Der Monroe ihre dicken Hupen
#541
Geschrieben 04. November 2006, 18:41
Ein Nachrichtenmann vom Fernsehen hat zum 25. Jahrestag der Morde durch die Manson Family eine Dokumentation gedreht, in der vor allem die Kinder von "Vater" Manson zu Wort kommen und ihre Sicht der Ereignisse mit dem Abstand eines Vierteljahrhunderts schildern. Während der Reporter den fertigen Film vor der Ausstrahlung noch einmal begutachtet, machen sich die modernen Ableger der Manson Family auf den Weg, den Vertreter des Schweinesystems, das ihren Erlöser zum Popanz gemacht hat, umzubringen.
Regisseur Jim van Bebber trat Ende der Achtziger mit dem grimmigen Indie-Gangflick DEADBEAT AT DAWN in Erscheinung, der – von einigen der Jugend des Regisseurs geschuldeten Naivitäten abgesehen – ein Film von beachtlicher Kompromisslosigkeit ist. Danach kam dann erstmal lange nix mehr. Niemand wollte van Bebbers Filme finanzieren und so blieben sowohl ROADKILL als auch MY SWEET SATAN lediglich Fragmente, die allerdings ziemlich deutlich machten, dass da jemand am Werke war, der abseits der gängigen Wege seine eigene düstere Vision der Gegenwart umsetzte. Auch der ehemals CHARLIE'S FAMILY betitelte THE MANSON FAMILY war lange nicht mehr als ein kurzes Showreel, das dann allerdings vor ein paar Jahren unter tatkräftiger Mithilfe etwa von Sly Stallones Sohn Sage und Blue Underground endlich in voller Länge das Licht der Welt erblickte. Das Warten hat sich gelohnt: Völlig ohne die angesprochenen Peinlichkeiten aus DEADBEAT lässt van Bebber die Ereignisse, die schließlich 1969 zu den bestialischen Morden geführt haben, Revue passieren. Doch das ist noch nicht alles: Gleichzeitig spielt er geschickt mit verschiedenen Erzählebenen, die die Frage nach Authentizität und Urheberschaft aufwerfen und deutlich machen, dass der Anspruch, die nackte Wahrheit über eine durch massive Medienrezeption zum Mythos aufgeblähte Figur wie Manson zu erfahren, von vornherein nicht haltbar ist. Den "dokumentarischen" Aufnahmen aus der innerfilmischen Reportage steht ein auktorialer Erzählstrang gegenüber, der das von den Mitgliedern der Manson Family Erzählte nicht immer deckungsgleich bebildert. Und dann gibt es da noch die Geschehnisse in der "echten" Welt, die Diegese des Films, in der das Erbe der Manson Family längst noch nicht vergessen ist.
Trotz der Budgetbeschränkungen ist van Bebbers Film technisch recht beeindruckend und erscheint wie eine rohe Version von Stones NATURAL BORN KILLERS. Die deftigen und schmerzhaften Effekte, die schon die Sichtung von DEADBEAT und MY SWEET SATAN zur Rosskur machten, kommen auch hier wieder zum Einsatz, sind gewohnt schonungslos, stehen aber niemals im Verdacht, lediglich die Gorebauern zu bedienen: zu wenig "Spaß" ist bei diesem Film im Spiel, der eindrucksvoll offenlegt, was an Flower Power, freier Liebe und Hippietum von vornherein zum Scheitern verurteilt war.
#542
Geschrieben 04. November 2006, 19:02
Die schwarzen Mittelklassen-Kids Albert (Chris Rock), Euripides (Allen Payne) und Otis (Deezer D) versuchen sich im Club des Gangsters Gusto (Charlie Murphy) vergeblich als Hip-Hopper. Erst als Gusto unter unfreiwilliger Mithilfe von Albert in den Knast wandert, kommt ihnen der Einfall, der sie schließlich reich machen soll: Sie nennen sich nach dem Knast, in dem Gusto einsitzen muss, CB4 (Cell Block 4), Albert legt sich das Pseudonym MC Gusto zu und gemeinsam beschließt man, wüsten Gangsta-Rap zu machen, der Moral, Anstand, Geschmack und alle amerikanischen Werte mit Füßen tritt. Die Rechnung geht auf, CB4 werden Superstars. Aber der echte Gusto ist gar nicht begeistert, als er von seinen Nachahmern erfährt. Und nebenbei stellen sich weitere Probleme mit den neuen Identitäten ein ...
CB4 nimmt ohne Frage den Aufschrei, der mit dem Erfolg von N.W.A. verbunden war (der Hit von CB4, "Straight outta Locash" ist unverkennbar nach deren "Straight outta Compton" modelliert), zum Anlass für eine Komödie über Schein und Sein im Gangsta-Rap. Die braven, spießigen Vorstadtkids haben keinen Bock mehr auf blöde Nebenjobs und sehen ihre Chance in der Vertonung von Gewaltfantasien, Sexismus und Vulgaritäten. Auf diesen reitet der Film aber nicht lange rum, wirft stattdessen lieber einen Blick auf die Veränderungen der Privatpersonen: Albert verleugnet sein zu braves Mädchen und kann bald Show und Realität nicht mehr trennen, Otis (aka Stab Master Arson), dem es vor allem darum ging, Frauen kennenzulernen, ist bald übersättigt und Euripides (aka Dead Mike) sucht sein Heil in beknackten Black-Power-Philosophien. Der Film hat durchaus witzige und geistreiche Momente, insgesamt fehlen ihm aber einfach die echten Gags. Auch das Drehbuch hat seine Hänger: Der Film beginnt wie eine Dokumentation (Chris Elliott als nerdiger Regisseur), in der auch Ice-T, Flavor Flav, Ice Cube, Eazy-E und die Butthole Surfers zu Wort kommen. Dieser Ansatz wird aber bald zugunsten einer relativ gewöhnlichen und – wie bei Komödien oft üblich – moralisierenden Erzählung verworfen. Dennoch kann man mit CB4 durchaus seinen Spaß haben, vor allem, wenn man sich im Hip Hop ein bisschen auskennt. So hat bei mir vor allem die Performance der unverkennbaren MC-Hammer-Parodie namens Wackee Dee gepunktet, der in seinem Song "I can dance" unter anderem die Zeile verbrät "Did I already mention I can dance?" ...
#543
Geschrieben 05. November 2006, 19:31
Drei Motorradrocker, angeführt von dem Vietnam-Veteran Brahmin (Steve Oliver), sind auf dem Weg nach Las Vegas, aber bemüht, jeden Spaß am Wegesrand mitzunehmen. Direkt zu Beginn wird ein harmloser Angler vermöbelt, seine Bikini-Freundin als Frischfleisch missbraucht. Als nächstes erwischt es Gail Maddox, die Gattin des rechtschaffenen Tierarztes Cory (Alex Rocco), der jedoch rechtzeitig zu Hilfe eilt und Schlimmeres verhindern kann. Dummerweise haben die Rocker noch nicht genug von Gail und überfallen, vergewaltigen und verprügeln sie später in seiner Abwesenheit. Da der Sherriff (Russ Meyer himself) nur meint, dass Gail ja nichts wiederfahren sei, wofür eine Frau nicht sowieso "built for" sei, also keine Hilfe von ihm zu erwarten ist, beschließt Cory die Fieslinge selbst zu suchen. Unterwegs trifft er auf die Cajun-Schönheit Ruby (Meyer-Regular Haji, die mit ihrem Akzent als alles, nur nicht als französisch-stämmig durchgeht), die selbst nur durch viel Glück einen Überfall der Motorpsychos überlebt hat – ein Glück, das ihr Ehemann nicht hatte. Nun gehen die beiden zusammen auf die Jagd.
Russ Meyers Vorläufer zu dem ruhmreichen FASTER PUSSYCAT, KILL, KILL! ist ähnlich düster und brutal geraten, ohne jedoch dermaßen over the top rüberzukommen wie dieser. Die Zusammenfassung oben gibt den Handlungsverlauf nahezu komplett wieder, der Film ist so leer und karg wie die Wüste, in der MOTORPSYCHO sich größtenteils abspielt. Erst nach dem Zusammentreffen von Cory und Ruby beginnen die Figuren etwas schärfere Konturen anzunehmen, auch wenn MOTORPSYCHO sicherlich niemals auch nur annähernd in den Verdacht kommt, ein personengetriebenes Drama zu sein. Trotz des Schwarzweiß ist MOTORPSYCHO ein ziemlich greller Film, was auch durch den loungigen Sixties-Soundtrack untermalt wird: Die drei Biker heizen auf ihren Mofas durch die Pampa und haben nur unmotiviert Böses im Sinn. Das Miniradio, das sich einer von ihnen unentwegt ans Ohr hält und dem Film damit seinen Score (und einige interessante Spielereien mit diegetischem und extradiegetischem Ton) beschafft, ist das einzige Detail, das ihnen gegönnt wird. Je länger der Film dauert, umso mehr verdichtet sich die eh schon hochkonzentrierte Handlung, bis der Film im Finale gemeinsam mit Brahmin tatsächlich explodiert. Der darf vorher noch einen geilen Nam-Flashback fahren und komplett am Rad drehen. Toll! Die schönste Szene gehört aber Cory und Ruby: Ersterer wird von einer Klapperschlange gebissen und zwingt Ruby dazu, das Gift auszusaugen: Äußerst nachdrücklich drückt er ihren Kopf auf die Bisswunde am Bein und befiehlt ihr stöhnend: "Suck it! Suck harder! Harder!" Der "erotischste" Moment dieses Films, der sich mit Nacktheiten sehr zurückhält und noch nichtmal einen Nippel präsentiert. Mit 73 Minuten ist MOTORPSYCHO, das auf einem Drehbuch von Hal Hopper basiert, der in den beiden vorigen Meyer-Filmen jeweils den Bösewicht geben durfte, zwar knackig kurz, kommt aber trotzdem nicht ohne die ein oder andere Länge aus. Das macht aber nix: Allein schon deshalb, weil MOTORPSYCHO wohl der einzige Bikerfilm ist, der seinen Motorradrockern Mopeds zwischen die Schenkel klemmt, ist er den Eintritt wert. Da stellt sich nur die Frage, warum am Ende Toyota Land Cruiser fett für das Zurverfügungstellen der zahlreichen Geländewagen gefeatured wird: Die hätten doch mal besser ein paar anständige Öfen bereitstellen sollen! Wie dem auch sei: Der Film ist ein feiner Spaß für zwischendurch und eine wahrscheinlich notwendige Fingerübung auf dem Weg zu FASTER PUSSYCAT, KILL, KILL! Und Haji ist einfach nur eine Schau!
#544
Geschrieben 06. November 2006, 18:55
Ein Schwarm Killerbienen löscht die gesamte Besatzung eines Luftwaffenstützpunktes in der Wüste von Arizona aus. Die anrückende Armee unter der Leitung von General Slater (Richard Widmark) trifft inmitten der Leichen auf den Insektenforscher Crane (Michael Caine), der die Toten der afrikanischen Killerbiene zuschreibt und das Ende der USA befürchtet. Die Armee gibt ihm absolute Handlungsvollmacht, die er gleich mal dazu ausnutzt, alle seine Forscherkumpels heranzukarren. Es sind nur zwei: der querschnittsgelähmte Dr. Krim (Henry Fonda), der ein Gegengift herstellen soll, und den Ökologen Dr. Hubbard (Richard Chamberlain). Die eher unentschlossenen Handlungen der Wissenschaftler führen jedoch nur zu einem Haufen Toten im benachbarten Örtchen Marysville und so tritt am Ende dann doch die Army auf den Plan und legt Houston in Schutt und Asche, bevor Crane in letzter Sekunde doch die Lösung einfällt ...
THE SWARM ist ein Monument des Scheiterns, ein Mahnmal, geschaffen aus Größenwahn und Blindheit. THE SWARM ist ein Film, wie man ihn heute nicht mehr zu sehen bekommen wird und der trotz seiner Verortung im absoluten Multimillionen-Dollar-Spektakel mehr mit dem Gesamtwerk Ed Woods gemein hat als viele Trash- und Exploitationfilme. Auch THE SWARM-Regisseur Irwin Allen ist ein absolutes Faszinosum: Seine mit einem unfassbaren Staraufgebot gespickten kreativen Totgeburten zogen in den frühen bis mittleren Siebzigern die Massen in die Kinos. Mit POSEIDON INFERNO gab den Startschuss für den damals so beliebten Katastrophenfilm, dem er mit den ebenfalls megalomanischen THE TOWERING INFERNO noch eine weitere zumindest finanzielle Sternstunde verschaffte. Nach THE SWARM folgte noch BEYOND THE POSEIDON ADVENTURE, danach war Feierabend mit den Prassereien. Kein Wunder, denn wenn man sich THE SWARM anschaut, muss man sich ernsthaft fragen, wie es dazu kommen konnte, dass IRGENDJEMAND Allen das Geld für diese überlange Montage aus Schnittmüll geben konnte. Er muss ein extrem überzeugender Zeitgenosse gewesen sein.
OK, zurück zum Film: THE SWARM ist zunächst einmal lang. Über 150 Minuten zieht sich die unsagbar blöde Mär von den Killerbienen, die die USA an den Rand der Apokalypse drängen. Alles schreit hier "großes Kino": Selbst die unbedeutendste Rolle ist noch mit einem bekannten Gesicht besetzt (u. a. Ben Johnson, Katharine Ross, Olivia De Havilland, José Ferrer, Bradford Dillman, Slim Pickens, Cameron Mitchell und Fred McMurray) und zwischen den Actionszenen (ähem ...) gibt es immer wieder dramatisches Füllmaterial, das in jeder Soap-Opera glaubwürdiger rüberkommt. Allen lässt kein Fettnäpfchen aus: Die Gestochenen haben Visionen von riesigen Killerbienen, Dr. Krim, die einzige Hoffnung auf Rettung injiziert sich die doppelte der schon tödlichen Dosis Bienengift, um die Wirksamkeit seines Impstoffes zu testen und bringt sich so natürlich völlig unnötig um, die Bienen lassen Hubschrauber abstürzen, Züge entgleisen und – einsamer Höhepunkt – ein kernkraftwerk explodieren. Alle, wirklich alle benehmen sich wie die letzten Idioten – nicht zuletzt Slim Pickens, der den Vater eines der Bienenopfer spielt und flennend den Leichensack herzt und rumträgt, in den sein Sohn eingewickelt ist.
Dafür kriegen sie dann aber auch allesamt ziemlich resolut die Quittung: Nachdem sie und ihre kleinen unwichtigen Problemchen lang eingeführt wurden, befördert Allen sie innerhalb von Sekunden ohne mit der Wimper zu zucken über den Jordan. Die Leichen stapeln sich, immer wieder verkündet der Army-Supercomputer den neuesten Body-Count-Zwischenstand und Crane guckt doof aus der Wäsche. Mann, haben die alle einen Hass auf die Bienen! Angesichts dieses munteren Massensterbens – wir reden hier über Dimensionen von mehreren hunderttausend Toten! – muten der nüchterne, pseudowissenschaftliche Jargon der Figuren und der sachlich-dokumentarische Charakter von Allens Inszenierung geradezu lächerlich an. Wie auch die unfassbar dämlichen Dialoge, quadratkilometergroßen Plotholes, bescheuerten Regieeinfälle, Szenen, die offenen Auges ins Leere rennen, und generellen Unglaubwürdigkeiten dem mahnenden Ton niemals gerecht werden.
Wessen Geistes Kind Allen ist, wird spätestens bei der finalen Schrifteinblendung deutlich, die betont, dass die Killerbienen des Films keinesfalls mit den "hard working" American Honey Bees zu verwechseln seien, die ein wichtiger Bestandteil des ökologischen Systems sind. Das im Hinterkopf mutet das martialische Finale schon etwas zwiespältig an, ebenso wie die Tatsache das die African Killer Bees nur als "Africans" tituliert werden. Und dass die Auflösung des Bienentreibens – man lockt sie mittels eines Signaltons auf den Golf von Mexiko, kippt dort tonnenweise Öl aus und setzt das ganze Meer in Brand – einem auch noch als Happy End verkauft wird, ist einfach nur der Gipfel. Da hat Crane vorher die ganze Zeit einen Hermann gemacht, wenn man ein bisschen Insektenspray verteilen wollte, und dann kuschelt er mit seinem errungenen Love Interest vor dem entfachten Weltenbrand. Das muss man einfach gesehen haben.
In THE SWARM funktioniert nichts, wirklich gar nichts. Da muss man sich noch nicht einmal über die sehr fadenscheinigen visuellen Effekte aufregen. Der wirkliche Gnadenschuss für diesen Film ist der unglaubliche Ernst, mit dem dieser Blödsinn inszeniert wurde, der unfassbare Übereifer, mit dem sich verdiente Schauspieler zu kompletten Idioten machen. Über die Idee, intelligente Bienen zum Thema eines ökologischen Thrillers zu machen, braucht man ja eigentlich kein Wort zu verlieren. Da mag man gern über Harlins DEEP BLUE SEA lachen, aber seine Haie geben auf der Leinwand wenigstens noch was her. Wenn die Akteure in THE SWARM in Zeitlupe nach den Bienen schlagend über die Leinwand torkeln, ist Polen sowas von offen, das es kein Halten mehr gibt. In vielerlei Hinsicht ein absolutes Meisterwerk und ein Film, den man in eine Kapsel eingeschweißt ins All schießen sollte, auf dass er bis in alle Ewigkeit Beleg für die grenzenlose Dummheit der menschlichen Rasse geben möge. Unbedingt angucken!
#545
Geschrieben 07. November 2006, 18:33
Emmett Fitz-Hume (Chevy Chase) und Austin Millbarge (Dan Aykroyd), beide im Staatsdienst angestellt, sind nicht gerade vom Erfolg verwöhnt: Der eine mogelt sich durch einen Job als Pressesprecher, der andere darf in einem unaufgeräumten Keller Nachrichten dechiffrieren. Als sie bei einem Beförderungstest negativ auffallen, ist klar: Die beiden sind ideal, um von echten Geheimagenten abzulenken, die eine Raketenabschussbasis der Russen auffinden und zerstören sollen. Dass die beiden quasi als Abschreibungsposten unterwegs sind, wird ihnen natürlich verheimlicht. Und tatsächlich schlagen sie sich irgendwie trotz aller Inkompetenz durch sämtliche Unwägbarkeiten ...
Als ich den Film damals im Kino gesehen habe, fehlten mir die Slapstick-Elemente, ich war – das weiß ich noch – ein bisschen enttäuscht. Ich wollte einfach mehr von diesen Szenen, wie man sie während der Ausbildung von Fitz-Hume und Millbarge zu GLG20-Agenten zu sehen bekommt. Heute funktioniert der Film für mich ungleich besser, gerade die Tatsache, dass der Humor mehr aus Wort- und Sprachwitz und Situationskomik erwächst, macht ihn zu einem Gewinner und zu einer der wenigen Komödien, die ich tatsächlich mit jedem Sehen immer besser finde. Abstriche muss man beim Schlussdrittel machen, bei dem Landis ein bisschen die Puste ausgegangen ist und deutlich wird, dass die Story von SPIONE WIE WIR nicht gerade eine Meisterleistung darstellt. Den Schwung der Szenen, die sich während des Mittelteils, als sich die beiden Agenten in Pakistan aufhalten (und dort u. a. auf Terry Gilliam, Ray Harryhausen und Bob Hope treffen), abspielen, erreicht der Film jedenfalls nicht mehr. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn Aykroyd und Chase sind hier on top of their game.
#546
Geschrieben 09. November 2006, 18:19
Die drei harten Weiber Varla (Tura Satana), Rosie (Haji) und Billie (Lori Williams) machen sich nach einer langen Nacht, in der sie mal wieder die geifernden männlichen Besucher eines Nachtclubs tänzerisch becirct haben, mit ihren schnittigen Sportflitzern auf in die Wüste. Dort begegnet ihnen auf einer Rennpiste das brave Pärchen Tommy und Linda (Susan Bernard). Nach einem Autorennen wird der schlechte Verlierer Tommy kurzerhand und mit bloßen Händen umgebracht, die kleine Linda mitgenommen. Es verschlägt die Vier auf eine einsame Farm, auf der ein querschnittsgelähmter alter Mann mit seinen beiden Söhnen lebt – einer ist geistig zurückgeblieben und dient dem Patriarchen als Wachhund – und angeblich ein hübsches Vermögen versteckt hält. Es entbrennt ein Kampf um die Knete, um Linda und um Macht im Allgemeinen ...
Russ Meyers wahrscheinlich bekanntester Film ist so vollgepackt mit ikonischen Bildern weiblicher Omnipotenz, dass die moderne Variante – die 3 ENGEL FÜR CHARLIE – dagegen aussieht wie eine um die Pferde getilgte verfilmte Episode eines Wendy-Comics. Vor allem Tura Satana flößt dem (männlichen) Betrachter auch heute noch Angst ein, so überdimensioniert, brutal und urgewaltig erscheint sie. Sie ist Dreh- und Angelpunkt des Films und stellt alle anderen, darunter auch die ebenfalls nicht gerade unscheinbar zu nennende Haji, völlig in den Schatten. Inhaltlich ist FASTER PUSSYCAT nicht gerade spektakulär, es ist der Kniff, klassischerweise Männern zugedachte Rollenprofile Frauen zuzuschreiben, der FASTER PUSSYCAT seine Sonderstellung verleiht. So brutal, rücksichtslos und böse sind Frauen meines Wissens nach nie wieder dargestellt worden, da bleibt einem auch heute immer noch die Spucke weg. Im Vergleich zu den letzten Sichtungen hat mir der Film heute ein ganzes Stück mehr Spaß gemacht, lediglich in den letzten 20 Minuten hängt er ein wenig durch, da es angesichts der absoluten Vormachtstellung Varlas in diesem Film nur wenig Platz für Suspense gibt. Und echte Sympathieträger gibt es ja eigentlich auch nicht, Meyers Herz schlägt auch hier wieder mehr für die Einzelgänger und Rebellen als für die braven Heldentypen. FASTER PUSSYCAT ist aber dennoch wunderbar over the top, mit haufenweise quotierbaren Dialogzeilen und herrlich gekünstelt agierenden Figuren. Obwohl das Schwarzweiß wunderschön anzuschauen ist, wünscht man sich fast eine Farbversion des Treibens. Dennoch sollte sich bloß niemand auf das schmale Brett wagen, ein Remake dieses Meilensteins einzukurbeln, das wäre nicht nur von vornherein zum Scheitern verurteilt, sondern auch noch absolute Blasphemie. Wer wissen will, wie Varla heute aussehen könnte, kann aber zu Alex de la Iglesias PERDITA DURANGO greifen, der sich nicht nur in der optischen Gestaltung seiner Hauptfigur an Meyers Film orientiert hat.
Die kurze Dokumentation auf der DVD, in der die vier weiblichen Hauptdarsteller des Films kurz nach Russ Meyers Tod vor zwei Jahren zu Wort kommen, ist ebenfalls sehr unterhaltsam und präsentiert Tura Satana als ausgesprochen intelligente, eloquente und liebenswürdige Person, die ihr Äußeres (von der enormen Leibesfülle mal abgesehen) kaum verändert hat. Und Hajis Akzent, den sie in allen Meyer-Filmen pflegt ist tatsächlich gespielt und keinesfalls echt.
#547
Geschrieben 09. November 2006, 20:22
Mehrere Topless-Tänzerinnen zeigen in kurzen Clips, was sie haben, kommentieren via Off-Kommentar, was tanzen für sie bedeutet, was sie über ihren Körper im Allgemeinen und Nacktheit im Besonderen denken, was sie von Männern halten und wie man diese am besten für sich gewinnt und unterbrechen damit immer wieder einen marktschreierischen Kommentator, der den immergleichen Sachverhalt in immer neue bunte Metaphern kleidet.
Man muss schon ein riesiger Brustfetischist sein, um an MODO TOPLESS so richtig großen Spaß zu haben. Für einen Film ohne Plot – eben einen Mondofilm – ist MONDO TOPLESS dennoch erstaunlicherweise recht unterhaltsam. Das liegt zum einen an Meyers Humor: Die Sprüche des Kommentators sind wirklich zum Schreien. Dann ist da aber noch der Zeitgeist der Swinging Sixties, dem ich mich nur schwer entziehen kann: die großartige Musik, der Look der verschiedenen Frauen, die Art und Weise wie sie tanzen, die Farben. MONDO TOPLESS fällt ziemlich raus aus Meyers Werk. Mitten in seine schwarzweiße Phase platzt dieser farbenfrohe, wilde Film, der jeglicher Narration entbehrt. Das Motiv war das Geld, das dann auch säckeweise auf Meyers Konto geflossen ist. Das interessantest narrative Detail – und hier schlägt Meyer den Bogen zu MOTORPSYCHO und FASTER, PUSSYCAT! KILL! KILL! – ist das omnipräsente Radio, dass die einzige Requisite ist und die gestellten Szenen quasi authentifiziert, indem es suggeriert, dass der Score des Films diegetisch ist. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen, außer, dass MONDO TOPLESS gut auf einer entsprechenden Party im Hintergrund laufen könnte. Ach ja, auf der englischen DVD ist ein ziemlich ausführliches und interessantes Interview – eigentlich eher eine Doku – mit Russ Meyer enthalten.
#548
Geschrieben 10. November 2006, 10:57
Der Witwer Dewey Hoople (Jack Moran, auch Drehbuchautor) lebt mit seiner Geliebten Babette (Babette Bardot, eine der Tänzerinnen aus Meyers Vorgänger MONDO TOPLESS) und seiner Tochter Coral (Adele Rein, auch kein Kind von Traurigkeit) eine miese kleine Touristenfalle mitten in der Einöde am Colorado River. Die einzige Attraktion sind die Oberweiten seiner weiblichen Belegschaft und die bizarre Show, die Babette abzieht: Mit Fackeln bewehrt läuft sie halbnackt schreiend durch die Wüste, erklimmt einen Felsen auf dem sie ein olympisches Feuer entzündet, nur um sich dann kopfüber in den Fluss zu stürzen. Der Suffkopf Cracker (Meyer-Regular Frank Bolger) schifft ahnungslose Touristen an, diesmal den korrupten Polizisten Rickert und ein frustriertes Ehepaar: den müden Dr. Ross (John Furlong aus MUDHONEY) und seine nymphomane Gattin Sheila (Alaina Capri). Zwischen den Personen gibt es bald Spannungen aller Art, jeder will mit jedem und es endet, wie man das von Meyer gewohnt ist in Mord und Totschlag.
Beginnen möchte ich mit einer kleinen Korrektur des letzten Beitrags: Die Aussage, MONDO TOPLESS, platze mitten in Meyers Schwarzweiß-Phase, ist falsch, denn COMMON-LAW CABIN erstrahlt in bunten Farben. Allerdings hätte der Stil von Filmen wie LORNA, MUDHONEY oder MOTORPSYCHO hier vielleicht besser gepasst, denn außer für Babette Bardots Fackelauftritt setzt Meyer nur wenig Akzente. Der Film ist nicht wirklich schlecht, stellt aber auch nicht mehr als die mittlerweile xte Variation mittlerweile bereits etablierter Meyer-Themen dar und schleppt sich deshalb ziemlich mühsam über die 69 Minuten. Klar, richtig schlecht ist das alles nicht, aber COMMON-LAW CABIN präsentiert sich ein wenig als klassischer Lückenbüßer in Meyers Werk: Die finstere Crime-Phase war zwar noch nicht so ganz vorbei, aber gedanklich war Meyer wahrscheinlich schon eher bei VIXEN, der im Jahr darauf folgen sollte. Dies im Hinterkopf bin ich gespannt auf GOOD MORNING ... AND GOODBYE! und FINDERS KEEPERS, LOVERS WEEPERS, die er noch dazwischen gepackt hat. Schaut man sich die Kommentare in der IMDB an, so muss man verwundert feststellen, dass sich äußerst positive Besprechungen und mit meiner Meinung vergleichbare Enttäuschungsbekundungen ziemlich die Waage halten. Mir will aber einfach nicht in den Kopf, wie man dieses unentschlossene Filmchen als einen der witzigsten Filme aller Zeiten bezeichnen kann. Gelacht habe ich nun wirklich kein einziges Mal ... Verzichtbar - oder aber erst nach mehrmaligem Sehen zu würdigen.
#549
Geschrieben 12. November 2006, 16:26
L.A. wird vom schwersten Erdbeben in der Geschichte der USA heimgesucht.
So einfach kann es sein, einen Film zusammenzufassen. Regisseur Mark Robson, der in den Vierzigern zusammen mit Val Lewton einige der schönsten Horrorfilme überhaupt drehte, verlässt sich in EARTHQUAKE nicht ganz zu Unrecht auf seine Stars und die Effekte, die – wenn auch dreißig Jahre nach Entstehung schon etwas angestaubt – immer noch ordentlich aussehen und zumindest zum Teil recht effektiv sind. Seine Regie tritt hinter dem vordergründigen Spektakel völlig in den Hintergrund. Dramaturgisch bewegt sich EARTHQUAKE auf dem Terrain der Seifenoper: Da gibt es den toughen Helden (Charlton Heston), der mit der alkoholabhängigen Millionärstochter (Ava Gardner idiotischer- und unglaubwürdigerweise als Tochter des gleichaltrigen Lorne Green) verheiratet ist und nebenbei eine Affäre mit einer ungleich jüngeren Frau (umwerfen attraktiv: Genevieve Bujold) unterhält. Natürlich entdeckt er die Liebe zu seiner Frau im dramatischsten Moment des Films und sorgt so für die moralische Keule am Schluss. Der aufrechte Polizist Lew (George Kennedy wieder mal als Mr. Verlässlich) fährt von einem Ende der Stadt ans andere, ist immer da, wenn Notz am Mann ist und rettet mehr als einmal den Tag. Richard Roundtree ist der Evil Knievel für Arme, rettet die schöne Genevieve und verschwindet dann in einem Drehbuchloch. Victoria Principal steht in Punkto Attraktivität Mrs. Bujold in nichts nach, wird deshalb auch prompt von einem durchgeknallten Mitglied der Nationalgarde (Marjoe Gortner, der seine schauspielerische Sternstunde knappe 15 Jahre später als Schurke in AMERICAN FIGHTER 3 erleben sollte) gekidnappt und bedroht, bevor dann George Kennedy eingreift.
EARTHQUAKE ist großes, typisches Siebziger-Jahre-Kino, das ich mir in dieser Form immer gern ansehen, auch wenn man nicht leugnen kann, dass der heute in genau dieser Form direkt als Weltpremiere auf RTL, Kabel 1 oder Pro 7 verheizt werden würde. Der Drang zum großen Epos ist immer spürbar, scheitert aber letztlich daran, dass in diesem Film alles eine Spur zu formelhaft, routiniert und wohldosiert abläuft. Selten wird die Überlebensgröße erreicht, die man angesteuert hat, auch weil durch die Vielzahl der einzelnen Episoden nichts so richtig konsequent ausgespielt wird. Dennoch: Richtig schlecht ist EARTHQUAKE nicht. Warum der immens eklige Mr. Heston (hier schon mit einem schönen Satz behaarter männlicher Hängetitten gesegnet) in den Siebzigern so ein großes Tier war, ist mir allerdings ein Rätsel. Der ist einfach völlig unsympathisch.
#550
Geschrieben 12. November 2006, 16:54
Das kleine mexikanische Dörfchen Santo Poco wird von dem gemeinen Banditen El Guapo terrorisiert. Auf der Suche nach Hilfe stößt die schöne Carmen in einem Kino auf die "Drei Amigos": drei gloriose Helden, die weder Tod noch Teufel fürchten. Sie sind genau das, was Santo Poco braucht, so glaubt Carmen und telegrafiert prompt nach Hollywood. Dort wurden die drei Amigos, verweichlichte und größenwahnsinnige Schauspieler, soeben gefeuert. Der Ruf an ein vermeintliches Filmset in Mexiko kommt ihnen deshalb gerade recht. Die Panik ist allerdings groß, als sie feststellen, dass "Schauspielkollege" El Guapo und seine Spießgesellen mit scharfer Munition schießen ...
Eine der letzten Sternstunden von Regisseur John Landis: Ich würde sogar so weit gehen, DREI AMIGOS! zu seinen stärksten Filmen zu zählen. Nicht nur, dass Steve Martin als Lucky Day, Martin Short als Ned Nederlander und Chevy Chase als Dusty Bottoms absolute Glanzleistungen hinlegen und die Gags nur so auf den hilflosen Zuschauer herniederregnen, John Landis ist auch eine Liebeserklärung an die Kraft des Kinos gelungen, die einfach nur wunderschön anzusehen ist. Ausstattung, Cinematografie, Musik, Schauspielerleistungen: Hier stimmt einfach alles. Tolle Szenen gibt es reihenweise: den Auftritt der drei Amigos in einer schmierigen mexikanischen Kneipe, in der sie den verdutzt dreinglotzenden Mexikanern eine Tanznummer namens "My little Buttercup" vorführen, ihre erste Konfrontation mit El Guapo ("Jetzt sitzt du ganz schön tief in der Scheiße, Sportsfreund!"), das Nachtlager in der Wüste, den singenden Busch, den unsichtbaren Krieger und den Ritt durch die Wüste ("Lippenbalsam?"). Am meisten gelacht habe ich aber in der Szene, in der die drei Amigos in das Studio einbrechen, um ihre Kostüme zu klauen, und Lucky Day auf einer Mauer stehend minutenlang versucht, den anderen unauffällig ein Signal zu geben. Köstlich! Wenn ich diesen Film sehe, fällt mir immer wieder auf, wie schade es ist, dass Martin Short so wenig echte brauchbare Filme gemacht hat. Neben den über jeden Zweifel erhabenen Chase und Martin zieht der hier nämlich keineswegs den Kürzeren. Auch nach der xten Sichtung zeigt dieser Film nicht die geringsten Abnutzungserscheinungeen und sei damit allen Komödienfreunden ans Herz gelegt.
#551
Geschrieben 13. November 2006, 10:40
Der Alleinunterhalter Marc betourt Altersheime und sonstige Stätten des Trübsals. Mit seinen flotten Schlagern zaubert er das Lächeln in verbrauchte Gesichter und entfacht noch einmal das Feuer in morschen Lenden. Aber auch jüngere Damen liegen dem Prachtkerl mit dem Schmelz in der Stimme zu Füßen und entschädigen für peinliche Übergriffe längst verblühter Damen. Leider hält es den attraktiven jungen Mann nie lange an einem Ort und so muss er sich nach einer Autopanne inmitten der belgischen Einöde bald ganz anderen Annäherungsversuchen erwehren, die sich nicht so einfach abschütteln lassen: In einer völlig frauenlosen Gesellschaft nimmt man eben, was kommt, um seine Libido zu besänftigen ...
Ich bin mir ganz sicher, dass Regisseur Fabrice Du Welz seinen nächsten Film in den USA inszenieren und seinem frankophonen Kollegen Alexandre Aja folgen wird. Auch wenn CALVAIRE seine Reize nicht ganz so offensiv zur Schau stellt wie HAUTE TENSION, so scheint er mir doch der intelligentere und konsequentere Film der beiden zu sein. Trotz aller expliziten Gewalt ist CALVAIRE eine traumgleiche und surreale Atmosphäre zu Eigen, die dem finsteren Treiben um sexuelle Perversionen und gewaltsames gender bending einen sehr schwarzhumorigen Zug verleiht. Wie der Held eines Slapstickfilms wird der Protagonist in immer schlimmere Ausprägungen desselben Problems gestürzt. Es ist vor allem die für einen solchen Film sehr ungewöhnliche und erfreulich anti-affirmative Erzählhaltung, die CALVAIRE zu einem äußerst beunruhigenden und eigenständigen Erlebnis werden lässt. Es bleibt unklar, was genau in der frauenlosen Dorfgemeinschaft eigentlich vorgefallen ist, um solche drastischen Ergebnisse zu zeitigen. Du Welz belässt es bei Andeutungen, zwingt somit den Zuschauer, die vorhandenen Lücken zu füllen. Auch auf der Bildebene spielt sich Rätselhaftes ab: Vor allem im symbolisch aufgeladenen Finale, in dem sich die Herbst- von einer Einstellung zur nächsten in eine verschneite Winterlandschaft verwandelt, von der der verbleibende Bösewicht (mal wieder Philippe Nahon) förmlich verschluckt wird, zeigt sich, dass es Du Welz nicht darum ging, einen mit allerlei Authentifizierungsstrategien arbeitenden Vertreter des gerade so hippen Torture Porn zu drehen. Das macht aus einem reinen Schocker (der auch einmal genau jene Szene aus dem TEXAS CHAINSAW MASSACRE zitiert, die Nispel und Bay für ihr schwachbrüstiges Remake unverständlicherweise völlig unter den Tisch haben fallen lassen) einen immens gruseligen und bizarren modernen Horrorfilm, der im internationalen Vergleich ganz allein auf weiter Flur steht.
#552
Geschrieben 14. November 2006, 09:05
Die Famile Griswold feiert Weihnachten und lädt die gesamte Verwandtschaft ein. Das kann nicht gut enden, zumal die von Papa Clark (Chevy Chase) fest eingeplante Weihnachtsgratifikation ausbleibt und stattdessen ein Mitgliedschaft im "Fettfrei kochen"-Club ins Haus flattert. Am Ende ist aber alles gut und während die Klärgrube explodiert lönnen alle frohen Mutes die Nationalhymne singen ...
Ich lege mich fest: Der dritte Griswold-Film, im Original NATIONAL LAMPOON'S CHRISTMAS VACATION ist der beste der Reihe. Das liegt vor allem daran, dass der mittlerweile typische Humor, der zum Großteil auf die Kappe von Chevy Chase und Randy Quaid als versoffenem, chronisch arbeitslosem Redneck-Cousin Eddy geht, hier immer wieder durch einen sehr warmherzigen Ton aufgelockert wird, wie er eben dem amerikanischen Weihnachtsfilm zueigen ist. Das führt dazu, dass die Griswolds sehr viel greifbarer sind als etwa im Vorgänger EURPEAN VACATION, brutale Kitschattacken aber ebenfalls abgemildert werden. Ich kenne den Film mittlerweile nahezu auswendig und könnte mich immer wieder bepissen: etwa, wenn Clark Reizwäsche für seine Frau kaufen will und von einer Frau von Playmate-Format bedient wird, was ihn völlig aus der Fassung bringt ("Kein Abriss, Drucky!"); oder Clarks Gesichtsausdruck, wenn er endlich alle Glühlampen, mit denen er sein Haus geschmückt hat, zum Leuchten gebracht hat; oder nahezu alle Szenen mit Eddy, der die wohl abscheulichsten Klamotten trägt, die je für einen Film zusammengestellt wurden. Der Höhepunkt nicht nur dieses Films, sondern des westlichen Humors überhaupt, ja, die Szene, in der das humoristische Schaffen der Menschheitsgeschichte quasi kulminiert, ist die, in der Clark die Luke zum Dachboden aufmacht und das untere Ende der in der Klappe befestigten Teleskopleiter volles Programm in die Schnauze kriegt. Spätestens an diesem Punkt ist es für mich völlig unmöglich, dem Film anders als auf den Knieen liegend gegenüberzutreten und den Allmächtigen zu preisen.
#553
Geschrieben 15. November 2006, 10:58
Der Psychotiker Peter Winter (Peter Greene) wird aus der (Haft?)Anstalt entlassen. Getrieben von Stimmen in seinem Kopf begibt sich der verstörte Mann auf die Suche nach seiner Tochter, die von seiner Mutter mittlerweile zur Adoption freigegeben wurde. Der Fund einer Kinderleiche ruft einen eifrigen Detektiv auf den Plan, der sich dem potenziell Verdächtigen sogleich an die Fersen heftet ...
Lodge Kerrigan nimmt den Zuschauer mit ins Innere des Kopfes eines tief verstörten Menschen und lässt ihn die Welt durch dessen Augen sehen. Unzuordbare und dadurch beunruhigende Nah- und Detailaufnahmen sowie dekontextualisierte Bildinformationen überfluten den Zuschauer mit optischen Eindrücken, während von der Tonspur statisches Rauschen, Fetzen von Radioübertragungen und scheinbar ursprungslose und sehr unmittelbar wirkende Geräusche an sein Ohr dringen. Die Psychose seines Protagonisten wird zur narrativen Triebfeder für seinen Film: Der Zuschauer kann sich niemals allein auf die Bild- und Toninformationen verlassen, wird mehr as einmal hinters Licht geführt. Unter der scheinbar kargen und einfachen Oberfläche des Films - das gilt nicht nur für die schmucklose Landschaft und die mehr als pragmatisch eingerichteten Settings, sondern auch für die immens stringente, mit diesem begriff fast schon überbewertete "Handlung" - brodelt es gewaltig. Die Diskrepanz zwischen dem Außen und dem Innen droht nicht nur den Kopf des Protagonisten zu zersprengen, sondern auch den Film, der eine schier unerträgliche Spannung aufbaut, die sich in einem todtraurigen Finale auflöst. CLEAN, SHAVEN ist aber kein die Grenzen der Belastbarkeit des Zuschauers auslotender Terrorfilm, sondern bleibt stets nachvollzieh- und vor allem ansehbar. Lediglich die Szene, in der Peter sich mit Brachialgewalt einen Fingernagel entfernt, weil er glaubt, dieser sei ein Transistor, schlägt ziemlich auf den Magen. Mit CLEAN, SHAVEN ist Kerrigan ein fremdartiger und schockierender, aber auch wunderschönder Film gelungen, der dem Zuschauer auf sehr eindrückliche Weise deutlich macht, was sich hinter dem Begriff der Psychose eigentlich verbirgt. Paranoiakino par excellence.
#555
Geschrieben 17. November 2006, 13:52
Der junge Simon Cartwright (Paolo Rotondo) hat nicht weniger als 17 Menschen umgebracht und sitzt bereits seit fünf Jahren in einer von einem äußerst bizarren Doktor geführten Heilanstalt ein. Er bestellt die aufstrebende und erfolgreiche junge Psychiaterin Dr. Karen Shoemaker (Rebecca Hobbs) zu sich, um ihr die Hintergründe seiner Karriere zu erläutern. Es gelingt ihm, ihr Vertrauen zu gewinnen, doch ist das alles vielleicht nur Teil eines bösen Spiels?
Regisseur Scott Reynolds nimmt sich für seinen Thriller des von Thomas Harris' Hannibal-Lecter-Romanen etablierten Themas der mentalen Invasion durch einen perfiden Serienmörder an. THE UGLY konzentriert sich vollständig auf den Dialog zwischen dem charismatischen Simon und der Psychiaterin, die glaubt alles unter Kontrolle zu haben. In geschickt mit dieser Narration verwobenen Rückblenden erfährt der Zuschauer wie Simon zum Serienmörder wurde – oder zumindest wie er behauptet, dazu geworden zu sein. Und je tiefer Dr. Shoemaker in seine Psyche eindringt, desto instabiler wird ihr Standpunkt, immer mehr wird sie Teil seiner Welt. Wie auch der kürzlich gesichtete CLEAN, SHAVEN macht THE UGLY das Innenleben seines psychotischen Protagonisten sichtbar. Der ganze Film ist in eisiges Blau getaucht, das nur hier und da durch grelles Rot durchbrochen wird. Gegenwart und Vergangenheit sind unentwirrbar verflochten und die Nervenheilanstalt, mit ihrem brutalem Wachpersonal und dem wie ein entrückter Künstler erscheinenden Doktor scheint weniger ein realer Ort als ein Produkt seiner Fantasie zu sein. Leider steht der Inhalt hinter der gelungenen formalen Gestaltung etwas zurück: Die Schauspieler sind nicht durchweg überzeugend und manches wirkt etwas forciert und aufgesetzt. Dennoch: ein interessanter Film, für den der mittlerweile weltberühmte WETA Workshop die Effekte beisteuerte.
#556
Geschrieben 17. November 2006, 16:50
In einem Tempel irgendwo in den "Tropen" (in diesem Fall der Libanon) hält Dr. Fu Man Chu 13 Töchterchen führender Wissenschaftler gefangen, die dem chinesischen Superverbrecher helfen sollen, eine Superwaffe zu entwickeln, mit der er mal wieder die Welt bedrohen kann. Für die verschwundenen Mädels interessiert sich Scotland Yard merkwürdigerweise erst als Franz Baumer (Heinz Drache) aufs Maul bekommt, weil man seine Verlobte Marie Lentz, Tochter des verdienten Forschers Otto Lentz, entführen will. Es folgt ein ewiges Hickhack, Hin-und-Her, Bäumchen-wechsel-dich und Ränkespiel bis am Ende Fu Man Chus Plan vereitelt und sein Stützpunkt in die Luft gejagt wird. Bevor man aber auch nur eine Sekunde Zeit hat, zu glauben, der Chinamann sei nun tatsächlich tot, erklingt auch wieder seine Stimme aus dem Off, die verkündet: "Ich, Fu Man Chu, lebe!" Na dann ...
Die 13 SKLAVINNEN ist leider noch eine ganze Ecke langweiliger als der auch schon nicht eben nervenzerreißende Vorgänger ICH, DR. FU MAN CHU. Ewig lang wird ermittelt, vermutet und geschlussfolgert, dass die Birne qualmt. Erst ganz zum Schluss gibt es dann mal ein bisschen Action. Eklatant ist, wie schlampig das Drehbuch konzipiert (= zusammengekloppt) ist. Der Aufhänger mit den 13 Sklavinnen wird kaum zu mehr genutzt als ab und zu mal ein paar Weiber vor der Kamera zusammenzutrommeln, die sich dann trotz ihres kärglichen Daseins im Bildhintergrund ausgiebig die blonde Haarpracht ondulieren. Dass die Damen unter Hypnose stehen und ihrem Meister komplett willfährig sind, böte ja eigentlich die Möglichkeit, lustigen Schabernack mit ihnen zu treiben, aber auf diese Idee ist das chinesische Mastermind wahrscheinlich vor lauter Selbstüberzeugung nicht gekommen. Und immer, wenn die Bräute mal aufmucken, droht er ihnen mit der wohl unüberzeugendsten Schlangengrube der Filmgeschichte.
So wie im insgesamt etwas runderen Vorgänger gibt es hier eine wirklich gute Szene: Als die Tochter Fu Man Chus, Lin Tang, den Wissenschaftler Jules Merlin im Zwiegespräch mit seiner Tochter überrascht, verstummt und erstarrt letztere sofort. Dem verdutzten Papa Merlin offenbart die über die selben hypnotischen Fähigkeiten wie ihr Vater verfügende Lin Tang, dass die Töchter nur noch ihr gehorchen würden, sobald sie den Raum betrete. Papa glotzt nur entsetzt. Diese Szene kann man natürlich schön in dem Sinne interpretieren, dass hier die väterliche Angst vor der Homosexualität seines Kindes bedient wird. Wie schon erwähnt, wird das aber leider nicht weiter ausgebaut. Stattdessen widmet man sich wieder den dilettantischen Ermittlungsversuchen von Nayland Smith und seinem schwulen Watson-Ersatz Petrie. Ich war einigermaßen erleichtert als der Film nach ungemein schleppenden 80 Minuten zuende war und wurde kurz vor Schluss nur noch einmal kurz aus der Lethargie gerissen als ich feststellen musste, dass Jess Franco für DIE FOLTERKAMMER DES DR. FU MAN CHU eine komplette Szene aus diesem Film wiederverwurstet hat. Dabei hätte er die wohl auch selbst hinbekommen.
#557
Geschrieben 17. November 2006, 19:07
Fu Man Chu kehrt in seine chinesische Heimat zurück und lädt einen Handlanger des organisierten Verbrechens, den aufgeblasenen Ronald Ross (Horst Frank), ein. Der soll dem Chinesen die frohe Kunde bringen, dass die Verbrecherbanden weltweit Fu Man Chu als ihren Chef akzeptieren und ihn dabei unterstützen werden, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Das soll diesmal folgendermaßen vonstatten gehen: Fu Man Chu kidnappt den Chirurgen Dr. Lieberson (Wolfgang Kieling) und zwingt ihn, einem Sklaven die Gesichtszüge von Fu Man Chus Erzfeind Nayland Smith zu verpassen. Der Doppelgänger wird gegen den echten Polizisten ausgetauscht, man lässt ihn einen Mord begehen und sorgt so dafür, dass Smith (respektive sein Ebenbild) in der Todeszelle landet. So will Fu Man Chu nach und nach alle Polizeichefs beseitigen. Doch der FBI-Mann Mark Weston macht sich mit Naylands Intimus Petrie auf den Weg nach China, um den echten Smith zu befreien.
Mit dem Wechsel auf dem Regiestuhl – Jeremy Summers ersetzt den müden Don Sharp – gewinnt die Fu-Man-Chu-Reihe wieder etwas an dringend benötigter Fahrt. Zwar ist auch hier längst noch nicht alles Gold was glänzt, die Wende zum Besseren ist jedoch unübersehbar. Das liegt vor allem daran, dass man den schrecklich betulichen Edgar-Wallace-Stil über Bord geworfen und gegen eine gehörige Portion Schund ersetzt hat. Das schlägt sich schon in der Besetzung nieder: Schwiegermütters Lieblinge Blacky Fuchsberger und Heinz Drache durften zu Hause bleiben, stattdessen finden sich eben Horst Frank und Peter Carsten in eher ambivalenten Rollen. Es gibt gleich zu Beginn hübsche, wenn auch nicht allzu grafische Gewalt und einige hüsch blöde Ideen. Fu Man Chu sitzt auch nicht mehr in irgendwelchen miefigen Maschinenräumen rum, sondern hat eine hübsche Festung im bergigen China, die allerlei pittoreske Ansichten ermöglicht. Die Operation des chinesischen Sklaven ist der absurde Höhepunkt des Films: In nur zwei Tagen und mit maximal vier verschiedenen Instrumenten verwandelt Lieberson den knubbeligen Chinesen in das gespuckte Ebenbild des hochaufgeschossenen Nayland Smith. Dass der fortan leichenblass und völlig verstummt durch England torkelt und sein Zimmermädchen ermordet, nachdem er noch kurz zuvor völlig kerngesund und eine Seele von Mensch war, wundert niemanden genug, um nicht nach nur zwei Verhandlungstagen zum Todesurteil zu gelangen. Das war noch Rechtsprechung! Leider kann der Film das Tempo der ersten Hälfte nicht ganz halten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die offenkundigen Mängel auf ein grundlegendes konzeptionelles Problem der Serie zurückzuführen sind: Das apokalyptische, globale Element der Reihe verlangt eigentlich nach Bombast und Epik, das von Harry Alan Towers locker gemachte Budget gab das aber einfach nicht her. So muten des Chinamannes Weltherrschaftsansprüche naiv an, erscheint er mit seinen beknackten Plänen wie ein überkandidelter Tagträumer, der von seinen Gegnern viel zu ernst genommen wird. Dafür spricht, dass es auch diesmal natürlich damit endet, dass Fu Man Chus Festung in die Luft gejagt wird und seine Stimme aus dem Off verkündet ... (siehe oben).
#558
Geschrieben 17. November 2006, 21:48
Fu Man Chu verträgt die trockene Luft im chinesischen Hochland nicht und siedelt deshalb in den mexikanischen Urwald über, wo er preisgünstig eine versunkene Stadt mietet. Die ehemaligen Einwohner des Städtchens kannten das Geheimnis eines der tödlichsten Gifte der Welt, einem Schlangengift. Ob es tatsächlich noch tödlicher ist als das Gift aus ICH, DR. FU MAN CHU bleibt unklar. Auf jeden Fall injiziert Fu das Gift per Schlangenbiss einigen leicht bekleideten Mädchen, die im wunderbaren und Großes verheißenden Opening Shot in verdreckte Lumpen gehüllt, angekettet und mit einem Kissenbezug über dem Kopp durch die Botanik gepeitscht wurden. Allerdings sterben nicht die Damen an dem Gift, sondern werden vielmehr zu Übermittlern des titelgebenden Todekusses. Und so will Fu Man Chu diesmal die Weltherrschaft an sich reißen: Indem er wichtige Persönlichkeiten rund um den Globus von seinen Todeküsserinnen abknutschen lässt. Während Nayland Smith nach einem Bussi erblindet – wie der erstaunte Zuschauer erfährt, sterben die Geküssten erst beim nächsten Vollmond, obwohl diverse "unwichtige" Opfer sofort den Löffel abgegeben haben – eiert Götz George als Carl Jansen durch den Urwald, um den bösen Fu zu finden. Irgendwie wird auch noch ein Haufen Banditen bestehend aus verdreckten und verschwitzten Mexikanern mit in die ganze Soße gequirlt, am Ende geht des Chinesen Plan mal wieder in die Binsen, Erzfeind Nayland kann in letzter Sekunde gerettet werden und Fus Versteck wird in die Luft gejagt, man kennt das ja.
Nach den eher drögen Vorgängern macht die Reihe mit der Verpflichtung von Jess Franco eine ganz harte Kehrtewende in Richtung feinsten Eurotrashs, wird der distinguierte Fu Man Chu zur totalen und im mexiaknischen Urwald auch völlig deplatzierten Randfigur, während leicht bekleidete Damen sich wollüstig um ahnungslose männliche Opfer räkeln. Ein Drehbuch hat es hier bestimmt nicht gegeben, Fu Man Chus Plan spielt nur so ganz am Rande eine Rolle, eigentlich interessiert ausschließlich die Frage, ob der gute Nayland denn gerettet werden kann, bevor der Mond aufgeht. Die Höhepunkte sind dann auch mehr in den kleinen Details zu suchen: im Dialog zwischen Carl und dem schwitzenden Gouverneur etwa, bei dem die obskuren Kamerawinkel tatsächlich darauf zurückzuführen sind, dass die beiden Gesprächspartner sich völlig widersinnig hinter komischen Einrichtungsgegenständen positionieren. Oder der Abgang des fetten Banditenchefs: als der den Wasserfall hinunterrauscht ist der Dummy so wenig überzeugend, dass man auch gleich einen Kasten Bier mit Perücke den Berg hätte herunterschubsen können. Kurzum: Mit dem vierten Film hat die Reihe ihr erstes echtes Highlight erreicht, aber erst mit der FOLTERKAMMER hat Jess Franco dann endgültig den Vogel abgeschossen.
#559
Geschrieben 18. November 2006, 09:56
Der Voodoo-beflissene Serienkiller Charles Lee Ray (Brad Dourif) flüchtet sich, vom Polizisten Mike Norris (Chris Sarandon) gejagt, in einen Spielzeugladen und kann sich dort kurz vor dem Pistolenkugel-induzierten Ableben via Voodoomagie in eine Good-Guy-Puppe transferieren. Auf diese Good-Guy-Puppen ist wiederum der kleine Andy ganz scharf, der mit seiner Mutter Karen (Catherine Hicks) zusammenlebt, und da er heute Geburtstag hat, liegt ein von einem Penner günstig erworbenes Exemplar auf seinem Gabentisch. Doch es dauert nicht lange, bis der kleine Plastikfreund mit der Seele des Serienkillers zu blutdrustigem Leben erwacht.
CHILD'S PLAY ist ein absolut typischer Vertreter des Horrorkinos der auslaufenden Achtziger-Jahre: Echter Horror und verstörende Momente sind Spezialeffekten, Splatter und vordergründigem Firlefanz gewichen. Doch CHILD'S PLAY ist im Vergleich zu anderen Werken dieser Zeit immer noch ziemlich ansehnlich und hat die seit seiner Entstehung 1988 vergangenen Jahre sogar ganz gut überstanden. Das liegt zum einen an den Effekten um "Chucky, die Mörderpuppe" – wie der Film, jegliche vielleicht bestehenden Zweifel zunichte machend, auf deutsch heißt –, die ausgezeichnet gelungen sind und alle Klippen der Peinlichkeit gekonnt umschiffen. Ihren Teil zum Gelingen tragen auch die glaubwürdig gezeichneten Figuren und ebenso agierenden Schauspieler bei: keine nervenden, in die Modesünden der Zeit gehüllten Teenies, keine hysterischen Screeam-Queens. Besonders ist hier ausnahmsweise mal der kleine Alex Vincent zu nennen, der den Andy gibt und nicht nur meine Frau neben mir zum verzückten Kieksen gebracht hat, sondern seine Sache wirklich ordentlich macht, wenn man bedenkt, was Kinderdarsteller sonst so anrichten können. Das Drehbuch von Don Mancini und die unaufgeregte Regie von Tom Holland tun ihr Übriges, dass CHILD'S PLAY den dieser Sorte Film oft abgehenden Touch of Class erhält: Der Film ist sehr zielstrebig und temporeich erzählt und hält sich keine Sekunde mit nervenden Referenzen an die damalige Popkultur auf. Er wirkt im Gegenteil angenehm zeitlos.
Ich war recht erstaunt, den Film als (ziemlich miese) UK-DVD erwerben zu können, sorgte der Film dort doch für ziemlichen Wirbel, weil zwei jugendliche Kindermröder sich in ihren Taten ihn inspiriert sahen und so in den mittleren Neunzigern eine neue Gewaltvideo-Diskussion anzettelten. Natürlich ist es totaler Kappes einen Film für ein solches Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen, vor allem, wenn es sich dabei um einen solchen, zu jeder Sekunde als rein fiktives Gebilde zu erkennendes Popcorn-Filmchen handelt. Doch halt: Die Gewalt ist tatsächlich ungewohnt happig und unangenehm anzuschauen, gerade weil statt Over-the-top-Gore und Latexorgien einigermaßen dezent zu Werke zu Werke gegangen wird. Das Sterben und Morden ist hier nicht Anlass zum Jubeln, Lachen und Klatschen, sondern tatsächlich eher schmerzhaft. Und wenn Chucky am Ende in Zeitlupe in Fetzen geschossen wird, dann lugt auch Papa Peckinpah mal kurz um die Ecke und sagt "Hallo". Das war also insgesamt ein unerwartet freudiges Wiedersehen, auch wenn es sicher ein wenig traurig ist, dass Brad Dourifs in die Ewigkeit eingehende Signature-Role die der Stimme einer Plastikpuppe ist. Naja, die Cineasten haben für Billy Babbitt sicherlich auch noch einen Platz in ihrem Herzen reserviert ...
#560
Geschrieben 19. November 2006, 15:53
Die sterblichen Überreste von Chucky werden in seiner "Heimat", der Fabrik, in der die Good-Guy-Puppen hergestellt werden, aufpoliert und zu einem neuen besten Freund aufgepeppelt. Der so wiederbelebte Chalres Lee Ray macht sich als Chucky sogleich wieder ans Morden und auf die Suche nach Andy, der mittlerweile bei Pflegeeltern gelandet ist. Als Chucky auftaucht, sieht sich der Junge vor dem Problem, dass alle glauben, er sei lediglich ein traumatisiertes Kind ...
Das erste Sequel der CHILD'S PLAY-Reihe ist erstaunlich gut gelungen. Das ist vor allem auf einen kleinen Drehbuchfehler zurückzuführen, der dem Film zu unerwartetem Tiefgang verhilft. Dass Chucky sich nämlich auf die Suche nach Andy macht, um seinen Körper in Beschlag zu nehmen, ist ja eigentlich komplett idiotisch. Warum er nicht einfach den erstbesten Erwachsenen auswählt, sondern unbedingt den schon vorgewarnten Andy heimsuchen muss, bleibt jedenfalls unklar. Aber indem so wieder der Zehnjährige zur Hauptfigur wird, der Konflikt zwischen kindlicher Sicht und der rationalen, ungläubigen Erwachsenenperspektive zur Triebfeder für die Handlung, gewinnt der Film an Substanz. Die Interpretationsmöglichkeit, dass sich das alles nur in der Fantasie des Kindes abspielen könnte, wird zwar durch den Drang zur Konkretion letztlich unterlaufen, dennoch spielt der kindliche Blick ein wichtige Rolle in diesem Film, angefangen bei den Konflikten, die er durchlaufen muss – Hin- und Herschieberei von Pflegefamilie zu Pflegefamilie, das Misstrauen und schließlich der Verlust der Pflegeeltern –, bis hin zum märchenhaft überzogenen Finale in der Spielzeugfabrik. So hebt sich CHILD'S PLAY 2 sehr angenehm vom Wust der Stalk 'n Slash-Filme ab und nutzt die vorhandenen Möglichkeiten optimal aus. Und Chucky ist nach wie vor eine Schau.
#561
Geschrieben 19. November 2006, 16:24
In der Nähe eines kleinen Städtchens schlägt ein Meteor ein, der Unangenehmes mitbringt, nämlich den Erreger einer intergalaktischen Hühnergrippe. Bald schon infiziert sich der Erste, der ältere Ehemann unserer weiblichen Heldin Starla (Elizabeth Banks), Grant (Michael Rooker). Der legt in Folge merkwürdige Züge an den Tag: einen extremen Heißhunger auf Fleisch sowei merkwürdige Verwachsungen an Kopf und Körper. Bald sieht sich das Städtchen einer Invasion gegenüber ...
SLITHER vereint Elemente aus einigen berühmten Genrefilmen, als da wären THE BLOB, INVASION OF THE BODY SNATCHERS, SHIVERS und NIGHT OF THE LIVING DEAD, um nur die naheliegendsten zu nennen. Regisseur James Gunn inszeniert das mit einem Bein fest in der Jauchegrube, spielt die ekligen, schleimigen und blutigen Details ohne pietätvolle Zurückhaltung aus, würzt das alles aber noch mit feinem, aber niemals hysterischen Humor. Der Film, der mich in Stimmung und Gestus am ehesten an SLITHER erinnert ist Chuck Russells BLOB-Remake von 1988, denn wie dieser gewinnt SLITHER vor allem über die fantasievollen Special Effects und drastischen Bilder. Die Besetzung ist ebenfalls gelungen, vor allem die Entscheidung den zwei zwar sympathischen, aber auch etwas oberflächlichen Heldendarsteller mit Michael Rooker und Gregg Henry als schmierigem Bürgermeister zwei Genreveteranen gegenüberzustellen ist Gold wert. Dazu kommt noch, dass SLITHER nicht nur als reiner Popcorn-Spaß funktioniert, sondern auch einige tragische und grausige Momente aufweist, der Horror also nie zu kurz kommt. Fertig ist einer der besten Schleimfilme überhaupt.
#562
Geschrieben 19. November 2006, 16:47
Andy ist inzwischen 16 und wird auf eine Militärakademie geschickt, wo er sich sofort den typischen Gängeleien konfrontiert sieht. Gleichzeitig entschließt sich die Firma der Good Guys, die Puppe wieder auf den Markt zu bringen. Bei der Produktion sorgen die wiederverwendeten eingeschmolzenen Reste Chuckys dafür, dass die Mörderpuppe von Neuem vom Band läuft und sofort die Suche nach Andy aufnimmt ...
CHILD'S PLAY 3 scheitert schon an der Grundkonstellation: Dadurch, dass Andy mittlerweile ein Teenie ist, wird dem Grundkonflikt einiges an Schärfe genommen. Und die Verlegung der Story an einen in diesem Kontext völlig unpassenden Ort trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei, dass CHILD'S PLAY 3 nicht mehr als ein formelhaft ablaufender Slasher geworden ist. Man erkennt, dass die Macher scheinbar überhaupt kein Vorstellung davon hatten, was die beiden Vorgänger überhaupt funktionieren ließ. Das hier ist ein Film, dem es vor allem um den Vordergrund geht. Die Interaktionen in der Militärakademie verleihen dem Film nicht mehr als ein bisschen Seifenoper-Drama, die Möglichkeit zu etwas Ballerei und ansonsten gar nix. Wie beliebig das alles ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die lang aufgebauten Konflikte zum Showdown völlig verworfen werden. Und dass zu einem Moment, wo man eigentlich ein richtiges Kadettenmassaker erwartet: Chucky hatte nämlich vor einem Capture-the-Flag-Spiel die Farbpatronen durch scharfe Munition ersetzt. Der Film endet dann recht unpassend in der Geisterbahn einer Kirmes. Hier greift der Film dann aber wieder die kindliche Perspektive der Vorgänger auf und verzerrt das Innere der winzigen Dorfkirmesgeisterbahn zur surrealen Kinderhölle mit Schädelbergen und herumfliegenden Pappdrachen. Chucky wird hübsch weggesplattert und das durchaus ansehbare, insgesamt aber schrecklich gehaltlose Sequel ist zu Ende.
#564
Geschrieben 20. November 2006, 18:57
Unna: Auf dem lokalen Golfplatz will der halbseidene Geschäftsmann Jürgen Matthies (Wolf Roth) eine große Benefizgala inszenieren, um das Kaff am äußersten Rand des Ruhrgebiets zur großen Nummer und sich selbst mit den erwirtschafteten Spendengelder die eigenen Taschen voll machen. Für das Entertainment-Programm der Veranstaltung ist der etwas naive, aber gutmütige Ingo (Wotan Wilke Möhring) zuständig. Weil der aber auch eher Schlitzohr als echter Könner ist, hat er statt des ehemaligen US-Serienstars Douglas Burnett nur ein billiges Double ergattern können: Horst Müller (Dirk Benedict), der sich nun endlich einmal benehmen darf wie ein echter Hollywoodstar. Nebenbei betrügt der schmierige Matthies seine Frau, die das allerdings bald schon mitbekommt und zwei russische Ex-Soldaten mit dem Mord an der Geliebten ihres Mannes beauftragt. Und weil in diesem Film nur selten ein Unglück allein kommt, handelt es sich bei jenen Soldaten um dieselben Typen, die Ingo für den "Personenschutz" des vermeintlichen Superstars engagiert hat ...
Mit GOLDENE ZEITEN legt Peter Thorwarth seinen dritten Film und den Abschluss der so genannten Unna-Trilogie vor. Und man darf GOLDENE ZEITEN durchaus als seine Reifeprüfung ansehen, wo doch bei WAS NICHT PASST WIRD PASSEND GEMACHT Verschleißerscheinungen unübersehbar waren. Deshalb macht er hier auch einen Schritt zurück Richtung BANG BOOM BANG, der seinem neuesten Film inhaltlich wesentlich näher kommt. Wieder zeigt er uns die kleinen Träumer und Hochstapler, ihre schnell verglühenden Momente des Ruhms, die tragischen Verstrickungen, die zum Unheil führen. In seiner Verehrung für die Helden aus der zweiten Reihe, die "underachiever", haben seine Filme viel mit den SIMPSONS gemein – und natürlich ist Dirk Benedict, "Face" vom A-TEAM nichts anderes als der Troy McClure des Thorwarth-Universums. Dennoch ist GOLDENE ZEITEN nicht einfach ein Schritt zurück. Denn der Regisseur hat fleißig seinen Scorsese studiert: GOLDENE ZEITEN läuft nach 130 Minuten ins Ziel und legt schon damit nahe, dass es ihm um mehr geht als einen kurzweiligen Flachs. Thorwarth gelingt es mit GOLDENE ZEITEN ein zwar überspitztes, aber dennoch immer glaubwürdiges Bild einer Provinzgesellschaft zu zeichnen, dass wahrscheinlich näher an der Realität dran ist als man sich das zu wünschen hofft. Hier darf man dabei zusehen wie reihenweise Seifenblasen zerplatzen: Der Unternehmer Matthies ist nicht der große Zampano, für den er sich hält, er verwickelt sich unentwirrbar in seinen vielen kleinen Lügen und Geschäften. Horst Müllers größte Rolle ist auch seine letzte. Melanies (Alexandra Neldel) Sangeskarriere endete nach nur einem Hit. Und Ingo ist kein angehendes Promotion-As sondern ein ganz einfacher junger Mann, der sich etwas vorgemacht hat. So endet der Film zwar mit einem Happy End, dennoch hat bis dahin der ein oder andere sein Leben gelassen. Thorwarth ist eine tolle Komödie, ein immens unterhaltsamer Film und insgesamt verdammt großes Kino gelungen. Zumal Ralle Richter als Harry Grabowski auch wieder dabei ist.
#565
Geschrieben 20. November 2006, 23:50
Der fesche (geile blonde Tolle), aber auch naiv-dümmliche (Knubbelnase, Dumpfblick und schlechte Körperhaltung) Bud Eagle (Arch Hall jr.) reist aus dem Hinterland in die große Stadt, um erfolgreicher Musikus zu werden. Der erste Zufallsauftritt in einer Fernsehshow wird gleich zum Triumphzug und schon steht der zwielichtige Hitproduzent Mike McCauley (Arch Hall sr.) auf der Matte. Mit ihm steigt Bud zum Teenieidol und Hitgigant auf, doch als die Bezahlung aussteht und die Maschen immer blöder werden, beginnt ihm die Abzockertour seines Gönners zu missfallen. Als er auch noch mitbekommt, dass McCauleys Handlanger Steak (Regisseur Ray Dennis Steckler unter seinem Kampfnamen Cash Flagg) versucht, sich zwischen ihn und die Angebetete Vicky zu stellen, hat er die Faxen endgültig dicke. Drei Deppen, die ihn entführen, kommen da gerade recht.
Ein kleiner Klassiker des Exploitationfilms. Dabei wirkt dieser Begriff hier völlig deplatziert, denn von großer Drastik, praller Erotik und ungezügelter Wildheit ist weit und breit nichts zu sehen. WILD GUITAR erzählt die altbekannte Hans-im-Glück-Geschichte vom braven Buben mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, der in der großen, bösen Stadt den kurzen Traum vom großen Ruhm teuer bezahlen muss, am Ende aber geläutert und glücklich in die Zukunft blicken kann, die neue Ische gleich im Arm. Steckler schien beim Dreh wohl so dermaßen die Sonne aus dem Arsch, dass er dem fiesen Manager McCauley ebenfalls eine Wendung zum einsichtigen Gutmenschen gönnt. Das Tolle an WILD GUITAR sind natürlich auch seine Verfehlungen. Dass das für die Geschichte vom großen Geld alles viel zu billig aussieht, ist eines. Man mag die sperrholzvertäfelte Abstellkammer mit Schreibtisch drin für eines Supermanagers Büro unwürdig halten, wenn man die Musik von Bud Eagle hört bekommt aber alles einen Sinn: Denn in einer Welt, in der ein solch einschläfernder Singsang dat nächste große Dingen wird und die Leute noch im Diner zwischen Kaffee und Kuchen zu spontanen Twist-Orgien veranlasst, da gehen noch ganz andere Sachen. Überhaupt der Titel: "Wild" ist hier gar nix und Slipknot-verseuchte Knirpse würden die "Guitar" aus den Bud-Eagle-Songs wahrscheinlich auch nicht raushören. WILD GUITAR ist im Kontrast zu den Verheißungen des Titels so unfassbar spießig, dass es eine Freude ist. Vom Gestus erinnert Stecklers Film beinahe an diese hübschen Drogen-Educationals aus den Dreißigern. WILD GUITAR macht viel Freude mit seiner Unbekümmertheit, der wunderbar vor sich hinplätschernden Handlung, die den Rhythmus der Musik perfekt widerspiegelt, und den irgendwie rührend-misslungenen Komikeinlagen. Und – und hier komme ich darauf zurück, was noch viel toller und besser ist als diese ganzen Pannen – in der romantischen Eislaufeinlage läuft der Film dann ttsächlich und ganz ohne Scheiß zu einer der schönsten Kusszenen der Filmgeschichte auf und findet Bilder, die einen mit offenem Mund in den fröhlich-dilettantischen Ringelpiez des weiteren Handlungsverlaufs entlassen. Ganz so als hätte der Steckler gar nicht bemerkt, wieviel Wahrheit er in diesen kurzen zwei, drei Minuten eingefangen hat.
#567
Geschrieben 25. November 2006, 10:50
Über diesen Slasher habe ich nach Erstsichtung auf dem diesjährigen FFF hier schon mal etwas geschrieben. Jetzt folgte die Zweitsichtung und die Angst, dass die Begeisterung unberechtigt gewesen sein könnte, stellte sich als unberechtigt heraus: SEE NO EVIL ist immer noch der relativ hirnfreie Augenfick, der mich schon im Kino komplett weggebügelt hatte. Gregory Dark hat tatsächlich einen Slasher gedreht, der aussieht als hätten entweder Oliver Stone in seiner NBK- bzw. NIXON-Phase oder aber Tony Scott das Material im Schneideraum in die gierigen Finger bekommen. Der Film ist so randvoll gepackt mit Schnitten, Reißschwenks, Zeitrafferfahrten und visuellen Spielereien, dass man nicht anders kann als darin die Umsetzung der Attacken des Filmmörders Jacob Goodnight (Kane) zu sehen: Der pflückt seinen Opfern nämlich die Augäpfel aus den Höhlen, weil seine religiös-fanatische Mutter ihm einen ziemlichen Spleen verpasst hat, damals, als sie ihn noch im Käfig im Garten gefangen hielt. Die leeren Augenhöhlen, die verdutzt von der Leinwand glotzen, erinnern aber auch an das Genre, mit dem Gregory Dark sich vorher seinen Lebensunterhalt verdiente: den Pornofilm. So beginnt SEE NO EVIL nicht nur mit der Penetration (die Kamera fährt in eine Augenhöhle), sondern endet sogar mit einem Cumshot (ein streunender Köter pisst in Goodnights leere Augenhöhle). Inhaltlich ist SEE NO EVIL ein typischer Slasher, über den man kein Wort verlieren müsste, wäre er nicht formal so interessant. Darks Film ist vielleicht der beste Slasher, den dieses Genre seit Jahren hervorgebracht hat. Natürlich darf man sich über die typischen Mankos eines solchen Films mokieren: Die Plotprämisse ist selten dämlich, die Charaktere allesamt Idioten, was sich an ihren völlig irrationalen Handlungen, aber auch an ihrem hohlen Geschwätz ganz unschwer erkennen lässt. Das spielt aber keine Rolle, weil SEE NO EVIL so rasant inszeniert ist, dass man gar keine Zeit hat, sich über diese Verfehlungen wirklich zu ärgern. Es ist tatsächlich Darks handwerkliches Geschick, dass diesen Film von zahlreichen anderen Filmen unterscheidet, die mit ganz ähnlichen Mitteln arbeiten, aber nie über zielloses Effektspektakel hinauskommen. Hinzu kommt eine latent vorhandene antiautoritäre Ausrichtung, die bei Darks Hintergrund nicht weiter überraschend ist, und fertig ist ein kleines, bescheuertes Filmhighlight des Jahres. Dass man sowas mal über einen Film mit einem Wrestler in der Hauptrolle sagen würde ...
#568
Geschrieben 26. November 2006, 12:04
Zu meinem Eindruck nach der Erstsichtung gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen. Vielleicht würde ich heute sogar auf die Kritik an Jacksons nun schon mehrere Jahre andauernden Flirt mit dem Eventkino verzichten, denn an KING KONG gibt es allerhöchstens Kleinigkeiten zu bekritteln. Die satten drei Stunden der Extended Version vergehen wie im Flug, es macht einfach Spaß, zusammen mit den Figuren Skull Island zu erkunden: einen Ort, an dem – das sieht man – Peter Jackson in seiner Imagination viele, viele Stunden verbracht hat. KING KONG ist von vorn bis hinten ein Gedicht, so vollgestopft mit tollen Bildern und großen Gefühlen, so perfekt durchkomponiert, dass ich die Behauptung wagen möchte, dass niemand das so hinbekommen hätte, auch der große Meister des Eventkinos Steven Spielberg nicht, der die Fackel nun getrost an den legitimen Nachfolger weiterreichen kann.
Die neuen Szenen der Extended Version sind zu meinem großen Erstaunen keine Dialogpassagen und Handlungssequenzen, die man entfernt hätte, um den Film zu straffen, sondern tatsächlich weitere Effekt- und Actionszenen, die sich hinter den im Film gelandeten Passagen nicht zu verstecken brauchen: Da gibt es eine alternative erste Dinoattacke und eine relative lange Sequenz, bei der die über ein sumpfiges Gewässer schippernde Mannschaft von einem gefräßigen Monsterfisch angegriffen wird. Ganz subjektives Highlight des Films ist aber die ekelhafte Krabbelviecherszene, die wirklich stockfinster inszeniert ist. Mit dem beinahe zur Gänze erstickten Soundtrack und den stattdessen voll aufgedrehten Soundeffekten erreicht diese Sequenz eine Intensität, die man von einem solchen Film eigentlich nicht erwartet.
Wenn ich tatsächlich Schwächen aufzählen müsste, fielen mir nur zwei Dinge ein: Von diesen komischen verwischten Aufnahmen, wie sie während des Kampfes mit den Eingeborenen zu sehen sind, sollte Jackson endlich mal Abstand nehmen, die erinnern nämlich immer an schlimmste C-Movie-Verfehlungen. Und Thomas Kretschmann ist leider völlig verschenkt worden, zumal er hier gleich zweimal in letzter Sekunde als rettender Schutzengel aus dem Nichts ins Bild fallen darf. Das fällt aber wie gesagt kaum ins Gewicht. KING KONG ist genauso groß wie sein Titelheld.
#569
Geschrieben 26. November 2006, 20:14
Der reiche Unternehmer Burt Boland (Stuart Lancaster) ist ein gebrochener Mann: Er kann seine Frau, die üppige und heißblütige Angel (Alaina Capri), nicht mehr befriedigen. Und weil diese ein echtes Miststück ist, demütigt sie ihren Mann nicht nur fortwährend und auch vor der Stieftochter, sie macht sich noch nicht einmal die Mühe, ihre zahlreichen und regelmäßigen Seitensprünge mit dem virilen Herb (Tom Howland) zu verheimlichen. Der hat es nebenbei auf die gerade in der Blüte der Jugend befindliche Stieftochter Lana abgesehen, deren Traumtyp Ray wiederum die immergeile Angel in Verzückung versetzt. Während sich so alle gegenseitig umkreisen und begeiern, begegnet der verzweifelte Burt im Wald einer Zauberin (Haji), die ihm zu neuer Manneskraft verhilft ...
Das ist einer der weniger bekannten, aber umso besseren Russ-Meyer-Filme. Es beginnt mal wieder mit einem Voice Over, der verkündet, dass man in der Folge der Geschichte von 11 Menschen folgen werde. Letztlich stehen vor allem fünf Personen im Mittelpunkt des Interesses, zwischen denen es fortwährend brodelt. GOOD MORNING ist ein relativ dialogreicher Film und es ist dem tollen Drehbuch zu verdanken, dass das dennoch niemals langweilig wird. Wieder einmal zeigt sich Meyers enormes Gespür für das gesprochene Wort – viele Zeilen sind absolut zitierwürdig – wie auch für die Gestaltung des Tons. Als Stilmittel fallen das immer wieder auftauchende Radio, das den untermalenden Score auf die diegetische Ebene zieht, ebenso auf wie Dialoge, deren Dauer nicht mit dem gezeigten Rahmen übereinstimmt (es gibt da diese Szene, in der Angel nackt zum Auto geht, dabei mit ihrem Lover redend; nach dem Gegenschnitt auf den antwortenden Mann sieht man wieder Angel, die nun vollkommen angezogen ist). Das verleiht auch diesem Film einen stark expressionistischen Charakter. Das Gefühl, ein filmisches Comic zu lesen, wird noch dadurch verstärkt, dass die Credits zu Beginn auf Briefkästen gemalt sind, an denen Lana mit ihrem Sportwagen vorbeibraust. Neben der flotten Erzählung, den schönen visuellen Einfällen und Skurrilitäten – Haji als Waldhexe ist der Knaller! – weiß GOOD MORNING ... AND GOODBYE! durch die libertinäre-patriarchalische Botschaft zu punkten: Nachdem sich der Superstecher Herb endgültig als Arschloch entpuppt hat, muss der neu erstarkte Burt einfach mal wieder über seine Frau drüberrutschen, um sie wieder zur Besinnung zu bringen und die Machtverhältnisse klarzustellen. Und das Töchterchen darf nun auch frei rumpoppen – früh übt sich!
#570
Geschrieben 26. November 2006, 20:33
Die umgekehrte Konstellation zum letzten besprochenen Film: Paul (Paul Lockwood), ein James-Dean-Lookalike, betreibt ein Striplokal und ist der beste Kunde im örtlichen Puff von Claire (Lavelle Roby), derweil seine sexuelle etwas weniger aktive, aber umso attraktivere Gattin Kelly (Anne Chapman) zu Hause sitzt und wartet. Als Kelly eines Abends nach einem Streit mit Paul von diesem missbraucht wird, folgt sie einem Anruf von dessen Angestellten und besten Freund Ray, der es nicht länger mitansehen kann, wie schlecht Kelly von Paul behandelt wird. Gleichzeitig sind zwei zwielichtige Gestalten mit dem Auftrag unterwegs, den Stripschuppen auszurauben. Und wie das Schicksal so will, kommt es zum Geisel- und Ehedrama in Pauls Schuppen ...
FINDERS KEEPERS ist für Russ Meyer nach dem sehr hoffnungsvollen und positiven GOOD MORNING ... AND GOODBYE! wieder ein Schritt hin zu seinen düsteren Sex&Crime-Filmen der mittleren Sechziger. Das bunte, expressionistische Element ist der Finsternis gewichen: FINDERS KEEPERS spielt in einer einzigen Nacht und es gibt im Verlauf der Handlung nur wenig Grund zur Freude. Höhepunkt ist die wenig grafische, aber ziemlich relaistisch erscheinende eheliche Vergewaltigung, die mit dem anschließenden tränenreichen Auftritt Kellys im Striplokal ihres Mannes parallelmontiert ist – absolut niederschmetternd, zu sehen wie sich die emotional völlig zerstörte Kelly zur Erbauung gaffernder Männer auf der Bühne auszieht, während Tränen über ihr Gesicht laufen, von denen ihre männlichen Zuschauer natürlich nichts mitbekommen (wollen). Aber auch das Finale um die zwei sadistischen Einbrecher, die mich etwas an die Killer Sappensly und Quill aus Peckinpahs BRING ME THE HEAD OF ALFREDO GARCIA erinnerten, geht nach den eher beschwingten letzten Filmen von Meyer ziemlich an die Nieren. Insgesamt ein – wie auch sein direkter Vorgänger – zu Unrecht weniger renommierter Film des "Breast Man", gerade weil er in seiner Stimmung eher ungewöhnlich für dessen Oeuvre ist.
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