelt und dreifach zu erklären, wo doch längst alles klar ist, erliegt dem Charme seiner eigenen Erzählung. Da reißt er den Zuschauer, der ihm doch eigentlich längst schon aus der Hand frisst, mit seinem messianischen Feuereifer aus dem Film heraus. Dieses mahnende Element ist inhaltlich allerdings kaum zu rechtfertigen: Wenn Shyamalan sich schon selbst als großen Propheten inszeniert, dann sollte er Gewichtigeres zum Zustand der Welt vorzubringen haben als lediglich die Wunderwaffe "Gemeinschaftssinn" auszukramen und inbrünstig zu Nächstenliebe und Mitgefühl aufzufordern. Dennoch: LADY IN THE WATER ist allein für seine Originalität schon sehenswert. Und die Bilder ausgesucht aufgeräumter Eleganz, die Christopher Doyle seiner Kamera abringt und der schöne Score aus der Feder James Newton Howard runden das Werk zumindest ästhetisch perfekt ab. Nicht unbedingt "sehr gut", aber gerade wegen seiner Mängel hoch interessant.
#854
Geschrieben 11. Juli 2007, 16:31
Regie: Ernst Hofbauer
Nicht nur, dass die Kinder der frühen Siebziger ihren Eltern mit langen Haaren, Miniröcken, dufter Beatmusik und Haschgiftzigaretten Sorgen bereiten, nein, sie erreichen auch die Geschlechtsreife deutlich früher und müssen, vom Brodeln der Hormone getrieben, fortan in alles ihren Piepmatz reinstecken bzw. überall die Beine breit machen. In solchen Zeiten des Umbruchs sind vor allem die Eltern schwer gefordert: Wie reagieren auf das unzüchtige Treiben im Kinderzimmer? Eine Frage, der nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Relevanz zukommt, denn eine falsche Entscheidung in dieser Sache kann fatale Folgen haben, wie der freundliche Voice-Over-Kommentator verantwortungsbewusst statuiert. Dem elterlichen Dilemma zwischen drakonischen Strafmaßnahmen und Verständnis widmet sich die Rahmenhandlung, in der eine 14-jährige mit einem erwachsenen Freund der Eltern anbändelt. Nachdem das zärtliche Liebesspiel von der Mutter beobachtet wird, bricht die Episode ab – die Lösung bekommen wir erst am Ende des Films gereicht. Vorher wendet sich Hofbauer anderen "Fällen" zu: etwa der geilen Schwester, die ein Verhältnis mit dem Versicherungsvertreter hat, und ihrem zehnjährigen Bruder, der so gar nicht weiß, was die beiden da treiben (seine sexuelle Unterbelichtung kompensiert er erfolgreich durch ein bei mir massiven Neid hervorrufendes T-Shirt mit den 1974er WM-Maskottchen Tip und Tap). Weiter geht es mit dem armen Jungen, der unter der Erziehung seines tyrannischen Vaters so zu leiden hat, dass er vor lauter Kummer klauen geht. Die scharfe Verkäuferin lässt aber Gnade vor Recht ergehen und unterweist den Knaben in der Kunst der Liebe. Als die beiden vom Ehemann der Fahrradfrau erwischt werden, kennt die jedoch keine Freunde mehr und verpfeift den armen Jungen wegen Spannerei bei dessen Vater. Verdammte Weiber! Weiter geht es mit den beiden Kleinkindern, die ihre Eltern durchs Schlüsselloch beobachten: "Papa steckt sein Pipilein in Mamas Popo!" Als sie sich beim anschließenden Mittagessen über den Verbleib von Papas Pipilein erkundigen, rutscht diesem sehr humorlos die Hand aus. Zwei weitere Existenzen sind dem Niedergang anheimgegeben: Sex wird immerfort mit Schmerz assoziiert werden. Den tragischen Höhepunkt des Films erlebt man aber erst in der Episode um das kleine Mädchen, deren nuttige Mama ihren Liebhaber erst zur Züchtigung ihrer Tochter treibt und diese dann von ihm zur Frau machen lässt. Da staunt man dann schon nicht schlecht, was einem in einem solchen Unterhaltungsfilm für die niederen Instinkte im Namen der Aufklärung alles so serviert wird. Der Mann vom Jugendamt, der durch den Film führt, bemüht sich, die moralische Verwerflichkeit zu betonen, dennoch möchte man meinen, dass es einigen Zuschauern nicht wenig gefallen hat, zuzuschauen wie Klein-Erna der Popo blutig geprügelt wird. Andere Episoden sind hingegen von bemerkenswerter Harmlosigkeit – unter anderem wird der obligatorische italienische Casanova ("Saupreiß, italienischer!") von seinem Opfer hereingelegt und von Feuerwehrleuten abgespritzt (muhaha), ein anderes Pärchen kriegt beim Sex im dunklen Tann die Rache der Natur zu spüren als sich Dutzende von Ameisen an ihren nackten Leibern laben. Ganz zum Schluss kehren wir zur Mama vom Anfang zurück: Die verdrückt sich heimlich, berichtet ihrem Ehemann von ihrer Beobachtung und weiß ihn gleich zu beschwichtigen. Das Töchterlein wird halt erwachsen! Sie kauft ihr lieber ein Eis und sucht das verständnisvolle Gespräch, um nicht im Keim zu zerstören, was gerade zart hervorgebrochen ist. Warum man dem ekligen Typen, der sich an einem minderjährigen Mädchen vergriffen hat, nicht trotzdem ordentlich den Marsch blasen sollte, bleibt allerdings unbeantwortet.
#855
Geschrieben 11. Juli 2007, 17:01
Regie: Walter Boos
LIEBE IN 3 DIMENSIONEN ist beinahe tarantinoesk zu nennen und sowas wie die Avantgarde des Hartwigschen Sexfilms. Die Episoden werden keinem einzelnen Thema unterstellt und nur durch einige Figuren zusammengehalten, die in mehreren der kurzen Geschichten auftreten. Da ist etwa mal wieder die adrette Ingrid Steeger, die erst ihre schamlos vor ihren Augen herumfickende Freundin zur Wohltätigkeitsarbeit nach Afrika verabschiedet. Deren Wohnung ist über und über mit Flaggen tapeziert, auf denen ein Symbol zu sehen ist, das der Glücksspirale nicht unähnlich sieht, außerdem besitzt sie einen Kakadu, der sich in Vulgärsprache übt. Als nächstes verliebt sich Ingrid in einen feschen Boy, bevor die nächsten Figuren eingeführt werden. Ein Nachbar der Steeger ist ein ganz Wilder: Erst sperrt er die nackt sonnenbadende Blondine auf dem Vordach aus, dann angelt er ihre Klamotten weg, nur um sich sogleich als Retter aufzuspielen. Was ein echter Wolf C. Hartwig ist, ziert sich die attraktive Dame jedoch nicht lange, sondern ist dem jungen Mann gleich hörig und lässt sich munter die Knospen lutschen. In der nächsten Episode führt eine wie Delphine Seyrig aussehende Elisabeth Volkmann ein Dienstmädchen in die Kunst der lesbischen Liebe ein, bevor sie sich von einem Mann ablösen lässt, der mit seiner Gespielin erstmal wüst auf dem Bett herumhüpft. Die lustigste Episode widmet sich jedoch der merkwürdigen Beziehung einer fetten Kneipenwirtin und ihrem Liebhaber, die sich gegenseitig eifersüchtig machen: Sie lässt sich von schmierig aussehenden Polizisten angraben, der Mann rächt sich, indem er eine Inderin aufreißt. Ganz Gentleman lädt er sie erst zum Maß Bier ein, kauft ihr Leberkäs und begleitet sie dann zum Ficken nach Hause. Als er wieder zu Hause den Polizisten antrifft, der sich an seiner Frau vergreift, ist der Ofen aber aus. Seiner Frau bläst er den Marsch und die wird davon wieder so geil, dass sie sich gleich für ihn auch noch mal auf den Rücken legt. Man weiß nicht, was hier schlimmer ist: das Frauenbild, das Ausländerbild oder die Inneneinrichtung der Kneipenwirtin, die am Kopfende ihres Bettes einen Bayern-Schrein aufgebaut hat, der selbst Edmund Stoiber einen Schlaganfall bescheren würde. Als sei das noch nicht genug, werden als nächstes die knackige Christina Lindberg und Supernase Konstantin Wecker miteinander verbandelt. Gerade die Lindberg hat einige recht derbe Sexszenen abbekommen (einige davon sind auf DVD sichtbar gekürzt) und begleitet den Zuschauer in mehreren Abschnitten: Unter anderem lässt sie sich als Verkäuferin in einem Herrenbekleidungsgeschäft unter den Rock glotzen. Am Schluss will die Steeger mit ihrem Lover in die vermeintlich leer stehende Wohnung ihrer Freundin, doch die ist längst aus Afrika zurück und tollt wie zu Beginn mit ihrem Lover im Bett rum: Ein Finale, das auch David Lynch nicht besser hingekriegt hätte. Nach zehn Filmen der immergleichen Machart fällt es nicht wenig schwer, die einzelnen Teile auseinanderzuhalten: Gerade die beiden letzten verschwimmen zu einem ununterscheidbaren Brei. Was LIEBE IN 3 DIMENSIONEN jedoch aus der Masse einigermaßen hervorhebt sind die absurden 3D-Effekte, die fast noch blöder sind als jene in FRIDAY THE 13TH, PART 3. Mehrfach wird Wasser in die Kamera gespritzt, fällt dem Zuschauer Obst entgegen oder muss ein Hund eine vor die Kamera gehaltene Weißwurst anspringen. Gerade letzteres mag einem nach diesen Sexfilmchen, die trotz ihrer offenherzigen Themen ständig um den heißen Brei herumreden, fast als Sinnbild erscheinen.
#856
Geschrieben 11. Juli 2007, 17:29
Regie: Hans Günther Pflaum/Peter H. Schröder
Diese Fernsehdokumentation liegt der AUSGEZOGEN-Sexfilm-Box als Bonus bei. Vermutlich entstand sie im Auftrag von arte, was die deutsch-französischen Einblendungen erklären würde. In der Dokumentation geht es letztlich um den gesellschaftlichen Stellenwert der REPORT-Filme und die spezielle Kinosituation, die ihre Entstehung begünstigte. Neben Wolf C. Hartwig himself kommen als "Fürsprecher" der Sexfilmchen lediglich Manfred Purzer, der Drehbuchautor zahlreicher Hartwigscher Simmel-Filme, Produzent Theo Hinz sowie Annette Miersch zu Wort, die 2003 eine Dissertation zur SCHULMÄDCHEN-REPORT-Serie verfasste. Das restliche Personal der interessanten Dokumentation rekrutiert sich aus den Protagonisten des Neuen Deutschen Films der Siebziger: Margarethe von Trotta, Volker Schlöndorff, Michael Verhoeven, Hanna Schygullah, Edgar Reitz, Hans Christoph Blumenberg etc. An deren Ausführungen, die von einer harten kommerziellen wie auch ideellen Rivalität berichten, wird nicht nur deutlich, welcher Riss damals zwischen Intellektuellen und "Normalbürgern" klaffte, zwischen Kunstfilm und "Altherrenkino", wie es peiorativ bezeichnet wird, sondern auch, dass dieser Riss immer noch da ist, wo doch beide Seiten längst Geschichte sind. Da prallen unvereinbare Gegensätze aufeinander: der knallharte Geschäftssinn eines Hartwig, für den ein Film, den niemand sehen will, eine Totgeburt ist, und der Idealismus der Autorenfilmer, die der Welt nicht nur geben wollten, was diese erwarteten, sondern zu deren Verbesserung beitragen wollten. Insgesamt eine formal recht einfach gehaltene Dokumentation mit vielen Filmausschnitten, die durch die vielen, vielen O-Töne zu überzeugen weiß. Man hätte sich lediglich etwas mehr Stimmen aus den Siebzigern gewünscht.
#857
Geschrieben 11. Juli 2007, 20:43
Regie: Brian G. Hutton
Ein amerikanischer General, dem für die Invasion der Alliierten in Nazideutschland eine entscheidende Rolle zukommt, stürzt über den deutschen Alpen ab und gerät in die Gefangenschaft der Nazis. Major Jonathan Smith (Richard Burton) wird damit beauftragt, mit sechs weiteren Männern, darunter der Amerikaner Lieutenant Morris Schaffer (Clint Eastwood), den Gefangenen aus einer als uneinnehmbar geltenden Festung zu befreien. Schon kurz nach der Landung im Feindesland stellt sich allerdings heraus, dass sich in der Gruppe ein Verräter befindet. Und überhaupt scheint irgendetwas faul zu sein an der Mission ...
Huttons auf einer Vorlage und einem Drehbuch von Alistair McLean beruhende Kommandofilm steht auf den ersten Blick in der Tradition solcher großer Kriegsabenteuerfilme wie THE DIRTY DOZEN, THE GREAT ESCAPE oder THE GUNS OF NAVARONE: epische Länge, großes Budget und die Starbesetzung (hier zugegebenermaßen etwas weniger beeindruckend als in den anderen genannten Filmen) scheinen eine deutliche Sprache zu sprechen. Doch WHERE EAGLES DARE hat deutlich mehr Haken als seine vermeintlichen Brüder im Geiste. Huttons Film ist wesentlich düsterer, kälter und inhaltlich komplexer. Über dem Film liegt ein beständiger graublauer Schleier, Schnee und Eis sorgen für alles andere als behagliche Atmosphäre und die stoischen Mienen von Eastwood und Burton unterstreichen den Eindruck, dass an die Befreiung des Generals keine allzu großen Hoffnungen und schon gar keine triumphierende Euphorie geknüpft werden. Vor allem Burton, der in THE WILD GEESE eine Art Reprise seines Major Smith gibt, möchte man kaum als Helden akzeptieren, was ich aber keinesfalls als Verfehlung von Huttons Film werten möchte. Der Krieg ist in McLeans Drehbuch kein Ort mehr, an dem furchtlose Recken um Ruhm und Ehre kämpfen, sondern eine desillusionierende Veranstaltung, die überwiegend in den Hinterzimmern der Spionageabteilungen ausgefochten wird und von den Vollstreckungsgehilfen kaum noch durchschaut werden kann. Mehr als ein Kriegsfilm erscheint WHERE EAGLES DARE als Spionage-, Agenten- oder Politthriller. Der Ausgang des Films ist bezeichnend: Die Befreiungsaktion ist nur ein Alibi, um ein weitaus weniger hehres Ziel zu erreichen. Diese schwer wiegende Erkenntnis lastet schon auf den Schultern des Zuschauers, bevor dieser überhaupt eine Ahnung hat, was ihn erwartet: Es wird wenig gesprochen, große Gefühlsausbrüche sind ebenso abwesend wie die komischen Elemente, die die oben erwähnten Filme immer wieder aufgelockert haben. Gerade aus dieser Sparsamkeit bezieht WHERE EAGLES DARE aber seine Spannung: Die Figuren bleiben den ganzen Film über undurchschaubar, jede Wendung scheint jederzeit möglich und man hat nie das Gefühl, dass sich diese Spannung am Ende in gefälliges Nichts auflösen wird. Nein, WHERE EAGLES DARE ist kein befreiender Film und auch kein reueloses Vergnügen. Hutton gelingt die Illusion eines realistischen Kriegsfilms, trotz seiner ausgefeilten Spannungssequenzen und des atemlosen Finales, dass eigentlich keines ist, weil es schon nach einer guten halben Stunde beginnt und sich von Höhepunkt zu Höhepunkt hangelt.
#858
Geschrieben 12. Juli 2007, 22:31
Regie: Sam Peckinpah
Der zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu, die Wehrmacht befindet sich auf dem Rückzug, steht unter russischem Dauerbeschuss. In diese Situation platzt Hauptmann Stransky (Maximilian Schell), ein preußischer Aristokrat, der hofft sich an der Ostfront das Eiserne Kreuz zu verdienen. Seine Arroganz, Egozentrik, Feigheit und Grausamkeit bringen ihn schon bald in Konflikt mit Feldwebel Steiner (James Coburn), einem Soldaten von echtem Schrot und Korn, dem jegliche Autoritäten ein Gräuel sind und dem längst egal ist, auf welcher Seite er kämpft. Als Stransky nach einem russischen Angriff für das Eiserne Kreuz vorgeschlagen wird, ist Steiner das Zünglein an der Waage: Er weigert sich, dem Feigling seine Stimme zu geben. Stransky hat deshalb nur eine Wahl: Er muss Steiner beseitigen, um den begehrten Orden zu bekommen ...
Ein ziemlich schwieriger Film, aber wohl der letzte aus Peckinpahs Werk, den man noch unumwunden als echten Peckinpah bezeichnen kann. CROSS OF IRON ist nicht weit weg von THE WILD BUNCH: Steiner ist Pike, sein Platoon ist das Äquivalent zum Bunch, die mexikanische Wüste wird zum russischen Hinterland. Allerdings ist den Außenseitern um Steiner der Ausbruch aus der Gesellschaft nicht so richtig gelungen. Sie dienen unter der Fuchtel eines totalitären Regimes, werden von Unmenschen und Karrieristen gegängelt, und schließlich verraten und verkauft. Der Krieg liegt in den letzten Zügen, auf dem Schlachtfeld regiert das Chaos, Strategie und Ordnung haben sich längst verabschiedet, der Wahnsinn ist Alltag geworden. Peckinpahs Film dürfte wohl einer der schmutzigsten Kriegsfilme überhaupt sein, ist beinahe monochrom in seinen Braun-, Grau- und vereinzelten Grüntönen und selbst in den Dialogszenen erschüttern regelmäßige Explosionen die Ruhe, nicht jedoch die Gelassenheit der Soldaten, die sich daran schon lang gewöhnt haben. Steiner und seine Männer sind Verlorene: Wie die Episode im Lazarett zeigt, kann Steiner nicht mehr ohne den Krieg leben, dieser setzt aber alles daran, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Die Liebe (Senta Berger) lässt er mitsamt dem beschaulichen Leben sausen, um sich für einen feigen Opportunisten wie Stransky ans Messer liefern zu lassen. Das Ende ist – wie überhaupt viele Sequenzen in diesem Film – phänomenal und lässt den Zuschauer im Ungewissen zurück. Steiner zwingt Stransky sich einem Angriff der Russen zu stellen, zu kämpfen – "I'll show you where the Iron Crosses grow" –, doch der Aristokrat ist sichtlich überfordert mit der Situation. Mit Steiners wahnsinnigem Lachen angesichts des Unvermögens Stranskys schließt der Film zur Musik von "Hänschen Klein". Für mich entscheidet sich Steiner hier für den ihm einzig angemessenen Tod, doch er wird Stransky noch mit sich nehmen.
Noch einmal gab es in CROSS OF IRON breit angelegtes Kino des Altmeisters, allerdings glaubt man auch hier zu erkennen, dass der Film ursprünglich einmal länger war: Viele Szenenwechsel wirken holprig, CROSS OF IRON läuft ein bisschen unrund. Innerhalb seiner Szenen gibt es aber an allen Ecken und Enden Bemerkenswertes wie etwa die tolle Besetzung – neben den genannten agieren David Warner, James Mason sowie viele deutsche Schauspieler u. a. Klaus Löwitsch und Burkhard Driest –, großartige Dialoge, bildgewaltige Shootouts und die berühmten – ich entschuldige mich für das Klischeewort – Todesballette. Was CROSS OF IRON den Eingang ins Herz verwehrt, ist (neben den genannten Schwächen) vor allem sein Sujet. Ist der Kriegsfilm sowieso schon immer etwas problematisch, fällt die Identifikation mit einem Wehrmachtssoldaten, der in klassischer Westernmanier zum existenzialistischen Loner stilisiert wird, doch etwas schwer. Dennoch ein unbedingt sehenswerter Film, der zur Reflexion anregt, ohne die plumpe Provokationsnummer zu schieben. In seiner Darstellung des Kampfgeschehens darf der Film übrigens ohne Übertreibung als wichtiger Vorläufer des Hyperrealismus gelten, dessen sich Kriegsfilme heute so gern bedienen.
#859
Geschrieben 15. Juli 2007, 11:22
Regie: John Frankenheimer
Harry Mitchell (Roy Scheider) ist erfolgreicher Unternehmer und seit 23 Jahren glücklich mit seiner Frau Barbara (Ann-Margret) verheiratet, die gerade eine politische Karriere anstrebt. In das Familienglück platzen drei maskierte Männer, die Harry in der Wohnung seiner Geliebten auflauern, gerade als er ihr den Laufpass geben will. Sie konfrontieren ihn mit kompromittierenden Videoaufnahmen und erpressen ihn um 105.000 Dollar. Als Harry den ersten Zahlungstermin platzen lässt, zieht er den Zorn der drei gewaltig an und muss feststellen, dass sie nicht zu Späßen aufgelet sind ...
Unter dem Logo der seligen Cannon Group entstand diese Adaption eines Romans von Elmore Leonard. Die Besetzung des Regisseurpostens mit dem Veteran John Frankenheimer (der zu dieser Zeit bereits seinen Zenith überschritten hatte) weist 52 PICK-UP als eines der ambitionierteren Projekte von Golan und Globus aus: Wer sich jedoch mit der Geschichte der Cannon ein wenig auskennt, weiß, dass auch diese Herzensangelegenheiten meist unter den typischen Produktionsbedingungen zu leiden hatten. Auch 52 PICK-UP wirkt wie ein Schnellschuss. Zwar ist die Produktion durchaus als gediegen zu nennen, Kameramann Jost Vacano macht ausgiebig Gebrauch von schönen Kranshots und die Steadicam gleitet nur so durch die Sets, die Besetzung – zu den Obigen gesellen sich noch ein gut aufgelegter John Glover, ein äußerst bedrohlicher Clarence Williams III, die Besitzerin der schönsten Brüste des US-B-Films der Achtziger, Vanity, und in einer kleinen Nebenrolle Doug McClure – lässt den Film teurer erscheinen als er ist. Auf der anderen Seite sind da der cheesige Eighties-Score und vor allem das überhastet wirkende Drehbuch. Frankenheimer geht mit 52 PICK-UP ein ziemlich hohes Tempo, für seine Spielzeit von 105 Minuten fliegt der Film nur so vorbei, bietet viel Kurzweil und also einen immensen Unterhaltungswert. Das ist aber gleichzeitig auch schon der große Haken, denn es gelingt Frankenheimer überhaupt nicht, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es fehlen die ruhigen, kontrapunktischen Momente und Charaktere, Emotionen und Motivationen bleiben schleierhaft und unterentwickelt, sodass sich echte Spannung zu keiner Sekunde einstellt. Der Normalo Mitchell steckt die Bedrohung viel zu schnell und zu leicht weg, nie muss man sich wirklich um ihn Sorgen machen. So ist 52 PICK-Up zwar alles andere als ein Ärgernis, leider aber auch kein Film, der einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Er rauscht mit einigem Lärm an einem vorbei und macht es sich dann im Vergessen bequem.
#860
Geschrieben 15. Juli 2007, 15:22
Regie: Umberto Lenzi
Der Journalist Dean Miller (Hugo Stiglitz) wird zum Flughafen geschickt, um dort die Landung eines berühmten Kernphysikers zu dokumentieren. Mit dem Wissenschaftler springen allerdings auch einige Terroristen aus dem Flugzeug, die aussehen als hätte man ihnen auf den Kopf geschissen und sogleich anfangen, die anwesenden Soldaten mit Waffengewalt zu dezimieren. In Folge überrennen diese Figuren, die sich als radioaktiv verseuchte Zombies entpuppen, das ganze Land und stürzen alles in die Katastrophe. Die moderne Wissenschaft entpuppt sich wieder mal als Quell tödlicher Bedrohung, der sich ein versprengter Haufen von Unverdrossenen verzweifelt entgegenstellt. Mit Erfolg?
Obwohl der ersten Welle italienischen Zombiekinos zugehörig, ist Lenzis Film wohl der ungeliebteste, aber auch der unterschätzteste. Lenzi bricht aufs drastischste mit den Regeln des Subgenres, lässt seine Zombies rennen, schießen und nicht schlafwandlerisch-ziellos durch die Gegend schlurfen, sondern nach einem höheren Plan vorgehen. Das ist heute noch Anlass für Fanhetze (siehe 28 DAYS LATER) und war es auch schon damals. Wenn man es jedoch schafft die Vorbilder auszublenden und GROSSANGRIFF als apokalyptischen Actionfilm zu betrachten, stellt er sich aller inszenatorischen Unzulänglichkeiten zum Trotz als hoch unterhaltsamer und temporeicher Kracher dar, der deutlich Zeugnis von Lenzis Polizeifilm-Vergangenheit ablegt. Thematisch knüpft er an den ökologischen Strang des Zombiefilms an, wie er etwa von Jorge Graus INVASION DER ZOMBIES aka LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN vertreten wird. Gerade am Ende wird gnadenlos verbalisiert, was eigentlich eh die ganze Zeit offensichtlich ist, nämlich dass der Mensch die Kontrolle über seine Schöpfungen verloren hat und seinen Raubbau an der Natur nun teuer bezahlen muss. Wenn sich die Rationalität verabschiedet, erinnert sich der Mensch wieder an den lieben Gott, doch auch der bietet in Zeiten des Untergangs keine Hilfe mehr: Die Kirche, in der unsere Helden Unterschlupf suchen, wird längst von einem zombiefizierten Pfarrer geleitet. Was Lenzis Film leider fehlt, ist ein besseres Drehbuch. GROSSANGRIFF DER ZOMBIES mäandert etwas ziellos durch die Gegend, offenbart sich eher als Aneinanderreihung von einzelnen Set-Pieces denn als Ergebnis einer ausgefeilten Dramaturgie. Das redundante Finale unterstreicht diesen Eindruck noch, zumal Lenzi diese Schlusspointe, ihrer Redundanz die Krone aufsetzend, in seinem rund zehn Jahre später entstandenen GATES OF HELL gleich nochmal benutzte. Während dieser sich von der deutschen Synchro nach Kräften unterstützt mit Anlauf in die Scheiße setzt, kriegt GROSSANGRIFF die Kurve mit saftigen Kopfschüssen, lustigen Zombieüberfällen auf Fernsehstudio, Campingplatz und Freizeitpark und dem tollen Score von Stelvio Cipriani. GROSSANGRIFF hat die Rehabilitation dringend verdient, auch wenn Lenzi sicherlich nicht als größter Horrorregisseur des italienischen Kinos in die Annalen eingehen wird.
#861
Geschrieben 15. Juli 2007, 22:26
Regie: Andrea Bianchi
Ein Professor mit Rauschebart entziffert die Inschrift in einer etruskischen Grabkammer, auf der unter anderem ein Smiley zu sehen ist. Das veranlasst ihn sofort dazu, mit einem Hammer an der Wand der Gruft herumzuhämmern, wofür ihm die soeben auferstandenen Etrusker den Weg über den Jordan weisen. Dummerweise kommen ein paar Bekannte des Professors just in diesem Moment zu Besuch und werden von den Zombies zu Freiwild erklärt. Der Film widmet sich im Folgenden den hirnrissigen und meist erfolglosen Versuchen der Urlauber, ihren Verfolgern zu entkommen.
Beim Zombiefilmtrend durfte der minderbegabte italienische Exploitationhuber natürlich keinesfalls untätig zusehen und so leistete auch Andrea Bianchi seinen Beitrag, in dem er wieder einmal seiner Frau Mariangela Giordano eine hübsche Rolle zuschusterte. LE NOTTI DEL TERRORE, wie der Film eigentlich heißt, gehört zum Bodensatz des Genres: Der Film schleppt sich ähnlich undynamisch über die Runden wie seine untoten Protagonisten, leistet sich den Luxus seine zwei, drei halbwegs gelungenen Szenen großzügig über seine Spielzeit zu verteilen und bemüht sich nicht mal mehr um ein Alibi für seine vollmundigen Selbstzweckhaftigkeiten. Jegliche narrativen Elemente werden über Bord gekippt: Warum erwachen die Zombies zum Leben? Egal. Wieso glaubt eine der Besucherinnen urplötzlich daran, dass ihnen allen Schlimmes wiederfahren werde? Keine Ahnung. Worauf soll der ganze Hokuspokus eigentlich hinauslaufen? Weiß Bianchi selbst nicht. Wo Motivationen abwesend sind, benötigt der Filmemacher gehörig Schmiere, sprich Sex & Gewalt. Statt mit hochwertigem Maschinenöl läuft DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES jedoch mit ranzigem Frittenfett. Da räkeln sich hässliche Schauspieler in ekzemroten Polyesterdärmen mit ihren Gespielinnen in der Waagerechten, tragen ihre Hosen bis unter die Achseln gezogen und haben sich wirklich überhaupt nichts mitzuteilen. Krönung dieses Schauerkabinetts ist der gruselige Sohn (der Schauspieler ist offenkundig ein Erwachsener, der an einer merkwürdigen Wachstumsstörung leidet), der in Liebe zu seiner Mutter entflammt ist. Beim ersten Versuch, seiner Mama zwischen die Schenkel zu greifen, gibt es noch Senge, am Schluss lässt sie alle Hemmungen fallen, was sie mit der rechten Brust teuer bezahlen muss. Die Gewalt ist recht eklig und dürfte dem örtlichen Schlachter gute Umsätze beschafft haben, die hier und da lustig zerplatzenden Zombies sind zwar mit Bauschutt und Geröll gefüllt, was Bianchi aber mit schierer Quantität kaschiert. Trotz dieser Leckerli und der vielen Absurditäten – die Blödheit, mit der die Akteure ins Verderben rennen, die kreativen Mordmethoden der Zombies, die generelle Missachtung jeglicher Plausibilität – ist RÜCKKEHR eine zähe Angelegenheit, die kaum Stoff für neunzig Minuten bietet, weshalb Bianchi mehrere Minuten darauf verwendet, seinen Zombies dabei zuzusehen wie sie zu düdeliger Synthiemusik durch die Botanik staksen. Die Zombiemasken sind ultrabillig, im Vergleich zu Lenzis GROSSANGRIFF aber doch recht akzeptabel. Auffällig ist nur, dass einige Etrusker dem Fäulnisgrad nach ein paar hundert Jahre vor bzw. nach den anderen gestorben sein müssen. Die Mehrzahl sieht aber recht skelettiert aus, etwa wie obdach- und mittellose Verwandte von He-Mans Nemesis Skeletor. Weil ein heldischer Muskelmann aber fehlt, haben die Zombies leichtes Spiel und der Film endet nach 90 abstrusen Minuten mit einem Zitat aus der "Profecy of the Black Spider", was immer das sein mag. Wenn das das Buch ist, dem Bianchi seine tollen Filmideen entnimmt, will ich das nämlich auch mal lesen.
#862
Geschrieben 17. Juli 2007, 11:43
Regie: Terry Gilliam
Die kleine Jeliza-Rose (Jodelle Ferland) wächst als Kind eines heroinabhängigen White-Trash-Pärchens auf. Als ihre Mutter (Jennifer Tilly beweist das, was Promoheftchen wohl als "Mut zur Hässlichkeit" bezeichnen würden) stirbt, packt ihr Vater Noah (Jeff Bridges), ein Altrocker, der ständig von Jütland fantasiert, sie bei der Hand und fährt mit ihr raus in die Einsamkeit der Prärie, ins Haus seiner längst verstorbenen Mutter. Der nächste Heroinrausch endet jedoch auch für ihn tödlich und so ist die kleine Jeliza-Rose ganz auf sich gestellt. Bis sie den geistig behinderten Dickens (Brendan Fletcher) kennenlernt, der mit seiner älteren Schwester Dell (Janet McTeer) im nächsten Haus wohnt. Im gemeinsamen Spiel verklären sie die Weite der Prärie zum Ozean, der voller Gefahren und Geschichten steckt ...
Nach dem kommerziellen und unpersönlichen THE BROTHERS GRIMM legt Terry Gilliam mit TIDELAND einen ausgesprochen radikalen Film vor, der wirkt, als habe Gilliam einen Eigenexorzismus betreiben wollen. In einem Vorwort auf der DVD bereitet er seine Zuschauer auf das kommende vor, ermahnt dazu, dem Film unvoreingenommen, quasi mit den Augen eines Kindes, zu begegnen. Was TIDELAND für viele sicherlich problematisch macht, ist die Abwesenheit jeglicher kritischer Instanz. Gilliam zeigt, er kommentiert nicht, und das, was man da zu sehen bekommt, ist nicht immer angenehm anzuschauen. Jeliza-Rose muss ihren Eltern die Spritzen aufziehen, genießt kaum das, was man unter einer guten Erziehung versteht, ihr Schicksal ist furchtbar, auch wenn sie das kaum selbst so wahrnimmt. Die Rücksichtslosigkeit Noahs schockiert, ebenso wie das, was Gilliam für den weiteren Verlauf seines Films für dessen Leiche bereithält. In vielerlei Hinsicht ist TIDELAND ein Horrorfilm, dessen Motive unter anderem von Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE inspiriert sind. Ein weiterer Titel, der sich im Vergleich nahezu aufdrängt, ist Philip Ridleys THE REFLECTING SKIN: In beiden Filmen sieht man die Welt durch die Augen eines Kindes, aus dessen Perspektive betrachtet ganz alltägliche Dinge bedrohliche Form annehmen und andere Dinge, die der Erwachsene als schrecklich empfinden würde, Normalität erlangen. Das ist dann auch die große Leistung von Gilliams Film: Er zwingt dazu, eigene, festgefahrene Ansichten zu überdenken und gibt der Welt ein Stück Kontingenz zurück. Aber natürlich ist TIDELAND sehr typischer Gilliam-Stoff: Die Geschichte, die sich Jeliza-Rose und Dickens über die Welt erzählen, schützt sie, gibt ihnen Hoffnung, hält sie in der Einsamkeit am Leben. Dennoch ist TIDELAND nicht perfekt: Manchmal scheint es, als habe Gilliam vor lauter Entdeckungslust seine Narration vergessen. Der Film treibt über weite Strecken beinahe selbstvergessen vor sich hin. Aber dieser Mangel an Zielgerichtetheit, die völlig unpragmatische Erzählweise spiegeln dann ja wieder die Unschuld der kindlichen Perspektive, die sich nur an sich selbst zu berauschen in der Lage ist. Da wird einem dann schlagartig wieder klar, wie weit man sich von dieser Perspektive entfernt hat, wie festgefahren man doch ist. Terry Gilliam behauptet zu Beginn, er habe mit TIDELAND das Kind in sich wiederentdeckt. Man möchte ihn dazu beglückwünschen und ihm wünschen, dass dieses Kind ihm bei seinen nächsten Filmen mit Rat und Tat zur Seite steht.
#863
Geschrieben 18. Juli 2007, 09:47
Regie: Tonino Valerii
Der alternde Revolverheld Jack Beauregard (Henry Fonda) bereitet sich auf seinen Ruhestand vor: In New Orleans wartet schon ein beschaulicher Lebensabend auf ihn, da kommt ihm ein merkwürdiger Typ namens Nobody (Terence Hill) dazwischen, der Jack Beauregard den verdienten Eingang in die Geschichtsbücher sichern will. Anstatt sich einfach sang- und klanglos zu verabschieden, solle er sich der "Wilden Horde" stellen, einer Bande von 150 Cowboys, die – wie Nobody mehrfach betont – reiten und schießen wie 1000 und außerdem Beauregards Bruder auf dem Gewissen haben. Beauregard hat hingegen gar kein Interesse, sein Leben für historischen Ruhm zu riskieren. Doch er unterschätzt die Macht der Bestimmung ...
Mit MEIN NAME IST NOBODY hatte ich früher immer große Probleme: Als Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Fan war mir der Film zu wenig witzig, die melancholische Stimmung verwirrte mich eher als dass ich sie verstand und die zahlreichen intertextuellen Bezüge, vor allem natürlich zu SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, waren für mich kleinen Steppke, der noch gar keinen Überblick über die Filmgeschichte, ja noch nicht einmal einen Begriff von dieser hatte, verschenkt. Die vielen, vielen Jahre, die ich mir für die jetzige Sichtung Zeit gelassen haben, haben sich mehr als gelohnt: MEIN NAME IST NOBODY erschien mir als komplett neuer Film, der mich von der ersten seiner wunderschönen Einstellungen an völlig in seinen Bann gezogen hat. Valeriis Film (entstanden nach einer Idee von Meister Leone, den IMDb außerdem als ungecrediteten Regisseur ausweist) nimmt sich aus wie das versöhnliche Gegenstück zu Leones berühmtem Spätwestern, denn er gönnt seinem Revolverhelden das Leben, den sanften Ausstieg aus einer Welt, deren Geschicke nun von anderen gelenkt werden müssen. Der Westen ist bei Valerii noch das Land der Mythen und Erzählungen, auch wenn die Moderne langsam Einzug hält und sich die Zeiten verändern: Er bietet noch die Möglichkeit, zum Helden zu werden. Doch es gibt auch Parallelen zu anderen Filmen: Sam Peckinpah schaut als Inschrift auf einem Grabstein vorbei und lieferte wohl auch die Idee für die "Wilde Horde", der schlaksige Nobody, der sich wie ein neumodischer Stalker an die Rockschöße seines großen Idols heftet, ist so etwas wie die clowneske Version von Eastwoods HIGH PLAINS DRIFTER, eine beinahe geisterhafte Gestalt, die keine Vergangenheit zu haben scheint und als Sendbote des Schicksals auftritt. Diese Vorbilder zu kennen, vergrößert das Vergnügen nicht nur nach postmoderner Manier, solches Filmwissen ist geradezu von integraler Bedeutung für das Verständnis von MEIN NAME IST NOBODY, dessen ganze Stimmung sich quasi im Dialog mit SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD entwickelt. Doch Valeriis Film kann sich auch ohne diese Unterfütterung mehr als sehen lassen. Gestützt von einem absolut phänomenalen Score von Ennio Morricone, in den sich sehr effektiv der "Ritt der Walküren" geschlichen hat, liefert Valerii hier nicht nur sein ganz persönliches Meisterstück ab, sondern wohl auch einen der ganz, ganz großen Italowestern überhaupt, der mit tollen mythisch aufgeladenen Bildern, filigran choreografierten Szenen und schönen Regieeinfällen nicht sparsam umgeht und ganz einfach massiv kurzweilig ist. Der Freund des derben Humors kommt Dank der Synchronisation von Rainer Brandt und der Prügelszenen, für die Hill nun einmal bekannt war, auch nicht zu kurz. MEIN NAME IST NOBODY hat bewiesen, dass es Dinge gibt, auf die man warten, für die man wachsen muss. Im Idealfall wird man reich belohnt, so wie ich gestern. Was für ein großartiger Film!
#864
Geschrieben 23. Juli 2007, 11:29
Regie: Menahem Golan
Cole (Franco Nero) hat soeben die Ninjaprüfung bestanden und ist nun ein echter weißer Ninja, was Hasegawa (Sho Kosugi), dem Sohn von Coles Ausbilder nicht so recht passt. Das spielt für die nächsten knapp 80 Minuten aber keine Rolle, vielmehr aber die Beziehung zwischen Cole und seinem alten Armeefreund Frank Landers (Alex Courtney). Jener ist inzwischen mit der mopsigen Mary Ann (Susan George) mehr schlecht als recht verheiratet und außerdem setzt ihnen auch noch der fiese Kapitalist Venarius (Christopher George ganz groß in Form) ordentlich zu, weil er ihnen kostbares Land abluchsen will. Dazu bedient er sich zuerst des dicken Hooks (Zachi Noy), später dann auch einiger gefährlicher Killer, die Cole allesamt zu beseitigen weiß. Als alle Stricke jedoch reißen ordert Venarius den immer noch hasserfüllten Hasegawa zu sich ...
Mit ENTER THE NINJA legte Golan den Grundstein für den Ninjafilm-Boom der Achtzigerjahre, auch wenn dieser nachweisbar nicht der erste Film ist, der die japanische Kampfmaschine einsetzte. Ein Jahr vorher legte sich bereits Chuck Norris in THE OCTAGON mit den vermummten Mordbuben an, doch erst mit ENTER THE NINJA wurde der Ninja auch als Hauptfigur interessant. Während spätere Auswüchse des Trends sich nicht gerade Freunde bei Staatsanwaltschaft und Behörden machten, ist der Grundton von ENTER THE NINJA trotz aller Gewaltdarstellung überwiegend sonnig. Man erkennt deutlich Golans Handschrift: Vom pathetischen Freundschaftsdrama inklusive sentimentaler Kriegsverklärung und Impotenzgeständnissen bis hin zur tumben Komödie reicht das Spektrum dieses Films, der gleichzeitig auch der Auftakt für die erste Ninjafilm-Reihe der Cannon war (es folgten REVENGE OF THE NINJA und NINJA 3: THE DOMINATION). Später wurden die Martial-Arts-Elemente noch deutlich stärker in den Vordergrund gestellt, während ENTER THE NINJA über weite Strecken noch ninjaloses Abenteuerkino mit Exotenbonus ist, dessen fernsehhafter Trivialcharakter durch die Anwesenheit Zachi Noys am deutlichsten repräsentiert wird. Die Besetzung Franco Neros als Ninja trägt ihriges dazu bei, dass die Kampfszenen eher pflichtschuldig abgehakt werden: Man sieht doch deutlich, dass da ein anderer in seinem Kostüm steckt. Richtig schön ist hingegen die Creditsequenz, in der Sho Kosugi zu dynamischen Percussions seine Fingerfertigkeit im Umgang mit diversen Ninjawaffen demonstrieren darf und die den Rest des Films stimmungsmäßig weit übertrifft. ENTER THE NINJA bietet trotz aller Kritikpunkte immerhin akzeptable und routiniert inszenierte Unterhaltung. Und laut IMDb könnte es nächstes Jahr sogar ein Revival geben, denn dort wird ein von Steven E. DeSouza gescripteter Film namens RETURN OF THE NINJA angekündigt ...
#865
Geschrieben 23. Juli 2007, 12:31
Regie: Ronnie Rondell jr.
Clete Harris (Wings Hauser) verbummelt seine Zeit biertrinkenderweise als Angestellter des Peace Corps in Honduras als ihn die Nachricht von der Ermordung seiner Familie erreicht. Offensichtlich war sein Bruder, ein erfolgreicher Football-Profi, auf die schiefe Bahn und dabei einem bolivianischen Drogendealer in die Quere geraten. Clete macht sich auf die Suche nach den Mördern, wobei ihm der Waffenspezialist Randy (Robert Tessier) tatkräftig zur Seite steht ...
Eighties-Action vom Allerfeinsten! In diesem B-Film (der in Deutschland anno '87 noch im Kino lief) werden so ziemlich alle Register dessen gezogen, was man diesem Genre gemeinhin zuschreibt: ein abgerissener und keineswegs porentief reiner Einzelgänger als Held, eine einfache Story, zupackende Gewalt und jede Menge Feuerkraft. Dennoch ist NO SAFE HAVEN keineswegs nur ein die gängigen Formeln abspulendes Vehikel zum Aggressionsabbau, denn Ronnie Rondells Film bedient sich eines merkwürdig eklektizistischen Drehbuchs, das den Brückenschlag zwischen den beiden Grundpfeilern der Eighties-Action – militärischer Einsatz und Großstadtterror – versucht und gewinnt. Die knallharte Drogen- und Rachemär der ersten Stunde weicht im letzten Drittel dem Angriff auf das bolivianische Domizil des Drogenbarons, bei dem sich der Dirty Harry des B-Films, Wings Hauser, auch als Soldat in Tarnkleidung beweisen darf. Aber auch sonst ist NO SAFE HAVEN ziemlich reich an kleinen Schlenkern, Subplots und Schrägheiten, die eine interessante Sichtung garantieren. Rondell hat seinen Film bis zum Anschlag vollgepackt, sodass zwar nicht alles zur vollsten Zufriedenheit ausgespielt werden kann, der Film aber gerade durch diesen etwas fragmentarischen Charakter eine sehr eigene Note erhält. Schon der Auftakt lässt es ordentlich krachen und eigentlich gibt es über die gesamten neunzig Minuten keine einzige Länge. Besonders gut haben mir die Szenen auf dem Schrottplatz von Waffennarr Randy gefallen, der auch schonmal seinen Sohn die Reinigung der zahlreichen Zerstörungsmaschinen vornehmen lässt und außerdem einen Heidenspaß daran hat, die zahlreichen Schrottautos zu Demonstrationszwecken hochgehen zu lassen. Auch Eighties-Regular Branscombe Richmond hat eine sehr schöne Rolle als Killer abbekommen und darf mit Tommy Pipers Stimme ordentlich ausrasten, bevor ihm Clete Harris den Scheitel mit einem Schnellboot zieht. Übrigens Clete Harris: Dieser Name war dem deutschen Verleih wohl zu wenig gängig und kernig, weshalb sie aus im flugs einen "Clint Harris" machten. So lautet der Film auf dem minimal geschnittenen UFA-Tape: CLINT HARRIS – MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND. Wer anhand des Covers, auf dem "Clint Harris" sehr schick im Smoking zu sehen ist, einen amerikanischen B-James-Bond erwartet, wird zwar ein bisschen enttäuscht werden (auch wenn es durchaus einige Parallelschaltungen zum britischen Spion gibt), diese Enttäuschung aber wahrscheinlich ziemlich schnell überwinden ...
#866
Geschrieben 23. Juli 2007, 13:22
Regie: George Pan Cosmatos
Die Inhaltsangabe spare ich mir hier einmal, schließlich dürfte das Sequel zu FIRST BLOOD wohl einer der berühmt-berüchtigsten und außerdem erfolgreichsten Filme der Achtziger sein, der zudem ganze Heerscharen von Nachziehern maßgeblich beeinflusste. Damals verursachte der von Stallone und Cameron gescriptete Film einen wahren Aufschrei in Medien und Politik, denn einen solch kompromisslosen, infernalisch brutalen und antikommunistischen Film hatte man – so behauptete man zumindest – noch nicht gesehen. Aller Kontroverse zum Trotz tut man RAMBO: FIRST BLOOD, PART 2 jedoch Unrecht, wenn man ihn als Idiotenfilm abkanzelt, denn das Feuerwerk, das hier in inszenatorischer und dramaturgischer Hinsicht abgebrannt wird, dürfte zu den Glanzleistungen seiner Zeit zählen, die zudem das perfekte formale Gerüst für den radikal kontroversen Inhalt darstellt. Gemessen an den modernen Actionfilmen, die krampfhaft bemüht sind, gleich von Beginn an Vollgas zu geben, nimmt sich RAMBO: FIRST BLOOD, PART 2 relativ viel Zeit. Kein Wunder, dass er seine Zuschauerschaft in erster Linie aus den Ü-30ern rekrutiert, deren Aufnahmefähigkeit noch nicht durch Teletubbies, Power Rangers und Jamba-Monatspaket getrübt ist. Jüngeren wird das erste Rambo-Sequel wohl als lahm erscheinen, was mal wieder zeigt, wie wenig die Mittel (und Wirkungen) klassischer Filmkunst heute überhaupt noch als solche wahrgenommen werden. Die Action ist sehr punktuell gesetzt, es gibt immer wieder Ruhepausen, in denen zum einen der Konflikt zwischen den ehrlichen Soldaten und den bürokratischen Technokraten in der Führungsetage entwickelt wird, zum anderen das Trauma des John Rambo herausgearbeitet wird: Der uramerikanische Supersoldat ist seinem Gegner, den Kommunisten, eigentlich näher als man das zunächst erkennen wollte. Er wird in den Dialogpassagen immer wieder als entindividualisierte, auf nacktes Funktionieren reduzierte Kampfmaschine dargestellt, deren militärische Ausbildung letztlich seine eigene Existenz untergräbt. John Rambo hat es gelernt seine eigene Existenz zu negieren, wenn es die Umstände verlangen. Die makellos funktionierende Kampfmaschine hat durch die Ereignisse des Vorgängers bereits erste Kratzer bekommen. Die Folge dieser Entwicklung ist Rambos zaghafte Menschwerdung, die sich am deutlichsten in der Liebesgeschichte zu der vietnamesischen Agentin Co Bao (Julia Nickson) niederschlägt. Rambos großer Rachefeldzug, der in seinem Einfallsreichtum Erinnerungen an das Slasherkino weckt, ist dann auch kein Kampf der Systeme, sondern ein jeglicher politischer Ideologie befreiter Amoklauf eines Mannes, dem man genommen hat, was ihm endlich wieder einmal Hoffnung auf ein besseres Leben machte. Kurz bevor Co Bao von den russischen Soldaten erschossen wird, ist Rambo bereit, Vietnam zu verlassen, seine Rolle als Soldat endgültig aufzugeben. Das hat man damals wie heute gern übersehen (woran Cosmatos' Film nicht ganz unschuldig ist, man bedenke nur den Schlussdialog). RAMBO: FIRST BLOOD, PART 2 trägt zudem überdeutlich Züge klassischer Tragödien: Wir beobachten einen Mann, dessen eigene Genese ihm die Grundlage eines guten Lebens entzieht. Er ist mitnichten eine übermenschliche Kampfmaschine an der alles abprallt, sondern ein verwundbarer Mensch, der im Stahlgerüst einer Maschine gefangen ist. Der Gegensatz zwischen ihm und den Bürokratenärschen, die bereit sind, Rambo den russischen Gefangenenlagern zu überlassen, ist natürlich reinster Revisionismus. Er besteht darin, dass diese sich keinen übergeordneten Werten und Idealen mehr verpflichtet fühlen, sondern nur noch der nackten und entmenschlichten Rationalität. In dieser Hinsicht irrt auch Rambo, wenn er angesichts der zahlreichen Computer, die seinen Einsatz überwachen sollen, behauptet, er verlasse sich lieber auf seinen Verstand: Rambo ist ein reiner Instinktmensch, kein kühler Rationalist. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Cosmatos' Film in der letzten halben Stunde in einem im Jahr 1985 wohl beispiellosen Inferno endet, das einem auch heute noch die Kehle austrocknet. Für mich ganz persönlich zählt RAMBO: FIRST BLOOD, PART 2 wohl zu den prägendsten Filmerlebnissen überhaupt und auch heute noch packt er mich bei jeder Sichtung an der Gurgel, auch wenn der Blick mittlerweile differenzierter ist, die Überrumpelung nicht mehr so total, sondern reflektiert. Es klingt in den Ohren so manches Cineasten vielleicht nach bewusstem Drang zur Kontroverse, das ist mir jedoch schnurzpiepegal: Ich liebe diesen Film und halte ihn für die Apotheose des Actionfilms, für bis heute nahezu unübertroffenes Affektkino. Ihn mit meinem lieben Freund, dem Außenseiter, bei meinem Besuch bei ihm in Saarbrücken zum ersten Mal seit Jahren wiedergesehen zu haben, wertet den Eindruck für mich noch auf. Der perfekte Rahmen für die Sichtung eines perfekten Films.
#867
Geschrieben 23. Juli 2007, 13:51
Regie: George Roy Hill
T. S. Garp (Robin Williams) hat keinen Vater. Seine Mutter, die burschikose Krankenschwester Jenny Fields (Glenn Close), benutzte die rätselhafte Dauererektion eines amerikanischen Komapatienten, um sich den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen, ohne sich dafür einem Mann hingeben zu müssen. Sexuelle Lust ist ihr fremd und Garps Kindheit und Jugend sind deshalb auch von ihren Übergriffen geprägt, mit dem sie ihm die Freuden sexueller Erfüllung madig macht. Letzten Endes obsiegt jedoch die Natur: Garp verliebt sich in Helen (Mary Beth Hurt), die Tochter seines Ringtrainers, die er schließlich heiratet. Auch beruflich versucht er sich von seiner Mutter zu emanzipieren: Er wird Schriftsteller, steht jedoch bald schon wieder im Schatten der Krankenschwester. Diese veröffentlicht ihre Autobiografie und wird damit zur Vorreiterin einer fanatischen Frauenbewegung, mit der Garp in den folgenden Jahren immer wieder im Clinch liegt. Aber das Leben hält noch andere Rückschläge bereit.
Hills Verfilmung von John Irvings vielleicht bekanntestem Roman trifft den Ton seiner Vorlage ganz gut, wird dem immens unterhaltsamen Buch auch inhaltlich gerecht und ist dennoch alles andere als wirklich befriedigend. Mit THE WORLD ACCORDING TO GARP lässt sich relativ eindrucksvoll belegen, dass eine wirklich gute Literaturverfilmung mehr leisten muss als nur den Inhalt der Vorlage herunterzurattern. Es fehlt dem Film an Richtung und vor allem vermisst man die Stimme, die in Irvings Romanen allgegenwärtig ist. In der Verfilmung ist lange Zeit völlig unklar, wohin der Lebensweg Garps ihn eigentlich führen soll. Der 130-minütige Film wird deshalb manchmal zu einer etwas anstrengenden Gelegenheit, weil man sich als Zuschauer mit seinen Bedürfnissen und Ansprüchen an Narration und Spannungsaufbau beinahe vergessen fühlt. Das Drehbuch macht riesige zeitliche Sprünge, um die wichtigsten Handlungselemente des Romans zu berücksichtigen, vergisst dabei jedoch Kohärenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Das ist sehr schade, denn innerhalb seiner Szenen und kleinen Anekdoten ist THE WORLD ACCORDING TO GARP sehr liebenswert. Robin Williams und Glenn Close erscheinen ideal besetzt, John Lithgow brilliert als transexueller Ex-Football-Profi Roberta. Am Schluss, wenn Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag folgt, ist man jedoch aufgrund des durchweg leichten und leider irgendwie auch beliebigen Tenors des Films, ziemlich verwirrt und – was noch schlimmer ist – emotional komplett unbeteiligt. Nicht gerade ein gutes Zeichen.
#868
Geschrieben 23. Juli 2007, 23:01
Regie: Lucio Fulci
Fulcis Startschuss für das italienische Zombiekino ist vielleicht nicht der beste – diese Auszeichnung dürfte an die GEISTERSTADT gehen – für mich aber auf jeden Fall der schönste Vertreter des Subgenres. Und wie das so oft ist mit Filmen, die man glaubt in- und auswendig zu kennen und todsicher in der richtigen Schublade abgelegt zu haben, plötzlich ringt man ihnen ganz neue Seiten ab. WOODOO hatte ich immer als sehr straightes Erzählkino im Kopf, also als komplettes Gegenteil von GEISTERSTADT, GLOCKENSEIL und FRIEDHOFSMAUER. Zwar verkneift sich Fulci krasse dekonstruktivistische, irrationale und surrealistische Kniffe, aber ganz abwesend sind sie dennoch nicht. Woher die Zombies kommen, nach welcher Logik sie wiederauferstehen bleibt im ganzen Film unklar, was mir eben zum ersten Mal aufgefallen ist. Hier knüpft Fulci dann durchaus an die Romeroschen Zombiefilme an, auch wenn er mit diesen außer der dreisten Anmaßung des Originlatitels atmosphärisch rein gar nichts gemein hat und sich eher auf den klassischen Zombiemythos beruft, den er aber konsequent modernisiert, sprich romeroisiert. Die Voodoo-Religion ist nicht viel mehr als schmückendes Beiwerk zur Schaffung einer bestimmten Stimmung und auch, wenn sie immer wieder erwähnt wird, scheint nicht einmal Fulci selbst so richtig gewusst zu haben, was es genau mit ihr auf sich hat und welche Rolle sie eigentlich spielen soll. Dem Zuschauer kann es herzlich egal sein, denn er bekommt reichlich karibisch-maroden Charme geboten und hypnotische Voodoo-Rhythmen, die fast den ganzen Film über im Hintergrund laufen. Dermaßen in Anspannung versetzt wirken die lustigen Splattereinlagen umso stärker auf den Betrachter. Den Film darauf zu reduzieren, würde ihm aber – wie bei den meisten der "großen" Fulcis – nicht gerecht werden. Es gibt viele einprägsame Szenen, die man garantiert nicht mehr vergisst. Das beginnt bei dem schönen Intro, setzt sich mit dem Fettsackzombie vor der Skyline von Manhattan fort, bevor einem dann noch der Unterwasserzombie mitsamt Hai, der Karlatos'sche Augensplitter und der Sturzbach, der sich aus Auretta Gays Hals ergießt, präsentiert werden – Szenen, über die schon so viel geredet und geschrieben wurde, dass man sie bereits kennt, ohne den Film überhaupt je gesehen zu haben. Ich habe das nun schon an die zehn Mal (grobe Schätzung) getan und genieße ihn immer noch mit jeder Sichtung. Dabei muss ich gar keine schützend-ironisierende Haltung einnehmen. Klar, manche Motivation ist eher einfältig, die chauvinistische Art, mit der McCulloch die Farrow gleich nach dem Kennenlernen und trotz der "rein beruflichen" Natur ihrer Beziehung in den Arm nimmt, lässt einen die Augen verdrehen, und der Weg zum Finlae ist von einigen Plotholes und der Lernunwilligkeit der Akteure gesäumt. Das ist aber völlig egal, weil das Fulci-Universum eh nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert. Die erwähnte Haifisch-Szene, die gern als Beispiel für eine eher unfreiwillig komische Einlage angeführt wird, hat auf mich etwa nie so gewirkt. Mir gefällt sie auch heute noch außerordentlich gut, zumal Fulci sie so selbstverständlich einbaut, dass ich bereit bin, ihm alles zu glauben. Sehr schön dann noch das apokalyptische Schlussbild mit den Zombies auf der Brooklyn Bridge: Es fällt gar nicht auf, dass Fulci nicht mehr als ein paar Statisten zur Verfügung hatte, die Illusion der Zombieinvasion gelingt perfekt. Man addiere den famosen Score von Fabio Frizzi mit seinen dumpfen Sargdeckel-Beats und seinem sentimentalen Synthiethema sowie eine wirklich hübsche deutsche Synchronisation, fertig ist der Film für die ewige Glückseligkeit.
#869
Geschrieben 24. Juli 2007, 14:00
Regie: Corey Yuen
Vorzeigeami Scott Wylde (Loren Avedon) – schicke Fönwell, Hemd in der Hose und keiner Prügelei abgeneigt – besucht seine Freundin Sulin in Thailand. Vorher will er seinen Amikumpel Mac (Max Thayer) finden und geht dafür in eine Boxhalle, wo er direkt in eine Keilerei verwickelt wird und außerdem die kesse Fighterin Terry (Cynthia Rothrock) kennen lernt. Obwohl Mac 'ne Mörderrechte hat, will Scott niemand so recht über dessen Aufenthaltsort Auskunft geben, also disponiert er um und trifft sich mit seiner Ische, nachdem er im schmierigsten Hotel Thailands eingecheckt hat. Mit Sulin macht er wahnsinnig komische Telefonspäße und lässt sich dann von ihr zu einem typisch thailändischen Essen einladen: geröstete Insekten, gedünsteter Leguan und Eingeweidesuppe. Noch nicht einmal Sulin scheint das verspeisen zu wollen und sie hat auch kein Problem damit, dass Charmeur Scott seine ganze chauvinistische Arroganz über dieses unzivilisierte Urwaldvölkchen ausschüttet. Dass er Manieren hat, hat er schon vorher unter Beweis gestellt, als er gemutmaßt hat, dass Sulins Papa ja bestimmt "tierisch viel Kies hat". Ein Mann von Welt. Jedenfalls wird Sulin gekidnappt als die Turteltauben sich in einer leidenschaftlichen Sexszene in Scotts Absteige räkeln (das Elend findet für den Zuschauer seinen erotischen Höhepunkt, wenn endlich abgeblendet wird). Scott wird wegen Mordes verhaftet – er beseitigt die Kidnapper recht rabiat und zieht dabei unglaublich dumme Gesichter –, kann aber fliehen und trifft dann endlich Mac. Wieder gibt es 'ne Schlägerei, wieder wird Scott dann zum Essen eingeladen, wieder gibt es Gekröse und Schlangenblut, wieder folgt eine Keilerei, bei der unter anderem ein Scherge mit einer Handgranate gesprengt wird. Die Dramaturgie aus Schauplatzwechsel plus Keilerei zieht Yuen bis zum Ende nach 105 Minuten durch, die magere "Handlung" ist bereits nach 45 Minuten abgehakt. Obwohl in RAGING THUNDER also immer was los ist, geht ihm gegen Ende doch ganz schön die Puste aus. Nach unzähligen Balgereien machen sich Scott, Mac und die Pilotin Terry auf den Weg zum "Kardamom-Gebirge", weil sie nach einem Tipp, den "Berg des Todes besteigen" müssen, um Sulin zu finden. Wie ihnen ein Rebellenführer mit Weltherrschaftsambitionen – anders lässt sich die Weltkarte, die hinter seinem Schreibtisch hängt, kaum erklären – verklickert, ist der "Berg des Todes" die Geheimbezeichnung für ein Ausbildungslager der russischen Armee, das – oh Ärger! – "in einem ziemlich großen Gebiet liegt", was immer das heißen mag. Die Rebellen sollen eigentlich helfen, werden dann aber wie immer, wenn es in diesem Film scheint voranzugehen, gekillt. Dann wird auch noch Terry entführt, sodass die beiden Kerle allein losziehen müssen. Die Zeit wird langsam aber sicher knapp: Der Oberrusse Yuri (Matthias Hues) hat den Plan nämlich mittlerweile geändert: Er will Sulins Papa nicht mehr erpressen, sondern lässt ihn umlegen. Und weil das Töchterchen dadurch wertlos geworden ist, plant er sie gemeinsam mit Terry an seine Krokos zu verfüttern. Doch da hat er die Rechnung ohne unsere Amiprolls gemacht.
Ich weiß, die Inhaltsangabe ist gemessen am Inhalt des Films viel zu lang, aber diesem Wahnsinn wird man durch einen herkömmlichen Text ja kaum gerecht. In RAGING THUNDER wird US-Action und Hongkong-Geprügel munter miteinander verquirlt und vor allem die unzähligen Kampfszenen lassen den Fachmann Yuen erkennen. So unerträglich und unfähig Avedon als Darsteller auch sein mag, wenn er in Fahrt kommt, sieht das ziemlich beeindruckend aus. In der Szene, in der sich das Trio mit einigen falschen Shaolinmönchen auseinandersetzen muss, die mit lustigen Seiltricks arbeiten, fühlt man sich fast an die Shaw-Brothers-Filme von Liu Chia Liang erinnert. Eine echte Glanzvorstellung liefert auch der deutsche Hüne Hues ab: Er ist groß, bringt seine Dialogzeilen ohne Stottern über die Lippen und hat ein Wohnzimmer mit hübsch drapierten Lenin-Flaggen und anderen UdSSR-Devotionalien. Seine weiße Polyesterpelle, in die er sich am Schluss hüllt, zeugt ebenfalls von Geschmack und Stil. Ich erinnere mich noch an die Aushangfotos von KARATE TIGER 2, wie er hierzulande hieß, auf denen ich die Rothrock immer für einen Typen hielt – nicht nett, aber mit ihrem Bubikopf sieht sie nicht gerade weiblich aus. Bezeichnenderweise kommt die halbherzig entwickelte Lovestory zwischen ihr und Mac auch nie so wirklich aus den Puschen. Dass der Film in Deutschland in die KARATE TIGER-Reihe eingemeindet wurde, ergibt zwar nicht viel Sinn, aber in den USA ist man nicht anders verfahren und hat ihn ebenfalls zu NO RETREAT, NO SURRENDER 2: RAGING THUNDER gemacht. Was Yuen, einer der renommiertesten Action-Regisseure aus Hongkong, heute über diesen Film denkt, bleibt Anlass zur Spekulation. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er sich an Avedons Schauspielkunst allerhöchstens noch in Albträumen erinnert. Ebenso wahrscheinlich wie an die Requisiten-Meisterleistung des Films, eine russische Kiste mit russischen Waffen mit "Made in the USSR" zu beschriften.
#870
Geschrieben 25. Juli 2007, 23:59
Regie: Paul Michael Glaser
In nicht zu ferner Zukunft herrscht mal wieder ein totalitäres Regime, das alle Bereiche des Lebens infiltriert hat und sich vor allem eines perfiden Propagandaapparates bedient: des Fernsehens. Erfolgreichstes Instrument dieser Propaganda ist die Gameshow "The Running Man", ein Menschenjagdspiel, das von dem zynischen Damon Killian (Richard Dawson) moderiert wird. Kandidat seiner neuesten Sendung wird der Ex-Soldat und geflohene Häftling Ben Richards (Arnold Schwarzenegger), der angeblich Hunderte von Unschuldigen bei einem Einsatz umgebracht hat, was natürlich nur eine weitere Propagandalüge ist. Doch Richards reißt die Show an sich, wird zum gefeierten Helden des Publikums und schafft so die ideale Atmosphäre für ein bisschen Rebellion und Umsturz ...
THE RUNNING MAN ist wohl einer der populärsten Actionfilme der späten Achtziger und ist eine der letzten Leitersprossen, die Schwarzenegger vor seiner Gottwerdung mit T2 erklimmen musste. Hier steht – auch wenn das verglichen mit heutigen Blockbustern kaum so aussieht – in großen Lettern "Eventkino" drauf: Den Hauptdarsteller hatten wir schon, die Vorlage stammt aus Stephen Kings (bzw. Richard Bachmanns) bestsellergarantierender Feder, die Adaption ist von DeSouza, der vorher schon COMMANDO geschrieben hatte (und das Actionkino der Neunziger fast allein zu verantworten hat). Er kneift sich eine lange Exposition, groß angelegte Spannungsbögen oder ausgefeilte Charakterisierungen und gibt der Meute, was sie braucht, nämlich Action und mundgerecht verpackte Gewalt. Das bedeutet zwar, dass der RUNNING MAN gegenüber vergleichbaren Mediendystopien wenig ambitioniert und noch weniger tiefschürfend ist, aber gerade das passt hier wie die Faust aufs Auge. Denn das Übel geht in Glasers Film vom blöd gaffenden Publikum aus, das nach Sensationen lechzt und bereitwillig alles glaubt, was ihm von der Röhre entgegenblafft. Der Staat muss sich deshalb gar keine allzu große Mühe geben, die Wahrheit zu vertuschen: Er lässt nach Richards gescheitertem Fluchtversuch, den man im Fernsehen zum wahren Amoklauf hochkocht, eine Augenzeugin (Maria Conchita Alonso) leben und die mit Namensschildchen ausgestatteten Leichen der sich angeblich auf Maui aufhaltenden Gewinner der letzten Show achtlos irgendwo in den Ghettos herumliegen. Die Zeichen sind überall, aber niemand sieht sie. Auffällig oft schwenkt Glaser über die Zuschauermassen in den Studios und auf den Straßen, die nach dem nächsten Mord gieren. Durchaus möglich, dass sich Hollywood hier selbst aus der Verantwortung stehlen wollte, aber man kann nicht anders als staunen, mit welcher Nonchalance und Beiläufigkeit von der Verachtung des Zuschauers durch die Medien erzählt wird. Wer die Mediensatiren der letzten Jahre im Kopf hat, dem wird in THE RUNNING MAN auffallen, wie wenig er sein eigenes Medium formal reflektiert: Es gibt keine Wackelkamera, keine Ebenenverschiebungen, keine Perspektivitätsspielchen. Seinen einzigen selbstreflexiven Moment hat der Film ganz am Ende des Abspanns, wenn plötzlich ein Werbejingle für den filminternen Fernsehsender eingespielt wird. Hier und auch bei einigen der im Film am Rande erwähnten fiktiven Fernsehshows – mein Favorit ist eindeutig das "Hate Boat" – drängt sich der Vergleich zu Verhoevens bissiger Mediensatire in ROBOCOP oder STARSHIP TROOPERS förmlich auf.
In meiner Erinnerung sieht THE RUNNING MAN immer eher billig und plastikhaft aus. Ich glaube, das liegt nicht zuletzt daran, dass er seine Zeit stärker als seine Zeitgenossen auch optisch und akustisch widerspiegelt. Harold Faltermeyer hat den Score eingeklimpert, John Parr singt das Schlussliedchen, das voller lustiger Eighties-Phrasen ist, Paula Abdul hat die Choreografie der Tanzeinlagen vorgenommen. Glasers Film ist sicherlich kein Kandidat für eine Auszeichnung mit dem Prädikat "zeitlos", das sich etwa TERMINATOR erworben hat (obwohl der seine Zeit nun auch nicht gerade verheimlicht) und man wundert sich schon darüber, wie wenig hier der Eindruck von Größe vermittelt wird. Das ändert aber nix daran, dass THE RUNNING MAN ein extrem gut rein- und ohne Beschwerden wieder rauslaufendes Tröpfchen ist, dem man sich fast im Halbschlaf hingeben kann, weil man keinerlei intellektuellen Aufwand betreiben muss, um ihm zu folgen. Dystopie light, sozusagen. Die Besetzung ist über die Jahre deutlich reizvoller geworden: Jesse Ventura, Professor Toru Tanaka, Yaphet Kotto, Jim Brown und allerhand geläufige Nebendarsteller, die mal kurz durchs Bild huschen. Ja, doch, ein rundum schmackhafter Kracher, dessen einzige wirklich ins Gewicht fallende Verfehlung die mit absolut zuverlässiger Penetranz vorgetragenen Post-Mortem-One-Liner aus dem Munde des Governators sind. Das hat damals schon bei Roger Moore keiner mehr sehen wollen ...
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