Der Monroe ihre dicken Hupen
#721
Geschrieben 19. März 2007, 12:45
Sindbad ist ein echter Hans-Dampf-in-allen-Gassen und scheißt als solcher auf die Belange seiner Mannschaft: Deshalb peilt er auch sofort die unheimliche Insel Kolossa an als sie vor seinem Bug auftaucht, obwohl die Besatzung Zeter und Mordeo schreit. Schließlich kriegen Sindbad un Co. dann auch ihr Fett in Gestalt eines Zyklopen ab, doch da kommt der beglatzte Zauberer Sokura mit seiner Wunderlampe und dem in dieser wohnhaften Flaschengeist Baronni zur Hilfe. Leider geht die Lampe im folgenden Tohuwabohu verloren und so liegt Sokurah dem armen Sindbad in der nächsten halben Stunde die ganze Zeit mit dem Wunsch in den Ohren, zur Insel Kolossa zurückzukehren. Sindbad hat aber keinen Bock darauf, viel lieber will er sein Gspusi Parisa ehelichen. Doch da hat er die Rechnung ohne Sokurah gemacht: Der lässt Parisa schrumpfen, gibt sich aber ganz unschuldig und verspricht Hilfe in Form eines Zaubertrankes. Für diesen muss man aber eben – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – nach Kolossa, um dort ein Stück vom Ei des Riesenvogels Rok zu stiebitzen. Sindbad trommelt mit dem ihm eigenen Feuereifer prompt eine Schar Unverdrossener für die gefährliche Reise zusammen und macht sich auf den Weg. Nach einer hübschen kleinen Meuterei gelangt die ganze Baggage schließlich nach Kolossa, wo die Zyklopen ein deutlich größeres Hindernis als bei der ersten Begegnung darstellen. Am Ende ist aber alles gut: Sokurah fällt seiner eigenen Gier zum Opfer, ein Zyklop fällt den Berg runter, sein doofer Kumpel wird von einem feuerspeienden Drachen totgebissen, Prinzessin Parisa wächst wieder auf fickbare Größe an und der kleine Baronni kann aus seinem Lampengefängnis befreit werden, nur um das vorher beklagte Sklavendasein als Schiffsjunge von Sindbad erneut aufzunehmen. Eigentlich ein ziemlich zynisches Ende.
Hätte ich den Film als Kind gesehen, hätte ich wahrscheinlich auch ein mittleres Trauma davongetragen. So musste ich mich ziemlich anstrengen, um der Zyklopenepisode das Grauen abzuringen. Es hat aber dann doch ganz gut funktioniert. Die Perfektion späterer Harryhausenscher Effektspektakel geht seinem ersten SINDBAD noch ab. Die Monster wirken noch ein bisschen knetfigurartig, was aber sehr zum kindlichen Gemüt des Filmes passt. Die Charaktere benehmen sich allesamt ziemlich dusselig, ändern innerhalb von Sekunden ihre Meinung – köstlich wie die zum Tode verurteilten das Angebot Sindbads, bei Mitreise begnadigt zu werden, erst rundheraus ablehnen, nur um im nächsten Augenblick, nachdem man ihnen gesagt hat, sooo gefährlich sei der Zyklop ja gar nicht, begeistert und jubelnd einschlagen – und sind extrem begriffsstutzig. Schon erstaunlich, dass niemand darauf kommt, dass die Verhexung Parisas auf Sokurahs finsteres Treiben zurückzuführen ist, zumal der ja kaum ein Geheimnis daraus zu machen versteht. Auch die Beziehung zwischen Sindbad und seiner Holden ist herzzerreißend: Zwischen den beiden kommt nie ein echtes Gespräch zustande, vielmehr begnügen sich beide, haarscharf aneinander vorbeizulabern und die so entstehenden Lücken mit allerdings höchst kreativem Liebesgesäusel zu füllen. Wenn ich mir das so recht überlege, ist dieser Film eine echte Granate und eine Fundgrube absurden Humors: nicht zuletzt, weil das so wohl nie intendiert war. Besser kann man einen Sonntagnachmittag kaum zelebrieren.
#722
Geschrieben 19. März 2007, 19:40
Toll trieben es die alten Griechen: Fiesmopp Pelias wird prophezeit, dass er in der Schlacht gegen Thessalien zwar das Land erobern, den Königsthron aber nicht auf Dauer einnehmen wird, weil ein Abkömmling des gegenwärtigen thessalischen Königs ihm in die Quere kommen wird. Dieser Abkömmling steht dann in Gestalt des schmucken Jason auf der Matte und Pelias schickt den Knaben nach Kolchis, um das goldene Vlies zu holen, das dort faul im Baum rumhängt. Ratzfatz ist eine Mannschaft zusammengetrommelt und los geht die lustige Schiffsreise, die mit Abenteuern nur so gespickt ist.
Ray Harryhausens wohl bekannteste Arbeit findet sich in diesem Film, der in den ersten 80 Minuten fast alles richtig macht. Des Altmeisters Kreationen sind dennoch von größtem Interesse inmitten der göttlichen Intrigen, heldenhaften Männerfreundschaften und gestelzten Dialoge. Besonders schön ist der Bronzegigant Talos, der aufgrund der Dumpfheit des ollen Herakles zum Leben erweckt wird und das Schiff gleich bei der ersten Station in seine Bestandteile zerlegt, aber auch die Hydra, die Harpyen, Poseidon persönlich und natürlich die Skelettarmee sind nicht zu verachten. Apropos Schiff: Das gehört dem speckigen Argos, Richard Naismith, dem Chef vom Tony Curtis und Roger Moore in DIE ZWEI, der vom Kostümbildner gezwungen wurde, seine prachtvolle Altherrenplauze zum Lüften nackt über einer knappen Leinenwindel zu tragen, und mit diesem Look für den ein oder anderen peinlichen Moment sorgt. Hätte man ihm noch einen mageren Jüngling an den Arm gehängt, wäre die Illusion des pädophilen Griechen perfekt gewesen. Was bei Betrachtung des Films besonders auffällt, ist, wie sehr sich der zwanzig Jahre später entstandene CLASH OF THE TITANS bei diesem Film bedient hat: Die kurzen Ausflüge zum Olymp, auf dem die Götter das Treiben der Argonauten verfolgen, sind hier aber deutlich besser gelungen, was auch auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass eine Honor Blackman kurz vor Pussy Galore als Hera einfach besser ist als eine vom Faltenwurf geplagte Ursula Andress als Aphrodite. Alles könnte perfekt sein, wenn JASON UND DIE ARGONAUTEN am Ende nicht etwas an Fahrt verlieren würde. Die Figuren sind eben gegenüber den Fantasiegestalten nur von minderem Interesse, sodass es ein bisschen dröge wird, sobald man länger auf das Spektakel warten muss. Egal, JASON UND DIE ARGONAUTEN ist immer noch toll anzusehen und einfach gutes Fantasy-Kino, bei dem gottseidank auch der unfreiwillige Humor nicht zu kurz kommt.
#723
Geschrieben 20. März 2007, 16:20
Profikiller Chev (Jason Statham) wacht mit Schwindelgefühlen und Katerstimmung auf, nur um wenig später festzustellen, dass er im Tiefschlaf vergiftet wurde. Sein Tod ist unaufhaltsam, die einzige Chance, lang genug zu überleben, um Rache zu üben, ist möglichst viel Adrenalin auszuschütten. So darf der Killer jegliche Geschwindigkeitslimits übertreten, Menschen rücksichtslos umnieten, Drogen am laufenden Band nehmen, seine Freudin Eve (Amy Smart) in aller Öffentlichkeit poppen und generell allerhand Scheiß anstellen.
CRANK ist ein klassisches Formula-Movie: Es gibt genau eine Idee, die allerdings konsequent ausgereizt wird. Der klassische DOA-Plot interessiert nur noch periphär, vielmehr geht es darum, den lebensnotwendigen Geschwindigkeitsrausch adäquat umzusetzen. Alle Stilmittel, die das moderne Kino so kennt, kommen dann auch hier etwas motivierter als sonst zum Einsatz: Flashcuts, Freeze Frames, Highspeed-Shutter-Kamera, Geschwindigkeitspitching, Filter und sonstige Verfremdungseffekte. Den Rausch bildet CRANK tatsächlich ganz gut ab, allerdings darf man durchaus bekritteln, dass die angesprochenen Effekte allesamt alte Hüte sind und somit keinen echten Adrenalinrausch beim Zuschauer mehr zu erzeugen vermögen. CRANK ist blitzeblank polierte Oberfläche, sonst nichts. Ich will aber gar nicht das Haar in der Suppe suchen, denn das Statham-Vehikel ist doch nicht ganz uninteressant, ob das aber positiv ist, ist eine andere Frage. So kommt man kaum umhin zu bemerken, dass das Film-Noir-Motiv hier ganz offensiv zur Große-Jungs-Fantasie umgestrickt wird. Die Vergiftung und der Wettlauf gegen den Tod (der ja eigentlich gar keiner ist) sind hier nicht mehr Anlass für ein existenzielles Drama, sondern bieten dem Helden endlich mal die Möglichkeit, sich so asozial zu benehmen wie er es im echten Leben, trotz seines Berufes, niemals durfte. Das männliche Geschlecht darf hier in sein eigenes hässliches Antlitz glotzen. Die Männer hinter der Kamera wollen das aber offensichtlich und erstaunlicherweise nicht als Kritik, sondern eher als Huldigung an den männlichen Machismo verstanden wissen. Besonders die Auswirkungen, die das Schicksal Chevs auf die Beziehung zu seiner Freundin Eve (der Urfrau schlechthin also) hat, dürften Diskursanalytiker und Gender-Philosophen mit Interesse zur Kenntnis nehmen: Endlich sagt Chev ihr mal die Wahrheit, aber auch nur, weil es ja sowieso keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen wird; der öffentliche Sex am Busbahnhof wird doch tatsächlich zur Frauenfantasie schöngeredet, dennoch applaudieren die Filmemacher dem Macker als er die nach mehr lechzende Eve links liegen lässt, sobald sein Handy klingelt; sie kommt aber auf den Geschmack und mutiert in Folge schließlich zur Superbitch, die ihrem Chev während einer Verfolgungsjagd ordentlich einen abkaut, ihm aber den Orgasmus verweigert, weil das ja wieder tödliche Entspannung für ihn bedeuten würde. Ja, so wünscht sich Mann sein Weib. Es ist ziemlich bezeichnend, dass sie dann irgendwann, nachdem der Film seine Dosis (jugendfreien) Sex abbekommen hat, einfach so aus dem Film entfernt wird. Ihr rotierender Macker hat es hingegen recht einfach: Kurz vor dem Tod schnell noch mal schnell eine Liebesbotschaft auf ihre Mailbox gesäuselt, fertig ist die Laube. Ist allemal einfacher als auf die Rache zu scheißen und die letzen Stunden mit ihr zu verbringen. Das Frauenbild ist wirklich das Allerletzte, gehört aber wohl zum Teil des Konzeptes: Die Frauen wie Scheiße behandeln und trotzdem von ihnen vergöttert werden, davon träumt der Mann: zumindest aber die Regisseure mit ihren verkümmerten Piepmätzen. Mehr noch: Wenn Mann könnte, von jeglichen Zwängen entbunden wäre, würde er sich immer noch verhalten wie weiland sein bester Freund der Höhlenmensch, sie KO schlagen, an den Haaren in die Höhle schleifen und nach der Besamung wieder mit seinen Kumpels die Welt regieren, morden, plündern und brandschatzen. Bildet euch bloß nix ein auf die Emanzipation, ihr behirnten Unterleibe, die haben wir euch nur überlassen, weil wir in Ketten liegen! Wie gesagt, ich will nicht meckern, denn CRANK ist in seiner ideologischen Verkommenheit hübsch abseitig. Hinter all der mehrfach tapezierten und lackierten Fassade lauert dann aber eben doch das Gesicht des ganz gewöhnlichen Wahnsinns, das man so auch anderswo zu Gesicht bekommt.
#724
Geschrieben 22. März 2007, 19:45
Das Königreich Hastenichgesehen, das vo einem gütigen Wesir geführt wird, wird von dem bösen Magier Koura bedroht. Der Wesir musste dies schon mit seinem Gesicht bezahlen, das durch einen Feuerball furchtbar entstellt wurde und ihn dazu zwingt mit einer schicken goldenen Maske rumzulaufen, auf die Sido neidisch wäre. Sindbad verspricht Hilfe: Im fernen Lemuria liegt irgendwas, was Abhilfe schaffen soll. Doch davon bekommt auch Koura Wind ...
Das Kindheitstrauma, dass sich andere mit SINDBADS 7. REISE abholten, zog ich mir mit diesem zweiten Harryhausen-Sindbad-Film zu, das von Gordon Hessler recht kompetent umgesetzt wurde. Der Film ist deutlich düsterer, die Effekte sind ungleich besser – kein Wunder zwischen dem ersten und diesem Film liegen rund 15 Jahre – und dem Film geht der naive Charme seines Vorgängers ziemlich ab. Dass dieser SINDBAD dennoch in eine ähnliche Kerbe haut liegt an dem mit dem Holzhammer zurechtgemöbelten Drehbuch, das voller unerklärlicher Motivationen, rätselhafter Logik und lustigen Göttern aus der Maschine nur so wimmelt. Warum der böse Koura Sindbad das zur Lösung notwendige Amulett überhaupt erst zukommen lässt, bleibt ebenso ein Rätsel wie Sinn und Zweck der Tätowierung der dicktittigen Margianna: Sie scheint keinen Zweck zu erfüllen außer jenem, am Ende des Films eben eine unerwartete Rettung einzuleiten, die dann aber doch keine ist. Die Wilden, die ganz beeindruckt auf jenes Tattoo starren, lassen zwar von Sindbad ab, wollen dafür aber Margianna ihrem einäugigen Gott opfern. Häh? Die Dialoge tragen ihren Teil dazu bei, dass man manchmal das Gefühl hat, zwanzig ganz entscheidende Minuten verschlafen zu haben. Das ist aber alles egal, denn SINBADS GEFÄHRLICHE ABENTEUER ist wunderbar buntes Fantasykino. John Philip Law ist super als tapferer Seefahrer, Martin Shaw göttlich als sein skeptischer Sidekick Rachid und Caroline Munro hat der männlichen Besetzung die Arbeit sicher sehr schwer gemacht mit ihrem üppigen Dekolletee, das in jeder Kameraeinstellung frisch eingeölt glänzt. Star des Films sind aber selbstredend die Kreationen Harryhausens und die vielen sonstigen visuellen Effekte, die wieder einmal beweisen, dass es nicht darauf ankommt die "Realität" möglichst perfekt zu simulieren, sondern vielmehr darauf, dass ein Effekt Charakter und Herz hat. Und davor quillt dieser Film nur so über, da kann er noch so sehr B-Movie und Trash sein.
#725
Geschrieben 22. März 2007, 20:00
In meinem letzten Text zu diesem Film sprach ich viel darüber, wie offensichtlich autobiografisch dieser Film einem erscheint: Rocky ist Stallone, spiegelte seinen Darsteller in jeder Phase seines Lebens. Heute geht es darum wie sehr Stallone den Zuschauer – der im Idealfall mit seinem Rocky aufgewachsen ist – eine ebenso autobiografische Sichtweise aufzwängt. ROCKY BALBOA ist ein Fanfilm, ganz positiv verstanden: Es ist ein Film, mit dem Stallone all denen ein Geschenk macht, die den Werdegang des Charakters durch alle Höhen und Tiefen mitgemacht haben, durch die Filme um den tapferen Boxer geprägt wurden. Wenn man Rocky an die Schauplätze seiner Vergangenheit begleitet, dann ist das auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Und so wie Rocky diese Vergangenheit vermisst, sich mit seinem neuen, gesetzten Leben nicht so recht anfreunden mag, so hat es ja auch der Rocky-Sozialisierte nie so wirklich verkraftet, dass die Serie nicht den Ausklang gefunden hat, den sie verdient gehabt hätte. Das Biest muss raus, aus dem alternden Boxer, der seiner Karriere einen besseren Ausgang geben möchte, und dem Zuschauer, der es nie verwunden hat, dass Rocky mit dem Ruhm auch sein Herz irgendwo verloren hatte. Ich weiß nicht, wie dieser Film auf Menschen wirkt, die die Rocky-Filme erst nachträglich gesehen haben (gut, ich gehöre auch nicht zur ersten Rocky-Generation), nicht mit ihnen aufgewachsen sind. Ich bin auf jeden Fall froh, diese Erfahrung nicht machen zu müssen. Ich habe Rotz und Wasser geheult und ich werde den gutherzigen Boxer mit der schleppenden Aussprache sehr vermissen: Aber nach diesem Film habe ich gern Abschied von ihm genommen.
#726
Geschrieben 24. März 2007, 14:24
Der letzte und schwächste Film der Reihe ist fast ein Remake seines direkten Vorgängers. Ein orientalischer Stadtstaat wird von einer bösen Zauberin bedroht, der Kronprinz wurde von ihr in einen Pavian verwandelt und muss mithilfe des Seefahrers Sindbad und dem Zauberer Melanthius binnen einer bestimmten Zeit zurückverwandelt werden. Dafür begibt sich Sindbad auf eine gefährliche Schiffsreise nach Hyberborea, im Schlepptau diesmal gleich zwei leicht bekleidete Schönheiten. Und die böse Zauberin reist ihnen natürlich hinterher.
Der Film ist irgendwie müde und das wirkt ansteckend. zora und ich haben drei, vier Anläufe für den Film gebraucht, sind jedesmal vorzeitig eingepennt. Alles ist austauschbar, selbst die Monster Harryhausens sind – mit Ausnahme vielleicht des Riesenwalrosses – langweilig. Patrick Wayne, der John Philip Law ersetzt, ist so ein typischer kerniger Gilette-Typ ohne Profil, die böse Zauberin wirkt nie wirklich bedrohlich, der weise Melanthius benimmt sich wie ein Depp, Jane Seymour ist keine Caroline Munro. Der Spaß, den der Film hier und dann doch bringt, ist vor allem auf die beknackten Dialoge und das hoffnungslos zusammengestümperte Drehbuch zurückzuführen, bei dem ich immer an die englische Phrase "to make up the rules as one goes along" denken musste. Befindet sich die Handlung in einer Sackgasse? Flugs lässt man eine der Figuren eine Behauptung aufstellen, eine völlig aus der Luft gegriffene Schlussfolgerung treffen oder einen deus ex machina ins Bild schweben als sei es das normalste von der Welt. Vor allem Melanthius ist ein Spezi in Sachen unmotivierter Bonmots, untrüglichen Gutgläubigkeit und plötzlicher Eingebungen. Als ein Troglodyt, "ein Vorfahre von uns", mit dem Finger Richtung Horizont zeigt, nachdem der vermeintlich weise Wissenschaftler mit einem Stock etwas in den Dreck gepinnt hat, ruft dieser begeistert aus: "Hyperborea! Er zeigt uns den Weg!" Als könne der nur zum Grunzen befähigte Höhlenmensch nicht genausogut gemeint haben, unsere Helden sollen "dahin gehen wo die Sonne niemals scheint". So schleppt sich der Film leidlich vergnüglich über die Runden und findet sein Ende in einem für Harryhausen-Verhältnisse wirklich enttäuschenden Showdown. Schade.
#727
Geschrieben 25. März 2007, 10:23
Eine junge Frau findet in der Pampa eine übel zugerichtete Frauenleiche. Eine Schwester sucht als Pathologin nach der vor Jahren verschollenen Schwester. Eine Ehemann lässt seine Frau immer wieder mehrere Tage allein, kommt mit komischen Müllsäcken nach Hause. Die Mutter der Toten begibt sich auf die Spur ihrer Tochter, besucht deren Geliebte, nimmt ihr Enkelkind mit und erkennt, unter welchen Umständen ihre Tochter lebte. Ein Mädchen, eine Prostituierte, drogenabhängig, wünscht sich nichts mehr als rechtzeitig zum Geburtstag ihrer Tochter bei ihr zu sein. Und dieser Wunsch bringt letztlich sie auf den Beifahrersitz eines Serienmörders ...
THE DEAD GIRL beobachtet in fünf Episoden die Personen um diesen einen Mord, dessen Umstände erst am Ende dargelegt werden. Nur für dieses eine Mädchen (Brittany Murphy) stellen die Vorgänge ein Ende dar, für alle anderen direkt oder indirekt Beteiligten aber einen Anfang. Arden (Toni Collette) trifft nach dem Leichenfund auf einen Mann (Giovanni Ribisi), mit dem sich eine Liebesbeziehung anbahnt, und löst sich aus der dysfunktionalen Beziehung zu ihrer bettlägerigen Mutter. Leah (Rose Byrne) gelingt es, sich vom Geist ihrer verschollenen Schwester zu befreien, deren Schatten es ihr bislang nicht ermöglicht hat, ein eigenes Leben zu leben. Ruth (Mary Beth Hurt) entscheidet sich für ihren Mann, obwohl sie weiß, dass er ein dunkles Geheimnis hat. Und Melora (Marcia Gay Harden) nimmt den Kontakt zu ihrer Tochter und deren Leben auf, den sie abgebrochen hatte. Die Inszenierung ist dicht, die Schauspieler allesamt fantastisch, der Entwurf – der Serienmord als Sozialarbeit – großartig. Besonders bemerkenswert, dass hier auf aufdringliche Twists und Turns verzichtet wurde. THE DEAD GIRL ist ein im positiven Sinne ereignisarmer Film, der seine Ausgangsprämisse aber bis ins letzte Detail durchdekliniert. Einen Vorwurf gibt es aber doch: Innerhalb der einzelnen Episoden werden lediglich Klischees gerührt. Die böse, fluchende, behinderte Mutter und ihre verschüchterte Tochter, die Eltern, die nicht loslassen können, der Mann, der immer noch "mal kurz Kippen holen" muss und die durchgeknallte Lesbe, deren Leben auf der Achterbahn der Gefühle zwangsläufig böse enden muss – das alles kennt man und es scheint manchmal etwas zwanghaft wie hier fast ausschließlich Tristesse, Schmutz und Krisen aufs Tablett gebracht werden.
#728
Geschrieben 25. März 2007, 10:39
Ein Killer (Edison Chen) läuft in Hongkong Amok. Bei dem jungen Mann handelt es sich um einen unter unmenschlichen Umständen zur Mordmaschine gedrillten, nahezu vertierten Kambodschaner, der in der Folge seines Auftrags auf den Polizisten Wai (Sam Lee) trifft, der wiederum mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat: Sein Vater, ebenfalls Polizist, liegt im Koma und steht außerdem unter Verdacht, krumme Geschäfte gemacht zu haben. Polizist und Killer liefern sich einen unbarmherzigen Kampf, der sie schließlich in Kambodscha zu einem letzten Duell zusammenbringen wird.
DOG BITE DOG ist ein Film anlässlich dessen völlig verhunzter letzten zwanzig Minuten man sich ernsthaft Sorgen um den Geisteszustand seines Regisseurs machen muss. In der ersten Stunde ein zwar zynischer und klischeehafter, aber zumindest inszenatorisch sehr homogener und vor allem ultrabrutaler Cop-Film, schwenkt Regisseur Cheang Pou-soi plötzlich völlig um, schenkt dem vertierten Killer eine Bonnie&Clyde-artige Liebesgeschichte inklusive kitschigem Popsong und verschifft den mittlerweile durchgeknallten Cop nach Kambodscha, um Rache zu nehmen. Das geschieht dann in einer der miserabelst inszenierten Fightszene, derer ich je ansichtig wurde. Nachdem seine (mit dem Kind ihres Vaters!) schwangere Freundin den Löffel abgibt, schneidet der Killer ihr das Baby aus dem Leib und "You are my sunshine, my only sunshine" ertönt von der Tonspur. Es ist kaum zu fassen. Vor allem das ideologische Konzept dahinter macht stutzig: Argumentiert der Regisseur in den ersten beiden Dritteln noch im Sinne des Titels, lässt an keiner Figur ein gutes Haar und zeichnet das städtische Zusammenleben als einzigen Kampf, in dem es letztlich keine Gewinner gibt, jeder jeden schlägt, verprügelt, demütigt und hintergeht, ist es dann am Ende die Macht der Liebe, die alles wieder heile macht. Für so viel Dummheit sollte man dem Herren die Lizenz zum Filmemachen entziehen.
#729
Geschrieben 25. März 2007, 11:01
Dänischer Zeichentrick der ultrakonservativen Art: August ist Priester, beklagt gerade den Tod seiner Schwester Christina, die außerdem eine kleine Tochter, Mia, hinterlässt. Christina war ein großer Pornostar: Ihren ersten Film drehte ihr Freund Charlie mit der Videokamera Augusts und dem gigantischen Erfolg folgten mehrere weitere Filme unter ihrem Künstlernamen "Princess". Nun könnte man die Vergangenheit ruhen lassen, doch diese Vergangenheit hält nun in Form der kleinen Mia Einzug ins das Haus des Christen: Blaue Flecken zeugen von Misshandlung durch die Pornomafia, das Grabmal der Schwester gleicht einem phallischen Liebestempel und zu allem Überfluss beginnt Mia auch noch, aus Videos der Mama aufgeschnapptes Gebahren nachzuahmen. Da schwillt dem guten August der Kamm und er startet einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die Princess-Produzenten, bei dem auch die kleine Mia tatkräftig mitmischen darf.
PRINCESS ist erzählerisch nicht ungeschickt, arbeitet immer wieder mit "realen" Videoaufnahmen und zieht alle Register der Publikumsbindung. Lange Zeit will man deshalb auch nicht glauben, was für einen reaktionären, erzkatholischen Brummer man hier vor sich hat: Pornoproduzenten sind allesamt mafiös und machen vor nichts halt, jede Darstellerin ist ein unterdrücktes Opfer und schon der Verleih einer Videokamera kann einen Menschen in die Verdammnis stürzen. Das ist alles einfach nur hohl, unreflektiert und in seiner letzten Konsequenz – schließlich wird hier die alttestamentarische Vergeltung als Lösung angeboten – unverzeihliche Propaganda. Wessen Geistes Kind Regisseur Anders Morgenthal ist, wird deutlich als er seinen Protagonisten einem Kind, dass zum Doktorspiel bei Mia ansetzt, kurzerhand den Arm bricht und den wimmernden Jungen im Dreck liegen lässt. Vielleicht habe ich aber auch nur den Witz nicht verstanden ...
#730
Geschrieben 25. März 2007, 14:24
Backpacker-Alltag: Der Bus, der einem das Land – hier Brasilien – besonders nah bringen soll, wird von einem lebensmüden Raser in einen Abgrund gejagt. Zwar überleben alle Passagiere, doch der Ersatzbus soll erst in zehn Stunden kommen. Ein Streit mit vom Unfall ebenfalls reichlich entnervten Einheimischen treibt unsere Touristen, insgesamt 6 Personen, an einen nahen Strand, der mit seiner kleinen Bar aussieht wie aus der Bacardi-Werbung. Alles paradiesisch, doch am nächsten Morgen das böse Erwachen: Pässe, Geld, jeglicher Besitz, alles ist weg. Und weil die Betreiber der Bacardi-Bar mit fiesen brasilianischen Organhändlern zusammenarbeiten, steht den Turistas noch ein ziemlich harter Tag bevor ...
TURISTAS ist ein weiterer Beitrag zum mit dem Erfolg von HOSTEL zum Subgenre gereiften "Touristen-in-Angst"-Film. Dessen bislang etablierten Plotzutaten – Teeniefilm-artiger Einstieg mit viel Musik, Sex und Alkohol, dann gradueller Abstieg in den Wahnsinn – werden auch hier akribisch abgearbeitet, jedoch mit einigem Geschick und beachtlichem Erfolg. Es dauert eine Weile, bis sich aus dem noch recht normalen Urlaubshorrorszenario und für sich genommen schon albtraumhaften Szenario – im fremden Land, tief in der Pampa ohne Geld – der ganz groteske Terror entwickelt, dem in TURISTAS jedoch der unbedingte Drang zum Sleaze und Tabubruch eines HOSTEL abgeht. Regisseur John Stockwell gelingt es mit wenigen Handgriffen die für einen Horrorfilm so wichtigen Identifikationsfiguren aufzubauen – allesamt deutlich sympathischer und glaubwürdiger als in vergleichbaren Filmen – und ein ordentliches Maß an echter Spannung zu erzeugen. Vor allem der schlicht brillante Showdown ist ein Nägelkauer vor dem Herrn: Von den Häschern durch eine Unterwasserhöhle verfolgt, müssen die verbleibenden Helden von Luftblase zu Luftblase tauchen; und die sind manchmal so klein, dass man die Luft tatsächlich verschwinden sieht. Klaustrophobie war schon immer ein guter Katalysator für nervenzerrende Suspense und auch hier funktioniert der Kniff. Selbst die in diesem Genre unvermeidliche Amerikakritik, die vom Chef der Organhändler in einem längeren Monolog während einer saftigen Operation gehalten wird, wirkt hier weder aufgesetzt, noch plump, sondern funktioniert als gelungen Beigabe eines ohnehin rundum gelungenen Schockers, der mit einigen wirklich schmerzhaften Effekten aufzuwarten weiß.
#731
Geschrieben 25. März 2007, 14:47
In Karens (Susan Strasberg) Nacken wächst ein dicker Knubbel, der den Ärzten Rätsel aufgibt. Statt eines Tumors scheint es sich vielmehr um einen Embryo zu handeln. Vor ihrer Operation sucht Karen ihren Freund Harry Erskine (Tony Curtis) auf, der sein Geld als Kartenleger für alte Frauen verdient. Sein Bedürfnis, Karen zu helfen führt ihn schließlich über mehrere Stationen zu John Singing Rock (Michael Ansara), einem indianischen Medizinmann: Denn bei dem Wesen in Karens Nacken handelt es sich um den Geist des mächtigen Medizinmanns Misquamacas, der die Wiedergeburt anstrebt ...
William Girdlers EXORZIST-Rip-off hat einen nicht unbeträchtlichen Ruf ob seines abstrusen Plots erworben. Natürlich kann man THE MANITOU auch im Sinne des "So bad it's good" rezipieren, doch zeugte das nicht gerade von einem guten Herzen. Das Tolle an Girdlers Film ist, dass es ihm gelingt auf der einen Seite den Ernst zu bewahren, sich auf der anderen aber auch dem inhärenten Humor nicht gänzlich zu verschließen. Curtis ist im Herzen sowieso ein Komiker (super wie er den Medizinmann Misquamacas immer als "Mixmaster" tituliert), aber auch der Auftritt von Burgess Meredith als Indianerspezialist birgt einigen Witz, der von Girdler gleich mit inszeniert wird. Endgültig geadelt wird der Film aber dann im gut halbstündigen Finale, in dem sich die beiden Medizinmänner nach allen Regeln der Kunst duellieren und einiger Effekt-Hokuspokus aufgefahren wird. So bleibt ein Film, der trotz seines Epigonenstatus zu den ganz großen Highlights des Okkulthorrors der Siebziger zählt und ganz unterschiedliche Zugänge ermöglicht: Der eine freut sich an der dullen Prämisse und den grotesk-bescheuerten Dialogen zwischen Tony Curtis und Dr. Hughes, den hanebüchenen Erklärungsversuchen – "every machine has its manitou" – und den lustigen Effekten, der andere eben daran, dass hier der Fantasie freier Lauf gelassen wurde, ohne gleich im völligen Plastikschabernack der Full-Moon-Produktionen zu enden. Der einzige Vorwurf, den sich Girdler gefallen lassen muss, ist, dass er mit THE MANITOU einen Horrorfilm hingelegt hat, der Horror oder auch nur Spannung völlig abgehen. Aber wenn man mit Tony Curtis einen Darsteller vorzuweisen hat, der als Nasendouble von Udo Lattek durchgehen könnte, kann man sich sowas leisten.
#732
Geschrieben 26. März 2007, 17:05
Eigentlich hatte ich mich sehr gefreut auf Shinya Tsukamotos neuesten Film, aber es hat irgendwie nicht sollen sein. Das Kölsch, kurz vor Kinobeginn in der strahlenden Sonne schnellstmöglich vertilgt, verursachte mir schon nach kurzer Zeit lästigen Sekundenschlaf, der sich mit zunehmender Dauer in ein handfestes Nickerchen ausweitete. Zur inhaltlichen Seite des Films kann ich so gut wie gar nix sagen, außer, dass es sich beim NIGHTMARE DETECTIVE um eine waschechte Genrearbeit handelt, die die Prämisse des einstigen Hollywood-Vehikels DREAMSCAPE mit umgekehrten Vorzeichen abhandelt: Hier ist es kein Killer, der sich in Träume einschleicht, sondern vor allem eben ein Detektiv, der so hofft, einem Serienmörder das Handwerk zu legen. Eine beinahe bodenständig zu nennende Arbeit von Tsukamoto, auch wenn er auf seine bekannten Stilmittel und Motive natürlich nicht ganz verzichten wollte. Ein Grauschleier liegt über NIGHTMARE DETECTIVE, der kaum als Farbfilm zu identifizieren ist, darüber wummert ein sehr industriell anmutender Soundtrack, die Gewaltausbrüche sind heftig und mit den üblichen somatischen Effekten – hektischer Schnitt, Handkamera, ohrenbetäubender Lärm auf der Tonspur – versehen. Auch thematisch wandelt Tsukamoto auf vielfach (von ihm) beschrittenen Pfaden: Urbane Isolation, Einsamkeit und Entfremdung sprechen aus den tristen Bildern in den Himmel stechender Glastürme, sich zwischen diesen windender Brücken und gekachelter, neonbeleuchteter Kellerräume, in denen Hundertschaften von Fahrrädern sich ausnehmen wie Metallskelette. Durchaus faszinierend und nicht ohne Wirkung: Auch wenn sich das Ganze ob der Distanz zum Gezeigten für mich eher in gepflegter, aber stets interessierter Langeweile und dem damit zwangsläufig verbundenen Besuch im Lummerland niederschlägt.
#733
Geschrieben 26. März 2007, 17:21
Die Sonne stirbt, die Erde und mit ihr die Menschheit drohen in Kälte und Dunkelheit zu versinken und zu sterben. Ein Raumschiff, die Icarus II soll eine gewaltige Bombe zur Sonne bringen und dem Stern mit einer gezielten Explosion neues Leben einhauchen. Bereits vor Jahren wurde eine Mannschaft mit derselben Mission auf die Reise geschickt, verscholl aber ohne jegliche Spur. Wenige Tage vor dem Abschluss der schicksalsträchtigen Aufgabe empfängt die Icarus II ein Signal: Es stammt von niemand anderem als dem havarierten Vorgänger. Und weil zwei Bomben besser sind als eine, beschließt die Besatzung, einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen ...
Danny Boyle, das merkt man schon anhand der kleinen Inhaltsangabe, hat sich bei zahlreichen Vorläufern bedient und ein inhaltlich kaum überraschendes Science-Fiction-/Horror-Gebräu zusammengemischt, dass aber erstaunlich gut mundet. Hauptverantwortlich dafür ist die überwältigende visuelle Gestaltung des Films, der mit dem riesigen, oft den ganzen Bildschirm füllenden Sonnenpanorama einen wirklich großartigen Backdrop für seine apokalyptische Geschichte sein Eigen nennt. Trotz des flirrenden Feuerballs befiel mich dann auch einige Male eine Gänsehaut: Es gibt kaum etwas, dass das Gefühl aus völliger Machtlosigkeit und der Angst vor dem Dunkel für mich besser vermittelt als das Bild eines in den endlosen, finsteren Weiten des Weltalls herumtreibenden Menschen – und dieses Bild bemüht Boyle mehr als einmal auf äußerst effektive Weise. Ansonsten halten sich die echten Überraschungen, wie gesagt, etwas Grenzen: Nach den moralischen Dilemmata (?), die die Besatzung zu überwinden hat, macht sich an Bord der Wahnsinn breit und droht die Mission zum Scheitern zu bringen. Am Schluss wird alles ein bisschen hektisch, doch Boyle bringt seinen Film zu einem würdigen Ende, bevor er sich verzettelt. Insgesamt trotz aller Mängel überaus sehenswert.
#734
Geschrieben 26. März 2007, 17:43
Auweia, das ist leider in die Hose gegangen. Wilson Yips neuer Film nach dem fantastischen SPL – der meiner Meinung nach der mit weitem Abstand beste Asien-Actioner der vergangenen Jahre ist – ist eine mittelschwere Enttäuschung geworden. Dabei beginnt alles mehr als viel versprechend: Nach 15 Minuten hatte ich die Stichworte "Bester Actionfilm des Jahres" schon innerlich notiert. Das Duo Wilson Yip/Donnie Yen brennt in der ersten ellenlangen Fightszene ein unfassbares Feuerwerk ab, das für mich selbst die letzten Thai-Klopper auf die Plätze verweist. Donnie Yen hat es in den letzten Jahren geschafft, einen unverwechselbaren Stil zu kreieren, der die artifiziellen Strippenziehereien mit dem sehr physischen und vor allem rasend schnellen Kung-Fu eines Liu Chia-Liang und der Härte des modernen Hongkong-Kinos verbindet. Zusammen mit einer absolut famosen Kameraarbeit und einer brillianten Choreografie bleiben wenig Fragen offen. Alles scheint möglich, dabei hat DRAGON TIGER GATE doch eben erst begonnen. Und leider muss man konstatieren, dass Yip/Yen dieses hohe Anfangstempo nicht annähernd zu halten imstande sind. DRAGON TIGER GATE basiert auf einem Manga und das merkt man leider: Die platte Story verliert sich im langen Mittelteil in Soap-Opera-haften Banalitäten, Yip ist sichtlich bemüht, noch jeden halbwegs wichtigen Handlungsstrang der Vorlage irgendwie unterzubringen. Und weil die Figuren wirklich hauchdünn sind, gereicht dem Film diese Handlungsfixierung nicht gerade zum Vorteil. Große Bilder und große Gesten werden mit ausschweifendem Pinselstrich auf die Leinwand geworfen, doch die Emotionen dazu wollen sich nicht einstellen. Stattdessen wirkt das alles unglaublich blöd und leer, wo SPL noch gestandene Männer zum Weinen brachte. Der große Finalkampf kommt dann ganz plötzlich holterdipolter, so als sei Yip irgendwann eingefallen, dass er nicht ewig Zeit hat, und natürlich kann er die aufgebauten Erwartungen längst nicht mehr auch nur annähernd erfüllen. Die rohe Energie der Anfangsminuten ist irgendwo unterwegs flöten gegangen, wurde zugunsten völlig übertriebener visueller Effekte aufgegeben, mit denen sich der Film im Fahrwasser solcher mit CGIs zugeschissener Kinderfilme wie STORMRIDERS bewegt. Das wäre für sich betrachtet ja nicht schlimm, hätte er zu Beginn nicht angedeutet, was eigentlich möglich gewesen wäre. Es steht zu hoffen, dass Yip das nicht gerade mit den besten Ergebnissen gesegnete Genre der Mangaverfilmungen hinter sich lässt, um uns in nächster Zeit wieder mit echtem Erwachsenenkino vom Schlage eines SPL verwöhnt. Donnie Yen ist natürlich trotzdem die coolste Sau des Hongkong-Films.
#735
Geschrieben 28. März 2007, 14:49
Dangerseeker, Kung-Fu- und Fernostexperte, Yale-Koryphäe und Archäologe Prof. Robert Burns (Steven Seagal) ist ein Fuchs, dem man kein X für ein U vormachen kann: Als ein allzu finster dreinblickender Gesell einen soeben im Schweiße des Angesichts freigeschaufelten Keramikteller achtlos platt trampelt, wird der unkonventionelle Akademiker und freiberufliche Superheld argwöhnisch. Und siehe da: Bald schon ist in des Professors beschaulichem Leben nichts mehr wie es war. Seine liebreizende Assistentin wird totgeschossen, er selbst landet für ein paar Stunden in einem chinesischen Gefängnis, bevor ihn das CIA raushaut, um den ehemaligen Kollegen (oha!) auf eine finstere chinesische Mafiaorganisation anzusetzen, deren Köpfe den ganzen Film über schwafelnd und rauchend zusammenhocken. Und weil so ein Engagement meist schlecht für die Gesundheit etwaiger Professorengattinnen ist, muss der Intellektuelle mit dem schlechten Klamottengeschmack bald schon Rache üben und ist „draußen für zum Töten“ ...
Dieses Direct-to-Video-Vehikel vom selbsternannten Mystery Man Seagal schwingt sich zumindest in der ersten Hälfte an die qualitative Spitze des Spätwerks, bevor der Film von Michael Oblowitz sich ähnlich in Konfusionen und Drehbuchwindungen verstrickt wie 99,9 % der anderen Billig-Seagals auch. Die ersten 45 Minuten bieten dem Connaisseur aber eine wahre Fundgrube der Seagalismen, dort ergießen sich die Absurditäten in einem nie enden wollenden Schwall wie aus dem Füllhorn der Pandora. Das geht schon damit los, dass Seagal bzw. Burns als intellektuelles Aushängeschild der Universität Yale geadelt wird und seinen Pfundskörper im violetten Glimmerkimono hinter das Podest zu Dankesrede wuchtet. Die Klöpse (um im Jargon zu bleiben) kommen Schlag auf Schlag: Ein Pilot namens „Crash“ erzählt, dass er diesen Namen der Tatsache zu verdanken habe, dass er noch nie einen solchen hatte, als wäre das tatsächlich ein Grund zum Angeben; Seagal spielt zwar einen Spezialisten für die Sonstwas-Dynastie, braucht aber seine Assistentin, um die lustigen Schriftzeichen lesen zu können - passend dazu hockt er auch immer mit dem feschen SS-Ledermantel in der Baugrube: Coolness ist die halbe Miete, das weiß der Archäologe spätestens seit Indiana Jones. Seinen Doktortitel erwarb Burns übrigens im Knast, wo neuesten Studien zufolge 93,78 % der Archäologie-Dissertationen verfasst werden. Apropos Bau: Als Burns dort kurzzeitig einziehen muss, gibt es einen kurzen Dialog mit seinem Zellengenossen, einem Amerikaner namens King, der dort wegen Haschisch-Schmuggels einsitzt. Mitten in dessen Erzählung wird weggeblendet, nur um dann zwei Minuten später zur Entlassung Burns’ zu zeigen, wie die beiden in der Kürze der Zeit zu Herz und Seele Verschmolzenen sich kräftig herzen. Burns sagt nur: „Once a freind, a friend for life“ und geht, worauf King ihm hinterherruft: „Don’t forget me, Burns!“ – Er scheint wirklich wenig Vertrauen in des Akademikers markige Sprüche zu haben. Wer will es ihm verdenken? Das ist dann auch das Letzte, was wir von King sehen, bis Burns ganz am Ende dessen Befreiung veranlasst. Und wir sehen: Er hat seinen Busenfreund tatsächlich nicht vergessen, schluchz. Dieses Beispiel verdeutlicht am Besten, in welchen Dimensionen sich OUT FOR A KILL bewegt. Der ganze Film ist komplett bescheuert und ergibt nicht für 5 Cent Sinn. Ein bisschen an idiotische Computeradventures erinnerten mich die schicken Tattoos der Bösmänner, die dem Burns die entscheidende Safe-Kombination mitteilen. Welcher Boss kommt denn auf so eine bemackte Idee? Und welcher Henchman lässt sich allen Ernstes das Zeichen für „an der Oberfläche“ auf das Handgelenk pinnen? Bei der Zuteilung der Tattoos ging es bestimmt zu wie bei RESERVOIR DOGS: „Nein, ich will „an der Oberfläche“ sein!“ Es wäre noch so viel mehr zu sagen: Etwa darüber, wie unsagbar mies die zahlreichen Rückprojektionen aussehen; darüber, dass Seagal hier sogar sein Geschick als Pilot erproben darf; und natürlich sollte auch nicht verschwiegen werden, dass die hurtig als Voice-Over-Erzählerin etablierte CIA-Agentin dem Burns/Seagal verbal Honig ums Mäulchen schmieren darf, indem sie erzählt wie außergewöhnlich und einzigartig dieser Mann war, während wir sehen wie er das Agentenmäuschen am Grab seiner Frau väterlich bei der Hand nimmt. Einfach toll und im Gegensatz zu vielen anderen Seagals neueren Datums gibt es hier auch ein paar hübsche Keilereien, in denen es den Filmemachern nicht gelungen ist, den geringen, der Fettleibigkeit geschuldeten Aktionsspielraum seines Stars zu kaschieren.
#736
Geschrieben 28. März 2007, 14:54
John Schlesingers THE MARATHON MAN ist ja auch so ein Film, dessen wahre Größe in Vergessenheit zu geraten droht. Schuld daran ist nun keinesfalls, dass man ihn nicht zu schätzen wüsste, ganz im Gegenteil. Zwischen „Schau mir in die Augen, Kleines!“, Duschmord, Wagenrennen, „Ich bin dein Vater!“ und einigen anderen Kandidaten der Gattung „Berühmte Szenen“ gibt es auch ein Plätzchen für den freundlichen ehemaligen KZ-Zahnarzt Szell (Laurence Olivier), das Loch im Zahn von Dustin Hoffman und die kryptische, aber äußerst beharrlich gestellte Frage „Is it safe?“. Eine verdiente Auszeichnung, keine Frage. Aber auch eine, die den Film als Ganzes überschattet, der nicht nur mit mehreren ähnlich hochklassigen Szenen aufwarten kann – man denke etwa an Szells Flucht durch die überfüllten Straßen Manhattans, in seinem Nacken das ehemalige Opfer, das ihn enttarnt hat, oder die langsam aufsplitternde Tür zu dem fensterlosen Badezimmer, in dem der vor Angst zitternde Student Babe (Dustin Hoffman) Zuflucht gesucht hat –, sondern dessen große Kunst vor allem darin besteht, trotz dieser starken Einzelmomente niemals bruchstückhaft oder episodisch zu wirken. THE MARATHON MAN findet in diesen Szenen seine Kulminationspunkte, auf die er mit der eiskalten, geschliffenen Präzision zuläuft, die es in dieser Form wohl nur im US-amerikanischen Thriller der Siebzigerjahre zu bestaunen gab, als Watergate, Vietnam und Attica großes Misstrauen in den eigenen Staat geschürt hatten. Von diesem Misstrauen, der Ahnungslosigkeit des Normalbürgers von den Ränkespielen der Geheimdienste und Mächtigen handelt der Film, thematisiert es in beinahe jeder Szene. Und weil die Details und Hintergründe um die Verflechtung des amerikanischen Geheimdienstes, zu dem auch Babes älterer Bruder Doc (Roy Scheider) gehört, mit dem nach seinem in Diamantenform in einer New Yorker Bank ruhenden Altenteil gierenden Altnazi Szell nie ganz aufgedeckt werden, bis zum Schluss auch für den Zuschauer undurchsichtig bleiben, zählt THE MARATHON MAN zu den spannendsten Thrillern nicht nur dieser Epoche, sondern des Thrillergenres überhaupt. Ein Film, der in jeder einzelnen Szene besticht und auch in seiner formalen Gestaltung schlicht brillant ist; und mir als Kind der Siebziger außerdem noch einmal äußerst eindrucksvoll verdeutlicht, wie nah Holocaust und Zweiter Weltkrieg damals eigentlich noch waren. In Schlesingers New York tobt der Antisemitismus jedenfalls immer noch und fordert in einer furiosen, pointierten und schwarzhumorigen Einstiegssequenz zwei besonders starrsinnige Opfer.
#737
Geschrieben 31. März 2007, 17:31
Jean Laurier (Alain Delon), genannt Scorpio, ist ein Killer, der auf der Gehalts- und Auftragsliste des CIA steht und außerdem als Protegé des alternden Agenten Cross (Burt Lancaster) fungiert, der den Jungspund immer wieder mahnend an die Zeit erinnert, da sich der Wind für den Killer drehen wird. Zunächst einmal ist es aber Cross, der mit seinem Ausstiegswunsch auf der Abschussliste landet. Und ausgerechnet Scorpio soll den Mord besorgen ...
Michael Winner, zu Anfang der Siebziger ein ganz heißes Regieeisen, wird wahrscheinlich am ehesten für seine provokanten und streitbaren Gewaltthriller in Erinnerung bleiben, die er nach SCORPIO vor allem mit Charles Bronson in der Hauptrolle inszenierte: DEATH WISH – DEATH WISH 3, CHATO'S LAND, THE STONE KILLER und THE MECHANIC etwa. SCORPIO wirkt dagegen heute beinahe etwas brav und innerhalb des Agententhriller-Genres von der Besetzung abgesehen kaum auffällig. Zu seiner Zeit mag das aber durchaus anders gewesen sein. Der mitten im kalten Krieg platzierte Film zeichnet ein differenziertes Bild der konkurrierenden Mächte, und lässt an beiden Seiten nicht viel Gutes. Der Konflikt zwischen Ost und West gründet auf den Streitereien bürokratischer Betonköpfe, die mit der Realität nur wenig zu tun haben. Die Kämpfer an der Front stehen sich zwar konkurrierend, aber durchaus in gegenseitigem Respekt gegenüber. Der Film findet seine schönste Szene in einem Saufgelage zwischen Cross und seinem russischen Gegegenspieler und Freund Zharkov (Paul Scofield), in dem sich beide über ihre Systeme und ihren Beruf auskotzen. Daran kann man schon ablesen worum es Winner ging: Mehr als für die Action interessiert er sich für die persönlichen Beziehungen und die hochkomplexen diplomatischen Verwicklungen, sodass man SCORPIO sehr aufmerksam folgen muss, um in all den Intrigen und Doppelspielen nicht den Überblick zu verlieren. Erst ganz am Ende gibt es eine lange furiose Actionszene, die mich sehr an die Verfolgungsjagd aus Frankenheimers FRENCH CONNECTION II erinnert hat. SCORPIO ist insgesamt ein durchweg homogener Film, der leider ein wenig darunter zu leiden hat, dass einige Artgenossen ihr Thema noch etwas pointierter zu behandeln wussten.
#738
Geschrieben 31. März 2007, 19:19
Ein Erlebnis, das prädestiniert dafür ist, in einem Filmtagebuch verewigt zu werden: die Sichtung des thailändischen Geisterfilms THE UNSEEABLE von Wisit Sasanatieng (TEARS OF THE BLACK TIGER) im Rahmen des CineAsia-Filmfestivals in Köln. Hier sollte jetzt eigentlich stehen wie gut oder weniger gut gelungen der Film ist, worum es geht, was diesen thailändischen Film von vergleichbaren Filmen aus den USA, aus Europa oder anderen asiatischen Ländern unterscheidet, ob der Film in der Lage ist, den guten Ruf, den Thailand sich in den letzten Jahren mit sehr unterschiedlichen Produktionen erworben hat, auszubauen, oder auch nur, ob er mir gefallen hat. Stattdessen geht es um den Filmvorführer.
Der Film läuft erst wenige Minuten, fängt sehr stimmungsvoll an, da fragt zora: "Ist der wirklich in 4:3?" Ich wundere mich nur kurz, antworte: "Ja, sieht ganz so aus" und schon hängt das erste Mikro fett ins Bild. Nun kann man sich vorstellen, wie sehr ein solches Detail den Filmgenuss stören kann in einem Geisterfilm, bei dem es nunmal in allererster Instanz darum geht, dass man bereit ist, dem Film zu glauben. Wenn man einem Geisterfilm nicht glaubt, dann braucht man ihn sich nicht anzusehen. Hier aber ist das unmöglich: Den dicken Mikros, die ständig ins Bild ragen, folgen bald noch ganze Lichttraversen, sogar sich bewegende Beleuchtungselemente und in einer Szene war mir nicht ganz klar, ob das Gesicht, dass da zum Fenster hereinglotzt, nun einer der ständig präsenten Geister gewesen sein soll, oder ob es sich nicht doch eher um einen Techniker handelte. Und auch in Szenen, in denen keine anwesende Technik den Eindruck erweckt, man wohne einem Making-Of bei, fällt überdeutlich auf, dass die gesamte Bildkomposition ruiniert ist, weil oben und unten immer viel zu viel ungestalteter Bildraum zu sehen ist. Dem Ärger über das so verschandelte Vergnügen gesellt sich eine zweite Ebene des Zorns hinzu: Denn wie viele Leute in diesem Kino wissen schon, dass es so etwas wie ein nachträgliches Kaschieren gibt, dass hier schlicht eine Fassung vorliegt, bei der die schwarzen Balken oben und unten fehlen, und nicht ein Film, dessen Regisseur schlicht zu dämlich war? Die Proleten ein paar Reihen vor mir schmeißen sich bei jedem Mikro, jeder sichtbaren Lampe weg, und ich denke mir: Das hier ist die CineAsia, ein Festival, das es sich zum Ziel gesetzt hat, das asiatische Kino in das deutsche Bewusstsein zu rücken, Werbung zu machen für eine immer noch weit gehend unterschlagene Filmkultur. Das thailändische Kino, für das THE UNSEEABLE – das wird in jeder Sekunde des sehr sorgfältig komponierten und aufwändig produzierten Films deutlich – ein Aushängeprodukt sein dürfte, hat hier eine herbe Niederlage einstecken dürfen. Den Film sachlich und angemessen zu beurteilen ist schlicht unmöglich. Ich wage aber die Behauptung, dass THE UNSEEABLE kein durch einen unfähigen Vorführer zerstörtes Meisterwerk ist: Der Film ist zu jeder Sekunde als finanzstarkes Kommerz- und Prestigeprodukt erkennbar, die Ausgewogenheit von Ruhe und gezielten Schocks, die über Erfolg und Misserfolg eines Gruslers entscheidet, beherrscht Sasanatieng überhaupt nicht. So wird man schon in den ersten zwanzig Minuten mit Schockmomenten zugeschüttet, sodass relativ schnell Abstumpfung einsetzt. Insgesamt also ein zwar hoch interessantes, letzten Ende aber in allen Belangen zwiespältiges Kinoerlebnis.
#739
Geschrieben 01. April 2007, 16:21
Jess Francos Stoker-Adaption gilt als relativ originalgetreue Verfilmung des Stoffes und veranlasste ja sogar die notorischen Kostverächter Hahn/Jansen in ihrem "Lexikon des Horrorfilms" von ihrem sonstigen Franco-Hass abzusehen und ihm eine gelungene Arbeit zu bescheinigen – natürlich nicht, ohne gleichzeitig schadenfroh auf die vorhandenen Mängel zu verweisen. Tatsächlich ist COUNT DRACULA ein Film, der sämtliche Schwachpunkte des Francoschen Werkes aufweist: ein schmalbrüstiges Budget, das man in jeder Einstellung erkennt, hölzern agierende Darsteller, der inflationäre Gebrauch theatralischer Zooms und Day-for-Night-Shots und ein sehr eigenwilliges Verständnis von Tempo. Wie bei VAMPYROS LESBOS ergibt sich aber aus der Kombination dieser Mängel in Verbindung mit Stokers Vorlage und dem schönen Score von Bruno Nicolai ein höchst eigenwilliger Film, dessen Atmosphäre kaum zu beschreiben ist und ihn von allen anderen Dracula-Verfilmungen abhebt. Interessanterweise scheint mir ausgerechnet Herzogs NOSFERATU – PHANTOM DER NACHT am ehesten verwandt: Beiden Filmen ist ein hoher Grad an Artifzialität zu eigen. Bei Franco liegt das nicht zuletzt an den vermeintlichen Mängeln, vor allem den spartanischen Settings und der Langsamkeit des Geschehens, der völligen Abwesenheit von sichtbaren Emotionen bei seinen Darstellern und gleichzeitiger inszenatorischer Überbetonung dieses Nichtvorhandenseins. Aber Francos Film hat durchaus auch inhaltlich etwas zu bieten: Christopher Lee begnügt sich interessanterweise nicht damit, seinen Hammer-Dracula zu reaktivieren, sondern legt seinen Graf deutlich vielschichtiger an: Der zu Beginn vereinsamte und grauhaarige Graf macht mit seinem Umzug nach Spanien, ähh, London, eine echte Frischzellenkur durch und hüpft bald viril von Schlafzimmer zu Schlafzimmer, während Renfield in seiner Gummizelle den Jackson Pollock der Bolognese-Soße gibt. Neben diesen beiden versuchen außerdem Herbert Lom, Soledad Miranda, Jack Taylor, Maria Rohm, Paul Muller und Fred Williams vergeblich ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Der ganz große Thrill ist COUNT DRACULA mithin nicht geworden, wohl aber ein poetischer Film, für dessen entrückte Schönheit man möglicherweise erst noch das Sinnesorgan entwickeln muss.
#740
Geschrieben 01. April 2007, 16:37
Das Urteil über Altmans Verfilmung der Comicstrips um den Spinat-fressenden Matrosen hat die Geschichte schon längst gesprochen. Der Film war ein desaströser Flop, der schnell dem Vergessen übereignet wurde. Große Einigkeit herrscht darüber, dass POPEYE eines der großen Missverständnisse der Studiofilmgeschichte gewesen ist. POPEYE ist mitnichten ein guter Film, keineswegs gar ein missverstandenes Meisterwerk, aber beileibe auch nicht das Fiasko als das man ihn darstellt. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass POPEYE eine der konsequentesten Comic-Verfilmungen überhaupt ist und diese Tatsache wurde ihm dann wohl auch zum Verhängnis. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte bis die Verfilmungen der bunten gezeichneten Bilder sowohl vom Publikum als auch von der Kritik in großem Maße akzeptiert wurden und POPEYE hatte das Pech der frühen Geburt. Altman gelingt es jedenfalls ausgezeichnet Figuren und Settings der Vorlage für den Film zu adaptieren, was POPEYE allerdings zu einer erwartbar hysterischen und auch etwas albernen Angelegenheit macht. Eine Story ist so gut wie nicht vorhanden, stattdessen frönt Altman dem schwelgerischen Abfilmen der zahlreichen Eye Candies (die Settings sind wirklich toll), dem skurrilen Wortwitz (Robin Williams imitiert des Seemannes Stimme mit großem Erfolg) und dem enervierenden Gequietsche von Olive Oyl (Shelley Duvall ist wie gemacht für diese Rolle) und den altmodischen Musicalnummern. All diese Elemente sorgen zwar für ein äußerst ungewöhnliches und alles andere als stromlinienförmiges Filmerlebnis, tragen aber leider nicht ganz über die volle Laufzeit vom 90 Minuten. Es macht sich ein bisschen Langeweile breit, wenn man sich an den lebendig gewordenen Zeichentrickfiguren satt gesehen hat und der reichlich anachronistische Showdown einsetzt, der aber immerhin einen hübschen Gummikraken vorzuweisen hat. Und leider sind die Schlägereien nicht ausgefeilt genug geraten.
#741
Geschrieben 02. April 2007, 15:07
Zehn Regisseure verfilmen die gleichnamige Kurzgeschichtensammlung des japanischen Autors Soseki Natsume (1867 – 1916). In allen zehn Episoden geht es um den Traum des jeweiligen Protagonisten.
Episodenfilme gibt es viele, nur wenige können es allerdings mit der stilistischen Vielseitigkeit dieses japanischen Films aufnehmen, der wüsten Splatter, Horror, Drama, Komödie, Anime und Stummfilm vereint und dennoch wie aus einem Guss wirkt. Jede der zehn Episoden besitzt ihren eigenen Reiz, wartet mit schönen Bildern, witzigen wie unheimlichen Momenten und ungewöhnlichen Ideen auf. Da bei der gebotenen Menge aber keines der Einzelsegmente über den Status eines kleinen Kurzfilms hinauskommt, lässt TEN NIGHTS OF DREAMS den Zuschauer als Ganzes – zumal wenn man die Vorlagen des Autors nicht kennt – etwas unbefriedigt zurück. Die eröffnende Parenthese, auf die Rahmenhandlung möchte kein Episodenfilm verzichten, deutet noch die Möglichkeit einer abschließenden „Auflösung“ an, doch es bleibt bei dieser Hoffnung. Für den westlichen Zuschauer stellen sich bei TEN NIGHTS OF DREAM somit mehr Fragen als Antworten gegeben werden, und dass, obwohl die einzelnen Episoden sogar relativ publikumsfreundlich und zugänglich inszeniert sind. Wahrscheinlich war auch das das Ziel dieses Projekts: Weniger eine Aussage zu treffen als vielmehr einen Klassiker der japanischen Literatur in die Gegenwart zu transponieren und zu zeigen, was man aus Natsumes Geschichten mit etwas Fantasie machen kann. Insofern ist das Projekt gelungen. Highlights in dem Kessel Bunten sind Takashi Shimizus Horrorepisode, der Comicsplatter von Yudai Yamaguchi (BATTLEFIELD BASEBALL), eine ungemein pointierte Episode um einen schlicht brillanten Bildhauer namens Unkei, deren Umsetzung etwas an eine kommerzielle Version von Tsulkamotos TETSUO denken lässt, und eine beinahe europäisch anmutende Geschichte um die versteckten Identitäten, die bei Ehepartnern zum Entsetzten des jeweils anderen zutage treten. Ein schöner, vor allem sehr kurzweiliger Film, dem aber etwas die Substanz zum ganz großen Wurf fehlt.
#742
Geschrieben 04. April 2007, 14:13
Die beiden Kölner Loser-Polizisten Jürgen Docker (Jürgen Tarrach) und Oliver Dretzke (Oliver Korittke) werden von den verhassten Kollegen des LKA Düsseldorf (u. a. Herbert Knaup) für einen Überwachungsjob eingespannt: Aus einem winzigen VW-Käfer mit kaputtem Klo heraus sollen die beiden nachts ein Haus observieren, in dem ein großer Drogendeal vonstatten gehen soll. Natürlich gibt es bald Komplikationen: Erst drohen die beiden aufzufliegen, weil sich ein bis über beide Ohren verschossener Docker bei einer Kneipenwirtin (Ellen Ten Damme) verplappert, dann mehren sich die Hinweise, dass die beiden Düsseldorfer Kollegen gar nicht so sehr an der Aufklärung interessiert sind wie sie vorgeben ...
Ralph Huettner hat sich für den vom ZDF produzierten Erfolgsfilm kräftig bei amerikanischen Vorbildern bedient: Besonders John Badhams STAKEOUT stand Pate für diese tolle Krimikomödie, die sich dennoch ganz und gar nicht verstecken muss. Gänzlich unaufgeregt, aber sehr selbstbewusst erzählt Huettner (der zusammen mit Dominic Raacke auch das Drehbuch schrieb) seine Geschichte, die vor allem von der Leistung seiner beiden Hauptdarsteller lebt. Tarrach und Korittke geben die beiden Slacker-Cops mit großer Glaubwürdigkeit und trotz offenkundiger Typisierung – genervter Null-Bock-Typ (Korittke) und schüchterner Träumer (Tarrach) – mit genügend Ecken und Kanten, um Interesse und Identifikation zu erleichtern. Hinzu kommt der Kölner Lokalkolorit, der dem Film einen genuin deutschen Anstrich jenseits aller Piefigkeit verleiht. Die guten Nebendarsteller tun ihr Übriges, sodass auch der heute zum einen etwas anachronistisch anmutende zum anderen auch damals schon nicht besonders aufregende Deutsch-Hip-Hop-Score dem Film keinen nennenswerten Schaden zufügen kann. Trotz aller vordergründiger Hipness – coole Klamotten, jede Menge Kippen und großzügiger Filtereinsatz – ein letzten Endes im positiven Sinne bodenständiger Film, der am allen Ecken und Enden zu begeistern weiß, ohne sich aufzudrängen. Toll.
#744
Geschrieben 06. April 2007, 09:31
Es hat sich nicht viel verändert in Köln: Docker und Dretzke sind immer noch solo, immer noch Tagträumer, immer noch Ziel des Spottes von Kollegen und Vorgesetzten. Als eines Tages die attraktive Journalistin Heike Rosenfeld (Sophie von Kessel) zwei Polizisten für eine Story begleiten will, sind die beiden Feuer und Flamme und merken nicht, wen sie sich da ins Boot geholt haben: ein berechnendes Miststück, das die beiden nur dazu braucht ihr bei einem schmutzigen Geschäft zu helfen. In einem Kölner Nobelpuff will sie nämlich kompromittierende Fotos von Phil Collins machen ...
Dem Sequel von Ralf Huettner fehlt leider genau das, was den Vorgänger auszeichnete: eine glaubwürdige, gut konstruierte Story. Hier hat man zu jeder Zeit den Eindruck, die Geschichte sei nur um die beiden Hauptfiguren herumgestrickt worden, um sie in neue komische Situationen zu werfen. Das ist – dank Tarrach und Korittke – auch erneut recht amüsant, der Film als Ganzes will aber nie so richtig abheben und der vermeintliche Gag um den Superstar im Kölner Puff entfaltet auch nie den Witz, den sich seine Erfinder wohl davon versprochen hatten. Stattdessen werden ohne Sinn und Verstand Collins- und Genesis-Stücke auf dem Soundtrack durcheinander gewürfelt, Erwähnungen deutscher Medienprominenz und ein schrecklicher Gastauftritt von Harald Schmidt vervollkommnen den Eindruck, dass sich Huettner hier ganz dem postmodernen Zitierfimmel hingegeben hat, dem er bei DIE MUSTERKNABEN noch gut ausgewichen ist, um seine Figuren wirken zu lassen. Insgesamt also ein zwiespältiges Vergnügen, das aber immer noch ansehbar ist.
#745
Geschrieben 07. April 2007, 12:19
Die beiden Navy-Soldaten Buddusky (Jack Nicholson) und Mulhall (Otis Young) werden mit einem Sonderauftrag betraut: Sie sollen den 18-jährigen Meadows (Randy Quaid) vom Stützpunkt zum Gefängnis bringen, wo ihm wegen einer Lappalie eine achtjährige Haftstrafe bevorsteht. Meadows scheint dieser Ungerechtigkeit beinahe gleichgültig gegenüberzustehen: Er ist ein schüchterner, verklemmter Junge, der es nie gelernt hat aufzubegehren oder auch nur seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Bald wird aus dem "chickenshit detail" eine Pilgerfahrt, bei der es sich die beiden Soldaten zum Zeil setzen, dem Jungen die letzten Tage in Freiheit zu versüßen ...
Hal Ashby, einer der wichtigsten, wenn auch nicht erfolgreichsten Akteure des New Hollywood legt mit THE LAST DETAIL ein schlicht und ergreifend großartiges Werk ab, das mit Leichtigkeit zu den Höhepunkten des US-amerikanischen Filmschaffens jener Zeit zählt. Von den fantastischen Leistungen (vor allem Nicholson als "Badass" Buddusky belegt, zu was er einst jenseits aller THE DEPARTEDschen Peinlichkeiten fähig war) seiner Akteure beflügelt, gelingt Ashby ein sehr menschlicher, tragikomischer Film, der seine Zuschauer niemals mit filmischen Zaubertricks überrumpeln muss, um Wirkung zu zeigen. Über weite Strecken kommt der Film ohne Score aus, weiche Überblendungen verweigern dem Zuschauer klare Antworten und echte "Enden". Diese Offenheit behält der Film bis zum Finale bei, das selbst rätselhaft bleibt: Das mögliche Happy End bleibt ebenso aus wie der ganz große Downer. THE LAST DETAIL trägt alle Merkmale eines astreinen Männerfilms, aber er bringt das Kunststück fertig, den liebenswerten Riten dieses tollen Geschlechts große Würde zu verleihen: Wenn die beiden Soldaten ihrem bedauernswerten Kompagnon zum ersten Bier verhelfen, sich gemeinsam in eine Schlägerei mit arroganten Marines verwickeln lassen, in Unterwäsche in ihrem Hotelzimmer abhängen, rauchen und Dosenbier trinken oder ihm die Entjungferung finanzieren, dann hat das wirklich humanistischen Charakter fernab des Machismo. Dennoch frönt Ashby nicht dem hippieesken "Wir haben uns alle lieb", im Gegenteil, am New-Age-Esoterik-Mumpitz seiner Zeit lässt er nicht viel Gutes. Insgesamt gilt: Ein absolutes Meisterwerk, das den Zuschauer das gesamte Spektrum menschlicher Emotionen durchlaufen lässt und nebenbei auch noch großartige Unterhaltung darstellt. Zur optimalen Erstsichtung schlage ich aber einen tristen Herbstsonntag vor.
#746
Geschrieben 07. April 2007, 12:46
Wow. Schon lange Zeit hat mich ein Film nicht mehr so komplett gegen den Strich gebürstet wie Alfonso Cuarons hoch gelobte Dystopie. Zwischenzeitlich war ich zu nicht viel mehr in der Lage als mich an meiner Bierflasche festzukrallen und mit offenem Mund auf den Bildschirm zu glotzen, auf dem 2000 Jahre Zivilisation in einem erschreckend real erscheinenden Szenario zusammenbrachen. Ähnlich wie beim vorher begutachteten THE LAST DETAIL punktet Cuaron vor allem dadurch, dass er sich abgenutzter Inszenierungsklischees verweigert. Mit immenser Präzision, einem genialen Blick für den Moment und einer absoluten Eiseskälte nimmt er die Welt seines Filmes auseinander, dass einem Angst und Bange wird. Seine vielen Höhepunkte findet CHIDLREN OF MEN in den schlicht brillanten Plansequenzen, in denen binnen weniger Sekunden die Hölle in die vermeintliche Ruhe einbricht, das Chaos für Sekunden der freidvollen Ruhe weicht. Frieden, Leben und Glück werden zu erschreckend flüchtigen Erscheinungen in dieser Welt, an deren Zauber man sich deshalb umso intensiver klammern muss – so wie Theo Faron (Clive Owen) am Ende die Zukunft der Menschheit in Form eines kleinen Babys im Arm hält. Der dystopische Entwurf, das wundersame Aussetzen der Fertilität, funktioniert – das ist der große Coup des Films – sowohl auf einer metaphorischen wie auf einer sehr direkten Ebene: dem ganz wörtlich verstandenen Aussterben der Menschheit als göttlicher Intervention auf der einen, den Konsequenzen aus dem ökologischen Raubbau und der resultierenden Umweltzerstörung auf der anderen Seite. Den Horror dieses Szenarios gewinnt Cuaron jedoch vor allem aus den kleinen Details, mehr als aus großen Entwürfen. Dem entsetzten Blick der Menschen auf den Fernseher, auf dem gerade die Nachricht vom Tod des jüngsten Menschen verkündet wird; die beiläufige und belehrende Bemerkung der schwangeren Kee, eine Schwangerschaft dauere neun Monate – die nötig ist, weil dieses Wissen seit 19 Jahren ein rein theoretisches ist; die Reaktion der Menschen als die Schreie des Säuglings ertönen: In diesen scheinbar unspektakulären Momenten wird der ganze Schrecken einer Welt ohne Kinder erfahrbar. Das Kinderlachen, dass die Endcredits untermalt, wirkt wie eine letzte Mahnung, diese Vision nie Realität werden zu lassen. Einfach großes Kino: sauspannend, erschütternd und von absoluter formaler Brillanz.
#747
Geschrieben 07. April 2007, 16:07
Der arme Vic ist durch die unglaublichen Ereignisse und Verwicklungen einer Nacht auf dem elektrischen Stuhl gelandet – und das völlig unschuldig. In seinen letzten Minuten erzählt er, was passierte ...
Das Horror und Komödie ziemlich eng beieinander liegen zeigt sich in Sam Raimis Gesamtwerk mehrfach, neben den ersten beiden EVIL-DEAD-Filmen wohl nirgends so deutlich wie in CRIMEWAVE. Zusammen mit den Coen-Brüdern schrieb Raimi ein Drehbuch das den Loser und Helden wider Willen Victor Ajax in ein klassisches Crimefilm-Szenario dessen Bestandteile zwei wahnsinnige Killer, zwei intrigierende Geschäftspartner und die große Liebe in Gestalt der schönen Nancy sind. Inspirationsquellen sind neben den alten Gangsterfilmen und dem Film Noir wohl vor allem Cartoons und die brutalen Späße der THREE STOOGES. Die beiden Kammerjäger Crush (Paul L. Smith) und Arthur (Brion James) sorgen für Slapstick par excellence, die expressive Beleuchtung und ausgefallene Kamerapositionen sowie ein kreativer Schnitt, der CRIMEWAVE in Verbindung mit dem enormen Einfallsreichtum des Drehbuchs und der Regie den Düsenantrieb verpasst. Raimi legt ein enormes Tempo vor, das vor einigen gekonnten Ausflügen ins Horrorgenre beflügelt wird: Die Szene, in der der Killer die Tür der Mordzeugin aus den Angel prügelt, während die panische Frau verzweifelt versucht, der Polizistin am Hörer klarzumachen, was gerade passiert, stünde jedem neuzeitigen Terrorfilm gut zu Gesicht. Der ganze Film ist dermaßen rasant und panisch, dass es einem schier den Atem raubt. Ein Film, der für das, was er ist, schlicht perfekt ist und auch mehrere Sichtungen sehr gut verträgt und immer Neues bereithält. CRIMEWAVE, der in Deutschland mit dem schönen und wohl auf den Erfolgsfilm POLICE ACADEMY anspielenden Titel DIE KILLER-AKADEMIE abgestraft wurde, wird in Raimis Werk meist zu Unrecht vernachlässigt und ist auch im Hinblick auf spätere Filme der Coens ziemlich interessant: Mehr als jedem Film Raimis ähnelt er THE HUDSUCKER PROXY, der einen ganz ähnlichen Drive entwickelt, aber etwas komplexer ist. Als Bonus bietet Bruce Campbell eine absolute Glanzleistung als schmieriger Aufschneider und Schönling Reynaldo ab.
#748
Geschrieben 08. April 2007, 21:01
#749
Geschrieben 09. April 2007, 17:06
Harry Caul (Gene Hackman) ist ein klassischer homo faber: ein Abhörspezialist, der seinen Klienten für erkleckliche Sümmchen den perfekten Tonmittschnitt liefert. Die Personen hinter dem Geld bzw. vor seinen Richtmikrofonen und Wanzen haben ihn nie interessiert. Die Qualität des Mitschnitts ist alles, was für ihn zählt. Ein tragischer Todesfall in Zusammenhang mit einem seiner Aufträge, lässt ihn erstmals an der Richtigkeit seines Jobs zweifeln. Als Harry dann die Frau des gutbetuchten Direktors (Robert Duvall ohne Rollennamen und Credit) beim heimlichen Treffen mit ihrem Geliebten (Frederic Forrest) abhört und ein Hinweis auf der Aufnahme andeutet, dass die beiden einen Mordversuch des gehörnten Ehemanns befürchten, brennt Caul eine Sicherung durch ...
Der paranoide Überwacher, der die Welt mittels der ihm vorliegenden, unzureichenden Informationen zu dekodieren versucht, ist wohl nicht zuletzt durch Coppolas Film längst ins Thriller-Figureninventar eingegangen. Heute genügen ein paar Pinselstriche, um diese Figur auf die Leinwand zu bringen. Nicht zuletzt weil Coppola dem Innenleben dieses Typus in THE CONVERSATION auf den Grund gegangen ist und einige seiner Abgründe aufgedeckt hat. Harry Caul ist ein Meister der Einweg-Kommunikation: Ein perfekter Empfänger, ihm entgeht nichts – obwohl er niemals zuhört. Selbst lebt er völlig in sich zurückgezogen, beinahe autistisch vertieft er sich in seine Abhörapparaturen und lehnt jede äußere Verantwortung ab. Ein typischer Mitläufer, der prompt in den eigenen Untergang tappt, als er sich zum ersten Mal auf sein Gefühl verlässt.
Unmittelbar nach THE GODFATHER gedreht, illustriert dieser Film ziemlich gut, wie sehr Coppola das Mafia-Epos gehasst haben muss: Er, der künstlerisch ambitioniertes, innovatives und experimentelles Kino machen wollte, musste einen epischen, chauvinistischen Mafiaschmöker verfilmen. THE CONVERSATION ist ruhig, beinahe dokumentarisch, dabei ohne bequemen Erzählfluss, sondern in seinen schnappschussartigen Szenenfolgen eher fragmentarisch gehalten. Coppola erklärt nicht, Coppola zeigt. Dabei steht ihm schlicht brillanter Gene Hackman zur Seite, der hier zeigt, dass er damals einer der vielseitigsten Hollywood-Schauspieler überhaupt war. Mitten in einer Phase, in der auf aggressive Arschlöcher abonniert war (etwa PRIME CUT, THE HUNTING PARTY, FRENCH CONNECTION I & II), überzeugt er als schüchterner, repressiver Techniknerd Caul mit immensem Druck auf dem Ventil. Was THE CONVERSATION jedoch endgültig in andere Sphären hebt, ist die Gestaltung der Tonspur: Eine Fülle an unterschiedlichen Geräuschen ist zu hören und zwingt den Zuschauer in die Rolle Harrys. Als Soundtrack fingiert konsequenterweise der im deutschen titelgebende Dialog, der gleich mehrfach zu hören ist und die ganze Lösung des Films enthält: Hätte Harry nur gelernt, richtig zu- statt nur hinzuhören ...
#750
Geschrieben 09. April 2007, 17:32
Auf dem fernen Planeten Eternia tobt ein Mieterstreit um Castle Greyskull, dessen Bewohner gleichzeitig zum absoluten Herrscher wird. Soeben hat der fiese Skeletor (Frank Langella) die Schlüssel vom Schlüsselmacher Gwildor (Billy Barty) erhalten und ist mitsamt Beistelltischchen und der katzenäugigen Kammerzofe Evil-Lyn (Meg Foster) in der heimeligen Burg eingezogen. Die ehemals in Greyskull wohnhafte WG um Man-at-Arms (John Cypher), Teela (Chelsea Field) und He-Man (Dolph Lundgren) hingegen ist verständlicherweise ziemlich angepisst. Doch Hoffnung naht erneut in Gestalt Gwildors, der ein Duplikat des WG-Schlüssels hat, ohne das Skeletor wiederum der Gelackmeierte ist, weil bei seinen Saufgelagen theoretisch jederzeit jemand ungefragt reinkommen könnte. In einem kleinen Gebalge öffnet der Schlüssel jedoch eine andere Tür, nämlich eine zum Planeten Erde, auf dem die Mietparteien infolge ihren albernen Kampf ausfechten müssen, zwei doofe Teenies (darunter FRIENDS-Hungerhaken Courtney Cox-Arquette) mittendrin.
Ein Film wie er nur von der Cannon produziert werden konnte und an dem sich ihre ganze, letztlich zum Scheitern verurteilte Firmenphilosophie ablesen lässt. MASTERS, aufgrund des Erfolgs der Mattell-Actionfiguren eigentlich ein potenziell viel versprechendes Franchise, wurde schon in den frühen Achtzigern großspurig von Golan und Globus angekündigt, bis zum Release vergingen jedoch etliche Jahre bis 1988, in dem die Spielzeugfiguren mittlerweile an Reiz verloren hatten und der Film kläglich scheiterte. Doch eine unglückliche Marketingpolitik ist nicht die alleinige Ursache: MASTERS war wohl insgeheim als Auftakt für eine Serie vom Kaliber der STAR-WARS-Erfolge gedacht, davon künden die großspurig intonierte Einleitung und der dreits geklaute Score von Bill Conti. Das Budget des Films scheint jedoch für die Sicherung der Filmrechte draufgegangen zu sein, denn jeglichem Versuch, großes Science-Fiction-Abenteuer auf die Leinwand zu bringen, geht schon im Ansatz die Puste aus. Eternia besteht aus nicht mehr als einem Matte Painting, einem Steinbruch und zwei Studiokulissen, nach Ankunft auf der Erde hat man sich neben interessanten Schauplätzen (es gibt die üblichen Turnhallen, Hinterhöfe, Burgerläden und Einfamilienhäuser) auch gleich die Statisten geklemmt. Wenn Skeletor seine Invasion startet, guckt noch nicht einmal eine Sau aus dem Fenster! Ähnlich sparsam sind die Effekte, von den Masken gar nicht zu schweigen. Vor allem ein Monster namens "Karg" hat es mir angetan, weil es auf dem Kopf eine Puhdys-Gedenkfrisur herumträgt, die seinem Namen spottet. Nur Skeletor sieht ganz ordentlich aus und man hätte ihm einen besseren Film gewünscht. Dolph Lundgren in seiner ersten Hauptrolle ist kaum mehr als ein Statist, seine Gage hat er sich aber für die Peinlichkeit, den ganzen Film über mit strohblondem Vokuhila-Toupet und Ledergeschirr mit Eierquetscher-Hosen rumlaufen zu müssen, redlich verdient.
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