Der Monroe ihre dicken Hupen
#691
Geschrieben 20. Februar 2007, 20:29
Ryan O'Neal ist der "Driver", ein professioneller Fluchtwagenfahrer. Gelassen, fast schon gelangweilt sitzt er im Wagen und wartet ohne Regung auf seine Passagiere. Wenn sie einsteigen, gerät er zwar mit seinem Auto in Bewegung, er selbst bleibt aber genauso ruhig wie vorher. Überhaupt zeigt er kaum eine Gefühlsregung, egal in welcher Situation er sich befindet. Er tut stets das, was nötig ist, eiskalt und präzise. Er hat klare Prinzipien, doch gleichzeitig ist er enorm anpassungsfähig: Zwar verabscheut er Waffen, doch wenn die Regeln sich ändern, dann weiß er genau, was zu tun ist. Der Driver behält auch dann das Lenkrad fest im Griff, wenn er nicht im Auto sitzt. Und wenn seine Verfolger ihm zu nahe kommen, dann muss er eben die Spur wechseln.
Ihm gegenüber steht der Polizist (Bruce Dern), sein erbittertster Feind. Er will den Driver so dringend fassen, dass er dafür sogar Verbrecher mit einem Banküberfall beauftragt. Es geht ihm schon lange nicht mehr um die Aufrechterhaltung des Gesetzes: Die Jagd auf den Driver ist längst zu einem Spiel geworden und er hat es satt, ständig auf der Verliererseite zu stehen. Doch er hinkt seinem Antipoden immer hinterher, so sehr er ihm auch schon auf die Schliche gekommen ist. Der Polizist wohnt mittlerweile beinahe in einem Auto, in einem hässlichen grauen Lieferwagen, an dessen Steuer aber ein anderer sitzt: Der Polizist hat sich dem Leben des anderen angenähert, aber er scheut sich davor, es in letzter Konsequenz anzunehmen.
In Walter Hills zweitem Spielfilm erkennt man viele wiederkehrende Aspekte des Hillschen Schaffens wieder: Die Bewegung, die ja der Triebmotor des Actionfilms ist, , findet sich in THE DRIVER in seiner nacktesten Form. Er erhebt einen Typ zum Hauptcharakter, besser: zur Hauptfigur, der in anderen Actionfilmen bestenfalls schmückendes Beiwerk ist. Der Fluchtwagenfahrer ist ja sonst immer das schwächste Glied in der Kette, ist derjenige, der meist alles vermasselt und umgelegt wird. Und selbst, wenn er alles richtig macht: Der Held, das ist immer der mit dem Plan. In THE DRIVER kann sich der Fahrer seine Auftraggeber aussuchen und ER ist es, der den Stümpern die Zusammenarbeit verweigert. Er ist der Gott der Bewegung, er findet immer einen Weg. Dabei bleibt er selbst, siehe oben, komplett unbewegt. Bei Hill ist die Bewegung Bestandteil des Stillstands, der Stillstand in die Bewegung integriert.
Das andere Motiv, das des Spiels, ist ja in späteren Filmen des Regisseurs nicht mehr so präsent, während es in HARD TIMES und eben in THE DRIVER noch allegegenwärtig ist: Das Leben ist ein Spiel (es taucht etwas weniger deutlich akzentuiert auch in THE WARRIORS, JOHNNY HANDSOME (das "Verkleiden" bzw. "(De)Maskieren") oder LAST MAN STANDING auf), in dem wir alle eine uns auf den Leib geschriebene Rolle übernehmen. Da ist schon der Blick auf die Figurennamen sehr erhellend: Da gibt es "The Driver", "The Detective", "The Player", "The Connection" – jede Figur hat genau eine Funktion, aber keinen Namen. THE DRIVER ist vielleicht der Hill-Film, in dem sein Drang, gängige Actionplots auf ihr abstraktes Gerüst zu reduzieren, am deutlichsten zu Tage tritt. Genau das drückt auch der Polizist aus, wenn er sagt: "I'm gonna help you be a better cop. You know how? You know what you do first thing every morning? Read the sports page. You know why? Best part of the newspaper. Winners, losers, how it happened, score." Hills Filme funktionieren wie eine Rechnung, das menschliche Drama wird auf die nackten Zahlen reduziert.
Drittes konstituierendes Merkmal eines Hill-Films sind natürlich die Duellsituationen: Das sich gegenseitige Umkreisen und Belauern, schließlich der Moment, in dem die Spannung sich auf einen Sekundenbruchteil verdichtet. Das findet sich sowohl in den Verfolgungsjagden immer wieder, wenn sich die Autos gegenüberstehen und aufeinanderzufahren, aber auch in den Begegnungen zwischen dem Polizisten und dem Driver, zwischen dem Polizisten und "The Player" (Isabelle Adjani). Die Fronten sind bei Hill von Beginn an klar: Der Polizist weiß vom Driver und umgekehrt. So besteht ihre Beziehung vor allem aus diesem nervenaufreibenden Warten darauf, dass der andere einen Fehler macht. Die Spannung bezieht Hill aus der Frage, wer den ersten Fehler machen wird, wer als erster die Geduld verliert und die Regeln des Spiels ändert. Hill ist ein Westernregisseur: Das kulminiert in einer Sequenz, in der sich der Driver und ein Gegner in einer Lagerhalle mit ihren Autos im Schritttempo verfolgen, annähern und förmlich abtasten.
Fürs Protokoll: THE DRIVER ist fantastisch. Wer sich vorstellen kann wie es wohl aussähe wenn ein Mathematiker, Formallogiker oder ein Grammatiker einen Actionfilm machten, wird an Hills Film(en) seine helle Freude haben. Näher war das Actionkino wohl noch nie am Kunstfilm dran. Doch es gibt auch Bauchmomente: Neben den Verfolgunsjagden ist wohl die verzweifelte, enttäuscht-ermüdete Geste vom Polizisten am Ende am eindrucksvollsten, wenn er merkt, dass sein schöner Plan nur deshalb nicht aufgegangen ist, weil auch der Driver zum allerersten Mal einen Fehler gemacht hat. Überhaupt Bruce Dern: Der ist verdammt groß als besessener Arschloch-Cop. Ryan O'Neal muss demgegenüber eigentlich nur gut aussehen. Das er das kann, hat er ja schon vorher bewiesen.
#692
Geschrieben 21. Februar 2007, 21:06
Heavenly Blues (Peter Fonda) und Loser (Bruce Dern) gehören den Hell's Angels an und haben sich als solche Randale, Drogen und Freiheitsrausch auf die Fahnen geschrieben. Bei einer Schlägerei mit ein paar Mexikanern greift die Polizei ein und Loser wird von seinen Kumpels getrennt. Auf der entbrennenden Verfolgungsjagd fängt er sich eine Kugel ein und landet im Krankenhaus. Blues setzt alle Hebel in Bewegung, um seinen besten Freund zu befreien. Der Plan gelingt, doch Loser überlebt die Strapazen (und den wenig rücksichtsvollen Umgang seiner Bikerfreunde mit ihm) nicht. Bei der anschließenden Trauerfeier in einer kleinen Kirche kommt es zur Orgie, beim Beerdigungsversuch zur Massenschlägerei. Blues weiß: Der Traum von der Freiheit ist ausgeträumt ...
THE WILD ANGELS stand schon seit gut zehn Jahren auf meiner To-watch-Liste und der aufgestaute Erwartungsdruck hat dem Film dann auch nicht so gut getan. Statt einem wilden Exploiter mit viel Humor und zitierfähigen Dialogen inszenierte Corman einen durchaus kritischen Film, der das Ende von Flower-Power und Hippietum schon ganze drei Jahre vor Altamont und dem Mord an Sharon Tate und immerhin zwei vor dem ideellen und ungleich berühmteren Kollegen EASY RIDER prophezeit. Schuld an diesem Niedergang sind in THE WILD ANGELS nicht unbedingt Polizeigewalt und Staat oder die Ignoranz der Rednecks, sondern die eigene Unbeweglichkeit und ein dumpfer Hedonismus, der schließlich in Selbstzerstörung mündet. Wenn Blues bei der Zeremonie für seinen Freund Loser den Pfarrer zur Rede stellt und sein eigenes Lebenskonzept auf die Formel "Spaß haben, feiern, frei sein" bringt, fällt ihm schließlich selbst auf, wie bescheuert das klingt, wenn man gerade dabei ist, seinen besten Freund zu beerdigen. THE WILD ANGELS wirkt trotz seiner Laufzeit von 85 Minuten beinahe wie ein Kurzfilm, weil er ohne jeglichen Subplot oder auch nur einen Antagonisten für die Rockergang auskommt. Ein paar Schlenker mehr hätten dem Film sicherlich gut zu Gesicht gestanden. So bleiben letztlich nur die Besetzung hängen – neben den beiden Hauptdarstellern (Bruce Dern verbringt die Hälfte des Films sehr überzeugend als Leiche) agieren Nancy Sinatra, Diane Ladd und Michael J. Pollard sowie Corman-Regular Dick Miller in einer kleinen Nebenrolle – und eben die Kirchenzeremonie, bei der eine schmucke Hakenkreuzflagge über dem Altar ausgebreitet wird.
#693
Geschrieben 24. Februar 2007, 15:01
Montgomery Brewster (Richard Pryor) ist ein zweitklassiger, alternder Baseballspieler ohne Hoffnung auf eine große Karriere. Doch alles ändert sich als ein entfernter Verwandter ihn zum Alleinerben macht. Der Haken an der Sache: An die 300 Millionen Dollar kommt Brewster nur, wenn er es schafft, innerhalb von 30 Tagen 30 Millionen Dollar zu verpulvern, ohne irgendeinen Besitz oder Gewinn anzuhäufen und irgendjemanden von dem Hintergrund seines Prasssucht zu erzählen ...
BREWSTER'S MILLIONS basiert auf dem Roman von George Barr McCutcheon aus dem Jahr 1902 und darf mit Fug und Recht als kleiner Klassiker betrachtet werden: Zwischen 1914 und 1985 entstanden nicht weniger als fünf direkte filmische Adaptionen des Buches, von denen Walter Hills Film die bislang letzte ist. Aus dem Schaffen des Regisseurs fällt die Komödie dann auch ziemlich weit heraus. Allenfalls dass Brewster – wie so viele von Hills Hauptfiguren – hier ein Schwarzer ist sowie die latente Kapitalismuskritik mögen ein Indiz für die Involvierung des Regisseurs sein, ansonsten trägt BREWSTER'S MILLIONS das Zeichen einer typischen Auftragsarbeit, die nach den Erfolgen seines Regisseurs mit 48 HRS. und THE WARRIORS zwangsläufig irgendwann kommen musste (auf Ersteren finden sich einige explizite Anspielungen und Referenzen). Das heißt jedoch nicht, dass BREWSTER'S MILLIONS schlecht ist. Mit Pryor und John Candy finden sich zwei exzellent aufgelegte Darsteller und Hill gelingt es die Komödie vor allem in der ersten Hälfte mit der Rasanz eines Actionfilms auszustatten, was mich teilweise an Billy Wilders ONE, TWO, THREE denken ließ. Insgesamt eine durchaus runde Sache und ein Film, den es sich gerade für Achtziger-Fans wiederzuentdecken lohnt, auch wenn er an die ganz großen Komödienklassiker dieses Jahrzehnts nicht ganz rankommt. Mehr fällt mir dazu jetzt aber auch nicht mehr ein.
#694
Geschrieben 25. Februar 2007, 22:39
Als zwei seiner Kollegen vom frisch aus staatlicher Obhut ausgebrochenen Albert Ganz (James Remar) umgebracht werden, setzt der abgerissene Cop Jack Cates (Nick Nolte) alles daran, den Lump zu erwischen. Dazu holt er dessen ehemaligen Partner Reggie Hammond (Eddie Murphy) aus dem Bau, der auch noch eine Rechnung mit Ganz offen hat ...
Buddy-Movies gab es in den Achtzigern wie Sand am Meer, doch dieser hier, der dem Genre die Renaissance erst verschaffte, ragt auch 25 Jahre später noch aus der meist gesichtslosen Masse heraus. Das liegt zuvorderst an der Chemie zwischen Nolte und Murphy, die beide hervorragend aufgelegt sind und ihre überlebensgroßen Charaktere mit viel Leben füllen. Der gerade mal 21-jährige Eddie Murphy wurde mit diesem Film quasi über Nacht verdientermaßen zum Superstar, doch der geifernde, schreiende und motzende Nick Nolte lässt sich von diesem Jungspund nicht die Butter vom Brot nehmen. Was 48 HRS. jedoch neben der Leistung seiner Hauptdarsteller von seinen Epigonen abhebt und ihn auch heute noch zu einem echten Gewinner macht, sind das pointierte und einfallsreiche Drehbuch (u. a. Roger Spottiswoode und Steven E. de Souza), das genau die richtige Mischung aus witzigen und spannenden Momenten findet, und die versierte Regie von Walter Hill. Anstatt sich ganz auf die komödiantischen Aspekte zu stürzen, akzentuiert Hill die ruppige Seite der Story, geizt nicht mit brutalen Shootouts und lässt seinen Kameramann Ric Waite die urbanen Schattenseiten San Franciscos ablichten. Ja, 48 HRS. ist ein ziemlich finsterer Film: Oberfiesling Ganz ist kein überzogener Superbösewicht, wie man ihm ja sonst in Genrebeiträgen des Jahrzehnts ziemlich häufig begegnet, sondern einfach nur ein kleiner mieser Gewaltverbrecher mit extrem nervösem Zeigefinger. Es wird ziemlich fleißig gemordet und gestorben und das meist auf sehr unsanfte Art und Weise: kein Vergleich zu den meist familienfreundlichen Späßen, durch die etwa Richard Donner seine Kumpels in den LETHAL-WEAPON-Filmen hetzte. Diese ganz oberflächliche Düsternis spiegelt sich aber auch im Gesellschaftsbild wider, das Hill zeichnet. Wie in fast allen seinen Filmen brodelt unter der Oberfläche der latente Rassismus. Schwarze, Weiße, Indianer: Alle scheinen sich gegenseitig zu hassen.
Stilistisch legt 48 HRS. Zeugnis von der Westernleidenschaft seines Regisseurs ab: Auch wenn er nach dem Vorspann die Weite der Prärie hinter sich lässt, bleiben die Strukturen des Westerns stets klar erkennbar, am deutlichsten natürlich im unumgänglichen Duell am Schluss. 48 HRS. ist ein Meilenstein des Achtziger-Mainstream-Kinos und Beleg dafür, dass Hill auch kommerziellere Stoffe mit sehr viel Stil und inszenatorischem Geschick in aufregende und anspruchsvolle Filme verwandeln kann. Für Hill-Afficionados gibt es ein Wiedersehen mit vielen seiner Stammschauspieler, neben James Remar treten David Patrick Kelly auf, dessen Figur hier denselben Namen trägt wie sein Charakter aus THE WARRIORS, sowie Brion James und Sonny Landham. Und es gibt eine erste Begegnung mit dem Gimmick-Kugelschreiber aus EXTREME PREJUDICE ...
#695
Geschrieben 25. Februar 2007, 23:20
Jack Cates (Nick Nolte) jagt einen geheimnisvollen Drogenbaron, der sich "Iceman" nennt, den aber noch niemand gesehen hat. Als er bei seinen Ermittlungen das Foto seines ehemaligen Gehilfen Reggie Hammond (Eddie Murphy) bei einem Toten findet, besucht er diesen erneut im Knast. Es stellt sich heraus, dass Reggie der Einzige ist, der den Iceman je zu Gesicht bekommen hat, und der will den Ex-Häftling verständlicherweise aus dem Weg räumen. Ebenso wie Cherry Ganz (Andrew Divoff), der Bruder des im ersten Teil erschossenen Partners von Reggie ...
Sequel-Business as usual, könnte man meinen: Das Drehbuch begnügt sich damit, die Geschichte des erfolgreichen ersten Teils noch einmal ohne große Variationen zu erzählen. Alles ist ein bisschen größer, die Story schlägt ein paar Haken mehr, wird dadurch aber eher unglaubwürdiger und lässt den unaufhaltsamen Drive des Originals vermissen. Da ist es dann an Walter Hill, den Karren aus dem Dreck zu ziehen und das gelingt ihm ganz gut. Die Western-Elemente werden gleich in der Eröffnungssequenz wieder aufgegriffen und mit der Zeichnung der Todesschwadron um Cherry Ganz als motorisierter Rockerbande auf die Spitze getrieben. In Sachen Action legt das Sequel ebenfalls nochmal eine Schippe drauf, der Zuschauer gerät förmlich unter Dauerbeschuss. Das ist tatsächlich wörtlich zu nehmen: Auffallend sind die schon fast inflationär gebrauchten Bilder von Menschen, die durch Fensterscheiben fliegen. Spätestens, wenn die Rocker auf ihren Feuerstühlen durch die Leinwand eines Kinos heizen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Hill sich dabei etwas gedacht hat. Tatsächlich ist die Action bei Hill ja selten zum Bejubeln geeignet, sondern immer eher schmerzhaft, eruptiv und brutal. So wird man als Betrachter gleich in doppelter Hinsicht in den Film gezogen. Oft tritt die Plausibilität gegenüber diesen angestrebten somatischen Effekten völlig in den Hintergrund: So zum Beispiel in der Szene, in der die Böslinge ganz plötzlich und zur Überraschung sowohl der Zuschauer als auch Reggies in den Bildkader einbrechen, obwohl zumindest Letzterer sie schon vorher hätte bemerken müssen. So bleibt ein zwar furioser aber leider inhaltlich recht austauschbarer Film heraus. Mir hat er trotzdem gefallen: ANOTHER 48 HRS. ist inszenatorisch über jeden Zweifel erhaben und dem Team Nolte – Murphy habe ich auch gern ein zweites Mal 90 Minuten meiner Zeit geschenkt.
#696
Geschrieben 26. Februar 2007, 13:13
Nach der Sichtung im letzten Sommer und den heißen Diskussionen hier im Forum an verschiedener Stelle nun also die Zweitsichtung. Zuerst etwas Editions-Philologie: Mann scheint ein paar Lücken gekittet zu haben, jedenfalls kam mir der Film weniger elliptisch vor als in der normalen Kinofassung. Die einzige Änderung, die mir aber bewusst aufgefallen ist, ist der veränderte Einstieg in den Film.
Auch wenn ich also diesmal weniger den Eindruck hatte, dass Mann mit seiner Narration gegen die Genrekonventionen verstößt, bleibt dennoch sehr offensichtlich, dass MIAMI VICE kein Polizei- oder Actionfilm ist, sondern ein Drama um die menschliche Verfassung im Spätkapitalismus im Gewand einer ungemein tragischen Liebesgeschichte. Die Undercover-Cop-Story dient hier sehr augenfällig als Metapher: Crockett und Tubbs sind in ihren Körpern nicht zu Hause, haben keine echte Identität. Ja, sie sind noch nicht einmal das Mosaik verschiedener Persönlichkeiten, sondern eigentlich komplett leer. Nicht, weil sie es wirklich sind, sondern weil sie eine unüberwindbare Mauer um sich herum errichtet haben. Erst wenn sie ihre Rollen als Drogentransporter übernehmen, erlangen sie Sicherheit und Charakter. Da verwundert es dann auch nicht, dass Crockett ausgerechnet dann, wenn er spielt, die große Liebe findet, die ihm sonst verwehrt geblieben ist. Es hieß überall, dass Manns Charaktere flach seien, auch ich bin diesem Trugschluss aufgesessen. Aber das stimmt nicht. Es brodelt unter der Oberfläche, da ist etwas, das aber unbenannt bleibt, bloße Ahnung. Mann lässt seine Figuren keine langen erklärenden Monologe halten, lieber belässt er es bei kurzen schüchternen Andeutungen. Da blickt Crockett dann mitten in einer strategischen Besprechung sehnsüchtig und abwesend auf das offene Meer hinaus, ohne dass eine Emphase auf diese kurze Geste gelegt würde. Manns Charaktere sind nicht flach, sie sind lediglich verschlossen. Und je näher er mit der Authentizität und Nähe suchenden Kamera an die Gesichter seiner Antihelden heranrückt, umso mehr prallt er an ihnen ab: Man kann dem Menschen nicht hinter die Stirn gucken. Dieser Kontrast von endloser Weite und bedrückender Nähe ist eines der zentralen Stilmittel des Films: Nach Sehnsucht erweckenden Wolken- und Meerespanoramen, in denen man sich verlieren will, wird man zurück geworfen in die Enge des Flugzeugcockpits, des Schnellbootes, des Autos - sowieso ist auffällig, dass die Menschen in MIAMI VICE in immer modernere Beschleunigungsmaschinen steigen müssen, um sich ihrer Lebendigkeit zu versichern. Natürlich gelingt es ihnen nicht, im Gegenteil. Ihr Mangel tritt nur umso deutlicher hervor.
MIAMI VICE hat mich gestern beinahe sprachlos zurückgelassen. Manns Film ist von einer stilistischen Schönheit, gleichzeitig aber von einer Hoffnungslosigkeit und Tristesse geprägt, dass man heulen möchte. Die Glitzerwelt Miamis ist trügerisch: So weit man auch über den Golf von Mexiko fährt, man kann sich selbst nicht entkommen. Am Ende des Tages bleibt das flaue Gefühl im Magen, die Erinnerung an den Duft der aufgeheizten Haut der Geliebten, die nun für immer fort ist, an den Geschmack des gemeinsam getrunkenen Mojito. Das lähmende Gefühl des Verlustes wie des Gefangen-Seins im eigenen defizitären Ich. In seiner stilistischen Geschlossenheit ist MIAMI VICE die konsequenteste Umsetzung dieser Standardthemen Manns. Ein Film der ebenso stark anzieht, wie er abstößt. Wir sind alle Crocketts. Ein Monument.
#697
Geschrieben 02. März 2007, 17:47
Als ein alter Kumpel des Detroiter Chaosbullen Axel Foley (Eddie Murphy) nach gemeinsamem Saufgelage vor dessen Wohnungstür exekutiert wird, nimmt dieser einen kleinen „Urlaub“ und macht sich dieser zwecks privater Ermittlungen auf den Weg ins schnieke Beverly Hills, wo der Tote bis vor kurzem noch für den zwielichtigen Kunsthändler Victor Maitland (Steven Berkoff) gearbeitet hat. Foleys offensives und unkonventionelles Vorgehen bringt ihm erst den Ärger seiner kalifornischen Berufskollegen ein, dann aber zunehmend Respekt. Und schließlich lassen sich die sonst so zugeknöpften Luxuspolizisten vom Enthusiasmus der Schnodderschnauze anstecken ...
BEVERLY HILLS COP war der größte Hit des Kinojahres 1984 und machte seinen Hauptdarsteller für kurze Zeit zum absoluten Megastar. Wenn man heute sieht wie sehr der Film von seinem Hauptdarsteller an sich gerissen wird, kann man sich kaum vorstellen, dass er nach Sylvester Stallone und Mickey Rourke nur die dritte Wahl für den Part des Axel Foley war. Manches an BEVERLY HILLS COP mutet heute, knapp ein Vierteljahrhundert später, etwas anachronistisch an: Heute würde dieser Film in der vorliegenden Form kaum noch den Weg ins Kino finden. Es gibt kaum echte Schauwerte, stilistisch ist der Film, vom Faltermeyer-Soundtrack vielleicht abgesehen, eher unauffällig, das Drehbuch konnte man schon in den Achtzigern als nicht mehr als formelhaft bezeichnen. Dennoch ist BEVERLY HILLS COP auch heute noch ein echtes Vergnügen, was einzig und allein dem sensationell guten Casting und den hervorragend aufgelegten Darstellern zu verdanken ist, denen es gelingt, ihre hauchdünnen Charaktere mit maximalem Leben zu füllen und den Film erst zum Leben zu erwecken. Ob das der fantastisch aufgelegte Eddie Murphy ist, dessen echtes schauspielerisches Talent m. E. erst in der Originalfassung so richtig zum Vorschein kommt, Judge Reinhold und John Ashton als steife Beverly-Hills-Bullen Rosewood und Taggart, Ronny Cox als strenger aber durch und durch anständiger Polizeichef Bogomil oder eben Steven Berkoff als Oberschurke: Sie alle packen ihre Charaktere und rennen mit ihnen von dannen. Und selbst in den kleineren Rollen und Kurzauftritten brillieren Schauspieler wie James Russo, Paul Reiser, Bronson Pinchot, Jonathan Banks, Gilbert Hill und Damon Wayans. So sehr BEVERLY HILLS COP also auch von den Eskapaden seines Hauptdarstellers lebt, man hat dennoch nie den Eindruck einem lieblos zusammengekloppten Starvehikel beizuwohnen. Gute, witzige Unterhaltung und trotz allem unzweifelhaft ein Klassiker des Achtziger-Popcorn-Kinos.
#698
Geschrieben 02. März 2007, 17:48
Nach den Ereignissen aus Teil eins ist eine kollegial-freundschaftliche Beziehung zwischen Axel Foley und seinen Kollegen aus Beverly Hills entstanden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Detroiter Bulle sofort seine sieben Sachen packt und an seine zweitliebste Wirkungsstätte zurückkehrt, als er die Nachricht erhält, dass auf Bogomil ein Mordanschlag verübt wurde. In Beverly Hills hat sich inzwischen einiges verändert: Rosewood ist zum waffenliebenden Dirty-Harry-Pendant gereift, die Methoden sind nach den Erlebnissen mit Foley insgesamt lockerer geworden, was dem neuen Polizeichef, einem machtgeilen Paragrafenreiter wie er im Buche steht, überhaupt nicht gefällt. Und so steht diesmal nicht nur Foleys Job auf dem Spiel, sondern auch der von Rosewood und Taggart ...
Typische Sequelware: Die besten Gags wurden nochmal aufbereitet, erneut ein schmissiger Synthiepop-Soundtrack geschrieben und den beliebten Figuren aus dem ersten Teil etwas mehr Platz eingeräumt. Der alte, etwas biedere Inszenierungsstil von Martin Brest wurde außerdem zugunsten der Videoclip-Ästhetik von Tony Scott verabschiedet, sodass BEVERLY HILLS COP II mit seinen zahlreichen durch Filter verfremdeten Bildern nun als früher Vorbote eines Michael Bay durchgeht. Filmhistorisch lässt sich außerdem der Einfluss der Mittachtziger-Actionklopper von Stallone und Schwarzenegger kaum leugnen: BEVERLY HILLS COP II ist ein Stück ruppiger als sein Vorgänger, vor allem im Finale werden schwere Geschütze aufgefahren. Insgesamt ist das Sequel aber ein durch und durch zwiespältiges Vergnügen, das alles das vermissen lässt, was den Vorgänger zum Hit gemacht hat: Scotts Film wirkt einfach leb- und lieblos. Das spiegelt sich beinahe perfekt in der Besetzung der Bösewichter mit Jürgen Prochnow und Brigitte Nielsen wider, die hier nicht mehr als übel gelaunt dreinblickende Pappfiguren sind. Auch Eddie Murphy wirkt über weite Strecken gelangweilt, seine Gag-Reprisen sind nicht lustiger, sondern allenfalls lauter. Einziger echter Lichtblick ist Judge Reinhold, den ich ja für einen der sympathischsten und verlässlichsten Achtziger-Nebenrollenschauspieler halte. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Fazit: Kann man gucken, muss man nicht
#699
Geschrieben 03. März 2007, 14:26
Bei einer vermeintlich harmlosen Razzia in einer Werkstatt, in der geklaute Autos frisiert werden, kommt es zur großen Ballerei, weil Axel Foley und seine Kollegen zur falschen Zeit am falschen Ort sind: Die Werkstatt wrd nämlich soeben vom schurkischen Ellis DeWald (Timothy Carhart) überfallen. Im Verlauf der Schießerei muss Foleys Chef Todd dran glauben. Foley schwört Rache – und natürlich will es das Schicksal so, dass ihn die Spur nach Beverly Hills führt: in den Theme Park Wonder World ...
Es gibt Flops und es gibt Flops: Manche Filme erreichen einfach nicht ihr Publikum, obwohl sie es verdient hätten; gegen andere scheinen sich die Medien verschworen zu haben und ruinieren ihn schon, noch bevor er ein Kino von innen gesehen hat; andere Filme sind von vornherein dazu bestimmt, zu verlieren; manche sind ihrer Zeit einfach voraus; und wieder andere offenbaren sich bei Betrachtung als solche unfassbaren Fehlkonzeptionen, dass man sich fragt, wie es dazu kommen konnte. Bei BEVERLY HILLS COP III handelt es sich unzweifelhaft um einen Fall der letzten Kategorie. Warum kam jemand im Jahre 1994 auf die Idee, die brachliegende Serie aufzugreifen, die ja schon zu ihren Erfolgszeiten nicht die originellste war? Was dachte sich John Landis dabei, diesen offenkundig massiv unterbudgetierten und mit einem zum Gottserbarmen miesen Drehbuch von Steven E. DeSouza versehenen Film zu drehen und damit seine eh schon im Niedergang befindliche Karriere endgültig zu ruinieren? Man weiß es nicht. Die Story ist hanebüchen, die Verbindung zur ursprünglichen Serie marginal, der ganze Film wimmelt von Plotholes und logischen Fehlern. Was die ersten beiden Filme noch funktionieren ließ – die Chemie zwischen den Darstellern, die lose Schnauze von Eddie Murphy –, ist hier schmerzhaft abwesend. Murphy, mittlerweile ein Etablierter mit bereits einigen Flops im Nacken, kommt rüber wie eine jüngere Version von Bill Cosby. Den streetsmarten Bullen nimmt man ihm nicht mehr ab, vielmehr scheint er sich mit seinem überkandidelten Gegrinse für die in den folgenden Jahren kommenden Disney-Vehikel zu empfehlen. Und was in den Neunzigern mit Landis passiert ist, der in den Achtzigern einen Hit nach dem anderen abfeuerte, wird auch auf ewig ein Rätsel bleiben. Sicherlich war er nie jemand, der besonders geistvolle Filme gedreht hat oder (mit Ausnahme von AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON vielleicht) besonders geschickt in Sachen Dramaturgie war – seine Filme waren ja immer schon stark episodisch angelegt und auf ihre Hauptdarsteller ausgerichtet –, hier gelingen ihm aber noch nicht einmal mehr vereinzelte Momente. Alles wirkt müde und lahm, der Humor ist flach, dafür aber mit unerträglichen Emphasen versehen: Alle lachen! Jetzt! Lustiglustiglustig! – Äh, nein. Danke. Was bleibt ist eine potenziell witzige Entwicklung von Judge Reinholds' Rolle, ansonsten ist alles scheiße oder müde Reprise aus dem ersten Teil. BEVERLY HILL COP III kommt rüber wie eine Veranstaltung beim Kinderkarneval, ein tuckiges Musical ohne Musik oder eine besonders nervtötende Zirkusvorstellung. Unterirdisch.
#702
Geschrieben 05. März 2007, 20:01
Chandler Jarrell (Eddie Murphy) ist ein guter Junge: Er sucht per Handzetteln nach vermissten Kindern. So steht bald die exotische Schönheit Kee Nang (Charlotte Lewis) vor seiner Tüt, bezeichnet ihn als "Chosen One" und erzählt nicht vom Pferd, sondern vom goldenen Kind, einem übersinnlich begabten Kind, das vom bösen Sardo Numspa (Charles Dance) gekidnappt wurde, weil die Ermordung des Balgs den handelsüblichen Einmarsch des Teufels herbeiführen soll. Nach viel Hickhack beschließt Chandler zu helfen und den Kampf gegen das Böse aufzunehmen.
Bei der IMDb-Recherche habe ich erstmal einen kleinen Schock erlitten: Michael Ritchie, Regisseur dieses Films, ist 2001 verstorben. Das wusste ich nicht. Traurig, traurig, denn mit ihm verabschiedete sich einer der großen Kinoroutiniers alter Schule, von denen es nicht mehr viele gibt. Zu seinen Filmen zählen unter anderem PRIME CUT, THE BAD NEWS BEARS, der Piraten-Horrorfilm THE ISLAND, FLETCH und FLETCH LIVES und einige mehr. Ritchie war in vielen Genres zu Hause und auch wenn ihm ein genuiner Stil abging, brachte er doch immer sehr ordentliches Unterhaltungskino über die Rampe. Und in genau diese Kategorie fügt sich auch THE GOLDEN CHILD mit dem damaligen Shooting Star Eddie Murphy ein. Im Grunde genommen ist THE GOLDEN CHILD ziemlich aufgeblasener Blödsinn: albernes, hoffnungslos überproduziertes Crossover-Kino, das sich sowohl an Murphys Komödienerfolge – vor allem seine in BEVERLY HILLS COP erprobten Späße werden hier ausgiebig aufgegriffen – als auch an den Fantasy-beeinflussten Abenteuerfilm vom Schlage etwa der ROMANCING THE STONE-Hits anlehnt. Wirklich nahrhaft ist das alles nicht und wer mit solcherlei Späßen nix anfangen kann, findet hier auch ausgiebig Anlass, noch weiter auszuholen. Der Humor ist teilweise äußerst chauvinistisch, Murphys Charakter entspricht dem Klischee des bornierten, von sich selbst überzeugten Amerikaners schon fast idealtypisch. Ich habe mich trotzdem bepisst, als Chandler an Bord eines tibetanischen Flugzeugs mit Sitarmusik beschallt wird und diese mit spontan improvisierten tibetanische Texte veredelt. Was mir an Ritchies Film aber mit Abstand am meisten Spaß bereitet hat, das ist dieser konzeptionelle Irrsinn, mit dem er sich von der typischen Murphy-Komödie über den düsteren, übersinnlichen Krimi zum effektlastigem Fantasy- und Horror-Hokuspokus entwickelt. Irgendwie funktioniert das alles, ebenso wie die Effekte, so hoffnungslos veraltet sie auch sind – Hut ab vor allem für den Tanz der Pepsi-Dose. Keine vollwertige Mahlzeit also, aber ein perfekter Time-Waster für den Feierabend: schön bunt, schnell, laut, abwechslungsreich und garantiert gehaltlos.
#703
Geschrieben 05. März 2007, 20:17
Nachdem der Lehrer Rick Latimer (James Belushi) gerade mit einem Baseballschläger den Porsche des Neuen seiner Ex-Frau "gepimpt" hat, wird er von seiner Schule promt befördert: zum Direktor von Brandel High, der übelsten Schule der Stadt. Die Lehrer dort haben längst aufgegeben, die Gänge werden vom fiesen Victor Duncan (Michael Wright) regiert, der die gesellschaftlichen Verlierer, überwiegend Schwarze und Latinos, mit Stoff versorgt. Mit der Ankunft Latimers kehren andere Sitten ein: Der vermeintliche Loser hat die Faxen dicke vom Wegrennen und sagt den Rowdies den Kampf an ...
THE PRINCIPAL ist so ein Film, den ich in meiner Jugend rauf und runter geguckt, dann aber irgendwann völlig aus den Augen und aus dem Sinn verloren habe. Ich konnte mich gestern wirklich nur noch sehr marginal an den Film erinnern. Der Actionreißer, den das Cover verspricht, ist er zwar nicht, aber er ist auch gar nicht mal so hohl, wie man vielleicht erwarten könnte. Im Vergleich mit solchen verlogenen Sozialmärchen vom Schlage eines DANGEROUS MINDS bleibt THE PRINCIPAL mit beiden Füßen fest am Boden. Hier werden die übelsten Subjekte nicht zu braven Staatsbürgern umgemodelt, sondern in den Bau gesteckt. Und am Ende ist der Kampf zwar gewonnen, doch Brandel bleibt das Rattenloch für die Ärmsten der Armen. Dass Christopher Cains Film niemals in üblen Kisch abdriftet und glaubwürdig bleibt, liegt auch an James Belushi, der hier wirklich die Idealbesetzung für die Rolle des Lehrers mit geplatztem Kragen ist. Seine "No more!"-Rede in der Aula ist wirklich klasse. Auch Louis Gossett jr. ist hier ausnahmsweise mal zu ertragen, genauso wie Rae Dawn Chong, die die Rolle der tapferen Lehrerin abbekommen hat, daraus aber das beste macht. Zusätzliche Authentizität erhält der Film durch sein trostlos-düsteres Setting, das vor allem für den recht spannenden Showdown optimal genutzt wird. Wenn man denn an irgendetwas rumnörgeln möchte, bleibt meines Erachtens nur der Soundtrack, der mit ziemlich furchtbarem Eighties-Ausschuss.Poprock gefüllt ist. Insgesamt also kein Klassiker, auch kein vergessener, aber dennoch recht ansehnlich, det janze.
#704
Geschrieben 06. März 2007, 12:50
Im amerikanischen Hinterland regiert der Fleischfabrikant und Zuhälter Mary Ann (Gene Hackman) mit drastischen Methoden. Wenn das organisierte Verbrechen aus Chicago seine Geldeintreiber vorbeischickt, werden diese prompt zu frischen Würstchen verarbeitet und umgehend zurückgesendet. Weil das den Bossen gar nicht gefällt, schicken sie Nick Devlin (Lee Marvin) nach Kansas: Er soll dem selbst ernannten Wurst-Kingpin entweder die 500.000 Dollar aus den Rippen leihern oder dafür sorgen, dass dieser nie wieder eine Fleischfabrik von innen sieht ...
Innerhalb von zwei Tagen der zweite Film von Michael Ritchie und entgegen meiner gestrigen Behauptung, Ritchie habe keinen wirklich erkennbaren Stil, legt er mit PRIME CUT nun einen ultraschrägen Gangsterfilm hin, der sich durch einen äußerst skurrilen Humor auszeichnet. Das beginnt schon bei der Creditsequenz, in der man dem Produktionsgang eines Würstchens beiwohnt, mit dem Unterschied, dass es hier kein Rinds-, sondern ein Menschenwürstchen ist. Mary Ann - der Name ist ein weiteres Beispiel für die vielen Irritationsmomente, die Ritchie streut - treibt die Gleichsetzung von tierischem Fleisch und menschlichem Leib pervers auf die Spitze: Frauen werden wie Vieh betäubt und bei großen Scheunenfesten aus Verschlägen heraus verhökert, während der Schirmherr sich an einem Teller mit frisch geschlachteten Eingeweiden gütlich tut und seine Philosophie zum besten gibt. In seinen saftigen Monologen wimmelt es nur so von herrlichen Fleischmetaphern, sodass man den Film schon fast in einem Atemzug mit Filmen wie THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE oder MOTEL HELL nennen möchte. Sowieso implementiert Ritchie klassische Gangsterfilm-Elemente in das Backwood-Genre und dieser Zusammenprall macht PRIME CUT absolut einzigartig. Bemängeln könnte man, dass es ihm nicht ganz gelingt, aus seiner Thematik einen wirklich geschlossenen, homogenen Film zu destillieren, aber darüber habe ich angesichts der vielen großartigen Set Pieces gern hinweg gesehen. Da werden in einer horriblen Mähdrescher-Verfolgungsjagd sowohl NIGHT OF THE LIVING DEAD als auch NORTH BY NORTHWEST zitiert, gibt es eine spektakulär gefilmte Schießerei in eine Sonnenblumen-Feld, eine denkwürdige Dinnerszene zwischen Lee Marvin und einer blutjungen Sissy Spacek in äußerst offenherzigem Gewande. Gekrönt wird das durch die schon erwähnten fantastischen Dialoge und die Leistung der beiden Hauptdarsteller, die sich in ihre Rollen verbeißen wie Bluthunde in ein gut abgehangenes Steak. Ein schlichtweg denkwürdiger Film, der jedem Vegetarier die Schuhe ausziehen dürfte. Super!
#705
Geschrieben 07. März 2007, 14:24
Eddie Murphy ist Prinz Akeem von Zamunda, eines paradiesischen Staates nirgendwo in Afrika. Trotz seiner 21 Jahre wird er verhätschelt wie ein Säugling: Er muss sich nicht anziehen, nicht selbst waschen und auch sonst keinen Finger krumm machen. Immerhin ist er alt genug, verheiratet zu werden, doch das schmeckt dem Prinzen nicht. Ihm steht der Sinn vielmehr danach, in die große weite Welt zu reisen und selbst die Frau fürs Leben zu finden. Der strenge Papa (James Earl Jones) gestattet seinem Sohnemann diesen Wunsch, weil er insgeheim glaubt, dass dieser sich nur ordentlich die Hörner abstoßen muss. Doch in Queens, New York trifft Prinz Akeem wirklich auf seine große Liebe ...
Ja, viel mainstreamiger kann es kaum noch werden. Romantic Comedies sind ja eigentlich das unwürdigste Genre der Welt, vor allem in seiner moderneren Ausprägung. Auch COMING TO AMERICA ist in vielerlei Hinsicht ziemlich scheußlich: Das Gspusi vom Prinzen (Shari Headley) ist eine schrecklich biedere und spießige Maus mit leuchtenden Kulleraugen, der Verlauf der Geschichte punktgenau vorhersehbar, wenn man als kleines Kind aufmerksam den Märchen gelauscht hat, die einem die Mama zum Einschlafen vorgelesen hat, und der Humor regt, wie man so schön euphemistisch sagt, eher zum Schmunzeln, denn wirklich zum Lachen. Hinzu kommt, dass er trotz seines kitschigen Themas im Gewand der grauen Maus daherkommt und heute eher an einen Fernsehfilm gemahnt. Da verwundert es rückblickend nicht gerade wenig, dass die zweite Kollaboration zwischen Landis und Murphy nach dem ungleich besseren TRADING PLACES unter dem Titel DER PRINZ AUS ZAMUNDA auch in Deutschland ein mehr als veritabler Hit war. Wirklich witzig sind eigentlich nur die vielen Auftritte von Murphy und seinem Co-Star Arsenio Hall in schwerer Maskerade (Courtesy of Rick Baker) als Prediger, schmieriger Kleinbühnen-Star mit Rick-James-Gedächtnis-Frisur, 70-jähriger Jude, Lügengeschichten erzählender schwarzer Ghettobarbier und dessen feixender Stammgast. Hier schimmert dann auch das komödiantische Genie Murphys durch, das ihn damals zum Star machte. Wenn man daran denkt, in welch unwürdigen Filmen er dieses Talent heute vergeudet (man denke nur an den grauenvollen NORBIT-Trailer, der derzeit läuft), kullert einem beinahe eine kleine Träne über die Wange. Aber auch für Landis ging es nach diesem Erfolg kontinuierlich bergab und seine Regie wirkt bereits reichlich lust- und inspirationslos. Dem kritische Betrachter fällt außerdem auf, dass in COMING TO AMERICA einem verklärenden Exotismus gehuldigt wird: Das kleine Zamunda wird zum Shangri-La hochgekitscht, in dem Elefanten und Zebras durch saftige grüne Gärten laufen und Frauen im dekorativen Fummel Samba tanzen. Gleichzeitig sind die USA trotz ihrer zahlreichen urbanen Verfehlungen natürlich still number one und irgendwie einfach super. Eine deutlichere Gegenüberstellung von Minderwertigkeitskomplexen und Kompensationswut fand man selten. Alles in allem also ein Film, dem die letzten 20 Jahre deutlich anzumerken sind, den ich aber trotzdem irgendwie auch mag. Und sei es auch nur, weil er so unglaublich leicht reinläuft ...
#706
Geschrieben 07. März 2007, 15:28
Louis Winthorpe III (Dan Aykroyd) ist ein junger, erfolgreicher Börsenmakler. Für seine Arbeitgeber Randolph und Mortimer Duke (Ralph Bellamy und Don Ameche) erwirtschaftet er einen Gewinn nach dem anderen. Sein raketengleicher Aufstieg nimmt ein jähes Ende als die beiden alten Herren ihn zum Objekt einer als soziologisches Experiment getarnten Wette machen: Randolph behauptet, dass man aus einem absoluten Verlierer einen erfolgreichen Geschäftsmann und aus einem solchen einen Kriminellen machen kann, sofern man sein Umfeld entsprechend manipuliert. Und so finden sich Winthorpe bald schon als Drogendealer im Knast und der schwarze Bettler Billy Ray Valentine (Eddie Muprhy) in feinen Zwirn im Dienste der Dukes wieder ...
TRADING PLACES gehört zu den Filmen, deren enorme Meriten mir immer wieder entfallen und die ich mir alle paar Jahre wieder vergegenwärtigen muss. Die gestrige Erstsichtung im O-Ton wird diese schöne Tradition sicher beenden, denn so gut wie gestern hat mir Landis' Film noch nie gefallen. Wenn man ihn zudem unmittelbar im Anschluss an Landis' fünf Jahre später entstandenen COMING TO AMERICA sieht, erscheint einem dieser gleich noch eine Nummer trister. TRADING PLACES weiß nämlich auch filmisch zu gefallen, anstatt sich nur auf seine Schauspieler zu verlassen. So schweift die Kamera schwelgerisch durch die mondänen Settings und statt zweitklassigem Synthiepop verwöhnen Mozart und Elmer Bernstein die Ohren. TRADING PLACES ist einer der ganz seltenen Filme, bei denen einfach alles stimmt. Die Schauspieler brillieren durch die Bank weg bis in die letzte Nebenrolle, stellen sich dabei aber immer in den Dienst des ganzen Films, das Drehbuch holt wirklich alles aus der tollen Grundidee heraus und schafft es, witzige und hintergründige Szenen gleichermaßen unter einen Hut zu bringen. Es wäre sicherlich ein leichtes Gewesen, den initialen Rollentausch zwischen Valentine und Winthorpe bis zum letzten auszuschlachten, doch damit begnügen sich Landis und seine Autoren zum Glück nicht. TRADING PLACES steht in der Tradition der großen Moralkomödien eines Frank Capra und wagt sich gegen Ende in die Gefilde von George Roy Hills THE STING vor. Er nimmt noch einmal gehörig Fahrt auf, als man sich eigentlich schon auf das finale Denouement eingestellt hat. Ja, noch nicht einmal der SCHLOCK-artige Gorillawitz kann diesem Film Schaden anhaben.
Der Titel bezieht sich übrigens mitnichten nur auf den genannten Tausch zwischen Winthorpe und Valentine: Auch die Auflösung greift diesen Rollenwechsel wieder auf. Überhaupt: Landis' Spielfilme aus den Achtzigern spielen fast alle mit diesem Maskierungs- und Verwandlungselement: David Kessler verwandelt sich in einen Werwolf und führt ein blutiges Doppelleben, Emmet Fitz-Hume und Austin Milbarge sind Idioten, die als Superspione getarnt werden, die drei Amigos Filmstars, die ihre Filmpersönlichkeiten plötzlich in der Realität spielen müssen, und der Prinz aus Zamunda gibt sich als armer Arbeiter aus, um die wahre Liebe zu finden. Jetzt muss nur noch INTO THE NIGHT her, um meine Beobachtung zu verifizieren. Wie dem auch sei: TRADING PLACES ist ein ganz großes Vergnügen und der denkbar beste Abschluss für meine kleine Murphy-Retrospektive. Man soll schließlich aufhören, wenn es am schönsten ist.
#707
Geschrieben 11. März 2007, 15:20
Die beiden Feuerwehrmänner Vince (Bill Paxton) und Don (William Sadler) gelangen durch Zufall in den Besitz einer Schatzkarte, die sie in ein heruntergekommenes Gebäude in einem Ghetto in East St. Louis führt. Dort soll die Beute eines über 60 Jahre zurückliegenden Kirchenraubs versteckt sein. Dummerweise findet sich zeitglich mit den beiden Abenteurern eine zweite Partei in der Bauruine ein: eine Bande von schwarzen Gangstern unter der Führung von King James (Ice-T), die dort einen Verräter stellen will. Es kommt wie es kommen muss: Die beiden Interessengruppen kommen sich in die Quere und liefern sich in der Folge ein Psycho- und Waffengefecht. Die Lage spitzt sich zu als die Gangster Winde davon bekommen, was die beiden Eindringlinge in das Gebäude geführt hat ...
Bei TRESPASS handelt es sich um einen recht geschickt ausgetüftelten Belagerungsfilm, der ähnlich wie Carpenters ASSAULT ON PRECINCT 13 deutliche Westernanleihen erkennen lässt. Schon der McGuffin des Films, das Gold, ist ja als deutlicher Anachronismus zu entziffern. Nicht gerade geringen Reiz erzeugt der Film eben dadurch, dass der Zuschauer den urbanen und bodenständigen Figuren (Feuerwehrmänner!) dabei zusehen kann wie einer nach dem anderen dem Goldrausch erliegt. Mehr als Carpenter in dem oben genannten Film interessiert sich Hill für die sozialpolitische Ebene des Konflikt. Die Rassenproblematik – Weiße dringen in das Territorium der Schwarzen ein und benehmen sich wie Vandalen – ist für seinen Film zentral. Den schwarzen Peter haben eindeutig die beiden weißen Hauptdarsteller gezogen, die sich wahrlich wie Herrenmenschen aufführen, die keine Rücksicht nehmen müssen. Es ist sowohl die ausgleichende Gerchtigkeit, die Moral als auch der Witz des Films, dass der eigentliche Gewinner am Ende ein eigentlich Unbeteiligter ist, der zufällig zwischen die Fronten gerät: ein schwarzer Obdachloser, der sein Lager in dem Gebäude aufgeschlagen hat.
Bei unbedarfter Sichtung – Hills Film ließ mich damals mehr als ratlos zurück – ist TRESPASS ein einigermaßen sperriges Unterfangen, in seinem Verzicht auf jeglichen schmückenden Subplot schon beinahe karg zu nennen und mit überaus zweifelhaften Identifikationsangeboten versehen. Vince ist ein rückgratloser Jammerlappen, Don ein rücksichtsloser Unsympath, der beim Anflug der Chance auf Reichtum jede menschliche Regung verliert, und die Ghetto-Gangster bestehen bis auf den noch recht besonnenen King James ausschließlich aus schießwütigen Gewaltverbrechern. So nimmt man als Zuschauer eine eher unbeteiligte Haltung zum Geschehen ein, kann aus der Distanz betrachten, wie erwachsene Menschen jegliche Vernunft ablegen und sich das abwechselnde Fehlverhalten bis zur Katastrophe hochschaukelt. Wenn sich der ganze Konflikt in Blut und Feuer entlädt, ist das durchaus schmerzhaft anzusehen: Die Dummheit des Menschen wird schonungslos vorgeführt. Zum typischen Hill-Film wird TRESPASS nicht zuletzt durch die konsequent angewendete Spiel-Motivik: Für Vince und Don ist die Schatzsuche nur ein großes Abenteuer, ein Urlaub vom Alltag, ein bisschen Cowboy-und-Indianer. Und in diesem Spiel versunken überschreiten die beiden die Grenze zum tödlichen Ernst, ohne sie zu bemerken. Rückkehr unmöglich. Die Tendenz zur spielerischen Selbstinszenierung gibt es aber auch in King James' Gang: Eines der Mitglieder filmt das Geschehen beständig mit seiner Viedeokamera mit, auch dann noch, wenn eigentlich höchste Wachsamkeit und Vorsicht geboten wären – vielleicht auch ein Kommentar Hills zum Rodney-King-Skandal? Auf den spielt er auch in einer weiteren Szene an, in der sich einer der Gangster als Polizist verkleidet, um die beiden Feuerwehrmänner aus ihrem Versteck zu locken: Um vollends glaubwürdig zu sein, beschimpft er konsequenterweise einen seiner Komplizen als "Nigger". Zurück zum Spielmotiv: Natürlich ist Hills Films selbst ein Spiel, ein Experiment. Er nimmt sich eine klassische Westernsituation und dekliniert sie bis in die letzte Facette durch. Und dieses Handwerk beherrscht er wie kein Zweiter.
#708
Geschrieben 11. März 2007, 18:07
Michaela (Sandra Hüller) ist 21, von ihren Eltern in einem kleinen Dorf streng katholisch erzogen worden und Epileptikerin. In das Weltbild ihrer Eltern passt diese Krankheit genauso wenig wie ihr Wunsch zu studieren. Dennoch setzt sie mithilfe ihres Vaters ihren Willen durch und zieht nach Tübingen. Die Abnabelung gelingt jedoch nicht: Immer wieder zieht es sie zurück in ihr Heimatdorf, wo sie aufs heftigste mit ihrer Mutter zusammenprallt. Aber auch in der räumlichen Distanz zu ihren Eltern kann sie keine Ruhe finden. Ihre sich häufenden Anfälle führt sie auf eine göttliche Prüfung zurück, anstatt medizinische Hilfe zu suchen. Und so eskaliert ihr Leidensweg schließlich in einem Exorzismus im Haus ihrer Eltern ...
Zum zweiten Mal nach 23 verfilmt Hans-Christian Schmid eine wahre Begebenheit und zeichnet trotz seines engen Fokus ein sehr genaues Bild von Deutschland in den Siebzigern. In blassen Erdtönen fängt er die ganze Tristesse und Biederkeit dieses Landes ein, das sich auch 30 Jahre nach dem Krieg immer noch in der direkten Nachkriegszeit zu befinden scheint. Die ganz große Stärke von REQUIEM – neben den durchweg großartigen Schauspielerleistungen und der Unmittelbarkeit, mit der Schmid das Geschehen einfängt – ist, dass er sich niemals in monokausalen Erklärungsversuchen ergeht, sondern stets alle Facetten der sich abspielenden Tragödie im Blick behält: eine Religion, die in jedem Leid noch einen höheren Wert erkennen möchte, eine dysfunktionale Eltern-Tochter-Beziehung, das kindliche Bedürfnis um jeden Preis die Liebe der Eltern zu erlangen, auch wenn dies in der Selbstzerstörung mündet, und das generelle gesellschaftliche Misstrauen und das Unwissen gegenüber psychischen Erkrankungen. Von anderen Exorzisten-Hokuspokus-Filmen hebt sich REQUIEM nicht nur dadurch und natürlich die Tatsache ab, dass er den eigentlichen Exorzismus nicht im Bild einfängt, sondern vor allem, weil er die verantwortlichen Kirchenvertreter nicht als betonköpfige Popanze beschreibt, die beständig vom Beelzebub und Dämonen schwadronieren. Übersinnliches hat in REQUIEM keinen Platz und das macht den Film auch so greifbar und glaubwürdig. Das Grauen ist sehr banal. Das ist keine neue Erkenntnis, aber in Schmids Film trifft sie einen wie ein Hammerschlag. REQUIEM hat mich im Kern erschüttert. Es ist immens schmerzhaft, diesen Menschen sehenden Auges in den eigenen Untergang schreiten zu sehen, seine eigene Qual auch noch als integralen Teil des eigenen Lebens betrachtend. Man möchte Michaela zurufen, sie schütteln, mit ihr reden, ihr helfen. Aber man würde auf Granit beißen, genauso wie ihre Freunde. Das ist wahrscheinlich die brutalste Erkenntnis, die man aus Schmids Film zieht. Das Ende ist unausweichlich.
#709
Geschrieben 11. März 2007, 18:12
KINGS OF ROCK: TENACIOUS D
PANS LABYRINTH
TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE BEGINNING
#710
Geschrieben 12. März 2007, 13:29
Eugene Martone (Ralph Macchio) studiert klassische Gitarre, sein Herzblut gehört jedoch dem Blues. In einem Krankenhaus hat er Blind Dog Willie Brown (Joe Seneca) ausfindig gemacht, eine Blueslegende aus den Dreißigern, der mit dem noch berühmteren Robert Johnson unterwegs war. Eugenes Traum: Er will einen unveröffentlichten Song Johnsons von Brown erlernen. Nah langem Hin und Her willigt Brown ein, stellt aber eine Bedingung: Eugene soll den greisen Mann aus dem Krankenhaus nach Mississippi zurückbringen, an eine geheimnisumrankte Kreuzung, an der Willie und Robert einst einen Pakt mit dem Leibhaftigen schlossen ...
Wenn ein Film aus dem Werk eines Regisseurs herausfällt, kennt die Rezeption meist zwei Begründungen: Entweder man vermutet eine Auftragsarbeit oder man behauptet im Gegenteil gerade, jenes Werk sei ein ganz besonders persönlicher Ausdruck des Regisseurs. Im Falle von CROSSROADS handelt es sich zweifelsohne um einen Vertreter der letzteren Gattung: Dass Walter Hill eine große Liebe mit dem Blues verbindet, lässt sich nur unschwer den Ry-Cooder-Scores entnehmen, die nicht wenige seiner Filme zieren. Mit CROSSROADS setzt er dieser Musik ein filmisches Denkmal. So lässt sich der ruhige, warmherzige und menschliche Film schon fast als Versuch der Selbsttherapie begreifen, die Hill nach der von Universal aufgezwungenen Auftragsarbeit BREWSTER'S MILLIONS mehr als nötig hatte (STREETS OF FIRE war ein teurer Flop gewesen und veranlasste das Studio dazu, ihrem Regisseur ein kommerzielles Projekt aufzuzwingen). Hill greift einen echten Bluesmythos auf und beleuchtet so auch ein Kapitel amerikanischer Geschichte: Die Rassenkonflikte zwischen Schwarzen und Weißen sind natürlich auch ein Thema, dennoch kippt CROSSROADS niemals hin zum drögen Sozialdrama. Hill hat einen Film über die Kraft der Musik gedreht, über ihre spirituelle Funktion: Der Film kulminiert in einem Gitarrenduell zwischen Eugene und Jack Butler (Gitarrengott Steve Vai), einem Teufelsgitarrist, in dem am Ende nicht nur das Gute, sondern auch das Gewachsene, das Echte, Ursprüngliche, Erlittene gegen die kalte technische Perfektion gewinnt.
Im Titel und den ländlichen Südstaatenbildern findet sich marginal auch das Motiv der Bewegung wieder: Die titelgebenden Crossroads sind der Punkt, an dem man eine Entscheidung treffen muss, an dem sich erweist, wer man ist, wer man sein will. Darum geht es im ganzen Film: Wer man ist, entscheidet darüber, welchen Weg man geht, aber die eigene Identität ist immer auch ein Ergebnis des zurückgelegten Weges. Zu Beginn ist Eugene nur ein träumerischer Gernegroß. Am Ende hat er seine ersten dues bezahlt und den Teufel besiegt, ohne es überhaupt gemerkt zu haben.
CROSSROADS ist vielleicht Hills schönster, auf jeden Fall aber ein zu Unrecht missachteter Film, dem auch das affige Gehampel von Showman Vai nichts anhaben kann. Ein persönlicher Liebling, der von seinem grandiosen, whiskeygetränkten Bluesscore in eine ganz eigene Liga katapultiert wird.
#713
Geschrieben 14. März 2007, 14:52
Brandt Ruger (Gene Hackman), impotenter und chauvinistischer Großgrundbesitzer, begibt sich mit seinen nicht minder ekligen Geschäftsfreunden auf große Jagd. Seine Frau, die leidensfähige Lehrerin Melissa (Candice Bergen), bleibt zu Hause und wird wenig später vom Gangster Frank Calder (Oliver Reed) entführt, der von ihr das Lesen erlernen möchte. Als Brandt von der Entführung Wind bekommt, disponiert er kurzerhand um: Statt auf Tiere, wird nun Jagd auf Menschen gemacht. Und die niegelnagelneuen Distanzfeuerwaffen kommen diesem Umstand nur entgegen.
Don Medford lehnt sich mit seinem ultrabrutalen und zynischen Gewaltwestern (schöner deutscher Titel: LEISE WEHT DER WIND DES TODES) deutlich an den Überraschungserfolg von Ralph Nelsons kurz zuvor entstandenem SOLDIER BLUE an, was sich nicht nur an der Besetzung der nervtötenden Candice Bergen ablesen lässt. Im Verbund mit Riz Ortolanis gigantischem Score schwingt sich der zunächst doch mehr als zweifelhaft entwickelnde Film zum echten Highlight auf. Vor allem die misogynen Misstöne der ersten halben Stunde lassen zunächst am Geisteszustand der Macher zweifeln, wenn die dauermissbrauchte Melissa ganz selbstverständlich Gefallen am sexuellen Übergriff des rustikalen Frank findet. Nein, einen Film für Frauenversteher hatte Medford nicht im Sinn, zu seiner Verteidigung muss man aber sagen, dass die Männer hier alles andere als gut wegkommen. Brandt Ruger ist ein sadistisches, seine eigene sexuelle Unfähigkeit brutal kompensierendes Arschloch, gegen das die ständig vor Geilheit sabbernden Kumpane von Frank fast noch sympathisch erscheinen. Sie alle ereilt am Ende ein böses Schicksal: In seiner nihilistischen Grundhaltung platziert sich Medford mit THE HUNTING PARTY in Spuckweite zum Italowestern.
Was seinen Film neben dem streitbar entwickelten Geschlechterkampf aber letztlich doch über die Latte bugsiert, ist die Idee mit den Distanzschusswaffen: Mit diesen sind Brandt und seine Männer in der Lage, die Bösewichter abzuknallen, ohne dabei für diese sichtbar zu werden. Dieser Einfall ist geradezu genial, überschneiden sich doch gleich mehrere Motive darin: Der gleichsam „göttliche Eingriff“, dem Frank Calder und seine Männer mit den Schüssen aus dem Nichts zum Opfer fallen, die Impotenz Brandts, der weder in der Lage ist, sich dem Feind direkt zu stellen, noch ihn aus der Distanz umzulegen, weil er weiß, dass das „unfilmisch“ wäre. So treibt er den Entführer seiner Frau vor sich her, dezimiert dessen Gefolgschaft, bis er ihn dann doch persönlich vor die Flinte bekommt, wissend, dass dieser Konflikt für beide tödlich enden wird. Gleichzeitig scheint THE HUNTING PARTY in seiner Konstruktion einen Kommentar zur modernen Kriegsführung ablegen zu wollen: Das anonyme Töten aus sicherer Distanz und per Knopfdruck wird hier als Spiel feiger alter Säcke dargestellt, denen der Mut fehlt, ihren Opfern direkt in die Augen zu sehen.
Kein leichter, kein schöner und auch kein auf tiefstem Herzen als gut zu bezeichnender Film, aber einer der nachhaltig beschäftigt und in tiefste Abgründe blicken lässt.
#715
Geschrieben 15. März 2007, 17:47
P. Tinto wächst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der spanischen Provinz als Sohn eines Oblatenherstellers auf. Als solcher ist er natürlich streng katholisch erzogen, Aufklärung ist ein Fremdwort - und auch sonst stellt sich ihm die Welt als Buch mit sieben Siegeln da. Bereits in der Schule lernt er die Frau fürs Leben kennen: die blinde Olivia. Weil die beiden von Sex nicht die geringste Vorstellung haben – aber auch das nicht wissen –, halten sie ihre verzweifelten Versuche fälschlicherweise für geglückt als zwei Außerirdische bei ihnen im Garten landen ...
Es ist nahezu unmöglich, den Inhalt dieses völlig irrsinnigen Films wiederzugeben. Er steckt so voller bizarrer Einfälle, liebevoller Details und wunderschöner, comichafter Bilder, dass der Zuschauer kaum anders kann, als diesem Werk bedingungslos zu verfallen. Bei aller Albernheit ist es Regisseur Javier Fesser erstaunlicherweise gelungen, einen sehr warmherzigen Film zu drehen, der trotz seiner collagenhafter Struktur niemals in seine Einzelteile zerfällt. Die Hauptfiguren, P. Tinto und seine Frau Olivia, die man über einen Zeitraum von fast einem Jahrhundert verfolgt, sind einfach so liebenswert in ihrer Naivität, dass man teilweise schwer gerührt ist. Bevor P. TINTOS MIRACLE aber droht im Kitsch zu versinken, haut Fesser Gags raus, die seine späteres Engagement für den Brachialhumor von CLEVER & SMART rechtfertigen. Vor allem scheint der gute Mann eine Vorliebe dafür zu haben, Menschen unter großen, herabfallenden Gewichten zu begraben oder sie überfahren zu lassen. P. TINTOS MIRACLE war schon vor einigen Jahren auf dem Fantasy Filmfest ein heimliches Highlight: Auch heute hat der Film nichts von seinem Reiz eingebüßt und selbst die deutsche Synchronisation kommt dem Humor nicht in die Quere. Ich könnte jetzt noch endlos weiterschwärmen, möchte aber einfach mit der Empfehlung schließen, sich dieses Kleinod der zeitgenössischen Komödie anzusehen. Es ist einfach erstaunlich, was die Spanier im Genre der kommerziellen Komödie für anarchisches Zeug abliefern, während in Deutschland die selbst ernannten Comedians im Dutzend versagen mit ihren seelenlosen Klamauk-Rohrkrepierern. Um mal eine Hausnummer zu enennen: Wer sich eine Mischung aus Jeunet (die Bilder, die Emotionen, die bekloppten Einfälle, die Poesie) und den Farrellys (die Political Incorrectness, der Slapstick) vorstellen kann, der liegt hier goldrichtig. Knaller!
#716
Geschrieben 15. März 2007, 21:38
Der New Yorker Bürohengst Paul Hackett (Griffin Dunne) lernt in einem Café die aufgedrehte Marcy (Rosanna Arquette) kennen. Ein paar Stunden später beschließt er, sie anzurufen und sie bei ihrer Freundin, der Künstlerin Kiki (Linda Fiorentino), zu besuchen. An diesen Besuch schließt sich für ihn eine mehr als turbulente Nacht an, in deren Verlauf der arme Paul einen Selbstmord verursacht, als Serieneinbrecher verdächtigt und von einem Lynchmob durch die Straßen SoHos verfolgt wird. Was auch immer er versucht, um einfach nur nach Hause zu kommen, schlägt fehl ...
AFTER HOURS ist einer der Filme Scorseses, die gern vergessen oder unterschlagen werden, wenn es um die Nennung seiner inszenatorischen Sternstunden geht. Mitten in einer von Flops geprägten Phase drehte er diesen Film, der sich kaum greifen lässt. Zwischen kafkaesker Horrorvision, schwarzer Komödie und Allenscher New-York-Huldigung hin- und herpendelnd, entwickelt dieser Film einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ganz im Kontrast zu seinen ausschweifenden Charakter- und Milieustudien hat Scorsese mit AFTER HOURS einen ungemein rasanten, beinahe fremdartigen Film gedreht, der es schwer macht, ihn auf eine griffige Floskel zurechtzustutzen. AFTER HOURS ist schlicht magisch: Es passiert nichts, was offenkundig irreal wäre, trotzdem wird das nächtliche Manhattan als rätselhafte Parallelwelt gezeichnet, in der scheinbar alles möglich ist. Die schlichtweg famose Kameraarbeit von Michael Ballhaus, der elegische, mal bedrohliche, mal entrückte Score von Howard Shore, der hier und da mit pointiert eingesetzten Stücken von Mozart, Bach, aber auch den Bad Brains aufgewertet wird, ziehen den Zuschauer mitten ins Geschehen hinein und versetzen ihn in einen schlaflosen Zustand irgendwo zwischen Traum und Wach. Was den Film schlichtweg einmalig macht, das sind zahlreiche zunächst ganz banal erscheinende Szenen, denen durch kleine technische Kniffe plötzlich eine Bedeutung zugeschrieben wird, die sich durch das, was da passiert, nie so ganz zu rechtfertigen scheint. Dabei ist AFTER HOURS aber immens "leicht": Zahlreiche (Gast)Auftritte bekannter und semibekannter Schauspieler werfen Schlaglichter auf sonst gänzlich belanglos erscheinende Szenen: Cheech Marin und Thomas Chong sind zwei Einbrecher, John Heard ein trauriger Barkeeper, Teri Garr eine vereinsamte, nach Zweisamkeit lechzende Bedienung mit Sixties-Faible und Betonfrisur, Victor Argo und Dick Miller betreiben Diners, Will Patton ist ein schwuler Lederfetischist namens Horst und Bronson Pinchot eine karrieregeile Büroaushilfskraft. Ein rätselhafter Film, der die Banalität des Stadtlebens zum bizarren Ringelpiez erhebt, aber den Zuschauer dennoch nie in die bequeme Situation ironischer Distanz entlässt. Phänomenal.
#717
Geschrieben 18. März 2007, 09:59
Weil ich den ja jetzt hier in relativ kurzer Zeit gleich mehrfach besprochen habe, mache ich es etwas kürzer: Guillermo Del Torors Film ist einfach ein Wunder. Im Anschluss an die lebhafte Diskussion im Tagesfred am Freitag erschien mir der Film noch stärker, die gesagten Dinge noch viel unpassender. PAN'S LABYRINTH ist ein ungemein emotionaler Film, der sich eines schier grenzenlosen Humanismus verschrieben hat. Hauptthema scheint mir der Mut zum Leben zu sein, die Überwindung der eigenen Angst zum Besseren, die Unfähigkeit der Menschen zu glauben und die Dinge zum Guten zu wenden: Dies spiegelt sich doch sehr deutlich in dem Märchenl, das Ofelia ihrem noch ungeborenen Bruder erzählt: die Rose, die einsam auf einem Berg wächst und das Geheimnis der Unsterblichkeit hält, der sich aber neimand zu nähern wagt, weil ihre Dornen giftig sind. Während der faschistische Capítan Vidal wie besessen ist von seinem eigenen Tod – er trägt immer ein Uhr bei sich, damit seine genaue Todeszeit festgehalten werden kann –, stürzt sich Ofelia mit einer Selbstverständlichkeit in die gefährlichsten Abenteuer. Die Auflösung des Films ist beinahe eine bildliche Übersetzung eines Verdikts Sartres aus seinem Essay "Ist der Existenzialismus ein Humanismus?": Es gibt immer eine Möglichkeit, dem Krieg, dem Töten aus dem Weg zu gehen. Diese Möglichkeit ist der Selbstmord. Zwar bringt sich Ofelia nicht um, aber es ist ihr Blut, das die Prophezeiung erfüllt, weil sie sich weigert, ihren kleinen Bruder zu verletzen.
Ein Film, der dieses Jahr ziemlich einsam dasteht, dem es gelingt fantastische Elemente und menschliches Drama unter einen Hut zu bringen und das auf formal absolut hochstehende Weise. Ein THE DEPARTED, der seinen Verlegenheits-Oscar abgeräumt hat, sieht gegen ein solch kreatives, wunderschönes, tieftrauriges und intelligentes Werk aus wie die graue Maus, die sie ist.
#719
Geschrieben 18. März 2007, 20:12
Ein echter Scheißtag für Slevin (Josh Hartnett): Er verliert Wohnung und Freundin, wird ausgeraubt und vermöbelt und dann auch noch von einem Gangsterboss namens "Boss" (Morgan Freeman) für einen anderen gehalten, der ihm 96.000 Dollar schuldet. Um die Schulden zu begleichen, soll Slevin den Sohn des ärgsten Konkurrenten vom "Boss", des "Rabbis" (Ben Kingsley), ermorden, weil dieser wiederum einst den Sohn vom "Boss" erschießen ließ. Gleichzeitig bekundet aber auch der "Rabbi" Interesse an Slevin, bzw. an Nick Fisher, mit dem er verwechselt wird: Denn der steht auch bei ihm in der Kreide ...
LUCKY NUMBER SLEVIN scheint zunächst ein etwas zu spät gekommener Vertreter des postmodernen neocoolen Gangsterfilms zu sein: Die Charaktere sind überlebensgroß, die Dialoge extrem geschliffen und pointiert und mit zahlreichen Referenzen an berühmte Filme gespickt. Wer mit Regisseur Paul McGuigan vertraut ist – sein GANGSTER NO. 1 verursacht bei mir immer wieder Schweißausbrüche – der weiß, dass er sich nicht mit gelackter Oberflächlichkeit zufrieden geben würde. Und tatsächlich entpuppt sich LUCKY NUMBER SLEVIN als überaus clever konstruiertes Stück Rachekino, das mehr mit den Filmen von M. Night Shyamalan gemein hat als mit Guy Ritchie und Konsorten. Die Auflösung am Schluss ist keinesfalls ein aufgesetzter Twist, sondern lässt sich bei aufmerksamer Betrachtung punktgenau vorhersagen. McGuigan ist sehr geschickt im Streuen von Hinweisen, sowohl auf Dialog- als auch auf Bildebene, ohne sich jedoch aufzudrängen. So sieht der Zuschauer lange Zeit seinen ganz eigenen Film, bis ihm dann haarklein seine Versäumnisse aufgezeigt werden. Dass das niemals den Ruch der Klugscheißerei trägt, ist der brillianten Regie, den wunderbar aufgelegten Darstellern, der großartigen Fotografie und dem geschliffenen Schnitt zu verdanken. Wenn soviel Können aufeinandertrifft, kann das Ergebnis nur ein solcher Film sein. Spitze! Und bitte nicht vom Cover abschrecken lassen ...
#720
Geschrieben 19. März 2007, 09:43
Mike Locken (James Caan) und George Hansen (Robert Duvall) sind dicke Freunde und arbeiten gemeinsam für ComTeg eine private Geheimdienstorganisation, die mit dem CIA zusammenarbeitet. Wie das so ist in der Welt des professionellen Hochverrats, stößt Freundschaft auf ihre Grenzen, wenn es ums Geld geht: Mike wird von George verraten und mittels gezielter Schüsse in Ellenbogen zum Krüppel gemacht. Während Mike versucht, mittels Kung-Fu- und Tai-Chi-Training seinen erlahmten Körper wieder einigermaßen auf Vordermann zu bringen, verdingt sich sein verräterischer Ex-Kollege als Killer für die Gegenseite. Und so kommt es dann doch noch zum unerwarteten Aufeinandertreffen zwischen den beiden ...
Nachdem sowohl MAJOR DUNDEE als auch PAT GARRETT & BILLY THE KID in der jüngeren Vergangenheit mittels Restauration Wiedergutmachung erfahren haben, zeigt sich an THE KILLER ELITE wohl noch am deutlichsten wie sehr Peckinpahs Filme unter dem Eingriff der Studios zu leiden hatten. Tatsächlich würde ich diesen inhaltlich eigentlich sehr vielversprechenden Spionagethriller in der vorliegenden Form als missratensten Film des Regisseurs bezeichnen (JUNIOR BONNER und THE DEADLY COMPANIONS kenne ich noch nicht). Dabei fängt er mit dem Freundschafts- und Verratsszenario sehr schön weil Peckinpah-typisch an, läuft im Anschluss daran, wenn es um die Genesung Mikes geht sogar zur Hochform auf, nur um schließlich in der zweiten Hälfte in großer Konfusion und unübersehbarer Unentschlossenheit zu enden. Das brisante Thema wird zugunsten eines recht oberflächlichen Actionplots drangegeben, der allerdings auch niemals so recht seine Erfüllung finden mag – eben weil Peckinpah am bloß affirmativen Geballer kein Interesse hatte. Nun ist THE KILLER ELITE beileibe kein schlechter Film, weil man immer wieder merkt, wer da auf dem Regiestuhl saß. Doch echte Befriedigung will sich nie einstellen. Es bleiben einzelne Momente, mehr als ein ganzer Film, die sich einzubrennen wissen: der Auftakt mit den authentifizierenden Schrifteinblendungen, die Männerfreundschaft zwischen George und Mike, die Demütigungen, die der behinderte Mike von seinem ehemaligen Arbeitgeber einstecken muss, Burt Youngs furztrockene Bombenentschärfung mit anschließender Polizistensprengung, der CIA-Mann mit dem grünen Daumen, der Showdown auf einem Schiffsfriedhof. Der fragmentarische Charakter des Films wird durch den Auftritte einer Bande Ninjas noch unterstrichen, die niemals über den Status modischen Beiwerks hinauskommt und in einem Film des lederhäutigen Halbindianers irgendwie deplatziert wirkt. Interessant ja, aber auch ziemlich ernüchternd.
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