Der Monroe ihre dicken Hupen
#661
Geschrieben 29. Januar 2007, 11:48
So, jetzt habe ich diesen Film auch mal gesehen, diese Bildungslücke endlich geschlossen. Und wie das manchmal so ist mit den Filmen, die man jahrelang vor sich hergeschoben hat: Manchmal wird erst nach der Sichtung klar, warum man das getan hat. THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS macht einem das Mögen natürlich insofern leicht, als dass er diese wirklich wunderbare Optik hat. Die Animationen sind wunderschön, die Welt des Dorfes Halloween lädt zum Sprung ins Bild geradezu ein. Doch leider erschöpft sich der Reiz des Film etwas in diesem kindlichen Erstaunen und das trägt nicht über 70 Minuten. Ich gebe zu, ein genrelles Problem mit Musicals zu haben. Wenn die Songs noch dazu dermaßen gleichförmig klingen wie in diesem, macht sich bei mir schnell die Langweile breit. So gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen, außer: Schade drum.
#662
Geschrieben 29. Januar 2007, 12:17
Eine junge, namenlose Gesellschafterin (Joan Fontaine) trifft während eines Aufenthalts in Monte Carlo auf den distinguierten englischen Gentleman "Maxim" De Winter (Laurence Olivier). Zwischen den beiden – der etwas naiven, kindlichen Frau und dem beinahe schroffen, väterlichen Mann von Welt – funkt es und der schnellen Heirat schließt sich die Reise in das ehrwürdige Anwesen der De Winters in Cornwall an, das Schloss Manderlay. Dort wird die "Zweite Miss De Winter" von der Last der Vergangenheit schier erdrückt. Die erste Ehefra Maxims, die unter mysteriösen Umständen umgekommene Rebecca, wird noch immer von allen verehrt und ihr Schatten verfolgt die junge Frau noch in den letzten Winkel des Schlosses. Auch ihr Ehemann hat Rebecca längst nicht vergessen, leidet unter der Erinnerung an sie, doch aus völlig anderen Gründen als seine junge Gattin annimmt ...
Einfach magisch! Hitchcocks Film ist einer dieser goldenen Klassiker, an denen selbst die kleinen Schwächen noch perfekt sind. Damit die schnell abgefrühstückt sind: REBECCA schwächelt etwas auf der Zielgeraden, wenn Hitchcock Bild- durch Wortgewalt ersetzt und den Film so seiner großen Kraft beraubt. Die Fotografie des Films ist unbeschreiblich: Das gewaltige Anwesen Manderlay, das man genauso wenig vergessen wird, wie die Protagonistin es zu Beginn des Films von sich behauptet, ist ein Ort der Ambivalenz. Den hellen, lichtdurchfluteten Räumen stehen zahlreiche dunkle Schatten gegenüber, in denen sich die Geister der Vergangenheit gut verstecken können. Hitchcock versteht es wirklich ausgezeichnet, die Last der Ahnung, unter der seine weibliche – und nicht ohne Grund namenlose – Hauptfigur mehr und mehr zu leiden hat, auch für den Zuschauer fühlbar zu machen. In jedem Satz, jedem Blick, jeder Handlung verbirgt sich geheime Bedeutung. So wird eine immense Spannung erzeugt, die sich nie wirklich in Aktionen manifestiert. REBECCA ist eine absolut meisterliche Fingerübung in Sachen Spannung – nicht Suspense, wohlgemerkt! – und ein gutes Beispiel für einen Film, in dem sich fast nichts konkretisiert, der sein Thema fast ausschließlich im Dialog mit dem Zuschauer entwickelt. So gibt es viel zu lesen in diesem Film: Neben dem Spannungsfeld aus Vergangenheit – Erinnerung – Gegenwart sind nicht zuletzt die sexuellen Implikationen des Stoffes ziemlich interessant und spannend. REBECCA ist ganz anders als Hitchcocks andere Filme, aber deshalb kein Jota schwächer. Schwere Begeisterung lässt nur ein Urteil zu: Meisterwerk!
#663
Geschrieben 30. Januar 2007, 12:53
Nach THE LONG RIDERS und GERONIMO widmet sich Walter Hill mit WILD BILL zum dritten Mal einem Westernmythos – in diesem Fall dem Revolverhelden „Wild“ Bill Hickok (Jeff Bridges). Doch war Hill schon im Film um die James-Younger-Gang nicht an einem Biopic im klassischen Sinne interessiert, so maßt er sich hier erneut nicht an, das Leben einer Legende rückblickend erklären, ordnen zu können. Walter Hills Film fußt auf einer Narration voller Rückblenden und Zeitsprünge, einer Aneinanderkettung von einzelnen Momenten, Schnappschüssen aus Hickoks Leben. Seine legendären Taten – der Kampf gegen eine Überzahl von Kavalleristen, diverse Duelle sowie die versehentliche Erschießung seines eigenen Deputys – werden lose nebeneinander gestellt, während sich der Hauptstrang mit den Ereignissen beschäftigt, die schließlich zu Bills Tod führen. Für Hill ist das eine eher untypische Erzählhaltung: THE LONG RIDERS zeichnete sich noch dadurch aus, dass die geschichtsträchtigen Momente bis hin zum Showdown umgangen wurden und so die Menschen hinter den Taten mehr in den Vordergrund traten. Man könnte sagen: Interessierte sich Hill in THE LONG RIDERS noch für den Weg zwischen den Stationen, richtet sich sein Blick hier gerade auf Letztere.
In der Verkürzung von Hills Biografie erscheint Wild Bill Hickok vor allem eben als „wild“: Doch diese Wildheit äußert sich gerade in einer brutalen Beständigkeit. Er unterwirft sich nicht einem größeren Ziel, versteht sich nicht in der geschickten Planung und Organisation seines Lebens, er ist in jeder Situation er selbst, ganz ungefiltert. Und das bedeutet, jeden Kampf offenen Auges anzunehmen. „I don’t explain myself!“ sagt Bill zur ihn umgarnenden Calamity Jane (Ellen Barkin); wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil dieser Mann sich selbst noch nicht verstanden hat. Mehrfach holt ihn die Vergangenheit ein, in Form von alten Kontrahenten, die noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen haben. Die Unfähigkeit bzw. die offene Weigerung, sein Leben auf ein Ziel zu richten, vorauszuschauen, zu fokussieren, spiegelt sich auch in Hickoks Erkrankung wieder: Der Haudegen verliert mehr und mehr sein Augenlicht, sein Blickfeld verengt sich. Früher wollte er die Folgen seiner Taten nicht erkennen, nun kann er es nicht mehr. Es bleibt ihm nichts anderes übrig als sein Schicksal anzunehmen, so oder so. Bill Hickok ist ein faszinierender, ambivalenter Charakter, in dem sich Handlungsverweigerung und Aktionismus kreuzen: Seine Kunst besteht darin, sein Leben als Abfolge unverbundener Einzelmomente zu leben, in denen er umso konsequenter auftritt.
Demgegenüber steht mit Jack McCall (David Arquette), dem Sohn einer der zahlreichen Geliebten des Revolverhelds, scheinbar das genaue Gegenteil. Er hat sich vorgenommen, die Legende zu erschießen, dafür, dass diese seine Mutter einst sitzen ließ. Jack hat also eine Mission, deren Erfüllung er unerbittlich anstrebt. Wie er Bill während des Films immer wieder umkreist, ihn belauert, sich stellt und wieder zurückzieht, das erinnert auch an die Bewegung von (anderen Helden aus) Hills Filmen. Letztlich treffen sich mit Wild Bill Hickok und Jack jedoch zwei verwandte Seelen, zwei sich zueinander komplementär verhaltende Seiten eines Hill-Charakters und sogar Vater und Sohn (wenn man den Titel des zugrunde liegenden Romans – eben „Fathers & Sons“ – heranzieht): Beide haben sich bedingungslos ihrem Schicksal verschrieben, was sie unterscheidet, ist lediglich ihre Bewegung. Während Bill sich treiben lässt und in den einzelnen Situationen blitzschnell richtig entscheidet, beschreitet Jack planvoll seinen Weg bis zum Moment der Konfrontation, in dem er dann versagt. So wird Jack McCall zum modernen Hamlet, zum Zauderer, der letztlich Opfer seiner eigenen Handlungsunfähigkeit wird – auch wenn er sein Ziel zum Schluss doch erreicht. Hills Film findet seinen dramaturgischen Höhepunkt aber sehr bezeichnend in einem Duell, das auf spektakuläre Art und Weise nicht stattfindet.
#664
Geschrieben 02. Februar 2007, 15:41
Der spanische Horrorfilm hat seine eigenen Gesetze. So hat dieser Film von Leon Klimovsky – im Original LA NOCHE DE WALPURGIS betitelt – zwar den iberischen National-Werwolf Waldemar Daninsky (Paul Naschy) und auch die Vampirfrau aus dem Titel aufzubieten, der versprochene Kampf zwischen den beiden bleibt aber aus. Dafür werden einige andere Duelle ausgetragen, zum Beispiel das zwischen knarziger Schauerromantik und seifiger Operette; oder auch das zwischen der behaupteten Intelligenz der weiblichen Protagonisten Elvira und Genevieve und der tristen Realität; und schließlich das Duell zwischen sanftem Grusel und krachendem Kintopp.
THE WEREWOLF VS. THE VAMPIRE WOMAN erinnert dann in seiner Zusammensetzung etwas an die gute alte spanische Paella, bei der sich ja auch zwischen den ganzen Leckereien immer irgendwas findet, was einem nicht so mundet. Kaum möchte man dem Klimovsky mitleidig den Hinterkopf tätscheln für seine hanebüchene Story, lässt er eine Gruselszene folgen, bei der man den Eindruck hat, Jean Rollin hätte für einen Tag ausgeholfen.
Insgesamt ist seine Story denkbar wacklig: Werwolf-Daninsky lebt immer noch und möchte nichts lieber als seinem Dasein ein Ende zu bereiten. Dazu braucht er ein bestimmtes Kreuz, mit dem vor Jahrhunderten eine umtriebige Vampirdame gemeuchelt wurde. Nach deren Gruft suchen wiederum die beiden dämlichen Studentinnen Elvira und Genevieve. Finden tun sie aber zunächst nur den Waldemar, der ihre Geschichte verständlicherweise ziemlich spannend findet und sich mit den beiden Damen zusammentut. Nach einem nächtlichen Zwischenfall mit der komplett irren Schwester ihres Gastgebers hat Elvira schon am nächsten Tag keinen Bock mehr auf Vampirgrüfte. Kaum ist der Sarkophag freigelegt und der Deckel kurz entschlossen geöffnet, ist ihr wissenschaftliches Interesse – mit dem sie zu Beginn ihren Freund in einer Disko vollgequatscht hat – vollends verflogen: "Let's not profane it. Let's go, we have seen enough." So ist er der Wissenschaftler, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen! Genevieve kann es aber nicht lassen und weil sie sich ganz besonders dämlich anstellt, erweckt sie die Vampirdame zu neuem Leben. Die stromert bald des Nachts vergnügt durch den wabernden Nebel in Daninskys Haus und perforiert weibliche Hälse. Elvira und Waldi müssen ihr Versteck finden, um sie zu töten und anschließend sein Werwolf-Problem zu lösen.
Besonders gut haben mir neben den wirklich schönen und durch einen extrem gruseligen Score aufgewerteten Gruselszenen um die Vampirdame die beiden vollends merkbefreiten Studentinnen gefallen, die kaum in der Lage sind, auch nur einen richtigen Gedanken zu entwickeln. Dass das Grab, das sie suchen, noch nicht einmal besonders versteckt ist und außerdem mit einer gut leserlichen Inschrift versehen, setzt der Blödsinnigkeit ihres Bemühens definitiv die Krone auf. Vor allem Elvira ist an tumber Gutgläubigkeit kaum zu überbieten: In der ersten Nacht kommt sie vor Angst erst nicht in den Schlaf, wird dann fast von Daninskys Schwester erdrosselt, nur um im nächsten Moment den Hausherrn selbst auf der Bettkante zu haben und sofort beruhigt zu sein. Überhaupt der berüchtigte Charme des Spaniers: Wenn der Waldi seine herzerweichende Geschichte um seine Schwester auftischt ist es um Elvi sogleich geschehen und sie möchte auf ewig für ihn da sein. Wunderbar sind auch die Gespräche um die Wissenschaft und den Aberglauben, bei denen die beiden beinharten Kandidaten für die Zwangsexmatrikulation sich kaum für eine Seite entscheiden können. Wie der ganze Film.
#665
Geschrieben 04. Februar 2007, 18:17
Der erfolgreiche Jungunternehmer Michael Courtland (Cliff Robertson) verliert seine geliebte und verehrte Ehefrau Elizabeth (Genevieve Bujold) bei einer Entführung. Sein Leben ändert sich schlagartig, die großen geschäftlichen Visionen weichen der Lethargie. 20 Jahre später trifft er bei einer Reise nach Florenz auf Sandra Portinari (Genevieve Bujold), die seiner Frau wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Schnell wird die Heirat eingefädelt, die Michaels Freunde gern unterbinden würden. Und dann auf einmal wiederholt sich die Geschichte: Sandra wird entführt ...
Je häufiger ich De Palmas Filme sehe (diesen hier zum ersten Mal), umso mehr empfinde ich es als komplettes Missverständnis, dass man ihn vor allem während seiner ersten Schaffensperiode als klassischen Genre-Regisseur einsortiert hat. Klar, vordergründig hat De Palma Thriller gemacht – nicht ganz umsonst hat man ihn ja oft als Hitchcock-Epigonen abgekanzelt –, aber für Suspense und für Menschen aus Fleisch und Blut hat er sich doch eigentlich nie so wirklich interessiert. Bei Sichtung dieses ersten "großen" Films von ihm konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich De Palma hinter der Kamera über sein noch nicht mal allzu filigranes Vexierspiel kaputtgelacht hat. Das beginnt bei der ersten Szene, in der Bernard Herrmanns ultraempathischer Orchesterscore, der bei geschlossenem Auge an eine kitschige Liebesszene denken lässt, auf eine völlig kalte Inszenierung und auf Figuren prallt, die nichts weiter als Projektionsflächen sind, und endet beim als Südstaatler komplett fehlbesetzten John Lithgow. Das Innenleben seiner Figuren bleibt in OBSESSION unbeachtet: De Palma geht es um Oberflächen und vor allem um die auf diese gerichteten Blicke und die anschließende Konstruktion der Wirklichkeit. So dröselt er den VERTIGO-Stoff als abstrakte Formübung auf, deren Figuren der Zuschauer nicht anders als als Variablen sehen kann. Die große Liebe zwischen Michael und Elizabeth steht als reine Behauptung über dem Film, Elizabeth kommt nicht einmal zu Wort, bleibt Schimäre. Cliff Robertson hat man für sein Spiel in der zeitgenössischen Kritik arg angefeindet (wenn man den Liner Notes glauben schenken darf), dabei ist er nahezu perfekt mit seinem obsessiven Blick, den er in einem sonst völlig ausdrucklosen Gesicht herumträgt. In OBSESSION ist De Palmas Strategie ziemlich leicht offenzulegen. Er ist inszenatorisch noch etwas sparsamer als spätere Filme, in seinen Bildern zudem ungewohnt dezent. Dennoch ist der SISTERS-Nachfolger keineswegs langweilig: Gerade weil der erzählerische Ballast komplett über Bord geworfen wurde, kann man sich ganz auf De Palmas kleine stilistische Fingerübungen konzentrieren.
#666
Geschrieben 05. Februar 2007, 18:09
Die Pop-Sängerin Ellen Aim (Diane Lane) wird während eines Auftritts vom Gangleader Raven (Willem Dafoe) entführt. Ellens Ex-Lover Tom Cody (Michael Paré) wird daraufhin zur Hilfe gerufen, um sie zu befreien. Es kommt zum offenen Schlagabtausch zwischen Tom und Raven ...
Schon der kongeniale Titel erklärt eigentlich alles: STREETS OF FIRE, so könnte man viele urbane Actionfilme beschreiben, zusammenfassen. Und in diesem Titel kommt unübersehbar die Faszination seines Machers für die nackte Bewegung zu Ausdruck. Und diese Bewegung zieht immer den Konflikt nach sich. In STREETS OF FIRE wird genau das und nicht viel mehr exerziert. Noch weiter kann ein klassischer Actionstoff nicht reduziert werden, soll das Endergebnis noch ein Film und nicht bloß eine nackte mathematische Formel sein. STREETS OF FIRE ist ein Film, der als Muster für alle anderen Heldenerzählungen herhalten könnte, seine Story kommt gar nicht erst in den Verdacht, mehr als nur ein Gerüst zu liefern. Subplots oder unnötige Details hat Hill sich komplett gespart. Um seinen Film dennoch auf 85 Minuten Spielzeit zu bringen, gibt es zu Beginn und Ende des Films ausgiebig Musik von "Ellen Aim" zu hören, was den Film beinahe in Musicalgefilde hievt, ihn ganz sicher aber nebenbei noch zum idealen Vertreter des Popfilms macht. Dass die Musik so eine wichtige Funktion in diesem Film einnimmt, scheint nur folgerichtig, ist STREETS OF FIRE doch nicht viel mehr als ein Experiment in Sachen filmgewordener Dynamik. Hills eh schon expressive Schnitttechnik wird hier noch durch visuelle Effekte aufpoliert, die seinerzeit state-of-the-art gewesen sein dürften, aber auch heute noch sehr ordentlich aussehen.
Weitere deutliche Parallelen lassen sich zu LAST MAN STANDING erkennen: Auch STREETS OF FIRE spielt in einem pokulturellen Paralleluniversum, in dem Elemente des Gangsterfilms, der 80er-Jahre-Popkultur, des Juvenile-Delinquent-Films und des Westerns aufeinanderprallen. Die Stadt aus STREETS OF FIRE liegt jenseits von Zeit und Raum: Es ist eine Metastadt, in der alles für den großen Konflikt aufgestellt ist. Das Interesse Hills für die Strukturen des Actionfilms, das sein Interesse für die Figuren weit überragt, tritt in diesem Film vielleicht am deutlichsten zutage. Die Besetzung Michael Parés, der sein mäßiges Talent wenige Jahre später nur noch in billigsten DTV- und Fernsehproduktionen unter Beweis stellen durfte, ist absolut programmatisch. Parés Tom Cody interessiert uns nicht, weil er so ein interessanter Charakter ist, sondern lediglich deshalb, weil er eindeutig als Held apostrophiert ist, also nur aufgrund seiner Positionierung innerhalb der Geschichte.
Vor ein paar Jahren habe ich STREETS OF FIRE wegen der angesprochenen Eigenschaften als extrem leer und irgendwie auch langweilig empfunden – heute hat er mich in seiner Dynamik einfach nur in den Sitz gedrückt. Action-Fans, deren Interesse über die reine Unterhaltung hinausgeht, die etwas über das Genre lernen wollen und außerdem einen Filmemacher bestaunen wollen, der Kinetik und Dynamik fast ausschließlich durch formale Kniffe erzeugt, kommt an STREETS OF FIRE nicht vorbei. Meisterhaft!
#667
Geschrieben 06. Februar 2007, 17:39
Der amtierende und ungeschlagene Schwergewichts-Boxweltmeister James "Iceman" Chambers (Ving Rhames) wird wegen Vergewaltigung zu sechs bis acht Jahren Haft verurteilt. Zu Unrecht, wie er beteuert. Im Knast trifft er auf Monroe Hutchen (Wesley Snipes), der seinerseits seit zehn Jahren der ungeschlagene Gefängnis-Boxchamp ist. Die beiden Kämpfer sind sich natürlich nicht besonders grün: Es ist nur Platz für einen Meister. Das unausweichliche Duell bahnt sich an und nur eine Siegesserie wird fortgesetzt werden ...
Ich hatte bisher behauptet, Walter Hill erzähle nicht in erster Linie Geschichten, sondern interessiere sich vor allem um die Erzeugung von Dynamik. Dies zeigt sich bei ihm in einer extremen erzählerischen Verkürzung, durch Verknappung auf Inhaltsebene. Seine Figuren sind Platzhalter, die eigentlich nur dazu da sind, um zwischen ihnen die Konflikte auszulösen, um die es dann eigentlich geht. Man könnte sagen, während andere Regisseure ihren Blick auf ihre Charaktere richten, gilt Hills Aufmerksamkeit dem Raum zwischen seinen Figuren und wie dieser sich verkürzt und vergrößert. Vor dem Hintergrund dieser Verknappung erscheint es keineswegs zufällig, dass sich Hill zweimal dem Boxport gewidmet hat, nämlich bezeichnenderweise in seinem ersten Film, EIN STAHLHARTER MANN von 1975, und in seinem bislang letzten Film, UNDISPUTED von 2001. Im Boxport wird die Idee des sportlichen Wettkampfs bar jeder Abstraktion verwirklicht. Die Kontrahenten messen sich nicht mehr vermittels eines Balles oder der Zeit, sondern im direkten Vergleich: Der Verlierer bezahlt ganz unmittelbar mit seinem Körper.
Die Bewegung des Kreisens, auf die ich in meinem Text zu THE LONG RIDERS schon einmal eingegangen bin, ist typisch für das Boxen und für UNDISPUTED insgesamt. Bevor der Konflikt zwischen Iceman und Hutchen im Ring ausgetragen werden kann, bekriegen sich die beiden in einem schwelenden Psychoduell lauernder Blicke und kleiner Handgreiflichkeiten. Hill bedient in seinem Film natürlich auch die typischen Knastfilm-Klischees, die beiden wichtigsten werden durch seine Hauptfiguren repräsentiert: Chambers ist der arrogante Fiesling, der den Knast nur als Zwischenstation betrachtet, mit der er sich demzufolge nicht lang aufhalten will. Sein Interesse gilt der schnellstmöglichen Entlassung, den Regeln seiner neuen Heimat unterwirft er sich nicht, vielmehr erwartet er, dass man sich ihm, dem Champion, beugt. Diesen Mangel an Demut wird er später bezahlen müssen. Hutchen hingegen, zu lebenslanger Haft verurteilt, hat sich mit dem Leben hinter Gittern abgefunden. Er gibt sich keinen Allmachtsphantasien mehr hin: Er geht lediglich den Weg, der für ihn vorbestimmt ist. Er bezeichnet sich als Kämpfer und er weiß, dass jeder Kämpfer einmal auf einen Stärkeren trifft. Hill inszeniert Hutchen beinahe als Mönch, lässt ihn in mühsamer Fummelarbeit berühmte Bauwerke aus Zahnstochern bauen.
Die Figurenkonstellation ist typisch Hill: Seine Figuren sollen keine Menschen aus Fleisch und Blut sein, sondern in erster Linie Prinzipien vertreten. Der eine ist der Kämpfer, der unbeirrt seinen Weg geht, um sein Zeil zu erreichen; für den anderen ist der Weg das Ziel. So können am Ende auch beide Figuren auf ihre Weise gewinnen, obwohl einer den entscheidenden Kampf verliert. Diese Komplexitätsreduktion wird in UNDISPUTED leider vom Drehbuch und dem überkandidelten Stil etwas torpediert. Etliche Schrift- und Grafikeinblendungen lenken vom Wesentlichen ab, scheinen lediglich als Eye Candy eingefügt worden zu sein. Und das Drehbuch – obwohl es von Hill selbst und seinem langjährigen Kompagnon David Giler verfasst wurde – ist für einen Hill-Film überraschend unübersichtlich. So werden diverse Themen angerissen – die Frage nach der Schuld oder Unschuld Chambers', die Verwicklung der Gefängnisleitung in Mafiageschäfte, eine manchmal an Oliver Stone gemahnende Medienkritik –, ohne jedoch befriedigend ausgeführt zu werden. Auch fehlt dem Film eine echte Hauptfigur: Iceman Chambers, dem die meiste Zeit zur Verfügung gestellt wird, ist und bleibt ein absoluter Unsympath, und Hutchen, der sich als eigentlicher Held des Filmes herausstellt, hat nur wenige Szenen.
So bleibt unterm Strich zwar ein hoch interessanter, aber keinesfalls fehlerfreier Film. Dies mag nicht Hill allein anzulasten sein, denn bei UNDISPUTED scheint er gezwungen gewesen zu sein, einige Zugeständnisse zu machen: Beleg für diese These scheint mir vor allem die Anwesenheit der schmerzhaft untalentierten No-Limit-Rapper um Master P zu sein, die zur Zeit der Entstehung des Film eine nicht zu unterschätzende Wirtschaftsmacht waren und mit denen man den eh schon mit Schwarzenikonen besetzten Film endgültig für ein afro-amerikanisches Publikum interessant machen wollte.
#668
Geschrieben 06. Februar 2007, 17:57
Nach dem Hill-Film ist der Weg frei für eine feines DTV-Sequel des Knastboxer-Stoffes. DTV-Spezi Isaac Florentine macht aus dem existenzialistischen UNDISPUTED einen feisten Klopper, der irgendwo zwischen BLOODSPORT und ONG-BAK einzuordnen ist. Michael Jai White (SPAWN) ist George "Iceman" Chambers, ehemaliger Boxweltmeister, der mittlerweile in Russland als Werbeträger für Wodka sein Geld verdient. Eines Tages wird er Opfer eines Komplotts: Die Polizei findet Drogen in seinem Hotelzimmer und der Boxer wird eingebuchtet. Es ist kein Zufall, dass im selben Gefängnis der ungeschlagene Champion einer Reihe von Vollkontakt-Kämpfen, Boyka (Scott Adkins), untergebracht ist, die von der Mafia ausgerichtet werden. Die erhoffen sich von einem Kampf zwischen Iceman und Boyka natürlich den großen Reibach, doch der Amerikaner denkt gar nicht daran, in den Ring zu steigen ...
Diese Geschichte ist eigentlich nicht der Rede wert, geht den jederzeit vorhersehbaren Weg, ist aber von Regisseur Florentine mit großem Geschick inszeniert worden. Die Kameraarbeit während der vielen ultrabrutalen Fights gehört mit zum besten, was ich in diesem Bereich in letzter Zeit gesehen habe und die vielen schönen Geschwindigkeits-Pitchereien sind endlich einmal effektiv eingesetzt worden. Das Knastambiente ist dankbar – wie der Knastfilm überhaupt ja viele große Klassiker hervorgebracht hat –, die Verlegung des Geschehens hinter den ehemals eisernen Vorhang sorgt für zusätzliche Tristesse.
Viel mehr gibt es über diesen wunderbaren Knochenbrecher eigentlich nicht zu sagen: Florentines Film bietet 90 Minuten lang gute, weder zu schlaue noch zu blöde Unterhaltung, die sowohl auf technischer wie auf inhaltlicher Seite zu gefallen weiß. Das Genre der DTV-Action, das ja lange Zeit völlig brach gelegen hat, erlebt in den letzten Jahren eine echte Renaissance. Mit WAKE OF DEATH, Lundgrens THE MECHANIK und eben jetzt UNDISPUTED 2 sind absolut sehenswerte, stilistisch gelungene Filme erschienen, die für die Zukunft einiges versprechen. Wenn dieser positive Trend sich endlich einmal in einem Seagal-Film niederschlagen würde ...
#669
Geschrieben 07. Februar 2007, 10:40
Jack Benteen (Nick Nolte) ist Texas Ranger und sein erbittertster Feind ist der Drogendealer Cash Bailey (Powers Boothe), der sich kurz hinter der mexikanischen Grenze niedergelassen hat und von dort aus Texas mit Drogen versorgt. Der Konflikt zwischen den beiden wird noch dadurch angeheizt, dass beide einst Freunde waren und Jacks Freundin Sarita (Maria Conchitza Alonso) damals mit Cash lieert war. In dieses Duell platzt eine Gruppe von ehemaligen Soldaten unter der Leitung von Major Hackett (Michael Ironside), der sich zwar als CIA-Agent ausgibt, eigentlich aber eigene Pläne verfolgt, in die auch Benteen und Bailey verwickelt werden.
Zum Start mal drei kurze Thesen zu EXTREME PREJUDICE: 1.) Walter Hills Film ist von beeindruckender Brutalität, Blutpäckchen explodieren mit großer Vehemenz. Muss man Drehbuchautor John Milius dafür verantwortlich machen? 2.) Der finale Shootout darf als Hommage an Meister Peckinpahs THE WILD BUNCH betrachtet werden, ohne jedoch dessen tragische Dimension zu erreichen. 3.) In seiner Personenkonstellation ist EXTREME PREJUDICE von für Hill ungewohnter Komplexität. Die reine Duellsituation, sonst Triebfeder der meisten Hill-Filme, wird gleich um mehrere Achsen erweitert, sodass der Zuschauer es schließlich mit zwei ineinander verschränkten Dreieckskonstellationen zu tun hat. Auf der einen Seite gibt es den Konflikt zwischen Benteen, Bailey und Sarita, auf der anderen liegen Bailey, Hackett und Benteen im Clinch. Das Doppelspiel von Hackett, der sich die Rivalität zwischen Benteen und Bailey zunutzen macht, nimmt schon John Smith' Taktiererei aus LAST MAN STANDING vorweg, kann in letzter Konsequenz aber nicht verhindern, dass es dann doch zum klassischen Westernduell kommt. Hacketts Einmischung lässt den Konflikt förmlich explodieren, das Ergebnis ist das angesprochene Peckinpahsche Todesballett, mit dem seine Männer und er selbst in die Hölle gehen. Was EXTREME PREJUDICE dennoch vom Western entscheidet, ist die Erkenntnis, dass mit der Exekution des Bösewichtes nicht das Böse besiegt ist: Der Film endet damit, dass der ehemalige Handlanger Baileys dessen Leichnam plündert, um sprichwörtlich in seine Fußstapfen zu treten. Die Rollen sind verteilt, lediglich die Gesichter wechseln. Das ist dann wieder Hill in Reinkultur.
EXTREME PREJUDICE ist vielleicht der Film Hills, den man am ehesten als Actionfilm reinsten Wassers bezeichnen möchte. In den breit ausgewalzten Gewaltszenen gehen die typischen Hillismen ebenso unter wie auch die verhältnismäßig komplexe Geschichte von der Reinheit des Duells ablenkt. Aber vielleicht ist das auch die Erkenntnis des Films: Die Welt ist nicht mehr so einfach in Gut und Böse zu teilen. Beleg dafür ist Hackett, der seine Rolle als CIA-Agent und die Strukturen des Geheimdienstes dafür nutzt, ein Doppelspiel auf eigene Rechnung zu spielen, bei dem er sogar seine eigenen Männer hinters Licht führt. Was bleibt sind die gewohnt steifen Hill-Charaktere, die nicht von Emotionen geleitet zu sein scheinen, sondern nur die Rollen erfüllen, die für sie vorgesehen sind. Es mag banal erscheinen, aber in Hills Filmen sind es die Handlungen, die entscheidend sind. Wie sagt Sherriff Hank Pearson (Rip Torn)?: "Funny, ain't it, how it comes around. Right way's the hardest, wrong way's the easiest. Rule of nature, like water seeks the path of least resistance. So you get crooked rivers, crooked men." Und so ist auch die Verwandtschaft zwischen Bailey und Benteen unübersehbar, der Riss durch diese Beziehung ist kaum ideell bedingt, sondern lässt sich nicht zuletzt räumlich begreifen: Bailey hat sich auf die andere Seite des Flusses verzogen und so lange er dort bleibt, ist das Gleichgewicht gewahrt. Erst die Tatsache, dass ihm das unmöglich ist, löst den Konflikt aus.
#670
Geschrieben 07. Februar 2007, 11:09
Eine Synopse für diesen Klassiker spare ich mir mal, schließlich dürfte Hills Kultfilm von 1979 weitestgehend bekannt sein, hat er doch nicht gerade wenige nachfolgende Filme maßgeblich beeinflusst, man denke nur an Castellaris RIFFS-Kracher. THE WARRIORS ist aber auch der Film, der das, was ich bisher über Hill gesagt habe, in Reinkultur verkörpert. Die Handlung lässt sich als Reduktion auf reine Bewegung verstehen: Neun Menschen, die "Warriors" eben, müssen sich quer durch New York schlagen, um sicher ihre Heimat in Coney Island zu erreichen. Nicht der Konflikt steht im Vordergrund, sondern im Gegenteil die Konfliktvermeidung. In dieser Reduktion offenbart THE WARRIORS natürlich ein gewaltiges metaphorisches Potenzial, was durch die wortkargen aber deutungsreichen Dialoge noch gesteigert wird. Die Flucht durch New York wird zum Gleichnis auf das Leben generell, in dem an jeder Ecke die Versuchung und die Gefahr lauern. So werden die Warriors nach und nach dezimiert, bis sie sich schließlich in der Heimat angekommen fragen müssen, ob sich die Anstrengung überhaupt gelohnt hat: Das nennt man wohl Perspektivenverschiebung. Die Aussichten, die THE WARRIORS bereithält, sind dann auch nicht gerade aufmunternd: Das Leben ist ein einziger Kampf, ein Rennen. Und seine Protagonisten müssen als Einzelgänger begriffen werden, auch wenn sie sich in dieselben "Farben" hüllen. In THE WARRIORS wird das Prinzip der Solidarität, der Gemeinschaft brutal demontiert. Der Versuch des Bandenmessias' Cyrus scheitert am blinden Egoismus des Einzelnen: Cyrus wird erschossen, jedoch nicht aus politischen Motiven, sondern aus reiner Lust heraus. Und wie die Gemeinschaft der Gangs durch diese singuläre Aktion zerstört wird, so zerfallen auch die Warriors auf ihrem Weg durch New York, weil sie sich nicht einigen können, weil der Einzelne sich immer wieder über das Geschick der Gruppe stellt. Der Machtkampf beginnt, sobald es erste Unstimmigkeiten gibt.
THE WARRIORS ist vielleicht Hills beeindruckendster Film, weil hier sein großes erzählökonomisches Geschick am stärksten zum Vorschein kommt. Die Exposition dauert runde sechs Minuten, für die Hill die Credit-Sequenz nutzt, in der er gleichzeitig auch die Atmosphäre des Films entwirft, mit der Fahrt durch dunkle U-Bahn-Tunnel, die nur hier und da von Neonflecken erleuchtet werden. Hill verschwendet keine Sekunde seines Films: Kein Wunder geht es doch um nichts anderes als darum, in Bewegung zu bleiben. Dies unterstreicht Hill durch seinen wie immer famosen Schnitt, mit dem hier eine Szene beinahe nahtlos in die nächste mündet, die großartige Kameraarbeit von Andrew Laszlo und den treibenden Score von Barry de Vorzon. In THE WARRIORS stimmt einfach alles. Um sich zu vergegenwärtigen wie brilliant dieser Film ist, sollte man ihn dringendst alle paar Jahre auffrischen.
#671
Geschrieben 07. Februar 2007, 23:24
Wie es sich für einen Film von Johnny To (hier in Verbindung mit Wai Ka Fai) gehört, wird man in den ersten Minuten gehörig auf den Kopf gedreht. Bodybuilder und Ex-Mönch Big (Andy Lau im Ganzkörper-Prosthetic – Hammer!) wird in die Ermittlungen um die Morde eines Schlangenmenschen (!!!) verwickelt. Zwischen ihm und der ermittelnden Polizistin Lee Fung Yee (Cecilia Cheung) entspinnt sich bald eine partnerschaftliche Beziehung, steht er ihr doch mit seinen außergewöhnlichen physischen, vor allem aber seinen mentalen Kräften bei. Er hat die Gabe, das Karma sehen zu können, jene Kraft, die das menschliche Schicksal abbildet. Erst spät verrät er der Polizistin, dass er eigentlich sie beschützen will, weil er bei ihrer ersten Begegnung auch ihren Tod vorhergesehen hat. Diese Offenbarung beeindruckt Lee Fung Yee so sehr, dass sie ihren Job kündigt und ein neues Leben beginnt – so wie es auch Big tat, nachdem er Einsicht in das Karma erhalten hatte. Doch idamit ist ihre Beziehung längst noch nicht beendet ...
Fraglich, ob dieser Film sich einem Westler jemals voll erschließen können wird. Ich war nach Ablauf der neunzig Minuten jedenfalls ziemlich ratlos. Dafür sorgte nicht nur das unverständliche Gemurmel über das Karma, sondern auch die episodische Erzählstruktur des Films. Da gibt es oft gewaltige Zeit- und Handlungssprünge, ohne dass das explizit gemacht würde. So macht RUNNING ON KARMA trotz der faszinierenden einzelnen Bestandteile einen holprigen und inkohärenten Eindruck, über den das Erlebnis, Andy Lau im Gummimuskelanzug auf der Jagd nach einem Schlangenmenschen zu sehen, nicht gänzlich hinwegtäuschen kann. Nicht falsch verstehen: RUNNING ON KARMA ist wie man das von To eben gewohnt ist mehr als ordentlich: Als sinnliches Erlebnis gibt es nix an seinem Film zu meckern. Nur wollte sich das alles für mich nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Wer weiß, vielleicht klappt es bei der nächsten Sichtung. Die Chance hat sich RUNNING ON KARMA in jedem Fall verdient.
#672
Geschrieben 08. Februar 2007, 17:21
Ein Film, der es einem sehr leicht macht: Die Story gehörte schon vor 50 Jahren zum Schauerinventar – Mann treibt seine Frau in den Wahnsinn, indem er ihr Spuk und Mummenschanz vorgaukelt – und wird dankenswerterweise auf dem Cover der DVD jeglicher Spannung beraubt. Bemerkenswert ist nur die Eröffnungsszene, in der in bester Wiiliam-Castle-Manier vor dem Schrecken der kommenden 65 Minuten gewarnt wird. Weil die Produzenten um die Gefährlichkeit ihres Machwerks wissen, halten sie ihren Zuschauern aber gern einen Sarg frei. Muhaha! Auch in den letzten fünf Minuten wird dann tief in die anno 1958 noch eher spärlich gefüllte Trickkiste gegriffen und mittels Überblendungen und Pappschädeln der ganz große Effektzauber gestartet. Ansonsten habe ich mich nach Ablauf des ereignislosen Streifens gefragt, was ich eigentlich in der vorhergehenden Stunde alles verpasst haben muss: Rückblickend erscheint es als absolutes Mysterium, womit dieser Film überhaupt auf seine Laufzeit gekommen ist. Die Lehre, die man aus THE SCREAMING SKULL aber problemlos ziehen kann: Nicht alles, was alt und billig ist, ist lustig.
#673
Geschrieben 08. Februar 2007, 21:54
Mit diesem Film und dem unmittelbar nachfolgenden WILD BILL hat Walter Hill sich zwei der Ikonen des Wilden Westens gewidmet und mit diesem hier dann auch einen seiner wohl untypischsten Filme gemacht (sieht man von der Auftragsarbeit BREWSTER'S MILLIONS mal ab). Seine Platzhalter weichen hier echten Menschen, der auf bloße Dynamik reduzierte Konflikt einer komplexen und ambivalenten Situation. In vielerlei Hinsicht erinnert Hills Indianerepos an Robert Aldrichs ULZANA'S RAID, der sich ebenfalls kritisch mit der amerikanischen Innenpolitik auseinandersetzt, ohne die Indianer zu diesem Zweck zu friedliebenden Naturburschen zu verklären.
In GERONIMO: AN AMERICAN LEGEND geht es um die Geburtswehen, die durchlitten werden mussten, um die Utopie der Vereinigten Staaten aus dem Boden zu stampfen. Auf dem Weg zum Gottesstaat scheinen die Indianer mit ihren vermeintlich heidnischen Traditionen und ihrem unzivilisierten Verhalten im Weg zu stehen. Allen voran der widerspenstige Häuptling Geronimo (Wes Studi) mit seinem Stamm, der sich selbst dann noch widersetzt als alle anderen Indianerstämme längst kapituliert haben. Doch auch er unterwirft sich schließlich der Armee unter der Leitung des verständigen General Crooks (Gene Hackman) und dessen ebenso vernünftigen Gefolgsleuten Gatewood (Jason Patric) und dem jungen Brittion James (Matt Damon). Doch im Reservat werden die zum Bauernleben gezwungenen Apachen weiteren Repressionen unterworfen, die sie nicht auf sich zu nehmen bereit sind. Es kommt zur offenen Auseinandersetzung, in deren Folge Geronimo und seine Leute zu Mördern werden und fliehen müssen.
Basierend auf einem famosen Drehbuch von John Milius zeigt Hill, was passiert, wenn zwei unvereinbare Gegensätze sich gegenüberstehen. Eine Synthese zwischen dem US-amerikanischen Wunsch nach einer auf der christlichen Ethik beruhenden Einheit und dem Jägerdasein der Apachen ist unmöglich, erfordert das Zurückstecken einer der beiden Seiten. Doch dazu sind beide aus unterschiedlichen Gründen nicht bereit: Die USA wollen nicht nachgeben, weil dies einem Eingeständnis der Schwäche gleichkäme, die Apachen können nicht, weil ein anderes Dasein als das des Jägers nicht ihrem Wesen entspräche. Dennoch trifft der Film schließlich eine klare Aussage: Mit der Ausrottung, Vertreibung und der ideellen Kastration der Indianer haben die USA auf dem Weg, eine Nation zu werden, große Schuld auf sich geladen. Anstatt den Dialog zu suchen, wählte man die Sprache des Krieges: ein Armutszeugnis für eine so große Nation.
Eine für Hill ungewöhnliche Melancholie zieht sich durch den Film: Man fühlt sich an Peckinpah oder auch John Woo erinnert, an ihre Resignation angesichts der Zeitenwende. Die Breitwandpanoramen der beeindruckenden Landschaft Arizonas und New Mexicos erzählen von einer vergangenen Zeit, die mit ihren Protagonisten untergehen musste. Und sie künden von einer Welt, in der die Zahlen auf dem Bankkonto Vorrang vor dem persönlichen Ehrenwort haben. Die Tragik von GERONIMO: AN AMERICAN LEGEND besteht auch darin, dass wir rückblickend wissen, warum die Indianer Platz machen mussten. Der Gang der Geschichte ist unaufhaltsam und unumkehrbar. Nur noch Fotos bleiben übrig. Und Legenden.
Mit GERONIMO: AN AMERICAN LEGEND ist Hill, wie schon erwähnt, näher am klassischen Erzählkino als er das jemals sonst gewesen ist. Deswegen erlaube ich mir hier auch die Trivialität, diesen einen Moment zu feiern, den wir dem Schauspielgenie Robert Duvalls zu verdanken haben. Als Scout Al Sieber ist er der Hardliner in der Armee, der die Apachen ebenso sehr hasst wie er sie liebt und sie seit mehr als zwanzig Jahren gejagt hat. Als er in einer Kneipenschießerei der Kugel eines weißen Banditen zum Opfer fällt, kann er die Schmach kaum verbergen. Da sitzt er, die Kugel in der Brust, und macht ein Gesicht als sei er mit frisch gewichsten Stiefeln in einen dicken Hundehaufen getreten.
#675
Geschrieben 09. Februar 2007, 17:25
Ein schlicht genialer Film, der seine Zuschauer die ganze Zeit im Glauben lässt, es gehe um die Untaten einer gigantischen Eidechse. Pustekuchen! THE GIANT GILA MONSTER ist ein Film über das Autofahren und was dabei passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Gleich zu Beginn purzelt ein Liebespärchen mitsamt seinem schicken Auto den Berg runter, weil es so schlecht geparkt hat. Wenig später lernen wir den heißen Abschleppwagenfahrer und Autobastler Chase Winstead (man beachte den Namen in diesem Kontext!) kennen, der den ganzen Film über alle Hände voll zu tun hat. Ständig kommen Leute mit ihren Karren von der Straße ab, fahren gegen Bäume oder gehen mit ihrem Gefährt unfreiwillig in Fammen auf, weil sie von der bösen Echse erschreckt oder abgedrängt werden. Immer wenn es dann an die Bergung geht, verwirrt Regisseurs-Genie Ray Kellogg mit den Aufnahmen dieser Gilaechse, die bedeutungsschwanger durchs Unterholz kriecht. Am Schluss wird das bösartige Viech dann auch mit Chasens Superschlitten plattgemacht, in den er vorher ein paar Konservendosen voller Nitroglyzerin geladen hat.
Ehrlich, der Film ist eine Granate. Stinklangweilig zwar, aber das auf hochgradig unterhaltsame Art und Weise. Kellogg hat sich noch nicht mal die Mühe gemacht, irgendwie den Eindruck zu erwecken, die Echse krieche da wirklich zwischen seinen Akteuren rum. Nix Rückprojektionen: Er hat einfach Archivmaterial von diesem Biest in den Film geschnitten, das mit dem Rest so gar nicht harmonieren will. Wenn die Protagonisten zu Hochspannungsmusik in der Botanik rumstehen, stellt sich nicht mal der Hauch von Spannung ein, weil völlig rätselhaft bleibt, wo sich die gefräßige Monsterechse denn überhaupt rumtreibt. Und überhaupt: Wenn die so riesig ist, warum wird sei denn dann nie gesehen? Erst am Schluss lässt Kellogg seinen schuppigen Wauwau von der Leine und an ein paar Spielzeugautos (aha!) vorbei kriechen, auf dass sie ihren Kopf durch die Pappmacheewand einer Partyscheune zu stecke, in der gerade der Bär steppt. Diese Party ist auch das unumstrittene Highlight des Streifens: Super-DJ Horatio Alger "Steamroller" Smith – den Chase, wie könnte es anders sein, kurz zuvor aus dem Graben gezogen hat – legt seine heißesten Scheiben auf. Seine lahmarschige Darbietung gipfelt darin, dass er mitten in einem Song einfach die Anlage ausdreht und anfängt, auf die Kids einzulabern. Die stört das aber nicht im geringsten: Es stellt sich heraus, dass der eben frenetisch bejubelte Superhit von niemand anderem als unserem Chase eingekeult wurde und der fühlt sich dann gleich dazu berufen, sein nächstes Opus zum Besten zu geben. Das mit einem verstimmten Banjo unterstützte Kinderliedchen mit dem feinen Text "The Lord says laugh, children, laugh" klingt wie das Titelthema eines ökumenischen Gottesdienstes für Waldorfschüler und hat kurz zuvor schon ein gehbehindertes Mädchen zu Tränen der Rührung stimuliert. Kein Wunder, dass es auch das wüste Gelage in der Scheune zum Kochen bringt. Unglaublich. Da beschwere sich nochmal jemand über die Ausgeburten der modernen Popmusik.
#676
Geschrieben 09. Februar 2007, 20:40
"The CITIZEN KANE of Biker Films" – so wird dieser kleine Exploiter von Al Adamson auch genannt. Und, ja, vergleicht man dieses ruppig-psychedelische Filmchen etwa mit seinem DRACULA VS. FRANKENSTEIN, so muss man doch einräumen, dass hier tatsächlich mehrfach echtes inszenatorisches Geschick aufblitzt. Das hilft dem inhaltlich eher schwachbrüstigen SATAN'S SADISTS auch gut über die Runden: Eine Bikergang heizt auf ihren Öfen durch Kalifornien und lässt hier und da Unbedarfte zum reinen Vergnügen über die Klinge hoppsen. Das geht solange gut, bis sie in einem Wüsten-Café einfallen, um eine Tasse des leckeren koffeinhaltigen Aufgussgetränks zu sich zu nehmen. Zwar finden sie in einem älteren Ehepaar und dem Cafébesitzer willige und wehrlose Opfer, die brutal exekutiert werden, doch der Vietnamveteran Johnny (Gary Kent) und die Bedienung Tracy setzen sich zur Wehr und können entkommen. Und weil die Rocker unter der Führung des teuflischen Anchor (Russ Tamblyn) Zeugen nicht gebrauchen können, heften sie sich den Flüchtigen an die Fersen. In den zerklüfteten Bergen der kalifornischen Wüste kommt es zum Showdown ...
Eine gewisse Ähnlichkeit mit Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT ist nicht von der Hand zu weisen, für beißende Sozialkritik interessiert sich Adamson sehr zum Vorteil dieses bunten Spaßes aber nicht. In seinem Film ist Bambule ohne Schnickschnack angesagt. Die eigentlichen und außerdem extrem langweiligen Helden lässt er konsequent links liegen und kümmert sich ganz um die Rockerexzesse im Foltercanyon: So richtig lustig wird es, wenn den Bikerfreunden drei arglose Camperinnen begegnen. Die werden erst mit reichlich LSD vom immerdruffen Acid (Greydon Clark) abgefüllt, dann ordentlich durchgeorgelt – hier läuft Adamson Amok mit dem Zoom – und schließlich von Anchor entsorgt. Ebenfalls ganz toll ist die zur nächtlichen Orgie parallel montierte Selbstmordfahrt der von Anchor geschassten Gina (Regina Carrol), die ihr Ende zu schöner Hippiemusik in einer Schlucht findet. Zum Finale läuft Adamson dann nochmal zur Hochform auf und spendiert seinem unumstrittenen Star Russ Tamblyn einen tollen Auftritt im Gegenlicht der aufgehenden Sonne. Überhaupt Tamblyn: Der ehemalige Kinderstar geriet mit diesem Auftritt zwar auf die schiefe Bahn (Producer Sam Sherman erzählt im Intro der DVD, das Tamblyns Mutter überhaupt nicht begeistert von SATAN'S SADISTS war), eröffnete sich damit aber eine ganz neue Fanbase. Zurecht: Er liefert hier eine famose One-Man-Show ab, ohne jedoch ins Overacting zu verfallen. Die zahlreichen hübschen Dialogzeilen bringt er mit bedrohlicher Lässigkeit über die Lippen. Die Dialoge sind eh das Nonplusultra dieses schönen Films. Als einem der Rocker eine der Camperinnen in die Hände fällt, die sich oben ohne in der Sonne geräkelt hat, wirft er sie Anchor mit den unsterblichen Worten "She was keeping her milk warm" vor die Füße. Und der Acid antwortet auf Ginas Warnung "All you ever think about is LSD. One of these days you're gonna take a trip and never come back." – nur: "Yeah? You really think so? Groovy!" Nuff said, Riesenfilm und Pflicht für Trash- und Exploitationfans.
#677
Geschrieben 10. Februar 2007, 10:22
In der psychiatrischen Heilanstalt Green Manors kündigt sich eine Wachablösung an: Dr. Murchison (Leo G. Carroll) soll von seinem Kollegen Dr. Edwardes (Gregory Peck) abgelöst werden. Als der eintrifft, verliebt sich die Psychiaterin Dr. Constance Petersen (Ingrid Bergman) sofort in ihn. Doch bald schon zeigt der berühmte Wissenschaftler eine merkwürdige Nervenschwäche, die mit schwarzen Streifen auf weißem Grund zu tun hat. Der vermeintliche Dr. Edwardes stellt sich bald schon als Hochstapler heraus, dessen wahre Identität allerdings zunächst unbekannt bleibt. Der arme Mann hat eine mittelschwere Amnesie. Und die gilt es mit Hilfe von Dr. Petersen schnellstmöglich zu heilen, denn als sich herausstellt, dass der echte Dr. Edwardes tot ist, steht unser Held unter Mordverdacht ...
Hitchcocks Film ist vielleicht der erste, der sich ganz explizit mit Psychoanalyse auseinandersetzt. Und weil sein Film mittlerweile über 60 Jahre auf dem Buckel hat, muss man hier und da einige Naivitäten in Kauf nehmen. Die Neurose, der Komplex werden in einer Schrifteinblendung zu Beginn gleich als "demons of unreason" diffamiert, die es auszutreiben gilt. Das Verstehen der Ursachen der eigenen psychischen Disposition wird weniger als Erkenntnisprozess betrachtet, sondern ist lediglich Mittel zum Zweck der lückenlosen Heilung. So treten die Ärzte von Green Manors ihren Patienten dann auch immer hübsch von oben herab gegenüber: "Sie haben einen Schuldkomplex!", heißt es da einfach. Dennoch ist Hitchcocks Film großes Kino. Zum einen, weil ihm beinahe schon historische Bedeutung zukommt, zum anderen, weil seine Meisterschaft, Geschichten zu erzählen, auch hier nicht von der Hand zu weisen ist. Die Analyse, der "Dr. Edwardes" schließlich unterzogen wird, kulminiert in einer famosen von niemand Geringerem als Salvador Dalí entworfenen Traumsequenz, die den Zuschauer auch heute noch mit offenem Mund zurücklässt. Schlicht genial. Und das Ende, mit der Subjektiven einer übergroßen Holzhand mit Revolver, der erst auf die Bergman, dann auf den Zuschauer gerichtet wird, ist ebenfalls hübsch.
#678
Geschrieben 10. Februar 2007, 18:19
Tja, was gibt's über THE ROCK zu sagen, ohne Phrasen zu dreschen? Ich weiß es nicht. Offenkundig ist, wie sehr hier alles auf den größtmöglichen optischen Effekt hin inszeniert ist. Da passiert nix einfach so, alles muss geil aussehen und wenn die Sache selbst das eben nicht hergibt, wird die Kamera auf den Kopf gestellt und ein schöner Filter drüber geklatscht. Eklatantestes Beispiel für diese Oberflächenpolierung ist das Giftgas selbst, das in grünen Glasperlen eingeschlossen ist. Nicht ungeschickt, denn ein Giftgas könnte ja unfilmischer kaum sein. So vermutet man aber als zuständigen Ingenieur einen ehemaligen Inneneinrichter – als ob sich die Waffenindustrie dafür interessieren würde, dass ihre Waffen gut aussehen. Aber immerhin, es erfüllt seinen Zweck. Sonst stößt einem das Überdesign manchmal aber schon etwas sauer auf, z. B. wenn Menschen brutalst weggepustet werden und die Kamera das in Bildern festhält, die aussehen, als wollten sie einem ein Auto verkaufen. Den Werbefachmann kann Bay dann auch zu keiner Sekunde verbergen: Es ist eklatant wie kostbar jede Sekunde dieses Films gewesen ist. So kostbar, dass keine Szene länger als nötig dauert. Exposition? Wozu? Lieber gleich was kaputt machen. Bay verschwendet wirklich keine Zeit, rast von einer Attraktion zur nächsten und gibt einem gar nicht die Zeit, sich große Gedanken über das Gezeigte zu machen. Die vermeintliche Staatskritik – die sich seit FIRST BLOOD von 1982 übrigens kein Stück verändert hat: der Staat ist böse, die Soldaten sind die Gelackmeierten – verkommt da zum bloßen Aufhänger. Oder will Bay das nur glauben machen? Schwierig, schwierig. Kaum auszudenken, das alles sei Ernst gemeint, so absurd ist die Ausgangssituation des Films. Sonst ist THE ROCK aber der wohl erträglichste Bay-Film. Vor allem schauspielerisch wird hier ganz schön was aufgefahren. Ed Harris ist gewohnt brilliant, besonders gefreut habe ich mich aber über William Forsythe, den ich immer gern sehe. Tony Todd, David Morse gefallen in Nebenrollen und lenken von Nervbolzen Nicolas Cage ab, der hier zwar noch weit von seinen letzten Nervrollen entfernt ist, aber dennoch keinen einzigen Satz normal über die Lippen bringen kann und jedesmal sein psychopathisches Augenrollen einbauen muss. Sean Connery kann ich ja sonst eigentlich kaum noch ertragen, aber hier hat er einfach eine gute Rolle abbekommen, die Bay auch für einen schönen McGuffin nutzt: Wenn suggeriert wird, dass irgendwo die Wahrheit nicht nur über die Roswell-Aliens, sondern auch über den JFK-Mord schlummert, dann ist das zwar eine absolute Nerd-Fantasie, die beängstigt, weil man weiß wie viele Verschwörungstheoretiker wirklich daran glauben, auf der anderen Seite aber auch ein ganz hübscher Gag. Langer Rede, kurzer Sinn: Netter Reißer, aber nix für Epileptiker.
#679
Geschrieben 11. Februar 2007, 11:26
Mal wieder ganz konservativ mit Inhaltsangabe vorneweg: In Paraguay treffen sich einige alte Nazis auf Geheiß niemand Geringeres als Dr. Josef Mengele (Traumrolle für Gregory Peck). Der hat einen diabolischen Plan, dessen Zweck sich erst im Verlauf der nächsten zwei Stunden herausstellen wird. Zunächst mal ordnet er in einem Zeitraum von 2 1/2 Jahren 94 Morde an, alle verübt an 65-jährigen Familienvätern. Der rührige Nazijäger Dr. Ezra Liebermann (Laurence Olivier) kommt dem Onkel Doktor jedoch auf die Schliche und setzt nun alles daran, den Plan zu verhindern. Denn die Morde sind nur der harmlose Anfang eines wahrhaft schröcklichen Experiments ...
Kawumm! Herzlichen Glückwunsch Herr Schaffner, mit diesem Film dürfte es Ihnen gelungen sein, den gediegensten Megatrash überhaupt gedreht zu haben. Der Film ist so vollgestopft mit schlecht gefaketen deutschen Akzenten, Hakenkreuzflaggen, Hitlergrüßen, Kadavergehorsam und KZ-Erinnerungen, dass einem fast schwindlig wird. Das Ganze wird dann aber kombiniert mit einer erstklassigen Besetzung (die immer knapp am Rande der Debilität entlang agiert) und einer todernst vorgetragenen Dramaturgie. Die eigentlich ja recht horrible und zu seiner Entstehungszeit wohl einigermaßen glaubwürdig erscheinende Horrorvision von Bestsellerautor Ira Levin (u. a. auch ROSEMARY'S BABY), ist in Schaffners Film nur noch Ausgangspunkt für saftigen Blödsinn, der mehr als einmal tief unter die Gürtellinie zielt. Besonders garstig ist das Treiben auf Mengeles kleiner Farm in Paraguay, das mit seinen mutierten südamerikanischen Bediensteten Erinnerungen an Fulcis Woodooinsel Matul oder die Heimat Dr. Moreaus weckt. Der Mengele ist wirklich ein Nazi mit Leib und Seele, der kann nicht raus aus seiner kranken Haut! Und er erinnert mich mit seinem gepuderten Gesicht außerdem massiv an Dirk Bogardes Gustav von Aschenbach in TOD IN VENEDIG – nur das der etwas freundlicher gesonnen war. In seinem Nazibild ist dieser schöne Exploiter schon zur Entstehungszeit herrlich anachronistisch gewesen. Nix "Banalität des Bösen", Frau Arendt: Die Nazis in THE BOYS FROM BRAZIL sind allesamt Wahnsinnige mit irrwitzigen Welteroberungsplänen und einer Mordlust, die ihresgleichen sucht. So erklärt es sich dann auch ganz von selbst, dass Dr. Mengele sich am Ende, als sein Plan gecancelt wird, höchstpersönlich auf große Reise begibt, um seine Mission zu vollenden. Es kommt zum blutigen Showdown in Pennsylvania zwischen Mengele, Liebermann vier blutgeilen Dobermännern und einem Jungen mit zweifelhaftem Erbgut. Eigentlich unfassbar, dass so ein Film jemals entstehen konnte. Die Sichtung sei dringend angeraten und sei es nur für die vielen berühmten Gesichter, die hier in Nebenrollen durchs Bild laufen.
#680
Geschrieben 11. Februar 2007, 20:49
Ein Sturm, der in der Gegend von Savannah tobt, fällt mehrere Hochspannungsleitungen. Der in den Boden fließende Strom verwandelt daraufhin die dort lebenden Würmer in blutgierige Bestien. Der New Yorker Mick (Don Scardino), der seine Südstaatenfreundin Geri besucht, gerät in der Folge in den War of the Worms ...
SQUIRM ist ein wunderhübscher kleiner Schocker, der viele der kleinen Fettnäpfchen meidet, in die solche B-Pictures sonst mit Vorliebe hineintappen. SQUIRM ist tasächlich so gut, dass ich den Film gleich zweimal hintereinander geschaut habe, beim zweiten Mal mit der exzellenten, witzigen und hoch interessanten Kommentarspur von Regisseur Jeff Lieberman. Der weiß nicht nur viel über die geschickte Plotkonstruktion solcher Filme zu erzählen, sondern überrascht auch mit der Aussage, dass Kim Basinger, Sly Stallone und Martin Sheen für seinen Film gecastet waren. Es bleibt allerdings etwas unklar, ob das nur einer seiner knochentrocken vorgetragenen Scherze ist. SQUIRM gewinnt, weil er sich nicht mit seiner absurden Prämisse und dem Ausreizen von Ekelszenen zufrieden gibt, sondern eine Geschichte erzählt. Lieberman gönnt dem Zuschauer einen gelungenen Spannungsaufbau, glaubwürdige Charaktere und einen Humor, den der Anglophile als "tongue in cheek" zu umschreiben weiß. Erst im letzten Drittel serviert er dann "Gazillion of Worms", wie er das im Kommentartrack nennt, und sorgt vor allem bei Wurmphobikern wie mir für den ein oder anderen Ekelanfall. Und weil Lieberman seine Grenzen und die des Budgets genau kennt, kommen die vielen eigentlich sehr billig hergestellten Effektszenen erstaunlich glaubwürdig über die Runden. Man kann nur hoffen, dass Lieberman, der bis zu seinem 2004 entstandenen SATAN'S LITTLE HELPER eine Schaffenspause von mehr als 20 Jahren hingelegt hat, bis zu seinem nächsten Film nicht wieder so viel Zeit verstreichen lässt. Im Bereich des schrägen B-Horrors gibt es nicht allzu viele, die ihm das Wasser reichen können.
#681
Geschrieben 11. Februar 2007, 21:06
Der kleine Dougie ist beinharter Fan des Videospiels "Satan's little Helper", bei dem man die Aufgabe hat, dem Leibhaftigen mit zahlreichen Schandtaten zur Hand zu gehen. Als anlässlich des jährlichen Halloween-Festes seine ältere Schwester mit ihrem Lover zu Besuch kommt, ist Dougie zunächst gar nicht begeistert, wollte er doch mit seiner Schwester allein das bekannte "Trick or Treat" spielen. Doch in Gestalt eines als Teufel maskierten Serienmörders naht Hilfe: Dougie dient sich dem Psychopathen als Helferlein an, lässt ihn den nervenden Freund der Schwester aus dem Weg räumen und dessen Rolle übernehmen ...
Liebermans Comeback-Film dürfte einer der originellsten Slasher-Filme überhaupt sein. Er nimmt sich die klassische HALLOWEEN-Konstruktion zur Brust und gibt dem Ganzen eine schwarzhumorige Wendung. So erfüllt der maskierte Killer mit seinen Schandtaten die Phantasien Dougies, wenn er nicht nur den Freund der Schwester aus dem Weg räumt, sondern auch noch zum Süßigkeitendiebstahl animiert und Behinderte, Schwanger und Kleinkinder mit dem Einkaufswagen überfährt. Neben dieser subversiven Ader – man achte nur einmal darauf, wie oft das Wörtchen "Satan" hier fällt und in welchen Zusammenhängen – treibt Lieberman aber auch das Slasher-typische Maskierungs- und Demaskierungsspielchen auf die Spitze. Einziger kleiner Wermutstropfen in diesem Film ist der etwas redundante Handlungsaufbau: Gerade die ersten 45 Minuten sind etwas gleichförmig, der Gag um den kleinen Jungen, der einem Mörder bei der Arbeit hilft und denkt, alles sei nur ein Spiel, zeigt irgendwann Abnutzungserscheinungen. Doch zum Glück behält Lieberman alles im Griff und beschert am Ende beinahe eine 180-Grad-Wendung, die dann auch mit einigen heftigen Gore-Szenen gewürzt wird. Alles in allem eine runde Sache, die – da bin ich mir ganz sicher – genug Potenzial für mehrere Sichtungen bereithält.
#682
Geschrieben 12. Februar 2007, 21:58
Eine Polizeistation in einem sozialen Brennpunkt schließt für immer ihre Pforten. Der schwarze Polizist Ethan Bishop (Austin Stoker) soll für den reibungslosen Auszug sorgen. Doch das Schicksal kommt ihm und den anderen – ein paar verbliebene Sekretärinnen sowie ein Gefangenentransport mitsamt Insassen, der unerwartet Zwischenstation machen muss, weil ein Häftling eine schwere Infektion hat – in die Quere: Nachdem ein verzweifelter Familienvater den sinnlosen Mord an seiner kleinen Tochter gerächt hat, klebt ihm eine gefährliche Gang an den Fersen, die den Mann in die Polizeistation hetzt. Dort kommt es in der Folge zu einer dramatischen Belagerungssituation ...
Der gestrige Cineclub bescherte ein Wiedersehen mit diesem zeitlosen Klassiker, der mich bei jeder Sichtung erneut völlig umhaut, nachdem ich ihn eigentlich schon abgehakt und einsortiert glaubte. Gestern durchzuckte mich wohl zum ersten Mal ganz deutlich die Eingebung, dass dieser frühe Carpenter – sein letzter Film vor HALLOWEEN – sein wohl gleichzeitig bester ist. Es stimmt einfach alles: von der parabelhaft verkürzten Plotline, die vom monströs sparsamen Score noch so richtig nach vorn katapultiert wird, über die ultrafinstere Atmosphäre bis hin zu den brutalen Spannungsmomenten. Carpenter modernisiert einen klassischen Westernstoff, ringt ihm aber auch gleichzeitig die irrationalen Momente des Horrorfilms ab. Die Gangmitglieder erinnern sowohl an die Indianer der Pferdeoper als auch an die Romero-Zombies, die acht Jahre vorher ganz ähnlichen Aktivitäten nachgingen. In ASSAULT trägt das aber eben die Züge des urbanen Endzeitfilms, den Carpenter dann ja ein paar Jahre später mit ESCPE FROM NEW YORK ganz allein aus der Taufe heben sollte. Hier hat er dafür schon geübt und mit den hoch pointierten Dialogen, die in ihrer Treffsicherheit an Pistolenschüsse erinnern, die Grundlage für die zynischen One-Liner eines Snake Plissken gelegt. ASSAULT ON PRECINCT 13 ist ein Meisterwerk des modernen Kinos: Man ist jedesmal wieder verblüfft, wie einfach das gehen kann. Es braucht weder große Stars, noch ein fettes Budget, knifflige Handlungskonstruktionen und verschachtelte Narration: Eine dramatische Grundkonstellation und eine messerscharfe Beobachtungsgabe reichen vollkommen aus, um Kinogeschichte zu schreiben. Ich hätte den Film am liebsten gleich nochmal geguckt.
#683
Geschrieben 13. Februar 2007, 20:29
"Ihr hättet nicht mit den Eiern spielen dürfen!" – Das ist die Moral dieses kleinen Krokodilfilms von Tobe Hooper. Schade, dass er um diesen Satz keinen Rape&Revenge-Film oder gleich einen Porno gedreht hat, das wäre bestimmt ein weniger peinliches Unterfangen geworden. Dabei möchte ich hier mal eine Lanze für CROCODILE brechen: Wer ganz großen Schrott mit gefräßigen Tieren in sein Herz geschlossen hat, findet in CROCODILE sein Shangri-La. Es geht so wenig zusammen in Hoopers Film, dass man sich wirklich fragen muss, was eigentlich in dessen Kopf eigentlich vorgegangen ist als er erst den Vertrag unterzeichnete und dann auch noch diesen Film ablieferte. Spätestens nach der Hälfte hätte er doch merken müssen, dass er gerade dabei ist, seinen eh schon angeschlagenen Ruf vollends zu ruinieren. Dabei ist der Tierhorrorfilm doch eigentlich so ein dankbares Genre: Alle Plotvariationen sind endlos erprobt, durchgespielt und wiederholt worden, sodass man eigentlich meinen könnte, jeder auch nur halb begabte Regisseur müsste das im Schlaf zusammenkloppen und ein wenigstens einigermaßen ansehbares Ergebnis erzeugen können. Irrtum. Hoopers Film ist mit so unglaublich nervtötenden und unsamptahischen 30-jährigen Teenies gestraft, dass jeder Film, über den ähnliches gesagt wurde, nachträglich wie ein Meisterwerk der Schauspielführung erscheint. Es dauert geschlagene 45 Minuten bis der Film nach dem üblichen (aber doppelt anstrengenden) Schabernack – Kiffen Saufen, sich komplett asozial verhalten und außerdem ständig nur das eine im Kopf haben, ohne jedoch irgendwann auch mal Saft abzulassen – Fahrt aufnimmt und mit Anlauf in die Entengrütze springt. Spannung kommt zu keiner Sekunde auf, und immer dann, wenn man gerade einräumen möchte, dass das Krokodil gar nicht soooo beschissen aussieht, kommt ein Spezialeffekt, der einen in die Zeiten zurückversetzt, in der man hitzige Debatten darüber führte, ob denn nun der C64 oder doch der Schneider CPC das Maß aller Dinge sei. Wenn das 12 Meter lange Kroko am Ende mit eine dreifachen Schraube über ein Boot hinweg springt und ohne Spritzer im Wasser landet, glaubt man, es könne nicht schlimmer kommen, doch die Pixelexplosion, die das Bötchen wenig später nicht wesentlich erschüttert, belehrt einen eines Besseren. Am Schluss gibt es eine putzige Familienzusammenführung der mies animierten Art und einen Kotzgag, der sowohl in ANACONDA als auch in DEEP RISING besser aussah. Es geht nicht viel zusammen und die deutsche Synchro musste Überstunden machen, um dem gerecht zu werden. "Danke, Gott, ein Gemischtwarenladen!" möchte man angesichts der sich ohne Ende über einen ergießenden Schwachheiten ausrufen, doch da ist einem einer der Protagonisten schon zuvor gekommen. Ganz ehrlich: CROCODILE ist fast schon Kunst und auch wenn er kaum weiter von einem THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE entfernt sein könnte, gehört er doch zu den "besseren" Filmen, die Hooper in seiner an Rohrkrepierern nicht armen Karriere hingelegt hat. Ich wette, CROCODILE hat er wirklich im Schlaf inszeniert ...
#684
Geschrieben 14. Februar 2007, 13:25
Vier schwerbewaffnete mordlustige Bankräuber steigen nach getaner Arbeit in ein Flugzeug nach Acapulco. Ihre narrensicher in Socken und Hosenbünden verstauten Waffen hat am Flughafen gottseidank keiner gesehen, obwohl der Film eigentlich nach dem Bin Laden seiner Bruchlandung entstand. Zu dem sich in der Folge zwischen den Passagieren abspielenden Gerangel gesellt sich auch noch ein Sturm und mit vereinten Kräften bringen Natur- und Menschengewalt das Flugzeug schließlich zum Absturz in einem mexikanischen Sumpf, der von aggressiven Krokodilen bewohnt wird. Indessen erhält der bereits in Acapulco auf seine Stewardessenfreundin wartende Zach die Schreckensbotschaft vom Absturz. Zum Glück ist der Abenteurer Roland (Martin Kove) in der Nähe, der dem Jungspund helfen will, die Geliebte zu finden ...
Boah! Gary Jones, dessen Werk ihn als Liebhaber von DTV-Tierhorror ausweist - u. a. hat er MOSQUITO, SPIDERS und RAPTOR 2 auf dem Kerbholz - hat es tatsächlich geschafft, Hoopers Sch(l)üsselfilm noch zu toppen. Das ist durchaus positiv zu verstehen, denn im Vergleich zu dessen einschläferndem Nervende-Teenies-werden-durch-den-Wald-gejagt-Plot rührt Jones gleich mehrere Ideen in seine Pampe und sorgt so für deutlich mehr Abwechslung. Nur was die miserablen Effekte angeht, ist er seinem Vorgänger treu geblieben. Sind die billigen Animatronics noch wenigstens halbwegs gelungen, gehen jedesmal die Lichter aus, wenn das unsagbar mies animerte und unzulänglich in den Film kopierte Computerkroko zum Einsatz kommt. Aber diese technischen Mängel sind neben den abstrusen Dialogen und der komplett hirnrissigen Geschichte der Schlick im Pfuhl dieser rührenden Videopremiere. Ob da nun ein Martini "mit einem Schuss Vermont" geordert wird oder ein panischer Bankräuber mit Schnäuz angesichts der drohenden Krokogefahr schreit: "Da draußen sind die Zähne des Todes!" - Gelächter ist garantiert, sofern man nicht vorher schon mit dem Kopf auf der Tischplatte aufgeschlagen ist. Ganz groß ist auch der Anfall des blonden Zachs als er im Fernseher einer mexikanischen Kneipe vom Verschwinden des Flugzeugs erfährt. Völlig entrüstet fährt er einen seinen Feierabend genießenden Polizisten an, dass der doch gefälligst etwas unternehmen solle. Man kann es sich richtig gut vorstellen, wie der Polizist sich mit seinem Schlagstock mitten in Acapulco auf die Suche nach einem agestürzten Flugzeug macht. Absolute Empfehlung!
#685
Geschrieben 16. Februar 2007, 20:46
#686
Geschrieben 17. Februar 2007, 11:24
Die USA, mitten in der Depression. Chaney (Charles Bronson) ist ein Drifter, der ziellos (?) durchs Land irrt und versucht, sich irgendwie über Wasser zu halten. Woher er kommt, wir erfahren es nicht. Bald trifft er auf Speed (James Coburn), einen Zocker, der Bare-Knuckle-Fights organisiert, mit seinem derzeitigen Schützling aber eine derbe Pleite erlebt. Erst Chaneys Kämpferqualitäten bringen ihn auf die Erfolgsstraße, die die beiden schließlich nach New Orleans führt, wo der geleckte Chick Gandil (Michael McGuire) mit seinem Boxer die Szene dominiert. Speed wittert die Chance auf das ganz große Geld ...
Es ist nicht so offensichtlich, weil Walter Hill sich, was die Stimmung seines Films angeht, ein wenig an George Roy Hills THE STING anlehnt und seinem Depressionsfilm viele leichtfüßige und komische Momente gönnt, aber im Kern ist HARD TIMES ein immens desillusionierender und trauriger Film. Da müssen sich erwachsene Männer in brutalen Faustkämpfen für spielsüchtige Zuhälter prostituieren, um dem nach Gewalt gierenden Publikum die dringend benötigte Ablenkung vom tristen Alltag zu verschaffen. Doch der vermeintliche Schlüssel zum Glück verschließt in Wahrheit mehr Türen als er öffnet. Der Glaube, den Zuständen durch den kurzfristigen Erfolg entfliehen zu können, wird bitter enttäuscht bzw. ist er – im Falle Chaneys – schon längst der resignativen Fügung ins Schicksal gewichen. Speed, ein Spielsüchtiger wie er im Buche steht, kann noch so viel Kohle aus Chaney herauspressen: Am Ende des Tages steht er immer wieder mit leeren Händen da. Und hinter seinem charmanten vielzahnigen Siegerlächeln verbirgt sich ein Gefangener seiner eigenen Persönlichkeit, ein hoffnungsloser Verlierer. Chaney weiß, dass sein Leben ein Kampf bleiben wird, aus dem auch er eines Tages als Verlierer hervorgehen muss – das macht Hill auf geniale Weise deutlich, indem er Chaney im großen Finalkampf gegen einen Kämpfer antreten lässt, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Als sein Love Interest Lucy (Jill Ireland) ihm mitteilt, dass sie sich mit ihm keine Zukunft vorstellen kann, dreht er sich um und geht, ohne lang zu überlegen, ohne noch ein Wort zu verschwenden. Und so ist wohl auch das Ende zu verstehen: Es ist nicht das Geld, das einen durch die Depression bringt, sondern es ist die Freundschaft, es sind feste Prinzipien, denen man treu bleibt, auch wenn es schwer wird. Und da ist weder auf Speed noch auf Lucy noch zu bauen. Besser man bleibt allein, da wird man nicht verraten und auch nicht enttäuscht.
Walter Hills erschreckend reifer Debütfilm fügt sich insofern nahtlos in sein Schaffen ein, als er sich ganz auf den Konflikt in seiner unmittelbarsten Form konzentriert: den Boxkampf, der zur Metapher für das Leben wird. Auch die zahlreichen Totalen, die die Protagonisten beim Beschreiten endlos lang erscheinender Wege zeigen, die ihnen zwar Freiheit vorgaukeln, sie in Wahrheit aber in schon vorgezeichnete Bahnen zwingen, passt in Hills Oeuvre, in dem der Indivualist zum reinen Vollstreckungsgehilfen des Schicksals verkommt, von dem er irgendwann gnadenlos überrollt werden wird.
#687
Geschrieben 19. Februar 2007, 10:37
Ein verzauberter Wald in einem nicht näher benannten Märchenland: Die beiden letzten noch lebenden Einhörner verkörpern und sichern das Gute und halten durch ihr Dasein das Böse in Gestalt der Dunkelheit fern. Doch Darkness (Tim Curry), Herrscher dieser Dunkelheit, schmiedet einen Plan, wie er die Welt in die ewige Nacht stürzen kann. Ein paar seiner Goblins sollen die unschuldige Prinzessin Lili (Mia Sara) dazu benutzen, sich an die Einhörner heranzupirschen und sie zu töten. Gesagt, getan: Die Ermordung der Einhornstute stürzt die Welt ins Chaos. Der Waldläufer Jack (Tom Cruise), nebenbei der Geliebte der Prinzessin, macht sich daran, Darkness zu besiegen und das Sonnenlicht zurückzuholen.
Das Kino ist ein Ort der Dämmerung: Zwar überwiegt die Dunkelheit, doch erst das Licht lässt die Bilder vor uns entstehen. Der Angriff Darkness' auf den lichtdurchfluteten Märchenwald ist somit auch ein Angriff auf den Film selbst, auf das Kino. So bricht LEGEND seine bis dahin etablierte Erzählhaltung nach der Ermordung des ersten Einhorns abrupt ab, reißt den Zuschauer aus dem kindlichen Staunen heraus und stürzt ihn zusammen mit der dem Untergang geweihten Märchenwelt ins Chaos. Das Naturidyll weicht der Apokalypse aus Eis und Dunkelheit, der feenhafte, wunderschöne Score von Jerry Goldsmith dem maschinellen Wummern und Dröhnen von Darkness' unterirdischem Hochofen. Rettung kann nur das Licht selbst bringen: Um Darkness zu besiegen wird es mittels blankpolierter Schilde in seine Behausung geleitet. Wie sehr sein Angriff dem Film selbst galt, wird danach recht augenfällig, denn LEGEND setzt wieder dort an, wo die Erzählung zunächst abbrach. Der Traum geht weiter: Jack taucht nach dem Ring Lilis, findet ihn und bringt ihn ihr zurück, erweckt sie wieder zum Leben und macht sie gleichzeitig zu seiner Frau.
LEGEND ist schlicht atemberaubend: Die Settings und Bilder so beeindruckend durchkomponiert, dass man sich unweigerlich fragt, wie das 1985 ohne moderne Computertechnologie überhaupt möglich war. Doch trotz dieser durchgestylten Oberfläche und den romantischen Bildern driftet Ridley Scott niemals in Kitsch ab, weil sein Film viel zu abstrakt bleibt. Die unschuldige Prinzessin Lili und der brave Jack sind Folien, die nur mit wenigen Pinselstrichen zum Leben erweckt werden und eher als Projektionsfläche denn als Charaktere taugen. Selbiges gilt für den Plot, der sich zwar vordergründig als Märchen über den Kampf von Gut gegen Böse lesen lässt, eigentlich aber von der dynamischen Beziehung zwischen den beiden Kräften, die hier mit Licht und Dunkelheit gleichgesetzt werden, erzählt. Kein Wunder also, dass LEGEND in den USA arg missverstanden wurde: Eine handfeste praktische Moral lässt sich aus ihm kaum herausfiltern. Und als selbstvergessener Spaß funktioniert LEGEND auch nicht, weil er viel zu düster bleibt. Sein Plan ist es nicht, dem Zuschauer das Versinken in einer Fantasiewelt zu gestatten, vielmehr zielt er darauf ab, den Metafilm-Charakter des Fantasy-Films herauszustellen. Fantasy-Film sei hier verstanden als die stärkste und konsequenteste Konkretion der Idee von Kino schlechthin: dem Entstehen-Lassen von fremden Welten auf der Leinwand. Auch ich hatte den unschuldigen Spaß erwartet - ich habe LEGEND zuletzt als Kind gesehen - und bin einerseits entäuscht, andererseits aber mehr als positiv überrascht worden. In zweierlei Hinsicht: Denn anders als ich das in Erinnerung hatte, hat nicht Tony, sondern sein von mir eher kritisch beäugter Bruder Ridley den Film gedreht. Sein Regiestil passt hier wie die berühmte Faust aufs Auge und der Gute hat bei mir wieder ein bisschen Boden gut machen können.
#688
Geschrieben 19. Februar 2007, 11:05
Der Polizist Takabe (Koji Yakusho) hat ein schwere Los gezogen: Seine Ehefrau ist seelisch schwer gestört und geistig verwirrt, an seiner Arbeit muss er sich mit kaltblütigen Verbrechern und ihren grausigen Taten auseinandersetzen. Seine beiden streng voneinander getrennten Persönlichkeiten - hier der stets liebende, fürsorgliche und rücksichtsvolle Ehemann, dort der korrekte, kühl kombinierende Polizist, der auch dann noch die Fassung wahren muss, wenn er sich den schlimmsten Exemplaren der Menschheit gegenübersieht - beginnen ineinanderzulaufen als eine mysteriöse Mordserie Tokio erschüttert. Mehrere völlig normale, bisher nie auffällig gewordenen Menschen werden scheinbar ohne Grund zu Mördern an ihren Partnern, Freunden und Kollegen. Nach den Motiven für ihre Tat befragt, können sie keine Antwort geben, sind selbst am meisten schockiert darüber. Als ein an Amnesie leidender ehemaliger Studenten des Mesmerismus (Masato Hagiwara) auftaucht, dem alle Mörder kurz vor ihrer Tat begegnet sind, scheint die Lösung in Sicht ...
Kiyoshi Kurosawa kleidet ganz in der Tradition etwa von KAIRO ein finsteres Sozialdrama ins Gewand des Horrorfilms. CURE erschüttert mit Bildern urbaner Tristesse, menschlicher Einsamkeit und des Verfalls, kehrt innere Vorgänge konsequent nach außen und verwirrt mehr als einmal den Zuschauer, der sich aufgrund der Handlung in einem typischen Suspense-Vehikel wähnt. Doch die gängigen Mechanismen des Thrillers werden mehr als einmal aufgebrochen: Kurosawa bricht seine Szenen ab, bevor sie ihren erwarteten Höhepunkt erreichen, akzentuiert gerade das, was einem unwichtig erscheint, und inszeniert eigentlich schockierende Momente so unbeteiligt, dass man mehrfach geneigt ist, den Rewind-Knopf zu betätigen. CURE ist ein ruhiger Film: Weder macht er große Worte um seine Geschichte, noch schwelgt er in grellen Bildern. Es ist die Beiläufigkeit der geschilderten Ereignisse, der antiklimaktische Aufbau seiner Geschichte, die nachhaltig zu beeindrucken und zu verstören wissen. CURE erschließt sich beinahe ausschließlich suggestiv und nähert sich somit auch stilistisch seinem Sujet an. Der Film ist vollgestopft mit bedrohlichen Geräuschen, deren Quelle oft unbekannt bleibt, flackernden Lichtern und dem meditativen Blick ins Leere. Kein Film, der sich einem aufdrängt, kein spannender Film im herkömmlichen Sinne, aber ein enorm spannendes sinnliches Erlebnis.
#689
Geschrieben 20. Februar 2007, 15:02
Zweitsichtung. Auch beim zweiten Mal hat mir Brain De Palmas Film gut gefallen und dank der Untertitel habe ich diesmal auch mehr mitbekommen als noch in der nackten O-Ton-Fassung im Kino. Was mich nach wie vor wundert, ist wie viele sich auch hier im Forum darüber beschweren, dass der Krimiplot um den titelgebenden Mordfall vernachlässigt würde. Dabei macht Brian De Palma eigentlich von Beginn an ziemlich deutlich, dass es ihm nur am Rande um diesen geht: Erst nach einer halben Stunde wird die Leiche ziemlich unspektakulär aufgefunden, der Blick auf den grotesk verstümmelten Körper beinahe schamvoll vermieden - eine Strategie, die tief blicken lässt, gerade wenn man bedenkt, welche traumatische Wirkung der Zustand des Mordopfers auf die damalige Bevölkerung von L. A. hatte.
Und genau DAS ist es auch, was De Palma hier interessiert: In THE BLACK DAHLIA dreht sich alles um den schönen Schein und die darunter verborgenen Abgründe, die Fixierung auf Oberflächen und die Projektion eigener Wünsche auf diese, die Verdeckung der eigenen Unzulänglichkeiten. Das verhandelt De Palma in seiner Figurenkonstellation, in der es nur so von Doppelgängerpärchen wimmelt, in seinem Metafilm-Plot, dem typischen Femme-Fatale- und Obsessions-Thema und dem zynischen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik. Das ist sicherlich alles nicht mehr neu, beinhaltet aber wieder einige der Momente, die man als De-Palma-Verehrer zu schätzen gelernt hat. Diese Augenblicke, in denen sich der Film von seinem Stoff emanzipiert und plötzlich ein Eigenleben entwickelt: Am eindrucksvollsten sicher in der Szene nach ca. einer Stunde, als die Kamera völlig unvermittelt in eine subjektive Perspektive wechselt oder in der Treppenszene, die Hommage an eine Szene, die bereits eine Hommage an eine andere Szene war. Dazu gelingen De Palma z. B. mit dem grotesken Familien-Dinner ein immens witziger ("Hitler was a bit excessive.") und mit den Film-im-Flm-Segmenten um die "Schwarze Dahlie" mysteriös-traurige Szenen, die man nicht so schnell vergisst.
#690
Geschrieben 20. Februar 2007, 15:27
Baltimore, späte Fünfziger-Jahre. Ein tiefer ideologischer Graben zieht sich durch die Stadt: hier die spießigen Squares, da die coolen Drapes um den Waisenjungen Wade "Cry-Baby" Waker (Johnny Depp). Es entspinnt sich die klassische Story: Squares-Mädchen Alison Vernon-Williams (Amy Locane) verliebt sich in Cry-Baby, der daraufhin den Hass von Alisons Freund und dessen Spießerfreunden abbekommt und schließlich im Knast landet. Nach ein paar aus voller Brust vorgetragenen Songs wird er aber freigelassen und kann sich im Duell mit dem Squares-Rädelsführer rehabilitieren.
Nach HAIRSPRAY ist dies John Waters' zweiter "großer" Film, der den Godfather of Trash auch über seinen angestammten Fankreis hinaus bekannt machte. CRY-BABY ist gleichermaßen Musical, Hommage und Parodie auf die Juvenile-Delinquents-Filme der Fünfziger- und Sechziger-Jahre und als solche(s) fulminant unterhaltsam, wenn auch nicht gerade abendfüllend. Vor allem die Besetzung entlockt einem ein Zungenschnalzen, wenn da neben einem jungen Johnny Depp, Traci Lords und den ebenfalls noch recht frisch aussehenden Iggy Pop und Willem Dafoe und den üblichen Waters-Verdächtigen (Ricki Lake, Mink Stole) auch noch ein paar verdiente Film-und Fernsehlegenden auflaufen (z. B. Troy Donahue, Joe Dallessandro, Polly Bergen, Patricia Hearst und David Nelson). Insgesamt gefällt CRY-BABY aber vor allem deshalb, weil er so wunderbar leichte und trotzdem sympathische Unterhaltung bietet. Man merkt, dass viel Herzblut und Liebe in diesen Film geflossen sind. Tolle Rockabilly-Songs (mein Fave ist "Doin' Time for being young") untermalen wunderbar selbstironische Szenen, die ihren Gegenstand jedoch niemals demontieren. Unangefochtenes Highlight dürfte die French-Kiss-Orgie am Turkey Point, dem Hangout der Drapes sein: Mehr Zunge bekam man wohl noch nie in einem Nicht-Porno zu sehen. Die schöne Doku, die die deutsche DVD ziert (die leider ohne Outtkes oder Deleted Scenes auskommen muss), macht einem anschließend noch einmal richtig bewusst, was für eine sympathische Ausnahmeerscheinung John Waters in der Filmlandschaft ist. Das muss man auch dann neidlos anerkennen, wenn man - so wie ich - nicht zu seinen Die-hard-Fans gehört.
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