Sweet Dreams
#91
Geschrieben 04. Dezember 2003, 19:40
Einem Tagebuch vertraut man normalerweise die intimsten Gedanken an, in dem sicheren Wissen, daß sie nie jemand zu Gesicht bekommt (es sei denn, man wird berühmt und der Nachlaß gefleddert). Bei diesem öffentlich geführten Filmtagebuch muß man sich aber doch den einen oder anderen Satz verkneifen. Once bitten, twice shy. Es gibt verschiedene Themenkomplexe, zu denen ich mich öffentlich nicht mehr äußere. Zu radikal meine Ansichten, zu verständnislos meine Umwelt. Die Gen- und Klontechnologie ist eines dieser weiten Felder. Die Beschimpfungen, die ich mir aufgrund meiner Vorstellungen einfing, reichten bis zum "Biofaschisten". Was kann ich dafür, daß ich meiner Zeit weit voraus bin?
Zu GATTACA: Fantastischer Film, der aus meiner Perspektive leider unter der Prämisse leidet, die Gentechnologie als etwas durchweg schlechtes zu schildern. Der Ursprung der negativen Triebkraft ist das Geld. Da sollte man ansetzen.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
"I was always killing myself, but it was always the bystander who died."
(Dennis Nilsen)
#92
Geschrieben 05. Dezember 2003, 21:10
"Hinter allem kann eine aufregende Geschichte stecken", sagt Oliver Korittke in Jörg Lühdorffs DAS SIEBTE FOTO, ohne zu ahnen, in welch lebensgefährliche Abenteuer ihn ein gefundener Fotoapparat führen wird. Am Anfang schwelgt der Film in warmen, erdigen Tönen und zeigt Oliver Korittke als einen leicht weltfremden Kinderbuchautor, der in einen politischen Strudel gerät, dessen Ursprung im Prager Frühling liegt und bis in die Gegenwart reicht. Als zur Gewißheit wird, daß das, was in den Geschichtsbüchern steht, nicht immer unbedingt der Wahrheit entspricht, werden die Bilder immer fahler, kontrastärmer. Weil die Abstufungen in Grau der wirklichen Wirklichkeit mit den farbenfrohen Phantastereien der offiziellen Wirklichkeit (=> offizielle Geschichtsschreibung) nicht mithalten können.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
"I was always killing myself, but it was always the bystander who died."
(Dennis Nilsen)
#93
Geschrieben 06. Dezember 2003, 15:21
"Man, why are you chasing me?"
"Why are you running?"
"Because you're chasing me, man!"
Er hat die geileren Schauspieler, die geilere Story, die geileren Bilder und die geilere Autoverfolgungsjagd sowieso. Aber warum zur Hölle sprechen immer alle, wenn es um William Friedkin geht, nur über THE FRENCH CONNECTION? Und nie über TO LIVE AND DIE IN L.A.?
Du hast die dicksten cojones der Stadt. Und wenn dein Gang verrät, daß jeder Schritt in deinem Leben dein letzter sein könnte, dann machst du nur noch große Schritte vorwärts, aber unter keinen Umständen einen zurück. Du bist beim Secret Service und dein Auftrag ist das Gesetz. Aber was schert dich dieser Dreck auf dem Papier? Du kennst nur ein Ziel. Und um dieses Ziel zu erreichen, gehst du über Leichen. Auch über deine eigene...
Mit seinen ultrabrutalen Schußwechseln feuert William Friedkin dir eine Schrotladung Amoralität ins Gesicht, von der du dich nur schwer wieder erholen wirst. Ein geiler Film, der immer besser wird, je öfter man ihn guckt.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#94
Geschrieben 07. Dezember 2003, 15:03
"What exactly is that?"
"Spider, man."
Sehr, sehr kurzweiliger B-Film mit stellenweise pointierten Dialogen und den üblichen, aber deswegen noch immer nicht falschen Spitzen gegen die Auswüchse eines kranken Systems: Kapitalismus, Umweltverschmutzung, Paranoia etc. David Arquette ist in dieser Sorte Film bestens aufgehoben und Kari Wuhrer immer noch eine hinreißend schöne Frau.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#95
Geschrieben 07. Dezember 2003, 18:53
"Ich muß woanders hin. Ich muß irgendwo hin, wo ich wirklich hingehöre. Ich weiß noch nicht, wo das ist, aber ich werd's finden und da bleibe ich dann", sagt Floyd zu seinen beiden Freunden, als er ihnen erzählt, daß er Hamburg am nächsten Tag auf einem Containerschiff verlassen wird. Wenn selbst eine Großstadt nur noch Enge bedeutet, dann braucht man die Weite eines Ozeans um herauszufinden, wer man ist, wo man hingehört. Wenn man nicht weiß, wo man sich selbst verheimatet, dann ist die Sehnsucht, irgendwo anders zu sein, ja eigentlich kein richtiges Fernweh, sondern eher eine Art Heimweh unter umgekehrten Vorzeichen.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#96
Geschrieben 08. Dezember 2003, 09:14
Mit acht KöPi im Kopp kann man vielleicht noch Filme schauen, aber ob man noch in der Lage ist, das Geschehen mit einem klaren Gedanken zu erfassen, wage ich noch zu bezweifeln. Und deshalb nur dies: Steven Seagal ging mir in diesem Film mit seinem klugscheißenden Mixwix aus Esoterik und Buddhismus, seiner albernen Halskette und der stupiden Angwohnheit, seine Hände in einer selten dämlichen Pose vor seiner Plautze zu verschränken (sollte wohl so etwas wie mentale Überlegenheit ausdrücken, höha!) dermaßen auf den Sack, daß ich am liebsten 'ne Bierflasche in seiner fetten Bratze versenkt hätte. Da ich mit dieser Aktion aber nur meinem "quadratischen Horizont" (Virilio) geschadet hätte, ließ ich es lieber sein. Wenigstens waren die Keilereien recht ordentlich inszeniert/choreographiert.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#97
Geschrieben 11. Dezember 2003, 10:40
(BgR Leipzig)
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#98
Geschrieben 14. Dezember 2003, 13:33
"Mein Ziel ist, mit einem Vorschlaghammer dem Leser eins in die Fresse zu hauen. Wäre ich ein Diktator, wäre ich Hitler; wäre ich eine Symphonie, wäre ich Beethovens Neunte; wäre ich ein Religionsführer, wäre ich Gott."
(James Ellroy)
Würde man Michael Bay dieselbe Fage stellen wie James Ellroy, die Antwort würde ähnlich lauten. Denn beide sind komplett größenwahnsinnig. Ich weiß das. Das ist eine Sache unter Gleichgesinnten.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#99
Geschrieben 14. Dezember 2003, 17:52
Wirft man einen genaueren Blick auf Stephen H. Hopkins Filmographie, dann erscheint die Jagd als das zentrale Motiv seines Werkes. Schon in seinem ersten Film, DANGEROUS GAME, setzt ein Killer Jugendlichen nach. In A NIGHTMARE ON ELM STREET 5 ist Freddy Krueger am Zug. Danny Glover jagt den Predator (PREDATOR 2), Denis Leary Emilio Estevez und seine Kumpels (JUDGEMENT NIGHT) und Jeff Bridges den genial-verrückten Bombenleger Tommy Lee Jones (BLOWN AWAY). In LOST IN SPACE jagen die Protagonisten der Zeit hinterher, um die Erde zu retten (kann mich aber auch irren, bin schließlich bei eingepennt). Dazu die Katz-und-Maus-Spiele in UNDER SUSPICION und der TV-Serie 24.
In DER GEIST UND DIE DUNKELHEIT jagen Val Kilmer und Michael Douglas zwei Löwen, die den Bau einer Brücke behindern. Auch hier findet sich wieder das Motiv eines scheinbar unbesiegbaren Gegners, den der Held nur bezwingen kann, indem er über sich hinauswächst. DER GEIST UND DIE DUNKELHEIT ist auch eine herrlich fotografierte Reflexion über die Schönheit, die auch immer das Element des Gefährlichen beinhaltet. Schweift Vilmos Zsigmonds Kamera über die afrikanische Landschaft, dann gibt es die Erhabenheit der Bilder nur um den hohen Preis der Ungewißheit über die körperliche Unversehrtheit, um den Preis der Angst, der Bedrohung. Weil niemand sagen kann, ob sich nicht irgendwo im Gras die menschenfressenden Löwen verbergen.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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#100
Geschrieben 20. Dezember 2003, 12:09
Keine Zeit => Kein Kommentar.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
"I was always killing myself, but it was always the bystander who died."
(Dennis Nilsen)
#101
Geschrieben 20. Dezember 2003, 12:11
Keine Zeit => Kein Kommentar. (Leider!)
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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#102
Geschrieben 20. Dezember 2003, 12:12
Keine Zeit => Kein Kommentar. (Leider!)
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#103
Geschrieben 20. Dezember 2003, 12:21
Choose drugs. Choose a better life.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#104
Geschrieben 21. Dezember 2003, 09:34
Macht es eigentlich Sinn, wenn ein Film auf einer wahren Geschichte beruht, die realen Hintergründe zu lesen/recherchieren, um den Film beurteilen zu können? Meine Antwort lautet eindeutig: Ja. Denn auch Norman Jewison vereinfacht in seinem Film HURRICANE komplexe Dinge, um die emotionale Wirkung zu verstärken. Das macht den Film aber nicht schlecht. Ganz im Gegenteil: Es weckt die Neugier, sich mit dieser Geschichte eingehender zu beschäftigen.
Da ist z.B der rassistische Cop Vincent Della Pesca, der es sich, so wie es im Film erscheint, zur persönlichen Aufgabe gemacht hat, Rubin Carter in den Knast zu bringen. Diesen Vincent Della Pesca hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Er ist nur die Stellvertreterfigur, die Fratze des Hasses eines rassistischen Systems, dessen Legislative, Exekutive und Judikative nach Abschaffung der Sklaverei keine Möglichkeit unausgeschöpft ließen (lassen), um Schwarze zu kriminalisieren. Der weiße Herrenmensch lebt noch in vielen Köpfen.
In Wirklichkeit waren es nicht vier Kanadier (inkl. Protégée Lesra), sondern neun, die die Freisprechung Rubin Carters erwirkt haben. Und auch die Gerichtsprozesse waren skandalöser als die im Film gezeigten. In HURRICANE erfährt man nichts davon, daß die Hauptbelastungszeugen ihre Aussagen bereits 1974 widerriefen. Daß es Rubin Carter aber noch weitere 14 Jahre seines Lebens kostete, bis er 1988 freigesprochen wurde, ist eine dieser schmerzhaften Wahrheiten, die Norman Jewison auch einem weißen Publikum hätte zumuten können.
Was bleibt, ist mein Haß auf eine Welt voller Rassismen. Haß auf eine Welt, die Menschen nach Hautfarben, nach "Rassen" separiert. Haß auf Justizsysteme, die diesen Namen nicht verdienen.
Und was auch bleibt, ist ein weiterer Beweis, daß Denzel Washington einer der größten Schauspieler unserer Zeit ist.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#105
Geschrieben 26. Dezember 2003, 10:22
Eigentlich sollte hier nur stehen:
Keine Zeit => Kein Kommentar. (Leider!)
Aber jetzt gärt der Film seit sechs Tagen in meinem Kopf und wird mit jedem Tag ärgerlicher. Um diesem Herumgespuke ein Ende zu setzen, muß ich doch noch zwei Sätze zu diesem Film verlieren.
Die Romantisierung einer Vergewaltigung, die Christoph Stark hier in seinem Film betreibt, die ist nicht nur verantwortungslos und eine Unverschämtheit, sondern auch ein Schlag ins Gesicht jeder Frau. Bei einer Wiederholung wird es mir ein Vergnügen sein, dieses bodenlose Machwerk zu zerpflücken.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#106
Geschrieben 26. Dezember 2003, 17:52
"Der Vatikan der Neuzeit gleicht einem noch warmen Leichnam. Welches Hemd man ihm auch überzieht, mit welchen Zaubersprüchen man ihn beschwört, nichts kann ihn wieder lebendig machen."
(Komsomolskaja Prawda)
Wenn schon ein Film über einen Papst, dann natürlich über einen - zumindest für katholische Verhältnisse - "liberalen" und nicht über einen dieser (geistigen) Mordbrenner an denen die Papstgeschichte wahrlich keinen Mangel kennt.
Der Film beginnt mit dem Tod. Während die Nachricht des Todes von Papst Pius XII. um die Welt geht, steht sein Nachfolger, Angelo Guiseppe Roncalli, der es in diesem Moment freilich noch nicht wissen kann, in seinem eigenen Sarg, den er sich maßanfertigen läßt. Mit einigem Augenzwinkern könnte man das als Symbol für eine vom Aussterben bedrohte Verbrecherorganisation betrachten. Aber von dieser Ironie ist diese päpstliche Beweihräucherung weit entfernt.
Im weiteren Verlauf des Films wird die Wahl Roncallis zum Papst gezeigt und hastet durch die fünf Jahre seines Pontifikats. Der Film ist nie kritisch, eher praktiziert er eine nur noch als unterwürfig (der Katholik von nebenan würde wohl sagen: liebevoll) zu bezeichnende Sichtweise. Daß hier ein 180-minütiger TV-Zweiteiler vom ZDF (?) auf gute 105 Minuten heruntergekürzt wurde, ersparte mir zumindest 75 weitere Minuten Lobhudelei. Daß sich der Erzählton des Films in den entfernten Szenen großartig ändert, darf stark bezweifelt werden. (Es scheint beim ZDF gang und gäbe zu sein, TV-Zweiteiler auf eine durchschnittliche Spielfilmlänge zu stutzen: siehe auch BOMBENLEGER.)
Viel Zeit nimmt sich der Film, um das Wahlverfahren zu zeigen. Es brauchte elf Durchgänge bis zum Ergebnis. Zwischendurch bekommt man dann immer wieder Dialoge der Kurienmitglieder präsentiert, die zeigen, daß eine Papstwahl eigentlich nicht viel anders funktioniert als die Vergabe der Oscars in Hollywood. Bei beiden Zeremonien steht nicht immer unbedingt die beste Wahl auf dem Siegertreppchen, sondern meist ist der Gewinner eine Mischung aus Kalkül und Kompromiß. Papst Johannes XXIII. wird in den Geschichtsbüchern nicht zu Unrecht als Kompromiß- bzw. Übergangspapst bezeichnet.
Das Weltgeschichtliche wird kurz und bündig abgehakt. Warum sich auch in den langwierigen diplomatischen Fallstricken verfangen? Viel lieber zeigt der Film einen Winkewinke-Papst, der durch Krankenhäuser strolcht und mit den Lakaien plaudert. The pope next door. Ich denke, daß in diesem Teil am meisten gestrafft wurde. Aber so harmlos, wie einem der Film weismachen möchte, war Bruder Johannes dann doch nicht.
In seiner Prä-Papst-Zeit war Roncalli ganz auf vatikanischer (Pius-)Linie und ein bekannter Kommunistenfresser. Diese Haltung legte er auch als Pontifex nicht ab - verschleierte seine Aussagen im Laufe der Jahre nur etwas besser. Nun lebt auch ein Papst nicht nur vom Glauben allein, sondern auch von den Einflüsterungen seiner sakralen Schattenmänner. Und die hatten einen nicht unerheblichen Einfluß auf die vatikanische Politik im Zeichen Johannes XXIII. So muß sich Edward "Lou Grant" Asner immer, wenn er die bösen K-Wörter (Krieg! Kommunismus!) in den Mund nimmt, mit bitterbösen Blicken begnügen.
Ganz besonders erfährt der Zuschauer die halbweltliche Lenkung bei der Schilderung über die Einberufung des Vaticanum II. Gute Idee (na ja, für einen Katholiken), aber schlechte Ausführung (zumindest aus säkularer Sicht). Unter Roncallis Regierung hat sich nichts Entscheidendes geändert.
Wenn der Film dem unbedarften Zuschauer allerdings nahelegen will, daß der Papst die Welt im Alleingang vorm 3. Weltkrieg gerettet hat (Kuba-Krise), dann ist das an Trivialität nicht zu übertreffen und fällt letztlich unter die Rubrik Geschichtsklitterung. Darf's auch ein bisserl weniger sein? Nein, denn der Papst ist schlußendlich nicht irgendwer, sondern das, wie es einmal im Film heißt, "unantastbare Bindeglied zwischen Mensch und Gott".
Noch Fragen? Ja, viele. Aber nicht jetzt und nicht hier.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#107
Geschrieben 27. Dezember 2003, 19:28
Ich kann es nicht mit letzter Gewißheit sagen, aber die meisten Filme mit Bud Spencer und Terence Hill waren wohl nie so verblödelt, wie mir Rainer Brandt weismachen wollte. Bei VIER FÜR EIN AVE MARIA ist die Diskrepanz zwischen der ernsten Inszenierung und der Blödelsynchro dermaßen groß, daß sich kein rechtes Vergnügen einstellen möchte.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#108
Geschrieben 29. Dezember 2003, 08:44
"Das Deutschland Hitlers erscheint als Opfer."
(Hannes Heer)
Eins vorweg: Der Film hat eine originale (Kino-)Lauflänge von 158 Minuten. Die Fassung, die die ARD ausstrahlte, brachte es auf 115 Minuten. Das erschwert eine Beurteilung. Aber: Das, was ich hier sehen konnte, reichte aus, um gegen diesen Film Stellung zu beziehen.
Ein zweites vorweg: Ich mag keine Filme, die mir befehlen, mich mit Nazis zu identifizieren, mit ihnen in ihren schwersten (=> selbstverschuldeten) Schicksalsstunden zu leiden, zu fiebern, zu zittern. Joseph Vilsmaiers STALINGRAD, Wolfgang Petersens DAS BOOT - die Liste ist so lang wie meine Abscheu groß.
Hardy Martins' SO WEIT DIE FÜSSE TRAGEN schlägt in genau diese Kerbe. Der "Held", Oberleutnant Clemens Forell, ist ein deutscher Kriegsverbrecher, der aufgrund seiner Wehrmachtstätigkeit gegen Partisanen zu 25 Jahren Lagerarbeit verurteilt wird. Auf der Zugfahrt gibt es ein kurzes Geplänkel zwischen einem Bis-zur-letzten-Kugel-Nazi und den anderen Verurteilten. Schon klar, irgendwie war man ja immer dagegen (aber irgendwie auch nie so richtig). Das wird tunlichst in Nebensätzen abgehandelt. Der historische Hintergrund wird nahezu komplett ausgeblendet. Der Film reduziert sich auf das Duell zwischen dem sowjetischen Lagerleiter und dem Sträfling. Der Sowjet ist ein Trunkenbold, der im Suff gerne die Genossin befummelt, der Deutsche aufrecht und kruppstahlhart, der, am Ende seiner jahrelangen Flucht, seine Familie unter Tränen und - wie könnte es anders sein? - in einer Kirche in die Arme schließt. An diesem Triumph des Willens sollen sich die gottlosen Sowjets gefälligst ein Beispiel nehmen!
Nachdem Forell die Flucht aus dem Lager gelingt, flieht er - das Presseheft kennt (woher?) die genaue Zahl - 14.208 Kilometer quer durch die Sowjetunion. Trifft auf allerlei Menschen, die ihm helfen und denen er hilft. Diese light-Version einer Völkerverständigung gipfelt in der Begegnung mit einem Juden, der ihm kurz die Leviten liest und dann den benötigten Paß besorgt, mit dem Forell die Grenze zum Iran übertreten kann.
SO WEIT DIE FÜSSE TRAGEN ist ein durch und durch deutsches Produkt. Durch den Entzug der politischen Dimension ein reiner Abenteuerfilm, für den der Zweite Weltkrieg nur noch Kolorit ist. Der Film hat auch ein ganz anderes Ziel: Die Umformung des deutschen Täters zum Opfer - eine eklige Ewiggestrigen-Phantasie, die immer mehr zur Wirklichkeit wird. Geschichte wird gemacht.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#109
Geschrieben 30. Dezember 2003, 09:10
"Entscheidend ist, was hinten rauskommt."
(Helmut Kohl)
Der Film hat das gleiche Thema wie TRAINING DAY: Über die Schwierigkeiten sich auf unbekanntem/feindlichem Terrain zu bewegen. Aber was Antoine Fuqua wollte und was dabei herauskam, sind in diesem Fall zwei grundverschiedene Dinge. (Je länger ich allerdings über diesen Film nachdenke, desto unsicherer werde ich, daß Antoine Fuqua tatsächlich irgendetwas anderes wollte, als genau diesen Film, wie er jetzt zu sehen ist. Anmerkung für mich: Audiokommentar anhören.)
Die Ansätze sind ja nicht uninteressant: Das Leben einer Ärztin zu retten und dabei über Leichen zu gehen, das hätte die Grundlage für einen spannenden ethischen Diskurs abgeben können. Die rules of engagement, die z.B. UN-Truppen zu bloßen Beobachtern von Massakern degradieren, werden hier gebrochen, um eine ethnische Säuberung zu beenden. Man soll moralisch jubeln, aber es gibt nichts zu jubeln, weil die Welt komplizierter ist als ein Actionfilm.
Nur leider verschwinden all diese Ansätze in einem unschmackhaften Brei aus Pathos gemischt mit schwülstigen Dialogen und schauspielerischen Null-Leistungen. Der fiktive Konflikt in Nigeria entspricht dem amtierenden Schwarzweiß-Denken des Weißen Hauses: Christen sind gut, alle anderen nicht. Afrikaner sind unfähig zur Demokratie. Sie bedürfen der Hilfestellung von außerhalb.
Am Ende sieht man Afrikanerinnen, die nicht nur Gott, sondern auch den weißen Helden mit tränenüberkullerten Bäckchen danken: Übelste Kolonialmentalität von einem Schwarzen in Szene gesetzt! Der Film differenziert nicht einmal mehr, die Aussage ist klar: Eine amerikanische Intervention ist immer eine gute. Denn Amerika, auch das suggeriert der Film, interveniert nicht aus pekuniären Gründen, sondern lediglich aus humanitären.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#110
Geschrieben 30. Dezember 2003, 23:08
"Television, the drug of the Nation"
(The Disposable Heroes of Hiphoprisy)
Meine Güte, das muß mindestens 15 Jahre her sein, daß ich VIDEODROME zuletzt gesehen habe. Aber dieser Film hat nichts von seiner Faszination, nichts von seiner Aktualität verloren!
"Yeah, it turns me on", sagt Nicki Brand zu Max Renn, als sie sich die Videodrome-Show angucken - und der schaut in die Kamera, schaut dem Rezipienten direkt ins Auge. David Cronenberg nimmt 14 Jahre vor FUNNY GAMES den Haneke vorweg.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#111
Geschrieben 30. Dezember 2003, 23:25
Überhaupt nicht komische Komödie. Nur die Nebenfiguren evozieren den einen oder anderen Lacher. Verschenkte Zeit.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#112
Geschrieben 31. Dezember 2003, 19:45
(Bernhard Schmid)
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#113
Geschrieben 04. Januar 2004, 20:34
Die nachfolgende Liste der seit Ende Dezember gesehenen Filme - die noch nicht einmal vollständig ist - zeigt, was ich eigentlich nicht will: Diese nichtssagenden Ein- bis Dreizeiler, die über ein simples "Der Film ist gut, weil... / Der Film ist schlecht, weil..." nicht hinauskommen. Ich brauche Raum, um Gedanken auszubreiten und dafür brauche ich vor allem Zeit, sie auch in Worte zu verpacken (ich bin ein langsamer Schreiber, ich überdenke jedes Wort mehrfach, bevor ich es veröffentliche). Ich brauche Zeit, um Bilder zu verarbeiten (manchmal viele Tage), Zeit zum Nachdenken, zum Assoziieren.
28. Dezember 2003 | SPUREN VON BLUT (Frankreich 1999) | TV
Recht interessanter französischer (TV?-)Film über einen Serienkiller. Leider die zweite Hälfte mehr oder weniger im Dämmerschlaf verbracht. Bei Wiederholung anschauen.
29. Dezember 2003 | SCHNEE, DER AUF ZEDERN FÄLLT (USA 1998) | TV
Gelungene Umsetzung der gleichnamigen Vorlage von David Guterson. Schmerzhaft zeigt der Film in poetischen Bildern, daß der Verzicht zugunsten eines anderen wahre menschliche Größe erfordert.
29. Dezember 2003 | IM ZWIELICHT (USA 1998) | TV
Wenn man sich einen modernen film noir anschaut, sollte man etwas aufmerksamer sein. Ansonsten hat man spätestens ab der Hälfte Schwierigkeiten, dem Film zu folgen. James Garner hat mir gut gefallen.
30. Dezember 2003 | ROMPER STOMPER (Australien ) | DVD (RC1)
Kann den Film nicht richtig einordnen. Muß ich mir ein zweites Mal anschauen.
30. Dezember 2003 | DIE EXPLOSION (D 2001) | TV
DAYLIGHT-light, auf Privatfunk-Niveau.
31. Dezember 2003 | BEYOND RE-ANIMATOR (USA 2003) | DVD (RC1)
Recht lustige Fortsetzung, die nicht ganz an ihre Vorgänger heranreicht. Leider wurden auch ein paar Möglichkeiten für Splatter nicht genutzt. Mehr wäre hier durchaus mehr gewesen. Einem vierten Teil bin ich nicht abgeneigt.
01. Januar 2004 | DAS NETZ (USA 1995) | TV
Sandra Bullock mit einer unsäglichen Quiekstimme. Nie wieder in der deutschen Fassung!
03. Januar 2004 | DAS KONTO (D 2003) | TV
Etwas zu lang geratener TV-Zweiteiler. Mit etwas mehr Komprimierung hätte das Geschehen zügiger und spannender gewirkt.
04. Januar 2004 | DER MANN, DER LÄCHELTE (Schweden/D 2003) | TV
Neuer Fall für Kurt Wallander. Zum sechsten Mal gibt Rolf Lassgård die Henning-Mankell-Figur, mit der er sich schon vom ersten Film an in mein Herz gespielt hat. Warum das ZDF diesen Zweistünder allerdings auf zwei Teile à 1 Stunde aufgeteilt hat, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben.
Das war's. Bis demnächst...
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#114
Geschrieben 09. April 2004, 13:54
Wie Michael Rooker aus dem Film-Bild verschwindet, sich vom Gesetz verabschiedet...
...und wie er aus dem Raum neben dem Film-Raum auftaucht, wieder auf die Seite des Gesetzes zurückkehrt - das ist großartig.
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#115
Geschrieben 12. April 2004, 17:49
Fernsehstube in Berlin, 1936
"Nach den bisherigen Beobachtungen hat es den Anschein, als ob sich in den Fernsehstellen z.T. regelmäßig dieselben Leute einfinden, denen weniger daran gelegen ist, sich über den Stand des Fernsehens zu unterrichten, als eine billige Unterhaltungsstelle und Wärmequelle zur Verfügung zu haben."
(Aus einem Bericht des Reichspostministeriums vom 11. Februar 1937)
"Eine große Zahl von Besuchern kehrt ständig wieder. Die meisten gehören ärmeren Volksschichten an, die durch die Teilnahme an den Fernsehvorführungen die Ausgaben für einen Kinobesuch ersparen."
(Aus einem Bericht der Reichspostdirektion Berlin vom 01. Mai 1937)
Die Cathode Ray Mission
Hitler (?) im Tütü, mit Hakenkreuz auf der Brust, in langen (Narren?)Schuhen steckend, darauf balancierend oder vielleicht doch eher schwebend? Gibt es dieses Bild an der Wand in Max Renns Wohnung eigentlich wirklich oder wurde es für VIDEODROME angefertigt? Ist dieses Bild ein Hinweis darauf (eine Warnung davor?), was die Nazis mit dem Medium Fernsehen hätten erreichen können, wäre die Entwicklung zur Zeit des Dritten Reiches bereits weiter vorangeschritten gewesen?
maX, übernehmen Sie!
Deep Red
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
#116
Geschrieben 27. Mai 2004, 12:14
(Elaine Donnelly, Präsidentin des Center for Military Readiness)
(Klaus Theweleit)
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(Dennis Nilsen)
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