Der Monroe ihre dicken Hupen
#511
Geschrieben 08. Oktober 2006, 11:40
Fletch kündigt seinen Job bei der Zeitung, weil er ein altehrwürdiges Herrenhaus im schönen Louisiana geerbt hat. Das Haus entpuppt sich leider als Ruine, die Nachbarschaft setzt sich aus Fernsehpredigern und Ku-Klux-Klan-Anhängern zusammen und die Maklerin wird während der Liebesnacht mit Fletch vom Sensenmann heimgesucht. Schlechte Voraussetzungen für einen ruhigen Lebensabend ...
Die Fortsetzung zu Chevy Chase' Erfolgsfilm etabliert den Verkleidungstick von Fletch als den Humor bestimmendes Element. So schlüpft Fletch während seiner Ermittlungen in mehrere mehr oder weniger elaborierte Rollen, eine Methode, die im ersten Teil noch relativ organisch aus dem Geschehen entwickelt wurde, nun aber beinahe schon zum Selbstzweck wird. Das kann aber relativ egal sein, denn FLETCH 2 ist wieder ein ziemlich vergnüglicher Film geworden, in dem Chase erneut alle Register seines Könnens zieht. Was die beiden Filme um den spitzzüngigen Journalisten zudem zu einem angenehm unspießigen Unterfangen werden lässt, ist der ziemlich subversive, weil alles andere als autoritätshörige Tonfall. Es ist einfach ein ziemliches Vergnügen, wenn Fletch den ganzen Bonzen in ihren Konföderiertenuniformen verbal den Marsch bläst. Fein!
#512
Geschrieben 08. Oktober 2006, 12:25
Filme gucken ist manchmal mit Schmerzen verbunden. So etwa im Falle dieses Eastwood-Vehikels, der einen doch etwas verwundert fragen lässt, welchen Film der gute Mann denn in den Achtzigern gefahren ist. Oder um es genauer zu sagen: Dass Eastwood nicht gerade das ist, was man einen Liberalen nennt, war ja schon klar, die Plumpheit, mit der er diesen Marines-Rekrutierungs-Werbefilm inszeniert hat, legt aber doch den Schluss nahe, dass Reagan seinen Bürgern irgendwas ins Trinkwasser gemischt hat, anders ist die Ballung geistig schwindsüchtiger Filme der mittleren Achtziger wohl nicht zu erklären.
Eastwood ist Tom "Gunny" Highway, ein Marine der ganz alten Schule, und als solcher auch zu nix anderem zu gebrauchen, als zum Rumschreien und -ballern. Dass er von Onkel Sam quasi ausgemustert wurde treibt ihn mit schöner Regelmäßigkeit in die Ausnüchterungszelle, aus der er dann mit Hinweis auf seine Verdienste (Medal of Honor) freigelassen wird. Irgendein schlauer Vorgesetzter weiß aber, was dem guten Mann fehlt: Nein, nicht der verdiente Ruhestand, sondern die Rückkehr in seine Heimat, einem Ausbildungsort für junge Marines. Und so bekommt der bärbeißige Highway einen Haufen verlotterter Punks zugeteilt, die so wenig Bock auf den ganzen Armeescheiß haben, dass man sich fragt, wieso zum Teufel sie sich dann dort überhaupt gemeldet haben. Unter den gewohnt widrigen Bedingungen – Undiszipliniertheit, korinthenkackerischer Vorgesetzter (Everett McGill), Ex-Ehefrau, zu der die neue Liebe entflammt – macht Highway aus den jungen Marines aber dann doch den Haufen verwegener Höllenhunde, die sich bald schon nichts schöneres mehr vorstellen können, als sich im Dreck zu wälzen, sich von alten Männern anschreien zu lassen und hin und wieder in fremden Ländern einzumarschieren und eine Spur der Zerstörung zu hinterlassen. So dient dann am Ende die malerische Karibikinsel Grenada als Spielplatz für die amerikanischen Helden und damit ein Konflikt, dessen Rahmenbedingungen in HEATRBREAK RIDGE komplett unterschlagen werden.
Das dem so ist, verwundert indes nicht: Mit dem Titel des Films wird auf ein kleines Gefecht verwiesen, in dem Gunny Highway sich als "echter Mann" bewähren durfte und dessen Ort er als seine Schule begreift. Heartbreeak Ridge, so die Botschaft dieses verlogenen kleinen Zeitdokuments, steht für den singulären, kleinen Moment, in dem ein Mann sich in der Armee bewähren muss. Es sind nicht nur die großen Schlachten, in denen man seine Größe zeigen muss, sondern auch die wenig Ruhm versprechenden kleinen Scharmützel. Mit solcher Ideologie unterfüttert gelingt es HEARTBREAK RIDGE, auch eine nichtige und selbstverliebte Machtdemonstration wie den Einsatz auf Grenada als Mahnmal nationaler Stärke und Tapferkeit zu inszenieren. Das war den Obrigkeiten sicher nur recht und billig, weshalb sie auch das teuerste und neueste Equipment bereithielten, um den Einmarsch, im schönsten Sonnenlicht gefilmt, besonders eindrucksvoll aussehen zu lassen.
Es ist wirklich beeindruckend, wie unverhohlen blöd der Film heute erscheint. Ein echtes Revival könnte er vielleicht als Schwulen-Softerotik erleben: Da vergeht ja kaum eine Szene, in der die knackigen Marines sich nicht die Shirts von den öligen Muskeln zerren, sich gegenseitig die Hand auf die Schultern legen, Lieder auf die Zähigkeit ihres Ausbilders dichten oder sich ekstatisch ringend im Schlamm suhlen. Ich fühlte mich ein paarmal wirklich wie im falschen Film. Eine ähnliche Wirkung erzielten die melodramatischen Sequenzen um die Rückeroberung von Highways Ex-Frau: Man weiß, irgendwann machte Eastwood dann mit DIE BRÜCKEN AM FLUSS einen ganzen Film darüber, aber der erscheint bei HEARTBREAK RIDGE noch Lichtjahre entfernt. Hier presst Clint überwiegend menschenverachtende One-Liner zwischen seinen Zähnen durch und zeigt, was ein ganzer Amerikaner ist. Eindrucksvoll schlecht und von berückender geistiger Schlichtheit.
#513
Geschrieben 08. Oktober 2006, 16:48
"Lieblingsfilme mit Chevy Chase, die ich mich trotz meines O-Ton-Fimmels nach wie vor gern in der Synchrofassung ansehe", Teil 4. Der erste der vier Griswold-Filme ist trotz des ebenfalls immens großartigen SCHÖNE BESCHERUNG der beste der Reihe (außerdem gibt es da noch HILFE, DIE AMIS KOMMEN und den eher mäßigen VIVA LAS VEGAS): Die Griswolds wollen in ihren Ferien von Chicago mit dem Auto quer durch die Staaten nach Kalifornien, um dort den Vergnügungspark "Walley World" aufzusuchen. Auf der Fahrt reiht sich eine Katastrophe an die nächste und als man nach zahlreichen Entbehrungen, Demütigungen, Un- und Todesfällen endlich am Ziel angelangt ist, ist der Park geschlossen. Papa Clark Griswold (Chevy Chase) dreht nun völlig durch ...
Harold Ramis widmet sich für seine Komödie einem uramerikanischen Genre, dem Road Movie, und landet damit einen genialen Coup: Sein Film ist eine ziemlich schöne Entzauberung der amerikanischen Familienwerte und der diese propagierenden Filme. Clark Griswold ist ein typischer Mittelklassenpapa, der dem großen Glück hinterherrennt und ständig feststellen muss, dass dieses eben doch nur ein verklärtes Postkartenideal ist. Die Familie ist nämlich in Wahrheit ein Hort des Grauens: Der arbeitslose, versoffene Redneck-Cousin Eddie knutscht mit seiner Tochter, lässt die hochschwangere Frau Nachtschicht schieben und hat einen Schaden aus dem Krieg davongetragen; Tante Edna, die die Griswolds unvorbereitet mitnehmen müssen, hat einen bissigen Hund dabei und nervt unaufhörlich mit ihrem Gemecker; die Kinder nörgeln und saufen das großzügig angebotene Bier weg und der Vater, der immer das Beste für seine Familie will, stürzt sie stattdessen von einem Unglück ins nächste. Das sind die Zutaten, die zusammen mit einem großartigen Chevy Chase einen Film voller absurder ergeben. Wie Chevy Chase einen Clark Griswold spielt, der es schafft, sich in jeder Szene zum Affen zu machen und immer darauf bedacht ist, auch in größter Panik noch den Anschein von Contenance zu vermitteln, ist einfach unbezahlbar. Ich könnte jetzt Dutzende von Gags nacherzählen oder Dialogzeilen zitieren, aber das würde der Begeisterung doch nicht gerecht werden. So lehne ich mich einfach genießerisch zurück und grinse zufrieden ...
#514
Geschrieben 08. Oktober 2006, 17:41
Ich schaffe es einfach nicht, einen auch nur annähernd brauchbaren Text zu diesem Film zu verfassen. James Cagney ist wieder einmal in seiner Paraderolle als zum Verbrechen bestimmter Kleingangster Rocky zu sehen, der seinen Weg bis hin zum Tod konsequent beschreitet. Es gibt den obligatorischen besten Freund, den Priester Jerry (Pat O'Brien), der das Glück hatte, bei einem Bruch zusammen mit Rocky den entscheidenden Schritt schneller gewesen zu sein: Rocky kam in den Knast und begann so seine kriminelle Karriere, Jerry wandte sich von selbigem ab, wurde Priester und bemüht sich nun, den Straßenkindern seines Viertels eine Perspektive zu geben. Humphrey Bogart ist wie schon in THE ROARING TWENTIES wieder einmal der Schurke, der korrupte Anwalt James Frazier, der Rocky zum Verhängnis wird. Und dann gibt es da noch eine Bande von Straßenkindern, die unter den Fittichen Rockys Geschmack an krummen Dingern und dem schnellen Geld finden. Michael Curtiz schnürt das alles zu einem Film zusammen, der so viel mehr ist als ein reiner Gangsterfilm, und in einem großartigen, dramatischen Finale endet, dass einen völlig geplättet zurücklässt. Man könnte, müsste und sollte noch einiges mehr zu diesem Film sagen, noch besser allerdings wäre es, ihn sich einfach nochmal anzugucken. Die pietätvolle Distanz, die Curtiz in seinem Finale wahrt, liefert außerdem noch einmal Anschauungsmaterial, um sich zu vergegenwärtigen, was eigentlich mit der Behauptung gemeint ist, dass es manchmal effektiver ist, etwas NICHT zu zeigen.
#515
Geschrieben 09. Oktober 2006, 17:45
Einen richtig guten Trashfilm oder einen schönen Baddie zu entdecken, ist eine der größten Freuden, die es für den Freund des Abseitigen geben kann. Man wühlt sich durch Berge von miesem, langweiligem Rotz, um kurz wie von der Muse geküsst innezuhalten, wenn man die Trashperle entdeckt hat, die nicht eh schon jeder auf dem Zettel hat. Man sollte meinen, dass es genug doofe Filme gibt und dass es nicht so schwer sein kann, in diesem Haufen was Brauchbares zu finden. Doch das Schlechtsein allein reicht noch längst nicht für die höhren Weihen. Sonst könnte man ja auch sämtliche Sönke-Wortmann-Filme zum Trash zählen. Wer aber bei Dosenbier und bewusstseinserweiternden Substanzen sein Glück bei DER BEWEGTE MANN sucht, wird schnell feststellen, dass das ein sehr zweifelhaftes Vergnügen ist. Scheiße ist auch der, ja, aber zu einem Erlebnis wie etwa DAS GRAUEN KOMMT NACHTS macht ihn das noch nicht.
MAFIA VS. NINJA hingegen ist ein absoluter Leistenbrecher, ein Hit für die gesellige Runde und Garant für den ein oder anderen Gefühlsausbruch. Ein tapferer Kung-Fu-Kämpfer kommt nach Shanghai, um dort sein Glück zu suchen. Seine ausgesprochene Tapferkeit und Rechtschaffenheit lockt bald den Paten von Shanghai auf den Plan, der Hilfe gegen seinen fiesen Konkurrenten braucht. Besagter Konkurrent ist ein (natürlich) böser Japaner, der sich schlagkräftige Untertstützung aus den USA und Italien (???) holt: einen hünenhaften kickboxenden und mit schlechtem amerikanischen Akzent sprechenden Neger und einen messerwerfenden Dario-Argento-Lookalike, der leider aber keinen schlechten Italoakzent hat. Natürlich lässt sich unser Held nicht lang lumpen und er greift hilfsbereit in das internationale Gerangel ein.
MAFIA VS. NINJA ist ein preisgünstig produzierter Kung-Fu-Klopper, der sich nie so ganz entscheiden kann, in welcher Zeit er denn nun spielt. Fühlt man sich zu Beginn noch an den BOXER FROM SHANTUNG erinnert, fahren bald schon amerikanische Straßenkreuzer durchs Bild, bevor die Akteure in der nächsten Szenen den Eindruck erwecken, als seien sie aus einer chinesischen Variante von THE STING entflohen. Alles ist ne Ecke billiger als bei den Shaws, so wird etwa ein an das Vereinsheim des örtlichen Kegelklubs gemahnendes Etablissement zwei- bis dreimal verwurstet: als Casino mit lustiger Spielkartendeko, als Stützpunkt des Chinapaten und als hochexklusiver Klub für die Reichen und Schönen, zu erkennen an den Glitzergirlanden vom Kindergeburtstag. Und die steinreichen westlichen Geschäftsleute, die sich dort umtreiben, sehen eher aus wie der Kegelverein, der dort normalerweise zu tagen pflegt . Auch die Synchro trägt ihren Teil dazu bei, MAFIA VS. NINJA zum großen Spaß zu erheben, vor allem der radebrechende Neger ist immer für einen Lacher gut. Was diesen Cheapo aber erst zum ganz großen Wurf macht, ist die Tatsache, dass dann und wann auch mal echtes Können durchblitzt: So sind die zahlreichen Fights ziemlich spektakulär, rasend schnell und voller lustiger Kunststückchen – und Blut wird hier auch ganz gern vergossen. Es gibt einen Kampf gegen eine Überzahl von Ninjas, bei dem von Bäumen herabhängende Seile sehr effektiv und kunstvoll eingesetzt werden und eine Menge offenkundiger Dummies durch die Walachei fliegen. Und die Darbietungen des italienischen Messerjockels sind auch recht hübsch geraten. Ganz toll hat mir außerdem der fette Schwertkämpfer gefallen, der zur Vokuhila-Frisur einen schicken Hitlerbart trägt. Das zeugt von Geschmack und Stil. Ich habe mich wirklich schon lange nicht mehr so köstlich amüsiert und diesen Film bereits ganz fest in mein Herz geschlossen. MAFIA VS. NINJA: Satisfaction guaranteed!
#516
Geschrieben 10. Oktober 2006, 12:00
ERASER war damals Bestandteil der großen Sommeroffensive, die die Kinos mit den potenziellen Kassenknüllern MISSION: IMPOSSIBLE und TWISTER unter Beschuss nahm. ERASER hatte dann auch keine Chance gegen die noch mehr auf Hochglanz polierten Blockbuster, obwohl seine Ein-Aquarium-geht-zu-Bruch-Szene deutlich schöner ist als die in M:I, weil das Aquarium Krokodile enthält - und somit natürlich richtigerweise ein Terrarium ist. Damals verdrückte man bei ERASER als Fan der Arniefilme aus den Achtzigern ein stilles Tränchen, weil ERASER deutlich geschliffener und von dem für die Neunziger typischen postmodernen Gestus durchzogen ist. So wird Arnie als St.-Georg-Ersatz John Kruger hier so mythisch überhöht wie sonst nur in den TERMINATOR-Filmen. Betrachtet man den Film aber mit gut zehn Jahren Distanz und dem Rotz im Hinterkopf, den Arnie danach so verbrochen hat, dann ist ERASER fast schon Old School. Dennoch ist ERASER nicht makellos: In der SPLATTING IMAGE stand damals sinngemäß, dass es Regisseur Chuck Russell nicht gelänge, dem Film sein B-Movie-Flair zu nehmen. Da ist was dran. Alles wirkt verhältnismäßig klein, die Actionszenen sind zwar durchaus ansehnlich geraten, aber ebenso hat man den Eindruck, sie seien mit angezogener Handbremse inszeniert. Das ist sehr schade, denn die Ansätze sind da: Arnies Sprung aus dem Flugzeug und der folgende Versuch des Piloten, den an einem Fallschirm hängenden Muskelmann vom Himmel zu pflücken, hätte mit etwas längerem Atem Stoff für eine fulminante Sequenz geboten, ebenso wie die angesprochene Krokodilattacke, die mehr noch als unter den mittelprächtigen CGIs unter ihrer Kürze zu leiden hat. Und der Showdown auf einem Containerhafen kommt fast schon so rüber wie in einem Pepin/Merhi-Film. Insgesamt ein unterhaltsamer Actioner, der besser ist als vieles, was einem in diesem Genre heute so serviert wird, leider aber auch schon einige Verfehlungen desselben vorwegnimmt. Immerhin wird noch recht blutig gestorben ...
#517
Geschrieben 11. Oktober 2006, 08:48
Es ist mir ein Rätsel, warum dieser (von der Cannon produzierte) Film seinerzeit so ein Flop gewesen ist. Auch wenn Hooper in TCM 2 einen ganz anderen Weg beschreitet als im einflussreichen Vorgänger, nämlich den einer tiefschwarzen Komödie, so ist sein Film in vielen Elementen weitaus näher dran am Geist des Originals als etwa das armselige Remake. Dennoch sind die Unterschiede zunächst augenfälliger. So liefert Tobe Hooper in seinem Sequel genau das, was der erste Teil nur im Titel trug: das Massaker. Tom Savini greift tief in die Trickkiste und bietet lustige Kettensägereien, Hammerattacken und Häutungen, die in Verbindung mit dem äußerst gestörten Humor ihre Wirkung zeigen. Obwohl Hooper die Komik in dem Gemetzel sucht und findet, ist er vom Fun-Splatter eines Brian Yuzna oder frühen Peter Jackson meilenweit entfernt. Auch TCM 2 schwingt sich zu einem höchst unangenehmen Finale empor, in dem Caroline Williams als weibliches Opfer eine ähnliche Tour de Force mitmachen muss wie Marilyn Burns im ersten Teil.
Der Witz des Films besteht hauptsächlich in der grotesken Überzeichnung seiner Hauptfiguren: Dennis Hopper spielt den Texas Ranger und passionierten Jäger des Sawyer-Clans Lefty Enright immer knapp am Delirium vorbei. Ganz großartig ist die Szene, in der er in einem Kettensägenladen die geeigneten Waffen ausprobiert und den Verkäufer damit ziemlich schockiert. Und seine Dialogzeilen bestehen zu 95 % aus Bibelzitaten, Flüchen oder aber wahnsinnigem Gesang ("Bringing in the Sheep ..."). Trotz dieser tollen Performance stiehlt ihm der verhasste Sawyer-Clan die Show: Jim Siedow, einziges Überbleibsel aus Teil 1, ist The Cook, der Mühe hat, Chop-Top und Leatherface im Zaum zu halten, verdingt sich sonst eben als Koch und ist in dieser Funktion gerade für das beste Chili von Texas ausgezeichnet worden. Sein Geheimnis ist "Prime Meat" ... Leatherface erfährt eine Sexualisierung in Hoopers Sequel: Er wird als pubertierender Knabe gezeichnet, der seine offensichtlichen Versagensängste durch die Größe seines Phallus (= Säge) kompensiert. Die Szene, in der er sich den gespreizten Beinen der feschen Radiomoderatorin Stretch nähert, spricht Bände. Yeah, Sägensex! Ebenso Bände spricht aber auch die Tatsache, dass Leatherface' Säge beim Höhepunkt nicht anspringt ... Seine tolpatschige Seite, die im ersten Film bereits angedeutet wurde, wird hier voll ausgespielt. Das macht die Figur aber nicht weniger beunruhigend, im Gegenteil. Gerade die Tatsache, dass der Zuschauer beginnt, mit Leatherface zu sympathisieren, ist einer der vielen großen Würfe des Films. Chop-Top (Bill Moseley) ist das Äquivalent zum Hitchhiker, ähnlich irre und einer der besten Charaktere der Sequelhistorie. Er ist Hippie ("Look what you did to my Sonny-Bono-wig-do!") und trägt eine Stahlplatte im Schädel ("Nam flashbacks!"), von deren Rändern er mit einem Kleiderbügel Hautfetzen abkratzt, die er dann genießerisch verspeist. Der kleine Snack für Zwischendurch, oder so. Sein erster Auftritt zählt zu den unheimlichsten, weil "leisesten" Momenten des Films, der sich sonst ziemlich expressiv gibt.
So ist Ende des Films ist nichts anderes als surrealistisch zu nennen und würde sich auch in einem Jodorowsky-Film ganz gut machen. Der Wahnsinn des Originals, der im Kontrast zum "sachlichen" Ton des Films entwickeln konnte, wird hier eben durch eine den Achtzigern angemessene Over-the-Top-Inszenierung erreicht. Aus dem "schlichten" Farmhaus mit dem ein oder anderen ausgefallenen Knochenexponat ist der unterirdische Theme-Park geworden, der eines der schönsten Settings der jüngeren Horrorfilmgeschichte darstellt. Die Musik klingt wie die Synthieversion der Orgelorgien des Dr. Phibes und die verstörten Killer sind überzeichnete Psychopathen, der "Held" ein religiöser Fanatiker, die Morde längst keine funktionalistischen Tötungen mehr, sondern eben auch Lustmorde. Denn, wie The Cook in einem der vielen zitierwürdigen Sätze sagt: "Sex or the Saw? Well, sex ... Nobody knows, what that is. But the saw ... The saw is FAMILY!"
Ein Riesenfilm und eine schöne DVD, auf der sich auch noch einige zusätzliche, sehr rohe Deleted Scenes für die Gorebauern finden ...
#518
Geschrieben 13. Oktober 2006, 11:58
Eigentlich wollte ich ja den tollen Klappentext der DVD zitieren, der den ganzen Film nacherzählt und dem es gelingt, in dieser Nacherzählung gleichzeitig eine der großen Stärken des Films zu rekonstruieren: die völlige dramaturgische Inkohärenz, die den schweizerisch/spanischen Streifen zu einer Orgie der reinen oder auch praktischen Gewalt macht. MAD FOXES erzählt eine klassische Rachegeschichte: böse Motorradrocker vergewaltigen des Helden Freundin, Held rächt sich, Rocker rächen sich ihrerseits, der Held übt nochmal Rache. So wie sich der Konflikt innerhalb der Handlung eigentlich nicht wesentlich zuspitzt, Gewalt wird immer mit erneuter Gewalt erwidert, so klatscht auch der Regisseur die drei Tableaus Einleitung/erstes Verbrechen, Rache/Rachekonter, Endabrechnung einfach hintereinander, ohne dass sich da irgendeine Form von Spannung aufbauen würde. Aber bevor man anfängt, hier der mäßig gelungenen Erzählstruktur auf den Leib zu rücken, kann man das Versagen dieses wunderbaren kleinen Dumm-Dumm-Geschosses an viel augenfälligeren Beispielen illustrieren.
Der Held von MAD FOXES (trotz der spanischen Kulisse nennt er sich schick "Hal") ist ein absoluter Kotzbrocken. Nicht nur, dass der Enddreißiger mit seiner Zuhälterkarre durch die Gegend jockelt und aussieht als wäre er in allen Golf- und Tennisklubs der Welt zu Hause, nein, er hat noch gewichtigere Defizite. Schon zu Beginn outet er sich dadurch als Ekelpaket, dass er sich mit einer gerade 18-Jährigen verlustiert und das, wie wir wenig später erfahren, bereits seit 8 Jahren. Donnerlittchen, das ist kein Kavaliersdelikt mehr! Bevor man noch MALADOLESCENZA schreien kann, dreht der Supertyp so richtig auf: Einer der Rocker, die ihn an der Ampel anpöbeln, wird erstmal in ein parkendes Fahrzeug gedrängt und umgebracht. Aber Hal lässt sich den Spaß nicht verderben und fährt mit Betsy (so heißt die Kleine) ins "Big Apple", einer Superdisse mit der knorken Rosi hinter der Theke, die gleich mal die letzte Pulle Schampus für den Hal klarmacht. Der holt nach Verzehr noch eine schöne Pulle Schnappes aus dem Schränkchen und lässt den Romantiker raus: "Es ist noch genug Stoff da, um alle Hemmungen zu ersäufen!" Na wunderbar, so hat sich Betsy ihre Entjungferung bestimmt immer ausgemalt. Um das Bild, dass wir von ihm haben, abzurunden, schleppt er seine Freundin dann stinkbesoffen lallend zu seiner Karre, um sie zum "Höhepunkt des Abends" zu bringen, nämlich "in meine Wohnung".
Zum Glück kommen die Rocker dazwischen, die ihm ordentlich eine vor den arroganten Bregen geben, aber auch der Betsy recht unangenehm zu Leibe rücken. Die Schauspielerin ist angesichts ihrer Vergewaltigungsszene bestimmt heute noch stolz auf diesen Film. Naja, Betsy kommt ins Krankenhaus, der Hal indes fährt nach Hause, schenkt sich - man soll bekanntlich damit anfangen, womit man aufgehört hat - ein Glas Whiskey ein und ruft seinen Karatefreund an, der ihm dabei helfen soll, die Rocker zu plätten. Die feiern abends die Beerdigung ihres verunfallten Freundes in einem Amphitheater. Es gibt eine miserabel choreografierte Schlägerei, bei der sich vor allem die Karateprofis als absolute Nulpen erweisen, aber natürlich trotzdem gewinnen. Der Obermotz der Rocker, ein Ekel mit Naziuniform und Schnäuz, wird flugs kastriert, obwohl er bei der Vergewaltigung gar nicht mitgemacht hat, und bekommt auch noch seinen Pillermann in den Mund gesteckt. Pfui Deibel! Übrigens fiel auf, dass die Hakenkreuzarmbinden der Rocker in dieser Szene des Hakenkreuzes entbehrten, das sonst immer deutlich sichtbar ist.
Dann folgt ein an Val Lewton erinnernder Schnitt. Zwei neue Personen, Männlein und Weiblein, tollen am Strand. Vor allem der Mann schwenkt euphorisch alles, was er hat. Bald fährt Hal vorbei und das Liebesglück ist zu Ende. Er hat nur Platz für die Ische, die ihren Macker kurzentschlossen stehen lässt. Hal findet sie auf Anhieb super und nimmt sie deshalb gleich mit zu den Eltern, die in einem Riesenhaus wohnen, das sie von "einem entfernten Verwandten geerbt" haben. Warum vererben entfernte Verwandte ihre Reichtümer denn immer an entfernte Verwandte? Man weiß doch, was das für einen Ärger in der Familie gibt! Jedenfalls werden die Eltern vom Hal von den Rockern heimgesucht, als Hal seine Mitfahrerin an eine Astgabel gelehnt durchzieht. Der ist vom Ficken besessen, der Mann! (Vorher hat er sie schon in der Badewanne durchgeorgelt.) Als er nach Hause kommt, ist das Gezeter groß: MamaPapaKöchin sind alle tot, ebenso der Gärtner. Jetzt reichts aber endgültig, denkt sich der Hal und beginnt Jagd auf die Rocker zu machen. Einer nach dem anderen wird in die ewigen Jagdgründe geschickt, bis er von dem kastrierten Nazi überrascht wird. Der Film schließt mit einem bombigen Finale.
Was soll man dazu sagen? MAD FOXES ist so unglaublich bescheuert, dass es einem schwer fällt, das alles in Worte zu fassen. Zwar entbehrt der Film grober technischer Schnitzer und auch die Synchronisation ist recht ordentlich, dennoch ist das hier ein Sammelsurium beknackter Szenen, das zu keiner Sekunde irgendeinen Zweck erfüllt oder auch nur irgendwie sinnhaft ist. Zwischendurch merkt man, dass sich der Regisseur Paul Grau wahrscheinlich wirklich was bei dem Treiben gedacht hat, so erinnert der Film natürlich an die DEATH-WISH-Filme oder auch an A CLOCKWORK ORANGE, aber gerade in der Gegenüberstellung mit diesen wird das grandiose Versagen von MAD FOXES augenfällig, dem es nicht gelingt, auch nur einen Ton richtig zu treffen. Vor allem der Rhythmus des Films ist eine Bemerkung wert: Immer wieder werden absolut nichtssagende Szenen eingeschnitten und in einer epischen Breite ausgewalzt. Man merkt, dass es nur darum ging, den Film irgendwie auf Spielfilmlänge zu bringen. Ob es nun eine vierminütige Rock 'n Roll-Einlage zu Beginn ist, die überhaupt nicht zum Rest passen will, oder aber die statische Einstellung in der zweiten Hälfte, die des Hals neue Eroberung beim Reiten zeigt: Diese Szenen bringen noch nicht mal optisch was. Und mit der Spielfilmlänge hat es dann ja auch nicht so recht geklappt, denn MAD FOXES schließt nach 78 Minuten. Den Film verlässt der Zuschauer aber reich beschenkt, wenn auch nur deshalb, weil er einer der ganz wenigen Filme sein dürfte, dessen Showdown in einem Filmstudio spielt, in dem gerade ein Film über das Dritte Reich gedreht wird. Der Regisseur muss ein Faible für Nazis gehabt haben ...
#519
Geschrieben 15. Oktober 2006, 14:49
Der Hänger John Winger (Bill Murray) hatte einen Scheißtag: Job weg, Auto weg, Wohnung weg, Freundin weg. Da bleibt nur eine Chance. Kurzentschlossen überredet er seinen Freund Russell Ziskey (Harold Ramis) dazu, sich bei der Army einzuschreiben. Der Abenteuerurlaub entpuppt sich aber als echter Schlauch, zumal man mit Sgt. Hulka (Warren Oates) einen Schleifer alter Schule als Ausbilder hat. Doch seine Erziehungsmethoden schlagen nur bedingt an, vielmehr sabotiert Winger jeglichen Versuch des Haudegens, Disziplin in den Sauhaufen zu bringen. Am Ende siegt aber doch das amerikanische Ehrgefühl und in einem echten Einsatz hinter dem Eisernen Vorhang (der allerdings durch Wingers "Unternehmungslust" und die Blödheit des opportunistischen Vorgesetzten Captain Stillman erst ausgelöst wird ...
Man kann dieser Komödie sicherlich kritisch gegenüberstehen: Die Army ist letztlich doch immer noch der tolldreiste Haufen, in dem sich echte amerikanische Helden bewähren müssen. Diese Helden sehen allerdings mittlerweile etwas anders aus. STRIPES ist eine Underdog-Komödie, die wieder einmal den amerikanischen Traum beschwört. Für mich ist dieser Film eine einzige Zeitreise, ich kenne ihn noch aus meiner Kindheit, in der ich viele der Gags sicherlich noch gar nicht verstanden habe, trotzdem hat mich Bill Murrays lakonische Art damals schon gepackt. Die neue (?) DVD wartet mit zusätzlichen 14 Minuten auf (John und Russell landen zufällig in einem Fallschirmmanöver und treffen nach dem Absprung in irgendeinem Urwald auf südamerikanische Rebellen), entbehrt aber leider der alten deutschen Synchronisation, was das nostalgische Erlebnis leider zerstört hat. Den Film mag ich aber immer noch: Bill Murray und Warren Oates sind beide on top of their game, Judge Reinhold und John Candy sind ebenfalls immer gern gesehen. Ferner ist der feine Score zu loben, der den Film auf positive Weise größer macht als er eigentlich ist. Und der Patriotismus, der hier dargestellt wird, ist mir immer noch lieber als jener, der in solchen Ekelfilmen wie EINE FRAGE DER EHRE etc. zur Schau gestellt wird.
#520
Geschrieben 15. Oktober 2006, 21:54
Ein so genannter Nudie Cutie von 1959 und damit der älteste Film aus der kürzlich erstandenen Russ-Meyer-Collection. Kamera und ironischer Voice-over begleiten Mr. Teas an einem ganz normalen Arbeitstag. An jeder Ecke warten Frauen mit ausladenden Dekolletees auf den Biedermann, der sein Glück kaum fassen kann. Nachdem der Tag mit der Darbietung einer barbusigen Schönen am Strand auch nicht gerade zur genitalen Entspannung beiträgt, legt sich Mr. Teas am nächsten Tag auf den Stuhl eines Zahnarztes, dessen Helferin gern mit weit geöffnetem Kittel arbeitet. Er erhofft sich neue Einsichten, wird aber von der Narkose jäh aus der Kontemplation gerissen. Doch, oho: Nebenwirkungen des Medikaments sorgen dafür, dass Mr. Teas plötzlich überall nackte Damen sieht. Begeistert und verwirrt zugleich folgt er in bester Spannermanier drei Schönheiten, während der Voice-over von den Errungenschaften der Seefahrt und der Erfindung von Gummi schwadroniert. Am Ende legt sich Mr. Teas zwar reuevoll auf die Couch der Psychiaterin, doch ein Blick auf deren entblößte Kurven lässt ihn jeglichen Therapiewunsch sogleich wieder vergessen. Fin.
Russ Meyers Film lässt schon viele Stärken späterer Filme erkennen: zu allererst natürlich den famosen Voice-over, der das sehr unzweideutige Treiben gekonnt in blumige Metaphern kleidet, aber auch der symmetrische Aufbau des Films, der den Zuschauer direkt an der lästigen Tagesroutine des Mr. Teas teilnehmen lässt, und den geschickten Erzähler und großen Humoristen durchblitzen lässt. Der größte Clou des Filmes ist allerdings auch sein größter Makel: MR. TEAS ist im Grunde ein Stummfilm. Die Protagonisten sind stumm, Dialoge werden durch Musik verstimmlicht, lediglich der Voice-Over schaltet sich dann und wann ein, erst häufiger, dann in immer größeren Abständen. Dieser Stummfilmentwurf verwundert nicht: Durch die Konzeption der Hauptfigur, der zunächst einfach nur "The Common Man" genannt wird und mit seinem Hut und einem roten Overall zwei markante Markenzeichen sein eigen nennt, erinnert Mr. Teas ein wenig an den Tramp Charlie Chaplin. Die von Meyer unverkennbar, aber sehr zärtlich formulierte Sozialkritik tut ihr Übriges. Ein schöner Einstand ins (Fast-)Gesamtwerk, dennoch ein Film, der Schwierigkeiten hat, die 60 Minuten vollzukriegen und deshalb sicher nur für Komplettisten und Historiker von Interesse ist. Mir hat's gefallen!
#521
Geschrieben 17. Oktober 2006, 08:03
1. Weltkrieg, Winter 1917: Nach einem nächtlichen Gefecht irrt ein aufgeriebenes Grüppchen überlebender englischer Soldaten durch den nebel, den sie zunächst für Giftgas halten. Bald stoßen sie auf ein Netz von Schützengräben, das nur noch einer Handvoll panischer deutscher Soldaten Unterschlupg gewährt. Die Sprachbarriere ist unüberwindbar und so versteht keiner der Engländer die Warnungen vor etwas, das "alle töten wird". Und während die Soldaten den Graben gegen einen nicht vorhandenen Feind verteidigen, beginnt das große Sterben ...
Der Kriegshorrorfilm scheint ein schwieriges Genre zu sein. Trotz der offenkundigen Möglichkeiten lassen sich die Vertreter an zwei Händen abzählen. Pickt man nur zwei heraus, Michael Manns feiner THE KEEP (WO BLEIBT DIE VERSCHISSENE DVD?!?) und den vor ein paar Jahren entstandenen THE BUNKER, und vergleicht diese mit DEATHWATCH, fällt zudem auf, dass man sich scheinbar schon auf einen Standardplot eingeschossen hat: In allen drei Filmen steht den Soldaten eine übernatürliche Kraft gegenüber, die den großen Gleichmacher spielt. So krankt dann auch DEATHWATCH ein bisschen daran, dass ihm die ganz großen Überraschungsmomente fehlen, denn man ahnt relativ schnell, worauf das alles hinausläuft. Dennoch halte ich DEATHWATCH für einen ausgeprochen ansehnlichen Film und für um Längen besser als den oben genannten THE BUNKER. Dafür sorgt vor allem die äußere Gestaltung des Films: Zwischen Schleimiggrün und Matschgrau changierend spielt sich das Geschehen über weite Strecken in den unwirtlichen Gräben in einem Niemandsland ab, das keinen Horizont zu kennen scheint. Wahre Sturzbäche von Regen ergießen sich über die Protagonisten und machen unmissverständlich klar: Der Krieg ist kein Zuckerschlecken! Die Höllen- bzw. Jenseitsallegorie fängt der Film in diesen tristen Bildern ein, die dann und wann durch geschickt gesetzte Schockmomente pointiert werden. Besonders eklig fand ich die vermoderte Leiche, die sich kaum vom Schlamm abhebt und in die einer der Soldaten dann auch prompt reintritt. Huärch! Am Ende bedient sich Regisseur Michael J. Bassett dann vielleicht etwas zu sehr bei anderen Genregrößen: Der Tod des Oberpsychos Quinn (Andy "Gollum" Serkis) ist mehr als ein kleines HELLRAISER-Zitat und kurz haben die Drehbuchschreiber auch in Richtung des SIXTH SENSE/THE OTHERS-Twists geschielt. So weit geht der Film zum Glück nicht, dennoch wirkt das "überraschende" Ende innerhalb der sehr geschlossenen Inszenierung ziemlich aufgesetzt. Schade drum, denn DEATHWATCH weiß über große Strecken durchaus zu gefallen.
#523
Geschrieben 19. Oktober 2006, 15:54
Paul und Lucy, beide erwachsen und erfolgreich, besuchen ihre Eltern in der Heimat im malerischen British Columbia. Der Vater Phil ist ein frisch gekürter Nobelpreisträger, Mutter Jenn eine ehemalige Balletttänzerin. Schon nach kurzer Zeit treten erste Unstimmigkeiten auf: Papa Phil ignoriert seinen Sohn, die Mutter schneidet die Tochter. Und als sich dann auch noch der pädophile Onkel Stan mit seiner als Schulmädchen verkleideten, blutjungen Verlobten eintrudelt, nimmt das Drama seinen Lauf.
THE HAMSTER CAGE ließe sich leicht mit solchen Floskeln wie "bitterböse", "schwarze Komödie" oder "spielt mit der Erwartungshaltung der Zuschauer" abfrühstücken und als Kreuzung aus solchen Filmen wie VERY BAD THINGS, WEEKEND AT BERNIE'S und Lars Vinterbergs FESTEN bezeichnen. Die Abgründe hinter der scheinbar heilen Familienfassade sind bodenlos, kleine zunächst harmlos erscheinende Familienzwistigkeiten ufern zu pathologischen und kriminellen Kleinkriegen aus, die längst nicht mehr auf konventionelle Art und Weise zu schlichten sind. Kein Wunder, dass dieser Familienstreit bald Todesopfer fordert. An dieser Stelle droht HAMSTER CAGE tatsächlich manchmal in eine recht plumpe "Wie werden wir die Leiche los?"-Komödie zu kippen. Gottseidank läuft aber alles anders: Zwar ist der Ausgang des Films nicht völlig unerwartet, wohl aber der Weg, der bis dahin beschritten wird. Mehrmals habe ich mich dabei ertappt, die einzelnen Charaktere in die vorgefertigte Schublade zu stecken, nur um dann festzustellen, dass sie dort doch nicht hineinpassen. Diese Täuschungsmanöver erhebt Kent zur Kunstform, ohne jedoch nur völlig alogische Twists und Turns aneinanderzureihen. Schon im eröffnenden Dialog zwischen Paul und Lucy deutet sich an, dass die Oberfläche nur die halbe Wahrheit ausmacht. Das bewahrheitet sich während des Films, der immer dann, wenn man glaubt, ihn "ausgerechnet" zu haben, eine unerwartete, aber doch immer nachvollziehbare Wendung nimmt. Regisseur Larry Kent zeichnet eine mit dysfunktional noch vorsichtig umschriebene Familie, in der die Lüge so realitätskonstituierend geworden ist, dass es bereits zu spät ist, als endlich die Wahrheit ausgesprochen wird. Alle Figuren sind mindestens doppelgesichtig, jeder trägt seine hidden agenda mit sich herum und versucht, seine wahren Motive, Gefühle und Gedanken vor den anderen zu verbergen. Es geht in diesen Familien immer auch um Macht, das wird sehr augenfällig.
THE HAMSTER CAGE ist nicht der originellste Film der Welt, er punktet aber dort, wo andere Filme in letzter Zeit regelmäßig versagen: am Ende. Statt mit einem hohlen Twist oder Schlussgag zu enden, beschreitet Kent seinen Weg konsequent. Das beinahe verhaltene Finale überführt den Zuschauer wieder in die Realität, die man während des Films dann und wann zu verlassen drohte: Aber das hier war kein Spaßfilm, kein Zwerchfellzerrer. Und auch wenn einiges ganz schön herbeikonstruiert ist (ist ja auch schließlich ein Film!), dämmert einem am Ende, dass das alles vielleicht gar nicht so weit von der Realität weg ist.
#524
Geschrieben 19. Oktober 2006, 18:36
#525
Geschrieben 21. Oktober 2006, 15:22
Irgendwo in Irland: Als ein Bauer eine alte Kultstätte auf seinem Feld abreißt, weckt er damit den ehemaligen König Rawhead auf, der nun als rasender und gefräßiger Dämon seinen alten Machtanspruch durchsetzen will. Der Altertumsforscher Hallenbeck, der nach Spuren aus dem Neolithikum sucht, erkennt als erster, auf wessen Konto die zahlreichen Morde gehen, doch die Polizei will ihm natürlich nicht glauben ...
Der Horrorfilm der späten Achtziger ist bis auf wenige Ausnahmen ein meist äußerst streitbares Vergnügen. Wirklicher Horror oder zumindest Atmosphäre sind mangelware, stattdessen dominieren mittelklassige Effekte, vordergündiger Gore und miese Schauspieler. Auch RAWHEAD REX lässt sich zunächst mal ganz gut in diese Schublade stecken. Vor allem der titelgebende Dämon ist eher Anlass für den ein oder anderen Lacher, denn dafür, den Zuschauer in Angst und Schrecken zu versetzen. Dennoch hat mir RAWHEAD REX ziemlich viel Freude gemacht; eine Tatsache, die ich in erster Linie mal auf das Drehbuch von Clive Barker zurückführen möchte, der seine eigene Kurzgeschichte aus den "Büchern des Blutes" adaptiert hat und das Interesse des Zuschauers mit einigen für einen solchen Film ungewöhnlicher Gediegenheit wachzuhalten weiß. So ist das Protagonisten-Ehepaar sehr glaubwürdig, sympathisch und absolut unnervig und auch die zunächst reichlich dull anmutende Storyline gewinnt zum Ende hin immer mehr an Qualität, da Barker wieder seinen antiklerikalen Neigungen frönt, ohne dabei in allzu vordergründige Provokation zu verfallen. Hinzu kommt die ungastliche Landschaft Irlands und die großzügig im Unterholz platzierten Nebelmaschinene, die mächtig Stimmung machen. Auch die visuellen Effekte wissen zu gefallen, gerade weil sie aufgrund ihres Alters sehr artifiziell rüberkommen und dem preisgünstigen Filmchen einen avantgardistischen Touch verleihen. Richtig doof ist eigentlich nur der 1988 schon einfallslose Schlussgag, der hier in einer besonders einfallslosen Variante zum Einsatz kommt. RAWHEAD REX ist ein netter Timewaster, der die vielen schlechten Rezensionen eigentlich nicht verdient hat. Große Kunst sollte man nicht erwarten, aber für 80 unterhaltsame Minuten reichts auf jeden Fall.
#526
Geschrieben 22. Oktober 2006, 21:19
Blonde buxom bombshell Eve (Eve Meyer) bespitzelt einen einfachen Handwerker (Anthony James Ryan) bei seinem Tagewerk, bei dem ihm beständig aufreizende Geschöpfe begegnen (meist ebenfalls von Eve Meyer gespielt) und er sich ziemlich häufig zum Trottel macht. Am Ende steht Eve in voller Pracht vor ihm und belohnt ihn für seinen Arbeitseifer ...
Formal ist EVE AND THE HANDYMAN nicht weit von dem ein Jahr davor entstandenen THE IMMORAL MR. TEAS entfernt: Auch hier verzichtet Russ Meyer auf Dialoge und lässt einen Sprecher aus dem Off das Geschehen kommentieren. Dieser Sprecher ist hier allerdings keine "anonyme" Figur, sondern eben Eve, die ganz im Stile eines Private Eye über das Objekt ihrer Beobachtungen sinniert und reflektiert. Fragt man sich zunächst noch, was diese Eve denn überhaupt von dem schrulligen Handwerker will, so wird bald klar, dass sie so etwas wie eine Urmutter repräsentiert, quasi die Summe aller Frauen, die anhand eines besonders gewöhnlichen Exemplars Untersuchungen über DEN Mann anstellt. Gegenüber dem Nudie Cutie MR. TEAS ist EVE etwas narrativer und zahmer (sprich: die Nacktheiten sind etwas ökonomischer über den Film verteilt), dafür aber das ausgereiftere und witzigere Werk. Einige Szenen sind einfach wunderbar: In einer wandert die üppige Oberweite von einer Frau zur nächsten über und hinterlässt einen verdutzt dreinschauenden Helden. Schmunzeln musste ich auch über die Szene, in der der Handwerker an einem Schild hochklettert, um die weit über dem Boden angebrachte Tafel zu lesen, auf der dann einfach nur "Wet Paint" steht. Ein Besuch in einem Künstleratelier wartet mit einigen skurrilen exzentrischen Künstlern auf, die mit ausschweifenden Gesten ihre stümperhaften Werke zelebrieren. Einer schießt sogar auf sein Bild! Der größte Wurf ist aber die Szene, in der der Handwerker eine großbrüstige Dame (= Eve Meyer) beim Flipperspielen beobachtet: Sie tanzt förmlich mit dem Automaten, windet sich wollüstig über der Maschine und treibt dem armen Mann die Schweißperlen auf die Stirn. Als der sich dann nach ihr an den Flipper begibt und mit äußerster Vorsicht und Präzision den Ball-Abschusshebel betätigt schrillt sofort die Tilt-Alarmglocke. Schön! Nicht mehr, nicht weniger.
#527
Geschrieben 24. Oktober 2006, 20:45
Rico (Edward G. Robinson) will hoch hinaus. Zu diesem Behufe zieht er mit seinem etwas weniger ehrgeizigen Freund Joe (Douglas Fairbanks jr.) an die Ostküste ins schöne New York. Während sein Freund die große Liebe und das Glück auf den Brettern, die die Welt bedeuten, findet, mausert sich Rico vom Handlanger des zögerlichen Sam Vettori (Stanley Fields) zu einem der Bosse der New Yorker Unterwelt, dabei weder auf Freund noch Feind Rücksicht nehmend und unter dem Namen "Little Caesar" Angst und Schrecken verbreitend. Erst als er seinem ehemaligen Freund Joe droht, ihn umzubringen, wenn dieser ihm die erneute Zusammenarbeit verweigert, kündigt sich sein Niedergang an, den er in letzter Konsequenz seiner enormen Eitelkeit zu verdanken hat.
Ich mag mich wiederholen, aber DePalma hat sich für SCARFACE mehr als nur von diesem Film inspirieren lassen: Der selbstverliebte Großkotz Rico hat in Tony Montana einen Bruder im Geiste, weshalb sich einige von Ricos Auftritten nahezu eins zu eins in SCARFACE wiederfinden lassen. Man denke nur daran, wie Rico, gerade angeschossen, bei Arnie Lorch aufläuft, um ihm ruhig, aber bestimmt mitzuteilen, dass dieser nun schleunigst die Stadt verlassen solle. Edward G. Robinson stiehlt hier wirklich allen die Show und verleiht der finsteren Moritat die nötige Portion Tragödie, ohne jedoch wie sein Kollege James Cagney die Sympathien des Zuschauers zu erobern. Doch das ist nicht als Kritik zu verstehen: Die alte Geschichte von Aufstieg und Fall, vom Hochmut und dem Verbechen, das sich niemals lohnt, wird dadurch sogar eher beflügelt. Denn der Ausgang des Ganzen ist von langer Hand vorauszusehen und wird vom Protagonisten mit blindem Gehorsam angesteuert. Dieser Mann ist ein echtes Dreckschwein, aber er kann einfach nicht raus aus seiner Haut. Dennoch gibt es den ein oder anderen Irritationsmoment: Der tief enttäuschte Blick Ricos auf die ihm eben von seinen Gangsterfreunden geschenkte Taschenuhr, die sich als Diebesgut entpuppt hat, macht ganz deutlich, dass dieser Mann sich seiner Einsamkeit sehr wohl bewusst ist. Und dann keimt doch das Mitleid auf. Ein echter Kunstgriff und nicht weniger als epochal.
#528
Geschrieben 25. Oktober 2006, 21:08
Bruce Campbell ist Elvis, der mittlerweile alt und krank in einem winzigen Seniorenheim in Texas lebt und von allen, denen er von seiner Identität berichtet, für bekloppt gehalten wird. Sein Problem: Er tauschte einst die Rollen mit dem Elvis-Imitator Sebastian Haff, doch das einzige Schriftstück, das das noch belegen könnte, ging vor langer Zeit verloren. So wartet er als Sebastian Haff gänzlich unglamourös auf den Tod und trauert vergangenen Zeiten nach, in denen er zu sehr mit Oberflächlichkeiten, statt mit wichtigen Dingen beschäftigt war. Da taucht in dem kleinen Heim plötzlich eine ägyptische Mumie auf, die die Heiminsassen ihrer Seelen und so auch des Eingangs ins Paradies beraubt. Mithilfe eines Schwarzen, der steif und fest behauptet, Präsident Kennedy zu sein und seine Hautfarbe nur einem Täuschungsmanöver des Geheimdienstes zu verdanken habe, beschließt Elvis, seine letzte Schlacht zu schlagen ...
BUBBA HO-TEP ist Don Coscarellis bislang letzter Film und ein echtes Juwel des B-Films. Wie der Regisseur es schafft, aus dieser skurrilen und im positiven Sinne absolut bescheuerten Geschichte nicht nur eine abseitige Komödie, sondern vielmehr einen absolut warmherzigen und wahrhaftigen Film über das Altern zu machen, ist nicht weniger als genial zu nennen. Vor allem zeugt es von großem Selbstvertrauen und Stil sich NICHT einzig und allein auf Bruce Campbell und Ossie Davis zu verlassen, die hier beide tatsächlich spielen als ginge es um ihr Leben. Diese Kombination aus wilder Komödie (wobei das "wild" hier eher auf die zugrunde liegende Idee als auf den Humor an sich bezogen ist) und großem und ergreifendem Drama beschert dem Film von meiner Seite nicht nur den Ritterschlag, sondern auch einen immens hohen Gebrauchswert. BUBBA HO-TEP verliert auch nach mehrmaligen Durchläufen nichts von seiner Klasse. Und mal ehrlich: Wie viele Mumienhorrorfilme mit Elvis als Protagonist gibt es, die es tatsächlich schaffen, einen zu Tränen zu rühren? Eben.
#530
Geschrieben 27. Oktober 2006, 11:46
Werner Herzog plant einen Film über das Monster von Loch Ness oder vielmehr über den völlig irrationalen Glauben der Menschen an ein solches. Und ein Filmteam begleitet den Regisseur von den Reisevorbereitungen bis hin zum bitteren Ende des (gescheiterten) Drehs, gegen den die vielen nervenaufreibenden Auseinandersetzungen mit Kinski sich ausnehmen wie ein frühsommerliches Blümchenpflücken auf der Heide. Der idiotische und profilneurotische Producer Zak Penn (u. a. X-MEN 2) unterwandert Herzogs Autorität, indem er wie weiland der Kameramann von Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST vom Regisseur unautorisiertes Bildmaterial in den Film schmuggelt (eine bildhübsche Sonar-Operatoress im Stars-and-Stripes-Bikini über den wogenden Gardemaßen, ein Pappmaché-Nessie etc.) und die Ausgeburt der Mythologie entpuppt sich zu allem Übel als wahrhaftiger als vermutet ...
Da der Film hier ja wahrscheinlich eh weitestgehend bekannt ist, schenke ich mir den Jokus, ihn so zu behandeln als sei er "for real": Natürlich handelt es sich bei INCIDENT AT LOCH NESS um eine Fake-Doku, die genüsslich, intelligent und ausgesprochen witzig mit dem Herzogschen Regieansatz und seinem Authentizitätsverständnis spielt und dabei dem Regisseur die Möglichkeit gibt, sich selbst auf die Schippe zu nehmen und dabei dennoch seine Position zu bekräftigen. Geradezu brilliant ist es, wie hier zwei unterschiedliche Vorstellungen von Authentizität gegenüber gestellt werden, wobei Producer Zak Penn, der der "echte" Regisseur von INCIDENT ist, so etwas wie die Radikalversion von Herzog darstellt, wenn ich das richtig verstanden habe: Zweck seiner absurden Einfälle ist es stets, das Geschehen authentischer aussehen zu lassen. Seine Vorstellung davon, was "authentisch" aussieht, ist dabei vor allem von Fernseh- und Filmbildern präformiert. So bezieht er sich ständig auf Filme, sagt, dass dieses aussehe wie "bei Jacques Cousteau", "bei James Cameron" und so realer wirke als wenn man es einfach "uninszeniert" belasse. Herzog hingegen wird als absoluter Purist dargestellt, der fast schon enttäuscht ist, als sich das vermeintliche Ammenmärchen am Ende als real herausstellt. Er wollte eigentlich am liebsten eine Dokumentation über das Nichts machen. Eine Darstellung, die sich mit dem "echten" Herzog nicht deckt, denn das ihm mit seinen Dokumentationen ebenfalls darum zu tun ist, eine "Realität" zu erschaffen, die realer ist als die Wirklichkeit, ist ja bekannt.
INCIDENT steckt voller bizarrer Einfälle, zwirbeliger Reflexionsspielchen und ist vor allem zum Schreien komisch. Vor allem Werner Herzog, den ich eigentlich immer als relativ selbstverliebten, arroganten und humorlosen Schnösel begriffen habe, hat es geschafft, einigen Boden bei mir gutzumachen. Meine Lieblingsszene ist die als er - seine eigene mythisch überhöhte Gefahrensucht persiflierend - für einige Gäste Yucca zubereitet, eine Wurzel, von der er sagt, dass sie bei falscher Zubereitung "slightly toxic" sei. Als er sie dann serviert, bekennt er, womöglich einen Fehler gemacht zu haben, er wisse nicht, ob es völlig ungefährlich sei, sie zu essen. Und weil mit dem Kameramann Beristain (u. a. BLADE 2) gerade ein Südamerikaner zugegen ist, reicht er diesem die giftige Wurzel und sagt ganz trocken: "Well try it, you should know if it's OK." Köstlich! Aber schon die ganze Idee, dass der Gefahrensucher Herzog im kargen Schottland einen Film über Nessie machen will, mutet komplett absurd an und spiegelt im Grunde die ganze Vorgehensweise des Films: nämlich vor allem die Strukturen des "Make believe" aufzudecken. So verwundert es dann auch nicht, dass der mit den klassischen Mitteln des Making-ofs gedrehte Film am Ende mehr und mehr aussieht wie ein Monster- oder Horrorfilm: JAWS wird ausgiebig zitiert, ebenso wie natürlich der in diesem Rahmen unvermiedliche BLAIR WITCH PROJECT. Großartig!
#531
Geschrieben 27. Oktober 2006, 19:14
In welches FTB man auch schaut, oft geht es darum, wie in der Kindheit liebgewonnene Filme in der Gegenwart an Reiz und Zauber eingebüßt haben oder einst verschmähte oder missachtete Werke bei erneuter Sichtung in neuem Glanz erstrahlen. Es geht aber auch weniger dramatisch und nostalgisch: Manche Filme sind auch nach zehn Jahren immer noch genauso unverständlich, uninteressant, langweilig oder sogar nervtötend wie bei der ersten Begegnung. Letzteres niederschmetternde Attribut möchte ich den WILD GALS von dem von mir doch sonst so geschätzten Russ Meyer verleihen. Schon bei Erstberührung mit diesem Film mit 15, 16 oder 17 habe ich es nicht geschafft, ihn zu Ende zu gucken und auch diesmal war das reine Pflichterfüllung, bei der ich zugegebenermaßen gemogelt und den Film nach einiger Zeit nur noch aus dem Augenwinkel verfolgt habe.
Die Prämisse ist dabei nicht uninteressant: Russ Meyer schildert den Prozess der Zivilisation in einem ruchlosen Westernkaff. Das schmutzige und unmoralische Treiben hört erst auf, als ein Spießbürger mit seinem Maultier in die Stadt reitet, sich in einen schicken Westernanzug schmeißt und mit seiner überdimensionierten Knarre für Ordnung sorgt. Das liest sich aber alles viel spannender, lustiger und vor allem geradliniger als es tatsächlich ist. In mehreren Einzeltableaus zeigt Meyer die losen Sitten – Nutten angeln mit dem Lasso die Männer von der Straße, arglosen Cowboys lauern gewissenlose Revolverhelden auf, im Saloon geht es drunter und drüber und Frauen sind reines Frischfleisch –, bis er nach etwa der Hälfte der Spielzeit und mehr oder weniger redundanten und unverbundenen Szenen den "Helden" ins Rennen wirft.
Wie schon in den vorangegangenen Filmen ist WILD GALS ein Quasi-Stummfilm: Die handelnden Figuren sprechen nicht, nur ein Erzähler meldet sich hin und wieder zu Wort und tritt in der Parenthese auch auf. Das niedrige Budget hat Meyer mit einem Trick kaschiert: So verwendet er Verfremdungstechniken, die mehr als einmal an das Epische Theater Brechts erinnern. Aufgemalte Kulissen, deutlich erkennbare Perücken und Billigkostüme (u. a. ein Mann im Gorilladress) und absichtliche Diskrepanzen zwischen Außen- und Innensets. Das ist manchmal ganz witzig, wie zum Beispiel bei dem Mini-Holzabort, der in der Innenansicht ein luxuriös gekacheltes Bad zeigt, verhindert aber in Verbindung mit den mehr als mäßigen Akteuren und dem insgesamt unangenehm burlesk anmutenden Treiben ein echtes Eintauchen in den Film. Die zwei, drei lustigen Einfälle und guten Ideen fallen da einfach nicht genug ins Gewicht. Von den Meyers, die ich kenne – und das sind schon ein paar – ist dieser jedenfalls mit einigem Abstand der schlechteste. Und lieber falle ich Tod um, als den nochmal zu gucken. Schade eigentlich, aber das Leben ist einfach zu kurz, um es mit langweiligen Filmen zu vertendeln.
#532
Geschrieben 27. Oktober 2006, 23:28
Bombshell Lorna ist unglücklich: Ihr etwas einfach gestrickter Ehemann Jim kann es ihr einfach nicht so besorgen wie sie es braucht. Kaum hat das Liebesspiel begonnen, ist es auch schon wieder vorbei und während Jim neben seiner Frau selig einschlummert, sehnt sie sich weiterhin nach sexueller Erfüllung. Am nächsten Tag – ihr ahnungsloser Ehemann arbeitet mit dem fiesen Frauenverprügler Luther und dessen zurückgebliebenem Sidekick Jonah in den Salzgruben – trifft Lorna nach dem Nacktbaden auf einen entflohenen und in jeder Hinsicht ausgehungerten Häftling. Der stürzt sich sofort auf die dralle Schöne, die sich bald schon ergibt und endlich mal so richtig rangenommen wird. Sie nimmt den Fiesling mit nach Hause und träumt vom neuen Leben. Doch natürlich kommt alles ganz anders und am Ende gibt es ausnahmslos (tote) Verlierer ...
Russ Meyers Startschuss seiner in jeder Hinsicht schwarzweißen Sex&Crime-Phase ist als mahnendes morality play inszeniert. Ein feuriger Prediger leitet das Ganze ein und mahnt den Zuschauer dazu, "to do unto others as they do unto you". In Meyers finsterem Film gibt es keine guten Menschen: Luther verfolgt gleich zu Bgeinn die angeschickerte Ruthie und verdrischt sie, als sie sich zur Wehr setzt, während sein Freund Jonah geifernd vor dem Fenster steht. Jim ist zu bequem und faul, um sich für die Belange seiner Frau zu interessieren, die Liebe ist zum Alltag geworden. Lorna wiederum sucht nicht das Gespräch mit ihm, sondern schmeißt sich dem Erstbesten an den Hals. Noch nicht einmal die Tatsache, dass sie von ihm vergewaltigt wird, scheint ihn zu diskreditieren, es zählt einzig und allein die Lusterfüllung. Und der Häftling ist ebenfalls ein ganz übler Bursche, so viel sollte ja längst klar sein. Die ganze Geschichte ist natürlich enorm vereinfacht, Persönlichkeiten wird man vergeblich suchen, alle Figuren zeichnen sich durch genau einen überdimensionierten Charakterzug aus (na gut, an Lorna Maitland sind noch andere Dinge überdimensioniert).
Was an LORNA jedoch sofort fasziniert ist die Stimmung, die sich aus der Verbindung der wunderschönen Schwarzweiß-Fotografie, dem jazzigen Score und dem ländlich-maroden Setting ergibt. So gerät LORNA zur altmodischen, beinahe biblischen Moritat, die die Konsequenzen der Unehrlichkeit in drastischen Bildern ausmalt. Da wird alles mit großen, weit ausholenden Pinselstrichen auf die Leinwand geworfen und am Ende schaut dann auch der Sensenmann höchstpersönlich vorbei, alldieweil der Prediger die Geschichte von Lots zur Salzsäule erstarrten Frau erzählt. Ich finde den Film wunderbar, trotz der ein oder anderen Länge. Noch gelingt es Meyer nicht, seinen Stoff ohne Durchhänger auf Spielfilmlänge zu bringen. Im Vergleich zu WILD GALS ist hier aber eine Steigerung von fast schon monumental zu nennendem Ausmaß zu verzeichnen.
#533
Geschrieben 28. Oktober 2006, 17:52
Der Okkultismus-Experte John Verney (Richard Widmark) wird anlässlich der Veröffentlichung seines neuesten Buches von einem verwirrten Mann namens Beddows (Denholm Elliott) aufgesucht, der ihn darum bittet, auf seine Tochter Catherine (Nastassja Kinski) aufzupassen. Was Verney noch nicht weiß: Catherine gehört der Sekte des exkommunizierten Priesters Rayner (Christopher Lee) an, der wahrhaft teuflische Pläne mit der hübschen jungen Frau hat ...
Der letzte Film der seligen Hammer-Studios zeigt, wo es noch hätte hingehen können. Anstatt mit den SEVEN GOLDEN VAMPIRES, DRACULA 1972 AD oder SATANIC RITES OF DRACULA zu versuchen, völlig fremde Einflüsse erfolglos zu integrieren und damit die Zuschauer zu verprellen, wäre man mit humorfreien, ernsten und modernen Film wie TO THE DEVIL A DAUGHTER vielleicht besser gefahren – womit ich übrigens nichts gegen den wirklich famosen GOLDEN VAMPIRES gesagt haben möchte! TO THE DEVIL von 1976 lehnt sich stark an die damals angesagten Okkult-Schocker an und erfindet das Rad somit auch nicht gerade neu, bleibt den Wurzeln des Studios – erwachsener Horror für erwachsene Zuschauer – aber ziemlich treu. So gelingt es Regisseur Peter Sykes sehr gut, eine Atmosphäre der permanenten und ansteigenden Bedrohung zu erzeugen, die bei einem solchen Teufelsfilm natürlich das A und O ist. Was man ihm wiederum ankreiden könnte, ist, dass diese Bedrohung sich lange nicht konkretisiert und auch das Ende nicht hundertprozentig zufriedenstellend ist – "not much of a pay-off" wie der Anglophone vielleicht resümieren würde. Dass den ganzen Film über nicht so richtig klar wird, was denn eigentlich das Schlimme an Rayners Plan ist (na gut, der Leibhaftige wird danach auf Erden wandeln, aber was genau bedeutet das? Und was hat Rayner davon?), wird dadurch aufgefangen, dass es kräftig abgeschmeckte Vulgaritäten zu bestaunen gibt, die Hammers Zugeständnis an den veränderten Zuschauergeschmack sind: Nasti Kinski darf sich des Öfteren schweißnass zwischen den Laken räkeln und zeigt am Ende auch ihre Knospen, Christopher Lee lässt ebenfalls die Hosen runter und eine recht unangenehme Geburtsszene gibt es auch. Für Frauen werden bestimmt Träume war, wenn sie mitansehen müssen wie einer Schwangeren das Baby durch die Bauchdecke platzt, weil der fiese Rayner ihr die Beine zusammengebunden hat. Die Schauspieler tun das Ihrige, um zum Gelingen beizutragen: Lee ist finster as ever, Richard Widmark, den ich eigentlich gar nicht mag, überzeugt als Sympathieträger ebenfalls völlig, Denholm Elliott hat mehrere tolle Auftritte abbekommen und Honor "Pussy Galore" Blackman sieht auch runde zehn Jahre nach GOLDFINGER noch extrem gut aus. Kurzum: Dieser Hammer-Film liefert Anschauungsmaterial für die Redewendung "to go out with a bang".
#534
Geschrieben 29. Oktober 2006, 22:18
Dass Alan Moores hochgradig eloquenter dystopischer Comic den als Produzenten fungierenden Wachowskis nach ihren Erfahrungen mit THE MATRIX gut in den Kram passte, verwundert nicht. Zwar hat Alan Moore bei der Zeichnung seines totalitären England der nahen Zukunft mehr Wert auf Realitätsnähe gelegt als auf Esokitsch und Vulgärphilosophie, dennoch teilt er mit THE MATRIX die Wendung zur Utopie und Introspektion. Nach den eher mäßigen Kritiken war ich skeptisch, muss aber doch sagen, das mir der Film sehr gut gefallen, ja, mich teilweise sogar regelrecht beeindruckt hat. Visuell ist V FOR VENDETTA ein Gedicht, ohne jedoch mit seinen Schauwerten hausieren zu gehen. "Gedicht" – das passt auch zum Rest des Films, der entgegen der gegenwärtigen Entwicklung im Unterhaltungskino ein großes Gewicht auf das gesprochene Wort legt. So wurde dem Film dann auch gleich mal vorgeworfen, zu geschwätzig zu sein, was natürlich komplett an der Sache vorbeigeht. In V FOR VENDETTA geht es um Sprache: Die dystopische Vision Moores handelt nicht zuletzt davon, dass der Mensch in einem totalitären System einer individuellen Sprache beraubt und gezwungen wird, in entleerten Phrasen zu sprechen und zu denken. So inszeniert sich der Revoluzzer V dann auch als Vaudeville-Figur, dessen mit Kunstschätzen, Filmplakaten und Büchern vollgestopfte Wohnung einem Museum gleicht. Seine Wortäußerungen dienen nicht einfach der Übermittlung von Informationen, sondern sind immer auch gleichzeitig Poesie. Die Kunst – nicht die institutionalisierte, sondern die Kunst, die das Leben ist – ist in V FOR VENDETTA die Quelle der Hoffnung. Die Revolution wird von V wie ein Theaterstück inszeniert, die Bürger Englands erfüllen die Rollen, die V ihnen zugedacht hat. Das ist dann am Ende – der wahrscheinlich einzige echte Schwachpunkt des Films – etwas dick aufgetragen. Da fällt einem dann unweigerlich die MATRIX-Trilogie wieder ein, bei der man sich ja unter anderem auch etwas mehr Zurückhaltung gewünscht hätte. Ein besonders großes Lob gebührt meines Erachtens Hugo Weaving, dessen Gesicht man überhaupt nicht zu sehen bekommt, der aber mit seiner Stimme den wunderbaren literarischen Dialogzeilen Vs Flügel verleiht und diese faszinierende Figur so zum Leben erweckt.
#535
Geschrieben 29. Oktober 2006, 22:47
Fliegenmann-Freundin Veronica hat dessen Sohnemann Martin zur Welt gebracht, der rasant wächst, mit 5 schon erwachsen ist und außerdem superintelligent. Nur ein normales Leben hat er nicht, weil er in den Labors von Bartok Industries unter ständiger Beobachtung steht. Klar, denn Bartok verspricht sich von dem Genie unter anderem, dass dieser die Teleporter-Erfindung seines vaters auf Vordermann bringt. Als Martin erfährt, welches Schicksal ihm droht, bahnt sich eine Tragödie an.
THE FLY 2 vom FX-Experten Chris Walas ist zwar keines der ganz schlechten Sequels der Horrorfilmgeschichte, kann aber längst nicht allen Fettnäpfchen ausweichen, die der Filmgott einer Fortsetzung üblicherweise bereithält. Man muss es Walas sicherlich hoch anrechnen, dass er aus dem Stoff nicht einfach einen Monsterslasher gemacht hat, was ja irgendwie naheliegend gewesen wäre. Vielmehr bemüht er sich, die Tragik von Cronenbergs Film auch in sein Sequel hinüberzuretten, was zwar dank eines sympathischen Eric Stoltz weitestgehend gelingt, dem Film aber nicht unbedingt weiterhilft. Man weiß ja schon, worauf das alles hinausläuft und hat so ein bisschen das Gefühl, künstlich hingehalten zu werden. Es dauert ein gute Stunde, bis sich endlich das Titelinsekt ankündigt und dann wird plötzlich jegliche anfängliche Zurückhaltung zugunsten von Stalk&Slash aufgegeben. Hier fällt einem dann zweierlei auf: Erstens, wie schade es ist, dass in modernen Horrorfilmen nur noch CGI-Monster zum Einsatz kommen und nicht mehr solche zwar etwas pappig aussehenden, aber irgendwie trotzdem recht effektiven Latexmonster, die zudem noch reichlich rote Soße quer über die Leinwand spritzen, und zweitens, dass sich die Zweitverwurstung von Cronenbergs Fliegenfilm zu diesem verhält wie Dosengulasch zu feinster Gänseleberpastete. Vielleicht erinnern auch deshalb einige Effekte von THE FLY 2 an ersteres Lebensmttel. Richtig ärgerlich ist aber das Happy End, dass nach dem langen eine Tragödie heraufbeschwörenden Aufbau einer ziemlichen Verarsche gleichkommt. Gottseidank schiebt Walas noch ein fieses Schlussbild hinterher, dass dem Geist des Originals wieder etwas näherkommt und vielleicht der einzige wirklich unheimliche und verstörende Moment des Films ist. Jetzt habe ich viele Worte über einen Film verloren, der so viel Aufhebens nun wirklich nicht Wert ist. Das hat sich offensichtlich auch Komponist Christopher Young gedacht und deswegen einfach seinen HELLRAISER-Score nochmal recyclet.
#536
Geschrieben 01. November 2006, 11:02
In das kleine Städtchen Spooner, Missouri kommt der Fremde Calif McKinney, der nach einer abgebüßten Haftstrafe auf dem Weg in den Staat ist, dem er seinen Vornamen verdankt. Auf der Suche nach Arbeit landet er auf der Wade Ranch, die von Lute Wade und seiner Nichte Hanna Brenshaw geführt wird. Letztere ist mit dem stadtbekannten Säufer und Mistkerl Sidney verheiratet, der sich regelmäßig am Selbstgebrannten von Maggie Mary gütlich tut, die wiederum mit ihren zwei drallen Töchtern Clara Belle und Eula zusammen lebt. Es kommt wie es in solchen Filmen immer kommen muss: Calif verliebt sich in Hanna und Sidney sieht sich um sein Eigentum betrogen. Es dauert nicht lang, bis bürgerkriegsähnliche Unruhen durch Spooner toben und ein schöner Lynchmob nach Vergeltung schreit ...
Nach LORNA entfernt sich Russ Meyer mit diesem Film noch ein Stück mehr von seinen Wurzeln (die dann dafür ein paar Jahre später umso stärker wieder hervorbrechen). Zwar ist auch hier der Sex die Wurzel allen Übels, dennoch haben wir es bei MUDHONEY mit einem beinahe klassischen Südstaatendrama zu tun, anstatt mit einem Sexfilm. Russ Meyer gelingt es gut, die Spannung zwischen den handelnden Figuren hervorzukitzeln. Eine fiebriges Glimmen liegt über dem ganzen Film, der mit Sidney Brenshaw eines der größten Ekelpakete der Filmgeschichte sein eigen nennen darf. MUDHONEY kann mit ein bisschen großzügiger Auslegung fast schon als Vorläufer des Backwood-Horrors ausgelegt werden: Es gibt die merkwürdig derangiert wirkenden Gestalten, lose Sitten, Unzucht und religiösen Wahn und rigide Moralvorstellungen gepaart mit Heuchelei. Diese Kombination führt auch hier in letzter Konsequenz zu Mord und Totschlag. Aber mit Calif gibt es ja auch den Gegenentwurf zur ländlichen Depression: Der erzählt, dass seine Mutter ihn so nannte, weil sie so gern nach Kalifornien wollte, ein Traum, den in der Pionierzeit wahrscheinlich auch die Vorfahren der Bewohner von Spooner hegten, bevor sie sich schließlich entkräftet in der Einöde niederließen. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss eben der Berg zum Propheten kommen. Calif bringt Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit nach Spooner und damit Werte, die leider für die meisten Bewohner ziemlich schlecht verdaulich sind. Am Ende ist zwar der Störenfried – damit meine ich jetzt nicht Calif – beseitigt, aber da ist es dann schon zu spät, der ganze Ort scheint nach diesem Mord endgültig dem Untergang geweiht. Ein schöner Film, der alle Stärken aus Meyer Sex&Crime-Phase vereint: eine düstere Geschichte, wunderschönes Schwarzweiß, einen gediegenen Jazzscore und Schauspieler, die extrovertiert genug sind, um diesem Film den Stempel "Exploitation" verleihen zu können, ohne ihn für den "normalen" Filmseher ungenießbar zu machen. (Und für die Herren der Schöpfung gibt es natürlich auch wohldosiert verabreichte Nuditäten ...)
#537
Geschrieben 01. November 2006, 19:55
Der Scotland-Yard-Beamte Nayland Smith (Nigel Green) wohnt in China der Köpfung seiner Nemesis Dr. Fu Manchu (Christopher Lee) bei und ist umso erstaunter als in London Strangulationsopfer auftauchen, die auf eine Täterschaft des chinesischen Superverbrechers hindeuten. Als der weltberühmte Biochemiker Prof. Mertens verschwindet ist klar: Fu Manchu hat seine Hinrichtung nur vorgetäuscht und plant den großen Weltherrschaftscoup. Mittels eines merkwürdigen Pulvers, das der Prof zusammen mit seinem Assistenten Jansen (Joachim Fuchsberger) entdeckt hat, will er ganz London auslöschen ...
Bruharg, was für ein Spaß! Der quietschbunte Film ist so herrlich blöd und fadenscheinig, nimmt sich dabei aber so unglaublich ernst, dass es eine wahre Schau ist. Wie hier großes Kino vorgetäuscht wird, indem man von China (Studio) nach England nach Tibet (Cornwall?) hüpft, unterstreicht den grandiosen Trashappeal dieses Films, der so nur in den seligen Sechzigern das Licht der Welt erblicken konnte. Allein die Dialoge sind schon den Eintrittspreis wert. Mein Fave ist Fu Manchus letzter Satz: "Ich brauche schnell eine Idee, sonst sterbe ich!" Dann macht es BUMM! und das tibetanische Kloster (= die alte englische Festung) fliegt in die Luft. Da fragt man sich schon, warum unsere Helden tatsächlich der Überzeugung sind, dass der Chinamann nun endgültig tot ist, nur weil sie das brennende Gemäuer aus der Ferne beobachten können, und sie doch wissen, dass Fu Manchu selbst dann noch dem Tod von der Schippe springt, wenn man bei seiner Enthauptung danebensteht. Aber das ist gerade das Geile an diesem Film: Fu Manchu kann einfach alles und immer wenn der Film hakt, wird ihm eine neue Superfähigkeit angedichtet. Dabei sind seine Kung-Fu-Schergen bessere Handlanger, denen sogar Stubenhocker Blacky Fuchsberger haushoch überlegen ist. Und Fu Manchus brillianten Hypnosetechniken und seinem messerscharfen Verstand stehen dann und wann seine rührend naiven Methoden gegenüber, die von dem einfältigen Drehbuch und der Regie noch unterstrichen werden. In einer Szene wird eine als altes Mütterchen im Rollstuhl verkleidete Spionin vorgeschickt, um an Informationen für Fu Manchu zu gelangen. Die supergeheimen Infos werden dann auch in ihrer Gegenwart von den Polizisten völlig hemmungslos in der Gegend rumposaunt, das alte Mütterchen verschwindet und zurück bleibt nur ein Tonbandgerät: Supeerpolizist Green: "Das ist ein Verstärker und du hast eben laut und deutlich die Adresse von soundso gesagt!" So ein Mist aber auch! So gelingt es dem Film wirklich zu keiner Sekunde, die Bedrohung durch Fu Manchu, von der alle die ganze Zeit reden, auch nur annähernd rüberzubringen. Die Szene in der ein ganzes Dorf von ihm durch einen Anschlag ausgelöscht wird, deutet an, wie der Film auch hätte aussehen können – schön übrigens die entsprechende Radiodurchsage, die zuerst von einer "Katastrophe noch unbekannten Ausmaßes" berichtet, dann aber in der Folge mit detailliertesten Informationen zu glänzen weiß. Aber das ist gar nicht schlimm, denn ICH, DR. FU MANCHU ist ein Hit und für einen Feiertag-Nachmittag perfekte Unterhaltung.
#538
Geschrieben 01. November 2006, 20:08
Die Griswolds (hier heißen sie merkwürdigerweise Griswald) gewinnen bei einer Gameshow eine Europareise und können sich in London, Paris, Deutschland und Rom ihre Vorurteile bestätigen lassen. Natürlich gibt es auch die typischen Familienzwiste, die Konfliktpotenzial bereithalten, sich am Ende aber natürlich in Wohlgefallen auflösen.
Der zweite Griswold-Film ist nicht ganz so stark wie sein direkter Vorgänger und Nachfolger, hat aber durchaus einige witzige Szenen, einen wie immer gut aufgelegten Chevy Chase und viele Gastauftritte anzubieten, die über die manche Länge hinwegtrösten. Neben Paul Bartel, John Astin, Robbie Coltrane, Eric Idle und Moon Zappa darf auch Willy Millowitsch seinen internationalen Auftritt als vermeintlicher Onkel von Clark Griswold absolvieren – sein verwirrter Gesichtsausdruck ist einfach nur göttlich. Kaputtlachen könnte ich mich immer bei der Szene als die Griswolds – nach vielen Pannen ziemlich genervt voneinander – in einem Zugabteil sitzen und anfangen, sich gegenseitig vorsätzlich zu nerven: Tochter Audrey schmatzt mit ihrem Kaugummi, Sohn Rusty singt laut zur Musik aus dem Walkman, Mutter Ellen raschelt mit der Zeitung und Papa Clark beginnt ein zwanghaft-nervöses Spielchen mit dem Klappaschenbecher. Wie er mit todernstem Gesichtausdruck an dem winzigen Ascher herumfummelt, ihn immer wieder auf- und zuklappt, ist schlicht unbezahlbar. Leider verliert der Film in seiner letzten Episode in Rom etwas an Zug, eine unnötige Krimigeschichte soll für den nötigen Showdown sorgen, lenkt aber nur vom Wesentlichen ab: Dem immer wieder zum Schreien witzigen verdatterten Gesichtsausdruck von Chevy Chase. Und der Schlussgag lässt heute zwar Assoziationen zu 9/11 zu, ist aber irgendwie deplatziert ...
#539
Geschrieben 03. November 2006, 18:18
#540
Geschrieben 03. November 2006, 19:30
Dr. Fu Manchu sitzt in einem schön aufgeräumten und gut beleuchteten Maschinenraum und gibt Befehle, die irgendetwas mit Energiezufuhr zu tun haben. Seine Untergebenen mahnen zu Vorsicht, man laufe sonst Gefahr, zu explodieren, doch das interessiert den Chinamann nicht. Zwischendurch sieht man auch einen Eisberg und ein großes Schiff. Nach einiger Zeit wird klar: Fu Manchu steuert den Eisberg (dafür die Energie) und er will das Schiff senken. Das gelingt ihm auch, nachdem er einen seiner Schergen erschossen hat, bevor dieser noch die Notbremse ziehen konnte. Das Schiff sinkt und der Doc ist sich sicher, dass die Welt nun weiß, dass er sie vernichten könne. Will er sie etwa auch mit einem Eisberg rammen? Man weiß es nicht. Die Information, dass im Karibischen Meer ein Schiff von einem Eisberg gerammt wurde veranlasst Nayland Smith von Scotland Yard in Verbindung mit einer eingehenden Warnung von Fu Manchu zu der These, dass sein Erzfeind die Welt unterjochen wolle und zwar wahrscheinlich irgendwie mit Wasser und Eis. Demzufolge könne er – messerscharf kombiniert – ja nur in Panama, Gibraltar, Suez oder Istanbul sein! Und weil in diesem Film jede noch so haarsträubende, spekulative und blödsinnige These immer hundertprozentig der Wahrheit entspricht, wird erstmal nach Istanbul geschnitten.
Dort bandelt Rosalba Neri mit des Chinamanns Tochter an. Sie ist selbst Tochter des Drogendealers Omar Pascha und soll den Weg in den Palast des Gouverneurs ebnen, der vollgestopft ist mit Opium. Gesagt, getan. Es gibt einen ziemlich dilettantischen Überfall auf ein miserabel bewachtes Schloss, das in den Groß- und Innenaufnahmen irgendsoein Gaudi-Dings in Barcelona ist, das nunmal gar keine Ähnlichkeit mit der Burg aus den Totalen hat. Nach dem Überfall lässt Fu die türkischen Gehilfen killen, die mit ihren Maschinenpistolensalven erstaunlicherwiese den Kürzeren gegen die Chinesensäbel ziehen. Nur Rosalba überlebt und wandert in die Folterkammer, die sonst leider keine Funktion hat, außer den Titel aufzupeppen. Schnitt nach London. Dort hat derweil Petrie, der Gehilfe von Smith eine Eingebung. In einem Buch des berühmten Physikers Henderson hat er gelesen, dass Wasser zu Eis gefriert, wenn es in Verbindung mit einem Kristall kommt, das der Autor leider nicht näher benennen will. Egal, denn der Logik des Films zufolge, muss Smith ja eh nur das Maul aufmachen und heraus kommt die richtige Antwort: Hmm, welches Kristall? Möglicherweise Opium! Schnitt nach Istanbul ...
So geht das den ganzen schönen Film über. Es folgen eine Herztransplantation, die Regisseur Jess Franco in einem anderen Film genausogut als Wurzelbehandlung oder Ölwechsel hätte verkaufen können, minutenlanges Abgefilme von bunten, sprudelnden Flüssigkeiten in lustig geformten Flaschen, einen durch Fu Manchu mittels der Opiumkristalle (???) herbeigeführten Dammbruch (Archivmaterial, sieht nämlich gut aus), diverse Schießereien und einen Auftritt von Franco selbst als Polizist. Am Ende geht alles in die Luft, mehrere Viertelstunden nachdem dies Sinn und Verstand getan haben. Auffällig ist, dass dieser letzte Fu-Manchu-Film deutlich billiger, dafür aber auch weniger betulich geraten ist als seine Vorgänger und das Geld offensichtlich nicht gereicht hat, den Film durchgehend als Period-Piece zu inszenieren. Die Story um Fu Manchu soll ja irgendwann in den späten Zwanziger-Jahren spielen, weshalb auch lauter Oldtimer durch die Gegend gondeln, aber für eine entsprechende Garderobe hat es dann nicht mehr gereicht - außer den überpräsenten Pappfezen, die jeder Türke auf dem Kopf trägt. Der Film ist eine echte Schau und verglichen mit den braven Vorgängern kommt Christopher Lee als Fu Manchu hier endlich mal so richtig evil rüber. Die vielen inszenatorischen Unzulänglichkeiten sind sozusagen der Eisberg im Opium und prädestinieren DIE FOLTERKAMMER DES DR. FU MANCHU förmlich dazu, ihm als Endlosschleife auf psychedelischen Parties laufen zu lassen. Aber auch ohne solches Beiwerk ist Francos Chinesenfilm ein echter Kracher.
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