Der Monroe ihre dicken Hupen
#961
Geschrieben 25. September 2007, 10:01
Regie: Franz Josef Gottlieb
Was sich schon im fünften Teil der Serie andeutete, nämlich dass Schulleiter Taft den Paukerschreck Pepe als Hauptfigur des Films ablöst, wird im letzten Eintrag endgültig Tatsache. Wahrscheinlich war den Machern klar, dass ein erneut um die Scherze Nietnagels kreisender Film nicht mehr fruchten würde. So wird uns Taft, der einen altersbedingten Sinneswandel durchmacht, mit den Lausbuben nicht mehr so hart ins Gericht gehen will und dadurch das Unverständnis des Lehrkörpers auf sich zieht, als Mensch nähergebracht, dessen eigene Schulzeit ihn zudem zum Gesinnungsgenossen Pepes macht. Ilja Richter gibt in einem Rückblick überzeugend einen jungen Taft, der sich mit seinem Lehrer, dem mittlerweile ja auch leider verstorbenen Hans Korte, anlegt. Nach insgesamt aber doch eher müden zehn Minuten kehrt der Film in die Gegenwart zurück, in der Pepe mit Taft nun ein Bündnis eingeht, um den Putsch der Untergebenen abzuwehren. Dieser Schachzug ringt dem totgelaufenen Konzept noch einmal neue Seiten ab, und lässt ihn letztendlich besser abschneiden als den reichlich öden sechsten Teil. Dennoch wird die ansteckende Fröhlichkeit und geradezu besoffen machende Glücksseligkeit der ersten sagen wir vier Einträge zu keiner Sekunde erreicht. Geradezu leblos und trist erscheint dieser Film, der verdeutlicht, dass man nun endgültig in den grauen Siebzigern angekommen ist. Lustige Liedchen werden ebenso wenig geschmettert wie es auch keinen erneuten Auftritt von Uschi Glas gibt. Und Hansi Kraus ist mittlerweile sichtlich zu cool geworden, um noch den rotbäckigen, Lehrer verhohnepiepelnden Lausejungen mit dem Speck auf den Hüften zu geben: Er sieht nicht mehr so aus, als wäre er für solcherlei Kinderkram noch zu begeistern. Wohl auch deshalb gehört Taft die meiste Spielzeit, was aber durchaus lustiger wäre, wenn er noch den Spießer der ersten beiden Filme geben würde. So kommt der Film trotz der vorhandenen guten Ansätze nie so richtig aus den Pötten, ist zwar ganz nett und in seinen Veränderungen löblich, macht aber überdeutlich, dass die Zeit längst gekommen war, den Schlussstrich unter die LÜMMEL-Serie zu ziehen. Und das ist dann ja auch passiert.
#963
Geschrieben 30. September 2007, 14:41
Regie: Adam McKay
Der kleine Ricky Bobby wird schon früh von seinem Vater, dem legendär erfolgreichen wie unzuverlässigen Rennfahrer Reese Bobby (Gary Cole), beeinflusst: Als miserabler, nie anwesender Vater gibt er seinem Sohn bei einem der wenigen Treffen nur eine Weisheit mit, nämlich jene, dass nur der erste Platz zähle, alles andere lediglich für Verlierer sei. Als Ricky als Erwachsener (Will Ferrell) durch Zufall an das Steuer eines Rennwagens gerät, fährt er den ersten Erfolg für sein unterklassiges Team heraus und legt damit den Grundstein für eine fulminante Karriere. Doch menschlich versagt Ricky an allen Ecken und Enden. Der Karriereknick kommt heftiger als erwartet und so muss ein Läuterungsprozess einsetzen, der ihn im Leben wie auf der Rennbahn zum echten Gewinner macht ...
TALLADEGA NIGHTS ist nach ANCHORMAN die zweite Kollaboration von McKay und Ferrell und teilt als solche alle Vor- wie auch Nachteile des von beiden gepflegten Stils, der in erster Linie auf Improvisation baut. Erwies sich diese Arbeitsmethode für ANCHORMAN als so ergiebig, dass gleich zwei komplett verschiedene Filme be den Dreharbeiten entstanden, werden bei TALLADEGA NIGHTS die Grenzen dieser Methode deutlich. Vor allem im ersten Drittel versanden einige der Gags, werden zu lang ausgespielt oder fügen sich nicht in die recht ungewöhnlich ausführlichen Charakterisierungen ein. Zum Glück fängt sich TALLADEGA NIGHTS aber wieder, sodass der Eindruck am Ende ein mehr als positiver ist. Mit 110 Minuten Laufzeit ist McKays Film – bei aller genretypischen Formelhaftigkeit des Plots – ungemein lebendig, was meines Erachtens eben auch mit den angesprochenen Mängeln zu tun hat. Dadurch, dass vieles Unwichtiges breit ausgewalzt wird, sind offensichtlich viele wichtige Szenen aus dem Film herausgefallen. So wirkt TALLADEGA NIGHTS immer auch ein bisschen fragmentarisch, bricht angefangene Kreise schneller ab als erwartet, spielt andere hingegen länger aus und nimmt so beinahe epischen Charakter an, was durchaus ungewöhnlich für eine solche Komödie ist. Das alles nützte nichts, wäre TALLADEGA NIGHTS nicht komisch: Doch dafür garantieren Will Ferrell, der vor allem zu Beginn als dummer, ungebildeter und ungehobelter Erfolgsprotz mächtig vom Leder zieht, John C. Reilly als sein bester Freund Cal, Gary Cole als saufender und fluchender Vater und nicht zuletzt Sacha Baron Cohen, der Ricky Bobbys Erzrivalen, den distinguierten und homosexuellen französischen Formel-Eins-Fahrer Jean Girard gibt, der während des Rennens "Der Fremde" von Camus liest und Macchiato durch den Helm trinkt. Es spricht für den Film und den Humor seiner Macher, dass die zahlreichen Schwulenwitze hier NICHT dazu dienen, Homosexuelle zu diffamieren, sondern vor allem auf die Doppelmoral der Konservativen abzielen, die Homosexualität als pervers verdammen, sich aber gleichzeitig in vor Testosteron brodelnden Männerbünden versammeln. Sauer aufstoßen mag auf den ersten Blick das mehr als offensive Product Placement, das hier ganze Produktpaletten zum Bestandteil der Dialoge macht. Doch man kann das auch anders sehen: Ein Rennfahrerfilm OHNE Werbung wäre ja kaum glaubwürdig. Und ästhetisch verleihen die vielen Werbelogos dem Film erst seinen comichaft bunten Look, der besonders in den spekatkulären Rennszenen durchkommt. Nuff said: ein Gewinner.
#964
Geschrieben 30. September 2007, 21:22
Regie: Josh Gordon, Will Speck
Jimmy MacElroy (Jon Heder) ist das Wunderkind der Eiskunstlaufszene, der sprichwörtliche "Überskater", der von dem Millionär Darren MacElroy (William Fichtner) adoptiert und dann zum Erfolg förmlich gedrillt wurde. Sein ewiger Kontrahent Chazz Michael Michaels (Will Ferrell) ist so etwas wie das enfant terrible des Eiskunstlaufs, ein Sexaholic und Rock'n'Roller auf Kufen, der das, was ihm an Technik fehlt, durch Hoden von Eisen und eine Wagenladung Attitude wettmacht. Bei der WM in Stockholm landen dann auch folgerichtig beide Punktgleich auf der obersten Stufe des Treppchens, was den riesigen Egos der beiden gar nicht passt. Der folgende Faustkampf vor Millionenpublikum beschert den beiden umgehend die lebenslange Sperre. Am Boden der Realität angelangt eröffnet ein verrückter Fan ihnen aber Jahre später, dass es für beide noch eine Chance zum Comeback gibt: indem beide gemeinsam im Paarlauf antreten. Doch dagegen haben wiederum die Geschwister Van Waldenberg (Will Arnett und Amy Poehler), die amtierenden Paarlauf-Champions etwas ...
BLADES OF GLORY bezieht seinen Humor ähnlich wie etwa ZOOLANDER aus der maßlosen Übertreibung dessen, was die abgebildete Szene eh schon zum Gegenstand des Gespötts macht. In unfassbar hässlichen Klamotten und mit unsagbar dämlichen Choreografien dürfen sich die Protagonisten komplett zum Affen machen. Dies tun sie mit sichtlichem Spaß und erfüllen ihre ins Absurde übersteigerte Figuren mit viel Leben. Sowohl das Duo Ferrell/Heder übertrifft sich regelmäßig selbst und stachelt sich zu Höchstleistungen an, aber auch die Gegner Arnett und Poehler haben einige Lacher auf ihrer Seite. Beim Plot muss man wie gewohnt einige Abstriche machen: Man kennt das halt mittlerweile aus zahlreichen Filmen, die aber nicht immer solche treffsicheren Gags wie dieser hier haben. Mein persönlicher Favorit ist das Treffen der anonymen Sexbesessenen, das Chazz aufsucht (Luke Wilson ist der Leiter der Runde) und bei dem die Teilnehmer sich nur höchst unzureichend im Griff haben. Als Trainer der beiden Stars darf der immer wieder gern gesehene Craig T. Nelson sein komisches Talent unter Beweis stellen. Insgesamt eine absolut runde Sache, ein weiterer Hit auf der langen Liste ebensolche für Will Ferrell.
#965
Geschrieben 01. Oktober 2007, 15:51
Regie: Jared Hess
Nacho (Jack Black) ist Koch in einem mexikanischen Kloster mit angeschlossenem Waisenhaus. Die Kinder sind sein ein und alles, doch leider sind die pekuniären Mittel des Klosters beschränkt, sodass er ihnen nur selten etwas Leckeres auf den Tisch stellen kann. Aus der Enge des Klosters entflieht er gern - und gegen die herrschende Moral - in die Welt des lucha libre, des mexikanischen Wrestlings. Bald reicht der Traum allein nicht mehr aus: Nacho will selbst in den Ring steigen. Und als er erkennt, dass seine Auftritte als Catcher auch noch Geld bringen, das er für die Waisenkinder einsetzen kann, hält ihn nichts mehr. Noch nicht einmal sein mehr als mangelhaftes Talent ...
Vielleicht waren es die nach dem wunderbaren NAPOLEON DYNAMITE geradezu ins Unermessliche angeschwollenen Erwartungen, die NACHO LIBRE bei Kritikern und Zuschauern gleichermaßen haben durchfallen lassen - am Film jedenfalls kann es nicht gelegen haben, denn der ist wie schon sein Vorgänger ein Gedicht, wenn er sich auch weniger stark aufdrängt. Im Grunde ist sich aber Hess treu geblieben: Wieder erzählt er die Geschichte eines Außenseiters und Underdogs, der gegen die Erwartungen seiner Umwelt an seinem Traum festhält und schließlich triumphiert. Vielleicht ist es gerade diese Ähnlichkeit, die ihm im Weg stand. Wie in NAPOLEON DYNAMITE bedient sich Hess eines sehr melancholischen Tons - das ist durchaus wörtlich zu verstehen, wenn man einmal darauf achtet, wie viele Szenen nur von der nackten Athmo untermalt sind - und eines Humors der selbst laute und schrille Elemente eher leise und lakonisch umsetzt und so eine sehr surrelae Note erhält. NACHO LIBRE ist witzig, ja, aber dennoch kein Film, der einem zum Schenkelklopfen und lauten Gröhlen animieren würde. Dass Hess sehr viel mehr im Schilde führt als nur seine Zuschauer zum Lachen zu bringen, erkennt man, wenn man sich die wunderschönen Bildkompositionen genau anschaut, die gleichermaßen von Kitschpostkartenmotiven, Heiligenbildern und Mexploitation gespeist sind. Der kleine dicke Nacho wird nicht zur Witzfigur degradiert: Für Hess ist er, der unbeirrbar seinen Weg geht, ein Held. Mir hat NACHO LIBRE ausgezeichnet gefallen: Aus dem Komödieneinerlei sticht dieser liebenswerte Film mit seiner eindeutig erkennbaren künstlerischen Handschrift jedenfalls weit heraus. Und Jack Black merkt man in jeder Szene an, wie viel Spaß er daran hatte den pummligen kleinen mexiaknischen Träumer zu verkörpern. Ein schöner Film.
#967
Geschrieben 02. Oktober 2007, 10:57
Regie: Stephen Hopkins
Die ehemals im Missionarsdienst im Sudan tätige Katharine Winter (Hillary Swank) hat den Glauben an Gott verloren, nachdem sowohl ihr Ehemann als auch ihre kleine Tochter dem Aberglauben der unter einer schweren Dürre leidenden Bevölkerung zum Opfer fielen. Nun ist sie als Wissenschaftlerin damit beschäftigt, rationale Erklärungen für vermeintliche Wunder zu liefern. Bisher sehr erfolgreich: Jedes der von ihr untersuchten Wunder konnte sie auf ein wissenschaftliches Fundament stellen. Eines Tages steht ein Mann aus dem kleinen Südstaatenkaff Haven auf ihrer Matte: Der dorfeigene Flusslauf hat sich blutrot gefärbt und als vermeintliche Übeltäterin hat die Gemeinde ein kleines Mädchen auserkoren. Die Wissenschaftlerin begibt sich umgehend nach Haven, nur um dort eine biblische Plage nach der nächsten zu erleben ...
Ein kleines guilty pleasure: Solche "seriösen" Horrorfilme gehen mir ja eigentlich meist weit an der Puperze vorbei, weil zora den aber so gern sehen wollte und der Trailer zumindest gut aussah, habe ich eine Ausnahme gemacht. Der Name Stephen Hopkins auf dem Cover ließ mich gleich in nostalgische Verzückung geraten, stand er doch mal für großbudgetiertes Genrekino (PREDATOR 2, THE GHOST AND THE DARKNESS), bevor er mit dem dullen LOST IN SPACE eine wenig karriereförderliche Bauchlandung hinlegte. Nun, ich habe die Sichtung von THE REAPING nicht bereut, auch wenn der Film idealtypisch für routiniert heruntergekurbelte generische Einheitsware steht. THE REAPING ist recht kurzweilig, hat einige nette Momente und Bilder und kommt inhaltlich trotz ebenso unvermeidlicher wie sinnfrei eingesetzter moderner Beigaben - Flashcuts, massiver Filtereinsatz, Shakycam: sprich alles, was Bordwell unter den Begriff "intensified continuity" fasst - relativ altmodisch daher. Auffällig ist aber, dass diese ganzen angeblich Suspense und Thrill generierenden Stilmittel auf den Zuschauer so wirken wie die Glocke auf den Pawlowschen Hund. Der Horror wird mit diesen Mitteln nur noch simuliert, der Film selbst ist weder gruselig noch unheimlich oder besonders spannend, weil man den Handlungsverlauf aus Dutzenden anderer Filme kennt. Analog verkommen die biblischen Plagen zu nackten Symbolen: Aus ihnen erwächst keine direkte Bedrohung. Natürlich ist der liebe Gott höchstselbst am Werk, führt die Skeptikerin Katharine auf den rechten Weg des Glaubens zurück und bestraft menschliches Übel, das etwas unzureichend etabliert wird. Das Finale ist massiv überproduziert mit seinem göttlichen Feuerhagel, überhaupt hätte das Drehbuch ein wenig Entschlackung vertragen. Am Ende bricht wie so oft der große Erklärungsnotstand aus und in der übertriebenen Raffinesse der Auflösung geht Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit ebenso baden wie der Schrecken, der sich ja - eine Binsenweisheit - eher aus dem Unwissen speist. Trotzdem ist THE REAPING wie schon gesagt durchaus ansehbar: Richtig ärgerlich ist das alles nicht und man hat in den letzten Jahren schon deutlich Schlechteres gesehen. Ein Timewaster für einen Abend, an dem die Aufmerksamkeit nicht für einen richtig guten Film reicht.
#969
Geschrieben 06. Oktober 2007, 09:53
Regie: Michel Hazanavicius
1955: Der französische Spion Hubert Bonisseur de la Bath, kurz OSS 117, ist ein Nationalist und Chauvinist wie er im Buche steht. Zwar ist er ein bisschen einfältig, aber dennoch immens erfolgreich: Davon können sowohl die Nazis als auch diverse dem Charme des Agenten zum Opfer gefallene Schönheiten ein Liedchen singen. Als der beste Freund des James-Bond-Verschnitts in Kairo ermordet aufgefunden wird, entsendet der Geheimdienst seinen besten Mann umgehend in die ägyptische Metropole. Doch dort eckt er mit seiner kolonialistischen Ader heftig an ...
OSS 117: LE CAIRE, NID D'ESPIONS basiert auf einer französischen Romanserie, die sich einer ähnlichen Thematik wie Ian Flemings 007-Romane bedient, allerdings, man glaubt es kaum, bereits 1956 zum ersten Mal verfilmt wurde, ganze sechs Jahre vor der britischen Doppel-Null. Mit Hazanavicius liegt die erste Verfilmung seit 1970 vor, die aber deutlich parodistische Züge trägt und ihren Humor vor allem daraus bezieht, dass sie die Arroganz und Überheblichkeit der französischen Kolonialisten gegenüber ihrer Meinung nach minderwertigen Kulturen gehörig aufs Korn nimmt. Jean Dujardin beweist als OSS 117, dass er derzeit wohl zu den vielseitigsten Schauspielern Europas zu zählen ist: Auf dem FFF 2007 war er auch in CONTRE-ÊNQUETE zu sehen, in dem er in einer ganz anderen Rolle nicht minder brillierte. Zugegeben: Als Nicht-Frankophoner geht durch die Untertitel-bedingte Mittelbarkeit einiges an Wortwitz verloren. Das macht aber nix, erkennt man in Hazanavicius' Film doch jederzeit die Akribie, die in ihn eingeflossen ist. Die Set-Designs, Kostüme, Darsteller, Musik, ja, das ganze Flair des Films versetzt einen bei Ansicht in die Fünfzigerjahre und ihre Filme. Da stimmt bis zu den putzigen, zu schnell laufenden Rückprojektionen bei Autofahrten einfach alles. Und so brüllend komisch es auch ist, wenn OSS 117 den Muezzin verprügelt, weil er ihn einfach für einen nächtlichen Ruhestörer hält, er seine ägyptische Begleitung fragt, was für eine bescheuerte Religion das denn sei, die Alkohol verbieten würde, oder er einem ägyptischen Staatschef sagt, dass es doch mal langsam Zeit sei, von der Eseltreiberei wegzukommen: Man merkt, dass der Chauvinismus seiner Hauptfigur längst nicht nur ein Relikt aus einer vergangenen Zeit ist, sondern auch heute noch – gerade gegenüber den Ländern des Nahen Ostens – existiert. OSS 117 ist eine der stärksten europäischen Komödien der letzten Jahre und eine der wenigen (neben den skandinavischen Beiträgen), die den Meisterstücken aus Übersee das Wasser reichen können. Wunderbar.
#970
Geschrieben 07. Oktober 2007, 14:02
Regie: Adam McKay
Zweitsichtung mit Funxton. Beim letzten Mal hatte ich noch das Gefühl, der Humor des Films laufe bei einigen Szenen ins Leere. Diesmal ging mir das nicht mehr so bzw. fielen diese Szenen insgesamt viel weniger ins Gewicht. Bei der immens hohen Gagdichte kann man über den ein oder anderen Fehlgriff einfach gut hinwegsehen und sich lieber an den liebenswert beknackten Figuren – mein Fave ist eindeutig Rickys treudoofer Freund Cal Naughton – erfreuen. Und der Spaß, den die Schauspieler (Will Ferrell, John C. Reilly und Sacha Baron Cohen vorneweg) ganz offensichtlich hatten, überträgt sich ohne Verlust auf den Zuschauer. Dass TALLADEGA NIGHTS im Gegensatz zu vielen anderen Komödien, die inszenatorisch eher minderbemittelt sind, auch noch ganz fantastisch aussieht und den Geschwindigkeitsrausch in seinen fulminante Rennszenen perfekt abbildet, ist das krönende Sahnehäubchen.
#971
Geschrieben 07. Oktober 2007, 14:10
Regie: Josh Gordon, Will Speck
Zweitsichtung mit Funxton. Gegenüber TALLADEGA NIGHTS verliert die Einskunstläuferverarsche beim zweiten Anlauf merklich. Dem Film fehlen ganz einfach die vielen zitierfähigen Sprüche, der Wortwitz, mit dem TALLADEGA NIGHTS geradezu vollgestopft ist. In BLADES OF GLORY reduziert sich der Humor letztlich auf die absurde Grundidee und nutzt sich dementsprechend recht schnell ab. Eigentlich schade, denn Ferrell, Heder und auch Will Arnett sind wirklich toll, allerdings wirken sie immer ein bisschen gehemmt. Vielleicht haben die beiden Regisseure sie an der kurzen Leine gehalten, anstatt ihnen hier und da die nötige Freiheit zur Improvisation zu geben. Wenn man Ferrell als Rock'n'Roller und Sexmonster Chazz Michael Michaels sieht, wünschte man sich, Adam McKay hätte sich diese Figur zusammen mit ihrem Hauptdarsteller vorgenommen. BLADES OF GLORY hat ein bisschen was von einem nicht eingelösten Versprechen. Schade, so ist es ein nur "netter" Film geworden.
#972
Geschrieben 07. Oktober 2007, 14:49
Regie: Matthias Lehmann
Hoffi (Markus Knüfken) und Lehmi (Eckhard Preuß) sind um die 30, dicke Kumpel, Kinder des Ruhrpotts, Bier- und Punkfreunde und richtige Hängertypen, die mit ihrem Dasein zwar recht glücklich sind, aber irgendwie doch das Gefühl haben, dass da was fehlt. Karriere interessiert sie nicht, aber eine Freundin dürfte es schon sein. Große Hoffnung knüpfen sie aber nicht an diesen Wunsch, zu sehr wissen beide, dass sie "anders" sind. An einem ganz normalen Tag ziehen die beiden mit einer Kiste Bier durch Dortmund, besuchen zwischendurch die Tante bei ihrer Geburtstags feier in einem Café, streiten und vertragen sich und finden doch tatsächlich zwei Mädels, die mit ihnen zum krönenden Punkkonzert am Abend gehen wollen.
DOPPELPACK ist zwar ein Film über die Freundschaft, vor allem aber ein Vertreter des Ruhrpottfilms, der auf diese Freundschafts- und Kumpelthemen natürlich wiederum abonniert ist. Es dauert keine zwei Minuten, dann taucht das erste Hansa-Pils-Logo im Bild auf, die typische Mundart bestimmt die Dialoge so wie die schmucklose Ehrlichkeit das Wesen seiner Protagonisten, die Architektur der Zechen und der zugehörigen Arbietersiedlungen sowie die Bausünden der Dortmunder Innenstadt bieten ein stimmungsvolles Ambiente. Hoffi und Lehmi sind eindeutig Kinder dieser Region, auch wenn das natürlich ein Klischee ist: Sie sind immer gleichzeitig halbleer und halbvoll – letzteres aber nur im übertragenen Sinne, denn beim Bier machen sie keine halben Sachen. Die Anspruchslosigkeit der beiden – ein Bier und ne Wurst reichen zum Glück – überträgt sich auf den Film wie auf den Zuschauer. Es reicht, den beiden zuzusehen wie sie in den Tag hineinleben, mal hier, mal dort Station machen und eigentlich 90 Minuten lang keinen wie auch immer bedeutsamen Gedanken fassen. Deshalb erscheint es bei Erstsichtung ein bisschen wie ein Fremdkörper, dass all die Handlung, die der Film sich vorher geklemmt hat, in den letzten zehn Minuten nachgereicht wird. Man gönnt Hoffi und Lehmi das Liebesglück, aber so richtig glaubt man nicht daran, dass die beiden auserwählten Damen es lange mit ihnen aushalten werden. Hoffi und Lehmi werden das aber überstehen: Ein Kasten Bier hat eh nur zwei Griffe.
#973
Geschrieben 08. Oktober 2007, 12:17
Zitat
Viel Spaß!
#974
Geschrieben 08. Oktober 2007, 19:13
Regie: George Cukor
Patricia "Pat" Pemberton (Katharine Hepburn) ist eine Sportlehrerin und als solche eine absolute Sportskanone. Leider aber nur, wenn ihr Freund Collier (William Ching) nicht zusieht, denn in seiner Anwesenheit hat sie zwei linke Hände und Füße und alle Souveränität geht ihr verloren. Als der New Yorker Sportagent Mike Conovan (Spencer Tracy) Pat entdeckt und ihr eine glorreiche Karriere prophezeit, ergreift sie die Chance und erstürmt schon bald in allen Disziplinen die Spitze. Doch immer wieder funkt im entscheidenden Moment ihr Lover dazwischen und ruiniert den ganz großen Triumph. Das wurmt nicht nur Mike ganz besonders, es lässt in Pat auch den Zweifel an der Richtigkeit ihrer Beziehung zu Collier keimen ...
Es ist schon erstaunlich wie modern diese 55 Jahre alte Emanzipationskomödie in vielen Belangen ist. Das dürfte vor allem den beiden Stars Tracy und Hepburn zuzuschreiben sein, die nur wenig mit anderen großen Hollywood-Pärchen gemeinsam haben. Anstatt sich malerisch anzuschmachten wie etwa Audrey Hepburn und Cary Grant oder Rock Hudson und Doris Day – was beider eher durchschnittliches äußeres Erscheinungsbild einfach nicht hergab – fliegen zwischen beiden verbale Funken. Beide Charaktere begegnen sich intellektuell auf Augenhöhe und selbst, wenn der toughe Tracy die Richtung anzugeben scheint, wird schon bald klar, dass er der gerissenen Pat hoffnungslos verfallen ist. Wenn PAT AND MIKE dennoch anachronistisch anmutet, dann liegt das an der etwas schmucklosen Inszenierung von Cukor und den sportlichen Darbietungen, die heute in ihrer Langsamkeit und Ungelenkheit nicht wenig belustigen, obwohl zahlreiche damals populäre Sportler sich hier ein Stelldichein gaben. Richtige Lacher gibt es in dieser Komödie nicht, das Ganze ist eher was zum besinnlichen Schmunzeln, zumal PAT AND MIKE im Unterschied zu den Screwball Comedies jegliche Hysterie und damit auch das Tempo abgeht. Komische Akzente setzen nicht zuletzt die harten Kerls Aldo Ray als tumber Boxer Hucko und Charles Bronson (unter dem Namen Charles Buchinski) als zwielichtiger Buchmacher Henry Taslink. Der wird hier ganz entgegen seines Rächerimages sogar auf die Bretter geschickt und zwar von niemand Geringerem als Katharine Hepburn herself. Das mutet heute noch spektakulärer an als es das damals gedacht war. Die schönste Szene findet sich indes bei einem Tennis-Match, bei dem die Anwesenheit von Collier das Netz für die arme Pat buchstäblich unüberwindlich macht.
#975
Geschrieben 13. Oktober 2007, 09:24
Regie: David Bowers, Sam Nell
Hausratte Roddy (Hugh Jackman) lebt ein Leben in Saus und Braus in einem schicken Häuschen im Londoner Nobelviertel Kensington. Seine menschliche Familie ist gerade im Urlaub, da steht plötzlich die Kanalratte Sid (Shane Richie) in der Küche und schwingt sich mit rohen Sitten zum Herrscher über Roddys Heimat auf. Roddy will sich des Störenfrieds entledigen, doch der Plan geht nach hinten los: Statt Sid landet Roddy selbst im Klo und wird in die Kanalisation hinuntergespült, wo er auf die Abenteurerin Rita (Kate Winslet) trifft. Und mit dieser gerät er sogleich in Konflikt mit The Toad (Ian McKellen), der über die Kanalisations-Parallelwelt regiert ...
Die WALLACE & GROMIT-Erfinder Aardman legten im vergangenen Jahr mit FLUSHED AWAY ihre erste Zusammenarbeit mit Dreamworks vor – es soll wohl auch die letzte bleiben, waren doch beide Seiten nicht so recht zufrieden. Schade, kann man da nur sagen, denn FLUSHED AWAY schwingt sich sogleich an die Spitze der Animationsfilme auf. Zwar trifft man auch hier auf die typischen Handlungsklischees (die Story weist einige Parallelen zu FINDING NEMO auf), doch ist FLUSHED AWAY eine ganze Ecke erwachsener als seine Verwandten – und natürlich, aber das war nicht anders zu erwarten – atemberaubend anzuschauen. Die Kanalisationsversion von London, mit komplett aus Müll nachgebauten Londoner Sehenswürdigkeiten, möchte man am liebsten noch länger bestaunen, aber bei dem rasenden Tempo, dass hier vorgelegt wird, bleibt nicht viel Zeit dazu. Es sind die wunderbaren Figuren, die FLUSHED AWAY zum absoluten Gewinner machen. Ob es nun die großmäulige Toad ist, sein französischer Henchman Le Frog (Jean Reno), die unfähigen Handlanger Whity (Bill Nighy) und Spike (Andy Serkis) oder auch nur die singenden, ängstlichen Slugs, die die Kanalisation bevölkern und meist musikalische Untermalung bieten: Die meisten Lacher gehen tatsächlich auf das Konto der gelungenen Charakterzeichnung. Ich sprach das immense Tempo des Films schon an: Dieses legt er auch in Sachen Gagdichte vor. Mit beeindruckendem Timing wird hier Pointe um Pointe abgefeuert, mit unglaublichem Gespür dafür, wo sich in der jeweiligen Szene der Witz versteckt hält. Leider ist der Spaß nach knapp 75 Minuten schon zu Ende – Animatonsfilme werden eben immer noch in erster Linie als Kinderfilme konzipiert. Ich hätte noch stundelang zusehen können. Ganz, ganz großes Kino!
#976
Geschrieben 13. Oktober 2007, 21:49
Hier schreibe ich über James Goldstones sehenswertes Rennfahrer-/Ehedrama mit Paul Newman INDIANAPOLIS.
Hier findet man eine Besprechung der INGRID STEEGER GOLD COLLECTION, der Text befasst sich aber weniger mit der blonden Berliner Tittenmaus, sondern eher mit der Produktionsweise von Erwin C. Dietrich.
Und last but not least gibt es hier noch eine Rezension zu dem bemerkenswert unbemerkenswerten CRIME CITY COPS aus Südkorea.
#977
Geschrieben 14. Oktober 2007, 14:49
Regie: Aaron Norris
In den letzten Tagen der Cannon dachte sich Yoram Globus (der den Laden schon seit einigen Jahren ohne seinen Cousin Menahem Golan schmiss), dass es wohl eine gute Idee sei, eines der letzten Zugpferde der Cannon, Chuck Norris, in einem, nun ja, Mystery-Horror-Action-Cop-Buddy-Movie gegen den Teufel antreten zu lassen. Vielleicht keine ganz schlechte Idee, aber eine, die 1994 unter der Regie von Aaron Norris, der ungefähr so inszeniert wie sein Bruder schauspielert, für die Cannon runde zehn Jahre zu spät kam, um noch überzeugen zu können. Der Film beginnt mutig mit einer Rückblende ins Mittelalter zur Zeit der Kreuzzüge, in der König Löwenherz den bösen Dämon Prosatanos (= verhält sich zu Satan wie Prosecco zu Sekt) in einem Sarkophag bannt. Dumme Araber wecken den Knilch aber 400 Jahre später auf, was dann irgendwie dazu führt, dass der Gute weitere 400 Jahre später in Chicago landet, der Stadt von Superbulle Frank Shatter (Chuck Norris) und dessen Partner Jackson (Calvin Levels). Prosatanos will nicht nur eine Prostituierte ficken, sondern auch ein Artefakt von einem Rabbi klauen, der bald schon entherzt in der Ecke liegt. Und weil der Rabbi ja extra aus Jerusalem eingeflogen war, um den berühmten Archäologen Prof. Lockley (Christopher Neame) zu treffen, reisen Shatter und Jackson bald in die heilige Stadt, wo sie irgendwann herausfinden, dass der böse Prosatanos die Wiederkunft des Teufels vorbereitet. Diese Story ist weder besonders einfallsreich noch bemerkenswert blödsinnig: Hollywood steckt immer wieder einen Haufen Geld in solche Okkultschocker, die zwar keinen Chuck Norris aufzubieten haben, aber trotzdem weniger blöd sind. Wäre HELLBOUND nicht in Jerusalem gedreht worden und hätte er nicht die damit verbundenen Schauwerte aufzubieten, es gäbe eigentlich nichts, was man dem Film zugute halten müsste. Der größte Fehler des Films ist aber eindeutig, dass er das, wofür sich die Leute diesen Film damals wohl angeschaut haben, nämlich das Duell zwischen Chuck und dem Teufel, ewig hinauszögert und die Erwartungshaltung ins schier Unermessliche steigert. Tja, und dann kickt ein nicht mehr ganz so schneller Norris dem Ollen zweimal vor den Latz und fertig ist die Laube. Der Anglophone spricht da von "underwhelming" und sagt so etwas wie "not much of a payoff" oder so. Ja, das Budget war knapp bemessen damals bei der Cannon. Das war es aber auch schon zehn Jahre vorher, nur gelang es Regieroutiniers wie Winner, Thompson oder auch Golan selbst, ihre Filme teurer und größer aussehen zu lassen als sie tatsächlich waren. Aaron Norris schafft das zu keiner Sekunde, hat darüber hinaus mit einem Drehbuch zu kämpfen, das versucht es jedem Recht zu machen, und mit einem Hauptdarsteller, der hier noch ausdrucksloser agiert als in seinen anderen Filmen, in denen er dagegen beinahe wie ein Epileptiker wirkt. Man schaue sich nur einmal die Szene an, in der er zu Beginn den Rabbi in das Hotel zu Prosatanos gehen sieht: Ich musste unweigerlich an die Szene in Helge Schneiders PRAXIS DR. HASENBEIN denken, in der er im Büdchen sekundenlang einfach nichts mehr macht, nur um dann irgendwann zu sagen, dass er "nur mal kurz eingeschlafen" sei. Als sei dieses Manko noch nicht genug, hat man dem Shatterfrank auch noch ein Love Interest verpasst, mit dem er sich in jeder gemeinsamen Szene verstohlene Blicke zuwirft. Brrrrr! HELLBOUND ist nun wirklich nicht das Gelbe vom Ei, dennoch habe ich mich streckenweise doch ganz gut mit dem Film amüsiert. Besonders die Zeichnung Israels als unzivilisierte Schutthalde des Planeten Erde hat doch für einige Schmunzler gesorgt. Aber eines ist klar: Der ultimative Chuck-vs-the-Devil-Film muss noch gedreht werden. HELLBOUND hätte mir ohne den Hokuspokus besser gefallen.
#978
Geschrieben 14. Oktober 2007, 21:56
Regie: Géza von Radványi
Nach der Sexfilm- und der Steeger-Box das nächste rezensorische Großprojekt: die Kinowelt-Kriegsfilmbox. Als kleine Gedächtnisstütze und weil der deutsche Film der Fünfziger hier ja doch (zu Recht?) eher ein Schattendasein führt, widme ich jedem Film noch einen kleinen Text an dieser Stelle.
Los geht's mit der Verfilmung des Bestsellers von Konsalik, der nach seiner Gestapo-Tätigkeit selbst an der Ostfront zugange war und dort verwundet wurde. DER ARZT VON STALINGRAD erzählt die Geschichte eines Gefangenenlagers, in dem die russische Führung mit eiserner Hand regiert und nur die Tapferkeit und Selbstlosigkeit des deutschen Arztes Dr. Fritz Boehler (O. E. Hasse) viele seiner Patienten vor dem Tod rettet. Die deutschen Lagerinsassen werden dabei als verschworene Gemeinschaft ehrlicher und einfacher Leute gezeichnet (alle westdeutschen Dialekte sind vertreten), die vom "Ivan" gegängelt, gequält und misshandelt werden. Die unbeholfenen und tumben Versuche der Gefangenen, sich gegen die Repressalien zur Wehr zu setzen, machen immer wieder ein Eingreifen Boehles nötig, der durch diplomatisches Geschick eine Eskalation vermeidet und die Probleme auf besonnene Art und Weise löst. In ihn setzen schließlich auch die Russen einige Hoffnung: Der Sohn des Kommandanten Worotilow, Sergej (Michael Ande, die Synchronstimme von James Woods und Sam Neill), leidet an einem Gehirntumor, dass der Hirnspezialist Boehle operieren soll. Als Gegenleistung versprechen die Russen 150 Gefangene in die Heimat zu entlassen. Doch die Affäre zwischen Boehles jungem Assistenten Dr. Sellnow (Walter Reyer) und der Kommandantin Alexandra Kasalinskaja (Eva Bartok) verkompliziert die Situation ...
An DER ARZT VON STALINGRAD erkennt man sehr deutlich, dass Aufarbeitung Zeit braucht und sentimentale Melodramen, wie sie aus Konsaliks Feder flossen, sicher nicht das geeignete Medium für eine solche sind. Géza von Radványis Film bemüht sich zwar, ein differenziertes Bild zu zeichnen – nicht alle Russen sind böse "Ivans" –, letztlich hinterlässt die Tatsache, dass die deutschen Kriegsverbrechen fast völlig ausgeblendet werden, aber einen faden Nachgeschmack. DER ARZT VON STALINGRAD lässt sich in die Reihe von deutschen Kriegsfilmen einsortieren, die den einfachen Soldaten (und mit ihnen "den Deutschen" generell) als unschuldigen, vom Staat verkauften Prügelknaben darstellen und letzten Endes rein apologetisch argumentieren. Dabei entlarvt sich der Film/der Roman in der Zeichnung des engelsgleichen Dr. Boehler selbst: Letztlich kann doch nur am deutschen Wesen die Welt genesen. Es ist der bis zur Selbstverleugnung altruistische Arzt, der den Keim des Guten in die Herzen der Russen pflanzt und ein Beispiel dafür setzt, wie es gehen kann in der Welt. Dies mutet nur 13 Jahre nach Kriegsende nicht nur naiv und verlogen, sondern schlicht zynisch an. Dass DER ARZT VON STALINGRAD nicht nur als reines Zeitzeugnis von Interesse ist, liegt vor allem an der routinierten Regie, die mit einigen wirklich guten Einfällen glänzen kann (etwa in der Szene, in der die diegetische Geigenmusik Sergejs plötzlich extradiegetisch wird als sie in einem Spannungsmoment aussetzt: weil er gerade einen Anfall erlitten hat, wie sich wenig später herausstellt) und die Besetzungsliste, in der sich solche Größen wie Mario Adorf, Vera Tschechowa, Siegfried Lowitz (als Verräter) und, in einer Minirolle, Eddie Arent tummeln. Sein "Highlight" erlebt der Film in der abschließenden Hirnoperation, die ein bisschen an die ein paar Jahre später aufkommenden Mondo-Filme denken lässt. Ein "guter" Einstieg in die Box, bin gespannt auf den nächsten Film.
#979
Geschrieben 17. Oktober 2007, 20:04
Regie: Wolfgang Schleif
Rommel und der Nordafrika-Feldzug nehmen in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges eine Sonderrolle ein. Rommel wurde bis in die Achtzigerjahre verklärt und gilt neben Hitler selbst als der international "bekannteste" Nazi. Teilnehmer des Nordafrikafeldzuges beteuern die "Ritterlichkeit" mit der dieser Krieg von beiden Seiten – und nicht zuletzt vom "Desert Fox" Rommel – geführt worden sei. Kein Wunder, dass dieses Kapitel des Zweiten Weltkrieges in den 1950er-Jahren ohne allzu große ideologische Verrenkungen verfilmt werden konnte und dass die genannte Ritterlichkeit auch in diesem Film, ROMMEL RUFT KAIRO, betont wird. Schleifs Film besteht aus zwei sauber voneinander geschiedenen Hälften: Die erste funktioniert wie ein lupenreiner Abenteuerfilm, erinnert nicht zuletzt aufgrund der Anwesenheit Peter van Eycks an Henri-Georges Clouzots LE SALAIRE DE LA PEUR und nimmt Arthur Hillers TOBRUK vorweg, der beinahe dieselbe Geschichte aus anderer Perspektive erzählt. Hälfte zwei widmet sich dann Adrian Hoven, der als deutscher Spion im von den Briten besetzten Ägypten versucht, den auf der Lauer liegenden Rommel per Funk mit wichtigen Informationen zu versorgen.
Zur Story: Der väterliche Rommel (Paul Klinger, deutsche Stimme von David Niven und Cary Grant) schickt den Afrikaexperten Graf von Almassy (van Eyck) mit den beiden Spionen Johannes Eppler (Hoven) und Sandy (Ernst Reinhold) und einigen weiteren Soldaten auf die Reise. Ihr Ziel ist Ägypten, der Weg führt an den feindlichen Linien vorbei 3000 Meilen durch die Sahara. Eppler soll in Kairo herausfinden wie die Briten in Tobruk aufgestellt sind, einem Ort von entscheidender strategischer Bedeutung für den ganzen Feldzug. Der Weg durch die Wüste ist von den zu erwartenden Hindernissen gesäumt, doch unter großen Strapazen können die beiden Spione schließlich abgesetzt werden. Eppler beginnt sogleich Kontakt zu einigen ägyptischen Kollaborateuren aufzunehmen und schleicht sich in Uniform in den Stützpunkt der Briten ein. Als vermeintlicher Ägypter erobert er zudem das Herz von Lieutenant Kay Robertson (Elisabeth Müller). Doch Eppler fliegt auf, die Geliebte Britin entschlüsselt zudem den Code (der auf Daphne Du Mauriers "Rebecca" beruht), kann das Todesurteil jedoch von Eppler abwenden. Von Almassy erhält für die "Operation Condor" das Eiserne Kreuz erster Klasse, doch es grämt ihn sichtlich, dass er Eppler opfern musste.
ROMMEL RUFT KAIRO zeichnet ein romatisches Bild vom Krieg – dafür sorgt schon die malerische und exotische Kulisse, samt romatischem Ausflug zu den Pyramiden, die mehrfach wirksam ins Bild gerückt werden. Echte Kriegshandlungen finden nicht statt, die Spionage- und Konterspionage-Tätigkeiten muten eher wie ein Spiel an. Dies wird auch auf der Dialogebene vermittelt, mit nahezu identischem Wortlaut: Von Almassy, ein Abenteuerer wie er im Buche steht, sagt, wenn man schon am Krieg teilnehmen müsse, dann in Nordafrika, wo alles noch sportlich zugehe. Die konsequente Frage, warum man denn überhaupt am Krieg teilnehmen müsse, stellt der Film natürlich nicht. Da kommt dann wieder der apologetische Zug durch, den ich auch schon in meinem Text zu DER ARZT VON STALINGRAD erwähnte. ROMMEL RUFT KAIRO ist jedoch noch viel weniger ein Kriegsfilm als dieser. Seine melodramatischen Züge vermitteln einen tiefen Wunsch nach Unschuld, nach Absolution, der ganze Film wirkt in seiner Verklärung beinahe träumerisch. Vielleicht wäre der Zweite Weltkrieg so wie er vom Wüstenfuchs und seinen Kontrahenten geführt wurde tatsächlich ein "besserer" gewesen – dies scheint die Essenz des Films zu sein. Zumindest bot das Bild, das man von diesem Nordafrika-Feldzug hatte, dem deutschen Film den Stoff für "unschuldige" Kriegsfilme wie diesen, in dem auch der Deutsche als tragischer Held fungieren konnte, ohne dass man sich dem Vorwurf der Geschichtsklitterung aussetzte. ROMMEL RUFT KAIRO kann und muss man ganz bestimmt Naivität, aber keine Bösartigkeit unterstellen.
#980
Geschrieben 19. Oktober 2007, 14:00
Regie: Paul May
In Paris stehen die Zeichen auf Sturm: Die militärische Führung erwartet jeden Tag die Invasion der Alliierten. Der Verteidigungsplan Hitlers, das wissen die meisten Verantwortlichen um General von Heinitz (Paul Hartmann), ist wahnsinnig, bedeutet den sicheren und sinnlosen Tod von Zehntausenden deutscher Soldaten. Doch von Heinitz' Stimme der Vernunft wird von den Verantwortlichen nicht gehört. Da kommt der junge Fürstenwerth (Hardy Krüger), von Heinitz' Neffe, der von der Ostfront nach Paris versetzt wurde, gerade recht, zumal der durch Zufall Bekanntschaft mit der Familie des französischen Widerstandskämpfers André (Paul Auclair) macht. von Heinitz und sein Kollege, Major Wedekind (Peter Mosbacher), entwickeln einen perfiden Plan: Sie wollen Hitler zu einer anderen Verteidigungsstrategie zwingen, die das Leben vieler Deutschen schonen würde. Dafür benutzen sie den unerfahrenen Soldaten Fürstenwerth: Er soll als Spion für sie tätig werden und den Widerstandskämpfern wichtige Dokumente in die Hände spielen, um sie so schließlich in die Falle zu locken. Was er jedoch nicht weiß, ist, dass es sich bei diesen Dokumenten um die echten Verteidigungspläne der Deutschen handelt. Doch der raffinierte Plan geht schief: Fürstenwerth wird zwischen den Fronten aufgerieben, verliebt sich in Andrés Schwester Yvonne (Marianne Koch) und weiß bald schon nicht mehr, auf welcher Seite er eigentlich steht. Und dann fällt er auch noch der Gestapo in die Hände ...
Alle Einwände, die man gegen den Film vorbringen kann - verklärende Darstellung des Krieges, Totschweigen des Holocausts, filmischer Konservativismus und der in dieser Zeit obligatorische melodramatische Schmelz - einmal beiseite, hat man es bei DER FUCHS VON PARIS mit einem beeindruckenden und spannenden Werk zu tun, dessen desillusionierendes, nüchternes Ende äußerst wirksam nachhallt und überrascht. Natürlich ist Mays Film keine sachliche Stellungnahme zum Zweiten Weltkrieg - dazu war Deutschland damals wohl noch gar nicht in der Lage: DER FUCHS VON PARIS ist vielmehr ein Film, der den Wahnsinn des Krieges generell thematisiert. Vor allem das Konzept der Feind- und Gegnerschaft wird kritisch durchleuchtet und schließlich demontiert: Es ist ein Konzept, dass schlicht nicht lebbar, nur in der Distanz zu den Menschen überhaupt aufrechtzuerhalten ist. Fürstenwerth muss dies am eigenen Leib erfahren als er feststellt, dass seine vermeintlichen Feinde bald schon zu Freunden werden, die ihm vertrauen und die er ausnutzt. von Heinitz' Plan, der Zehntausenden das Leben retten soll, kostet schließlich sowohl ihn als auch den geliebten Neffen das Leben, ohne den gewünschten Erfolg zu zeitigen: Hitler bliebt bei seiner Strategie. Seiner Zeit entsprechend wird die Schuld am Zweiten Weltkrieg ausschließlich Hitler und seinen ihn umgebenden Fanatikern zugeschrieben. Glaubt man DER FUCHS VON PARIS, dann wäre alles nicht so schlimm ausgegangen, wären doch nur die richtigen Leute angehört worden. Darüber kann und muss man wohl streiten. Dennoch bleibt am Ende ein spannender, ja mitreißender Film, in dem Hardy Krüger brilliert und Wolfgang Völz als junger Gestapo-Offizier auftritt. Der bisherige Höhepunkt der Kriegsfilm-Box von Kinowelt.
#982
Geschrieben 21. Oktober 2007, 13:16
Regie: Renny Harlin
Eine Klasse von FBI-Agenten (darunter etwa Christian Slater und Johnny Lee Miller) befindet sich im Endspurt vor ihrer Prüfung zu Serienmöder-Profilern. Ihr Lehrer ist der gestrenge Jake Harris (Val Kilmer), der seine Schüler immer wieder in akribisch ausgestatteten Serienmordszenarios aussetzt und jede ihrer Bewegungen überprüft und bewertet. Der letzte Test vor der endgültigen Beurteilung soll auf einer verlassenen Insel vor der Küste North Carolinas stattfinden. Doch plötzlich gibt es echte Opfer eines echten Serienmörders zu belagen ...
Ich bin ein Renny-Harlin-Fan. Das Niveau seines wohl besten Filmes, THE LONG KISS GOODNIGHT, hat er zwar weder vor-noch nachher auch nur annähernd wieder erreicht, aber dennoch einige große Spaßkanonen mit maximal möglichem Ernst und einigem inszenatorischen Geschick abgeliefert, man denke an DIE HARD 2, DEEP BLUE SEA, CLIFFHANGER oder auch A NIGHTMARE ON ELM STREET 4. Auch MINDHUNTER trägt die Handschrift seines Regisseurs, auch wenn (oder gerade weil?) der Thriller sogar noch um einiges blöder ist als sein Riesenhaischocker. Schon die Prämisse ist kaum ernstzunehmen: Da konstruiert der Superagent Harris Serienmörderidentitäten und Tatorte, erfindet also Verbrechen inklusive eines Gehirns, das diese erdacht hat, um Serienmord-Spezialisten zu schulen. Das ist so bescheuert, dass es schon fast wieder genial ist. Es mag extrem gespreizt erscheinen, MINDHUNTERS als Metafilm zu lesen, angesichts der geradezu abstrus konstruierten Prämisse scheint mir aber gar kein anderer Zugang möglich zu sein. Harlins alter ego Harris ist ein Regisseur, der Geschichten erfindet, die seine Schüler in seinem Sinne aufzuschlüsseln haben. Aus poststrukturalistischer Perspektive ist das ja ein geradezu idiotischer Einfall: Wie wollte Harris denn bei einem erfundenen Fall behaupten, dass eine Auflösung die richtige wäre? Seine erdachten Täter könnten ja immer nur so schlau sein wie er selbst. Nein, Geschichten lassen sich immer auf verschiedene Arten und Weisen lesen und so ist die Aufgabe, die Harris seinen Schülern stellt, eine unlösbare. Es sei denn, seine Schüler beugten die Regeln und analysierten ihren Lehrer statt dessen Kopfgeburten. Auf diese Idee kommt aber keiner von ihnen – kein Wunder, dass ihrer aller Versetzung gefährdet ist. Das selbe Problem, das auch Harris' Schüler haben, hat der Zuschauer, der am Ende vor der ernüchternden Erkenntnis steht, dass MINDHUNTERS sehr viel dümmer ist, als er zu sein vorgibt. Die finale Auflösung macht überhaupt keinen anderen Sinn als den, möglichst unplausibel zu sein – und damit am wenigsten vorhersagbar –, es sei denn, man hat sich schon recht schnell in die Denkweise seiner Macher hineinversetzt. Dann hat man das Rätselraten längst aufgegeben (wenn man denn überhaupt damit angefangen hat) und sich lediglich an den lustigen Fallen für die Protagonisten (besonders Christain Slater findet ein spektakuläres Ende), den beknackt-bedeutungsschwangeren Dialogen und überkomplizierten Irrungen und Wirrungen eines völlig planlosen Drehbuches erfreut. Wären die Protagonisten von MINDHUNTERS doch auch nur so klug gewesen: Sie hätten ihren Prüfer analysiert statt seiner erfundenen Killer und wären so wesentlich erfolgreicher gewesen. Offensichtlich hat aber noch nie jemand von ihnen von Renny Harlin gehört. Kein Wunder, dass lediglich LL Cool J die ganze Zeit zu verstehen scheint, was überhaupt los ist: Der hatte ja schließlich schon in DEEP BLUE SEA mitgemacht ...
#983
Geschrieben 21. Oktober 2007, 13:34
Regie: Rupert Wainwright
Puh, das ist jetzt eine heikle Angelegenheit. Meine zora mag den Film nämlich sehr gern, insofern bin ich jetzt etwas gehemmt. Mir hat STIGMATA nämlich nicht gefallen. Überhaupt nicht. Im Gegenteil habe ich Wainwrights Film sogar als ziemlich dämlich, aufdringlich, wichtigtuerisch und vor allem moralinsauer empfunden. Dabei ist die Grundidee, eine Besessenheitsgeschichte mal nicht mit Rückgriff auf den Leibhaftigen, sondern unter Bemühung des lieben Gottes höchstpersönlich zu erzählen, gar nicht so schlecht; was Wainwright und seine Mittäter daraus machen aber schon. STIGMATA leidet sehr am Post-SEVEN-Komplex: Alles ist so gnadenlos überstylt, dass man sich als denkender Zuschauer schlicht bevormundet fühlt. Im gottlosen Pittsburgh gießt es ständig wie aus Eimern, die Protagonistin Frankie (Patricia Arquette) ist eine ungläubige Hedonistin, die in industriell ausgestatten Clubs abhängt, in denen die von Kopf bis Fuß gepiercte Spaßgesellschaft sich lasziv im Käfig räkelt, Priester sitzen entweder in ihren barocken Büros und stricken an der Weltverschwörung oder sehnen sich insgeheim danach, ihren katholischen Pillermann tief zwischen den Schenkeln einer jungen Frau zu versenken. Dazu wummert eine Mischung aus Trip-Hop, Techno, Nu-Metal und Alternative Rock (kaum zu glauben, dass Billy Corgan hier mitgewurschtelt hat) indifferent-düster vom Soundtrack und untermalt die zwar akribisch komponierten, aber auch ungemein platten Bilder von Täubchen, die durchs Bild flattern, und Blutschrunden, die im Stroboskoplicht klaffen. Man muss STIGMATA zugute halten, dass er einigermaßen temporeich und – man glaubt es kaum – akzeptabel gespielt ist. Gelangweilt habe ich mich nicht, allerdings war mir irgendwann aber auch ziemlich egal, was mit dieser dussligen Frisöse passiert. Zumal mir die emotionale Anbindung an den Stoff sowieso gefehlt hat. Dieser Film konnte wohl nur in diesem einen, von Millenniumsparanoia geprägten Jahr 1999 ein solcher Erfolg werden. Zehn Jahre später versteht man eigentlich überhaupt nicht mehr, was das alles soll. Naja, jetzt habe ich ihn halt mal gesehen und wehgetan hat's auch nicht.
#985
Geschrieben 21. Oktober 2007, 20:39
Regie: Edward Dmytryk
Der junge Offizier Willis Keith (Robert Francis) wird nicht wie erhofft auf ein stolzes Schlachtschiff geschickt, sondern auf das abgetakelte Minensuchschiff "Caine" unter der Leitung des kaum weniger abgehalfterten Kapitän De Vriess (Tom Tully). Was die Mannschaft an diesem hatte, wird ihr jedoch schlagartig bewusst als DeVriess abtritt und der steife Kapitän Queeg (Humphrey Bogart) das Kommando übernimmt. Der regiert mit eiserner Hand und legt großen Wert auf Disziplin, trifft aber darüber hinaus äußerst merkwürdige Entscheidungen, die die Offiziere Tom Keefer (Fred MacMurray), Steve Maryk (Van Johnson) und eben Willis Keith bald schon ernsthaft an dessen Geisteszustand zweifeln lässt. Queeg scheint mehr und mehr eine Gefahr darzustellen, doch mit einer Meuterei brächten sich alle Beteiligten in die Gefahr der Todesstrafe ...
Es sind die letzten zehn Minuten, die den rundum positiven Eindruck der ersten 110 Minuten aus heutiger Sicht etwas schmälern. Natürlich singt THE CAINE MUTINY das Hohelied auf Kameradschaft und soldatische Pflichterfüllung; die Queegs sind nicht etwa inhärente Fehler des Systems, sondern bloße Ausnahmen, deren Auswirkung geschmälert werden könnte, würden alle zusammenhalten. Betrachtet man einen aktuelleren Vertreter des Militär- und Justizfilms, etwa Rob Reiners A FEW GOOD MEN, wird deutlich, wie wenig sich dieses Genre in den vergangenen 50 Jahren in dieser Hinsicht verändert hat: Am Militär wird in den USA eben nicht gerüttelt, allerhöchstens werden einzelne Symptome bekämpft. THE CAINE MUTINY würde ich diesen neueren Vertretern dennoch jederzeit vorziehen: Das hat sicherlich etwas mit meiner eigenen Distanz zum dort geschilderten Geschehen zu tun, liegt aber auch einfach darin begründet, dass Dmytryks Film weitaus weniger abgebrüht und abgezockt daherkommt und eben ein wirklich tragisches Einzelschicksal in den Mittelpunkt stellt und keine überzüchteten Kampfmaschinen. Humphrey Bogart liefert eine spachlos machende Glanzleistung als verunsicherter, von inneren Dämonen und Selbstzweifeln zerfressener Queeg ab. Dem wachsenden (und berechtigten) Zorn seiner Untergebenen steht immer auch das Mitleid mit diesem Mann gegenüber, der in seiner ihn völlig überfordernden Rolle schlicht ein Gefangener ist. Queegs Zusammenbruch vor dem Kriegsgericht, in dem die ganze Tragweite seiner psychischen Disposition hervorbricht, zählt für mich schon nach Erstsichtung zu den beeindruckendsten und ergreifendsten Momenten der Filmgeschichte. Als Vergleich fällt mir da allerhöchstens Lorres Darbietung in einer ganz ähnlichen Szene in Fritz Langs M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER ein. Auch wenn es in erster Linie sein Verdienst ist, dass man sich an THE CAINE MUTINY auch nach einem halben Jahrhundert noch durchweg positiv erinnert: Das ganze Ensemble weiß zu überzeugen, nicht zuletzt Jose Ferrer als schlagfertiger Verteidiger Barney Greenwald. Und dann ist da ja auch noch die Szene mit den verschwundenen Erdbeeren ... Ein toller Film, geradezu beispielhaft für das, was man gemeinhin als "großes Kino" bezeichnet.
#986
Geschrieben 21. Oktober 2007, 21:09
Regie: Fred Zinnemann
Hawaii, Zweiter Weltkrieg: Es geht relativ ruhig zu in der Kaserne, so ruhig, dass sich die Gemüter nicht an Kampfhandlungen erhitzen, sondern daran, dass der Neuankömmling Prewitt (Montgomery Clift) sich weigert, für seine Einheit in den Boxring zu steigen. Als "Belohnung" für so viel Renitenz wird er unter Anleitung von Captain Holmes gegängelt und drangsaliert: Doch er lässt sich nicht erweichen, wieder in den Ring zu steigen. Sergeant Milton Warden (Burt Lancaster) beobachtet das Treiben Holmes' zunächst zwar distanziert, doch interessiert: Kein Wunder, hat er doch ein Verhältnis mit dessen hintergangener Ehefrau, der kühlen Blonden Karen (die soeben verstorbene Deborah Kerr), begonnen. Die Situation spitzt sich zu, als Maggio (Frank Sinatra), Prewitts ständig besoffener Kumpel, im Gefängnis landet und vom dort zuständigen Sergeant James "Fatso" Judson (Ernest Borgnine) gefoltert und schließlich in den Tod getrieben wird. Prewitt übt Rache und desertiert. Einen Tag später greifen die Japaner Pearl Harbor an ...
Zweiter Weltkrieg, die Zweite: Ist es in THE CAINE MUTINY die Leistung Bogeys, die dem Film auf ewig einen Platz im Olymp sichert, ist es in Zinnemanns FROM HERE TO ETERNITY eine einzige Szene, nämlich der leidenschaftliche Kuss, den Burt Lancaster und Deborah Kerr in der Brandung des Pazifiks austauschen. Tatsächlich ist FROM HERE TO ETERNITY ein Liebesmelodram wie sie etwas aus der Mode gekommen sind. Es dauert relativ lange, bis die beiden Handlungsstränge um Prewitt auf der einen und Warden/Karen auf der anderen Seite zusammenlaufen, was den Film lange Zeit relativ beliebig und unentschlossen dahinplätschern lässt. Es sind aber gerade diese Leichtigkeit und die prägnanten Charaktere, die einen dennoch über 115 Minuten an den Bildschirm fesseln. Der stoische Prewitt mit seiner tragischen Lebensgeschichte ist aus dem Holz von Helden geschnitzt; Gleiches gilt für den aufrichtigen Milton Warden. Sie beide sind die im deutschen Titel bis in die Ewigkeit Verdammten: Die Army ist ihr Zuhause, dem sie sich bedingungslos verschrieben haben. Vorübergehend anvisierte andere Lebenskonzepte müssen von ihnen bald wieder als unlebbar verworfen werden. So bleiben nur die Uniform und das rituelle Besäufnis zum Wochenendausgang sowie die flüchtigen Damenbekanntschaften, die im Nichts enden. Das ist natürlich in höchstem Maße verklärend und so heute kaum noch denkbar; ich kann mir diese Geschichten über Männer, die "tun müssen, was ein Mann tun muss" trotzdem wieder und wieder anschauen. Vor allem dann, wenn diese Männer von Typen wie Lancaster, Clift oder auch Ol' blue eyes gegeben werden. Clift, ja auch im echten Leben ein tragischer Held, habe ich in FROM HERE TO ETERNITY zum ersten Mal gesehen: Wirkte der auf mich am Anfang noch etwas steif und unbeholfen, hat seine Performance mit laufender Spielzeit immer mehr an Gewicht gewonnen. Nur den Mittelgewichtsboxer nimmt man ihm nicht so recht ab. Das kann Zinnemanns Film den berechtigten Klassikerstatus aber auch nicht abspenstig machen. Ein toller Film.
#987
Geschrieben 24. Oktober 2007, 17:28
Regie: Joe Johnston
Nach den Erlebnissen aus Teil 1 hat sich der Dinoforscher Dr. Grant (Sam Neill) wieder der Beschäftigung mit fossilen Exemplaren der Urzeitgiganten zugewandt. Als das Ehepaar Kirby (William H. Macy und Téa Leoni) ihn mit einem dicken Geldbetrag locken, den Reiseleiter bei einem Flug über die Dinoinsel zu machen, kann er nicht widerstehen. Doch das Erwachen ist ein böses: Denn die Kirbys wollen mitnichten nur über die Insel fliegen. Ziel ihrer Reise ist es vielmehr, ihren Sohn wiederzufinden, der bei einem Ausflug über der Insel abgestürzt ist ...
JURASSIC PARK 3 ist ein durchaus zweischneidiges Schwert geworden, was den Film interessanter macht, als man es eigentlich erwarten konnte. Gegenüber den Megaevents von Spielbergs ersten beiden Teilen, nimmt sich Effektzampano Johnsons Film in jeder Hinsicht klein aus. Das beginnt bei der handlichen Länge von etwas mehr als 80 Minuten und setzt sich bei der fragmentarisch-reduktionistischen Handlung fort, die mehr als einmal den Eindruck erweckt, dass da in der Postproduction einiges unter den Schneidetisch gefallen ist. JURASSIC PARK 3 macht stärker als seine beiden Vorgänger die Verwurzelung des Stoffes im B-Film deutlich, was noch dadurch begünstigt wird, dass die Dinoeffekte nicht mehr wie 1993 absoluten State-of-the-Art repräsentieren, sondern mittlerweile zum Standard gehören. So hetzt der Film mit einem Affenzahn durch seine Set Pieces und destilliert aus den Spielberg-Epen das heraus, was Hollywoods Wunderkind in jenen noch kaschierte, nämlich dass es letzten Endes um nichts anderes geht, als eine Gruppe von Protagonisten von Riesenmonstern verfolgen zu lassen. Der "große" Einfall des Filmes, die Raptoren als mit beinahe menschlicher Intelligenz ausgestattete Jäger zu zeichnen, wird in nur wenigen Szenen durchaus geschickt ausgespielt, ansonsten ist das Geschehen denkbar schmucklos. Sogar das Klischee vom Wissenschaftler, der sich gegen besseres Wissen an der Brut der Bestien vergreift, findet hier Eingang. Mehr noch als seine Vorgänger bedient sich Johnsons Film einer Videospieldramaturgie, was sich besonders in der strengen Einteilung in "Levels" widerspiegelt. Nach Johnsons großem kleinen (oder kleinem großen) Film scheint die logische Konsequenz für einen eventuellen Teil 4 jedenfalls der Schritt hin zum DTV-Sektor zu sein. Auch mal ein Ansatz, um der Hollywood-Sequel-Gigantomanie entgegenzuwirken. Hat durchaus Spaß gemacht, wird aber kaum von nachhaltiger Bedeutung sein.
#988
Geschrieben 25. Oktober 2007, 08:24
Regie: Tony Maylam
Die jugendlichen Einwohner des Ferienlagers Camp Blackfoot spielen ihrem Hausmeister, dem fiesen Cropsy (Lou David) einen lustigen Streich, der allerdings ziemlich übel nach hinten losgeht: Der maden- und kerzenbewehrte Totenkopf (???), den sie ihm auf den Nachtisch stellen, fällt auf Cropsys Bett, der arme Kerl geht in Flammen auf. Jahre später wird er vollkommen entstellt und von Rachegedanken beseelt entlassen. Und er macht sich sogleich auf zum nächsten Feriencamp, um Jugendliche bei ihren Unternehmungen zu ermorden ...
Als mir damals, ich muss so 12 oder 13 gewesen sein, ein Freund von BRENNENDE RACHE erzählte, einem Horrorschocker, den dieser gesehen hatte, da war ich schon von dem schmucklos-präzisen Titel sehr begeistert. Diese Begeisterung befeuerte dann auch die Erstbegegnung mit dem Film Jahre später. Ich glaube, THE BURNING war damals zusammen mit Joseph Zitos Beitrag zur FRIDAY THE 13TH-Reihe und seinem THE PROWLER mein Lieblingsslasherfilm. Heute weicht die Begeisterung einem Nur-noch-amüsiert-Sein und der Verwunderung darüber, mit wie wenig Drehbuch man damals ein paar blutige Effekte als Film tarnen und damit den leuten das Geld aus der Tasche ziehen konnte. In dieser Hinsicht ist THE BURNING vielleicht der dreisteste Slasherfilm überhaupt, sozusagen die Apotheose eines Genres, das schon immer erstaunlich unterkomplex war und dies nur selten zu verbergen wusste bzw. dieses überhaupt versuchte. In Tony Maylams Film haben der Slasherplot und der Teeniekram, der ein gutes Drittel der Laufzeit füllt, überhaupt keine Bindung zueinander. Es ist, als würden da zwei Filme nebeneinander herlaufen und dann irgendwann der Einfachheit halber zusammengeschnitten werden. Spannung oder Dramatik gibt es überhaupt nicht, das Zentrum eines jeden Slashers, der Killer, ist noch schemenhafter und leerer als in den verwandten Beiträgen und die finale Offenbarung, die die Verquickung der Elemente rechtfertigen und motivieren soll, ist kaum mehr als nachträglich aufgesetzt. In den beiden unverbundenen Teilen des Films kommt sehr deutlich zum Tragen, was den Slasherfilm immer schon einzig interessiert hat: Sex and Violence. Ersteres wird hier dann auch nicht wie so oft durch Letzteres "bestraft"; es ist vielmehr reine aus der Ökonomie geborene Konvention, dass es immer die erwischt, die soeben nackig durchs Unterholz gestromert sind, die einfachste kausale Verbindung der beiden Triebfedern des Films. Diese Ökonomie ist dann auch das wirklich augenfällige an Maylams Film. Die einfallsreiche und in THE BURNING einzig und allein für Spannung sorgende Kameraarbeit (von Harvey Harrison, einem vielbeschäftigten Second Unit DoP), der flotte Schnitt (von Jack THE HIDDEN Sholder) sowie der im Verhältnis zum Film völlig übereifrige und -motivierte Synthiescore von Rick Wakeman dienen Tony Maylam zur Verschleierung seiner Motive und Aufwertung eines ansonsten wirklich ziemlich frechen Kommerzproduktes, mit dem die Weinsteins ihren Geschäftssinn schon vor 25 Jahren unter Beweis stellten. In Dummdeutschland ist man drauf reingefallen und hat THE BURNING mit der Beschlagnahmung geadelt, was ihm heute noch einen unverhältnismäßig guten Ruf und einen Platz in der Splatterfilm-Ruhmeshalle beschert. Ansonsten ist vor allem bemerkenswert, dass SEINFELD-Kompagnon Jason Alexander hier auftritt, als dicklicher Kumpeltyp, der seine Genossen mit Tittenmagazinen und Kondomen versorgt.
#989
Geschrieben 26. Oktober 2007, 12:39
Regie: Stuart Gordon
Der Wissenschaftler Dr. Edward Pretorius (den die UTs der neuen DVD beständig "Pretorious" nennen) (Ted Sorel) hat zusammen mit seinem Gehilfen Crawford Tillinghast (Jeffrey Combs) den "Resonator" gebaut, eine Maschine die die Zirbeldrüse aktivieren und ihr verschollenes Potenzial als Sinnesorgan wecken soll. Der Resonator funktioniert, mit dem Ergebnis, dass merkwürdige Kreaturen für den sichtbar werden, der sich im Spannungsfeld des Resonators befindet. Einer solchen Kreatur fällt Pretorius schließlich zum Opfer, Tillinghast gerät unter Mordverdacht und landet in einer Heilanstalt, wo sich die im Dienste des Staatsanwalts stehende Psychologin Dr. Katahrine McMichaels (Barbara Crampton) seiner annimmt. Zusammen mit Tillinghast und dem Polizisten Bubba Brownlee (Ken Foree) begibt sie sich zurück an den Tatort, um das verhängnisvolle Experiment zu wiederholen.
Gordon bedient sich im Nachfolger des immens erfolgreichen RE-ANIMATOR erneut der Ideen Lovecrafts, verzichtet aber diesmal weitestgehend auf schwarzhumorige und funsplatterige Einlagen. Tatsächlich wird FROM BEYOND dem Geist der lovecraftschen Erzählungen atmosphärisch weitaus besser gerecht als ich das in Erinnerung hatte. Dieser Erfolg ist auf verschiedene Elemente zurückzuführen: auf den schönen Score von Richard Band, den cleveren Einsatz der Beleuchtung, die das Geschehen rund um den Resonator in ein grelles Magenta und ein kühles Blau taucht und so die andere Dimension, das "Beyond", perfekt visualisiert, und natürlich auf das exzellente Spiel Jeffrey Combs', der den von Lovecraft immer wieder so wortreich beschriebenen Zustand des tiefen Entsetzens gegenüber dem Erhabenen, das In-den-Grundfesten-erschüttert-Sein perfekt darstellt (man beachte besonders die Szene in der Nervenheilanstalt zu Beginn). Die Latex- und Gummischöpfungen von Mark Shostrom und John Carl Buechler wirken heute zwar etwas albern, fallen aber keineswegs negativ ins Gewicht: Arno Meteling hat in seinem vor kurzem in der SLATTING IMAGE erschienen Text zu Lovecraft recht treffend beschrieben, warum jeder, der versucht, die Schöpfungen Lovecrafts abzubilden, letztlich scheitern muss, ja, dass in dessen Texten die Nichtdarstellbarkeit geradezu angelegt ist. FROM BEYOND hat mir gestern noch wesentlich besser gefallen als vor 10, 15 Jahren, was bei Filmen dieser Art ja eher selten der Fall ist. Besonders augenfällig schien mir seine thematische Verwandtschaft mit einem anderen großen Horrorfilm der Achtziger, nämlich Clive Barkers HELLRAISER aus demselben Jahr: In beiden Filmen öffnen Menschen mithilfe eines Gerätes das Tor zu einer anderen Dimension und müssen sich infolge mit inneren wie äußeren Dämonen herumschlagen. Es sind nämlich längst nicht nur die ekligen Glitschwesen, die Tillinghast, McMichaels und Brownlee zusetzen: Mehr noch als diese machen ihnen die Änderungen ihrer Persönlichkeit zu schaffen. McMichaels verwandelt sich in eine bestrapste Sadonutte, Tillinghast wächst gar das sagenumwobene dritte Auge aus der Stirn, bevor er schließlich Menschen das Hirn aus der Augenhöhle lutscht. Der große Vorteil von FROM BEYOND sind definitiv seine Charaktere, die man nicht als bloßes Schlachtvieh begreift, sondern an deren Schicksal man anteilnimmt. Und mein Gott, was wird denen übel mitgespielt. Das Ende ist ein ziemlicher Runterzieher und erinnert nicht wenig an jenes von THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE: Die Protagonistin hat überlebt, beglückwünschen möchte man ihr dazu aber nicht. Bin beeindruckt.
#990
Geschrieben 27. Oktober 2007, 09:36
Regie: Simon West
Mit DIE HARD erfuhr der Actionfilm in den späten Achtzigern eine entscheidende Trendwende: weg vom urbanen Vigilantentum und dem Dschungelkrieg hin zum Kampf gegen kapitalistische Terroristen auf dem begrenzten Raum von Hochhaus, Schiff, Zug, Flughafen oder eben dem Transportflugzeug für Schwerverbrecher wie in Simon Wests CON AIR, der ganz am Ende dieser Entwicklung steht und schon die ins ironisch überhöhte Zuspitzung dessen repräsentiert, was mit John McTiernans Film noch einigermaßen bodenständig begonnen hatte. Gleichzeitig trägt CON AIR schon alle Zeichen des aufgeblasenen Eventspektakels, des High-Concept-Films, der seine Leere hinter dem schier erschlagenden Gigantismus zu verbergen sucht, aber daran scheitert, weil hinter der Kamera eben nur Bay-Eleve Simon West steht, der später noch TOMB RAIDER verbrechen durfte und mittlerweile bei doofen Horror-Remakes gelandet ist (WHEN A STRANGER CALLS).
Die Prämisse von CON AIR ist so comichaft wie einfach: Man stecke die übelsten Schwerverbrecher zusammen mit dem guten amerikanischen Helden, einem ehemaligen Marine natürlich, in ein Transportflugzeug, lasse sie das Flugzeug kapern und ihre Fluchtversuche im Folgenden vom Helden so lange sabotieren, bis der nette FBI-Mann die Spur aufgenommen hat. Eine Idee, die kaum mehr als die Storyline eines Videospiels ist – wer wäre denn so blöd, all diese Soziopathen und Monster tatsächlich in ein Flugzeug zu packen? Das ist dann auch das Problem von CON AIR, der sich selbst leider niemals Ernst nimmt und sich ganz darauf konzentriert, vor allem Masse statt Klasse zu bieten. Wo der Actionheld früher gegen einen Oberbösen antreten musste, da ist es jetzt gleich ein ganzes Flugzeug voll mit üblen Typen; die Insassen sind keine "einfachen" Verbrecher, sondern massenmordende, hoch intelligente Soziopathen (John Malkovich als Cyrus "the Virus"), schwarze Revoluzzer (die aber eigentlich doch nur jeglicher Philosophie beraubte Mörder sind) (Ving Rhames als "Diamond Dog"), die Serienkiller Garland "The Marietta Mangler" Greene (Steve Buscemi) und "Billy Bedlam" (Nick Chinlund) und natürlich ein Massenvergewaltiger (Danny Trejo). Keiner dieser Charaktere benimmt sich in irgendeiner Weise konsistent oder seinem Profil entsprechend. Kein Wunder, eine "Zusammenarbeit" all dieser Verrückten würde sonst ja auch gar nicht funktionieren. Damit nun der bärtige Superheld Cameron Poe (Nicolas Cage) "den Tag retten kann" (er sagt das wirklich), setzt der Film jegliche Regeln der Logik außer Kraft: Da fällt ein Mensch aus mehreren Tausend Metern vom Himmel auf ein Auto, ohne dass jemand erschlagen würde, und bleibt dabei auch noch so intakt, dass die von Poe auf sein T-Shirt gekritzelte Botschaft lesbar ist; Poes Buddy verlangt abwechselnd nach der rettenden Insulinspritze UND Süßigkeiten, was komplett widersinnig ist und FBI-Mann Larkin (John Cusack) weigert sich, das Flugzeug abzuschießen, um Unschuldige zu retten, lässt aber zu, dass es mitten in Las Vegas auf dem Strip landen kann – wobei selbstredend tatsächlich niemand zu Schaden kommt. Klar, beim Actionfilm geht es nicht um Realismus, aber wenn alles scheißegal ist, es überhaupt kein Regelwerk gibt, innerhalb dessen das Geschehen verortet ist, ist das der Spannung extrem abträglich. CON AIR ist hier und da ganz witzig, ja, aber auch ziemlich langweilig. So ist es vor allem Cusacks Verdienst, dass es den Film nicht komplett zerreißt: Er ist das glaubwürdige emotionale Zentrum des Films, mehr noch als Cage, dessen laaaaanggezogener und gefakter Southern Drawl sehr gut zu Schlafzimmerblick und Wife-Beater-bewehrtem Overacting passt. Die beste Szene gehört aber Steve Buscemi: Als deutliches Hannibal-Lecter-Zitat gezeichnet, entfernt er sich irgendwann von seiner Gruppe und trifft inmitten eines surrrealen Wüstensettings auf ein kleines Mädchen ... So sind es tatsächlich die Akteure, die CON AIR vor der völligen Seelenlosigkeit bewahren und Simon West den Arsch retten – Angelina Jolie hat das ein paar Jahre später dann nicht mehr geschafft.
Um noch einmal den Vergleich zu den Filmen der Achtziger heraufzubeschwören: Diese waren auch gewaltfixiert und menschenverachtend, bildeten die Gräueltaten ihrer Helden und Schurken aber wenigstens so ab, dass sie auch eine nachhaltige Wirkung hinterließen. In CON AIR ist die Gewalt ein Riesenspaß, so realistisch wie bei TOM & JERRY und so schmerzhaft wie in einer A-TEAM-Episode: Cyrus the Virus wird am Schluss durch zwei Glasscheiben geschmissen, stürzt mehrere Meter in die Tiefe UND bekommt den Kopf zerqeutscht – und dennoch wartet man darauf, dass er wieder aufsteht und sich über Kopfschmerzen beklagt. Und diesen Berg filmischer Grützwurst fand ich vor zehn Jahren tatsächlich gut ...
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