Der Monroe ihre dicken Hupen
#31
Geschrieben 19. April 2005, 20:49
Hölle und Verdammnis, dieser Film rockt und zwar mit drei großen "R"! Ein Film aus der mittleren Phase des Duos, inszeniert zur Abwechslung mal wieder von Sergio Corbucci und gut geeignet Film, um mal die Stärken eines Spencer-und-Hill-Films aufzuzählen:
1) Eine reduzierte, parabelhafte Handlung: Terence ist Johnny ("Muttis Johnny" wie er sich selber nennt), seines Zeichens Supertyp und Sportskanone bei der Marine, mit dem Sonderauftrag, eine in Florida operierende Falschspielerbande hochgehen zu lassen. Bud ist Charlie, ehemaliger Zockerprofi und unwissenderweise sowohl Johnnys Kontaktperson als auch dessen Bruder. Das war's.
2) Bildhafte, poetische Dialoge vom Minnesänger der Synchronisation, Rainer Brandt. Egal ob Lebensweisheiten ("Der Weg zum Griechen immer lohnt, auch wenn er etwas weiter wohnt", "Apfelsaft schafft Pokerkraft"), Kosenamen für die Herzensdame ("Mullemaus"), oder herzhaft Absurdes ("GV, der Glücksfaktor") - Rainer Brandt trifft immer den richtigen Ton.
3) Unzweckmäßig Selbstzweckhaftes: In diesem Film gibt es Autorennen, Pferderennen, ein Pelota-Match, einen Besuch in Seaworld und nur mäßig überzeugend in den Film montierte Delphinaufnahmen.
4) Altbewährt unvergängliches: Prügeleien en masse, RICCARDO PIZZUTI!!! (der am Ende seine Zähne ausspucken darf), zwei Falschspielszenen, die fast an jene aus VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA herankommen und Spencers Leibgericht, Bohnen mit Zwiebeln etc. pp.
Der Komplettierung halber sei angemerkt, dass die Charakterisierung der beiden Helden in diesem Film wirklich minimal anders ist, was aber nur Spencer-und-Hill-Erprobten der dritten Stufe auffallen wird.
#32
Geschrieben 20. April 2005, 14:05
Oh Mann, dieser Film ist ein zweischneidiges Schwert: Stephen Chows Nachfolgewerk zu dem wunderbaren SHAOLIN SOCCER zieht nämlich in der ersten Hälfte wirklich alle Register – fast war ich angesichts des visuellen Einfallsreichtums, der umwerfenden Komik, der fantastischen Kameraarbeit und der schieren Opulenz des Gezeigten geneigt, die Wiedergeburt des Hong-Kong-Kinos auszurufen. Am Ende ist KUNG-FU HUSTLE zwar alles andere als schlecht, aber leider auch nicht ganz das Wunderwerk, das man nach dem fulminanten Beginn erwarten konnte.
Aber zunächst zur Handlung, denn die macht es einem leichter: Sing (Stephen Chow) ist ein räudiger Straßenkater wie er im Buche steht (und wie er von Chow schon in SHAOLIN SOCCER gegeben wurde): Sein großer Traum ist es ein Gangster und berüchtigter Killer der so genannten "Axe Gang" zu werden – ein ehrenwerter Wunsch! Dummerweise gibt es für solche Berufswünsche keine Berufsberater und auch der Stellenmarkt ist nicht gerade ergiebig. Kein Wunder, dass sich Sing extrem dämlich anstellt und immer auf die Zwölf kriegt. Aber auch der Axe Gang geht es nicht besser: Die beißt sich nämlich die Zähne an den Bewohnern eines großen Appartementkomplexes aus, von denen sich einige als echte Kung-Fu-Meister entpuppen. Bald ergibt sich für Sing die Chance, einzugreifen, doch am Ende muss er erkennen, dass es besser ist, für die gute Seite zu kämpfen ...
Die Story ist nicht neu, aber was Chow daraus macht, ist atemberaubend. Wunderbare Kamerafahrten, traumhaft choreographierte Actionszenen, punktgenau getimte Slapstickeinlagen und Gags und eine Atmosphäre, die mich manchesmal – ungelogen! – an den guten alten Sergio Leone denken ließ. Wow! Ich saß gebannt vor dem Bildschirm, die Kinnlade auf der Brust und hätte meine Freundin mich nicht zurück gehalten, ich hätte mir wohl die Nase an der Mattscheibe plattgedrückt. So schön kann Kino sein!
Doch irgendwann verliert Chow das Ziel aus den Augen: Von der charmanten, originellen und edlen Gangsterkomödie wandelt sich der Film zum reinen Kung-Fu-Effektspektakel. Das allein ist noch kein Beinbruch, wenn es nicht gerade die Liebe zum Detail, die Seele gewesen wäre, die einen so in den Bann geschlagen hat. Dazu kommt noch, dass Chow mehr und mehr den trügerischen Meriten des "Höher, schneller, weiter" erliegt: Wurde der Film bis dahin durchaus von den Schauspielern getragen, geraten die nun zusehends zu Gunsten der Effekte ins Hintertreffen. Fast kommt man sich vor, als sähe man einem Videospiel zu. Besonders ärgerlich ist dabei auch, dass die meisten Effekte schon aus SHAOLIN SOCCER bekannt und lediglich technisch etwas aufpoliert wurden.
Am Ende bleibt natürlich immer noch ein Film, der anderthalb Stunden reuefreies Entertainment bietet. Nach dem wirklich begeisternden Auftakt des Filmes ist das aber eigentlich zu wenig. Wer SHAOLIN SOCCER mochte, wird auch hier seinen Spaß haben. Trotzdem war der wahnsinnige Fußballfilm besser, weil runder. Egal, trotzdem gucken! Die erste Stunde ist ein Augenöffner!
#33
Geschrieben 20. April 2005, 17:21
Auch wenn einschlägig vorbelastete unter dem deutschen Titel DER LEOPARD Titel vielleicht eher einen Antonio-Margheriti-Söldnerfilm mit Lewis Collins und Klaus Kinski erwarten (möchten?), handelt es sich hierbei selbstverständlich um Luchino Viscontis bildgewaltige Verfilmung von Giuseppe Tomasi di Lampedusas einzigen Roman desselben Titels.
In der Hauptrolle glänzt Burt Lancaster, neben dessen Leistung Stars wie Alain Delon, Claudia Cardinale und Terence Hill (unter seinem bürgerlichen Namen Mario Girotti) sehr, sehr klein aussehen. Wer – so wie ich – von Visconti bisher nur die Filme der "Deutschen Trilogie" kannte, also DIE VERDAMMTEN, DER TOD IN VENEDIG und LUDWIG II., wird vermutlich schwere Kost erwarten und dann frohlocken ob des gebotenen Schauspiels.DER LEOPARD ist nämlich trotz seiner gegen jegliche "Geiz-ist-geil"-Mentalität gerichteten opulenten Spielzeit von ca. 180 Minuten erstaunlich kurzweilig, teilweise sogar richtig lustig. Und das – die Wunder nehmen kein Ende – obwohl eigentlich gar nicht schrecklich viel passiert in diesen drei Stunden.
Aber von vorn: Burt Lancaster ist der titelgebende Leopard, Don Fabrizio Corbera, Fürst von Salina, Abkömmling eines alten sizilianischen Adelsgeschlechts. Sein Neffe Tancredi hingegen gehört zur republikanischen Revolution, die die Monarchie überwerfen und Sizilien zu einem Teil der konstitutionellen
Monarchie Italiens machen wollen. Don Fabrizio sieht dieser Entwicklung skeptisch, aber mit leichter Resignation entgegen: Er gehört zu einer aussterbenden Generation, die Platz machen muss für die nachfolgende. So arrangiert er sich mit den herrschenden Kräften und vermählt Tancredi mit der Tochter des bürgerlichen Calogera Sedara, Angelica. Der Film endet mit einem großen Ball, bei dem Don Fabrizio erkennt, dass eine Zeitenwende ansteht und er von der Geschichte aussortiert worden ist ...
Ich möchte zu diesem Film gar nicht viel sagen: Es geht um Alter und Jugend im weiteren und das Wesen von Revolution und Fortschritt im engeren Sinne, um den Tod, das Alte und das Neue. Diese schweren Themen werden hier aber nicht diskursiv, sondern eher instinktiv, emotional und mit einer Leichtigkeit behandelt, die beeindruckt. Dass der Film seit langer Zeit endlich in einer ungekürzten deutschen Fassung zu bestaunen ist, sollte Anlass genug sein, diesen Klassiker anzuschauen, sofern das noch nicht geschehen ist.
#34
Geschrieben 21. April 2005, 18:24
Oft ist es ja von Vorteil, mit niedriger Erwartungshaltung an einen Film heranzutreten. So ist man auf das Schlimmste gefasst, und da man ja meist dazu neigt, in der Vorstellung alles in den schwärzesten Farben auszumalen, kommt so mancher Film sogar noch ganz gut weg, wenn man ihn dann sieht. Ich war auf einen echten Tiefschlag vorbereitet, als ich GHOSTS OF MARS sah, bereit, meinen Spaß an einem doofen Film zu haben, den ich unter anderen Voraussetzungen wahrscheinlich als reines Ärgernis empfunden hätte. Die erste halbe Stunde funktionierte diese Taktik auch noch ganz gut. "Ist doch alles halb so schlimm", dachte ich. Es stellte sich sogar kurz dieses Gefühl großer Bedrohung ein, dass niemand so gut zu inszenieren weiß (wusste?) wie Carpenter. Mittlerweile weiß ich: Das lag nur an der typischen Carpenter-Stampfmusik.
Doch dann bricht alles zusammen: Bekommt man die titelgebende Bedrohung erstmal zu Gesicht – Marilyn-Manson-Fans, die die Mad-Max-Requisite geplündert haben – fragt man sich ernsthaft, was Carpenter dazu bewogen hat, diesen Film zu drehen und mit seinem Namen zu unterzeichnen. Der Mann muss verzweifelt sein! Die Dialoge sind hanebüchen, die Schauspieler bemühen sich, sich in ihrem Dilettantismus gegenseitig zu überbieten, die Action ist platt und stumpf und Spannung will schon gar nicht aufkommen. Da kann man sich auch über die zwei, drei heftigen Splattereffekte nicht freuen. So weit, so doof. Aber es kommt noch schlimmer, denn Carpenter hat auch noch was zum Geschlechterkonflikt zu sagen. Also lässt er seinen Film in einer matriarchaischen Gesellschaft spielen, was seiner Meinung nach bedeutet, dass im Gegensatz zum Patriarchat halt diesmal die Frauen an der Macht sind, sprich: sich benehmen wie Kerle. Die Kerle hingegen benehmen sich nicht wie Frauen, denn sie wissen ja: Jede Frau braucht einen harten Schwanz. (Und wenn nicht, dann ist sie halt lesbisch, so wie Pam Grier, die direkt zu Beginn Natasha Henstridge anbaggert.) Deshalb knutscht Natasha dann in einer selten blöden Szene tatsächlich mit dem unsympathischen und schwanzfixierten Macho Jericho (Jason Statham), der in anderen Filmen für sein chauvinistisches und nervtötendes Gewichse erschossen worden wäre.
In einem anderen Film hätte ich mich über solcherlei Dummdreistigkeiten gefreut, ja, ich hätte sie bejubelt. Doch für dieses langweilige Nichts von einem Film bedeuten sie den finalen Todesstoß.
Mannomann, ist der Film blöd.
#35
Geschrieben 23. April 2005, 10:33
In FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS gibt es diese Szene, in der der alle Geschwindgkeitslimits brechende Johnny Depp/Hunter S. Thompson von dem Streifenpolizisten Gary Busey angehalten wird, der dann ein durchaus sexuelles Interesse an dem Gonzo-Journalisten signalisiert. "Ich war von allen Seiten gefickt worden" sagt Johnny Depp sinngemäß in der nächsten Szene – eine Aussage, die auch geeignet ist, zu beschreiben, wie man sich nach diesem koreanischen Bastard von einem Film fühlt. Wer sich manchmal fragt, wie es wohl wäre, noch einmal zum ersten Mal einen Film zu sehen, der kann dieses Gefühl mit SAVE THE GREEN PLANET! ganz gut simulieren.
STGP! zeigt sehr deutlich, in welch eingefahrenen Bahnen sich unsere Erzählungen doch meist bewegen. Auch wenn wir hier und da noch überrascht werden: Unsere Geschichten basieren allesamt auf tradierten Erzählstrukturen und -konventionen, die uns so vertraut sind, dass wir sie nur nicht mehr bemerken. Selbst für vermeintliche Überraschungsmomente gibt es vorgesehene Leerstellen im Erzählbaukasten: Man denke nur mal an den Spannungsaufbau im Slasherkino. Dass man Geschichten aber auch wirklich anders erzählen kann, als wir das gewohnt sind, zeigt Jun-hwan Jeong in seinem Film.
Lee Byeong-gu ist ein gesellschaftlicher dropout, der der Überzeugung ist, dass Aliens auf unserem Planeten die Invasion vorbereiten. Kang Man-shik, einer von Seouls größten Konzernbossen, ist so ein Alien. Zusammen mit seiner Frau kidnappt Lee den Industriellen und unterzieht ihn einer Spezialbehandlung, um die Invasion, die in sieben Tagen bevorsteht, zu verhindern.
Was wie eine Komödienadaption von FLETCHERS VISIONEN (immer noch nicht gesehen, hiermit vorgemerkt) beginnt, macht im Verlauf der Handlung eine Metamorphose quer durch die Filmgenres durch: von der Komödie zum True-Crime-Kino, zur Tragödie und schließlich zum Science-Fiction-Film. Dabei sind aber nicht nur einzelne Handlungsmotive betroffen, sondern jeweils der ganze Ton des Films. Vom albernen Slapstickhumor über heftige, runterziehende Gewalt, erschütterndes Charakterporträt und philosophisches Diskurskino deckt der Film das komplette Gefühls- und Geistesspektrum ab. STGP! gelingt dieser Brückenschlag ohne jegliche Abstriche. Weder entsteht der Eindruck eines chaotischen Stilmischmaschs, dass es allen recht machen will, noch werden Einzelaspekte der ganzen Erzählung in Mitleidenschaft gezogen. STGP! macht in jeder Sekunde alles richtig.
Und wo man bei den "unberechenbaren" Filmen aus Hollywood oder Europa oft das Gefühl hat, für einen Plottwist verkauft zu werden (siehe die Drehbuchverrenkungen, die Filme wie SCREAM, SAW oder ähnliche machen, nur um am Ende eine Überraschung bereitzuhalten), beweist Jun-hwan Jeong das Geschick, nicht einfach gegen jede Logik plotzutwisten, sondern den Zuschauer tatsächlich an der Nase herumzuführen und ihn immer wieder auf seine eigenen Fehlschlüsse zu stoßen. Das Drehbuch dieses Films ist schon eine Wucht. Kein Gag, kein Schlenker wird hier zum Selbstzweck gemacht, alles hat seinen Sinn: Aber der ist so gut verborgen, dass man als Zuschauer lange, lange nicht weiß, was eigentlich los ist.
Also: Ich fühlte mich nach dem Film wie nach dem Ersten Mal: Benommen, ein bisschen enttäuscht, körperlich überwältigt und verdammt glücklich. Und ich hatte das Bedürfnis, es gleich noch einmal zu tun ...
#36
Geschrieben 23. April 2005, 11:25
Nach KUNG-FU HUSTLE musste doch auch dieser Komödienklassiker von Stephen Chow noch einmal bestaunt werden. Zwar zeigen sich jetzt, nach der xten Betrachtung, leichte Abnutzungserscheinungen, aber der Film schafft es immer noch, mir die Sonne ins Herz zu zaubern.
Was SHAOLIN SOCCER von KUNG-FU HUSTLE in erster Linie unterscheidet, ist der trashige Charme. Die zahlreichen Computereffekte können nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film im Grunde eine kleine, alberne Komödie ist, der manchesmal ganz schön die Pferde durchgehen. Der Humor ist eine ganze Ecke zotiger als im selbstbewussten KUNG-FU HUSTLE und auch die zahlreichen Effekte wissen hier eher durch ihren Einfallsreichtum als durch technische Brillianz zu überzeugen. Übelnehmen möchte man das diesem Film nicht, dafür ist er einfach zu charmant und witzig. Die Infantilität, die sonst so manche Hongkong-Komödie zum Stolpern bringt, lernt man hier als willkommenen Ausbruch aus der Norm zu schätzen.
Schon die Grundidee einer Verbindung von Fußball und Kung-Fu ist einfach nur sensationell. Allerdings sollte man seine Erwartungen, was fußballerischen Realismus angeht, nicht zu hoch schrauben, aber das sollte sich bei dem Titel ja eigentlich von selbst verstehen. Das Bild, das hier von Fußball vermittelt wird, ist wirklich mehr als naiv. Die gezeigten Matches sind eher mit fußballerischen Mitteln ausgetragene Kung-Fu-Kämpfe als umgekehrt. Die Verantwortlichen haben jedenfalls ganz offensichtlich weder die Regeln noch den Ablauf eines echten Fußballspiels begriffen. Und ich glaube, die Idee, sich darüber zu erkundigen, kam ihnen auch gar nicht in den Sinn. Da stürmt die Abwehr (?) blind bei jedem Abschlag nach vorne, Tore werden geworfen und die Torhüter haben die dumme Angewohnheit, den Stürmern den Ball nach gelungener Parade gleich noch einmal zu überlassen, um ihnen erneut zu beweisen, dass sie unüberwindbar sind. Das ganze erinnert sehr an diese Anime-Reihe um ein Jugendfußballteam, die irgendwo im Morgenprogramm läuft.
Wer sich darüber jedoch ärgert hat entweder den Schuss nicht gehört oder geht zum Lachen in den Keller, weil es da so schön gemütlich ist. Allein schon für das Schauspiel, zwei sympathische Totalversager in Shaolin-Mönch-Verkleidung eine chinesische Version von Bobby Womacks "California Dreaming" singen zu hören, mit dem sinngemäß übersetzten Text "Shaolin Kung-Fu is great", sollte man sich diesen Film zu Gemüte führen. (Ob die deutsche Synchronisation was taugt, kann ich nicht beurteilen.)
#37
Geschrieben 23. April 2005, 11:55
Mäßige amerikanische Teenie-Komödie, die sich nicht so recht entscheiden kann, ob sie nun doch eher im subversiven Fahrwasser der Farrelly-Komödien oder vergleichbarer Verteter schippern, oder sich doch lieber der AMERICAN PIE-Zuschauerschar annehmen will. Aber EUROTRIP scheut sich immerhin nicht, nacktes Fleisch ins rechte Licht zu rücken, statt immer nur so zu tun, als ob (wie oben genannte Reihe).
Der Konflikt Amerika/Europa, der in dieser lauten Komödie den Boden der meisten und besten Gags bereitet, ist zwar mehr als fruchtbar, oft weiß man aber angesichts des Gezeigten nicht so recht, ob die Amis hier ihre eigene Borniertheit auf die Schippe nehmen wollen, oder ob sie sich nicht eigentlich doch gerade für diese auf die Schulter klopfen. Frei nach dem Motto: "Hey, wir sind zwar dumm und ungebildet, aber dafür kommen wir aus God's own country!" Einige Szenen sprechen durchaus für ersteres (etwa wenn eine der Hauptfiguren behauptet, dass Europa in etwa so groß wie eine Shopping-Mall sei und Deutschland und Frankreich ob ihrer Nachbarschaft seit jeher Verbündete), andere legen letzteres nahe (so steigen die vier Hauptfiguren mit ihren 50 Cent zu den mächtigsten Personen Bratislavas auf).
Es ist wie immer wenn Klischees zur Zielscheibe des Humors werden: Manchmal ist es lustig, zu sehen, was andere so denken, oft will man das aber auch lieber gar nicht wissen. Der nächste Film. der einen – natürlich! – schwulen Italiener als Witzfigur aus dem Hut zaubert, wird von mir jedenfalls direkt wieder ausgeschaltet.
Hervorzuheben ist, dass man nicht nur an europäischen Originalschauplätzen drehte, sondern auch auf Schauspieler aus den entsprechenden Ländern zurückgriff. So kommt man in den Genuss, den Vollzeitproleten Vinnie Jones als Anführer einer Bande von Manchester-United-Hools zu erleben. Einer der absoluten Höhepunkte des Films. Auch der Auftritt von Matt Damon als kahlrasierter, gepierceter und tätowierter Sänger einer Punkband ist eine Überraschung. Und Deutschland hat nicht nur Dominik Raacke als Lastwagenfahrer und Walter Sittler als Vater des Love Interest des Films, Jessica Boehrs, zu bieten, sondern – wie könnte es anders sein – natürlich auch eine Nazi-Szene der besonderen Art ...
Kann man angucken, muss man aber nicht.
#38
Geschrieben 25. April 2005, 18:16
Der erste Spielfilm des Videoclipregisseurs Jonas Akerlund versetzt den Zuschauer in die Gesellschaft von Amphetamin konsumierenden White-Trash-Gestalten, die sich die Klinke ihres Dealers in die Hand geben und deren Tage im Rausch übergangslos zusammenfließen. Eine nicht ungeschickte Wahl des Sujets, bietet doch die filmische Umsetzung des Drogenrauschs zahlreiche Möglichkeiten, visuelle Spielereien, hektische Schnittfolgen und bizarre Soundeffekte zu einem bewusstseinserweiternden Ganzen zu verrühren: Genau das Richtige also für einen Clipregisseur.
Wenn es um die Komposition von Bild und Ton geht, zeigt Akerlund folgerichtig seine Meisterschaft. Klar, ohne NATURAL BORN KILLERS und dessen Anime-Einlagen und Hochgeschwindigkeitskamera-Aufnahmen gäbe es auch diesen Film nicht. Auch REQUIEM FOR A DREAM stand überdeutlich Pate bei der Umsetzung der Drogenkicks. Und dass bei einer im Drogenmilieu angesiedelten Story auch Obernerd Quentin Tarantino als Einfluss nicht fehlen darf, sollte auch nicht weiter verwundern. Akerlund gelingt es, den Rausch bildlich umzusetzen, und zu zeigen, wie die Dynamik des Rausches die des Lebens immer mehr überdeckt. Ross (Jason Schwartzman), sein Held, frisch vom College geflogen und bei der immer noch geliebten Ex hoch verschuldet, gerät auf der Suche nach dem schnellen Kick an Nikki (Brittany Murphy), die mit dem Drogenkoch "The Cook" (Mickey Rourke) liiert ist. Und weil Ross ein netter Kerl ist und sein brauner Volvo von Zuverlässigkeit zeugt, nimmt "The Cook" ihn für die nächsten zwei bis drei Tage als Privatchauffeur in seinen Dienst. Am Ende dieser schlaflosen Zeit geht Ross das Licht auf, dass er drogenabhängig ist.
Stilistisch lässt sich Akerlund keinen schlechten Shit andrehen, um mal im Jargon zu bleiben. Es ist die Story, bei der deutlich wird, dass er eben eher Formalist als Geschichtenerzähler ist. So weiß man über weite Strecken des Films nicht, was man von dem Gezeigten halten soll. Für eine klare Anti-Drogen-Message ist der Film über weite Strecken viel zu prätentiös: Alles ist so derartig schmierig, eklig, versifft und krank, dass es schwerfällt, darüber nicht zu lachen. Jedoch ist dies auch nicht dem ideologischen Holzhammer zuzuschreiben, dafür zeichnet Akerlund die meisten Figuren dann doch wieder zu sympathisch.
Angesichts der Dauerpräsenz von Drogen, Dreck, hässlicher Unterwäsche, bröckelndem Nagellack und billiger Pornographie liegt der Schluss nah, dass bei der Milieuwahl nicht die Geschichte, sondern vor allem die marketingwirksame Platzierung von Tabubrüchen im Vordergrund stand. Eine Strategie, die in den USA auch funktioniert hat. Hier nimmt man Full Frontal Nudity und On-Screen-Onanie (allerdings mit Socke überm Pillermann) zwar überrascht zur Kenntnis, aber wirklich schocken tut einen das auch wieder nicht – dazu ist einem das nächtliche Werbefernsehen dann doch zu präsent. Beispielhaft ist Ross' Stelldichein mit einer blonden Hupfdohle vom nackttanzenden Gewerbe: Wie der verschüchterte, seiner Ex hinterhertrauernde Junge an diese Person geraten ist, bleibt Akerlunds Geheimnis.
Emotional lässt einen Akerlunds Film kalt: Er amüsiert, ohne weh zu tun. Erst am Ende lässt er sich zu einem Hauch von Menschlichkeit herab. Dieser kurze Augenblick der Besinnlichkeit und Klarheit wirkt anhand des vorangegangenen Spektakels aber wie eine lästige Pflichtübung.
Zu erwähnen sind noch die Schauspieler, die hier alle das beweisen, was in der deutschen Tratschpresse gerne als "Mut zur Hässlichkeit" gepriesen wird und die ihre Sache durchweg ordentlich machen. Gastauftritte gibts natürlich auch. Besonders in Erinnerung bleibt Eric Roberts als transsexueller Drogenbaron.
#39
Geschrieben 27. April 2005, 23:55
Der erste der drei Sollima-Western, die jetzt in einer wunderbaren DVD-Box erschienen sind. Zusammen mit den Corbuccis und Leones gehören die Sollimas mit Sicherheit zu den anspruchsvollsten und besten Italo-Western und sind gut geeignet, die Vorurteile gegenüber diesem feinen Genre abzubauen.
Lee van Cleef ist Corbett, Gesetzeshüter und Anwärter auf einen Regierungsposten, der im Auftrag des Unternehmers Brockston Jagd auf den mexikanischen Bauern, Klein-Revoluzzer und Ganoven Cuchillo, genannt "Messer-Sanchez" (Tomas Milian), macht, der angeblich ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt und umgebracht haben soll. Tatsächlich ist der Mörder Chet, der Schwiegersohn Brockstons. Und da dieser seinen Ruf und sein Geschäft (er will ein großangelegtes Eisenbahnprojekt starten) durch den "Fehltritt" Chets bedroht sieht, kommt ihm der Mexikaner, der Zeuge des Verbrechens war, als Sündenbock gerade recht. Corbett geht auf die Jagd nach Cuchillo, muss aber schließlich im Verlauf des Films erkennen, dass er auf das falsche Pferd gesetzt hat. Die Werte, an die er immer glaubte sind auf dieser Welt längst nichts mehr wert.
Wie auch im zweiten Sollima-Western "Von Angesicht zu Angesicht", stellt Sollima zwei Lebenskonzepte gegenüber, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, um den vermeintlich überlegenen Lebensentwurf dann genüsslich zu dekonstruieren. Der Tagedieb und Bauchmensch Cuchillo ist ein kleiner Verlierer, der aber unbeirrt seinen eigenen Weg geht. Er sieht sich immer auf der Seite der Verlierer, egal was er auch tut, während die eigentlichen Verbrecher immer auf die Rückendeckung des Kapitals bauen können.
Lee van Cleefs Handeln hingegen ist von ganz rationalen Interessen bestimmt: Der Posten im Senat ist ihm zwar gar nicht so wichtig, für ihn steht vielmehr der Vorteil seines Staates Texas im Vordergrund, der durch die von Brockston geplante Eisenbahn profitieren würde. Diese Rationalität ist es auch, die ihn gegenüber Cuchillo immer den entscheidenden Schritt zu spät kommen lässt. Denn während es für Cuchillo um Leben und Tod geht, möchte Corbett nur sein ohnehin schon recht annehmbares Leben versüßen. Der bedingungslose Glaube an die Werte seiner Welt verhindert dann auch, dass er die richtigen Fragen stellt.
Es weht der Geist des Klassenkampfes durch den Film - nicht untypisch für das italienische Kino dieser Zeit (und auch das der nächsten zehn Jahre). Vieles ist deshalb auch etwas angestaubt - der Selbstverständlich-keit, mit der hier die Gleichung arm=gut und reich=böse aufgemacht wird, kann man heute nur eine leise Träne hinterherweinen und dabei die "Internationale" vor sich her summen. Nicht, dass es die finsteren Großkapitalisten nicht immer noch gäbe, aber sie wissen sich heute besser zu tarnen als die Brockstons von einst ...
Dennoch ist Sollimas Western eine echte Meisterleistung nicht nur des Italo-Westerns sondern des Westerns überhaupt. Lee van Cleef und Tomas Milian, der hier ganz schön jung ausschaut und viel sympathischer und weniger aso-prollig rüberkommt als in seinen anderen Filmen (das ist keine Kritik!), sind großartig als ungleiches Duo. Brockston wird gespielt von Walter Barnes, der in einigen Karl-May-Western mitwirkte und den ich immer mit Ben Johnson (nicht dem Doping-Sünder, sondern dem Sam Peckinpah-Regular!) verwechselt habe. Ganz toll ist Ennio Morricones Musik und auch der Proto-Nazi von Schulenburg, Handlanger Brockstons, verschafft dem Film einen echten Exotenbonus.
In meiner Lieblingsszene piekst Cuchillo Corbett mit einem Kaktusstachel und gaukelt diesem so vor, von einer Schlange gebissen worden zu sein. Mit sichtlicher Schadenfreude brennt Cuchillo dem Jäger den "Biss" mit einem heißen Messer aus, um ihm "das Leben zu retten" ...
#40
Geschrieben 29. April 2005, 20:08
Wow, was für ein Film! DER GEHETZTE DER ist ja schon alles andere als schlecht, aber der zweite Western von Sergio Sollima tritt noch mal gehörig nach.
Professor Brad Fletcher (Gian Maria Volonté) muss sich von seinem Amt als Dozent der Universität zu Boston zurückziehen, um sein Lungenleiden im angenehmeren Klima von Texas zu kurieren. Angenehmeres Klima? Klar, dort wird die Luft ja auch regelmäßig gesiebt von Leuten wie Solomon "Beauregard" Bennet, seines Zeichens Anführer der "Wilden Horde". An den gerät Fletcher auch prompt und macht in dessen Gesellschaft eine ziemlich unangenehme Wandlung vom Duckmäuser zum Räuberhauptmann durch, die sogar die abgebrühtesten Halunken dazu bringt, ihre Patronen gegen Liebesperlen einzutauschen.
Gian Maria Volonté spielt den Fletcher wirklich großartig. Schon in den ersten drei Minuten wird diese Figur differenzierter charakterisiert als manch andere Hauptfigur in einem ganzen Film. Vor seinem Seminar spricht er über die Macht des Subjekts, die Kraft jedes Einzelnen, durch seine Entscheidungen in die Geschichte einzugreifen und die Subjektivität aller moralischen Urteile. Sein ausgezehrtes Gesicht, sein trüber Blick machen deutlich, dass das zwar angelesenes aber nicht gelebtes Wissen ist.
Sein Doktorvater sagt dann auch im Anschluss, dass Fletcher gescheitert sei, immer zu wenig aus sich gemacht habe, weil er nie bereit gewesen sei, zu kämpfen, sich zu nehmen, was ihm gehöre. Und die schöne Elizabeth, die Fletcher schöne Augen macht, hat er auch nie erobert ... Es schleichen sich deutliche Anspielungen auf Impotenz in die Charakterisierung Fletchers. Sein Coming-Out erlebt er dann konsequenterweise auch, nachdem er die Herz Dame von Gaunerkumpan Vance ins Gemüse drischt.
Der ungezügelte Beauregard verkörpert alles das, was Fletcher nie war, aber gern wäre: Er tut, was er will, gehorcht nur sich selbst und nimmt sich, was er braucht. Fletcher ist beeindruckt von dieser Freiheit und tut es seinem Vorbild nach. Dabei vergisst er jedoch, dass man Lebensstile nicht wechseln kann wie Kleidung, ohne dass die Nähte platzen. Sein entfesselter Größenwahn führt schließlich alle ins Unglück. Er stiehlt und raubt nicht, weil es seine einzige Möglichkeit ist: Es ist für ihn eine Art wissenschaftliches Experiment. Das, was er am Anfang dozierte, aber selbst nicht glaubte, will er nun in die Tat umsetzen.
Wie Sollima diese Entwicklung verfolgt ist ungemein spannend und niemals platt. Das liegt daran, dass auch die anderen Figuren vor Brüchen nur so oszillieren. Ob Beauregard (Tomas Milian) – dessen Frisur etwas an eine desperadöse Version von Prinz Eisenherz erinnert – der trotz aller kriminellen Energie das Herz eigentlich auf dem rechten Fleck hat oder Detektiv Charlie Siringo (William Berger – saucool!), der sich zwar als Verräter in die Horde einschleicht, sich aber hinterher weigert, dem Gesetz mit einem Gemetzel zum Sieg zu verhelfen: Gut und Böse lassen sich nicht so leicht trennen.
Sehr gut gefallen hat mir auch das Gaunernest Pietro die Fuoco, eine Art Wildwest-Version der Hafenstraße, das ein Auffangbecken für Aussteiger, Gauner und Verbrecher darstellt und unverkennbar als utopisches Ideal verklärt wird. Und wie das mit den wunderbaren Utopien so ist: Sobald jemand von außen hereinkommt, gibt's Ärger und darauf folgen Blut und Tränen.
Ich habe beim Sehen zwar etwas weniger gelitten (kam ja auch keiner von draußen rein ...), aber das Ende ist schon Gänsehaut, mein lieber Scholli ...
#41
Geschrieben 30. April 2005, 09:52
Ich schäme mich. Entgegen der gängigen "Lesart" habe ich mich nämlich auch bei diesem Spencer-/Hill-Vehikel köstlich amüsiert. Klar, den Film als gut zu bezeichnen, käme einer totalen Fehleinschätzung gleich, aber ehrlich gesagt, sind die Kriterien bei diesen Filmen doch eh ganz anders. Ich habe zu den beiden Haudegen jedenfalls eine innige, nostalgisch angehauchte Beziehung, seit ich Ende der 70er Bilder zu DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD in der BRAVO meines Onkels sah (damals hatte die BRAVO ja noch so ein Film-Pendant zur Foto-Love-Story, erinnert sich daran noch jemand?). Es war endgültig um mich geschehen, als mein lieber Papa mich Anfang der 80er in eine Wiederaufführung von VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA mitnahm. Soviel zum Thema Sozialisation.
VIER FÄUSTE GEGEN RIO war der vorletzte Film der goldenen Zeit der beiden und man merkt ihm an, dass es nur noch darum geht, das bewährte Konzept weiter auszureizen. Da das eigentlich schon drei Filme vorher ausgereizt war, setzte man auf Quantität statt Qualität: Hier gibts zweimal Hill und zweimal Spencer. Die beiden spielen nämlichsowohl das altbewährte Pärchen, als auch das Milliardärs-Cousins-Paar Coimbra aus Rio, das Angst vor Mordanschlägen hat und deshalb Doppelgänger einsetzen lässt.
Die Szenen, in denen beide Duos zusammen auftreten, sind auch sehr lustig (wenn man den entsprechenden Sinn für Zoten mitbringt): Die reichen Coimbras werden von der Synchro als verweichlichte, angetuckte Schnösel gezeichnet, die sichtlich angewidert vom ordinären Gebaren der Helden sind. Besonders Spencer bekommt hier Gelegenheit, zu zeigen, dass er mehr kann außer dick sein (seine Mimik erinnert mich übrigens fatal an die meiner lieben Oma!). Ich fand ihn hier wirklich witzig!
Die Story ist doof, statt dem bewährten Miami bekommt man x-mal den Zuckerhut gezeigt, damit auch der Titel seine Berechtigung hat, die Synchro ist besonders vulgär und fleißig. Manchmal nervts ein bisschen, aber es kommen auch tolle Sachen dabei rum. So beschreibt Hill Spencer eine Harfe als "so'n Gartenzaun, wo man reingrapscht", Spencer sagt wieder mehrfach sein Lieblingswort "Lokus" (wirkt bei mir wie die Glocke für den Pawlowschen Hund!), der Menüvorschlag "Hirse" wird kommentiert mit "Wo wollen sie uns die Hirse denn servieren, im Käfig oder auffem Fensterbrett?" und den Knaller gibts bei der obligatorischen Schlussprügelei, wo Schnöselspencer angesichts der Gewalt sagt: "Ich bin in Eton erzogen worden. Ich erhob nur einmal meine Stimme gegen eine kleinen Buben, weil er mir eine Walderdbeere stehlen wollte."
Freunde, DAS ist Kunst!
#42
Geschrieben 02. Mai 2005, 19:41
Schnüff ... Es hat ein Ende mit den Sollima-Western. LAUF UM DEIN LEBEN ist der dritte und letzte im Bunde. Titelheld ist - wie schon in DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE – wieder Tomas Milians Cuchillo, der hier allerdings nicht den Beinamen "Messer-Sanchez" trägt, sondern "die Stechmücke" genannt wird. Auf den chaotischen Bahnen, auf denen er durch sein Leben wandelt, gerät er an den mexikanischen Politiker Ramirez, der dem Volk in den Wirren der Revolution zum Sieg verhelfen soll. Leider segnet er bald das Zeitliche - nicht ohne jedoch Cuchillo den Ort zu nennen, an dem Ramirez einst erbeutetes Gold versteckte, das nun die gute Sache finanzieren soll. Die Jagd nach dem Schatz gestaltet sich aber kompliziert, denn auch andere haben Lunte gerochen ...
Der dritte Sollima ist deutlich weniger ernst und hat mehr komödiantische Elemente, die vor allem Milian mit Bravour bestreitet. Während die Handlung der anderen beiden Western von Sollima vor allem durch die Handlungen der Charaktere vorangetrieben wurde, was sie inhaltlich in die Nähe der klassischen Tragödien rückte, ist hier die Historie das bestimmende Element, die Menschen sind nur Spielball größerer Kräfte. So ist es nicht Cuchillos Geschick, das ihn schließlich ans Ziel bringt, sondern das Schicksal: Es treibt ihn immer in die richtigen Arme, auch wenn er dafür in das ein oder andere Fettnäpfchen treten muss.
Das macht LAUF UM DEIN LEBEN gegenüber seinen Vorläufern zum leichtfüßigeren und vielleicht auch unterhaltsameren Film, nimmt ihm aber auch die Durchschlagskraft. Das liegt eben an den Charakter-zeichnungen: Waren die vorher noch das Salz in der Suppe, sind sie hier weniger zwingend. Warum auch? Die Mesnchen sind im Strudel der Ereignisse sowieso nur das Treibgut. Milian ist zwar absolut fantastisch als Cuchillo und auch die anderen Schauspieler – allen voran Donal O'Brien – sind toll, aber ihre Figuren brennen sich weniger ein. Das ganze ist ein klassisches Schelmenstück: Kein Grund also, sich wirklich Sorgen um Cuchillo und Co. zu machen.
Nicht falsch verstehen: Der Film ist wirklich klasse, krankt aber eben daran, sich an zwei der besten und nachhaltig beeindruckendsten Italo-Western messen lassen zu müssen.
#43
Geschrieben 02. Mai 2005, 21:15
Holla die Waldfee! Watten Film! MANDINGO ist mit Sicherheit eine der obskursten Big-Budget-Hollywood-Produktionen, die je das Licht der Welt erblickten und ebenso weit von einem guten Film entfernt wie Fortuna Düsseldorf von Aufstieg in die zweite Bundesliga. Dennoch ist er aus wissenschaftlicher Perspektive hochinteressant, zeigt er doch, welchen Einfluss die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Kunst (hier eines Films), auf dessen Inhalt haben. Damit ist keineswegs auf die Binsenweisheit verwiesen, die besagt, dass ein Film, der Geld einspielen soll, dem Zuschauer gefallen bzw. sich ihm anbiedern muss. Vielmehr zeigt MANDINGO mehr als deutlich, dass so manches Thema im Rahmen von Unterhaltung in Ausbeutung und Spekulation und somit ins Gegenteil umschlägt. Aber der Reihe nach.
MANDINGO erzählt die Geschichte einer Südstaatenfamilie, die sich dem Sklavenhandel verschrieben hat. Auf dem maroden Gut Falconhurst haust Plantagenbesitzer Warren Maxwell (mies wie fast immer: James Mason) mit seinem verkrüppelten Sohn Hammond (Perry TRIO MIT VIER FÄUSTEN King). Letzterer hat ein Herz für die Sklaven und ist in Sklavenmädchen Ellen verliebt. Dennoch muss er natürlich standesgemäß heiraten. Seine Frau Blanche (Susan STRAW DOGS George) hat sich jedoch schon mit ihrem Bruder gütlich getan und so kommt es nach der Hochzeitsnacht zum ersten Ehekrieg: Die Fronten sind danach nicht mehr zu glätten. Und während Hammond seiner Ellen immer näher kommt, lässt sich die frustrierte Blanche mit Mede, dem titelgebenden Mandingo ein, der von den Maxwells als Kämpfer und Zuchthengst benutzt wird ...
Keine Frage: Richard Fleischer hat Gutes im Sinn. Seine weißen Plantagenbesitzer sind durch Inzucht degeneriert, unkultiviert, barbarisch und schlichtweg dumm. Ihr Regime ist dem Untergang geweiht, was man schon an den Räumlichkeiten des Guts Falconhurst sieht, das nur so vor sich hin verrottet (und mehr als einmal an das Haus der ebenfalls derangierten Familie aus THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE erinnert). Das Fehlen der Mutterfigur ist nur eine der Begründungen, sowohl für den kulturellen als auch für den menschlichen Niedergang, die Fleischer anbietet. Nichts steht den Machern des Films sicher ferner, als rassistisches Gedankengut zu propagieren.
Aber da Fleischers Strategie vorsieht, alles so zu zeigen "wie es ist", überschreitet er mehr als einmal den Grad zwischen aufklärerischem Wahrhaftigkeitsauftrag und sensationsgeilem Draufhalten. So gefällt sich der Film vor allem im ersten Drittel darin, zu zeigen wie Schwarze geknechtet, missbraucht und beschimpft werden. Und er inszeniert dabei die klassischen Klischees (Rassismen) gleich mit: Die Schwarzen sind naiv-dumme aber stets gutmütige und duldsame Onkel Toms und die Weißen geil und brutal und dabei in ihrer grenzenlosen Borniertheit erschreckend einfallsreich. Klar, in dieser sehr vereinfachten Darstellung liegt sicher auch ein Funken Richtigkeit, ABER ...
Schwer zu sagen wo Fleischers Film genau scheitert: sind es die chargierenden Schauspieler, das klischeetriefende Drehbuch, die plätschernde Inszenierung, die das Ganze erscheinen lässt, wie einen geschmacksverirrten Vertreter historischer Liebesromane oder der spekulative Charakter der Gewaltdarstellung? Nichts genaues weiß man nicht. Dennoch oder gerade deshalb ist MANDINGO für Leute, die gerne Filme sehen, an denen sie sich reiben können (nein, damit sind KEINE Pornos gemeint!), eine Pflichtveranstaltung. Schon allein deshalb, weil man sowas bestimmt nie wieder vorgesetzt bekommen wird. Und handwerklich ist dat Dingen schon gelungen: Die Bilder und Settings sind toll (und machen fast allein klar, woher hier der politische Gesinnungshase läuft!), ebenso wie der von Muddy Waters gesungene Titelsong "Born in this Time".
Kritischen Geist und gesunden Menschenverstand vorausgesetzt, kann man sogar (auf SEHR politisch unkorrekte Weise) Spaß mit dem Film haben: Was ist schöner, als sich über die Dummheit von Rassisten beömmeln zu können? So glaubt James Mason in diesem Film daran, sein Rheuma loswerden zu können, indem er seine Fußsohlen auf den Bauch von Sklaven drückt. Wo hat man sowas schon gesehen?
Ach ja: Ich musste beim Betrachten des Films die ganze Zeit an DER UNTERGANG denken, den ich noch nicht gesehen habe. Ist das vielleicht der deutsche MANDINGO? Wie dem auch sei, Eichinger kann sich seinen Hitler von mir aus in den Arsch stecken. Musste mal gesagt werden!
#44
Geschrieben 03. Mai 2005, 20:30
Der bislang vorletzte Film Rollins beinhaltet alle Trademarks des Franzosen: eine minimale Handlung, poetische, lyrische Dialoge, die Verquickung von Erotik und Horror, die allerdings niemals selbstzweckhaft oder spekulativ wirkt, ebenso attraktive wie einsame weibliche Hauptfiguren, eine traumgleiche Atmosphäre, die vor allem durch den Verzicht auf Aktion und eine sehr ruhige, elegische Inszenierung erzeugt wird und eine Metaphorik, die unverkennbar der (dunklen) Romantik entlehnt ist.
Die Handlung lässt sich in wenigen Sätzen umreißen: Die zwei Waisen Louise und Henriette sind blind – zumindest tagsüber. Doch nachts können sie sehen und führen ein vampirisches Dasein. Als der Arzt Dr. Dennary sie adoptiert, beginnt für sie ein Streifzug durch die Nacht, der jedoch tragisch endet ...
Auf einen Film von Rollin muss man sich einlassen. Und man muss bereit sein, mit dem Bauch statt mit dem Kopf zu sehen. Die Einhaltung filmischer oder erzählerischer Konventionen ist nicht Rollins Stärke – aber er legt es auch nicht darauf an, sie zu brechen: Er hat schlicht und einfach einen ganz eigenen Erzählstil. Rollins Filme begeistern weder durch ihre technische Brillianz noch durch inhaltliche Opulenz, sondern vor allem durch die Hingabe, mit der er seine unspektakulären, tragischen und wunderschönen Geschichten erzählt.
Trotz seines künstlerischen Anspruchs gelingt es ihm, den Zuschauer nicht mit prätentiöser Schöngeisterei zu nerven, sondern ihn tief im Inneren zu berühren. Der Vergleich mit Träumen ist vielleicht überstrapaziert, aber ich kenne wirklich keinen Filmemacher, dem es ähnlich gut gelingt, die eigene Logik und Stimmung von Träumen in Bilder und Narration zu übersetzen. Und wie Träume in Sekundenbruchteilen von völliger Glücksseligkeit in totalen Horror umschlagen können, so zeigt auch Rollin, dass das Schöne im Schrecken liegt und der Schrecken Teil des Schönen ist.
Selbst kleine Regiefehler oder budgetbedingte Mängel fügen sich bei Rollin ins Bild und unterstreichen den entrückten, surrealen Charakter seiner Filme. So hat man auf der einen Seite den Eindruck, ein sehr ungeschliffenes, auf der anderen Seite aber hoch artifizielles Werk vor sich zu haben. Auch aus diesem Widerspruch beziehen seine Filme ihre Spannung. Und um Zweiflern einen kleinen Anreiz zu bieten: Die göttliche Brigitte Lahaie hat hier einen Kurzauftritt!
#45
Geschrieben 04. Mai 2005, 13:45
Ich habe mich lange nicht mehr so über einen Film geärgert wie über diesen überbewerteten, strunzlangweiligen Samuraifilm, der soooo gerne hip und cool wäre. Leider liefert Hiroyuki Nakano nur einen weiteren Beweis für die These, dass postmoderne Ironie einen Film allein nicht nur nicht trägt, sondern ihn vielmehr radikal absaufen lässt. Außerdem ist Hipness und Coolness nicht aus dem Lehrbuch zu erzielen. Das Wort "Fiction" im Titel zu haben, reicht nicht aus.
Hipster Nakano bemüht sich redlich, eine modernisierte Version des Samuraifilms auf die Beine zu stellen. Das sieht im Endeffekt so aus, dass die miserabel choreografierten und montierten Kampfszenen mit drittklassigem New Metal oder House unterlegt werden (gääähn!), das stoische, ehrwürdige Gebaren der Protagonisten des klassischen Samuraifilms auf völlig plumpe und unwitzige Art verarscht wird und sich hier und da farbige Einsprengsel ins Schwarzweiß mischen.
Der Story wollte ich bereits nach zehn Minuten nicht mehr folgen – es ging um ein geklautes Schwert –, was aber nicht an der Komplexität oder Kunstfertigkeit der Erzählung liegt, sondern daran, dass es Nakano zu keiner Sekunde gelingt, Interesse an den Vorgängen beim Zuschauer zu wecken. Wie soll man auch mit Charakteren mitfiebern, die von beeindruckender Flachheit sind und nicht mal von ihrem Schöpfer Ernst genommen werden? Dramaturgisch ist der Film ebenfalls ein Totalflop: Nach der wenigstens visuell turbulenten Anfangsviertelstunde schläft der Film komplett ein und immer, wenn eine actionreiche Passage Kurzweil verspricht, wird sie durch die bodenlose Inszenierung ruiniert.
Nakano inszeniert die wenigen Schwertkämpfe völlig antiklimaktisch. Weder sieht man die Treffer, noch stellt sich überhaupt Dramatik ein. Dass sich hier Menschen auf Leben und Tod duellieren, kommt in keiner Sekunde zum Ausdruck. Wie der Film überhaupt krampfhaft bemüht ist, bloß keine Gewalt zu zeigen. Was soll der Scheiß? Warum dreht man dann überhaupt einen Samuraifilm? Da freut man sich, dass man endlose 20 Minuten nervenden Gehampels überstanden hat und dann fallen die Akteure schon hin, wenn sie nur leicht angerempelt werden. Was Menschen, deren Zeigefinger chronisch das Kinn berührt, als Symbol für die Instabilität der Psyche der Samurai deuten mögen, ist für mich schlicht Beleg dafür, dass hier jemand am Werk war, der mit Martial-Arts-Filmen soviel am Hut hat wie Borussia Dortmund mit Bilanzüberschuss.
Das einzig Gute an SAMURAI FICTION ist die schöne Schwarzweißfotografie und der Epilog, der noch einmal mit einem witzigen Regieeinfall aufwartet. Ob man sich aber dafür durch 95 Minuten augenbetäubender Langeweile kämpfen will?
#46
Geschrieben 06. Mai 2005, 09:24
Ein merkwürdiger Film. Eigentlich dachte ich, dass Jim Jarmusch mit diesem Film die Schönheit des Alltäglichen besingen würde. Kleine Dialoge ziwschen Freunden, die bei Kaffee und Zigaretten zusammensitzen und sich Geschichten und Anekdoten erzählen oder auch nur darüber reden wie gut ihnen der Kaffee schmeckt. Dass die meisten Geschichten auf einer eher traurigen, ungemütlichen Note enden, hat mich etwas aus der Bahn geworfen.
Statt Freunden, die eben gemütlich bei K&Z zusammensitzen, begegnet man Menschen, denen die Hektik des Lebens nur Zeit für eben einen Kaffee und Zigaretten lässt - oder solchen, die sich gar nicht mehr Zeit nehmen wollen. Es geht auch nicht um Freundschaft, sondern bestenfalls um Smalltalk. Oder darum, wie gerade in solchen Situationen, in denen man um der reibungs- aber gehaltlosen Unterhaltung Willen das Richtige sagen MUSS, die Kommunikation versagt. Roberto Benigni versteht Steven Wright einfach nicht, Tom Waits will Iggy missverstehen, Steve Coogan hat keine Lust, sich mit Alfred Molina anzufreunden und Issach de Bankolé hätte sich mit Alex Descas überhaupt nicht getroffen, hätte er geahnt, dass dieser gar keine Sorgen hat.
Bei manchen Episoden ist das lustig anzuschauen, weil man den Darstellern gerne zusieht, z. B. bei Iggy Pop und Tom Waits, RZA und GZA vom Wu-Tang Clan und Bill Murray oder Alfred Molina und Steve Coogan. Auch die Episode mit den White Stripes fand ich amüsant und Cate Blanchett lässt ihre Episode in einer unglaublichen Doppelrolle erstrahlen. Aber der Rest ist doch etwas zu unverbindlich und nichtig, um wirklich zu begeistern. In einigen Episoden passiert wirklich NICHTS. Nun ist ein von Jim Jarmusch inszeniertes Nichts immer noch ganz nett anzuschauen, aber ich hatte doch etwas anderes erwartet.
#47
Geschrieben 06. Mai 2005, 09:47
Das hier ist einer meiner Lieblings-Spencer-und-Hill-Filme. Ich kenne ihn schon so lange und habe ihn so oft gesehen, dass es wirklich ein denkwürdiges Ereignis war, diesen Film mal wieder von Anfang bis Ende zu sehen. Einzelne Dialogzeilen und Bilder haben sich mir so eingeprägt, dass sie sich wahrscheinlich in mein Erbgut eingeschrieben haben: Ich wurde gestern wirklich ein ums andere Mal von der Vergangenheit eingeholt.
Was ich an DAS KROKODIL UND SEIN NILPFRD am meisten mag, ist dann auch nichts, was ich unbedingt dem Film anrechnen möchte. Ich hatte gestern zwischendurch mal das Gefühl, dass mir der Film ohne diese Vergangenheit vielleicht sogar missfallen könnte – die Synchro ist vergleichsweise zahm und die Story plätschert so von einer Keilerei zur nächsten. Aber es ist müßig, darüber zu spekulieren. Ich liebe die Musik und sogar die Szene, in der Bud Spencer den Titelsong zusammen mit kleinen Kindern singt, ich liebe die Landschafts- und Tieraufnahmen und das ganze Afrikasetting, ich liebe die Ausstattung und Optik des Films, den Titel und die Bösewichter, auch wenn Riccardo Pizzuti ausnahmsweise mal nicht dabei ist.
Unmöglich, den Film auch nur halbwegs objektiv zu beurteilen ...
#48
Geschrieben 06. Mai 2005, 10:23
Nach den High-Class-Sozialwesternepen von Sergio Sollima gehts mit DJANGO – UNBARMHERZIG WIE DIE SONNE wieder mehr in Exploitation-Gefilde. Hier treten kantige, unrasierte Unsympathen zum Duell gegeneinander an und edle Gefühle sind längst zu knotigen, Eiter ausscheidenden Geschwulsten verkommen. Titelgebender Django (im Original Cash) will die Mörder seines Bruders rächen, jagt und tötet einen nach dem anderen, bis er schließlich O'Hara, dem Leitwolf der Tunichtguts, gegenübersteht.
Das ist nicht etwa Faulheit, die ich hier an den Tag lege, sondern eine wirklich detaillierte Nacherzählung, denn die Story von SENTENZA DI MORTE ist so fragmentarisch. Echte Charaktere gibts keine: Die Bösen sind bös und Django wird nur über seine Funktion als Rächer definiert – mehr erfährt man nicht. Die episodische Gliederung der Handlung – einer wird nach dem anderen von Django heimgesucht und umgelegt – verhindert, dass eine Spannung entstünde, die sich dann am Ende auflösen könnte. Es ist von Anfang an klar, worauf das Ganze hinausläuft. Der Film erinnert dann auch etwas an HIGH PLAINS DRIFTER vom ollen Clint: Auch hier ist der Protagonist weniger ein echter Mensch, als vielmehr ein Rachegeist, den die Hölle ausgespuckt hat, um die Ordnung auf Erden wiederherzustellen.
Vom Western bewegt sich der Film mit laufender Spieldauer zwangsläufig immer mehr in die Gefilde des gotischen Horrors: Das Finale findet in einer verfallenen Kirche statt und am Schluss muss der grimme Schnitter Django sogar aus einem Grab steigen, um den bösen O'Hara auf den Weg alles Irdischen zu schicken. Django ist treffend mit dem eher unbekannten Nullgesicht Robin Clarke besetzt, was – trotz der anfänglichen Enttäuschung überdas Fehlen eines liebgewonnen Italo-Gesichts in der Hauptrolle – für die Rolle ideal ist. Die Bösewichter sind Robert Conte als eher weinerlicher Diaz, Adolfo Celi als fieser Bruder Baldwin, Enrico Maria Salerno als Falschspieler Montero und Tomas Milian als Albino O'Hara. Er hat wirklich eine absolute Traumrolle abbekommen und sichtlichen Spaß daran, diesen abgedrehten Psychopathen mit Gold- und Blondinenfetisch zu spielen, der so wirkt, als sei er eigentlich für Kinski geschrieben worden.
Ein sehr ungemütlicher Film, für den man ein bisschen Geduld mitbringen muss – mich hat er überzeugt!
#49
Geschrieben 07. Mai 2005, 09:12
Bud Spencer als altersweiser Footballtrainer wider Willen und wider Raimund Harmstorffs Army-Proleten – so könnte der Kurzabriss der Handlung dieses Films aussehen. Viel interessanter als eine Zusammenfassung der Handlung ist, was mit gestern beim Sehen durch den Kopf ging: Es gibt Filme, die schaut man sich an und mag sie. Dann zeigt man sie den besten Freunden und Vertrauten, um sie an der Begeisterung teilhaben zu lassen oder sie einfach nur auf den selben Wissensstand zu bringen. Nach ein- bis dreimal sehen hat man Lieblingsszenen und beginnt Dialogzeilen nachzuplappern. Wird man vom Film so richtig gepackt, folgen den ersten Sichtungen weitere und bald ist man auf dem besten Weg, den Film aller Geheimnisse zu berauben. Zu einem Film den man hundertmal gesehen hat, hat man ein Verhältnis zu ihm wie ein altes Ehepaar zueinander: Man weiß vorher, was der andere sagen wird, kennt seine Mimik und freut sich auch bald über die Fehler und Schwächen, weil sie halt dazugehören.
So ging es mir mit SIE NANNTEN IHN MÜCKE, den ich in meiner Kindheit so oft auf Video gesehen habe, dass die Erinnerungen nicht mehr zu löschen sind. Der Film hat wirklich gar keine Geheimnisse vor mir. Bei "Mücke" freue ich mich nicht über Szenen, Sätze oder einzelne Gags, mein Blick geht viel tiefer: bestimmte Betonungen der Synchro, einzelne Gesichtsausdrücke, wie der Titelsong in der großen Schlägerei in der Kneipe einsetzt - die Dinge, die ich an diesem Film liebe, reichen bis ins kleinste Detail. Der Film ist in den Tiefen meines Stammhirns gespeichert.
Zur Abkürzung: Hier gilt dasselbe wie für DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD. In einem anderen Körper und mit anderen Augen hätte ich den Film vielleicht langweilig gefunden (ich glaube nicht dran), müßig darüber zu spekulieren, denn so bin ich schwer gerockt worden von dieser schlagkräftigen Prügelkomödie, die alles hat, was ein Hill-Spencer-Film ohne Hill braucht. Sogar Riccardo Pizzuti! Anschauen und abfeiern!
#50
Geschrieben 08. Mai 2005, 10:39
Schon lustig, wenn man daran denkt, dass Francis Ford Coppola diesen Film angeblich gar nicht mochte, weil er ihm zu traditionell schien und er doch eigentlich ganz neue Filme machen wollte. Was hat er wohl gedacht, nachdem er solche Meisterwerke wie ONE FROM THE HEART oder JACK abgeliefert hat?
THE GODFATHER ist jedenfalls erschreckend perfekt. Da gibts nix, was man anders machen würde, was nicht funktioniert, irritiert oder ratlos zurücklässt. Das zentrale Thema – der Generationenwechsel und die damit verbundene Abwendung von den bisherigen traditionellen Werten und die Hinwendung zu einer pragmatischeren, wirtschaftlichen Gangart, die nicht mehr zwischen Freund und Feind zu unterscheiden weiß – wird vor allem durch die Zeichnung der Figuren entwickelt, deren Motivationen stets schlüssig sind, ohne dass der Film jedoch vorhersehbar würde.
Auch bei der xten Sichtung fesselt und fasziniert mich der Film immer noch in allen Belangen. Es ist mir ein Rätsel, wie man einen dreistündigen Film dreht, in dem keine Minute überflüssig erscheint. THE GODFATHER hat einfach alles. Bin mal wieder schwer begeistert.
#51
Geschrieben 08. Mai 2005, 11:17
Der direkte Vergleich bringt es an den Tag: Der zweite Teil von Coppolas Familienepos ist ein ganzes Stück schwächer als der erste Teil. Wobei das nichts anderes bedeutet, als dass THE GODFATHER PART II immer noch ein Film ist, vor dem man niederknieen und seine eigene Inferiorität herausschreien möchte.
Die Fortsetzung der Geschichte aus Teil 1 wird hier durch Rückblenden ergänzt, die den Aufstieg Don Vito Corleones erzählen. So hat GODFATHER II noch mehr epische Qualität als sein Vorläufer, leider jedoch auch eine weniger zwingende Geschichte. Zwar mutet die Entwicklung des Corleone-Clans hin zum Großkonzern der auch über verwandte und verschwägerte Leichen geht, konsequent an, ich wollte aber einfach nicht glauben, dass Fredo seinen Bruder verrät. Gibts noch jemanden, der das nicht so recht verstehen konnte?
Teil 1 ist mit langem Atem, aber dennoch sehr konzentriert und zielstrebig erzählt. Teil 2 ufert ein bisschen aus. Handlungen, die den ersten Teil bestimmen, werden hier mehr und mehr durch hitzige diplomatische Gespräche in bewachten Hotelzimmern ersetzt. Das entspricht der Richtung der Erzählung, ist aber einfach nicht ganz so schön anzuschauen, wie eine zünftige Erschießung auf offener Straße. Und vor lauter Intrigen, Verrat, Kollaborationen und Überläufern habe ich dann auch irgendwann etwas den Überblick verloren.
Alles in allem natürlich wieder ein wunderbarer Film, dessen Atmosphäre allein mich jedesmal in ihren Bann schlägt. Und ich habe Bruno Kirby erkannt!
#52
Geschrieben 09. Mai 2005, 19:20
Nach den beiden fulminanten BLACK ANGEL-Filmen legt Takashi Ishii einen (nicht mehr ganz) neuen Film vor, der nicht nur thematisch an seine Vorgänger anschließt, sondern auch deren Niveau beinahe mühelos erreicht. Ishii legt in seinen Filmen ein beachtliches Gespür für glaubwürdige und zerrissene Frauenfiguren an den Tag, an dem sich auch ruhig weibliche Regisseure messen lassen dürfen. Nachdem schon GONIN 2 gegenüber seinem eher mäßigen Vorläufer vor allem durch die durchgehende Besetzung der Hauptrollen mit Frauen punkten konnte, scheint Ishii sein Talent erkannt zu haben und widmet sich in seinen Filmen den Problemen, die Frauen in einer (von Männern) brutalisierten Welt zu erleiden haben.
In dem genial betitelten FREEZE ME wird Chihiro, die vor fünf Jahren Opfer einer Vergewaltigung durch drei Männer wurde, von ihrer Vergangenheit eingeholt. Plötzlich steht der erste der Vergewaltiger vor ihrer Tür und kündigt an, dass nach und nach auch seine Komplizen von damals eintreffen werden. Zunächst ergibt sich Chihiro in ihre Opferrolle von einst, doch schon bald dreht sie den Spieß um ...
Die Geschichte von FREEZE ME ist durchaus nicht neu und gerade im Rahmen der Exploitation mehrfach behandelt worden. Diese Filme beziehen ihren zweifelhaften Reiz durch die Verbindung von Sex und Gewalt, die auch bei ernstgemeinten Filmen gerne mal danebengeht. Ishii gelingt das Meisterstück den realen Horror spürbar zu machen, ohne dass er sich in Leidensbildern suhlt. Es geht ihm aber auch weniger um den Akt der Vergewaltigung, sondern um die seelische Gewalt, die das Opfer dabei erleidet. Chihiro hat das Erlittene lediglich verdrängt, die Gesellschaft ließ ihr keine andere Möglichkeit – die tatsächliche Tragweite ihrer Verletzung zeigt sich erst, als ihr dasselbe Unglück noch einmal widerfährt.
FREEZE ME ist ein Film der leisen Töne, was für einen Film, den man dem Rape & Revenge-Genre zuordnen könnte, schon einmal beachtlich ist. Ishii widmet sich seinem Thema mit Gewissen- und Ernsthaftigkeit und umschifft so die oben jegliche Untiefen. Mit monochromen Farben und einem sehr, sehr reduzierten Drehort gepaart mit hervorragenden Darstellern und einem zum Zerbersten konzentrierten Drehbuch schafft er eine wirklich eiskalte Atmosphäre und offenbart ein Schicksal, das einem tatsächlich das vielfach bemühte Blut in den Adern gefrieren lässt.
Ein Film, der nachwirkt.
#53
Geschrieben 09. Mai 2005, 23:00
Ein gotischer Mummenschanz vom Italo-Altmeister Antonio Margheriti, der heute zwar niemandem mehr den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte, aber gerade durch seine altmodische und naive Erzählung maximal zu unterhalten weiß.
Es geht um das Ehepaar Mary und Max Hunter (ob die jetzt in der deutschen Fassung auch so heißen, weiß der Himmel), die in einem hübschen alten Schloss in Nürnberg leben, in dem leider, leider ein offenbar erzürnter Rachegeist aus der Vergangenheit durchs Gemäuer scharwenzelt, um holden Jungfrauen über die Schwelle zu helfen. Ist es Max, der ein dunkles Geheimnis an seinem Busen zu tragen scheint, der Hausdiener Edward (ein vernarbter und stoischer Christopher Lee) oder doch Selby, ein Fremder, der ein großes Interesse an dem alten Schloss zu haben scheint?
Erstaunlich an diesem Film ist, wie schnell er in die Pötte respektive die Puschen kommt: Schon in der ersten Szene ist direkt Alarm in der Waffenkammer angesagt, als Mary, von wildem Geschrei geweckt, durchs dunkle Schloss schleicht und schließlich eine Leiche in der eisernen Jungfrau entdeckt. Danach gehts auch ziemlich rappzapp weiter mit den üblichen Eckpfeilern, die so ein Stoff verlangt: Natürlich ist die Leiche unauffindbar, natürlich wird Hysterie diagnostiziert, natürlich bemühen sich die mysteriösen und mit "unfreundlich" noch positiv bewerteten Bediensteten, sich in Sachen Heimlichtuerei gegenseitig zu überbieten und natürlich gibts noch jede Menge heimliches Durchs-Gemäuer-Schleichen (Handlungselement Nr. 1 in diesem Film), bis der Zuschauer schließlich das fiese Monster sehen und einer spektakulären Auflösung beiwohnen darf.
Man könnte Margheriti vorwerfen, dass es ihm nicht 100-prozentig gelingt, eine schaurige Atmosphäre zu erzeugen, doch dann würde man die unbestreitbaren Meriten dieses Gruslers übersehen: Die schnelle und aufs Wesentliche konzentrierte Inszenierung, die gediegenen Settings, lustigen Miniatureffekte, die Margheriti in späteren Filmen noch perfektionieren durfte, und ein wirklich als ultrapulpig zu bezeichnendes Finale, bei dem auch Nazis zum Einsatz kommen. Gekrönt wird das Ganze von einer für 1963 ganz schön happigen Gesichtshauttransplantation und einer standesgemäßen Feuersbrunst. Ach ja, zwischendurch wird auch noch einer Unglücklichen die Nase von einer Ratte abgefressen. Es macht sie nicht gerade jünger, soviel sei gesagt ...
Reueloses Vergnügen für Leute, die auch Geisterbahnen einen gewissen Charme nicht absprechen können und denen es die Sonne ins Herz zaubert, wenn holde Jungfrauen in wehenden Gewändern Treppenaufgänge hoch und runter schweben und dann und wann in Ohnmacht fallen. Ideal für den Sonntagnachmittag!
#54
Geschrieben 11. Mai 2005, 19:18
Hihi, sehr viel Spaß gehabt bei diesem wunderbaren Italowestern mit Traumbesetzung. Gianni Garko gibt den ultracoolen Zocker Sartana, Kinski spielt den vom Pech verfolgten Glücksspieler Hot Dead, der das Kopfgeld für Sartana auftreiben will, Frank Wolff den clochardesken Vaterersatz Buddy Ben und Gordon Mitchell ist auch dabei! Die Namen sind ziemlich putzig, finde ich, und machen auf mich den Eindruck, als hätte der Schöpfer eigentlich etwas anderes im Sinn gehabt. Dass auf einem Steckbrief "Chocram" statt "Cochran" steht, erhärtet den Verdacht.
Der Film hat einen ziemlichen Comicanstrich, was zum einen an der Figur des Sartana selbst liegt: Ein mit schicken Gimmicks ausgestatteter Superheld, der sich ebenso stil- wie phantasievoll aus jeder noch so bedrohlichen Lage heraustrickst. Auch die überzeichneten Nebenfiguren, die einfache Story, die von Höhepunkt zu Höhepunkt hetzt, und die Kameraarbeit, die bei den Schlägereien und Actionszenen ziemlich abgedrehte Kunststückchen vollführt, verstärken den Eindruck. So übernimmt die Kamera in einer Szene die Subjektive eines armen Teufels, der gerade von drei Baumschülern gleichzeitig einen Scheitel gezogen bekommt: Das nennt man wohl "stille Teilhaberschaft" ...
Große Unterhaltung, und ich freue mich schon darauf, wenn endlich SARTANA – NOCH WARM UND SCHON SAND DRAUF im Briefkasten liegt. Der hat dann auch noch eine Rainer-Brandt-Synchro als Sahnehäubchen. Wobei es diesem SARTANA eigentlich sogar ganz gut steht, dass er sich mit kalaueriger Sprücheklopferei zurückhält und eher ernst bleibt.
Ach ja, das Musikthema des Kinski-Charakters erinnert in den ersten Takten fatal an "Santa Claus is coming to town"! Würde ja auch irgendwie passen ...
#55
Geschrieben 14. Mai 2005, 10:12
UNLEASHED ist der neue Film von Louis Leterrier, der vorher mit dem spaßigen THE TRANSPORTER positiv aufgefallen ist. Sein neuer Film ist u. a. von Luc Besson und Jet Li produziert worden und letzterer spielt auch die Hauptrolle. Die Verbindung von Besson, Li und französischem Geld hat ja bei KISS OF THE DRAGON schon mal ganz gut funktioniert und UNLEASHED knüpft da mühelos an.
Die Story ist so einfach wie naiv (der Film basiert auf dem Comic "Danny the Dog"): Danny (Jet Li) ist als kleines Kind vom fiesen Gangsterboss Bart (beeindruckend widerwärtig: Bob Hoskins) unter dessen Fittiche genommen und zum Hund abgerichtet worden. Der völlig entmenschlichte Danny lebt in einem Kellerloch und wird zur perfekten Mordmaschine, wenn sein Herrchen ihm zwecks Mordauftrag oder Cagefight das Halsband abnimmt. Doch ein Rest Menschlichkeit ist da noch: Erinnerungsfetzen plagen Danny. Als ein Anschlag auf Bart verübt wird, kann Danny entkommen und gerät an den freundlichen blinden Klavierstimmer Sam (souverän as fuck: Morgan Freeman), der ihn in seine Obhut aufnimmt. Das traute Familienleben bei Sam und seiner Stieftochter Victoria (Kerry Condon) leitet den unvermeidlichen Menschwerdungsprozess ein. Doch da ist noch eine alte Rechnung offen ...
Ja, "Unleashed" ist bisweilen ganz schön kitschig geraten. Das Leben in Sams Familie, das das zweite Drittel des Films einnimmt, die Wandlung von Danny von der verstörten, ängstlichen Kampfmaschine zum grundguten, musikliebenden Familienmensch ist nicht zwingend das, was man unter beinhartem Realismus versteht. Was für andere Filme das Aus bedeutet, funktioniert hier aber sehr gut, denn Leterrier und seine Schauspieler schaffen wirklich das Kunststück, ihre zweidimensionalen Figuren mit sehr viel Liebe und Leben zu füllen. UNLEASHED gönnt sich den Luxus, nicht von einer Actionsequenz zur nächsten zu hetzen, sondern sich Zeit für seine Geschichte zu nehmen, die zwar keinen großen Nährwert hat, aber angenehm unterhält und sich von vergleichbaren US-Produktionen durch ihren Ernst und den Verzicht auf Gimmicks unterscheidet. Auch hat man zum ersten Mal seit langem bei einem Actioner wiederdas Gefühl, das die Macher ihre Geschichte Ernst nehmen: Nervige Gags oder Comiceinlagen gibts keine. Von Müll wie XXX ist UNLEASHED also meilenweit enfernt.
Stilistisch lässt sich der Film zwar in die Post-Matrix-Generation einordnen, dennoch fließen genug Talent und eigene Ideen ein. Stilmittel wie das Pitchen der Geschwindigkeit, der Wechsel von Zeitlupe zu Zeitraffer, wird niemals zum Selbstzweck, sondern immer gewinnbringend eingesetzt. Die Fights, choreografiert vom Meister des Drahtseilakts Yuen Woo Ping, sind sehr down to earth und verzichten auf Strippenzieherei und allzu fantastische Kunststückchen. Vielmehr gibts hier ohne viel Federlesen straight was auf die Schnauze, wobei UNLEASHED sich zu einem sehr angemessenen Brutalitätslevel aufschwingt. Es macht großen Spaß, mal wieder Jet Lis echte Kung-Fu-Skills bewundern zu können und der gibt hier wirklich Vollgas. Der ist so schnell, dass es ein Wunder ist, dass er sich nicht selbst verprügelt. Der Showdown ist großes Actionkino und hat mich etwas an Tsui Harks TIME AND TIDE erinnert, was ein Riesenkompliment ist. Highlight ist sicherlich der Zweikampf Jet Lis gegen einen blonden Henchman Barts, der in einer winzigen Toilette stattfindet.
Die Musik von Massive Attack und The RZA ist ebenfalls vom Feinsten und so darf man UNLEASHED trotz einiger Mängel am Drehbuch – Dannys Wandlung vollzieht sich etwas zu reibungslos, Sams Familie ist einfach eine Nummer ZU gut – als Actionhighlight feiern und sich auf Leterriers nächsten Film freuen ( – der, glaube ich, die Fortsetzung von THE TRANSPORTER sein wird ...).
#56
Geschrieben 14. Mai 2005, 10:46
Immer schön, alte Klassiker zu sehen, die man noch nicht kannte, und so Bildungslücken schließen zu können. John Fords Film zählt wahrscheinlich zu den ganz großen Westernklassikern und hat eine absolute Traumbesetzung: James Stewart als Ransom Stoddard hat mir noch nie so gut gefallen wie hier, John Wayne als titelgebender (oder doch nicht?) Tom Donipher war im O-Ton eine ganz neue Erfahrung, Lee Marvin als Oberschurke Liberty Valance, der eine ganze Stadt terrorisiert, kriegt die unangenehme Kombination aus Dummheit, Größenwahn und ständiger Gewaltbereitschaft perfekt hin und auch kleinere Nebenrollen sind mit Woody Strode, Lee van Cleef, John Carradine und Strother Martin wiedererkennungsintensiv besetzt. Lediglich Vera Miles ging mir ein bisschen auf den Zeiger, da man ihr eine dieser burschikosen, allzu aufopferungsbereiten Siedlermama-Rollen verpasst hat, die auch Witta Pohl aus dem FF beherrscht. Die Zubereitung von Bratkartoffeln wird von ihr so mit Drama angefüllt, dass es schon fast an die Passionsgeschichte unseres Herrn erinnert.
Apropos Western: Eigentlich ist das auch kein richtiger Western. Gut, er spielt im Wilden Westen, es gibt Pferde, Pistolen und Cowboyhüte, aber das ist eher schmückendes Beiwerk. Es geht um die Entstehung von Geschichte und Geschichten, um Erzählung, Sprache, Schein und Wirklichkeit und um Wahrheit: Ransom Stoddard berichtet von den Ereignissen, die zur Erschießung von Liberty Valance führten, in einer Rückblende, in die auch Ereignisse Eingang finden, die der Erzähler gar nicht miterlebt haben kann. Diese Erzählung wiederum kollidiert mit der, auf die der Titel des Films anspielt und die bislang das geschichtliche Faktum darstellte. Hat nun Ransom Stoddard Liberty Valance erschossen, wie es sich die Spatzen auf den Dächern zupfeifen oder das Rauhbein Tom Donipher, wie Ransom Stoddard erzählt?
Ein Film, der – wie es sich für ein Meisterwerk gehört – auf ganz vielen Ebenen funktoniert und darüber hinaus mit dem Vorurteil aufräumt, das Cowboys viel saufen können: Tom Donipher jedenfalls ist nach einem Schluck aus der Pulle direkt voll wie hundert Mann. Ob der Duke vielleicht doch nicht so ein Kerl war?
#57
Geschrieben 14. Mai 2005, 11:01
Eine Doku ist ja eigentlich immer nur so gut wie ihr Objekt. Eine Dokumentation über Stanley Kubrick kann also nicht ganz schlecht sein. Der Mann hat keinen einzigen schlechten Film gedreht, sondern mit nahezu jedem neuen Projekt neue Maßstäbe gesetzt.
Diese Dokumentation, die kurz nach seinem Tod entstanden ist, nähert sich dem Menschen hinter den Filmen an und versucht, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Kubrick ein Psychopath gewesen sei. Natürlich erfährt man auch einiges über seine Filme. Regisseure wie Scorsese, Woody Allen, Alex Cox oder Steven Spielberg kommen zu Wort, berichten über ihre Erfahrung mit dem jeweiligen Film, Schauspieler wie der Cruiser, Nicole Kidman, Malcolm McDowell, Jack Nicholson und Shelley Duvall erzählen von der Arbeit mit dem manischen Perfektionisten.
Das Alles ist trotz der Länge von über zwei Stunden sehr kurzweilig und interessant, wenngleich man natürlich aus einem Buch mehr über die Arbeit Kubricks und seine Filme erfährt. Am Ende wird dann auch noch einmal die große Lobpreisungsarie gesungen, jeder bedauert, wie schade es ist, dass er tot ist, es keine Filme mehr von ihm geben wird. Nett gemeint, aber sehr überflüssig.
Eine insgesamt trotzdem runde Angelegenheit, von der man keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse erwarten darf. Positiv hervorzuheben ist aber das Filmmaterial aus Kubricks Kindheit: Für die Szene, in der er seine kleine Schwester beim Tanzen mit einem beherzten Hüftschwung umknockt, hätte er bei Max Schautzer sicherlich einen Preis gewonnen.
#58
Geschrieben 15. Mai 2005, 11:41
Was schreibt man über diesen Film? Für die Hip-Hop-Szene übernimmt er, bzw. Pam Griers Darstellung der toughen und gerechten Foxy Brown, geradezu ikonische Bedeutung, wie er überhaupt einer der berühmtesten Blaxploitation-Filme sein dürfte. Und das, obwohl er doch von einem Weißen inszeniert wurde, von Jack Hill, der insgesamt vier Filme mit der umwerfenden Pam Grier drehte. Die beiden Frauenknastfilme THE BIG DOLL HOUSE und THE BIG BIRD CAGE zählen ebenso dazu wie COFFY, der andere Blaxploiter des Herrn Hill. Argumentiert man von der ideologischen Seite her, kann man diesen Filmen wahrscheinlich vorwerfen, dass sie sich der afroamerikanischen Themen aus rein wirtschaftlichen Erwägungen annehmen. Zu jener Zeit, Mitte der 70er, war die Kultur der Afroamerikaner eben gerade ausgesprochen hip. Ein funkiger Soundtrack, die entsprechenden farbenfrohen Kostüme, der richtige Slang und Storys, die sich um Drogen, Rassismus oder Prostitution drehten, fertig ist der Blaxploiter. Da macht die Genrebezeichnung doch tatsächlich Sinn. Dennoch zählen gerade die beiden Jack Hills zu den besten, bekanntesten und sicher auch den kredibelsten dieser Filme.
Michael J. Weldon vom verdienten Psychotronic Magazine schrieb über diesen Film, er hätte den Fehler, dass Pam Grier zu viel missbraucht werde und nicht genug Zeit damit verbringe, den Bösen den Arsch zu versohlen, was durchaus stimmt. Überhaupt braucht der Film einige Zeit, bevor er richtig in Gang kommt. Dennoch schaut man dem bunten Treiben gerne zu. Ich kann nicht genau beschreiben, warum, es ist so etwas wie der Spirit, der diesen Film beflügelt, mehr als die Handlung selbst oder die Inszenierung. Und natürlich Pam Grier. Klar, sie ist wohl nicht zuletzt wegen ihrer Proportionen zur Hauptdarstellerin erkoren worden, aber statt nur ihre Reize zu präsentieren, wird sie sehr konsequent als starke Frauenfigur aufgebaut wie es im Actionfilm heute immer noch nicht so nicht häufig vorkommt. Die Männer sind entweder jammernde Lappen oder trieb- und machtfixierte Unsympathen, die ihr fleischiges Zepter zur Unterdrückung der Frauen einsetzen. Überhaupt muss man sagen, dass Hill sowohl hier als auch in COFFY männliches Großkapital und männliche Politik auf die Hörner nimmt. Die Afroamerikaner stehen also quasi sinnbildlich für alle Unterdrückten, für alle Kleinen.
Zu den Highlights des Films zählen u. a. Antonio Fargas (der Huggy Bear aus STARSKY & HUTCH) als Foxys Bruder, dessen unbeständiger Charakter ihn bei seinen kriminellen Unternehmungen immer in die Scheiße reitet und der dann schließlich Foxys Lover an die Bösen verrät. Seine Sterbeszene ist totale Agonie. Die merkwürdig aussehende Kathryn Loder, die vier Jahre später starb, gibt sowas wie die Evil Queen. Ihre Rolle ist interessant und m. E. an die Rolle Shelley Winters im Foxy-Brown-Vorläufer CLEOPATRA JONES angelehnt. Ihr Geliebter und Helfer ist Peter Brown (zu dessen zahlreichen eher unbekannten Filmen auch der Paranoiafilm THE COMMIES ARE COMIN'! THE COMMIES ARE COMIN'! zählt): Die Beziehung der beiden ist eines der vielen kleinen Details, die den Film so interessant machen. Sid Haig, der in allen anderen Jack-Hill-Pam-Grier-Filmen mitspielt (und darüber hinaus bei SPIDER BABY), hat hier einen kleinen Auftritt als Pilot. Was gibts noch? Eine Frauenprügelei in einer Lesbenkneipe (Foxy: "I've got a black belt in barstools!") , eine ausgesprochen spannend inszenierte Sequenz, in der sich Foxy mit Hilfe ihrer Zunge und einer Rasierklinge aus der Gefangenschaft zweier fieser Schergen befreit, einen abgeschnittenen und eingelegten Schurkenpenis sowie hübschen Propellergore. Wer sich immer geärgert hat, dass Steven Spielberg bei JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES an der entsprechenden Szene wegschneidet, kommt hier voll auf seine Kosten!
Sahnehäubchen auf diesem sehr nostalgisch stimmenden Film ist der fantastische Score von Willie Hutch, der leider eine absolute Rarität darstellt. Der Titelsong "Superbad" in Verbindung mit den an die Creditsequenzen der James-Bond-Filme angelehnten psychedelischen Schatten- und Farbspielereien ist der perfekte Appetizer auf 90 Minuten bunte Unterhaltung. Am besten gleich im double feature mit dem noch etwas besseren COFFY genießen.
#59
Geschrieben 16. Mai 2005, 09:53
Es war ein äußerst ergiebiger Filmtag – viel zu schreiben also. Los ging es mit Ridley Scotts KINGDOM OF HEAVEN.
Ich möchte die einmalige Gelegenheit nutzen, mal was über Ridley Scott loszuwerden. Seit er für seine Schmonzette GLADIATOR den Oscar gereicht bekam, wird er ja in den Medien gern als "Meisterregisseur" bezeichnet. Diese Bezeichnung beruht m. E. auf einer krassen Fehlbeobachtung. Denn Ridley Scott ist kein Regisseur, der seine Themen im Griff hat und aus jedem etwas herauskitzelt (also ein Meisterregisseur), nein: Er ist ein Filmemacher, dessen Stil manchen Themen weniger in die Quere kommt als anderen. Bei ALIEN funktioniert alles, großer Film. Ich weiß, es grenzt an Blasphemie, aber mit BLADE RUNNER gehen die Probleme schon los. Klar, ein beeindruckend aussehender, einflussreicher Film, bei dem Scott beweist, was er kann: Bilder komponieren, Motive sammeln und aus der Kunstgeschichte zitieren. Aber es wird auch deutlich, was er nicht kann: eine Story straight auf den Punkt bringen und echte, mehrdimensionale Charaktere erschaffen, mit denen man mitleidet. Bei BLADE RUNNER packt mich immer eine bleierne Müdigkeit. Aber ich bin bereit, das als meine eigenes Problem zu betrachten. Zu den weiteren Filmen, die ich von ihm mag, zählen ausgerechnet HANNIBAL, ein Schundfilm, bei dem die Oberflächenfixiertheit genau richtig ist, und BLACK HAWK DOWN, dessen Mängel bei der Charakterzeichnung die Message erst nach Hause hämmern. Die ideologischen Vorwürfe, die diesem oft Film gemacht werden, kann ich ausnahmsweise mal nicht teilen, auch wenn Scott hier wieder sein Faible fürs postkartentaugliche Pathos auspackt. Hat der Mann noch etwas gemacht, das in irgendeiner Form im Gedächtnis geblieben wäre?
Ich fasse zusammen: Unbestreitbare Könnerschaft fürs Äußere kollidiert bei Scott immer mit großen erzählerischen Schwächen. Das funktioniert bei Filmen, die eher allegorisch zu verstehen sind (wie bei ALIEN), bei Trash (TRASH) oder wie im Fall von BLACK HAWK DOWN, weil es nicht um echte Figuren geht,
sondern um Menschen in einer bestimmten Situation. Größtes Manko bei Scott: Alles wird auf Gedeih und Verderb mit Kitsch zugekleistert.
Bei KINGDOM OF HEAVEN treten diese Mängel deutlich zu Tage: Eine stringente Geschichte gibt es nicht, der Film tut aber so als ob. Die Charaktere sind flach und lediglich Chiffren, um den sparsamen Plot voranzutreiben. Auf der visuellen Seite zeigt sich, dass Scott – bei allem Gespür fürs Bild – kein Verteter der Subtilität ist: Jede Aufnahme ist über Gebühr mit Filtern bearbeitet, Symbole erschlagen den Zuschauer förmlich und damit man auch bloß nichts verpasst, trällert dazu ein Klischeesoundtrack par excellence. Aber worüber wundere ich mich, Ridley Scott verdanken wir ja auch die Henry-Maske-Einlaufmusik. Na gut, er ist halt aus der Werbung. Hinzu kommt diesmal erschwerend, dass Scott nix neues eingefallen ist. Die finale Belagerung Jerusalems ist unverkennbar von RETURN OF THE KING beeinflusst, nur dass Peter Jackson auch das Bedrohliche dieser Situation eingefangen hat. Bei Scott prügeln sich Heerscharen verbissen um eine Mauer, ohne dass man einen echten Eindruck von der Dimension der Schlacht hätte.
Inhaltlich geht's kaum banaler. Da sagte er noch, dass sein Film für Toleranz zwischen Christen und Anhängern des Islams stehe, und was kommt dabei raus? Ein Film, der mit der grandiosen Message "Jeder Mensch hat das Recht zu leben" aufwartet. Deep. Der religiöse Diskurs wird hier überhaupt sträflich vernachlässigt. Was sich die Christen von Jerusalem versprechen, außer einem diffusen göttlichen Königreich, wird nicht ergründet, es bleibt bei der Behauptung. Wie das Leben in dieser Stadt zu jener Zeit wohl aussah, spielt auch keine Rolle, genauso wenig letztlich wie die Religionen. Die Christen haben dat Kreuz auffe Brust und die anderen haben die dunklen Bärte. So einfach ist das.
"Kingdom of Heaven" hätte ein faszinierender Film werden können, aber Ridley Scott weiß mit dem Potenzial gar nix anzufangen. KINGDOM OF HEAVEN ist entweder ein Monumentalfilm, dem die angemessene erzählerische Wucht fehlt, oder ein Thesenfilm ohne Thesen. Wie man es auch sieht, in beiden Fällen: Thema verfehlt.
#60
Geschrieben 16. Mai 2005, 12:42
SARTANA – TÖTEN WAR SEIN TÄGLICH BROT war ja schon ein großer Freudenspender, aber dieser Sartana-Film wird durch die Synchronisation von Rainer Brandt in Humorsphären gehoben, die zuvor noch nie ein Mensch betrat. Sartana, der zwar wieder von Gianni Garko gespielt wird, im Vergleich zu oben genanntem Film aber etwas älter (Schnurrbart!) und weniger smart aussieht – sehr zum Vorteil der Figur, finde ich – wird hier zum Sprücheklopfer vor dem Herrn gemacht. Der verschießt seine Oneliner schneller als seine Gegner Kugeln!
Die Story verkommt da fast zur Nebensache: Ein alter Freund von Sartana ist wegen seines Grundstücks, auf dem angeblich Gold liegen soll, umgelegt worden. Sartana reitet ins Städtchen Indian Creek, um den Mordbuben ausfindig zu machen und ihn seiner kosmischen Bestimmung zuzuführen. Der Film von Anthony Ascott (Giuliano Carnimeo) hält sich nicht lange mit langweiligem Firlefanz auf, sondern gibt der Meute, was sie braucht: Schlägereien, Schießereien und Dollereien. Formal gelingt es vor allem dem Kameramann Stelvio Massi, einige Kunststückchen zu vollbringen, die auch den spaßresistenten Vollzeitästheten für den Film erwärmen könnten.
Echter Star – neben dem arschcoolen Gianni Garko – ist aber die Synchro: "Man nennt mich Colorado-Jake!" "Na, von mir aus Fürchtegott Krause!" war mein heimlicher Favorit, aber die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Zigarren sind "Kotzbalken", Chinesen "Gelbeier", Pistolen "Bohnenschleudern".
Als Sartana sich durchs Fenster in Daniela Giordanos Zimmer schleicht, begründet er das mit: "Ich habe einige Jahre im bayerischen geweilt. Und wenn man die Leiter einmal ans Fenster gelehnt hat ..." Wie überhaupt die Synchro sich mundartlich quer durch die Republik kalauert, dass es ein echtes Vergnügen ist. Ich könnte hier wirklich stundenlang Sprüche aufzählen, aber dann wäre für den Leser ein Grund verloren, diesen Film aufzutreiben und anzusehen. Und das wäre unverzeihlich. Schöne DVD von X-Rated: Wer ein Herz für Italowestern hat und Rainer Brandt in Hochform zu schätzen weiß, kommt an diesem Film nicht vorbei. Ach ja, der Score ist ebenfalls großartig.
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